Thema Nr. 3 Ein neuer Star? – Casting im - Oken

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Thema Nr. 3 Ein neuer Star? – Casting im - Oken
Landeswettbewerb Deutsche Sprache und Literatur Baden-Württemberg 2009
Thema Nr. 3
Ein neuer Star? – Casting im Fernsehen
Ein Essay.
Von Martin Gabel
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Martin Gabel
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Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich in Deutschland ein neues Fernsehformat
entwickelt. Dieses wurde derart erfolgreich, dass mittlerweile fast alle prominenten
Fernsehsender diesem Konzept folgen. Die Rede ist von Castingshows. Zuerst möchte ich
den Begriff der Castingshow ein wenig erläutern. „Casting“ bezeichnet im Allgemeinen ein
Auswahlverfahren, indem es darum geht, sich z.B. für Schauspielrollen, Plattenverträge,
oder ähnliches zu bewerben. Dazu tritt man in einer kurzen Darbietung seiner Fähigkeiten
vor einer Jury auf. Bei den Castingshows werden die gezeigten Fähigkeiten von der Jury
meist subjektiv beurteilt und auf oft unprofessionelle Art bewertet. Oft bewerben sich
tausende Menschen als angehende „Superstars“, Sänger, Models usw. Am Ende jeder
Staffel einer Castingshow gibt es einen oder mehrere Gewinner, die dann beispielsweise
meist Geld und einen Vertrag mit einem Plattenlabel oder einer Modelagentur gewinnen.
Außerdem dürfen sie sich dann „Superstar“, „Topmodel“ oder wie auch immer nennen. Da
ich denke, dass jeder schon einmal etwas von Castingshows gehört hat, soll mir dies für
den Augenblick als eine Erläuterung genügen.
Im Jahre 2000 war die Premiere von Popstars auf RTLII, der ersten Castingshow im
deutschen Fernsehen. Im Ausland war die Show erfolgreich, deswegen versprach man
sich auch in Deutschland Erfolg von ihr. Tatsächlich war Popstars auch im deutschen
Fernsehen sehr erfolgreich und brachte RTLII gute Einschaltquoten ein. Nach diesem
Erfolg der ersten Staffel erkannten auch andere Sender, wie gut sich mit Castingshows
hohe Einschaltquoten einfahren ließen. Sie zogen nach und brachten eigene Shows in ihr
Programm ein. Seither werden wir regelrechet von Castingshows überflutet. Nach
Popstars auf RTLII, das mittlerweile auf Pro7 läuft, entstanden u.a. Deutschland sucht den
Superstar (DSDS) auf RTL, Star Search auf Sat1, Das Supertalent auf RTL und
Germany’s next Topmodel auf Pro7, um nur einige Beispiele zu nennen. Nachdem am
Anfang der Castingwelle eigentlich nur Sänger/innen oder Gruppen gesucht wurden, hat
sich das Spektrum nach und nach ausgeweitet, es wurden auch schon Models,
Theaterschauspieler, Zauberer oder anderweitige Talente gesucht.
Im Folgenden möchte ich mich ein paar Fragen und grundsätzlichen Dingen zum
Phänomen der Castingshow widmen. Dafür werde ich mich mit verschiedenen
Castingshows etwas näher auseinandersetzten, mit ihren Konzepten und natürlich auch
mit den Kandidaten. Die Beispiele für Castingshows, die ich mir für meine Bewertung
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ausgesucht habe, folgen im nächsten Absatz. Außerdem habe ich mir die Frage gestellt,
warum denn Castingshows einerseits so erfolgreich sind, andererseits aber auch von einer
breiten Masse kritisiert werden. Und wer hat eigentlich mit den Castingshows Erfolg? Ist
es der Fernsehsender, sind es die Kandidaten oder profitieren gar die Zuschauer?
Abschließend will ich noch kurz einige Reaktionen auf Castingshows nennen.
Wie schon gesagt, beteiligten sich mehr und mehr Sender an der Castingwelle. Neben
RTL, RTLII, Sat1, Pro7, Viva etc. suchte zuletzt sogar das öffentlich-rechtliche ZDF den
Musical Showstar 2008. Zu den bekanntesten Castingshows dürften noch immer Popstars
und
natürlich Deutschland sucht den Superstar zählen, dazu noch Heidi Klums
Germany´s next Topmodel sowie Das Supertalent auf RTL. Soviel sei verraten, hierbei
können sich Leute mit den unterschiedlichsten Talenten bewerben. Das war zumindest die
Idee des Senders. Die Frage, ob tatsächlich alle Bewerber talentiert waren, lasse ich mal
so stehen. Diese vier Castingshows habe ich mir als Beispiele ausgesucht und werde sie
jetzt etwas genauer betrachten.
Nun, ich beginne mit Deutschland sucht den Superstar, kurz DSDS. Ich denke, das dürfte
die am weitesten bekannte deutsche Castingshow sein. Hier werden Deutschlands neue
Superstars gesucht. Eine Staffel reicht von diversen Vorcastings, über Mottoshows, bei
denen einzelne Kandidaten durch die Fernsehzuschauer per Telefon „rausgevotet“
werden, bis hin zum Finale, wo sich dann letztendlich noch die letzten beiden verbliebenen
Kandidaten um den Superstar-Titel streiten. Wie es in den meisten Castingshows der Fall
ist, wechselt die Jury hier von Staffel zu Staffel. Ein Name darf aber nicht fehlen; Dieter
Bohlen. Wenn man diesen Namen hört, wird er meist mit sehr unterschiedlichen
Konnotationen verbunden, dennoch ist er so etwas wie das Gesicht dieser Show. Er zieht
sich durch die langen Namenslisten der Jury-Mitglieder, seit der ersten Staffel war er in
bisher allen fünf Staffeln dabei und wird es auch in der 6. Staffel bleiben, die im Januar
2009 anläuft. Er prägte DSDS mit seinen umstrittenen Kommentaren. Aus Interesse habe
ich einfach mal „Dieter Bohlen Sprüche“ „gegoogelt“ bzw. laut aktuellem Duden „mit
Google im Internet gesucht“. Die Suchmaschine berechnet mir etwa 30.000 Ergebnisse in
0,23 Sekunden. Bohlens Sprüche klingen in etwa so: „Das klingt, als wenn sie dir den
Arsch zugenäht haben und die Scheiße oben raus kommt!“ oder „Wenn du auf der Straße
stehst und singst, dann berechnet mein Navigationsgerät automatisch ´ne Umleitung!“ Wie
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man sieht, zimperlich geht Herr Bohlen mit den Kandidaten nicht gerade um. Aber eben
diese Sprüche sind es, die für viele den hauptsächlichen Reiz ausmachen, um 20 Uhr 15
RTL einzuschalten und DSDS zu sehen. Wie dem auch sei, für mich unverständlich.
Hier mache ich einen kleinen Schnitt und wechsle zum Thema Popstars. Auch bei
Popstars wechselt die Jury von Staffel zu Staffel, einzig ein Name, der ebenfalls
umstrittene Detlef Soost taucht in jeder Staffel auf, mal in der Jury, mal als eine Art
Trainer. Er ist so etwas wie das Popstars-Pendant zu Dieter Bohlen. Popstars bringt am
Ende einer Staffel eine Popgruppe hervor, deren Namen jedoch vom Sender oder von der
Produktionsfirma schon vor Ende der Staffel entschieden werden. Gesucht werden
Sänger/innen oder Tänzer/innen, je nachdem unter welchem Motto die Show gerade läuft.
Im Gegensatz zu DSDS und den meisten anderen Castingshows können die
Fernsehzuschauer nicht für ihre Popstars per Telefon voten, hier entscheidet die Jury, wer
weiterkommt und wer herausfliegt. Televoting ist nur im Finale der neueren Staffeln
möglich. Mittlerweile existieren sieben Staffeln.
In Germany´s next Topmodel werden, wie sich vom Namen her nur unschwer ableiten
lässt, Topmodels gesucht. Die Show wird vom deutschen Model Heidi Klum, ich nenne sie
mal schlicht und einfach Model und nicht Topmodel – sie hat ja nicht als Kandidatin bei der
Sendung mitgemacht, moderiert. Bekannt geworden ist die Sendung außerdem durch den
Laufstegtrainer Bruce Darnell, der in den ersten beiden der drei Staffeln mit dabei war. Er
ist markant durch seinen amerikanischen Akzent, der Kult bei den Fans der Sendung
geworden ist. Germany´s next Topmodel wird laut Ankündigung von Pro7 im Februar 2009
in die nächste Runde gehen, dann wird Staffel vier starten.
Das Supertalent. Hier kann man vom Namen nicht mit hundertprozentiger Sicherheit das
Konzept der Sendung ableiten. Daher wollte ich zuerst versuchen, es selbst zu definieren.
Hier werden Menschen aller Geschlechter, Altersklassen, Nationen usw. gesucht, diese
müssen keinerlei Voraussetzungen erfüllen, außer das sie irgendetwas gut können. Klingt
nicht so toll, meine Definition. Nun ja, dann besuchte ich die Homepage von RTL und habe
mir mal ein solches Formular angesehen, mit dem man sich zu einem Casting bewerben
kann. Das Formular ist in zwei Minuten ausgefüllt. Neben persönlichen Angaben, die man
ausfüllen muss, kann man noch ein Video oder Bild von sich hochladen. Und siehe da,
inmitten der Felder für die persönlichen Angaben befinden sich auch zwei DropdownFelder, mit deren Hilfe man sein Talent definieren kann. Zur Auswahl stehen: Sänger,
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Musiker, Tänzer, Zauberer, Jongleur, Akrobat, Comedian, Tier-Dressierer, TravestieKünstler/Imitator oder Sonstiges, jeweils mit dem Talentstatus „Amateur“, „Semi-Prof“i
oder „Profi“. Nun wäre ja geklärt, als was man sich alles bewerben kann. Deswegen will
ich zur Jury kommen. Wieder einmal war die Jury in den zwei Staffeln eine
unterschiedliche, wie bei DSDS saß allerdings beide Male Dieter Bohlen in der Jury. Zum
Thema Bohlen will ich nun nichts mehr weiter sagen, zu seinen Kommentaren, siehe
DSDS. Auch beim Supertalent entscheiden die Zuschauer per Televoting, wer
weiterkommt und wer nicht. Eine Staffel verläuft von diversen Auswahlverfahren, bis hin
zum Halbfinale und Finale. Dort wird dann ein Supertalent gekürt. Zu den Kandidaten und
ihren Fähigkeiten will ich noch einmal zurückkommen.
Damit schließe ich mit den Castingshows an sich ab. Jetzt werde ich mich den Kandidaten
und Gewinnern der oben genannten Castingshows widmen. Dazu passt auch die
Erfolgsfrage, das heißt inwiefern haben die Sender Erfolg mit dem Format Casting. Und
viel wichtiger, wie sieht es mit dem Erfolg der Gewinner der Shows im Nachhinein aus?
Was machen denn die Karrieren der Superstars, Topmodels usw. nachdem sie eine
Staffel gewonnen haben?
Schauen wir uns die Kandidaten der einzelnen Shows mal etwas genauer an. Was
unterscheidet einen Popstars- vom DSDS- und vom Supertalent-Bewerber? Welche
Gewinner sind am Ende erfolgreicher? Dazu möchte ich für jede der oben genannten
Castingshows einen „Durchschnittskandidaten“ beschreiben.
Ich beginne mit möglichen Kandidaten für DSDS. Der typische DSDS-Kandidat ist
männlich und/oder weiblich, und/oder deshalb, da ein Kandidat sich bereits einer
Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. Aktuell nahm der ehemalige „Lorenzo“, jetzt
„Lorielle London“ am RTL-Dschungelcamp im Januar 2009 teil. Die DSDS-Kandidaten
sind zum größten Teil zwischen 18 und 30 Jahre alt.
Bei Popstars sind die Kandidaten im gleichen Alter wie bei DSDS. Hier werden jedoch je
nach Motto bzw. Untertitel der Show, z.B. „Just 4 Girls“ oder „On Stage“, Sängerinnen,
Sänger, Tänzer und Tänzerinnen gesucht. Mal soll es auf eine Girl- mal auf eine Boygroup
hinauslaufen.
Die Germany´s-next-Topmodel-Anwärterinnen sind etwas jünger, bisher waren alle
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Teilnehmerinnen zwischen 16 und 25 Jahre alt. Bisher hat Heidi Klum auch noch keine
männlichen Topmodels gesucht. Naja, vielleicht kommt ja bald noch eine Show für die
vernachlässigten männlichen Models, man weiß ja nie.
Beim Supertalent ist das Teilnehmerfeld hingegen bunt gemischt. Teilnehmen kann
einfach jeder, ich weiß nicht, wer der jüngste oder der älteste Teilnehmer war. Doch ob er
gerade erst oder gerade noch alleine laufen kann, ist wohl egal. Eins ist jedoch sicher, nur
einer wird Supertalent, ob derjenige 6 Jahre alt sein soll oder 80 entscheidet der
Fernsehzuschauer. Kriterien, um das Talent eines sechsjährigen Geigenspielers von dem
einer achtzigjährigen Witzeerzählerin zu unterscheiden und anschließend zu bewerten,
würden mir zwar schwer fallen, doch ich bin sicher, es rufen genügend Fernsehzuschauer
an und voten für ihre Favoriten, sie können das wahrscheinlich besser differenzieren als
ich. So ist nun mal das Konzept der Sendung, ich bin dann wohl einfach nicht intelligent
genug, um es zu verstehen. Aber dennoch lasse ich den Kopf nicht hängen und fahre fort.
Nun zum Erfolg der Castingshow-Gewinner, der „Superstars“ und „Popstars“. Um Erfolg
haben zu können, muss bei den Kandidaten zweifellos ein gewisses Talent vorhanden
sein. Die „Supertalente“ und „Topmodels“ lasse ich jetzt absichtlich mal außen vor, da
diese Shows andere Talente suchen. Über Talent und Nicht-Talent lässt sich sicherlich
streiten. Doch ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass die zehn oder mehr Kandidaten,
die es von ursprünglich vielleicht 20.000 Bewerbern in die Sendung geschafft haben,
wenigstens ein bisschen Talent haben. Sicherlich lässt sich auch darüber streiten. Aber
ich gehe mal von dieser Annahme aus. Ich beginne bei DSDS. Ich bestreite nicht, dass die
meisten Kandidaten dort gut singen können, aber es gibt deutschlandweit Hunderttauende
oder Millionen Menschen, die „gut singen“ können. Schon alleine deswegen ist es nicht
möglich, dass wir im Fernsehen die besten zehn Sänger Deutschlands vor uns stehen
sehen. Die Kandidaten hatten mehr oder weniger Glück, wenn sie aus den 20.000
Bewerbern herausgepickt wurden. Von diesen 10 wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch
nicht der oder die Beste gewinnen. Denn dadurch, dass der Fernsehzuschauer die Macht
besitzt, per Telefon einen Kandidaten rauszuwerfen, bestimmt er, wer Superstar wird.
Deswegen halte ich das Ergebnis nicht für gerecht. Auf den ersten Blick mag das
Verfahren ja gut klingen, natürlich, eine Million Anrufer können sich natürlich nicht irren!
Doch ich denke, dass hier auch RTL ein Wörtchen mitredet. Je nachdem, welcher
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Superstar bei RTL Extra oder in der Bildzeitung gerade mit Lob überhäuft wird oder von
wem gerade Horrorgeschichten aus dem Privatleben „aufgedeckt“ werden, je nachdem, zu
welchem Kandidaten Herr Bohlen „Ey du singst voll scheiße!“ sagt oder nicht, werden die
Zuschauer unmerklich beeinflusst. Somit kann RTL versuchen, diejenigen Superstars in
der Sendung zu halten, die gute Quoten versprechen. Darauf komme ich aber bald
nochmal zurück. Im Endeffekt erhält dann der Gewinner einen Plattenvertrag und ist
Deutschlands neuer Superstar. Bei Popstars ist das ähnlich. Vom Talent her stehen die
Teilnehmer sicherlich auf der gleichen Stufe wie die „Superstars“, wie sollte es auch
anders sein. Pro 7 wird nicht schlechtere Leute in ihrer Sendung teilnehmen lassen als
RTL. Am Schluss entsteht eine, nicht durch den Zuschauer sondern durch den Sender
selektierte, Popgruppe, die neuen „Popstars“ in der deutschen Musikwelt.
Aber stimmt das wirklich so? Haben wir nach zig Staffeln DSDS und Popstars insgesamt
acht neue Spitzen-Popgruppen und fünf Superstars? Auch wenn jetzt Fans „ja!“ schreien
würden, lässt sich das Gegenteil leicht beweisen. Schon mal was von Elli Erl gehört? Oder
von Room 2012? Wahrscheinlich nicht. Machen Sie sich nichts draus! Und wenn Sie die
Namen
doch
schon
mal
irgendwo
gehört
haben,
dann
erinnern
Sie
sich
höchstwahrscheinlich nur noch ganz entfernt an diese Namen. Um die Sache abzukürzen;
die Hälfte aller Popstars-Gruppen hat sich bereits wieder aufgelöst, der Rest ist
zusammen mit den Superstars von der Bildfläche verschwunden. Nach Ende ihrer
jeweiligen Staffel konnte sich kein Superstar länger als ein Jahr in den Charts halten. Aus
den gesamten Deutschen Castingshows ist bisher nur eine Gruppe entstanden, die sich
längerfristig erfolgreich halten konnte und nach einer kurzen Auszeit noch immer aktiv ist:
die No Angels, die Gewinnerinnen der allerersten Popstars-Staffel. Eine Ausnahme.
Als ich gerade auf der RTL-Homepage gesurft bin, fiel mir der Name Ricardo Marinello
auf. Ich habe den Namen ehrlich gesagt noch nie gehört. Ich las weiter, dass er
anscheinend das Supertalent 2007 war, er ist auch Sänger. Ich will das mal so glauben,
aber das spricht ja nicht für eine große Karriere. Das neue Supertalent aus dem Jahre
2008 ist Michael Hirte. Der Mundharmonikaspieler konnte die zweite Supertalent-Staffel
gewinnen. Ähnlich wie auch bei DSDS wurde Hirte durch die Zuschauer zum Supertalent
gekürt. Von gerechten Chancen will ich aber auch hier nicht sprechen. Während die
anderen Finalteilnehmer, etwa ein 10jähriger HipHop-Tänzer, ein nicht viel älterer
Geigenspieler und ein Derwisch ihre kurzen Vorstellungen ablieferten und von der Jury um
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Herr Bohlen kurz abgefertigt wurden, wurde bei Michael Hirte gar während seines Auftritts
ein Feuerwerk gezündet, Dieter Bohlen war den Tränen nahe. Warum der kleine Junge,
der Geige spielte nicht auch ein Feuerwerk verdient hatte, weiß ich nicht. Und es geht
weiter, schon vor dem Finale wurden in sämtlichen RTL-Magazinen Soapstorys um
Michael Hirte gesponnen; der arme Mann, LKW-Fahrer, dann nach einem Unfall im Koma
gelegen und nun Hartz 4. Ich war den Tränen nahe. Ich möchte Michael Hirte nichts
unterstellen, aber wer an dem Unfall schuld war, davon kein Wort. Immerhin hatte Hirte
nach seinem Unfall, ich glaube, das war anno 1991, stolze 17 Jahre Zeit, auf seiner
Mundharmonika zu üben. Fünf andere Finalteilnehmer waren Kinder, von denen keiner
älter war als 17 Jahre. Gut, ich gebe zu, Hirte hat definitiv mehr Talent als Bodybuilder, die
sich zu Musik ausziehen oder Gogotänzerinnen, die ernsthaft behaupten, nein das wäre
nichts mehr für Striplokale, heutzutage sei Gogotanzen ein ganz normaler Sport. Wenn
man das im Fernsehen sieht, fragt man sich, wie manche Menschen bloß so überzeugt
von sich sein können. Ich weiß nicht, was solche Menschen im Fernsehen zu suchen
haben. Doch anscheinend ist die Messlatte beim Supertalent sowieso nicht besonders
hoch angesetzt. Dies und mehr erscheint einem zwischen 60jährigen, alles andere als
schlanken, Frauen, die in engem Outfit Volksmusiklieder singen und sich mitten im Auftritt
um die Hälfte ihrer Kleidung erleichtern noch normal. Abstoßend. Ich musste den
Fernseher ausschalten und Marcel Reich-Ranicki Recht geben; das deutsche Fernsehen
leidet unter Qualitätsmangel!
Im Gegensatz zu den anderen Castingshow-Teilnehmerinnen sind die Topmodels nach
dem Coaching bei Heidi Klum und co. relativ erfolgreich. Das mag wahrscheinlich daran
liegen, dass es gute Models im Gegensatz zu Sängern und Gruppen nicht wie Sand am
Meer gibt. Außerdem müssen Models nicht singen und es müssen keine Alben verkauft
und gute Charts-Positionen erreicht werden. Models, die übergewichtig und/oder über 60
Jahre alt sind, kommen sowieso nicht in die Show.
Auf dem Papier gibt es zwar fünf Superstars, sieben Popstars-Gruppen (mittlerweile nur
noch etwa die Hälfte, die andern Gruppen haben sich schon wieder aufgelöst) und zwei
Supertalente. Schön und gut. Aber woran liegt es eigentlich, dass keiner von ihnen Erfolg
hat? Woran liegt es, dass nach maximal einem Jahr niemand mehr die Superstars kennt?
Man kann der Öffentlichkeit nicht jedes Jahr fünf neue Stars präsentieren. Wenn man
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andere Länder hinzuzählt, etwa Großbritannien, natürlich die USA, und viele weitere
Länder, in denen die Castingshows an einem Band im Fernsehen laufen, dann kommt
man doch jährlich auf mindestens 100 Stars. Wohin mit diesen ganzen Stars? Richtig,
einfach vergessen. Die Stars, die so Jahr für Jahr produziert werden, haben zum
allergrößten Teil nicht das Talent, ein großer Star zu sein. Es gibt Ausnahmen, Robbie
Williams etwa oder Britney Spears. Doch die haben dann echtes Talent und das kommt
eben nur sehr selten vor. Nicht jeder hat Starqualitäten. Außerdem kann man nicht
innerhalb eines Monats und einer Castingshow-Staffel aus dem Nichts heraus ein
Superstar werden. Eine echte Band oder ein echter Star hat Fans, deren Zahl mit dem
Erfolg wächst. Das kann Jahre dauern. Dafür ist man dauerhaft erfolgreich. Eine CastingBand, wie gesagt, das „Haltbarkeitsdatum“ beträgt in etwa ein Jahr, länger in 99,9 Prozent
der Fälle nicht.
Die Frage kommt auf, wieso denn die Fernsehsender überhaupt Castingshows wie am
Fließband veranstalten. Die Superstars von heute sind ja morgen sowieso schon wieder
Schnee von gestern. Diese Frage ist leicht beantwortet, den Fernsehsendern geht es,
natürlich, ums Geld, worum auch sonst. Beziehungsweise es geht den Sendern um die
Einschaltquoten. Was aus den Stars am Ende wird, interessiert die Sender nicht im
Geringsten. Hauptsache ist, sie treiben die Einschaltquoten in die Höhe und es werden
viele CDs verkauft. Ja, während der aktuellen Staffeln sind die Superstars noch sehr
erfolgreich, wie sollte es auch anders sein, sie sind ja täglich in jeder Werbeunterbrechung
und in jeder Bravo und co. zu finden. Die Musikindustrie und die Sender wissen natürlich,
wie man zu Geld kommt; sie müssen den Erfolg der Superstars möglichst schnell
vermarkten. Es ist im Grunde wie bei Eintagsfliegen, am nächsten Tag interessiert sich
keiner mehr für die Superstars. Und tatsächlich, die Sender machen eine Menge Geld mit
ihren Castingshows. Denn sie wissen, wie sie ihre Zuschauer bei der Stange halten. Durch
geschickte Werbemaßnahmen werden die Zuschauer so beeinflusst, dass diejenigen
Kandidaten, die am meisten Aufsehen erregen und am schrägsten sind, am längsten in
der Staffel erhalten bleiben und andere, die eventuell mehr Talent haben, rausgevotet
werden. Das hält die Zuschauerquote oder hebt sie sogar noch an, das Ergebnis ist kurz
gesagt, mehr Aufmerksamkeit, mehr verkaufte CDs, mehr Geld.
Ganz am Anfang meines Essays habe ich mir die Frage gestellt, wer denn nun den
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meisten Erfolg mit den Castingshows hat. Um es nochmal kurz und bündig zu
beantworten, es sind die Fernsehsender, die viel Profit daraus schlagen. Die Superstars
sind zwar einige Monate recht erfolgreich, werden aber dann nach und nach vergessen,
da immer neue Superstars nachrücken. Der Erfolg bleibt aus und die ehemaligen Stars
verschwinden irgendwo in der Versenkung. Natürlich abgesehen davon, sie schaffen es
ins RTL-Dschungelcamp.
Obwohl sie anscheinend kaum jemand mag, obwohl fast jedem die Castingshows zum
Hals raushängen, es gibt doch Leute, die sich das ansehen. Warum tun das so viele
Leute? Warum bescheren die Fernsehzuschauer RTL, Pro7 und all den anderen Sendern,
die Castingshows senden, immer so gute Quoten?
Dazu
habe
ich
mir
zwei
mögliche
Erklärungen
überlegt.
In
meinem
ersten
Erklärungsansatz würde ich persönlich die Zuschauer in drei Gruppen aufteilen. Die erste
Gruppe besteht aus Leuten, die den Begriff Pisastudie noch nie in ihrem Leben gehört
haben und wahrscheinlich zum größten Teil Hilfe vom Staat beziehen. Diesen Leuten
gefällt das, was sie da sehen, wirklich. Die zweite Gruppe ist zwischen 10 und 16 Jahren
alt, vorwiegend weiblich und träumt davon, auch mal ein Star zu sein und auch mal im
Fernsehen sein zu dürfen. Und die dritte Gruppe besteht aus ganz „normalen“ Menschen,
Menschen wie Sie und ich, die nur mit einem Auge zusehen. Wahrscheinlich aus purer
Langeweile, vielleicht haben Sie gerade nichts Besseres zu tun und es läuft nichts
anderes im Fernsehen. In diesem Fall kann ich nur empfehlen: unternehmen Sie etwas
anderes, lesen Sie ein Buch, tun sie sonstwas. Doch Vorsicht; Sie werden dann das
Gefühl nicht los, nichts verpasst zu haben!
Jetzt
komme
ich
zu
meinem
zweiten
Erklärungsansatz,
fernab
meiner
drei
selbsteingeteilten Gruppen, Castingshows anzusehen, auch wenn man sich lang und breit
über sie aufregt und beschwert: Hier werden doch Menschenschicksale zelebriert,
Schicksale von allen möglichen Menschen. Hauptsächlich von Menschen, die scheitern.
Denn in jeder Sendung fliegen weitere Kandidaten raus. Emotionen werden frei, ob das
Weinen, was Sie gerade sehen echt oder gespielt ist, ist eine andere Sache. Und das
sieht der deutsche Fernsehzuschauer im Allgemeinen gern; Schicksale anderer
Menschen, besonders Menschen, von denen man behaupten kann: Ich habe mehr Erfolg!
Und darüber freut sich der Fernsehzuschauer insgeheim. Denn wenn man die
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Lebensläufe der „Superstars“ mit seinem eigenen vergleicht und feststellt, dass man sein
Leben nicht gegen das eines „Superstars“ eintauschen wollte, entsteht
dadurch eine
gewisse Selbstzufriedenheit und das macht glücklich.
Auch können wir von den Jurys um Dieter Bohlen, Detlef Soost, Bruce Darnell, Sylvie van
der Vaart und co. neue Wörter und Redewendungen „lernen“. Die einen werfen mit
Beleidigungen und „denglischen“ Begriffen nur so um sich, die anderen sprechen mit so
starken Akzenten, dass es fast schon wieder komisch erscheint.
Zum Schluss will ich noch kurz beschreiben, wie die Reaktionen auf Castingshows im
Allgemeinen ausfallen. Ich habe in meinem Essay nur über Deutschland sucht den
Superstar, Popstars, Das Supertalent und Germany´s next Topmodel gesprochen. Doch
es gab, gibt und wird auch sicherlich weiterhin viele weitere Castingshows geben, ich will
nicht unnötig viele Beispiele aufzählen. Ganz grob sind die Reaktionen auf die
Castingshows überwiegend negativ. Während zu Beginn der Castingwelle, Castingflut
oder Castingepidemie alles noch offen aufgenommen wurde, hängen den meisten
Menschen die Castingshows langsam aber sicher zum Hals raus. Wen wundert das, wen
nerven die penetranten Nachrichten in allen Medien über die Pseudo-Superstars nicht auf
Dauer? Mittlerweile haben die Castingshows um DSDS und co. eigentlich sämtliche
Negativpreise, die es zu holen gibt, erhalten. Trotzdem sinken die Quoten noch immer
nicht ab, wir wissen nicht, was uns in den nächsten Jahren noch an Castingshows
erwartet oder ob uns etwas in diese Richtung sogar erspart bleibt. Somit blicken wir in eine
ungewisse Zukunft. Aber ich hoffe das Beste. Beschließen möchte ich meinen Essay mit
einem Zitat: „Dum spiro spero!“ – „Solange ich atme, hoffe ich!“ Marcus Tullius Cicero.
Martin Gabel
Für meinen Essay habe ich die folgenden Quellen verwendet:
-
http://de.wikipedia.org/wiki/Castingshow - um mir einen Überblick zu verschaffen
-
http://www.rtl.de/tv/dassupertalent08_castings.php - Homepage Das Supertalent
-
http://www.clickpix.de/bohlen.htm - Zitate von Dieter Bohlen
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