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Executive Summary (German/Deutsch) Die vorliegende Dissertation hat das Ziel, die kooperative Produktentwicklung zwischen Hersteller und Nutzer in der Sportartikelindustrie zu beleuchten. Insbesondere gilt es, die empirisch bisher kaum untersuchte Herstellersicht sportartenübergreifend zu erfassen, um praxisbezogene Entwicklungen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Nach einer Einleitung in das Thema werden in Kapitel 2 zunächst die theoretischen Grundlagen der Produktentwicklung dargestellt, um einen Rahmen für die folgende empirische Untersuchung zu schaffen. Der Darstellung der Grundbegriffe von Produktentwicklung und Innovation folgt die Historie der Produktentwicklung. Sie illustriert den Fortschritt von der Einbettung der Produktentwicklung in die Geschäftsführungsmethoden der Unternehmung, über die Formalisierung und Institutionalisierung als eigene Disziplin bis hin zum effizienten, kundenorientierten und interdisziplinären Managementprozess. Die zunehmende Betrachtung der Produktentwicklung als sozialen Prozess unter klaren Produktivitätsgesichtspunkten führt hin zu den Inhalten der Produktentwicklungsstrategie, die sich an Kunden, Wettbewerbern und Technologien orientieren. Der Produktentwicklungsprozess wird weiter, eingebettet in Zeitraum- und Zeitpunktentscheidungen, aus verschiedenen Perspektiven dargestellt. Im Zentrum stehen phasenbezogene Modelle, welche versuchen, die in der Realität oft überlappend oder parallel ablaufenden Prozesse, greifbar zu machen. Einerseits werden so effizienzorientierte Abläufe von den Auslösern einer Produktentwicklung bis hin zur Produktions- und Marktreife, andererseits die im Rahmen von Forschung und Entwicklung ablaufenden Wissensprozesse1 angesprochen. Der schliesslich verwendete (fünfphasige) Produktentwicklungsprozess wird definiert durch (1) Bedürfnisfindung, (2) Ideenfindung und Konzeptphase, (3) Durcharbeitung und Design der Produktideen, (4) Testphase und (5) Markteinführung. Kapitel 3 schliesst sich mit einer Beschreibung der für den Produktentwicklungserfolg relevanten Einflussfaktoren, unter Einbezug themenbezogener Forschungsergebnisse und -theorien, an. Diese werden in sechs Bereiche (1) Marktorientierungsbezogene Faktoren, (2) Kontextfaktoren, 1 (3) Organisationale Faktoren, (4) Ressourcen- und wie z.B. Wissensgenerierung, -verteilung, -interpretation und –applikation fähigkeitsbezogene Faktoren, (5) Beteiligtenbezogene Faktoren und (6) Prozessbezogene Faktoren der Produktentwicklung eingeteilt. Um die Ressource „Wissen“ und die Fähigkeiten unterschiedlichster Beteiligter bestmöglich zu nutzen, wird im Rahmen dieser Arbeit eine Öffnung des Unternehmens nach aussen erforderlich, die z.B. in Entwicklungskooperationen oder -netzwerken ihren Ausdruck findet. Kapitel 4 stellt die Chancen und Voraussetzungen einer so geöffneten (also „Open“) Innovation vor. Ausgehend von verschiedenen Kooperationsmöglichkeiten zwischen Produktherstellern und den Anspruchsgruppen der Unternehmung, wird die Notwendigkeit relationaler Beziehungen zur gemeinsamen Zielerreichung diskutiert. Auf Hersteller-Nutzer-Kooperationen wird ein besonderes Augenmerk gelegt. Sie können in unterschiedlichen Intensitäten zu verschiedenen Zeitpunkten in der Produktentwicklung stattfinden. Während herkömmliche Methoden (wie z.B. Nutzerbefragungen) eher passiv sind und eine schwache Beziehung zwischen Hersteller und Nutzer unterhalten, zeigt sich die sog. „Lead-User“-Integration als intensives Mittel des Nutzereinbezugs. Das erstmals von von Hippel beschriebene, und später durch zahlreiche Autoren erweiterte, Konzept geht davon aus, dass gewisse Nutzergruppen Bedürfnisse früher empfinden als andere. Zugleich wird ihnen ein verstärktes Interesse daran unterstellt, dass ihr Bedürfnis im Produkt gelöst wird. Die Motivation von Nutzern, an Produktentwicklungen teilzunehmen, kann aus unterschiedlichsten Richtungen herrühren. Vor allem ist es die Belohnung durch den Gebrauch der „verbesserten“ Produkte, die Nutzer zu Innovationen und zum (oft) kostenfreien Teilen dieser Innovationen mit anderen Nutzern antreibt. Weitere Motivatoren werden dargestellt, z.B., dass Nutzer in Patenten eine geringe Wertigkeit sehen oder eine Reziprozität in dem Sinne vorliegt, dass andere Nutzer ihre Entwicklungen ebenfalls (mit)teilen. Die unterschiedlichen Einsatzbereiche von Lead-Usern werden schliesslich hinsichtlich Ihres Wissens-, Risiko-, Wert- und Kommunikationsbeitrags in der Produktentwicklung zusammengefasst. Ebenso wird auf die mögliche Rolle der LeadUser als Marketinginstrument eingegangen. Die Grenzen einer Kooperation zwischen Hersteller und Nutzer, die ihre Ursache oft in den durch das Unternehmen zu definierenden Lead-User-Auswahlkriterien haben, schliessen das vierte Kapitel und weisen auf die Komplexität des Beziehungsmanagements einer Produktentwicklungskooperation hin. Kapitel 5 bezieht die in den vorangegangenen Kapiteln zusammengefassten Ergebnisse auf die Sportartikelbranche. Hierzu wird zunächst die global wachsende wirtschaftliche Bedeutung der Sportgeräteindustrie angeführt. Neben den vorhandenen Spannungsfeldern der Sportgeräteentwicklung, die sich heute vor allem im Dilemma zwischen „Style“ und Funktion des Sportartikels bewegen, ist zwischen Sportgeräten für den Spitzensport und solchen für den Breitensport zu unterscheiden. Aktuelle Trends für die untersuchten Sportsegmente werden dargestellt. Es wird deutlich, dass die Sportartikelentwicklung stark dazu tendiert, von Material- und Technologieinnovationen getrieben zu sein. Je nach Sportgerät und dessen Nutzergruppen müssen die Produktentwicklungsfaktoren Sicherheit, Funktionalität und Image des Sportartikels unterschiedlich gewichtet werden. Gerade deshalb hält die Autorin einen Einbezug von Nutzern in diese Entwicklung für unabdingbar, um die Wechselwirkungen zwischen technologischen Innovationen und dem Faktor Mensch bei Sportgeräten im Sinne einer stimmigen Entwicklung abzuschätzen. In Rückbezug auf Kapitel 4 werden die Prozesse der Produktentwicklung bei Sportartikeln hinsichtlich vergangener Nutzerinnovationen näher beleuchtet. Ursprüngliche Untersuchungen von Nutzerinnovationen im Sport fanden vor allem in sog. Sportler-Communities und ohne Beteiligung eines Herstellers statt. Es zeigte sich, dass meist Sportler mit extremen Erfahrungen in der jeweiligen Sportart über die besten Problemfindungs- und Lösungsfähigkeiten verfügen. Deshalb wird in dieser Dissertation angenommen, dass Spitzensportler als Lead-User für den Breitensport gelten können. Die in Kapitel 5 ausgeführten Spezifika der Sportartikelentwicklung führen schliesslich, zusammen mit dem theoretischen Rahmen aus Kapitel 3 und 4, zu den empirisch zu untersuchenden Forschungsfragen. Kapitel 6 folgt mit einer Darstellung von Umfragedesign und –durchführung. Die statistischen Charakteristika der befragten Unternehmen, welche vor allem europäische Klein- und Mittelunternehmen aus sieben verschiedenen Sportartengruppen des Spitzen- und Breitensports darstellen, führen zu einer Unterteilung in „innovationsorientierte“, „andere“ Unternehmen und Unternehmen, die nicht mit Spitzensportlern kooperieren. Die drei Gruppen werden bezüglich Ihrer Nutzerkooperationen in der Produktentwicklung untersucht. Die meisten Unternehmen entwickeln ihre Produkte vorwiegend intern, wobei 73 der 93 befragten Unternehmen in der Produktentwicklung mit Spitzensportlern kooperieren. Herstellerseitig werden Spitzensportler durchaus als Lead-User für die Sportgeräteentwicklung gesehen. Ihr Einsatz ist jedoch nicht in allen Phasen der Produktentwicklung und für jedes Sportgerät gleichermassen bedeutsam. Gesamtmarktorientierte Unternehmen attestieren Kooperationen mit Breitensportlern einen höheren Stellenwert als Kooperationen mit Spitzensportlern. Funktions- und marktbezogene Produkttests stellen den hauptsächlichen Einsatzbereich für Spitzensportler dar, gefolgt von der Erforschung von Nutzerbedürfnissen und der Ideenfindung. Ergonomiekriterien werden meist durch Breitensportler getestet. Klar überlegen sind Spitzensportler dagegen in funktionsbezogenen Produkttests. Innerhalb der Produktvermarktung werden Lead-User noch zu wenig eingesetzt, obwohl es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie das Risiko einer falschen Markteinschätzung verringern und die Produktdiffusion verbessern können. Verschiedene Produkteigenschaften beeinflussen den Nutzen einer Kooperation mit Sportlern, die je nach Unternehmensausrichtung eine andere Art von Wissen liefern sollten. Die Übertragbarkeit der durch Spitzensportler gewonnenen Ergebnisse auf die breite Masse ist in gesamtmarktorientierten Unternehmen geringer als bei Nischenherstellern. Zwischen Kooperationen mit Spitzensportlern und Kooperationen mit Breitensportlern ergeben sich dennoch Synergieeffekte. Ebenso der Fall ist dies zwischen Produktentwicklungen für den Spitzen- und den Breitensport selbst, die meist organisatorisch vereint stattfinden. Zeitlich gesehen nehmen Produkte für den Spitzensport eine Vorreiterrolle ein, da sie (wenn nicht gemeinsam) meist vor den entsprechenden Varianten für den Breitensport stattfinden. Ebenso zeigen Tendenzen, dass Spitzensportler in innovationsorientierten Unternehmen helfen, Entwicklungsprozesse zu beschleunigen. Neben der gezielten Sportlerauswahl werden vor allem die gegenseitige Motivation und eine funktionierende Kommunikation der Beteiligten als Voraussetzung einer erfolgreichen Kooperation deutlich. Die zeitliche Koordination der Entwicklungszusammenarbeit ist aus Herstellersicht verbesserungswürdig, was sich u.a. in einer ungenügenden Prozesseffizienz äussert. Die Forschungsergebnisse einschränkend muss erwähnt werden, dass es sich bei der vorliegenden Umfrage um eine sportartenübergreifend angelegte Studie handelt, die es in der weiteren Forschung je nach Sportgerät zu spezifizieren gilt. Dadurch, dass mehrere der befragten Unternehmen in unterschiedlichen Segmenten gleichzeitig tätig sind, ist eine Zurechnung der Ergebnisse auf ein spezifisches Sportgerät oft nicht durchführbar. Klar wird im Rahmen dieser Arbeit, dass das Thema der Produktentwicklungskooperation von der Herstellerseite aus als sehr wichtig bewertet wird. Dennoch scheint die Durchführung in vielen Unternehmen noch mehr „zufällig“ als geplant. Bezüglich der Einflussfaktoren, der Ausgestaltung und den Bewertungsfaktoren einer Kooperation liefert die vorliegende Arbeit Ansatzpunkte, die es in der zukünftigen Forschung zu vertiefen gilt. Executive Summary (English) This thesis has the aim of examining cooperative product development of manufacturer and user in the sporting goods industry. Especially the so far rarely studied manufacturer’s view is to be gathered across different athletic sectors in order to look at the practical relevance of co-operations and to deduct recommended actions. After an introduction into the topic, in chapter 2 the theoretical background of product development is depicted to deliver a frame for the following empirical study. Subsequently to the basics of product development and innovation, the history of the latter is outlined. It illustrates the progress of product development being included in a corporation’s management function, to the formalization and institutionalization thereof as a specific discipline, to product development being an efficient, customer oriented and interdisciplinary management process. The increasing consideration of product development as a social process following clear aspects of productivity leads to the contents of a product development strategy that aim at customers, competitors and technologies. The product development process is further outlined from different perspectives in timing. The focus here are phase models that try to gather those processes that in reality often overlap or run in parallel. On the one hand side efficiency-oriented sequences starting with ideation and ending with production or marketing of a product are shown, on the other hand the knowledge processes that are associated with research and development. The final (five-phase) product development process is defined by the following phases: (1) finding of needs, (2) ideation and concept phase, (3) workout of ideas and design thereof, (4) test phase and (5) market launch. Chapter 3 follows with a description of relevant success factors of product development, including related research results and theories. Those are classified in six areas: factors of (1) market orientation, (2) context, (3) organization, (4) resources and skills, (5) people, (6) process. To use the resource „know-how“ and the skills of different people taking part in the development in the best possible way, a corporation needs to open up to the outside world, e.g. by forming development alliances or networks. Chapter 4 shows the chances and predispositions for such an „open“ innovation. Starting with the different opportunities for co-operations of manufacturers and a corporation’s stakeholders , the need for relational bonds for a joint success is discussed. A special focus is put on manufacturer-user co-operations that may take place at different stages throughout a product’s development. While common methods, such as user surveys, are rather passive and only constitute a weak relation between manufacturer and user, „lead-user-integration“ shows to be an intense means of user integration. The concept, fist described by von Hippel and later extended by various authors, assumes that certain user groups show product needs earlier than other users and also have a greater interest of those needs being satisfied by the product. The motivation of users to take part in product developments may result from various causes. Mainly, it is the reward of using the “improved” products that makes users innovate and often share theses innovations feely with others. Other motivators are described, such as a low value in patents or the reciprocity of user innovations. The differing areas where lead-users may be integrated are finally summarized in regards to the lead-user’s knowledge, value and communication input into product development. Also, the possible lead-user role as a marketing instrument is discussed. The boundaries of a lead-user and manufacturer co-operation close the fourth chapter and point to the complexity of relationship management of a product development cooperation. Chapter 5 links the results of preceding chapters to the sporting goods industry. First, the globally increasing economic importance of the industry is illustrated. Besides existing conflicts in product development, such as the dilemma of a product’s style versus function, the difference of recreational versus professional sporting goods is demonstrated. Prevalent trends of the observed athletic segments are pointed out. It becomes clear that the sporting goods industry tends to be driven by material and technological innovations. Depending on the sporting good itself and on its users, safety, function or image of the sporting good are weighted another way. Due to these trends, the author considers the need for inclusion of users in the development of sporting goods especially unquestionable. Only the latter can evaluate the interrelations of technological innovations and the human factor in regards to a balanced development. In connection to chapter 4, the processes of product development in the sporting goods industry are further investigated. Original research of user innovations in this industry was mainly done in so-called athletic „communities“ without manufacturer involvement. It was shown that mostly athletes with extreme experiences in their sport possessed the best problem-definition and solution-finding skills. Thus, in this the author of this thesis assumes that professional athletes are valid lead-users for recreational sporting goods. The specific characteristics of sporting goods development close the chapter and lead, together with the theoretical framework of chapter 3 and 4 to the research questions. Chapter 6 follows with an illustration of the survey design and execution. The statistical traits of the surveyed companies, which are mainly European small and medium sized enterprises from 7 sporting good segments of professional and recreational sport, lead to a classification of “innovation-oriented corporations” versus “other corporations that cooperate with professional athletes” versus “corporations that do not cooperate with professional athletes”. The three groups are further examined in respect to user-manufacturer-co-operations in product development. Most of the surveyed manufacturers develop their products mainly internally, with 73 of the 93 respondents cooperating with professional athletes. From a manufacturer’s viewpoint pro athletes are actually seen as lead-users for sporting goods development. Their input however is not of the same importance for each development phase and for each sporting good. Corporations focusing on the entire market attest co-operations with recreational athletes a greater importance than co-operations with professional athletes. Professional athletes are mainly used for functional and market testing, followed by the capturing of user needs and ideation. Ergonomic criteria are mainly tested by recreational athletes. Functional testing in contrast is mainly the task of professional athletes. Within the product marketing lead-users are still rarely taken advantage of , in spite of indicators that lead-users may contribute to a reduction of market failure risk and to an acceleration of product diffusion. Various product properties influence the use of a co-operation with athletes who deliver a different kind of know how depending on the corporation’s strategy. The transferability of innovations by professional athletes to the wider mass is narrower in corporations focusing on covering the entire market. Niche manufacturers profit more from such a transferability. Between co-operations with professional athletes and such with recreational athletes synergies exist. The same is true for product developments for professional sports and for recreational sports, that mostly take place within the same organization. From a time perspective, products for professional sports are, if not together, developed before respective variants for the recreational market. Also there are tendencies showing that professional athletes help to speed up the development process. Besides a targeted selection of cooperating athletes it is mainly the reciprocal motivation and a functioning communication of all involved parties that create the basis for success of their collaboration. The timing of the joint development leaves room for improvement (from a manufacturer’s perspective). Restricting the findings of the thesis one has to note that the survey was taken across industry segments. Thus, future studies should specify the results for specific segments and sporting goods. Because of several of the surveyed manufacturers being active in several segments at a time, a final attribution of results to a specific sporting good is often impossible. This thesis proves that the topic of product development cooperation is considered quite important from a manufacturer’s view, in spite of its execution currently being rather coincidental than planned. In regards to the influencing factors of a collaboration and to its managerial implications, this thesis finally establishes starting points that are to be extended by further research.