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TERROIR DIVO DIVO Nr. 76 Oktober 2014 DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE P IEM ONT INHALT • Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • Liebeserklärung an den Wein und ans Piemont . . • Franco Martinetti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • Cascina Bruciata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • Die Rebsorten des Piemonts . . . . . . . . . . . . 2 3 4 6 8 • Gute Adressen im Piemont . . . . . . . . . . . . . . 9 • Tenuta Olim Bauda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 • Azienda Agricola Elvio Cogno . . . . . . . . . . . 11 • Azienda Malvirà . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 • Azienda Montalbera . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 TERROIR DIVO EDITORIAL Lebensfreude alla Piemontese Nein, sorgenfrei ist auch das Leben der Piemonteser Winzer nicht. Und wer aus Versehen im Gespräch mit ihnen Themen wie Politik, Europäische Union oder allgemeine wirtschaftliche Situation streift, staunt bisweilen ob der Heftigkeit, mit der die Produzenten ihrem Ärger, ihrer Frustration, ja ihrer Wut über die wahrhaft lamentable Situation Italiens Luft machen. « Am besten wäre es, wenn die Schweiz das Piemont als 27. Kanton aufnehmen würde », meint Valter Fissore von der Azienda Cogno nur halb im Spass. Schweizer Weinfreunde und Feinschmecker hätten zweifellos nichts gegen diesen Vorschlag einzuwenden, gehört doch das Piemont zu den beliebtesten Reisezielen von Gourmets. Gerade jetzt im Herbst, wenn zarte Nebelschleier die Hügel der Langhe umhüllen und Trüffel sowie Steinpilze auf den Speisekarten stehen, zeigt sich das Piemont, die Heimat der Bewegung Slow Food und von weltberühmten Weinen wie Barolo und Barbaresco, aber auch von Barbera, Moscato d’Asti, Roero Arneis und zahlreichen anderen autochthonen Spezialitäten, von seiner allerschönsten Seite. Es bietet nicht nur zauberhafte Landschaften, sondern auch eine Fülle kultureller Sehenswürdigkeiten. Ungeachtet aller Modernisierung hat sich das Piemont einen weitgehend bäuerlich geprägten Charakter bewahrt, eine Eigenständigkeit, die seine Bewohner, aber auch seine hochstehende Essund Trinkkultur auszeichnet. Grund genug, dem grossen Franco Martinetti für eine Liebeserklärung an seine Heimat das Wort zu erteilen. Und unsere Piemonteser Produzenten nicht nur zu porträtieren, sondern auch nach ihren Geheimtips zu fragen, damit Sie, liebe DIVOMitglieder, bei Ihrer nächsten Piemontreise genau wissen, wo Sie übernachten, speisen oder einkaufen sollen. Buon viaggio ! Claudia Heine Eric Duret Walter Zambelli Für das Team DIVO Piemont I T A L I E N DIVO DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE 2 Nr. 76 OKTOBER 2014 FRANCO MARTINETTIS LIEBESERKLÄRUNG AN DEN WEIN UND ANS PIEMONT «Der Wein steht im Leben des Menschen für eine Metapher: Seine Produktion ist eng verbunden mit einer Welt voller Symbole und Allegorien. Seit Urzeiten ist der Wein organisch mit der Religion verknüpft: das Getränk Gottes, das Blut der Erde, Emblem der Ewigkeit, überwindet er doch den winterlichen Tod der Natur. Der zu Wein gewordene Most ist zudem ein starkes Initiations-Symbol, das es dem Menschen erlaubt, seine Grenzen zu überschreiten und, wenn auch nur vorübergehend, die göttliche Sphäre zu betreten.» Eine Weinbaugegend ist viel mehr als der Wein, den sie produziert: Sie repräsentiert eine Synthese der Natur, der Küche, der Geografie, der Kunst, der lokalen Wirtschaft und vor allem der Menschen, die in der Region leben, sowie ihrer Traditionen. Die Natur liefert die Rohstoffe, der Mensch transformiert sie in sein Produkt. Nirgendwo sonst ist dieser Prozess so faszinierend wie im Piemont, wo noch immer zahlreiche einzigartige Rebsortenvarietäten kultiviert werden und wo die Tradition weiterhin eine bedeutende Rolle im Alltagsleben spielt. In den letzten Jahren rangiert das Piemont punkto Wein auf dem ersten Platz, und zwar dank der Vielfalt der Rebsorten und der Anstrengungen der Winzer in der Qualitätsweinproduktion: Nicht umsonst ist das Piemont die Heimat der am meisten gepriesenen Weine Italiens und eine der wichtigsten Weinbauregionen der Welt. Seine Weine verdienen sicherlich einen Ehrenplatz an der Seite anderer Weine mit internationalem Ruf. Die Region ist sogar noch bedeutender, da sie neben den grossen Weinen wie Barolo, Barbaresco und dem omnipräsenten Barbera ein umfassendes Sortiment von anderen, mehr oder weniger raren Weinen produziert, die dazu beitragen, den Ruf der typischen lokalen Rebsorten zu befestigen. Der ausgeprägt territoriale Stil der piemontesischen Weine beschert uns Produkte, die, obwohl aus denselben DIVO Rebsorten gekeltert, je nach Zone ausgesprochen unterschiedliche Charakteristiken aufweisen. Das gilt für die grossen Familien des Dolcetto, der Barbera sowie für die grossen Weine aus Nebbiolo. Auf dem regionalen Territorium wirken rund 120 000 Weinbaubetriebe, 55 % davon liegen in Berg- und Hügelzonen. Eine mühevolle Angelegenheit, allerdings belohnt durch die Produktion exzellenter Weine. Die piemontesische Weinregion steht an der Spitze der Exzellenz: eine Produktion von jährlich 3 Mio. Hektolitern im Schnitt, 70 % davon mit Herkunftsbezeichnung. Die Region bewahrt sich eine ganze Welt von Traditionen, Sitten und Gebräuchen, die anderswo längst vergessen sind: Wer sie besucht, wird unweigerlich fasziniert sein von ihrer unglaublichen Vielfalt, ihrer Landschaft, der Schönheit ihrer Natur, den Menschen und der Küche. Das Piemont ist ein historischer Teil Europas und hat viel zu bieten, unterscheidet es sich doch durch seine Geschichte und seine Kultur von anderen, deswegen nicht weniger interessanten Regionen Italiens. Im Piemont war der Barock und nicht die Renaissance die wichtigste und am meisten prägende Epoche für Entwicklung und Blüte DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE der Künste. In dieser Region gibt es ein kulturelles und künstlerisches Erbe, das verblüffend reich ist an Kirchen, Klöstern, Dörfern, Fresken und Schlössern – wunderbare Entdeckungen für Kunstgeschichtsfreunde. Zudem ist die Piemonteser Küche exzellent und sehr reichhaltig ; sie bietet eine Fülle verschiedener Gerichte und Rezepte. Es ist kein Zufall, dass sie als die beste ganz Italiens gilt. Mit den Alpen als Hintergrund besitzt die piemontesische Landschaft eine einzigartige Faszination und zeigt sich Mitte Oktober von ihrer allerschönsten Seite. Nach dem Ende der Weinlese wechseln die Rebblätter ihre Farbe und bilden ein bezauberndes Mosaik in unzähligen Farbschattierungen. Die Blätter der zuerst geernteten Rebsorten Dolcetto und Barbera färben sich rot, die später gelesenen Nebbioli erkennt man an ihren grünen Blättern. Doch was macht diese Region derart interessant ? Das Piemont ist wie eine Blume, die sich nach und nach öffnet und ihre Schönheit fast widerwillig offenbart. Das Piemont gründlich zu kennen, verlangt zweifellos Zeit und eine gewisse Anstrengung – aber es lohnt sich…! Franco Martinetti 3 TERROIR DIVO FRANCO MARTINETTI DER GRANDSEIGNEUR, DEM NUR DAS BESTE GUT GENUG IST Es ist immer ein besonderer Moment, wenn man Franco Martinetti trifft, den Grandseigneur aus dem Piemont. Der distinguierte Turiner ist geborener Gourmet, Önogastronom, Weinproduzent und eine der herausragenden Persönlichkeiten in der Weinwelt. «Ich bin ein atypischer Winzer», lacht er, «ich habe keine Reben, lebe in der Stadt, besitze aber Weinkultur und erst noch zwei Trüffelhunde…» Sein fast fanatisches Streben nach Qualität, nach Eleganz und Harmonie, kurz: nach Perfektion, ist legendär. Er ist kein Selbstkelterer, sondern «Eleveur», einer also, der die allerbesten Trauben von ausgewählten Lagen bei Produzenten seines Vertrauens kauft und dann selber vinifiziert und ausbaut. Da für ihn nur das Beste gut genug ist, begleitet er jeden Produktionsschritt von der Rebe bis ins Glas mit unerbittlicher Strenge. Bis vor kurzem war er zudem Präsident der berühmten Académie Internationale du Vin. Als einziger Italiener hat er die Ehre, Mitglied der Académie des Vins de France zu sein. Franco Martinetti, wie immer mit vollendeter Eleganz gekleidet und von einer verbindlichen Liebenswürdigkeit, die so gar nichts Aufgesetztes hat, erwartet uns in einem der besten Lokale des Piemonts: im Ristorante La Fioraia in Castello di Annone. «Oh, technische Degustationen sind wichtig», versichert er uns, um mit feinem Lächeln anzufügen, «aber nichts für mich. Ich finde, man muss Weine zum Essen probieren.» Wobei sich «zum Essen» schon bald als fast unverschämte Tiefstapelei entpuppt, wartet doch ein siebengängiges Menü der Superlative auf uns. Kreiert von Maestro Martinetti persönlich – «ich kann zwar nicht kochen, aber ich habe den Geschmack der verschiedenen Zutaten sehr genau im Kopf und stelle so neue, originelle Rezepte zusammen», umgesetzt von Ornella Cornero, der grossen Köchin des Fioraias. PAARTANZ… Franco Martinetti wäre nicht Franco Martinetti, wenn er uns seine Weine ohne Gegenpart präsentieren würde. Das wäre ihm denn doch zu einfach. Paarweise treten die edlen Flaschen an, immer verdeckt natürlich. Schon der Auftakt ist ein Paukenschlag: Zum Aperitivo werden Franco Martinettis noch verblüffend jugendlicher Quarantatre (übrigens sein Jahrgang) metodo classico brut 2006 und ein klassischer Champagne Dom Perignon brut 2004 ausgeschenkt. Als Begleiter des ersten Gangs (Scampi in pasta kataifi con salsa di nocciole) hat (neben einem PulignyMontrachet 2011 Les Combettes von Jacques Prieur) der Timorasso Martin 2011 seinen Auftritt, den man nur als glanzvoll bezeichnen kann. Kein Wunder, wird er von manchen Kritikern als bester Weisswein Italiens gefeiert ! «Der Timorasso, eine alte autochthone Sorte, stammt aus dem südöstlichen Piemont, aus der Region von Tortona», erzählt Franco Martinetti. «Dass er fast verschwunden wäre, hat mit dem Zusammenbrechen der alten bäuerlichen Tauschwirtschaft zu tun. Früher verdienten sich die Bäuerinnen ein bisschen Taschengeld, indem sie auf dem Markt ihre Eier feilboten. Zu Bargeld DIVO DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE 4 Nr. 76 OKTOBER 2014 ÖNOGASTRONOM FRANCO MARTINETTI LÄSST SEINE EIGENEN WEINE GEGEN GROSSE KLASSISCHE CRUS ANTRETEN kamen die Bauern sonst nur durch den Verkauf von Wein und Seide. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Seidenraupen durch eine aus Amerika eingeschleppte Krankheit dahingerafft, die Reben erlitten dasselbe Schicksal durch die Phylloxera. Viele Bauern waren deshalb gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Später, als wieder Wein angebaut wurde, setzte man auf Sorten wie Barbera oder Cortese – und der Timorasso geriet in Vergessenheit.» Die Renaissance des Timorasso und damit der gesamten Region der Colli Tortonesi ist einem engagierten Winzer aus Monleale, Walter Massa, sowie Franco Martinetti zu verdanken, der die Trauben von Massa seit mittlerweile 14 Jahren zum weltberühmt gewordenen Martin keltert. … UND FELICITÀ CONDIVISA Nun, wir wollen unserer Leserschaft nicht den Mund wässrig machen mit der Fortsetzung des famosen Menüs, das Franco Martinetti unter das Motto stellt: «La felicità è reale sole se condivisa» – Glück ist nur real, wenn man es mit anderen teilen kann. Doch immerhin: Die Weine wollen wir Ihnen nicht vorenthalten, angefangen beim Gavi Minaia 1986 (ausser Konkurrenz sprich ohne Gegenspieler und noch ganz da, ohne graue Haare…). Dann folgt der beeindruckend kraftvolle Barbera Montruc 1985 (neben dem hocheleganten Vosne-Romanée 2005 Les Beaumonts von Dujac Fils et Père), der Franco Martinetti dazu animiert, von seinem verstorbenen Freund Giacomo Bologna zu erzählen, dem visionären Neuerer des Barberas, welcher DIVO der ehemals sträflich unterschätzten Brotsorte des Piemonts zu ungeahntem Ansehen verholfen hat. Montruc – genannt nach Frank Sinatras Lied «My way», «denn wir produzierten diesen Barbera nach neuer Methode, auf unsere Art eben…» Dann der tiefgründige, reiffruchtige Sulbric 1989, eine Mariage aus Barbera und Cabernet Sauvignon (neben dem Château Pichon Longueville Comtesse de Lalande 2007 und dem Darmagi 1986 von Angelo Gaja). Und schliesslich als krönender Abschluss der grandiose Barolo Marasco 2008 (neben dem Hermitage rouge 2009 von Jean-Louis Chave). Wir sind tief beeindruckt von der Qualität von Franco Martinettis Weinen, die allen ihren Gegenspielern mit Leichtigkeit Paroli bieten, ja, sie sogar nicht selten zu übertrumpfen vermögen. Eindrücklich aber auch, wie gut diese Weine altern – immerhin ein wichtiges Qualitätszeichen wahrhaft grosser Weine. Im Lauf des Abends erinnert sich Franco Martinetti an seine Anfänge. An seine erste Liebe, eine junge Pariserin, die er, damals kaum über zwanzig und weitgehend mittellos, bei ihren Eltern besuchte. Und an den Beginn seiner lebenslangen Passion: «Ich träumte davon, im Tour d’Argent zu essen», erzählt er, «konnte mir das aber eigentlich nicht leisten.» Mit einem geliehenen Anzug wagte er das Abenteuer, betrat ganz allein das sagenumwobene, teure Spitzenrestaurant – und damit eine andere Welt. «Von jenem Augenblick an war ich verloren…» Die umfangreiche Weinkarte schüchterte ihn ein. Der einzige Wein darauf, den er dem Namen nach DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE kannte, war der teuerste ; er bestellte notgedrungen den billigsten. Und fragte, ob er die Weinkarte kaufen dürfe. Drei Wochen später, längst wieder in Turin, erhielt er sie vom Oberkellner des Tour d’Argent zugeschickt. «Ich studierte diese Karte von vorne nach hinten, informierte mich über jeden Wein, der aufgeführt war – zwei Jahre später kannte ich jeden Cru, jedes Terroir. Und später, als ich viel Geld verdiente, kaufte und probierte ich all diese Weine…» Seine Leidenschaft für Wein führte ihn 1974 dazu, selber Wein zu produzieren, den Wein zu seinem Lebensinhalt zu machen. Klar, dass auch da immer nur die Perfektion Leitstern sein konnte. Und dass sehr viel von ihm selbst, seiner Kultiviertheit, seiner Persönlichkeit in seinen Weinen steckt. «Gewöhnliche Dinge mag ich nicht», meint er und rümpft dazu leicht die Nase. Gewöhnlich ? Nein, gewöhnlich sind die Weine des Franco Martinetti gewiss nicht ! l Gavi DOCG, Minaia 2012: Frische, Mineralität und Finesse Lagerfähigkeit: bis 2016 • Ref.: 77012 Rebsorte: Cortese Preis für Mitglieder: CHF 31.50 l Barbera d’Asti DOCG, Bric dei Banditi 2012: berühmt und beliebt Lagerfähigkeit: bis 2018 • Ref.: 77712 Rebsorte: Barbera Preis für Mitglieder: CHF 16.65 l Barolo DOCG, Marasco 2008: ein Barolo von grosser Klasse Lagerfähigkeit: bis 2020 • Ref.: 300008 Rebsorte: Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 55.80 5 TERROIR DIVO FRANCESCO BARAVALLE, BARBARESCO DER ÖNOLOGE VON CASCINA BRUCIATA, ZEIGT UNS DIE BESTEN LAGEN VON CASCINA BRUCIATA CARLO BALBO, DER NATUR VERPFLICHTET Francesco Baravalle erwartet uns im Städtchen Barbaresco, das hoch über dem Tanarotal zwischen Alba und Asti auf einem langgezogenen Hügel thront. Der Name soll entweder auf die «barbarischen Sarazenen» zurückgehen, welche die Langhe im 10. Jahrhundert erobert hatten, oder auf ein nahe gelegenes Waldgebiet namens «Barbarica Sylva». Barbarescos Lage war in früheren Zeiten von strategischer Bedeutung, waren doch die beiden Erzrivalen Alba und Asti aufs Blut verfeindet. Barbaresco und seine weit herum sichtbare Torre del Bricco aus dem 12. Jahrhundert, noch heute der mächtigste Turm im ganzen Piemont, waren Teil eines ganzen Netzes von Wehr- und Wachttürmen – und folglich begehrter Zankapfel zwischen Alba und Asti. Das Turmdach allerdings fiel 1821 einem Freudenfeuer zum Opfer, das die Gemeinde zu Ehren von König Vittorio Emmanuele I. entfacht hatte… WIE BARBARESCO ZU DEM WURDE, WAS ES IST Das lauschige Städtchen mit seinen 700 Einwohnern – einer davon, Angelo Gaja, lenkt bei unserem Besuch mit sicherer Hand seinen Wagen durch die engen Gassen – liegt inmitten eines geologisch interessanten Weingebiets. Francesco Baravalle, promovierter Önologe der Universität Turin mit Berufserfahrung im In- und Ausland und seit 2009 auf Cascina Bruciata für den Keller verantwortlich, kommt ins Schwärmen, als er uns die Ausblicke auf die Rebberge rundherum zeigt. Der Fluss Tanaro hat sich tief in die hügelige Landschaft gefressen, deren Böden vornehmlich aus sehr mineralhaltigem und tonigem Mergel bestehen. Die Güte dieser Reblagen hatte einst Domizio Cavazza erkannt, Leiter der Weinbauschule von Alba. 1893 gründete er mit einigen Mitstreitern die Cantina Sociale del Barbaresco und wurde so zum noch heute verehrten «Padre del Barbaresco». «Vorher verkauften die Weinbauern ihre Trauben oder ihren Wein nach Barolo, erst jetzt wagten sie es, ihre Produkte unter dem Namen Barbaresco anzubieten», erzählt unser Begleiter. EIN GROSSER CRU NAMENS RIO SORDO Wir steigen ins Auto, etwas weniger luxuriös als das von Signor Gaja, und folgen Francesco, der sich in den Sattel seiner Vespa geschwungen hat und uns munter vorausfährt. Immer wieder hält er an und zeigt uns eine der insgesamt 24 Barbaresco-Lagen, oft amphitheaterförmige Hänge in Südwest- oder Südostlagen. Naturgemäss dominiert der Nebbiolo, aber auch Barbera, Dolcetto und andere Varitäten werden kultiviert. Der berühmte Wein namens Barbaresco, seit 1980 mit einer DOCG geschützt, muss zu 100 % aus Nebbiolo bestehen. EIN KLEINES FLÄSCHCHEN BARBARESCO GEFÄLLIG? CARLO BALBO IST WINZER MIT LEIB UND SEELE. DER SANFTE HÜNE HAT SEINEN DEGUSTATIONSRAUM MIT GROSSEM GESCHMACK EINGERICHTET. DIVO DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE 6 Nr. 76 OKTOBER 2014 BLICK VON DER AZIENDA CASCINA BRUCIATA AUF DIE Mit sichtlichem Stolz präsentiert uns Francesco Baravalle den grossen Schatz der Cascina Bruciata: den Cru Rio Sordo, «um dessen Trauben sich die Einkäufer der besten Kellereien der Langhe streiten», wie Carlo Petrini, der Gründer von Slow Food, einst in seinem Barolo-Barbaresco-Atlas schrieb. Eine Lage mit kalkreichen Lehmböden, die «optimale Voraussetzungen für die Erzeugung eines erstklassigen Barbaresco bieten.» 3,5 Hektaren Reben besitzt das Weingut in dieser Spitzenlage. Der Urgrossvater des heutigen Besitzers, Carlo Balbo, bekam 1880 die Gelegenheit, die Azienda zu kaufen. Grund war ein verheerender Brand, der das Gutshaus (Cascina Bruciata bedeutet verbranntes Haus) teilweise zerstört und den vormaligen Besitzer zum Verkauf bewogen hatte. Generation um Generation hegte und pflegte die Familie Balbo ihre Rebberge im Rio Sordo, doch erst Carlo Balbo wagte im Jahr 2000 den Schritt, seine kostbaren Trauben nicht mehr zu verkaufen, sondern selbst zu vinifizieren und abzufüllen. Insgesamt kultiviert er acht Hektaren Reben, die Hälfte davon mit Nebbiolo bestockt ; drei Hektaren sind dem Dolcetto vorbehalten. Zu Beginn seines Abenteuers wurde er unterstützt vom jungen Önologen Guido Martinetti, einem der beiden Söhne von Franco Martinetti (siehe S. 4), heute steht ihm Francesco Baravalle zur Seite. SPITZENLAGE RIO SORDO und Seele. Die Reben sind seine Welt, seine Bestimmung. Den Keller und das Reden überlässt er gerne seinem quirligen Önologen. Seine Hände wirken wie Pranken, ein richtiger Handwerker, stolz auf seinen Beruf, per Du mit jedem Rebstock. Das Schicksal hat es nicht immer gut gemeint mit Carlo Balbo. Ob er darum so ein leidenschaftlicher Verfechter des biologischen Weinbaus ist ? «Kann schon sein», räumt er ein. «Mit den Jahren habe ich immer mehr angefangen, zu hinterfragen, was für Mittel wir eigentlich verwenden, welche Auswirkungen die auf unsere Gesundheit, aber auch auf die Umwelt haben. Eines Tages vor sechs Jahren hatte ich einfach genug und habe den Stier bei den Hörnern gepackt.» Von Bio zu reden sei allerdings bedeutend einfacher, als biologisch zu arbeiten. Zertifiziert ist der Betrieb nicht. Balbo winkt ab: «Eine Zertifizierung in Italien ist das Papier nicht wert, auf dem das Zertifikat steht…!» Heute sprächen viele von biologischem Weinbau, «was sie dann allerdings im Rebberg treiben, ist eine andere Sache. Wer biologisch arbeiten will, muss zweihundertprozentig davon überzeugt sein», betont er energisch, um dann mit einem Lachen anzufügen: «Dafür schläft man nie mehr ruhig…» Aber seit ein, zwei Jahren tauchen in seinen Rebbergen hie und da plötzlich wieder Feldhasen auf. WINZER AUS LEIDENSCHAFT NEBBIOLO, ABER NICHT NUR Carlo Balbo, ein bärtiger Rübezahl mit sanften Augen, in denen zuweilen der Schalk aufblitzt, ist Winzer mit Leib Nicht nur die Umwelt, auch die typischen alten Piemonteser Sorten liegen Carlo Balbo am Herzen. Eine Wucht DIVO DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE ist der Dolcetto d’Alba Rian 2012 mit seiner absolut unwiderstehlichen, süssen Kirschenfrucht, im Gaumen strahlend fruchtig, frisch und unkompliziert. Vielversprechend auch der erste Jahrgang der Freisa, es ist der 2012er, der sich nach einem Jahr in gebrauchten Barriques kraftvoll und rassig, wenn auch noch mit etwas rustikalen Tanninen zeigt. Doch natürlich dreht sich hier fast alles um den Barbaresco, der in drei Versionen vinifiziert wird: als «einfacher» Barbaresco, als Barbaresco Rio Sordo und als Barbaresco Rio Sordo Riserva. Alle drei stammen aus dem prestigereichen Cru Rio Sordo, von dreissigbis vierzigjährigen Reben, werden mit den eigenen Hefen vergoren und nur ganz leicht filtriert («damit keine Fliegen im Wein sind…»), aber ihr Ausbau unterscheidet sich: der erste reift ein Jahr in Barriques und grossen Holzfudern, der zweite wird ein Jahr lang in neuen und einjährigen Barriques erzogen, die Riserva schliesslich hat Anrecht auf zwei Jahre in Barriques. Schön sind sie alle, die Riserva 2008 begeistert durch ihre Finesse, die Frische ihrer Aromen, ihrem feinen, gradlinigen, sehr eleganten Körper mit bestens eingebundenen Tanninen. Ein tiefgründiger Wein, der ein bisschen Zeit braucht, um sich zu öffnen. So wie Carlo Balbo. Wie sagte Francesco ? Man kann kein grosser Winzer sein, wenn man nicht zugleich eine grosse Persönlichkeit ist. l Langhe DOC, Usignolo, Nebbiolo 2010: ein sortentypischer, trinkfreundlicher Nebbiolo Lagerfähigkeit: bis 2015 • Ref.: 320710 Rebsorte: Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 17.10 l Barbaresco DOCG 2009: ein kraftvoller und trotzdem eleganter Terroirwein Lagerfähigkeit: bis 2021 • Ref.: 320809 Rebsorte: Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 28.35 7 TERROIR DIVO DIE REBSORTEN DES PIEMONTS Barbera Obwohl die Barbera heute die am meisten verbreitete rote Rebsorte des Piemonts ist, so liegt ihr Ursprung höchstwahrscheinlich anderswo. Erstmals schriftlich erwähnt wird sie im Piemont tatsächlich erst 1798 in der Nähe von Asti, in der Region Monferrato ; wirkliche Bedeutung erlangt sie nach der Reblausinvasion 1879. Historisch ist die Sorte Barbera in ganz Italien anzutreffen ; eine kürzlich erstellte genetische Studie konnte keinerlei Verbindungen zwischen ihr und den anderen piemontesischen Rebsorten aufzeigen. Vermutlich ist die Barbera also das Produkt einer natürlichen Kreuzung zwischen zwei unbekannten Rebsorten irgendwo aus Italien und wurde vor nicht allzu langer Zeit ins Piemont eingeführt. Ihr Name könnte von Vinum Berberis abstammen, einem vergorenen mittelalterlichen Getränk auf der Basis von Berberitzenbeeren (Berberis vulgaris), die von intensivem Rot sind und einen adstringierenden Geschmack aufweisen. Kultivierte Fläche: 24178 ha, vorwiegend im Piemont, aber auch in der Lombardei, in der Emilia-Romagna und in Süditalien, dann in der Neuen Welt in Kalifornien, Argentinien und Australien. Nebbiolo Der Nebbiolo ist der König unter den Rebsorten des Piemonts. Erstmals erwähnt wird er 1266 in Rivoli (Provinz Turin) unter dem Namen nibiol, was ihn zu einer der ältesten bekannten Rebsorten macht. Dank seinem hohen Alter hat er diverse Mutationen und Biotypen hervorgebracht: Nebbiolo Lampia (am weitesten verbreitet), Nebbiolo Michet (durch Viren verursacht) und Nebbiolo Bolla (am Verschwinden). Was den lange als Biotyp betrachteten Nebbiolo Rosé betrifft, hat die DNA-Analyse gezeigt, dass es sich bei ihm in Tat und Wahrheit um ein Kind des Nebbiolo handelt, genauso wie beim Bubbierasco in Saluzzo, der im ganzen Piemont verbreiteten Freisa, dem Neretto aus Bairo im Nordpiemont, der Vespolina im Oltrepò Pavese, der Negrera, der Rossola Nera und der Brugnola im Veltlin. Der Name Nebbiolo stammt möglicherweise vom hellen Belag, der auf der Haut der reifen Traubenbeeren eine Art Nebel (italienisch nebbia) bildet. Im Veltlin heisst der Nebbiolo Chiavennasca, im Aostatal Picotendro, in Carema Picotèner, im Val d’Ossola Prünent und in der Region Novara Spanna. Wenn man blind Weine eines gewissen Alters verkostet, dann wird der Nebbiolo oft mit Pinot noir verwechselt, auch wenn die beiden keinerlei genetische Verbindung aufweisen. Kultivierte Fläche: 5992 ha, vor allem im Piemont und da besonders in den berühmten Appellationen Barolo und Barbaresco. Diese Rebsorte verträgt das Reisen schlecht, sodass ihre Anbauflächen ausserhalb Italiens zu vernachlässigen sind. Nascetta Diese früher in der Region zwischen Alba und Mondovì verbreitete weisse Rebsorte, auch Anascetta oder Nas-Cëtta geschrieben, wird heute fast nur noch rund um das Dorf DIVO DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE Novello kultiviert, in der piemontesischen Provinz Cuneo. Die Nascetta war schon fast verschwunden, als Elvio Cogno sie 1994 vor dem Vergessenwerden rettete ; noch heute ist er einer der wenigen Produzenten dieser aromatischen Rebsorte (siehe S. 13). Ihre Etymologie und ihre genetische Herkunft sind unbekannt. Kultivierte Fläche: 21 ha, vor allem in der Region Novello. Arneis Der Arneis, auch Bianchetta di Alba, Bianchetto oder irreführend (da keine genetische Verbindung zum Nebbiolo besteht) Nebbiolo Bianco genannt, ist die wichtigste weisse Rebsorte der Region Roero und der Langhe im Norden des Piemonts. Möglicherweise wurde die Sorte Arneis erstmals 1432 in Chieri (in der Provinz Turin) unter dem lokalen Namen ranaysii erwähnt, der sich in die moderne Bezeichnung Arneis verwandelt hätte. Der Name Arneis ist zum ersten Mal 1877 nachgewiesen. In den 1970er Jahren von Vietti und Bruno Giacosa gerettet, wird der Arneis heute in geringem Ausmass in Australien und Neuseeland sowie in den USA kultiviert. Seine genetische Herkunft ist unbekannt. Kultivierte Fläche: 1122 ha, vor allem in der Region Roero. Cortese Der Cortese ist eine weisse Sorte aus dem Südosten des Piemonts, die erstmals 1614 in Casale Monferrato in der Provinz Alessandria erwähnt wird. Etymologie und genetische Herkunft sind unbekannt. Kultivierte Fläche: 2953 ha, vor allem in der DOCG Gavi oder Cortese di Gavi. Ruchè Der Ruchè ist eine vermutlich aus der Region von Castagnole Monferrato in der Provinz Asti stammende rote Rebsorte. Etymologie und genetische Herkunft sind unbekannt. Die Vermutung, die Sorte sei aus dem Burgund eingeführt worden, entbehrt jeder ernsthaften Grundlage. Kultivierte Fläche: 100 ha, vor allem in der DOC Ruchè di Castagnole Monferrato. Moscato Bianco Es gibt Dutzende Rebsorten verschiedener Farbschattierungen, die in ihrem Namen den Bestandteil Muscat, Moscato oder Moscatel tragen. Gemeinsam ist ihnen allen die Präsenz von Monoterpenen wie Citronellol, Geraniol oder Linaool, was ihnen das sogenannte Muskat-Aroma verleiht. Genetisch sind sie aber in der Regel nicht miteinander verwandt. Eine der bekanntesten Sorten dieser Gruppe ist der Muscat Blanc à petits grains, der etwa zum Muscat de Frontignan verarbeitet wird. In Italien nennt man ihn Moscato Bianco, im Piemont Moscato d’Asti. Hier ist er die am meisten verbreitete weisse Rebsorte und ergibt den berühmten Moscato d’Asti. Man darf ihn nicht mit seinem Sohn Moscato Giallo verwechseln, wie es die Walliser bis 2008 getan haben. Damals ergaben DNA-Versuche, dass er wider Erwarten seit langem unter dem Namen Muscat du Pays oder Muscat Vert im Wallis wuchs, während der Muscat Blanc à petits grains einfach Muscat oder Muscat Blanc genannt wurde. José Vouillamoz 8 Nr. 76 OKTOBER 2014 GUTE ADRESSEN UND TIPS VON UNSEREN WINZERN Franco Martinetti Á Ristorante La Fioraia • Via Mondo, 26 • I-14034 Castello di Annone Tel. 39 0141 401 106 Hochstehende, raffinierte Küche, sehr gute Weinkarte, angemessene Preise. Unbedingt zu empfehlen ! Á Ristorante Violetta • Località Valle San Giovanni, 1 • I-14042 Calamandrana Tel. +39 0141 769 011 www.ristorantevioletta.it Typische, traditionelle Küche mit gutem PreisLeistungsverhältnis. Á Ristorante Il Cascinalenuovo (1 Stern Michelin) • Statale Asti – Alba, 15 • I-14057 Isola d’Asti Tel. +39 0141 958 166 www.ilcascinalenuovo.com Tradition und Innovation, Übernachtungsmöglichkeit. Á Ristorante Il Vigneto • Località Ravinali, 19 • I-12060 Roddi Tel. +39 0173 615 630 www.ilvignetodiroddi.com Gute, kreative Küche zu vernünftigen Preisen mitten in den Rebbergen. Zimmer verfügbar. Á Trattoria I Bologna • Via Sardi, 4 • I-14030 Rocchetta Tanaro Tel. +39 0141 644 600 www.trattoriaibologna.it Traditionelle Küche in familiärer Ambiance. Übernachtungsmöglichkeit. Carlo Balbo und Francesco Baravalle, Cascina Bruciata Á Rocca Civalieri • Strada Cascina Rocca Civalieri, 23 • I-15028 Quattordio (AL) Tel. +39 0131 797333 www.roccacivalieri.it Luxuriöses Relais mit angeschlossenem Spa und gutem Restaurant. Á Agriturismo Rio Sordo • Strada Rio Sordo, 20 • I-12050 Barbaresco Tel. +39 3392 131 799 www.agriturismoriosordo.it Mitten in den Rebbergen. Preisgünstig. Á Agriturismo Le Due Cascine • Regione Mariano, 22 • I-14050 San Marzano Oliveto Tel. +39 0141 824 525 www.leduecascine.com Sehr gastfreundliches Haus. Á Albergo Ristorante Casa Nicolini • Strada Nicolini Basso, 34 • I-12050 Barbaresco Tel. +39 0173 638 139 www.casanicolini.com Restaurant mitten in den Reben – und direkt neben der Cascina Bruciata. Übernachtungsmöglichkeit. Á Agriturismo Tenuta la Romana • Strada Canelli, 59 • I-14049 Nizza Monferrato Tel. +39 0141 727 521 www.tenutalaromana.it Schönes Gebäude aus dem 18. Jahrhundert mit geschmackvoll eingerichteten Zimmern. 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Diana, Dino und Gianni Bertolino, Olim Bauda Á Trattoria del Belbo da Bardon • Valle Asinari, 25 • I-14050 San Marzano Oliveto Tel. +39 0141 831 340 Historische Trattoria mit traditioneller Küche und bemerkenswerter Weinkarte (eine der umfassendsten im ganzen Piemont, lokale und internationale Weine). Nadia Cogno und Valter Fissore Á Cà San Ponzio • Via Rittane, 7 • I-12060 Vergne Tel. +39 0173 560 510 Romantisches Bed & Breakfast in einem alten Bauernhaus. Á Villa Beccaris • Via Bava Beccaris, 1 • I-12065 Monforte d’Alba Tel. +39 0173 78 158 www.villabeccaris.it Stilvoll und luxuriös. Á L’Angolo di Rosina • Piazza Caduti, 5 • I-12060 Novello Tel. +39 0173 509 113 Gut gelegenes Restaurant mit überzeugender, lokaler Küche. Übernachtungsmöglichkeit. Á Albergo Ristorante Giardino Da Felicin • Via D. Vallada, 18 • I-12065 Monforte d’Alba Tel. +39 0173 78 225 www.felicin.it Gepflegtes und gemütliches Restaurant mitten in Monforte d’Alba mit origineller Küche. Schöne Zimmer. Á WIMU Museo del vino • Castello Comunale Falletti di Barolo, Piazza Falletti • I-12060 Barolo Tel. +39 0173 386 697 www.wimubarolo.it Sehr sehenswertes, innovatives Weinmuseum. Roberto Damonte, Malvirà Á Villa Tiboldi • Case Sparse, 127 • I-12043 Canale (CN) Tel. +39 0173 970 388 www.villatiboldi.it Unser Agriturismo ist ein nostalgisches ländliches Hotel voller Charme mit atemberaubender Aussicht und einem guten Restaurant, das nicht nur Hotelgästen offensteht. Á Ristorante All’Enoteca • Via Roma, 57 • I-12043 Canale Tel. +39 0173 958 57 www.davidepalluda.it In modernem Ambiente verwöhnt Davide Palluda seine Gäste mit einer persönlich gefärbten Terroirküche. Weinkarte mit 400 Weinen. Á Canonica di Corteranzo • Via Recinto, 15 • I-15020 Musirengo Tel. +39 0141 693 110 www.canonicadicorteranzo.it Exklusive, raffinierte Gastfreundschaft in einem Haus aus dem 17. Jahrhundert. Á Sunstar Boutique Hotel Castello di Villa • Via Mario Bausola, 2 • I-14057 Isola d’Asti Tel. +39 0141 958 006 www.piemont.sunstar.ch Stilvolles, charmantes kleines Hotel mit italienischem Garten und vorzüglichem Restaurant. Á Agriturismo La Casa in Collina • Località S. Antonio, 30 • I-14053 Canelli Tel. +39 0141 822 827 www.casaincollina.com Gepflegte Piemonteser Atmosphäre. Á La Villa • Via Torino, 7 • I-14046 Mombaruzzo Tel. +39 0141 793 890 www.lavillahotel.net Eine um 1600 erbaute, mitten in den Reben gelegene Villa, die zum Träumen, (Hochzeit-) Feiern oder auch einfach zu einem GeniesserWeekend einlädt. Ausgezeichnetes Restaurant. Á Ristorante Il Centro • Via Umberto I, 5 • I-12040 Priocca Tel. +39 0173 616 112 www.ristoranteilcentro.com Wo sich Innovation und Tradition die Hand geben. Sehr schönes Ambiente, Weinkarte mit 600 Weinen. Á Relais 23 • Via San Colombano, 25 • I-14043 Castelnuovo Belbo Tel. +39 0141 769 109 www.relais23.it Kleines, feines Hotel inmitten eines ausgedehnten Parks. Sehr empfehlenswertes Restaurant in modernem Design, geführt vom jungen, inspirierten Küchenchef Marco Fortina. Paolo Bersighelli, Montalbera Á Ristorante San Marco (1 Stern Michelin) • Via Alba, 136 • I-14053 Canelli Tel. +39 0141 823 544 www.sanmarcoristorante.net Elegantes Restaurant mit korrekten Preisen. Á Ristorante L’Angolo del Beato • Vicolo Cavallieri, 2 • I-14100 Asti Tel. +39 0141 531 668 www.angelodelbeato.it Gute, traditionelle Küche zu korrekten Preisen. DIVO DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE Á Ristorante-Enoteca La Braja • Via San Giovanni Bosco, 11 • I-14030 Montemagno Tel. +39 0141 653925 www.labraja.it Traditionelles Restaurant, spezialisiert auf klassische Piemonteser Gerichte, allen voran auf solche mit Steinpilzen und Trüffeln. 9 TERROIR DIVO GIANNI (LINKS) UND DINO BERTOLINO LEITEN (KAMERASCHEUEN) SCHWESTER DIANA DAS FAMILIENWEINGUT ZUSAMMEN MIT IHRER TENUTA OLIM BAUDA IM ZEICHEN DER BARBERA Imposant, von einer grossen Vergangenheit kündend, wacht die Tenuta Olim Bauda von der baumbewachsenen Krete eines Rebhügels aus über ihre Umgebung. Einst (= «olim») von einer Familie Bauda gegründet, deren Namen sie noch heute trägt, gehörte sie später unter anderem dem von Verdi geschätzten Tenor Giovanni Battista De Negri, dessen Musikzimmer wirkt, wie wenn der grosse Sänger eben erst gerade zur Tür hinausgegangen wäre. 1961 gelangte die Tenuta in den Besitz der Winzerfamilie Bertolino. Heute sind es die Geschwister Dino (Rebbau und Produktion), Diana (Administration) und Gianni (Verkauf), die für die Geschicke des Guts zuständig sind. Finesse, aromatische Reintönigkeit und Eleganz – das suchen die Bertolinos in ihren Weinen. Im Keller stehen unter schönen alten Dachziegeln funkelnde Inoxstahltanks in diversen Grössen. «Wir legen grössten Wert auf Sauberkeit», betonen Dino und Gianni, die uns durch das Gut führen. Die von Hand gelesenen Trauben werden separat nach Lagen ausgebaut, mit DIE TENUTA OLIM BAUDA DIVO eigenen Hefen lange an der Maische vergoren und nach abgeschlossener Gärung noch ein paar Tage auf der Maische liegengelassen. «Das verleiht den Weinen ihre intensiven Fruchtaromen.» (15 %) und kleinen Anteilen von Grignolino, Nebbiolo, Chardonnay und Freisa. Berühmt wurden die Bertolinos mit ihrem Barbera d’Asti Superiore Nizza. Diese Unterzone ist seit jeher bekannt für ihre frühe Reife und ihre überzeugende Qualität. «Einst kauften die Händler zuerst Barberatrauben aus Nizza und erst dann aus anderen Regionen», erzählt Gianni. «Doch dann, nach dem Zweiten Weltkrieg, haben es die Winzer verschlafen, Schritt zu halten mit dem Fortschritt». Ab den 1980er Jahren kam es zu einer Renaissance, die schliesslich in der offiziellen Akzeptierung der Unterzone Nizza gipfelte. Ihre Richtlinien sind strenger ; der maximale Ertrag liegt bei 70 Quintali (gegenüber 80 für den normalen Barbera d’Asti). «2002 haben nur drei Aziende Barbera d’Asti Superiore Nizza produziert, darunter wir, mittlerweile sind es 39.» Gavi del Comune di Gavi DOCG 2013: ein mineralischer Weisswein von schöner Finesse Lagerfähigkeit: bis 2017 • Ref. 322113 Rebsorte: Cortese Preis für Mitglieder: CHF 14.40 NIZZA – OHNE CÔTE D’AZUR Die 30 Hektaren Reben werden nach den Regeln der Integrierten Produktion bewirtschaftet, die Reben sind begrünt und werden mechanisch bearbeitet. Die Hauptsorte ist mit 43 % der Fläche unangefochten die Sorte Barbera, gefolgt von Moscato (33 %), Cortese THRONT AUF EINER BAUMBEWACHSENEN KRETE DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE UND UMFASST l Barbera d’Asti Superiore DOCG, Le Rocchette 2011: ein wunderbar harmonischer Wein Lagerfähigkeit: bis 2018 • Ref.: 321711 Rebsorte: Barbera Preis für Mitglieder: CHF 17.10 30 HEKTAREN REBEN 10 Der Nizza, gewachsen auf lehmigen, tiefgründigen Böden und vom Gambero Rosso bereits dreimal mit den begehrten drei Gläsern ausgezeichnet, wird rund dreissig Monate in französischen Barriques verfeinert. Er ist sehr konzentriert, kraftvoll, robust, dicht, opulent – und braucht einige Zeit, um sein Holz zu integrieren. Wesentlich zugänglicher und süffiger präsentiert sich der ohne Holzkontakt ausgebaute La Villa, der alles auf die Karte Frucht setzt – ein perfekter Alltagswein Unser Favorit allerdings ist der Dritte im Bunde : Le Rocchette, traditionell eineinhalb Jahre lang in grossen, 25 Hektoliter fassenden Holzfudern aus Alliereiche ausgebaut. Er verkörpert das, was wir am Barbera so lieben: strahlende Frucht, tiefgründige, komplexe Aromatik, fleischige Struktur und saftige Säure. l Barbera d'Asti Superiore DOCG, Nizza 2009: ein aussergewöhnlich gelungener Wein mit strahlender Frucht Moscato d'Asti DOCG, Centive 2013 (perlend, leicht süss): ein köstlicher Moscato, ein wahres Fruchtkörbchen Lagerfähigkeit: bis 2017 • Ref. 301209 Rebsorte: Barbera Preis für Mitglieder: CHF 26.10 Lagerfähigkeit: bis 2015 • Ref. 322713 Rebsorte: Muscat Preis für Mitglieder: CHF 12.95 DIE ELF HEKTAREN REBEN LIEGEN ALLE RUND UM DIE DER AZIENDA COGNO KELLEREI, IN BESTEN HÜGELLAGEN AZIENDA AGRICOLA ELVIO COGNO BURGUNDISCHES PROFIL UND PIEMONTESISCHER CHARAKTER Valter Fissore ist ein bekennender Burgunderfan. Das bräuchte man eigentlich nicht weiter zu erwähnen, denn seine Weine sprechen für sich. «Das Burgund, das ist Emotion, Warmherzigkeit, Finesse, feinkörnige Textur, grosse Eleganz, Länge…», kommt er ins Schwärmen. Bordeaux ? Zu kommerziell, winkt er ab. «Was die Leute heute suchen, das ist Identität – nicht nur im Wein.» Identität haben die Weine der Azienda Cogno fürwahr, es sind grossartige Weinpersönlichkeiten mit viel Charakter, durch und durch authentische, von ihren Terroirs geprägte Piemonteser, aber von atemberaubender Eleganz und Raffinesse. Schnell wird klar, dass Valter Fissore ein Angefressener ist, ein Fanatiker, ein absoluter Perfektionist von leicht reizbarem Temperament. «Er hat nicht gerade einen einfachen Charakter», lacht seine Frau Nadia Cogno und knufft ihn in die Seite, «aber er macht gute Weine…!» Elvio Cogno, Nadias Vater, der zuvor die Azienda Marcarini in La Morra geführt hatte, konnte 1980 das aus dem 18. Jahrhundert stammende prächtige Herrenhaus in seiner Heimatgemeinde Novello kaufen, das stolz auf der Krete des Bricco Ravera steht, umgeben von Rebhügeln, so weit das Auge reicht. Die elf Hektaren des Guts liegen alle rund um die Kellerei, «das ist äusserst praktisch, die Lese geht schnell DIVO und wenn es heiss ist, sind die Trauben in kürzester Zeit im Keller», wie Valter anmerkt. Das Anwesen wurde mit viel Geschmack zu einem wahren Schmuckstück renoviert, in warmem Gelb erstrahlt es in der abendlichen Sonne. Der Keller ist ebenso stilsicher gestaltet, funktionell und von schlichter Schönheit, kein Stäubchen, keine Spinnwebe trübt den Eindruck. Im Gärkeller stehen platzsparende rechteckige Inoxstahltanks. «Ich finde es lächerlich, dass gewisse Produzenten die Rückkehr zu Zementbehältern propagieren», meint der Hausherr provokativ. Bei ihm werden alle Weine im Stahltank vergoren, spontan, also ohne selektionierte Hefen und mit möglichst wenig Schwefel. DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE Das wichtigste sei sowieso die Arbeit in den Rebbergen. Rigoros begrenzte Erträge und absolute Sorgfalt, heisst hier die Devise. Das beinhaltet seit einigen Jahren biologischen Anbau, ab 2015 offiziell zertifiziert. «Wir haben uns nicht aus Opportunismus für Bio entschieden, weil das gerade Mode ist», unterstreicht Valter, «sondern weil die Weine deutlich besser werden, fruchtiger, delikater.» Das maschinelle Bearbeiten der Böden zerstört die oberflächlichen Wurzeln und zwingt die Reben, ihre Wurzeln in die Tiefe wachsen zu lassen, was sich in komplexeren, tiefgründigeren Weinen niederschlägt. Wie Carlo Balbo von STILSICHER, FUNKTIONELL UND VON SCHLICHTER SCHÖNHEIT : DAS REICH VON VALTER FISSORE 11 TERROIR DIVO Cascina Bruciata beobachtet auch Valter Fissore auffallend mehr Insekten und Kleintiere im Ökosystem Rebberg, seit er auf biologische Bewirtschaftung umgestellt hat. Ist Biodynamik ein Thema ? «Nein, nein», wiegelt er ab, räumt aber ein, nur bei abnehmendem Mond abzufüllen. DER NATUR VERPFLICHTET Im Keller wird so hygienisch und so natürlich wie möglich gearbeitet. Doch wo steht Valter Fissore stilistisch ? Bei den Vertretern der modernen, in Barriques gereiften Baroli (kurze Maischegärung, teilweises Entfernen der Traubenkerne, zugänglichere Weine mit weichen, runden Tanninen) oder bei den Traditionalisten (lange Maischegärung, Ausbau im grossen Holzfuder) ? Er ist ein überzeugter Vertreter des traditionellen Stils, wobei er das Wunder fertigbringt, charaktervolle, rassige, langlebige Weine zu keltern, die trotzdem durch vollendete Eleganz und Präzision begeistern. «Die Maischegärung dauert bei uns sehr lange. Je nach Jahrgang können das gut und gern einmal 40 oder 45 Tage sein. Das ist ziemlich extrem.» Der Nebbiolo sei sehr anfällig auf Oxydation, dem trage man schon bei der Ernte Rechnung, indem die – natürlich von Hand gelesenen – Trauben mit Trockeneis geDIE AZIENDA COGNO, GROSSEN: VALTER FISSORE, PERFEKTIONISTISCHER QUALITÄTSFANASTILIST, KELTERT WEINE VON BURGUNDISCHER ELEGANZ UND FINESSE EINER DER GANZ TIKER UND FEINSINNIGER kühlt und unverzüglich in den Keller transportiert werden. Ohne vorherige Standzeit setzt die alkoholische Gärung ein, mit einer Remontage alle zwei bis drei Stunden in den ersten zwei Wochen. Sobald nur noch 30 oder 40 Gramm Zucker im Most vorhanden sind, wird der Tank ganz aufgefüllt und der Tresterhut bleibt heruntergedrückt. In den folgenden 25 bis 30 Tagen macht der Jungwein eine Art «macération carbonique» durch, die Traubenkerne bleiben im Most. «Das verleiht dem Wein zwar mehr Tannin, aber mildes, komplexes, elegantes Tannin. Ganz im Unterschied zu den modernen Baroli, bei denen die Tannine vom Holz stammen und deshalb trockener sind. Moderne Baroli sind schnell gut und zugänglich, altern aber schlechter.» Nach der Gärung reift der Jungwein in nicht getoasteten Holzfudern aus slawonischer Eiche. Die edlen Fässer stammen aus Österreich, sie sind «sehr teuer und sehr gut», quasi die Rolls Royce unter den Fudern. «Das A und O in der Vinifikation ist Sauberkeit», ist Valter überzeugt. «Der Wein darf erst ins Holz, wenn er wirklich tadellos sauber ist – und dann wird er möglichst nicht mehr berührt, zwei oder drei Jahre lang.» Kein Umziehen also, denn jeder Kontakt mit Sauerstoff bedeutet Oxydation und Verlust von Frucht. «Das ist das Schwierigste, die Frucht nicht zu verlieren…» HERRENHAUS IN NOVELLO, LIEGT AUF EINEM REBHÜGEL UND BIETET PANORAMA: REBHÜGEL, FELDER, BAUMGRUPPEN, SO WEIT DAS AUGE REICHT EIN PRACHTVOLLES RUNDHERUM EIN ATEMBERAUBENDES DIVO UNBESTRITTEN DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE 12 Nr. 76 OKTOBER 2014 Langhe DOC, Anas-cëtta Nascetta di Novello 2011/12: eine Rarität von grosser Finesse Lagerfähigkeit: bis 2015/16 • Ref.: 70911/12 Rebsorte: Nas-cetta Preis für Mitglieder: CHF 16.80 l Barbera d’Alba DOC, Bricco dei Merli 2011: der Inbegriff eines eleganten Barberas mit seidigen Tanninen Lagerfähigkeit: bis 2017 • Ref.: 71911 Rebsorte: Barbera Preis für Mitglieder: CHF 18.90 l Langhe DOC, Montegrilli 2011: ein vornehmer, komplexer Wein Lagerfähigkeit: bis 2018 • Ref.: 77211 Rebsorten: 50% Barbera, 50% Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 24.30 l Barbaresco DOCG, Bordini 2010: ein Barbaresco von grosser Finesse l Barolo DOCG, Ravera 2009: ein sehr eleganter, noch jugendlicher Klassiker l Barolo DOCG, Bricco Pernice 2008: ein grossartiger Barolo voller Rasse Lagerfähigkeit: bis 2022 • Ref.: 312410 Rebsorte: Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 36.– Lagerfähigkeit: bis 2024 • Ref.: 74309 Rebsorte: Nebbiolo Spezialpreis für Mitglieder: CHF 39.50 Lagerfähigkeit: bis 2025 • Ref.: 74508 Rebsorte: Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 62.10 EIN GROSSER STILIST Schon die Degustation der Fassproben direkt im Keller, aber auch die Verkostung der abgefüllten Weine illustriert eindrücklich, wovon Valter spricht. Grossartig alle vier Baroli, nicht zuletzt der tiefgründige, unglaublich finessenreiche Ravera, geradlinig, vornehm und komplex. Brillant aber auch die anderen Weine, ausnahmslos aus autochthonen Piemonteser Sorten gekeltert. Eine spannende Rarität ist die weisse Anas-cëtta: duftige Nase (Noten von Grapefruit, Aprikosen, Pfirsich), glasklarer Körper von schöner Fülle, getragen von angenehm frischer Säure und lang ausklingend auf mineralischen Salznoten. Elvio Cogno, Nadias Vater, gilt als der Nascetta-Pionier, der die wertvolle Varietät vor dem Vergessen gerettet hat. Verführerisch der kirschfruchtige, harmonische Dolcetto d’Alba, wunderschön der Barbera Bricco dei Merli – Frucht, Eleganz und Finesse im vollendeten Dreiklang. Eine wahre Offenbarung dann der Barbera d’Alba Pre Phylloxera aus Trauben von über hundertjährigen, wurzelechten Stöcken. Ein Wein wie Samt und Seide, der eine Geschichte erzählt, die einen tief berührt und Emotionen weckt. Es sind allesamt grosse Weine, von burgundischer Eleganz und Finesse, präzis gezeichnet von einem grossen Stilisten. DIVO AZIENDA MALVIRÀ EIN PIONIERBETRIEB AUS DEM ROERO « An flüssigen Mitteln fehlt es uns nicht », scherzt Roberto Damonte, als er uns durch die Kellerei Malvirà führt. In der Tat: Rund eine Million Flaschen liegen hier an Lager und warten darauf, in alle Herren Länder exportiert zu werden. Roberto ist gerade von einer Reise nach Japan zurückgekehrt, wo sich der Arneis – der bestens zur japanischen Küche passt – zunehmender Beliebtheit erfreut. Die eigenständige Piemonteser Sorte ist die einzige weisse Varietät, die in der DOCG Roero zugelassen ist. Lange Zeit diente sie bloss dazu, dem Nebbiolo, dem sie in kleinen Anteilen zugesetzt wurde, den letzten Schliff zu verleihen, dann drohte sie zu verschwinden. Dass sie ab Ende der 1970er Jahre einen regelrechten Siegeszug antrat und damit die Renaissance des Roero einläutete, ist nicht nur, aber auch der Familie Damonte zu verdanken. Auf den durchlässigen, sehr kalkhaltigen, mit Mergel versetzten Sandsteinböden der Region entfaltet die Sorte Arneis ihren ganzen Charme, mit floralen und fruchtigen Noten und einer angenehm frischen Herbe im Gaumen. Auf der Azienda Malvirà ist sie die unangefochtene Königin und nimmt 18 der insgesamt 42 Hektaren Reben ein, DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE gefolgt von Nebbiolo (12 ha), Barbera und Brachetto (je 3 ha) sowie den weissen Sorten Favorita, Sauvignon blanc und Chardonnay. Nur Arneis und Nebbiolo haben Anrecht auf die DOCG ÖNOLOGE ROBERTO DAMONTE LEITET DIE AZIENDA MALVIRÀ ZUSAMMEN MIT SEINEM JÜNGEREN BRUDER MASSIMO 13 TERROIR DIVO INMITTEN DER REBBERGE LIEGT DIE VILLA TIBOLDI, EIN WAHRES JUWEL FÜR RUHESUCHENDE REISENDE, DIE SICH AUCH KULINARISCH VERWÖHNEN LASSEN MÖCHTEN Roero, die anderen Weine kommen unter der DOC Langhe auf den Markt. Strahlend zeigt uns Robert Damonte die allerersten Flaschen seines jüngsten Kindes, des aus Arneis gekelterten Spumante Rive Gauche, der gerade von einer mobilen Abfüllequipe in Flaschen gefüllt, verkorkt und etikettiert wird. «Sozusagen eine Weltpremiere…!» Doch nun komplimentiert uns Roberto ohne Umstände in seinen arg verbeulten Suzuki, legt krachend den Gang ein und braust los, senkrecht einen Steilhang hoch. «Ihr habt ja wohl keine Angst», setzt er unbeschwert voraus, und erinnert sich lachend, ohne unsere Antwort abzuwarten, an eine japanische Journalistin, die bei einem ähnlich wilden Ritt durch die Rebberge geschrieen habe vor Schreck. Roberto Damonte zeigt uns die verschiedenen Crus des Gutes, das er zusammen mit seinem jüngeren Bruder bewirtschaftet. Massimo ist verantwortlich für die Rebberge, Roberto wirkt im Keller, wo er mittlerweile von seinem Sohn Giacomo, ebenfalls Önologe wie der Vater, unterstützt wird. dass die abschüssigen Hügel hier einst unter einem Meer verborgen waren, und preist die Vorzüge von Renesio, Trinità, Saglietto und wie die Crus alle heissen. Wir fühlen uns in einen bezaubernden Garten Eden versetzt, immer wieder werden die Rebzeilen unterbrochen von Zypressen, Kirsch-, Haselnuss-, Aprikosen-, Feigen- und Pfirsichbäumen. Der Pfirsichanbau in der Region löste vor mehr als hundert Jahren übrigens eine regelrechte Goldgräberstimmung aus, «damals war ein Kilo Pfirsiche zehnmal mehr wert als ein Kilo Nebbiolotrauben», wie Roberto erzählt. So wurden denn Reben im grossen Stil ausgerissen und durch Pfirsichbäume ersetzt. Und was geschieht heute mit den Früchten ? «O, die verwenden wir alle selber. Sie kommen roh oder als Konfitüre verarbeitet in unserem Hotel, der Villa Tiboldi, auf den Tisch. Und bei uns zu Hause natürlich auch», fügt der bekennende Feinschmecker an. Die Obstplantagen werden wie die Rebberge seit einigen Jahren biologisch kultiviert, «wir sind in der Umstellungsphase». Da und dort stehen kleine Kapellen mitten in den Reben. «Die halfen früher gegen die häufigen Hagelschläge.» Und heute ? «Heute haben wir Hagelkanonen, die einen Heidenlärm vollführen. Mehr als Gebete helfen die allerdings auch nicht, glauben muss man wohl an beide. Wobei, wenn ich es recht bedenke: Seit wir die Kanonen haben, hat es nie mehr gehagelt…» NOMEN NON EST OMEN ! Malvirà, der Name der ursprünglichen, in den 50er Jahren von Vater Giuseppe Damonte gegründeten Kellerei mitten im Städtchen Canale, bedeutet übrigens «mal girato», schlecht gelegen, und bezieht sich auf die nördliche (statt südliche) Ausrichtung des Innenhofs des Stammsitzes. 1979 hat die Azienda das Zentrum verlassen und ihr neues Domizil am Fuss des TrinitàHügels bezogen, unterhalb der bildschönen Villa Tiboldi, eines Horts des Friedens, der Schönheit und des Genusses. Mit viel Liebe und Geschmack hat die Familie unter der Leitung von Robertos Frau Patrizia das alte Herrenhaus renoviert und zu einem kleinen, sehr feinen Hotel mit DER BARRIQUEKELLER DER AZIENDA MALVIRÀ. «AN FLÜSSIGEN MITTELN FEHLT ES UNS NICHT…», SCHERZT DER HAUSHERR PFIRSICHE STATT TRAUBEN Immer wieder heisst uns Roberto aussteigen, erklärt uns den Unterschied zwischen verschiedenen BrachettoKlonen («der Brachetto lungo del Roero hat riesige Trauben – eine Traube ergibt eine Flasche»), zeigt uns die Ausrichtungen der Hänge, lässt uns die versteinerten Müschelchen im Boden bewundern, die davon zeugen, DIVO DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE 14 Nr. 76 OKTOBER 2014 Roero Arneis DOCG 2013: ein charaktervoller, fruchtiger und geschmeidiger Weisswein Roero Arneis DOCG Saglietto 2012: ein dynamischer, mineralischer Terroirwein l Roero DOCG, Renesio Riserva 2007: harmonisch, tiefgründig und komplex Lagerfähigkeit: bis 2017 • Ref.: 75813 Rebsorte: Arneis Preis für Mitglieder: CHF 13.95 Lagerfähigkeit: bis 2018 • Ref.: 78712 Rebsorte: Arneis Preis für Mitglieder: CHF 18.90 Lagerfähigkeit: bis 2018 • Ref.: 70207 Rebsorte: Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 36.– l Mosto Parzialmente Fermentato, Birbet 2013: ein süffig-eleganter Schaumwein l Roero DOCG, Riserva, Mombeltramo 2009: ein zauberhafter Nebbiolo von seltener Eleganz gastronomischem Restaurant umgewandelt. Schöner kann man kaum übernachten… Auf der Terrasse dieser Villa Tiboldi sitzen wir nun nach unserer Rebbergsafari, geniessen den herrlichen Blick, die wohltuende Stille – und das qualitativ hochstehende Weinsortiment des Hauses. Das Herzstück sind natürlich die aus Arneis gekelterten Weine, die auf den fossilienreichen Böden einen ganz besonderen Charakter entwickeln. «Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass es dem Arneis besser bekommt, wenn man relativ viel am Stock hängen lässt und die Trauben dafür nur wenig presst, statt auf rigorose Mengenbegrenzung zu setzen», erklärt der Önologe. Vier verschiedene Spielarten des trockenen Arneis gibt es zu probieren. Der «einfache» Roero Arneis DOCG stammt aus verschiedenen Rebbergen und wird im Stahltank zu einem saftigen Alltagswein ausgebaut. Renesio, Trinità und Saglietto heissen die terroirgeprägten Lagenweine aus den gleichnamigen Parzellen. Der erste, im 1478 erstmals erwähnten Cru Renesio gewachsen, stellt die unverfälschte Typizität von Traube und Boden in den Vordergrund und wird ausschliesslich im Stahltank vinifiziert, der komplexe, nach Salbei und Pfirsich duftende Trinità mit saftiger Säure und einer charaktervollen Salznote im Finale reift zu 10 % in gebrauchten Barriques. Der Saglietto schliesslich wird zur Hälfte im Tank, zur Hälfte in 450 Liter fassenden Holzfässern verfeinert. Spannend auch der Dessertwein Renesium, gekeltert aus von Botrytis befallenen, Ende November gelesenen Arneis-Trauben. Sein Duft nach Bitterorangen, Aprikosen und Pfirsichen, sein Spiel zwischen Schmelz, intensiver Süsse und saftiger Säure setzen den fulminanten Schlusspunkt hinter unseren Besuch auf Malvirà. DIVO Lagerfähigkeit: bis 2016 • Ref.: 78813 Rebsorte: Brachetto lungo del Roero Preis für Mitglieder: CHF 14.40 Lagerfähigkeit: bis 2020 • Ref.: 376009 Rebsorte: Nebbiolo Preis für Mitglieder: CHF 36.– MONTALBERA – TENUTA DEL RUCHÈ DER VERGESSENE ROTWEIN AUS MONFERRATO Charakter kann man ihr wahrlich nicht absprechen, der alten, fast vergessenen Piemonteser Rotweinsorte Ruchè. Wer zum ersten Mal einen Ruchè probiert, ist irritiert. Riecht so ein Rotwein ? Nach blühenden Rosen und Veilchen, süssen Gewürzen und gelben statt – wie erwartet – roten Früchten ? Ja, genau so riecht ein Rotwein, zumindest wenn er Ruchè heisst… Beheimatet ist die Rarität, vom Decanter als «potentially one of Italy’s greatest grapes» gepriesen, in der Weinregion Monferrato, die zusammen mit den Langhe und Roero seit Ende Juni 2014 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Ihre Herkunft liegt im Dunkeln und wird in Savoyen oder gar im Burgund vermutet, was Ampelografen aber als Legende abtun. Einst war der Ruchè in der Region Monferrato der «vino della festa», der Wein für besondere Gelegenheiten also, im Gegensatz zum Alltagswein. In den 1970er Jahren wurde er dank dem beherzten Eintreten von Pfarrer Don Giacomo Cauda und Bürgermeisterin Lidia Bianco vor dem Verschwinden gerettet, 1987 erhielt er die DOC Ruchè del Monferrato, 2010 gar die DOCG. Anrecht auf die Herkunftsbezeichnung haben die Weine der sieben Gemeinden Castagnole Monferrato, Grana, Montemagno, Portacomaro, Refrancore, Scurzolengo DÉFENSE ET ILLUSTRATION DES VINS D’ORIGINE PAOLO BERSIGHELLI, MONTALBERA EXPORT MANAGER VON 15 TERROIR DIVO DAS KÖNIGREICH DER ALTEN REBSORTENSPEZIALITÄT RUCHÈ, und Viarigi, alle in der Provinz Asti gelegen. Das Disziplinar verlangt, dass der Ruchè zu mindestens 90 % aus der gleichnamigen Sorte besteht, für den Rest dürfen Barbera oder Brachetto verwendet werden. SEIT 2010 HAT DER RUCHÈ DI CASTAGNOLE MONFERRATO ANRECHT AUF DIE DOCG (= DENOMINAZIONE DI ORIGINE CONTROLLATA E GARANTITA). EIN AMPHITHEATER AUF KALKHALTIGEN, SANDIGEN Die 1980 gegründete Azienda Montalbera, die auf dem 270 Meter hohen Hügel Bricco Montalbera in bester Aussichtslage steht und der Familie Morando gehört, umfasst insgesamt 130 Hektaren Reben an einem Stück. 60 davon sind mit Ruchè bestockt – womit das Haus die grösste Produzentin dieser Rarität ist und etwas mehr als die Hälfte der gesamten Ruchèproduktion gewährleistet. Total sind rund 100 Hektaren Ruchè ausgewiesen, zwanzig Produzenten führen den «roten Gewürztraminer» in ihrem Sortiment. Die Reben von Montalbera wachsen wie in einem Amphitheater auf kalkhaltigen, sandigen Böden rund um einen kleinen See, da und dort gesäumt von Baumgruppen oder den allgegenwärtigen Haselnussplantagen. Auf Montalbera werden fünf Interpretationen des Ruchè vinifiziert, darunter eine für junge Konsumenten konzipierte Apéro-Rosé-Version, ein Passito (Süsswein), der im Stahltank ausgebaute Tradizione, welcher die Herausgeber Club DIVO, Route de la Gare 44, 1305 Penthalaz Telefon 021 863 22 70, Fax 021 863 22 95 E-Mail [email protected] Internet www.divo.ch Fotos Team DIVO und Winzer Redaktion Eva Zwahlen, DIVO ; José Vouillamoz für die ampelographischen Fenster Druck Paperforms Villars-Sainte-Croix BÖDEN Charakteristiken der Sorte deutlich aufzeigt, der in Doppelbarriques gereifte Impronta und schliesslich unser Favorit, der Laccento. Letzterer wird aus überreif gelesenen Trauben gekeltert, von denen 5 % auf Kistchen trocknen (Appassimento-Verfahren wie bei einem Amarone). Das Resultat ist ein verblüffend irritierender Wein, der gerade durch seine Fremdheit fesselt. Zweifellos kein Wein für alle Tage, aber eine Rarität, die interessierte Weinfreunde mit Vergnügen probieren. l Ruchè di Castagnole Monferrato DOCG, Laccento 2011/13: eine sinnliche Rarität aus Monferrato Lagerfähigkeit: bis 2016/17 • Ref.: 322811/13 Rebsorte: Ruchè Preis für Mitglieder: CHF 22.50 Gestaltung Arcane PAO Chavornay Es freut uns besonders, Ihnen die Gastautorin dieser Revue kurz vorzustellen: Eva Zwahlen begleitet DIVO seit vielen Jahren und ihr Name ist den meisten Weinkennern unter Ihnen sicher ein Begriff. Nach erfolgreichem Abschluss ihres Lizentiats als Historikerin und Germanistin an der Universität Zürich arbeitete sie als Redaktorin bei Vinum und der Schweizerischen Weinzeitung. Seit rund 15 Jahren ist sie freischaffende (Wein-)Journalistin, Übersetzerin und Autorin.