Interview Ilawa neu (2)

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Interview Ilawa neu (2)
1. Herr Landrat Hering, wie bewerten Sie die bisherige Zusammenarbeit zwischen den
Landkreisen Hof und Ilawa?
Wenn ich die fünf Jahre unserer Partnerschaft Revue passieren lasse und in wenigen
Worten deren Inhalt zusammenfassen soll, kann ich sagen, dass erstens aus Partnerschaft in kürzester Zeit echte Freundschaft geworden ist und zweitens diese Freundschaft über all die Zeit mit Leben erfüllt war. Dabei kam alles ja eigentlich mehr zufällig
zustande: Ausgangspunkt war eine Aktivität des Projektes Technologie-Transfer-Wasser
(TTW), damals noch am Hofer Wasserwirtschaftsamt angesiedelt, im Oktober 2008, mit
den Marschallämtern der Wojewodschaften Ermland-Masuren und Pommern eng zusammengearbeitet. TTW, das in Polen z.B. mit den Marschallämter der Wojewodschaften Ermland-Masuren und Pommern eng zusammenarbeitet, führte dort in Kooperation
mit verschiedenen Veranstaltern Vortragsveranstaltungen zum Thema nachhaltiges Abfallmanagement in Olsztyn und Danzig durch. Auf Bitte des TTW Projektleiters, Herrn
Matthias Worst, zur fachlichen Unterstützung dieser Fachforen nahmen von bayerischer
Seite neben mir und dem Oberbürgermeister der Stadt Hof weitere Vertreter des Abfallzweckverbandes teil. Auf der Reise vom ersten Veranstaltungsort Olsztyn zum zweiten Danzig legten wir (am 21.10.2008) auf halber Strecke einen „Zwischenstop“ in Ilawa
ein, um den Leiter der dortigen Stadtwerke und den Bürgermeister der Stadt Ilawa, beides Bekannte von Herrn Worst zu treffen. Als der Bürgermeister, Herr Ptasnik von der
Anwesenheit des Landrates erfuhr, organisierte er kurzfristig ein Zusammentreffen mit
dem Landrat von Ilawa. Schon nach wenigen Wochen, zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes der Stadt Hof erfolgte ein Gegenbesuch des Bürgermeisters von Ilawa, dem
Landrat sowie dem Kreisrat Herrn Buk. Ganz schnell wurde dabei beiden Seiten klar,
dass es trotz der geographischen Entfernung ganz viele Gemeinsamkeiten gibt, dass der
konkrete Wille zu weiterem Austausch und zur Zusammenarbeit besteht und dass eine
Partnerschaft dazu die richtige Grundlage bieten würde. Von Anfang an hat die Chemie
gestimmt. Am 27. April 2009 haben wir im feierlichen Rahmen den Partnerschaftsvertrag bei uns im Landratsamt Hof unterzeichnet. Von Beginn an genießt die Partnerschaft
die politische Unterstützung des Kreistages und damit verbunden auch die der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Städte und Gemeinden des Landkreises Hof!
2. Eine der Aufgaben dieser Zusammenarbeit sollte auch ein emotioneller Faktor sein.
Abbildung von Stereotypen. Diese sind immer noch in beiden Ländern präsent. Was
meinen Sie, inwieweit haben wir es geschafft die Klischees zu überwinden?
Sinn und Zweck grenzüberschreitender Zusammenarbeit haben sich ja im Allgemeinen in
den letzten 20 Jahren sehr verändert. Standen früher die Überwindung von Misstrauen
und Vorurteilen im Vordergrund, sind heute doch viel mehr gegenseitige Verständigung
und partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Mittelpunkt gerückt.
Was unsere Partnerschaft betrifft, ist sie im Besonderen Ausdruck dieses neuen Denkens. Das Ziel gegenseitiger Verständigung ist hier nicht nur „mehr in den Mittelpunkt
gerückt“, sondern war von Anfang an Grundlage gemeinsamen Handelns. So sind wir
der allgemeinen Entwicklung schon immer ein gutes Stück voraus gewesen und können
darauf wirklich stolz sein. Ich danke allen Partnern aus Ilawa für die so unkomplizierte
und aufgeschlossene Zusammenarbeit der vergangenen fünf Jahre!
„Stereotypen“ waren in dieser Partnerschaft so gut wie nicht vorhanden.
3. Was haben wir geschafft und woran fehlte es in dieser Partnerschaft?
Eine Partnerschaft kann nur funktionieren, wenn sie mit Leben erfüllt wird und das ist
uns in den letzten fünf Jahren perfekt gelungen: Ganz besonders großen Wert legen wir
ja auf die Begegnungen von jungen Menschen zwischen beiden Partnerlandkreisen. Solche in Kooperation organisierten Jugendaustauschprogramme finden jährlich abwechselnd in Ilawa und Hof statt. Hieraus haben sich schon ganz viele persönliche Beziehungen entwickelt, die über das Austauschprogramm hinausgehen. Darüber hinaus gab es
in den letzten Jahren gegenseitige Besuche auf vielerlei unterschiedlichen Ebenen: Der
Landfrauenchor unter der Leitung von Karin Wolfrum war in Ilawa zu Gast. Das Jugendblasorchester Ilawa besuchte uns auf Einladung der Musikschule des Landkreises Hof.
Ein Highlight war auch der Besuch des Chores Camerata beim Männergesangverein in
Lippertsgrün. Im letzten Jahr war der Männergesangverein unter der Reiseleitung von
Roderick MacInnes bereits zum Gegenbesuch in Ilawa.
Mir fällt nichts ein, was dieser Partnerschaft fehlen könnte. Sie ist in den Herzen der
Menschen angekommen und das ist, was zählt.
4. Haben Sie Veränderungen während der 5-jährigen Zusammenarbeit im Kreis Ilawa
wahrgenommen? Haben Sie und die Teilnehmer der Besuche diese Veränderungen
bemerkt? (Hier dachten wir: was dachte Herr Landrat Hering persönlich und vielleicht
bekam er auch Rückmeldungen von den Teilnehmern der Besuche in Polen)
Aus Gesprächen mit vielen Teilnehmern der gemeinsamen Projekte beider Partnerlandkreise habe ich erfahren, ausnahmslos alle, die im Rahmen der genannten Projekt Ilawa
besucht haben, sind begeistert von der Landschaft, von der herzlichen Gastfreundschaft,
die ihnen entgegengebracht wurde und von den Menschen, die alle unvoreingenommen
und offen auf uns zugegangen sind!
Wir stellen ein von beiden Seiten wachsendes Interesse an einem gegenseitigen Austausch fest, dessen Themenbereiche nach wir vor zunehmen, und das über alle Generationen hinweg. Besonders freut mich, dass in diesem Zusammenhang gesammelte Erkenntnisse umgesetzt werden. So wird derzeit zum Beispiel die berufliche Ausbildung in
Polen, die bislang nur in der Schule erfolgte nach deutschem Vorbild reformiert.
5. Wie nehmen Sie Polen und Kreis Ilawa wahr, nach dem EU-Beitritt Polens? Sie kennen doch Polen, als es noch kein EU Mitglied gewesen ist.
Polen durfte als sozialistisches Land jahrzehntelang die damalige Europäische Gemeinschaft weder anerkennen noch mit ihr wirtschaftliche Beziehungen pflegen. Seit dem
EU-Beitritt fand, so glaube ich, ein wichtiger Wechsel in der Mentalität der Menschen
statt. Die Gedanken der Polen über sich selbst haben sich geändert. Die Polen sind
selbstbewusster und offener geworden. Jeder kann sich seinen Lebensmittelpunkt innerhalb der EU auswählen. Dieses Recht gibt Freiheit und ändert so auch die Lebenseinstellung.
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6. Was könnten Się als Politiker und auch als Partner den Bürgern des Kreises Ilawa
wünschen?
Den Bürgern aus Ilawa wünsche ich, dass sie weiterhin so offen und aufgeschlossen gegenüber anderen Mentalitäten bleiben, damit sich weiter auf breiter Ebene Kontakte
ergeben, aus denen Verbindungen und Freundschaften über Grenzen hinweg entstehen.
Der Landkreis Ilawa ist außergewöhnlich, nicht nur was die landschaftliche Schönheit
angeht, auch was die Aufgeschlossenheit seiner Menschen betrifft. Die Bürgerinnen
und Bürger aus Ilawa sind für mich Vorbilder in Sachen Völkerverständigung. Ich bitte
sie, unser polnisch-deutsches Haus der Völkerverständigung eifrig weiter zu bauen und
besonders unsere Partnerschaft auch in Zukunft tatkräftig zu unterstützen.
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