Ansprache des Schulleiters der Grundschule-Stella
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Ansprache des Schulleiters der Grundschule-Stella
Gedenkstunde zum 70. Jahrestages des Todes von Alfred Delp Mo. 02.02.2015 um 10.00 Uhr in der Geibelstraße Heute vor 70 Jahren wurde Alfred Delp durch die Henker des nationalsozialistischen Unrechtsregimes ermordet. Ich danke Ihnen, dass sie erschienen sind, um nicht nur Alfred Delp, sondern auch allen anderen die Ehre zu erweisen, die für ihren Glauben, ihr Streben nach Freiheit, nach Demokratie und Gerechtigkeit ihr Leben geopfert haben. Alfred Delp, geboren am 15. September 1907 in Mannheim, schloss sich 1926 dem Jesuitenorden an, wurde unter anderem in Österreich und den Niederlanden ausgebildet. Als überzeugter Christ stellte er damit sein Leben bewusst in den Dienst der Nächstenliebe. Er wirkte als Erzieher und Lehrer im Schwarzwald, war Seelsorger in München und schrieb für die „Stimmen der Zeit“, eine der ältesten deutschen Kulturzeitschriften, die von Jesuiten herausgegeben wurde. Seit 1942 gehörte er dem Kreisauer Kreis an. Diese Widerstandsgruppe gegen den Terror des Nationalsozialismus stellte Überlegungen an, wie eine Sozial- und Gesellschaftsordnung in Deutschland nach dem Krieg aussehen könnte. Schon seit seiner Jugend an der sozialen Frage interessiert, galt der Soziologe Delp als Fachmann für diese Fragen. Grundlage einer neuen, menschwürdigen Sozialordnung war für ihn die soziale Gerechtigkeit. Nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er 8 Tage später verhaftet und im Gestapo-Gefängnis BerlinMoabit eingekerkert. Hier wurde er immer wieder verhört und gefoltert. Am 9. Januar 1945 begann der Prozess vor dem Volksgerichtshof. Vom Präsidenten Roland Freisler persönlich wurde Delp verhöhnt, beschimpft und niedergeschrien: Zitat: „Sie Jämmerling, Sie pfäffisches Würstchen – und so was erdreistet sich, unserem geliebten Führer ans Leben zu wollen. Eine Ratte, austreten, zertreten sollte man sowas.“. Das Urteil am 11. Januar 1945 stand bereits vorher fest. Entgegen gängiger Praxis wurde das Todesurteil nicht sofort vollstreckt. Alfred Delp wurde am 02.02.1945, am Fest Maria Lichtmess, gegen 15 Uhr in der Hinrichtungsstätte Plötzensee gehängt. Auf Befehl Hitlers sollte nichts von den Attentätern zurückbleiben. So wurden die Ermordeten verbrannt, und ihre Asche auf den Rieselfeldern Berlins verstreut. Eine lange, sehr lange Zeit ist seit dem vergangen. Die Welt hat sich gravierend verändert. Aus der provisorischen Bundesrepublik Deutschland ist ein souveräner, selbstbewusster und wiedervereinigter Staat geworden, der seinen festen Platz in der Weltgemeinschaft gefunden hat und in dem Frieden, Freiheit, Toleranz und soziale Gerechtigkeit unumstößliche Eckpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft sind. Wir sind in dem am längsten bestehenden demokratischsten Gemeinwesen geboren, aufgewachsen und groß geworden, das es je auf deutschem Boden gegeben hat. Viele von uns kennen die Zeit des Nationalsozialismus nur noch aus den Geschichtsbüchern und Medien, von den Gedenkstätten und vielfältigen Überlieferungen. Umso wichtiger muss uns, ganz gleich, welcher Konfession oder Glaubensgemeinschaft wir angehören, die Aufgabe der Erinnerung an die Zeit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft sein, die unvorstellbares Leid und grenzenlose Zerstörung über Millionen und Millionen von Menschen in aller Welt gebracht hat. Es darf niemals in Vergessenheit geraten, dass der Holocaust eine von Menschen zu verantwortende Katastrophe war, die aus einer Ideologie hervorging, die grausamer, unmenschlicher, menschenverachtender nicht sein konnte. Der nationalsozialistische Wahnsinn hat gezeigt, wozu Menschen aus ideologischer Verblendung in der Lage sind. Hat die Menschheit daraus gelernt? Die täglichen Meldungen aus allen Teilen der Welt machen deutlich, wie sehr Ideologien und ihre Vordenker, ihre Einpeitscher und Anhänger, ganze Völker in tiefsten Hass stürzen können und sie Gottes Schöpfung auf das Schlimmste verachtende Verbrechen ausüben lässt. Leider ist in unserem Land, wie in vielen anderen auch, wieder einmal zu erkennen, wie sehr Hassideologie immer wieder in der Lage ist, den Menschen die Köpfe zu vernebeln. Rassismus und Radikalismus, Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit, jede Form der Intoleranz passt nicht zur freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Grundgesetzes. Ihnen muss in der politischen Auseinandersetzung klar gemacht werden, dass ihr zerstörerisches Gedankengut in unserem Land nie wieder eine Chance haben wird. Allen bildenden Einrichtungen unseres Landes, staatlich oder privat, konfessionell oder politisch neutral, kommt hierbei eine besondere Aufgabe und Verantwortung zu. Wir alle legen bei der Erziehung und Bildung junger Menschen besonderen Wert darauf, dass die abstrakten Begriffe von Demokratie und Pluralismus, Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Toleranz, Verantwortung und Solidarität mit Leben gefüllt werden. Wenn wir mit unseren Kindern konsequent diesen Weg weitergehen, wird es uns gelingen, denen, die die unmenschlichen Verbrechen und den Genozid leugnen, bagatellisieren oder einfach nur vergessen machen wollen, den Nährboden des Wachstums zu entziehen. Alfred Delp ist uns Beispiel. Ein Mann, der für seine Aufrichtigkeit und Überzeugung in seinem Glauben an Gott, seine Standhaftigkeit und Konsequenz in der Verfolgung seiner Ziele für eine gerechtere Gesellschaft in den Tod gegangen ist. Und genau diese Haltung drückt die Skulptur aus, die der bekannte Bremerhavener Künstler Gerhard Olbrich zum 25. Jahrestag der Hinrichtung Alfred Delps am 02.02.1970 zum Ausdruck bringt. Auf Frage nach dem Sinn seines Todes schrieb Delp gefesselt aus der Gefangenschaft an einen Freund am 16. Januar 1945: „Wenn der Herrgott diesen Weg will – und alles Sichtbare deutet darauf hin – dann muss ich freiwillig und ohne Erbitterung gehen. Es sollen einmal andere besser und glücklicher leben dürfen, weil wir gestorben sind. Ich bitte auch die Freunde, nicht um mich zu trauern, sondern für mich zu beten und mir zu helfen, solange ich der Hilfe bedarf. Und sich darauf zu verlassen, dass ich geopfert wurde, nicht erschlagen.“ Detlef Suermann, Schuleiter Grundschule Stella Maris Bremerhaven, 02.02.2015