Vom Korn zum Brot - Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde

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Vom Korn zum Brot - Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
Museumspädagogische
Programme im Volkskundemuseum
Vom Korn zum Brot
Foto: HMG
I NHALT
Wie der Bauer sein eigenes Mehl herstellte
Die Aussaat
Die Ernte
Das Dreschen
Das Getreidesäubern
Die Mühle
Wie die Bäuerin das Roggenbrot buk
Den Brotteig herstellen
Der Backofen und das Brotbacken
Die Aufbewahrung
H INWEIS: Diese Unterlage können Sie von unserer Website herunterladen:
www.volkskundemuseum.it/de/vom-korn-zum-brot.asp
Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
Ostermontag–31 . Oktober
Herzog-Diet-Str. 24 | 39031 Dietenheim/Bruneck Dienstag bis Samstag: 1 0–1 7 Uhr
Tel. (+39) 0474 552 087 | Fax (+39) 0474 551 764 Sonn- und Feiertage: 1 4–1 8 Uhr
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Einleitung
Wenn wir heute Brot benötigen, gehen wir zum Bäcker oder in den Supermarkt und kaufen dort
täglich frisches Brot. Wenn wir Brot selber backen wollen, kaufen wir die Zutaten ebenfalls im
Geschäft. Haben wir zuviel Brot gekauft oder gebacken, können wir es in der Gefriertruhe
aufbewahren.
Der Bergbauer von früher hatte all diese Möglichkeiten nicht. Wenn es einen Bäcker überhaupt
gab, befand er sich im Dorf, das für den Bergbauern nicht so leicht erreichbar war. Er wohnte
meist in abgelegenen Gegenden, wohin keine Straßen führten. Außerdem konnte er sich das
Brot des Bäckers nicht leisten. Deshalb versuchte er sich selbst zu versorgen und möglichst
viele Zutaten selbst „herzustellen“, indem er sie auf den eigenen Äckern und Feldern anbaute
und weiterverarbeitete.
Die Bäuerin brauchte Wasser, Mehl, Hefe, Salz und Gewürze zum Brotbacken. Wasser hatte ein
Bauernhof genügend zur Verfügung. Die Bäuerin stellte die Hefe in Form von Sauerteig selbst
her und pflückte die wild wachsenden Gewürze auf den Wiesen oder baute sie im eigenen
Kräutergarten an. Das Mehl erhielt die Bauernfamilie durch den Anbau von Getreide auf den
eigenen Äckern. Die einzige Zutat, die sie kaufen musste, war also das Salz.
1) Wie der Bauer sein eigenes Mehl herstellte
Der Weg vom Korn zum Mehl war ein langer, mühsamer und arbeitsreicher. Die ganze Familie
musste mithelfen und die Wetterverhältnisse beeinflussten den Ernteertrag.
1a) Die Aussaat
Der Säkorb
Die Ähre des Roggen
© Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
Der Bauer musste Getreide anbauen, um Mehl
zu erhalten. Im Spätsommer oder Frühjahr
pflügte er den Acker und säte die Samen aus.
Er füllte das Saatgut in einen Sack, ein Tuch
oder einen geflochtenen Korb und streute es
mit geübten Handbewegungen über den Acker.
Als Saatgut verwendete er die schönsten
Getreidekörner von der Ernte des Vorjahres.
Die Aussaat war eine wichtige Aufgabe,
deshalb machte sie der Bauer selbst. Er musste
darauf achten, die richtige Menge an Samen
auszusäen. Säte er zu wenig aus, war der
Ernteertrag gering. Säte er zu viel aus, hatten
die Pflanzen zu wenig Platz, Licht und
Nährstoffe. Nach dem Säen ebnete der Bauer
mit der Egge den Ackerboden wieder ein und
bedeckte das Saatgut mit Erde.
Es gibt verschiedene Getreidesorten. Für den
Bauer in unseren Gegenden war der Roggen
das wichtigste Brotgetreide. Der Roggen
wächst auch noch in hohen Lagen, weil er ein
raues Klima und karge Böden gut verträgt.
Auch der Weizen ist ein wichtiges Brotgetreide.
Er braucht aber feuchte, fette Böden und ein
warmes Klima. Weitere Getreidesorten sind
Gerste, Hafer, Dinkel, Hirse und Mais.
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1b) Die Ernte
Bei der Ernte des Getreides half die ganze
Familie zusammen. Die Frauen übernahmen
das Schneiden des Getreides mit der Sichel.
Mit der linken Hand hielten sie ein Bündel
Halme, mit der rechten Hand schnitten sie es.
Die Männer sammelten die Getreidehalme auf
und banden sie zu Bündeln, welche man
Garben nannte. Zum Zusammenbinden
verwendeten sie mehrere zusammengedrehte
Halme. Die Garben stellte man gruppenweise
auf dem Feld auf – einen solchen Garbenhaufen nannte man „Schober“ oder „Manndl“.
Diese Schober blieben dann noch einige Tage
auf dem Feld zum Austrocknen stehen.
Die Sichel
1c) Das Dreschen
Nach ein paar Tagen brachte man das Getreide
in die Tenne, den Stadel. Dort lagerte es bis
zum Spätherbst. Sobald alle Arbeit auf dem
Feld erledigt war, begannen die Männer das
Getreide zu dreschen. Von November bis
Februar war Dreschzeit.
Die Männer breiteten die Getreidegarben auf
dem Dachboden aus und schlugen mit dem
Dreschflegel auf die Ähren ein, damit die
Getreidekörner aus den Ähren herausfielen.
Der Dreschflegel bestand aus einem langen
Holzstiel und einem Schwengel aus Holz,
welcher am Stiel mit einem Lederband befestigt
war. Die Männer schwangen den Stiel und
ließen den schweren Schwengel auf die Ähren
niederfallen. Zu dritt, zu viert oder zu sechst
machten sie diese Arbeit und sprachen dabei
Der Dreschflegel
Merkreime, damit sie im Rhythmus blieben und
den Partner nicht mit dem Schwengel trafen.
Die Drescharbeit war sehr anstrengend. Sie
begann am frühen Morgen und dauerte bis zum
späten Abend an.
Eine andere Dreschart war das Dreschen auf
einem Holzgestell, das man „Roggebock“ oder
„Pluigatter“ nannte. Dadurch wurden die Strohhalme geschont und sie konnten zum Decken
von Strohdächern oder zum Flechten von
Bienenkörben und Strohhüten verwendet
werden.
© Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
Der Roggebock oder Roggenbock
(Foto: HMG)
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Die Drendl
1d) Das Getreidesäubern
Viele Jahrhunderte lang haben die Bauern mit
der Hand gedroschen. Mit der Erfindung der
ersten Dreschmaschinen ging diese Arbeit aber
schneller und einfacher.
Eine große Dreschmaschine, die Drendl, sieht
man auch im Museum. Sie funktionierte so: Die
Garben legte man auf die sich drehende
Dreschscheibe. Oberhalb der Dreschscheibe
befindet sich ein waagrechter Wellbaum mit 1 6
Hebarmen. Dieser drehte sich und bewegte 1 6
senkrecht angeordnete Holzstößel, die auf die
Dreschscheibe niederfielen und auf die Ähren
stampften. Diese Maschine konnte sowohl mit
Wasserkraft als auch mit Zugtieren in Gang
gesetzt werden.
Nach dem Dreschen sammelte der Bauer die
Getreidekörner auf. Darunter befanden sich
auch Strohreste, Staub und fremde Samenkörner. Der Bauer bevorzugte aber sauberes
und reines Mehl. Deshalb musste er die
Getreidekörner vom Stroh und von der Spreu
trennen. Dazu verwendete er einen „Reiter“.
Das war ein großes Sieb mit einem Geflecht
aus Draht, Holz oder Leder. Das Korn fiel
durch, die Ähren- und Strohreste blieben im
Sieb zurück.
Der Reiter
Noch besser eignete sich die Wind- oder
Putzmühle zum Säubern des Getreides. Die
Windmühle war ein hölzerner Kasten. Darauf
befand sich ein Trichter, über den der Bauer
das Getreide in die Windmühle schüttete. Mit
einer Kurbel trieb der Bauer das Schaufelrad im
Inneren der Mühle an, welche Wind erzeugte.
Der Luftstrom blies Staub und Strohreste aus
dem Kasten. Das gereinigte Getreide fiel durch
ein siebartiges Gitter in einen Behälter. Nun
hatte der Bauer endlich sauberes Korn und
konnte es zum Müller bringen.
Die Wind- bzw. Putzmühle
© Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
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1e) Die Mühle
Vom Trichter zwischen die Mahlsteine
(Foto: HMG )
Das Innere des Beutelkastens
(Foto: HMG )
Mühlen befanden sich meistens in der Nähe
von fließenden Gewässern wie Bächen und
Flüssen, weil sie durch Wasserkraft angetrieben
wurden. Über hölzerne Rinnen wurde das
Wasser auf das Wasserrad geleitet. Dieses Rad
wurde vom Wasser in Bewegung gesetzt. Mit
dem Wasserrad drehte sich auch der Wellbaum
mit. Der Wellbaum war am Wasserrad befestigt
und reichte bis ins Innere der Mühle. Er
übertrug mit Hilfe eines Zahnrads die
Bewegung des Rades auf den Mahlstein.
Dieser sich drehende Mahlstein hieß Läufer,
weil er auf einem festen Bodenstein „lief“ und
die Getreidekörner zerrieb. Der Müller schüttete
die Getreidekörner in einen Trichter. Von dort
gelangten sie zwischen die Mahlsteine, wo sie
zu Mehl gemahlen wurden. Das Mehl gelangte
dann in den Beutelkasten. Dort befand sich ein
Beutel aus Leinen. Der „Triangl“ versetzte
diesem Beutel Stöße, der Beutel wurde
gerüttelt. Das fein gemahlene Mehl fiel durch
diesen Beutel in den darunter liegenden
Mehlkasten. Die groben Schalenteile nannte
man Kleie. Sie wurden durch die Rüttelbewegungen in einen anderen Behälter
weitertransportiert. Die Kleie wurde als
Tierfutter verwendet. Der Müller behielt nach
der geleisteten Arbeit einen Teil des Mehls als
Lohn zurück. Der Bauer konnte sein Getreide in
Form von Mehl abholen. Mit dem Mehl konnte
er nun endlich Brot herstellen.
2) Wie die Bäuerin das Roggenbrot buk
Das Brotbacken auf dem Bauernhof dauerte fast eine ganze Woche und war mit großem
Arbeitsaufwand verbunden. Deshalb backte man nur zwei- bis viermal im Jahr Brot, aber dafür in
großen Mengen. Umso größer war die Freude aller Familienmitglieder, wenn endlich frisches
Brot auf den Tisch kam!
2a) Den Brotteig herstellen
Schon einige Tage vor dem eigentlichen
Backtag begann die Bäuerin mit den
Vorbereitungen. In einem hölzernen Behälter,
dem „Säuratmittn“, setzte sie den Sauerteig an.
Die Bäuerin mischte über mehrere Tage hinweg
Roggenmehl mit Wasser. Dieser Brei gor und
schmeckte dann leicht säuerlich. Der Sauerteig
ersetzte die Hefe und brachte den Brotteig zum
© Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
Der Säuratmittn mit dem Sauerteig
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„Aufgehen“. Am Vorabend des Backtages gab die Bäuerin noch einmal Roggenmehl und
warmes Wasser hinzu und ließ diesen Teig über Nacht in der warmen Stube stehen. Dann fügte
sie dem Brotteig noch Salz und Gewürze hinzu. Die Brotgewürze waren: Gemeiner Kümmel,
Koriander, Fenchel und Brotklee. Die Gewürze verbesserten den Geschmack des Brotes und
halfen bei der Verdauung des Roggenmehls.
Das Teigkneten selbst war eine anstrengende
Arbeit, deshalb wurde sie meistens von
Männern gemacht. Zum Schluss zeichnete der
Teigkneter ein Kreuz in den Brotteig. Dadurch
erkannte er, ob der Teig ausreichend geknetet
worden war, dankte Gott für die Zutaten und bat
ihn gleichzeitig um ein gutes Gelingen beim
Brotbacken. Der Teig musste noch ein wenig
aufgehen. Danach nahm die Bäuerin eine Hand
voll Teig und formte geschickt einen Brotlaib
nach dem andern. Sie legte die Brotlaibe auf
Bretter, die mit einem Tuch aus Leinen bedeckt Brett mit Brotlaiben
und mit Mehl bestäubt waren. Sobald der ganze
Teig zu Brotlaiben, „Preatlan“, geformt war,
konnte das eigentliche Brotbacken endlich
losgehen!
(Foto: HMG)
2b) Der Backofen und das Brot backen
Fast jeder Bauernhof hatte seinen eigenen
Backofen. Er war entweder an das Bauernhaus
angebaut oder befand sich etwas abseits
davon. Etwa ein bis zwei Stunden vor dem
Brotbacken wurde der Backofen eingeheizt.
Der Bauer machte ein Feuer im Backofen, das
langsam abbrannte. Die glühenden Kohlestücke musste er immer wieder auf dem
ganzen Ofenboden gleichmäßig verteilen, damit
die ganze Platte heiß wurde. Bevor er begann,
das Brot in den Ofen zu schieben, räumte er
Ein Backofen im Museum
(Foto: HMG)
alle Kohlestücke und Aschereste aus dem
Ofen. Dazu benutzte er die Ofenkrücke auch
„Ofenkrucke“, genannt. Danach putzte er die
Ofenplatte mit der „Ofenzuise“ oder
„Ofenzussl“, einem nassen Stofflappen. Dann
war der Ofen bereit und das Brot konnte
„eingeschossen“ werden! So nannte man die
Tätigkeit, wenn die einzelnen Brotlaibe in den
Ofen geschoben wurden. Das musste sehr
schnell gehen, damit die Hitze nicht verloren
ging. Die Bäuerin nahm ein Brot nach dem
andern von den Brotbrettern und legte es dem
Bauer auf die „Ofenschaufel" oder
Die Ofenkrücke, die Ofenzuise oder Ofenzussl
„Ofenschüssel". Mit der Ofenschaufel konnte
und die Ofenschaufel
© Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
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der Bauer den Brotlaib in den Ofen schieben. Wenn alle Brote im Ofen untergebracht waren,
verschloss er die Ofenluke, damit die Hitze im Ofen blieb. Nach etwa 30–60 Minuten war das
Brot fertig und der Bauer holte es mit demselben Gerät, der Ofenschaufel, wieder aus dem
Ofen.
2c) Die Aufbewahrung
Die große Menge an Broten musste so
aufbewahrt werden, dass die Bauernfamilie
mehrere Monate lang davon essen konnte.
Deshalb legte die Bäuerin das Brot in
Brotständer oder Brotrahmen aus Holz. Diese
hingen in einem trockenen und gut belüfteten
Raum, damit das Brot nicht schimmelte. Die
Brotrahmen hingen meistens von der Decke,
damit das Brot vor den Mäusen sicher war.
Der Brotrahmen
Das Brot wurde aber mit der Zeit härter und
härter. Die Bauernfamilie benutzte deshalb ein
Gerät namens Brotgrammel, um das Brot in
kleine Stücke zu schneiden. Diese Brotgrammel
war ein Holzkasten mit einem schweren Messer
in der Mitte, das am Holzboden befestigt war.
Mindestens zweimal am Tag aß die Familie
Milch mit Brocken vom Hartbrot darin, am
Vormittag zur Jause und am Nachmittag zur
Marende.
Die Brotgrammel
LITERATUR
Rachewiltz, Siegfried de, Brot im südlichen Tirol. Arunda. Bozen 1 980.
Sulzenbacher, Gudrun, Altes Handwerk und ländliches Leben. 3. Auflage, Bozen 2011 .
Sulzenbacher, Gudrun, Bauern, Schmied, Lodenweber (Didaktische Materialien zum Südtiroler
Volkskundemuseum), Wien/Bozen 2001 .
© Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
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