URTEIL

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URTEIL
2 Sa 1234/05
23 Ca 19494/04
(München)
Verkündet am:
14. September 2006
Souli, RHS
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
pp.,
- Klägerin und Berufungsklägerin Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt pp.,
gegen
1.
Verein pp.,
- Beklagter und Berufungsbeklagter Prozessbevollmächtigter:
2.
Firma ppx. KG,
- Beklagte -
Rechtsanwalt pp.,
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hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Karl-Heinz Wildmoser und
Ernst Koether für Recht erkannt:
1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Schlussurteil
des Arbeitsgerichts München vom 27.10.2005 – 23 Ca
19494/04 – wie folgt abgeändert.
Zwischenurteil
Die Klage gegenüber dem Beklagten zu 1) ist zulässig.
Die Sache wird zur Entscheidung über die Begründetheit der Klage sowie über die Kosten des Rechtsstreits auch die Kosten dieses Berufungsverfahrens
an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
2.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
Die Parteien streiten über von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsansprüche
und in diesem Zusammenhang über die internationale Zuständigkeit.
Die Klägerin war aufgrund eines Vertrages mit dem Beklagten zu 1) vom 4.2.1999 als
Betreuerin des ppxx. in A./Tirol tätig. Der Vertrag ist als Werkvertrag bezeichnet und
regelt die Pflichten der Klägerin ausführlich auf fast vier Seiten. Der Beklagte zu 1)
hat seinen Sitz in A.. Nach seinen Statuten verfolgt er den Zweck, seinen Mitgliedern
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auf Dauer gesicherte Ferienwohnrechte für festgesetzte Ferienperioden an Ferienwohnungen im Hotel pp. A. zu verschaffen und sie hierbei zu betreuen. Im pp. gibt es
35 Ferienwohnungen. Die Vereinsmittel werden nach den Statuten u.a. durch ein
einmaliges Entgelt beim Erwerb der Mitgliedschaft und Jahresbeiträge aufgebracht.
Der Beklagte zu 1) wird nach außen durch den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter vertreten, wobei beide einzelvertretungsbefugt sind. Im Innenverhältnis darf allerdings der Stellvertreter von seiner Vertretungsbefugnis nur bei Abwesenheit oder
Verhinderung des Vorsitzenden Gebrauch machen.
Der Beklagte zu 1) hat keine eigene Vertriebsorganisation. Die Beklagte zu 2), die
nicht mehr Partei des Berufungsverfahrens ist, verkauft die Wohnrechte und hält
auch selbst einige Wohnrechte. Außerdem erledigt die Beklagte zu 2) die Buchhaltung für den Beklagten zu 1) sowie für weitere sieben Ferienclubs in Österreich, Südtirol und Deutschland. Sie nimmt u.a. die Jahresbeiträge der Mitglieder des Beklagten
zu 1) an und mahnt Mitglieder, die in Zahlungsverzug geraten sind. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten zu 2), Herr pp. ist auch stellvertretender Vorsitzender des Beklagten zu 1).
Mit Schreiben vom 10.1.2001 wurde eine Kündigung des Vertrages mit der Klägerin
zum 31.11.2002 erklärt (gemeint war zum 30.11.2002). Dabei wurde ein Briefbogen
des Beklagten zu 1) verwendet. Das Kündigungsschreiben ist von Herrn pp. unterzeichnet, wobei es vor seiner Unterschrift heißt „M.-Ferienclub-GmbH & Co KG“.
Mit ihrer Klage vom 25.11.2002 hat die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner
verklagt und Ansprüche in Höhe von insgesamt € 117.758,33 geltend gemacht (Vergütung für Januar bis November 2002; Vermietungsprovisionen; Urlaubsabgeltung;
Abfertigung nach österreichischem Recht). Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit für die Klage gegen den Beklagten zu 1) hat sie erstinstanzlich vorgetragen, dieser habe seinen faktischen Sitz in M.. Die gemeinsame Verwaltung beider
Beklagte werde in M. durchgeführt. In A. eingehende Post habe nach München weitergeleitet werden müssen. Die Korrespondenz betreffend den Beklagten zu 1) sei in
M. erledigt worden. Herr pp. sei bei beiden Beklagten der Entscheidungsträger. Anweisungen für die Mitarbeiter seien von M. aus erteilt worden. Dort würden auch die
Konten des Beklagten zu 1) geführt.
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Dagegen hat der Beklagte zu 1) die Ausführungen der Klägerin zum faktischen Sitz
in M. bestritten. Die Nutzungsrechte der Mitglieder könnten nur in A. und damit am
Sitz des Beklagten zu 1) ausgeübt werden. Unerheblich sei, ob das Vorstandsmitglied pp. Anweisungen von M. aus erteile. Das oberste Vereinsorgan sei die Mitgliederversammlung und diese entscheide über die wesentlichen Geschicke des Vereins, u.a. durch Wahl der Vorstandsmitglieder und durch Festlegung der von den
Mitgliedern zu zahlenden Jahresbeiträge. Die Mitgliederversammlung finde mindestens einmal pro Jahr in A. statt.
Nachdem ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen war, gegen das die Klägerin Einspruch eingelegte hatte, hat das Arbeitsgericht zunächst durch Endurteil
vom 4.3.2004 das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Auf eine erste Berufung der
Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil teilweise aufgehoben und den
Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, soweit es die Klage gegen den
Beklagten zu 1) abgewiesen hatte. Im Übrigen, nämlich bezüglich der Klage gegen
die Beklagte zu 2) hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 6.10.2004 – 5 Sa
444/04). Zur Begründung hat es ausgeführt, die internationale Zuständigkeit ergebe
sich möglicherweise aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 44/201 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Der Verwaltungssitz im Sinne dieser Bestimmungen sei dort, wo die laufende Geschäftsführung
erfolge. Die laufende Geschäftsführung des Beklagten zu 1) dürfte durch die Beklagte zu 2) in M. erfolgen. Allerdings müsse dem Beklagten zu 1) Gelegenheit gegeben
werden, auf der Grundlage des im bisherigen Verfahren noch nicht berücksichtigten
Art. 60 Abs. 1 EuGVVO vorzutragen. Das Arbeitsgericht habe die Klage gegen die
Beklagte zu 2) zu Recht mangels deren Passivlegitimation abgewiesen.
Nach Zurückverweisung hat das Arbeitsgericht durch Schlussurteil vom 27.10.2005
das Versäumnisurteil auch gegenüber dem Beklagten zu 1) aufrechterhalten. Das
Arbeitsgericht München sei international nicht zuständig. Zu den Voraussetzungen
des Art. 60 Abs. 1 b und c EuGVVO habe die Klägerin auf das ihr eingeräumte rechtliche Gehör gar nichts und im früheren Verfahrensstadium nur unsubstantiierte Pauschalbehauptungen vorgetragen. Die Klägerin habe beispielsweise keine konkreten
Anweisungen des Vorstandsmitglieds pp. geschildert. Aber selbst bei Anweisungen
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des Herrn pp. würde dies noch keine Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in
M. begründen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich in M. das Zentrum der geschäftlichen und arbeitgeberseitigen Aktionen befinde.
Gegen dieses dem Klägervertreter am 9.11.2005 zugestellte Schlussurteil richtet sich
die Berufung der Klägerin vom 9.12.2005, die am 9.2.2006 begründet worden ist,
nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Die Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die internationale Zuständigkeit
verneint. Es habe ihren Vortrag zum faktischen Sitz in M. nicht berücksichtigt. Es habe auch verkannt, dass dieser Sachvortrag nicht bzw. nur unsubstantiiert bestritten
worden sei, so dass er nach § 138 ZPO als zugestanden gelte. Schließlich habe das
Arbeitsgericht verkannt, dass Herr pp. Entscheidungsträger bei beiden Beklagten sei.
In Österreich habe der Beklagte zu 1) keinen Verwaltungsapparat. Sein Zahlungsverkehr werde über ein Konto in M. von der Verwaltungsorganisation in M. abgewickelt. Der Vereinsvorsitzende sei nur im Einzelfall für den Beklagten zu 1) tätig gewesen. Die Beschaffungspreise seien in München von Herrn Dörr festgelegt worden,
ebenso die Vorgaben zur Reinigung. Ersatzbeschaffungsentscheidungen seien in M.
getroffen worden.
Die Klägerin beantragt,
das Schlussurteil des Arbeitsgerichts München vom 27.10.2005 unter
Aufhebung des Versäumnisurteils vom 10.7.2003 abzuändern und den
Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin € 117.758,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Sache wird an das Arbeitsgericht München zurückverwiesen.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die Berufung schon für unzulässig, denn es sei unklar, gegen welche Partei
sie sich richte. Die Berufungsberufungsbegründung enthalte seitenlange Ausführungen zur Beklagten zu 2). Im Übrigen fehle es an einer ausreichenden Berufungsbegründung, denn eine Rechtsverletzung durch das Arbeitsgericht werde nicht konkret
dargelegt.
Jedenfalls sei die Berufung unbegründet, denn das Arbeitsgericht habe zu Recht die
internationale Zuständigkeit verneint. Er habe seine Hauptverwaltung nicht in M..
Dort sei nicht das Zentrum der geschäftlichen und arbeitgeberseitigen Aktionen. Er
habe zwar in M. ein Konto, auf das die Jahresbeitragszahlungen der deutschen Mitglieder erfolgten. Nach Eingang der Jahresbeiträge würden diese jedoch auf ein Konto in W. transferiert und dort als Festgeldanlage gehalten. Im Übrigen sei der Ort
eines Kontos für die Frage des Hauptverwaltungssitzes unerheblich. Auch die Mitgliedschaft des Geschäftsführers der Beklagten zu 2) im Vorstand des Beklagten zu
1) spiele keine entscheidende Rolle, denn der Vorstand bestehe aus drei Personen.
Eine Anweisung, in A. eingehende Post nach M. weiterzuleiten, habe es nicht gegeben. Es treffe auch nicht zu, dass die Korrespondenz betreffend den Beklagten zu 1)
ausschließlich in M. erfolgt sei. So seien die Steuererklärungen in W. von der Donauwirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., deren Mitglied das
weitere Vorstandsmitglied ppx. sei, gefertigt worden. Der Vorstandsvorsitzende habe
beispielsweise aus B. bei W. in einer Verwaltungsstrafsache wegen angeblich nicht
zeitgerecht entrichteter Aufenthaltsabgaben an den Tourismusverband I. korrespondiert. Beim Sachvortrag der Klägerin zum faktischen Sitz handele es sich um unsubstantiierte Pauschalbehauptungen. Der Beklagte zu 1) müsse verwaltet werden,
um seine Mitglieder bei der Nutzung ihrer Ferienwohnrechte zu betreuen. Dies könne
nur in A. geschehen und nicht in M.. Angesichts der umfangreichen Tätigkeiten, die
in A. zur Mitgliederbetreuung verrichtet würden, könne eine beherrschende Verwaltungstätigkeit von M. aus nicht angenommen werden. Die Beklagte zu 2) führe für
den Beklagten zu 1) im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages dessen Buchhaltung
aus. Dies sei nicht ausreichend für die Annahme einer Hauptverwaltung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im vorliegenden Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 9.2.2006, 31.7.2006 sowie
den nachgelassenen Schriftsatz vom 31.8.2006, des Beklagten zu 1) vom 17.3.2006,
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7.7.2006 und 2.8.2006 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschriften
vom 22.6.2006 und 3.8.2006.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingereicht und begründet (§§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Ihre Unzulässigkeit ergibt sich nicht aus einer Unklarheit darüber, wer Berufungsbeklagter ist. Der Beklagte zu 1) weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Berufungsbegründung seitenlange Ausführungen bezüglich der Beklagten zu 2) enthält. Gleichwohl ist erkennbar, dass sich die Berufung nur gegen den Beklagten zu 1) richtet.
Auf Seite 2 der Berufungsbegründung heißt es hierzu, das Urteil des LAG vom
6.10.2006 (5 Sa 444/04) sei gegen die Beklagte zu 2) rechtskräftig, die Berufung
richte sich daher nur gegen das Urteil vom 27.10.2005, soweit der Beklagte zu 1)
betroffen sei. Auch der Berufungsantrag bezieht sich lediglich auf den Beklagten
zu 1).
Die Berufungsbegründung bezeichnet in noch ausreichender Weise die Umstände,
aus denen sich nach Ansicht der Klägerin die Rechtsverletzungen des Arbeitsgerichts und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt (§§ 64
Abs. 6 S. 1 ArbGG, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO). Die Berufungsbegründung muss auf
den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen
oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn es diese
bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der
angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche
Würdigung durch das Erstgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen, lediglich auf
das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen. Vielmehr
muss die Berufungsbegründung darlegen, warum die Erwägungen des angefochtenen Urteils unzutreffend sein sollen (BAG vom 10.2.2005 – 6 AZR 183/04 – NZA
05, 597).
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Die Berufungsbegründung vom 9.2.2006 besteht zum ganz überwiegenden Teil aus
Kopien erstinstanzlicher Schriftsätze und stellt insoweit keine Auseinandersetzung
mit dem angefochtenen Urteil dar. Allerdings wird auf den Seiten 3 und 4 oben der
Berufungsbegründung in noch ausreichender Weise dargelegt, warum die Klägerin
das angefochtene Urteil für rechtsfehlerhaft hält. Dort wird gerügt, das Arbeitsgericht
habe den Sachvortrag der Klägerin nicht berücksichtigt, und der nach Ansicht der
Klägerin nicht berücksichtigte Sachvortrag bezeichnet. Auch mit der Rüge, das Arbeitsgericht habe § 138 Abs. 3 ZPO verkannt, wird eine Rechtsverletzung bezeichnet.
II.
Die Berufung ist begründet, weil der Beklagte zu 1) seine Hauptverwaltung in München hat (Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 b EuGVVO). Hierüber ist durch Zwischenurteil zu
erkennen (§§ 280, 303 ZPO) und der Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das
Arbeitsgericht zurückzuweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
Nach Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO können Gesellschaften und juristische Personen sowohl vor den Gerichten des Staates verklagt werden, in dem sie ihren satzungsmäßigen Sitz haben, als auch vor den Gerichten des Staates, in dem sich ihre
Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. Liegen die Orte des satzungsmäßigen Sitzes und der Hauptverwaltung bzw. der Hauptniederlassung in unterschiedlichen Staaten, so hat die klagende Partei ein Wahlrecht. Die Hauptverwaltung befindet sich dort, wo die Verwaltung geführt wird, maßgebend dafür ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane. Es ist
der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsaktivitäten umgesetzt werden (Stein/Jonas/Roth,
ZPO, 22. Aufl., § 17 Rn 15).
Auf den Beklagten zu 1) ist Art. 60 EuGVVO anzuwenden, denn als Verein ist er eine
juristische Person. Der Sitz seiner Hauptverwaltung ergibt sich hier nicht aus dem
Tätigkeitsort der beiden vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder (§ 12 Abs. 2 der
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Statuten), denn es gibt keinen einheitlichen Tätigkeitsort dieser beiden Personen. Die
laufenden Geschäftsführungsaktivitäten finden allerdings in M. statt und werden
durch die Beklagte zu 2) erledigt. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer
auch dann, wenn man bei den Tatsachen, die zwischen den Parteien streitig sind,
vom Sachvortrag des Beklagten zu 1) ausgeht, denn die wesentlichen Tatsachen
sind unstreitig bzw. nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Der Streit
der Parteien betrifft vor allem die rechtliche Wertung dieser Tatsachen.
Nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten zu 1) führt die Beklagte zu 2) seine
Buchhaltung. Dazu gehören Tätigkeiten, die typische laufende Geschäftsführungsaktivitäten darstellen und üblicherweise von der Hauptverwaltung einer juristischen
Person erledigt werden. So obliegt der Beklagten zu 2) der Vertrieb von Wohnrechten, sie nimmt die Jahresbeiträge der Mitglieder ein und mahnt Mitglieder, die sich im
Zahlungsverzug befinden. Weiter ist unstreitig, dass die Beklagte zu 2) für den Beklagten zu 1) auch andere Forderungen geltend machte. Hierzu hat die Klägerin z.B.
ein Schreiben vom 23.5.2001 (Anlage A 12) vorgelegt, in dem Forderungen gegenüber der Klägerin erhoben werden. Die Beklagte zu 2) rechnete gegenüber der Klägerin ab. Sie kümmert sich um die Vermittlung von Wohnungen an Mieter, und zwar
auch bei solchen Wohnungen, deren Wohnrechte vom Beklagten zu 1) gehalten
werden. Der Beklagte zu 1) hat nicht zu der Behauptung der Klägerin Stellung genommen, Vorgaben zur Reinigung und Ersatzbeschaffungsentscheidungen seien
von M. aus erfolgt. Dies gilt damit als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Alle diese Tätigkeiten sind typische Verwaltungs- bzw. Geschäftsführungstätigkeiten.
Der Umstand, dass sie nach der Darstellung des Beklagten zu 1) im Rahmen eines
Dienstleistungsvertrages von der Beklagten zu 2) erledigt werden, steht einer Berücksichtigung bei der Prüfung der Hauptverwaltung nicht entgegen. Zum einen geht
Art. 60 EuGVVO davon aus, dass eine juristische Person eine Hauptverwaltung hat,
als auch in dem Fall, dass Verwaltungs- und Geschäftsführungsaktivitäten nicht von
ihr selbst ausgeübt werden. Zum anderen weist die Klägerin zu Recht darauf hin,
dass der vertretungsberechtigte stellvertretende Vorsitzende des Beklagten zu 1)
auch Geschäftsführer der Beklagten zu 2) ist. Die enge Verknüpfung zwischen beiden Beklagten wird auch aus der Kündigung der Klägerin deutlich, die auf einem
Briefbogen des Beklagten zu 1) von Herrn pp. unter der Bezeichnung der Beklagten
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zu 2) ausgesprochen wurde. Der Vorsitzende des Beklagten zu 1) formuliert in dem
Protokoll der Mitgliederversammlung vom 7.12.2001 (Anlage A 14) selbst und zutreffend, dass der Beklagte zu 1) von der Beklagten zu 2) „betreut“ werde. Dabei kann
die Betreuung mit der Verwaltung gleichgesetzt werden.
Einer Hauptverwaltung in M. steht nicht entgegen, dass Verwaltungs- und Geschäftsführungstätigkeiten nicht ausschließlich von dort aus erledigt werden, sondern z.B.
auch vom Vereinsvorsitzenden Dr. pp. oder bei der Fertigung von Steuererklärungen
von W. aus. Am Sitz der Hauptverwaltung müssen nicht sämtliche Verwaltungs- und
Geschäftsführungsaktivitäten verrichtet werden, sondern nur die wesentlichen. Die
oben ausgeführten laufenden Tätigkeiten haben einen deutlich größeren Umfang als
die von dem Beklagten zu 1) angeführten Tätigkeiten, die nicht in M. verrichtet werden. Deshalb ist nicht ersichtlich, an welchem anderen Ort als M. sich die Hauptverwaltung des Beklagten zu 1) befinden soll.
Unerheblich ist, dass Beschlüsse der Mitgliederversammlung nicht in M. gefasst werden. Das Fassen von Beschlüssen, wie z.B. die Festlegung des Jahresbeitrags, ist
keine Tätigkeit der laufenden Geschäftsführung.
Die von der Klägerin in A. zu erledigenden Tätigkeiten haben für die Frage der
Hauptverwaltung keine entscheidende Bedeutung. Die im Vertrag geregelten Pflichten der Klägerin beziehen sich ganz überwiegend nicht auf Verwaltungstätigkeiten,
sondern auf die Betreuung der Mitglieder und Gäste sowie die Pflege des Hauses
und der sonstigen Einrichtungen. Typische Verwaltungs- oder Geschäftsführungsaktivitäten hatte die Klägerin nicht auszuüben und fallen in A. nicht an.
Nicht entscheidungserheblich ist schließlich, dass die Mitglieder ihre Nutzungsrechte
nur in A. ausüben können. Die Erfüllung der Leistungspflichten aus der Mitgliedschaft
betrifft keine Geschäftsführungstätigkeit, die für den Sitz der Hauptverwaltung entscheidend ist.
Zu Gunsten des Beklagten zu 1) kann davon ausgegangen werden, dass es keine
Anweisung gab, sämtliche Post von A. nach M. zu schicken. Wenn insoweit der
Sachvortrag der Klägerin zutreffend wäre, würde dies zwar ein weiteres Indiz für die
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Hauptverwaltung in M. darstellen. Aus den oben genannten Gründen ist aber auch
ohne eine solche Anweisung von einem Sitz der Hauptverwaltung in M. ausgehen.
Ähnliches gilt für die Frage, auf welcher Bank sich das Vereinsvermögen befindet.
Diese Frage hat keinen wesentlichen Bezug zur Frage der Hauptverwaltung.
Da somit die Klage entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht wegen einer
fehlenden internationalen Zuständigkeit unzulässig ist, wird hierüber durch Zwischenurteil entschieden (§§ 280, 303). Die Zurückverweisung an das Arbeitsgericht
beruht auf § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts, das
durch dieses Urteil aufgehoben wird, hat nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden. Da die Klage zulässig ist, ist nun über die Begründetheit zu entscheiden.
Die Klägerin hat die Zurückverweisung an das Arbeitsgericht beantragt.
III.
Im Rahmen seiner Kostenentscheidung hat das Arbeitsgericht auch über die Kosten
dieses Berufungsverfahrens zu entscheiden.
IV.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn die Klägerin ist nicht beschwert und es besteht
kein
Grund,
für
den
Beklagten
zu
1)
die
Revision
zuzulassen
(§
72
Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.
Waitz
Wildmoser
Koether