Das Erftwerk – die „Aluminiumhütte“
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Das Erftwerk – die „Aluminiumhütte“
28 | StattBlatt | Sonderausgabe Spurensuche 2013 Erftwerk Luftaufnahme von 1931, Postkarte © Thomas Marx Das Erftwerk – die „Aluminiumhütte“ Wer kennt das nicht: Die Geburtstags- oder Familienfeier ist vorüber, vom üppigen Buffet ist noch reichlich übrig geblieben und die Reste werden gerecht an die lieben Freunde und Verwandten verteilt. Nudelsalat und Frikadellen also rauf auf die Teller, Alufolie drüber – fertig! Kaum ein Haushalt weit und breit, in dem sich keine Rolle Aluminiumfolie im Schrank finden ließe ... Aluminium wurde in der Vergangenheit innerhalb kürzester Zeit zu einem beinahe unentbehrlichen Werkstoff und zu einem regelrechten Markenzeichen unserer Region. Aluminium war und ist extrem vielseitig einsetzbar: Bauwesen, Verkehrsund Transportwesen sowie Elektrotechnik profitieren von den mannigfachen Möglichkeiten, welche dieses Material bietet. Gleiches gilt für die Nahrungsmittelindustrie. Verpackungen aller Art, beispielsweise für Schokolade, waren in weiten Bereichen der Lebensmittelbranche schnell beliebt. Das Erftwerk in Grevenbroich gehörte im Laufe seiner Geschichte zu den bedeutendsten und fortschrittlichsten Werken der Leichtmetallindustrie. Es schuf zahlreiche Arbeitsplätze, Lehrstellen sowie Weiterbildungsmöglichkeiten und förderte darüber hinaus die Errichtung der bekannten ‚Erftwerk-Siedlung’ mit ihren schmucken Siedlungshäusern im Süden von Grevenbroich. Erstes offizielles Schild am Pförtnerhäuschen des Erftwerks © Erftwerk Archiv Alles auf Anfang: Das Erftwerk und Gut Herkenbusch In Zusammenhang mit der Entstehung des Erftwerks sind selbst verständlich das Gut Herkenbusch und seine Ländereien zu erwäh nen. Die Geschichte von Gut Herkenbusch ist lang – 1147 wurde es erstmals urkundlich erwähnt. Entgegen aller romantischen Vorstel lungen dürfte das Landleben auf dem Hof nie sonderlich bequem ge wesen sein, forderten doch regelmäßige Fehden und Kriege ihren Tribut. Zudem wurde das Gut fast jedes Frühjahr von Überschwem mungen heimgesucht und brannte sogar mehrmals nieder, wurde aber stets an Ort und Stelle wieder aufgebaut, da sich nahe dem Hof ein lebensnotwendiger Brunnen befand. 1914, nur wenige Jahre bevor die Erftwerk AG gegründet wurde, waren der Landwirt Hubert Züll und dessen Ehefrau Elisabeth Eigentümer des Gutes. Von dem damals rund 32 Hektar großen Landstück wurde jedoch nur ein Hektar als Weide genutzt. Sonderausgabe Spurensuche 2013 | StattBlatt | 29 In der Ofenhalle (Mitte der 1970er) © Vincenza Zambito Als sich während des Ersten Weltkrieges immer deutlicher ein Metallmangel in Deutschland abzeichnete und man sich von der ausländischen Aluminiumerzeugung unabhängig machen wollte, wurde schließlich entschieden, eine neue Aluminiumhütte inklu sive Elektrodenfabrik nahe der Braunkohlenwerke und der Bahn linie zwischen Mönchengladbach und Köln zu errichten. Das Ackergelände westlich von Allrath und die auf diesem Gebiet an gesiedelte Ziegelei wurden rasch aufgekauft. Ebenso erwarb die Erftwerk AG am 24. Oktober 1916 das Gut Herkenbusch einschließ lich Ländereien von den Eheleuten Züll. Gleich im Anschluss ver pachtete die Firma das Gut an die Eheleute Züll sowie später an deren Sohn Johann Züll. Die Ländereien plante man für betrieb liche Zwecke und den Wohnungsbau für Werksangehörige ein. Eine Ära beginnt ... Im Juli 1916 wurden ein Aktien-Syndikatsvertrag und ein Bauver trag zwischen RWE (Hugo Stinnes), der Erftwerk AG, dem Reich und der Gebrüder Giulini GmbH aus Italien abgeschlossen. Das Aktiengesellschaftskapital betrug damals 25 Mio. Reichsmark. Davon übernahmen RWE und Giulini jeweils 3 Mio. und das Deut sche Reich 19 Mio. Reichsmark. Die Eintragung der Erftwerk AG in das Handelsregister Grevenbroich wurde dabei allerdings zur ‚geheimen Reichssache’. Die Grundsteinlegung erfolgte kurz da rauf, am 22. August 1916 in verkehrsgünstiger Lage nahe der Bahnstrecke Grevenbroich-Köln. Nach lediglich 16 Monaten Bau zeit – am 20. Dezember 1917 – konnten die ersten Anlagen des Erftwerks in Betrieb genommen werden. Den Vorstand bildeten zu dieser Zeit Dr. Otto Koepchen und Ernst Leyser. Die aufgekauf te Ziegelei auf dem Werksgelände lieferte noch bis ca. 1940 die zum Auf- und Ausbau des Erftwerks notwendigen Steine. Das Erftwerk und das Lautawerk in der Lausitz (ebenfalls 1917 gegründet) waren sehr ertragreich, was die Aluminiumversorgung betrifft. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Aluminium bei einer Stromstärke von 12.000 bis 13.000 kA in den Rundöfen der Ofenhalle hergestellt. Diese war zur damaligen Zeit der größ te Betrieb des Erftwerks. Wenige Jahre nach seiner Gründung wurde das Erftwerk von dem 1917 gegründeten Unternehmen ‚Vereinigte Aluminium-Werke Ak tiengesellschaft’ (kurz: VAW) übernommen und wurde somit zum ältesten Werk der VAW. Diese wiederum wurde 1923 der‚ Verei nigte Industrie-Unternehmungen Aktiengesellschaft’ (kurz: Viag) angegliedert. 30 | StattBlatt | Sonderausgabe Spurensuche 2013 Kollegen im Erftwerk in den 60ern-70ern © Maria Franzen Eloxal-Anlage, H. Falk © Erftwerk Archiv Die Aluminiumherstellung Die Aluminiumgewinnung im Erftwerk fand in zwei in sich abge schlossenen Phasen statt: Im ersten Schritt wurde Aluminiumoxyd (auch ‚Tonerde’ genannt) aus dem Mineral Bauxit hergestellt. Im zweiten Schritt, der Elektrolyse, wurde das Aluminiumoxyd in Alu minium und Sauerstoff zerlegt. Ein Herstellungsverfahren, für das man große Mengen elektrischer Energie benötigte. Die Versorgung mit dieser notwendigen Energie wurde durch die enge Zusammen arbeit mit dem RWE (speziell mit dem Kraftwerk Frimmersdorf) sichergestellt. Zudem verfügte das Erftwerk über eine Raffinati onsanlage. Mittels dieser Anlage war man in der Lage, das so ge nannte ‚Reinstaluminium’ herzustellen, das sich z.B. durch eine noch bessere Korrosionsfähigkeit auszeichnet und besonders gut glanzeloxieren lässt. Diese Eigenschaften machten den Werkstoff schnell bei der Herstellung von Schmuck, Reflektoren, Autobe schlagteilen etc. äußerst beliebt. Die wichtigste Verfahrenstechnik zur Aluminiumraffination wurde zu Beginn der 30er Jahre in der Schweiz entwickelt. Das Erftwerk wiederum hat 1938 erfolgreich mit der Raffination von Alumini umschrott begonnen. Reinstaluminium konnte somit sowohl aus Hüttenaluminium als auch aus Aluminiumschrott gewonnen wer den. Das im Erftwerk erzeugte Aluminium war qualitativ extrem Ende der Remontage nach dem Krieg, H.H. Prof. Ginsberg, Dr. Lange, Koch © Erftwerk Archiv hochwertig, so dass es als „Erftal“ nicht nur in der Bundesrepu blik, sondern darüber hinaus auch im Ausland zum Markenzeichen wurde: Erzeugnisse wie „Erftal“ (Reinheitsgrad von etwa 99,9 Pro zent), „Raffinal“ und „Reflectal“ (Reinheitsgrad von etwa 99,99 Prozent) wurden weit und breit geschätzt. Die Remontage nach dem Krieg Während des zweiten Weltkrieges erlitt die Aluminiumindustrie schwere Verluste, von denen sie sich nur langsam erholte. Auch das Erftwerk musste große Schäden beheben. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begann man zwischen 1946 und 1950 zunächst mit der De montage des Werkes, von der auch die Elektrolyse betroffen war. Zu Beginn der 50er Jahre kam es jedoch wieder zur Remontage: 1953 kam ein ganz neu entwickelter Ofentyp mit kontinuierlich vorge brannten Anoden zum Einsatz. Mit nun 70.000 kA wurde in diesem Jahr das System I angefahren; 1956 folgte bereits das System II mit eben diesen Öfen – es handelte sich dabei um das Neuste vom Neu sten im Rahmen der Aluminiumproduktion. Innerhalb weniger Jahre wurde die Stromstärke auf etwa 97.000 kA gesteigert und die Produk tion entsprechend erhöht. Zu den Hüttenanlagen des Erftwerks ge hörten unter anderem eine Umformeranlage (hochgespannter Dreh strom wurde in Gleichstrom umgewandelt), eine Anodenfabrik, eine Gießerei und eine elektrolytische Anlage zur Aluminiumerzeugung. Rohstoffe bezog man unter anderem aus dem Lippewerk, Strom über die Umformeranlage, Anoden vom Rheinwerk und Kathoden aus dem Elektrodenbetrieb. Den für die Aluminiumgewinnung notwendigen Rohstoff Bauxit importierte man z.B. aus Frankreich, Griechenland, Ungarn, Italien und Jugoslawien. Eine Ära geht zu Ende ... Leider war der Ofentyp der 50er Jahre bereits in den 70er Jahren überholt, sowohl was die Technologie als auch die Abgaserfassung betraf. 1975 wurde zunächst ein Teil der Öfen, 1978 schließlich das gesamte System I abgeschaltet. 1979 wurde die Hälfte der Öfen von System II abgeschaltet, am 2. September 1980 wurden in Anwesenheit von Werksleitung und Betriebsrat die letzten Öfen ausgeschaltet – die Elektrolyse im Erftwerk war für immer beendet. Die Gebäude der ehemaligen Elektrolyse konnten umgehend für neue Produktionsan lagen genutzt werden und alle Mitarbeiter der Elektrolyse wurden innerhalb des Erftwerkes bzw. im Rheinwerk weiterbeschäftigt. In der Firmenzeitschrift ‚Vereint am Werk’ schrieb G. Deichgräber rückblickend: „Jeder der Anwesenden, der sich der Elektrolyse ge widmet hatte, hing seinen Gedanken nach, und trotz manchmal großer Belastungen während unserer Tätigkeit in dem Betrieb über kam uns ‚alte Kämpen’ ein Gefühl der Wehmut. [...] Wenn nun die Ab Sonderausgabe Spurensuche 2013 | StattBlatt | 31 Am Kittband © Erftwerk Archiv brucharbeiten in den Hallen beendet sind, werden nur noch Bilder, alte Betriebsberichte und auch Gespräche an die Zeiten erinnern, in denen hier ein Stück Geschichte der Aluminiumproduktion ge schrieben worden ist.“ Eine Anekdote aus dem Erftwerk-Archiv: Der freundlichste Mann des Elektrodenbetriebes Bei der Gründung des Erftwerkes wurde eine Ziegelei übernommen und auch weiter betrieben, um die Steine für den Bau des Werkes herzustellen. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges wurde die Ziege lei stillgelegt und diente dann als Lager für das Verpackungsmate rial der empfindlichen Kohlenstoffsteine. Eines schönen Tages brach ein Brand aus. Es war ein sehenswertes Schauspiel, als sich die alte ausgediente Ziegelei mit einem im posanten Feuer werk verabschiedete. In die sem Zusammenhang wurde von dem freund lichsten Mann ein Tele fongespräch mit seinem Betriebsleiter geführt: „Einen schönen guten Morgen, darf ich fragen, ob Sie gut geschlafen haben? Wie geht es der gnädigen Frau? Hat das Frühstück geschme ckt? Was machen Ihre lieben K inderchen? Nun, ja, das Wetter ist schön, die Kinderchen Pförtner Peter Mehlem mit Stechuhr beim nächtlichen Kontrollrundgang auf dem Erftwerkgelände (1950er) können sicher im Gar © Margaretha Antkowiak ten spielen. Ach, es ist ein herrlicher Tag heu te, das richtige Wetter zum Spazierengehen. Ich freue mich ja so, dass Sie sich wohlfühlen. – Übrigens, weshalb ich Sie anrufe: die Ziegelei steht in Flammen. Ihre Herren Meister würden es begrü ßen, wenn Sie trotz des schönen Wetters nach hier kommen könnten. Eine Empfehlung an die gnädige Frau und entschuldigen Sie bitte die Störung.“ 32 | StattBlatt | Sonderausgabe Spurensuche 2013 Zeitzeugen Heinz Füsser | Erinnerungen bewahren » „Wir brauchen in unserem Alter zwar nicht mehr zu denken, aber wir erinnern uns“, so Heinz Füsser, Jahrgang 1930 und ehe maliger Mitarbeiter des Erftwerks. 40 Jahre lang, von 1953 bis 1993, führte ihn sein täglicher Arbeitsweg zum Erftwerk. Zu nächst als Schlosser, der die Großanlagen des Erftwerks mitge baut hat, später dann als technischer Angestellter im Großbüro der Zentralwerkstatt. Mit 63 ging er in den wohlverdienten Ruhe stand, doch das Erftwerk ließ ihn nie so ganz los: „Kurz nachdem ich in Rente gegangen bin, kam man auf mich zu und fragte, ob ich mich nicht um das Archiv kümmern könnte.“ Über ein Jahr lang hat er sämtliche Fotos und alte Dokumente zusammengesucht, geordnet und nach etwa eineinhalb Jahren war das Erftwerk-Ar chiv aufgebaut: „Es wäre eine Schande, wenn das alles irgendwann einmal verloren ginge.“ Unzählige Fotos und alte Dokumente wie z.B. die einst vierteljähr lich erscheinende Firmenzeitschrift „Vereint am Werk“, die alle Mitarbeiter regelmäßig über das aktuelle Firmengeschehen in formierte, wurden aufbewahrt: „Man hat sich im Erftwerk nicht von diesem alten Archiv trennen können. Zunächst habe ich das Archiv in einem wunderschönen Raum eingerichtet, mit Glasvitri nen und so weiter.“ Das hauseigene Archiv wurde damals sogar im Rahmen einer kleinen Feier eröffnet, an der unter anderem auch die Werksleitung teilnahm. Als dann das Erftwerk auseinan Mitarbeiter Grippe-Schutzimpfung © Erftwerk Archiv ledergebundene Alben mit Fotoaufnahmen, angefangen beim er sten Spatenstich bis hin zum ersten Häuserbau der Erftwerk-Sied lung. Selbst die Gründungsurkunden aus dem Jahr 1916/17 sind noch vorhanden. Ebenso handschriftliche Briefe zwischen Gustav Lück und Hugo Stinnes in Sütterlin: „Das sind tolle Sachen! Sütterlin kann ich selbst noch lesen, denn ich muss te es bis zur vierten Klasse lernen. Aber nachfolgende Generati onen dürften damit ihre Probleme haben.“ Auch die eine oder andere Anekdote ist in den Chroniken des Erft werks zu finden. Die Geschichte einer Stadt geht gerade auch an den dort ansässigen Industrieunternehmen nicht spurlos vorbei. Das Erftwerk entstand im Laufe des ersten Welkkrieges und er lebte später auch den Zweiten Weltkrieg. Als es nach dem Krieg zur Remontage der Anlagen kam, haben manche Leute Kopf und Kragen riskiert. „Sie sagten sich, wir müssen die Anlagen der Ofenhalle zwar abbauen, aber diese seien schon so veraltet, dass man sie gar nicht mehr brauchen konnte. Also hat man sie unter Aufsicht des amerikanischen Militärs morgens abgebaut und auf Waggons verladen. Nach Feierabend um 17 Uhr wurden die Wag gons zum Bahnhof in Grevenbroich gefahren. Bei Nacht und Nebel hat man sie dann aber mit der eigenen Lok wieder zurück zum Erftwerk gefahren, die Kupferschienen wieder ausgeladen und in die Tieföfen eingemauert. Am anderen Morgen waren die Waggons natürlich wieder am Bahnhof in Grevenbroich und wurden ab transportiert, aber die Hälfte war nicht mehr beladen. Das ist alles in den Chroniken verzeichnet,“ berichtet Heinz Füsser. Die se und viele weitere Erinnerungen in Zusammenhang mit dem Erftwerk sollten auch in Zukunft sorgsam bewahrt werden. « Blick vom Koppersofen zur Vollrather Höhe © Erftwerk Archiv der gerissen wurde und man die Räumlichkeiten des Archivs an derweitig benötigte, hat man die ganze Sammlung in den Keller verfrachtet. „Später hat man mich erneut angerufen und gesagt, dass man das Archiv wieder irgendwo einrichten wolle.“ Und das hat man dann in einem Besprechungsraum des Werkes getan. Dort sind bis heute alle Unterlagen ordentlich in einem Sideboard untergebracht. „Ich denke es existieren etwa 15.000 bis 20.000 Fotos aus allen Betriebsabteilungen“, vermutet Heinz Füsser. Vier Vincenza Zambito | Die „Erftwerkfamilie“ » 1960 kam Salvatore Sciara, Vater von Vincenza Zambito, nach Grevenbroich und bekam eine Stelle beim Erftwerk. Fünf Jahre später holte er seine Familie in die Stadt und lebte mit ihnen auf dem Werksgelände – Vincenza war damals fünf Jahre alt. Die Fa Sonderausgabe Spurensuche 2013 | StattBlatt | 33 milien wohnten in der oberen Etage des Gebäudes, Männer unten. „Während die Väter im Erftwerk ihrer Arbeit nachgingen, haben wir Kinder alle gemeinsam gespielt“, erinnert sich Vincenza. Auf dem Gelände gab es eine große Wiese, auf der sich die Kleinen so richtig austoben konnten. Manche Kinder wohnten auch in den Baracken außerhalb des Geländes. Diese wollte man natürlich auch besuchen. „Wir sind dann am Tag mehrmals hin und her gelaufen und mussten dabei stets am Pförtnerhäuschen vorbei. Das hat die Pförtner natürlich manchmal verärgert und sie fragten uns, wann das endlich mal aufhört“, gesteht Vincenza kichernd. Ihr Vater arbeitete tagtäglich in der Ofenhalle, eine wahrlich an strengende Tätigkeit. Beklagt hat er sich nie und auch heute er innert er sich noch gerne an diese Zeit zurück: „Mein Vater hat sehr viel gearbeitet und konnte nie ‚nein’ sagen, wenn Hilfe be nötigt wurde. Sein Chef mochte ihn sehr und nannte ihn immer ‚den kleinen Italiener’ – wie in dem Schlager.“ Auf einer Betriebs feier ließ der Chef den Schlager sogar extra für Salvatore spielen. Vincenzas heutiger Ehemann hat zur damaligen Zeit übrigens ge meinsam mit ihrem Vater im Erftwerk gearbeitet, ebenso wie manch anderer Verwandter – eine richtige „Erftwerkfamilie“ also. Doch damit noch nicht genug, denn mit dem, was am 8. November 1966 geschah, hatte wohl niemand ernsthaft gerechnet: Vincenz as Mutter – damals hochschwanger – schaffte es zur Geburt nicht mehr rechtzeitig ins Krankenhaus: „So wurde meine kleine Schwester Catarina im Erftwerk geboren!“ Vater (l.) und heutiger Ehemann (r.) von Vincenza Zambito im Pausenraum, Mitte 70er Jahre © Vincenza Zambito Catarina Sciara wurde am 8.11.1966 im Erftwerk geboren © Vincenza Zambito Für die Mitarbeiter und deren Familien wurde in der Vergangenheit einiges auf die Beine gestellt: So manche Veranstaltung fand im Großen Saal statt, zum Beispiel die regelmäßigen Märchenauf führungen für die Kinder der Mitarbeiter. „Zur Weihnachtszeit ha ben wir immer große Nikolaustüten bekommen“, fügt Vincenza hinzu. Außerdem erinnert sie sich daran, dass auf dem Firmen gelände sogar einmal ein großes Festzelt aufgebaut und in gesel liger Runde gegrillt wurde. „Und in der Kantine des Erftwerks hat mein Vater immer Cola für eine meiner Schwestern gekauft – sie trinkt Cola bis heute für ihr Leben gern.“ Vincenza Zambito hat selbst lange Zeit und vor allem auch gerne im Erftwerk als Reinigungskraft gearbeitet: „Als ich später durch meine Arbeit die ehemaligen Wohnungen noch einmal gesehen habe, hatte sich kaum etwas verändert. Sogar die Tapeten waren gleich geblieben. Viele der ehemaligen Wohnräume sind heute über und über mit Aktenordnern bestückt.“ Leider musste sie die Stelle in ihrem einstigen Zuhause aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Was jedoch bleibt, sind unzählige schöne Erinnerungen: „Und immerhin arbeitet meine Schwester Josephina heute noch auf dem Firmengelände der heutigen Tokai Erftcarbon ...“ « Im Pausenraum, Mitte der 70er © Vincenza Zambito Wissenswertes Für einen Pförtner gehörten zur Nachtschicht selbstverständlich auch regelmäßige Kontrollgänge über das Werksgelände. An fest gelegten Punkten musste dabei die Stechuhr benutzt werden: Dies war nötig um sicherzustellen, dass der Rundgang auch tatsächlich vorschriftsmäßig durchgeführt wurde. Richtfest: Der Abschluss der Remontage wurde 1956 von der Be legschaft einfach und doch stilvoll in der Ofenhalle gefeiert. Für die Mitarbeiter gab es deftige Mettwürstchen mit Brot und zahlreiche Kästen Bier. Nicht ohne den heute drollig anmutenden Hinweis, wie es sich am besten aus der Flasche trinken lässt: „Die Luft seitwärts durch die Mundwinkel einsaugen, sonst geht’s schief.“ und Folien in zahlreichen Ausführungen. Sie stand dem Erftwerk von Beginn an sowohl räumlich als auch wirtschaftlich sehr nah. Für die kaufmännischen Angestellten beider Firmen wurde ein ge meinsames Verwaltungsgebäude errichtet. Zwischen 1919 und 1921 wurden auf der heutigen Wöhlerstraße, der Gustav-Lück-Straße und der Von-der-Porten-Straße insgesamt 31 Einfamilienhäuser für Meister, Beamte sowie Oberbeamte und 36 Mietwohnungen errichtet – die Erftwerk-Siedlung war entstan den. Mit bestem Dank an die folgenden Quellen: Lei, Dr. E. (Hrsg.): Festschrift aus Anlass der 10. Jahreshaupt versammlung der Industrievereinigung von Grevenbroich und Umgebung e.V. (1958), Gunia, Edgar: Die Stadt 1922 wurde die Rheinische Blattmetall AG (Rebag) gegründet, die 1934 in den Besitz der VAW überging. Die Rebag produzierte Bänder Grevenbroich. Eine wirtschaftsgeographische Untersuchung. (1959), Tokai Erftcarbon, Margaretha Antkowiak, Maria Franzen, Heinz Füsser, Manfred Ganschinietz, Thomas Marx und Vincenza Zambito.