Versetzung (wirksame) ? Kündigung bei Nichtantritt des neuen

Transcrição

Versetzung (wirksame) ? Kündigung bei Nichtantritt des neuen
This page was exported from - Rechtsanwälte Kotz
Export date: Fri Jan 20 19:07:30 2017 / +0000 GMT
Versetzung (wirksame) ? Kündigung bei Nichtantritt des neuen Arbeitsplatzes
Arbeitsgericht Frankfurt am Main Az.: 4 Ca 4737/01 Urteil vom 11.12.2001
In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 4 auf die mündliche Verhandlung vom 11.12.2001 für Recht
erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Schreiben der Beklagten
vom 31. Mai 2001 erklärte Kündigung aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 7.050,97 (i.W.: siebentausendfünfzig 97/100 Deutsche Mark) brutto nebst 5 %
Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 Diskont-Überleitungs-Gesetz auf DM 1.590,97 (i.W.:
eintausendfünfhundertsiebenundneunzig 97/100 Deutsche Mark) seit dem 02. Juni 2001, auf weitere DM 2.740,00 (i.W.:
zweitausendsiebenhundertvierzig Deutsche Mark) seitdem 03. Juli 2001 auf weitere DM 2.740,00 (i.W.:
zweitausendsiebenhundertvierzig Deutsche Mark) seit dem 02. August 2001 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt 85 % und der Kläger 15 % der Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 22.880,65 festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und über
Vergütungsansprüche.
Der zur Zeit der Klageerhebung 42jährige Kläger, welcher verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig ist, ist bei der
Beklagten mit Arbeitsvertrag vom 10.02.1988 seit dem 01.03.1988 als Bellboy beschäftigt. Er verdiente zuletzt DM 2.600,-- brutto
zuzüglich von Trinkgeldern, deren Höhe zwischen den Parteien streitig ist.
Im Arbeitsvertrag heißt es in § 1 u. A. (vgl. Bl. 4 d. A.):
"Die Anstellung erfolgt ab 01.03.1988 als Bellboy. ...
Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit
innerhalb des Unternehmens zuzuweisen, ohne dass dieser Vertrag im Übrigen hiervon berührt wird."
Wegen des gesamten Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 4 - 5 d. A. Bezug genommen.
Bereits mit Schreiben vom 20.02.01 und vom 07.03.01 hatte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis
änderungsgekündigt. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage hat die Beklagte am 10.04.01 anerkannt, weshalb am 10.04.01
Anerkenntnisurteil erging (vgl. Arbeitsgericht Frankfurt Az. 4 Ca 1837/01).
Mit Schreiben vom 11.04.01 teilte die Beklagte dem Kläger u. a. folgendes mit (vgl. Bl. 11 d. A.):
"Sehr geehrter Herr ?,
in dem Termin vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am 10.04.2001, bei dem Sie selbst anwesend waren, haben wir anerkannt, dass die
von uns ausgesprochenen Änderungskündigungen unwirksam sind. ... Gleichzeitig haben wir erklärt, dass wir Sie künftig nicht mehr
als Bellboy, sondern als Spüler einsetzen werden. Wir beziehen uns insoweit auf § 1 Abs. 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages,
wonach wir Ihnen eine andere, Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Arbeit innerhalb des Unternehmens zuweisen
können, ohne dass der Vertrag im Übrigen hiervon berührt wird. Wir werden Ihnen die gleiche Vergütung wie bisher zahlen und
dabei das Trinkgeld, das künftig nicht mehr anfällt, insoweit ersetzen, als Sie dies bisher uns gegenüber zur Ermittlung der Steuerund Sozialabgabenlast angegeben haben. ...
Wir bitten Sie, unverzüglich den Dienst aufzunehmen und sich im Personalbüro ... für die konkrete Arbeitsplatzzuweisung als Spüler
zu melden.
?
Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass Sie, wenn Sie nicht unverzüglich den Dienst antreten ..., unentschuldigt fehlen mit der
Maßgabe, dass ... auch die Möglichkeit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen unentschuldigten Fehlens nicht
ausgeschlossen werden kann."
Mit Schreiben vom 19.04.01, wegen dessen Inhalt auf Bl. 27 d. A. Bezug genommen wird, teilte die Beklagte dem bei ihr
bestehenden Betriebsrat mit, dass sie dem Kläger die Tätigkeit als Spüler zuweisen wolle und diese Beschäftigung als vorläufige
personelle Maßnahme vorgenommen werden solle. Am 03.05.2001 nahm der Betriebsrat davon Kenntnis.
Mit Schreiben vom 10.05.01 (vgl. Bl. 12 d. A.) teilte der Prozessvertreter des Klägers mit, dass dieser ab dem 14.05.01 arbeitsfähig
sei und den zugewiesenen neuen Arbeitsplatz nicht akzeptiere, sondern seine Arbeitsleistung unverändert als Bellboy anbiete. Mit
Output as PDF file has been powered by [ Universal Post Manager ] plugin from www.ProfProjects.com
| Page 1/3 |
This page was exported from - Rechtsanwälte Kotz
Export date: Fri Jan 20 19:07:30 2017 / +0000 GMT
Schreiben vom 15.05.01 setzte die Beklagte dem Kläger eine Frist bis zum 23.05.01, die Tätigkeit als Spüler aufzunehmen und
drohte im Falle der Weigerung die Kündigung des Arbeitsverhältnisses an (vgl. Bl. 13 d. A.). Der Kläger nahm die Tätigkeit als
Spüler nicht auf.
Mit Schreiben vom 31.05.01, dem Kläger zugegangen am 01.06.01, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende
Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.11.01 (vgl. Bl. 6d. A.).
Mit am 22.06.01 bei Gericht eingegangener Klageschrift hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und den Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Mit Klageerweiterung vom 01.08.01 hat der Kläger Vergütungsansprüche eingeklagt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei rechtswidrig, da die Versetzung vom 11.04.01 mangels Beteiligung des Betriebsrats
unwirksam sei. Die Versetzung entspreche auch nicht billigem Ermessen, zumal sich die Tätigkeit des Klägers über einen Zeitraum
von 13 Jahren auf die Tätigkeit des Bellboys konkretisiert habe, der Arbeitsplatz als Spüler auch geringwertiger und von daher eine
Umsetzung des Klägers nur durch Änderungskündigung möglich sei.
Der Kläger behauptet, im Durchschnitt monatlich als Bellboy DM 1.500,-- an Trinkgeldern erhalten zu haben. Er ist der Ansicht,
dass ihm der anteilige Lohn für den Monat Mai 2001 sowie die Löhne für die Monate Juni und Juli 01 auf der Basis einer
monatlichen Bruttovergütung einschließlich der Trinkgelder in Höhe von DM 4.100,-zustehe.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Schreiben der Beklagten vom
31.05.2001 erklärte Kündigung aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern dass es über den
30.11.2001 hinaus unverändert fortbesteht;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 10.580,65 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1
Diskont-Überleitungs-Gesetz auf DM 2.385,65 seit dem 02.06.2001, auf weitere DM 2.400,-- seit dem 03.07.2001 und auf weitere
DM 4.100,-- seit dem 02.08.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Versetzung des Klägers vom Bellboy zum Spüler sei von ihrem vertraglich vorbehaltenen
Direktionsrecht gedeckt, zumal die vom Kläger ihr gegenüber angegebene durchschnittliche Höhe des monatlichen Trinkgeldes von
DM 140,-- weiter gezahlt werde. Die Beklagte ist der Ansicht, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Versetzung des
Klägers sei gewahrt worden, da die Tätigkeitsanordnung erst umgesetzt worden sei, nachdem das Mitbestimmungsverfahren beendet
worden sei.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf
die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zum Teil begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 31.05.01 nicht beendet worden.
Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung u. a. dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten
des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. In der Regel ist bei einer verhaltensbedingten Kündigung eine vorherige, einschlägige
Abmahnung erforderlich. Vor diesem Hintergrund gilt grundsätzlich, dass der Arbeitgeber nach einer entsprechenden Abmahnung
zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung berechtigt ist, wenn er einem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz wirksam
zuweist und der Arbeitnehmer sich weigert, die Arbeit auf diesem Arbeitsplatz anzutreten. Die Versetzung muss sowohl
individualrechtlich wirksam, d. h. vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sein; sie muss darüber hinaus nach der umstrittenen - Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch kollektivrechtlich ordnungsgemäß vorbereitet worden sein. Die
Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens gemäß §§ 99, 100 BetrVG ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die individualrechtlich
auszusprechende Versetzung (BAG 26.01.1988 DB 1988, 1167; BAG 30.09.1993 DB 1994,637).
Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 11.04.2001 von der Position des Bellboys auf die Position des Spülers versetzt. Das
Schreiben vom 11.04.01 ist nicht etwa nur die Ankündigung einer Versetzung, sondern die Versetzungsanordnung selbst. Der
Kläger wird angewiesen, den Dienst und zwar als Spüler unverzüglich aufzunehmen und sich im Personalbüro zu melden, damit ihm
der konkrete Arbeitsplatz zugewiesen werden kann. Für den Fall, dass er den Dienst nicht unverzüglich antreten wird, wird dem
Kläger die Möglichkeit einer Kündigung angedroht. Damit hat die Beklagte den Kläger bereits zu einem Zeitpunkt versetzt, als der
Betriebsrat noch nicht beteiligt worden war. Das gilt unabhängig davon, dass der Kläger bis zum 13.05.01 arbeitsunfähig erkrankt
war und deshalb seine Arbeit nicht aufnehmen konnte. Eine Versetzungsanordnung setzt nicht voraus, dass ein Arbeitnehmer
Output as PDF file has been powered by [ Universal Post Manager ] plugin from www.ProfProjects.com
| Page 2/3 |
This page was exported from - Rechtsanwälte Kotz
Export date: Fri Jan 20 19:07:30 2017 / +0000 GMT
arbeitsfähig ist. Sie wird auch nicht etwa erst mit der Genesung des Arbeitnehmers wirksam. Mit dem Schreiben vom 19.04.01
konnte die Beklagte die mitbestimmungswidrig durchgeführte Versetzung nicht mehr heilen, denn der Betriebsrat ist nicht nach
einer Versetzung, sondern vor dieser Maßnahme gemäß §§ 99, 100 BetrVG zu beteiligen. Ggf. muss ein Arbeitgeber, der eine
Versetzung ohne Einhaltung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bereits vorgenommen hat, diese Maßnahme gegenüber dem
Arbeitnehmer rückgängig machen und sodann das Mitbestimmungsverfahren einleiten. Das ist nicht geschehen.
Da die Beklagte den Kläger nicht wirksam versetzt hat, konnte sie ihn nicht rechtmäßig anweisen, seine Arbeit als Spüler
aufzunehmen. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Weigerung des Klägers kommt daher nicht in Betracht.
Auch der allgemeine Feststellungsantrag ist begründet. Es besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, da die Beklagte das
Arbeitsverhältnis des Klägers bereits mehrfach gekündigt hat und nicht auszuschließen ist, dass noch weitere Kündigungen
ausgesprochen werden.
Dem Kläger steht die Vergütung für die Monate Mai (anteilig) bis Juli 01 in der zugesprochenen Höhe zu. Zwar behauptet der
Kläger, monatlich im Durchschnitt DM 1.500,-- an Trinkgeldern eingenommen zu haben. Für diese Behauptung hat der Kläger - von
der strafrechtlichen Relevanz dieser Behauptung abgesehen, auf welche die Beklagte hingewiesen hat - keine näheren Tatsachen
behauptet und vor allem keinen Beweis angetreten. Das Gericht ist daher von einer monatlichen durchschnittlichen Bruttovergütung
in Höhe von DM 2.600,-- zuzüglich DM 140,- Trinkgeld ausgegangen. Die Vergütung steht dem Kläger aus dem Gesichtspunkt des
Annahmeverzuges zu, §§ 615, 293 ff. BGB.
Zinsen stehen dem Kläger gemäß §§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB zu.
Die Kosten tragen die Parteien anteilig entsprechend dem Maße ihres Obsiegens bzw. Unterliegens gemäß § 92 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 12 Abs. 7 ArbGG, § 3 ZPO.
Output as PDF file has been powered by [ Universal Post Manager ] plugin from www.ProfProjects.com
| Page 3/3 |