Mit Elektronen und Ionen ins Gehirn schauen - Max-Planck

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Mit Elektronen und Ionen ins Gehirn schauen - Max-Planck
Nr. 162, 7. Oktober 2015
Mit Elektronen und Ionen ins Gehirn schauen
Erstmals am Standort Göttingen: Hochauflösende 3D-Elektronenmikroskopie
für die Neurowissenschaften
(cnmpb/umg/mpiem) 3D-Blick ins Gehirn für die Neurowissenschaften am Forschungsstandort Göttingen Campus: Das Göttinger Exzellenzcluster und DFGForschungszentrum für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie
des Gehirns (CNMPB) der Universitätsmedizin Göttingen haben gemeinsam mit
dem Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin ein Rasterelektronenmikroskop
mit fokussiertem Ionenstrahl in Betrieb genommen. Das hochmoderne Zeiss
Crossbeam 540 Mikroskop verbindet zwei Techniken zur Aufnahme hochauflösender Bilder: die Rasterelektronenmikroskopie und eine Ionenfeinstrahlanlage zur
Oberflächenanalyse und -verarbeitung. Die Kombination beider Verfahren ermöglicht
die dreidimensionale Darstellung kleinster Strukturen bis hin zu Vesikeln innerhalb
einer Synapse in hoher Auflösung. Mit dem neuen Gerät lassen sich jetzt am Forschungsstandort Göttingen auch neurowissenschaftliche Fragestellungen klären, die
eine solche Rekonstruktion kleinster Strukturen erfordern. Finanziert wurde das
Abbild einer in Plastik eingebetteten
Probe aus dem Hirnstamm der Maus.
Zu erkennen sind die Myelinscheiden
großer Nervenfasern, eine Synapse
und ein Teil eines Blutgefäßes. Das
Bild wurde erzeugt mit Hilfe der von
der Probe rückgestreuten Elektronen
aus dem Elektronenstrahl. Foto:
möbius/mpi-em
hochmoderne Mikroskop aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG).
„Die Technik wurde bisher vor allem in der Materialphysik verwendet. Nun kann sie
erstmals auch am Standort Göttingen im Bereich der biomedizinischen Forschung
eingesetzt werden“, sagt Dr. Wiebke Möbius vom Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin in Göttingen und Leiterin der Technologie-Plattform Elektronenmikroskopie des CNMPB.
Der Auflösungsbereich des neuen Gerätes erstreckt sich von der räumlichen Abbil-
Dr. Wiebke Möbius, Max-PlanckInstitut für Experimentelle Medizin
Göttingen und Leiterin der Technologie-Plattform Elektronenmikroskopie
des CNMPB. Foto: privat
dung größerer Zusammenhänge, wie lokaler neuronaler Netze oder Einheiten aus
Myelinscheiden und Nervenfasern, bis hin zu kleinen Details, wie der Verteilung von
Vesikeln innerhalb einer Synapse. Damit werden die technischen Abbildungsmöglichkeiten des CNMPB um eine dreidimensionale Strukturabbildung in hoher Auflösung ergänzt und erweitert. Das Forschungszentrum verfügte bereits mit der STED
Mikroskopie von Nobelpreisträger Prof. Dr. Stefan W. Hell über eine preisgekrönte
hochauflösende Lichtmikroskopie.
DAS VERFAHREN: 3D-ELEKTRONENMIKROSKOPIE
Um eine dreidimensionale Abbildung kleinster Strukturen zu erreichen, müssen Ansichten feinster Schichten einer Gewebeprobe abgebildet und die Bildinformationen
Mit Hilfe des Ionenstrahls wurden die
Logos des CNMPBs und des MaxPlanck-Instituts für Experimentelle
Medizin in ein Deckgläschen mit
Zellrasen geschnitzt. Foto: Möbius/mpi-em
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anschließend die einem dreidimensionalen Struktur rekonstruiert werden. Mittels
Rasterelektronenmikroskopie wird dafür zunächst ein Elektronenstrahl über die
Oberfläche eines Objekts geführt (gerastert), um ein Abbild der Oberfläche zu erzeugen. Anschließend kommt ein Ionenstrahl aus Gallium-Ionen zum Einsatz. Mit
ihm lässt sich ein Objekt wie ein Werkstück mit einem sehr feinen Skalpell bearbeiten. Durch die Kombination beider Techniken wird nach jedem Bearbeitungsschritt
Oberflächenmaterial abgetragen und das Objekt erneut erfasst. Auf diese Weise
können dreidimensionale Detailbilder rekonstruiert und zu einem komplexen Abbild
in hoher Auflösung zusammengefasst werden.
TECHNISCHE DETAILS ZUM VERFAHREN
Damit das Abtragen feinster Schichten von den Gewebeproben gelingt, wird das
Gewebe zunächst mit Schwermetallen imprägniert („Kontrastierung“) und in Plastik
eingebettet. Im Elektronenmikroskop muss dann mit dem fokussierten Ionenstrahl
eine glatte Front in den Gewebeblock geschnitten werden. Von dieser glatten Oberfläche, das sogenannte „block-face“, lässt sich durch Scannen mit dem Elektronenstrahl ein Abbild der eingeschlossenen Strukturen in einer Fläche von ungefähr 20
µm mal 20 µm erstellen.
Die Zellstrukturen werden sichtbar, weil sich unterschiedlich viel Schwermetall im
Gewebe einlagert. So entsteht ein Bild aus Hell-Dunkel-Kontrasten, wenn der Elektronenstrahl gestreut wird. Ist ein Bild erzeugt, wird mit dem Ionenstrahl eine dünne
Schicht vom Gewebeblock abgetragen und ein weiteres Bild des darunter liegenden
Gewebeabschnitts erzeugt. Durch kontinuierliche Wiederholung dieses Vorgangs
(„serial block-face imaging“) entsteht über viele Stunden eine Serie von Bildern. Auf
deren Grundlage kann anschließend am Computer eine dreidimensionale Rekonstruktion der Gewebeprobe erzeugt werden. Die Besonderheit der Ionenstrahlbasierten Technik besteht darin, dass vom Gewebeblock Material in unvorstellbar
kleinen Schritten von nur 5 nm abgetragen werden kann. Dies entspricht gerade mal
5 Millionstel Millimetern und ermöglicht damit eine hohe räumliche Auflösung kleinster Strukturen.
KONTAKT:
Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin
Hermann-Rein-Str. 3, 37075 Göttingen
Elektronenmikroskopie, Neurogenetik
CNMPB – Zentrum für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie
des Gehirns Exzellenzcluster 171 – DFG-Forschungszentrum 103
Dr. Wiebke Möbius, [email protected]
Telefon 0551 / 38 99 736
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WEITERE INFORMATIONEN:
CNMPB – Zentrum für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie
des Gehirns Exzellenzcluster 171 – DFG-Forschungszentrum 103
Dr. Heike Conrad, Telefon 0551 / 39-7065
Humboldtallee 23, 37073 Göttingen
[email protected]
www.cnmpb.de
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