Vorfälligkeitsentschädigung verträgt keine Beschädigung
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Vorfälligkeitsentschädigung verträgt keine Beschädigung
EU-Monitor 36 Finanzmarkt Spezial 15. Mai 2006 Vorfälligkeitsentschädigung verträgt keine Beschädigung Der europäische Markt für Hypothekarkredite soll besser integriert werden. Aufbauend auf der Arbeit von Expertengruppen will die EU-Kommission dazu Anfang 2007 ein Weißbuch mit entsprechenden Vorschlägen veröffentlichen. Brüssel hat dabei unter anderem die national unterschiedliche Regelung der vorzeitigen Kündbarkeit von Festzinskrediten im Auge. Hier drohen Eingriffe in die Vertragsfreiheit, die nicht nur volkswirtschaftlich schädlich sind, sondern auch den Interessen der Verbraucher zuwider laufen. Derzeit können Banken und Kreditnehmer die vorzeitige Kündbarkeit eines Festzinskredites vertraglich ausschließen. Die Bank ist dann nur unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, eine Kündigung des Kredites durch den Kreditnehmer zu akzeptieren, und erhält in diesem Fall die so genannte Vorfälligkeitsentschädigung. Festzinskredite sind bei den Verbrauchern sehr beliebt, weil sie ihnen die langfristige Planbarkeit ihrer Zins- und Tilgungszahlungen ermöglichen. Der Ausschluss der vorzeitigen Kündbarkeit macht den Banken das Zins- risikomanagement einfacher und erlaubt so eine günstige Refinanzierung. Diesen Vorteil geben die Banken an ihre Kunden weiter, was die Beliebtheit der Festzinskredite weiter steigert. Die vorzeitige Kündbarkeit von Festzinskrediten ist eine Option, die bei den Banken Kosten verursacht. Diese Kosten müssten sie bei der Zins- kalkulation berücksichtigen: Die Kredite würden teurer. Somit hätten alle Kreditnehmer von Festzinskrediten für ein Recht zu bezahlen, das nur wenige in Anspruch nehmen möchten. Darunter hätten nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Popularität von Festzinskrediten zu leiden. Letzteres wäre mit negativen Auswirkungen auf die Stabilitätsorientierung des deutschen Finanzsystems verbunden. Autor Stefan Schäfer +49 69 910-31832 [email protected] Editor Bernhard Speyer Publikationsassistenz Sabine Kaiser Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland Internet: www.dbresearch.de E-Mail: [email protected] Fax: +49 69 910-31877 DB Research Management Norbert Walter Gravierende Veränderungen im Aktivgeschäft wirken sich unweigerlich auf die Refinanzierung der Banken aus. Ein Beispiel dafür ist das Pfandbriefsegment. Es müsste im Extremfall erheblich modifiziert werden. Statt direkt in die Produktmärkte einzugreifen, sollte die Kommission eine von den Marktkräften getriebene Integration des Marktes erleichtern. Hierzu sind insbesondere Maßnahmen im Bereich der Sekundärmärk- te geeignet. EU-Monitor 36 2 15. Mai 2006 Vorfälligkeitsentschädigung Einleitung EU will Hypothekarkreditmärkte integrieren Der Markt für Hypothekarkredite in Europa soll besser integriert werden. Die Europäische Kommission hat dies zu einem der Schwerpunkte ihrer Tätigkeit im Bereich der Finanzmarktpolitik in den Jahren 2005-10 erklärt. Möglichst viele EU-Bürger sollen kostengünstig Zugang zu einer breiten Palette von Hypothekenkrediten und ergänzenden Dienstleistungen erhalten; letztere sollen die Anbieter – Banken und andere Finanzdienstleistungsunternehmen – grenzüberschreitend vertreiben können. Die nationale Fragmentierung des europäischen Hypothekenkreditmarktes verhindert dies zurzeit noch. Die Folge: Den Finanzdienstleistern entgehen Größenund Verbundvorteile, den (potentiellen) Kreditnehmern der Zugriff auf eine breitere Produktpalette und der europäischen Volkswirtschaft insgesamt eine verbesserte Allokation des Faktors Kapital und damit höhere Wachstumsraten. Weißbuch soll Anfang 2007 erscheinen Um diese Situation zu verbessern, soll Anfang 2007 ein Weißbuch mit den geplanten regulatorischen Maßnahmen erscheinen. Welche Stoßrichtung diese haben sollen, ist unter den Beteiligten – Kreditwirtschaft, nationale Regierungen, Verbraucherschützer, EUKommission und Europäisches Parlament – derzeit noch umstritten. Die Kommission selbst hat ihr Grünbuch vom Juni 2005 in vier Themenbereiche – Verbraucherschutz, rechtliche Fragen, Sicherheiten, Refinanzierung – untergliedert. Dabei räumt sie der Refinanzierung am wenigsten und dem Verbraucherschutz am meisten Raum ein. Vorzeitige Kündbarkeit von Festzinskrediten eines der Themen Vorfälligkeitsentschädigung erleichtert Zinsrisikomanagement der Banken Innerhalb des Bereiches Verbraucherschutz hat die Kommission unter anderem die europaweit unterschiedlichen Regelungen der Möglichkeit, Festzinskredite zu kündigen, im Auge. Ob diese Gegenstand gesetzlicher Regelungen oder der Vertragsfreiheit sein sollen, will die Kommission im Laufe des Jahres ebenso entscheiden wie die Frage, ob die Banken Vorfälligkeitsentschädigungen – möglicherweise mit einer gesetzlichen Obergrenze – erheben dürfen. Mit der Vorfälligkeitsentschädigung (bzw. dem Vorfälligkeitsentgelt) schützen sich Banken vor dem Zinsausfallschaden. Dieser entsteht, wenn der aktuelle Zinssatz für Neuausleihungen zum Zeitpunkt der Kündigung eines Festzinskredites unter dem vertraglich vereinbarten Zinssatz des soeben gekündigten Festzinskredites liegt. Ohne Vorfälligkeitsentschädigung würde die Bank bei einer kongruenten Refinanzierung des ursprünglichen Kredites daher für die restliche Zinsbindung bei Neuausleihung eine Minder- oder Negativmarge in Kauf nehmen müssen. Um dieses Risiko zu minimieren, müssten bei der Refinanzierung Erwartungen bezüglich des zukünftigen Kundenverhaltens und zukünftiger Marktveränderungen berücksichtigt werden. Dadurch wird die Aufgabe des Zinsrisikomanagements erschwert, die Zinsrisikoposition der Bank zu steuern. Die Vorfälligkeitsentschädigung hingegen deckt einen potentiellen Verlust der Neuausleihe und ermöglicht den Banken durch kongruente Refinanzierung ihre Zinsrisikoposition zu schließen. Der vorliegende Beitrag untersucht vor diesem Hintergrund, welche Konsequenzen entsprechende regulatorische Maßnahmen für das Hypothekarkreditgeschäft in Deutschland hätten. 15. Mai 2006 3 EU-Monitor 36 Die europäischen Systeme der Immobilienfinanzierung im Überblick Der europäische Markt ist national fragmentiert Nachfrage- und Angebotsbedingungen erschweren europäische Integration Die Vergabe von Hypothekenkrediten ist in Europa bisher ein überwiegend nationales Geschäft. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Für viele Haushalte stellt der Kauf einer Immobilie – und damit die Aufnahme eines Hypothekarkredites – die quantitativ bedeutsamste und am längsten nachwirkende Ausgabenentscheidung überhaupt dar. Dem Vertrauen des Kunden in das finanzierende Kreditinstitut kommt daher in diesem Geschäftsfeld eine besonders hohe Bedeutung zu. Auf Anbieterseite sind eine gute Kenntnis des jeweiligen regionalen Immobilienmarktes sowie eine hohe Analysefähigkeit hinsichtlich der Rückzahlungsfähigkeit der Kreditnehmer entscheidend. Schließlich wirken sich unterschiedliche nationale Traditionen in der Finanzwirtschaft auf die Immobilienfinanzierung und vor allem die Refinanzierung der Hypothekarkredite aus. Hier kommt zum Beispiel die besondere Entwicklung des angelsächsischen Finanzsystems ebenso zum Tragen wie die mehr als zweihundertjährige Geschichte des Pfandbriefes in Deutschland. Teilweise stark divergierende rechtliche Rahmenbedingungen gehen damit einher. Vertragliche Regelungen und rechtliche Rahmenbedingungen unterscheiden sich von Land zu Land Die nationalen Besonderheiten der Immobilienfinanzierung lassen sich in zwei Kategorien einteilen: die vorherrschenden vertraglichen Regelungen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen, wobei zwischen Letzteren und Ersteren vielfältige Wechselwirkungen existieren. Beide erstrecken sich auf eine Vielzahl von Einzelfragen – von der Beleihungsgrenze über die Sicherheiten bis hin zum Verfahren der Wertermittlung, um nur einige zu nennen. Die Vertragspartner vereinbaren die Dauer der Zinsbindung Es gibt drei Varianten der Zinsbindung Wichtigster Bestandteil eines Hypothekarkreditvertrages ist neben der Höhe des Zinssatzes die Länge der Zinsbindungsfrist. Hier sind grundsätzlich drei Varianten denkbar: Die Vertragsparteien können entweder einen variablen oder einen für eine bestimmte Periode, zum Beispiel fünf oder zehn Jahre, festen Zinssatz vereinbaren. Der Festzinskredit wiederum kann zwei Erscheinungsformen aufweisen: Er kann entweder die Möglichkeit der vorzeitigen Kündbarkeit des Darlehensvertrages enthalten oder nicht. Davon unberührt können die Vertragsparteien außerordentliche Tilgungsmöglichkeiten vereinbaren – zum Beispiel bis zu einem bestimmten Prozentsatz der Kreditsumme pro Jahr. Auf diese Möglichkeit wird im Folgenden nur am Rande eingegangen. Stattdessen fokussieren wir die Dichotomie zwischen kündbaren und unkündbaren Verträgen bei Festzinskrediten. Vorzeitige Kündbarkeit unterliegt regulatorischen Vorgaben Risikoneigung und Zinsänderungserwartungen bestimmen Präferenz für fixe bzw. variable Zinsen 4 Die Entscheidung auf der ersten Stufe, also zwischen variabler und fester Verzinsung, resultiert aus der Risikoneigung und den Zinsänderungserwartungen der beiden Vertragsparteien. Makroökonomische Rahmenbedingungen wie die Höhe und v.a. die Variabilität der Inflation spielen dabei eine wichtige Rolle als Bestimmungsfaktoren. Dagegen determinieren in erster Linie regulatorische Bestim15. Mai 2006 Vorfälligkeitsentschädigung Refinanzierung von Hypothekarkrediten in Dänemark Die in Dänemark übliche Form der Refinanzierung von Immobilienkrediten ist einzigartig. Jeder einzelne Hypothekarkredit wird als gedeckte Anleihe am Kapitalmarkt platziert. Hypothekarkredit und Anleihe sind bezüglich Restlaufzeit und Verzinsung gleich konstruiert. Dabei gibt es zwei Varianten, nämlich kündbare und nicht kündbare Anleihen. Bei keiner der beiden Varianten verbleibt das Vorfälligkeitsrisiko beim Kreditgeber. Im ersten Fall hat der Hypothekarkreditnehmer (und Anleiheschuldner) das Recht, die Anleihe vorzeitig zu kündigen und jederzeit zum Nennwert zurückzuzahlen. Für dieses Recht muss er allerdings einen Renditeaufschlag in Kauf nehmen, der den Anleihegläubiger für die volle Übernahme des Vorfälligkeitsrisikos entschädigt. Der Renditeaufschlag hat in der Vergangenheit 20 bis 80 Basispunkte betragen und liegt aktuell bei etwa 30 Basispunkten [Vgl. Danske Bank (2006)]. Im zweiten Fall (siehe Abbildung) können die Kreditnehmer ihren Hypothekarkredit faktisch kündigen, indem sie die entsprechende Anleihe zum Marktpreis zurückkaufen. Dies ist jederzeit ohne Einschränkungen möglich. Der Marktpreis der Anleihen hängt negativ vom Zinsniveau ab. Bei fallenden Zinsen steigt und bei steigenden Zinsen fällt er. Somit beinhaltet das dänische System eine gleichsam automatische Vorfälligkeitsentschädigung, die auch negativ, also zugunsten des Kreditnehmers, ausfallen kann. Kauft der Kreditnehmer die Anleihe bei sinkenden Zinsen zurück, muss er zwar einen Preis zahlen, der über dem Nominalwert liegt, kann ein alternatives Darlehen aber zu niedrigeren Zinsen aufnehmen. Kauft er die Anleihe bei steigenden Zinsen zurück, kann er einen Kursgewinn realisieren, muss ein möglicherweise notwendiges alternatives Darlehen aber zu höheren Zinsen aufnehmen. mungen und die Charakteristika der jeweiligen Finanzmärkte die Verfügbarkeit von Festzinskrediten, die vorzeitig kündbar sind, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten ist. Auch die Höhe der Vorfälligkeitsentgelte unterliegt sowohl regulatorischen als auch ökonomischen Einflussfaktoren. Tabelle 2 auf der folgenden Seite gibt einen repräsentativen Überblick über unterschiedliche Systeme der Immobilienfinanzierung in Europa bzw. den USA. Zu den Ländern, in denen Festzinskredite überwiegen (F), zählen Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, die Niederlande und die USA. In Griechenland, Spanien, Italien, Finnland und Großbritannien herrschen variabel verzinste Hypothekendarlehen vor (V). Als Festzinskredite werden hier Kredite mit einer Zinsbindungsfrist von mindestens fünf Jahren betrachtet. Kredite mit kürzerer Zinsbindung gelten als variabel verzinst. Die Kreditnehmer haben in allen betrachteten Ländern die Möglichkeit, Festzinskredite vorzeitig – also vor Ablauf der Zinsbindungsfrist – ganz oder teilweise zurückzuzahlen. In welchem Umfang sie dafür jedoch eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssen, hängt einerseits von den regulatorischen Vorgaben und andererseits von der jeweiligen Form der Refinanzierung des Kreditgeschäftes ab. Unterschiedliche Beschränkungen der Vorfälligkeitsentgelte Staatliche Stellen setzen mit ihren regulatorischen Vorgaben unterschiedliche Hebel ein, um die Erhebung von Vorfälligkeitsentschädigungen in die jeweils gewünschte politische Richtung zu beeinflussen. Teilweise basieren die Regelungen auch auf freiwilliger Selbstverpflichtung der Banken oder auf formell unverbindlichen Vorgaben von Ministerien, die aber weitgehend eingehalten werden. Die wesentlichen Varianten der Regulierung sind: — Festlegung einer Höchstgrenze (definiert in Prozent der ausstehenden Kreditsumme oder als eine bestimmte Zahl von monatlichen Zinszahlungen); — Festlegung von Fällen, in denen keine Vorfälligkeitsentschädigung erhoben werden darf, z.B. bei besonderen Umständen (Tod, Arbeitslosigkeit, Umzug), bei Rückzahlung bis zu einer gewissen Höchstgrenze (zum Beispiel bis zu 10% der Kreditsumme) oder bei Überschreiten einer bestimmten zeitlichen Grenze (zum Beispiel die ersten zehn Jahre der Laufzeit); — Definition des Schadens, für den eine Entschädigung verlangt werden darf, sowie des Berechnungsverfahrens. Regelungen dieser Art gibt es in allen Ländern, in denen Banken Vorfälligkeitsentgelte erheben. Marktwert der gedeckten Anleihe (Ursprung = pari) Abweichung des Zinsniveaus vom vertraglich vereinbarten Zinssatz Refinanzierung macht USA und Dänemark zu Sonderfällen 1 Gegenüber den Ländern mit mehr oder weniger weitgehender Regulierung der vorzeitigen Kündigung von Festzinskrediten stellen die USA und Dänemark Sonderfälle dar. Dort ist die entschädigungsfreie Rückzahlung von Festzinskrediten möglich, ohne dass es staatlicher Eingriffe bedarf. Ursache dafür ist die jeweilige Form der Refinanzierung von Hypothekenkrediten. Die Banken in den USA verbriefen einen Großteil der Hypothekenkredite als Residential Mortgage Backed Securities (RMBS) und übertragen so das Kreditrisiko auf Kapitalmarktinvestoren. Unter bestimmten Bedingungen (siehe Box „Refinanzierung von Hypothekenkrediten in den USA“ auf S. 11) können letztere auch die Vorfälligkeitsrisiken erwerben. Demgegenüber ist der dänische Ansatz, Immobilienkredite zu refinanzieren, weltweit einzigartig. Die Box auf 15. Mai 2006 5 EU-Monitor 36 Seite 5 stellt ihn ausführlich dar. In beiden Ländern erklärt die vorherrschende Form der Refinanzierung, warum die Banken jederzeit kündbare Festzinskredite anbieten können, ohne dass Vorfälligkeitsentgelte verlangt werden. Umgekehrt ergibt sich die ökonomische Ratio der Vorfälligkeitsentschädigung aus den Refinanzierungsstrukturen in denjenigen Ländern, in denen sie erhoben wird. Land F/V Regelung der vorzeitigen Kündbarkeit Belgien F Vorfälligkeitsentschädigung darf die Höhe von drei monatlichen Zinszahlungen nicht überschreiten. Dänemark F Implizite Vorfälligkeitsentschädigung ergibt sich aus Marktwert des Bonds, der zurückgekauft werden muss. Deutschland F Vorfälligkeitsentschädigung darf nur innerhalb der ersten zehn Jahre der Laufzeit eines Festzinskredites erhoben werden. Zzgl.: Rechtspraxis (BGH-Urteile, BGB-Reform), die VFE einschränkt bzw. die Berechnungsform festlegt. Spanien V Informelle Branchenvereinbarung beschränkt Vorfälligkeitsentschädigung auf 2,5% der Kreditsumme. Zentralbank gibt Höchstgrenze von 4% vor. Frankreich F Max. sechs monatliche Zinszahlungen oder 3% der ausstehenden Kreditsumme. Es dürfen keine Vorfälligkeitsentschädigungen erhoben werden, wenn die vorzeitige Rückzahlung wegen Todes, unfreiwilliger Arbeitslosigkeit oder beruflich bedingtem Umzug erfolgt. Italien V Informelle Übereinkunft der Bankenbranche, dass 5% des zurückgezahlten Kapitals nicht überschritten werden sollten. Niederlande F Jährlich max. 10% der Kreditsumme können ohne Vorfälligkeitsentschädigung zurückgezahlt werden. Bei Umzug oder Härtefällen wird in der Regel aus Kulanzgründen auf eine Vorfälligkeitsentschädigung verzichtet. Finnland V Kreditgeber kann Zinsdifferenz zwischen ursprünglichem Vertrags- und aktuellem Zinssatz für Neuausleihungen, bezogen auf die Restlaufzeit des Kredites, als Kompensation verlangen. Individuelle Entschädigungsvereinbarungen sind üblich. UK V Keine definitiven gesetzlichen Grenzen, statt dessen gerichtliche und aufsichtsbehördliche Einzelfallregelungen. USA F Keine Beschränkungen Erläuterung: V - Mehrzahl der Hypothekekarkredite ist variabel verzinst (Zinsbindungsfrist < 5 Jahre)/F - Mehrzahl der Hypothekarkredite sind Festzinskredite (Zinsbindungsfrist > 5 Jahre) Quellen: ECB (2003): Structural Factors in the EU housing markets, Mercer Oliver Wyman (2003): Study on the Financial Integration of European Mortgage Markets, Köndgen (2006): Early Repayment of Long-Term Fixed-Rate Mortgages in Europe 2 Die vorzeitige Kündbarkeit von Festzinskrediten in Deutschland 6 Kreditgeber hat Anspruch auf Einhaltung des Darlehensvertrages Das deutsche Recht räumt den Schuldnern von Festzinskrediten ein ordentliches Kündigungsrecht zum Ende der Zinsbindungsperiode ein, die zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber frei vereinbart werden kann. Entsprechend können die Vertragsparteien die vorzeitige Kündbarkeit für die Dauer der Zinsbindungsperiode, längstens aber für zehn Jahre, vertraglich ausschließen. Innerhalb dieses Zeitraums hat der Kreditgeber einen Anspruch auf die unveränderte Einhaltung des Darlehensvertrages. Liegt ein berechtigtes Interesse des Kreditnehmers vor, ist jedoch gemäß § 490(2) BGB eine vorzeitige Kündigung möglich. Ein „berechtigtes Interesse“ ist insbesondere dann gegeben, wenn der Kreditnehmer die beliehene Immobilie veräußern will. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist eine Ausgleichszahlung Dabei impliziert eine vorzeitige Kündigung jedoch keine Beseitigung der vertraglichen Bindung, sondern bedeutet eine vorzeitige Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung durch den Kreditneh- 15. Mai 2006 Vorfälligkeitsentschädigung mer. Dies bildet die ökonomische Ratio der Vorfälligkeitsentschädigung: Der Kreditnehmer muss den Kreditgeber so stellen, wie dieser stünde, wenn das Darlehen für den ursprünglich vereinbarten Zeitraum fortgeführt und mit Zinsen bedient worden wäre. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist deshalb in Deutschland keine Strafe und auch keine fixe Bearbeitungsgebühr, sondern eine ökonomisch begründete Ausgleichszahlung. Die Bank kann nämlich das vom Schuldner zurückerhaltene Kapital nur noch zum aktuellen Marktzins anlegen, muss aber weiter die in der Regel festverzinslichen Refinanzierungstitel bedienen. Da vorzeitige Kündigungen aus Sicht der Kreditnehmer nur bei sinkenden Zinsen rational sind, liegt der aktuell erzielbare Zins für Neuausleihungen näher am Refinanzierungszins oder sogar unter ihm. Das Ergebnis ist ein Rückgang der Marge und im Extremfall ein Verlust, dessen Höhe von der Zinsdifferenz und der Länge der Restlaufzeit abhängt. Für diesen Verlust entschädigt das Vorfälligkeitsentgelt die Kreditgeber. Vorzeitige Kündbarkeit von Festzinskrediten und deren Refinanzierung: Die ökonomische Ratio von Vorfälligkeitsentgelten Die meisten Haushalte bevorzugen den Festzinskredit Festzinskredite sind sehr populär In Deutschland überwiegen Festzinskredite. Ihr Anteil liegt traditionell deutlich über 50%. Das bedeutet jedoch nicht, dass variabel verzinste Kredite unüblich oder nicht verfügbar sind. Vielmehr können die Konsumenten die Vor- und Nachteile beider Kreditformen abwägen und dann die für sie optimale Variante auswählen. Eine variable Verzinsung kommt zum Beispiel in Niedrigzinsphasen solchen Haushalten entgegen, die mit steigendem Einkommen rechnen. Das niedrige Zinsniveau bei Vertragsabschluss ermöglicht ihnen, relativ hohe Belastungen einzugehen. Ihr Kalkül geht auf, wenn die Zinszahlungen bei steigenden Zinssätzen nicht schneller zunehmen als das Haushaltseinkommen. Insbesondere Haushalten mit niedrigen bzw. mittleren Einkommen droht aber die Gefahr, dass ihre Einkommen mit der steigenden Zinsbelastung nicht mithalten können. Variabel verzinste Kredite bergen Zinsänderungsrisiko Dieses einfache Beispiel lenkt den Blick auf das generelle Risiko variabel verzinster Hypothekarkredite: Bei steigenden Zinsen kann die Zins- und Tilgungsleistung untragbar werden. Neben der Einkommensentwicklung ist hier der Verschuldungsgrad die entscheidende Determinante. Für viele Haushalte, die mit ihrer Immobilienfinanzierung die bedeutendste ökonomische Entscheidung überhaupt treffen, ist das ein wesentlicher Nachteil von variabel verzinsten Krediten. Deshalb entscheidet sich die Mehrzahl der Hypothekenkreditnehmer in Deutschland für Festzinskredite, die mittel- und langfristige Berechenbarkeit der monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen zu – wie sich zeigen wird – zudem sehr günstigen Konditionen bieten. In der großen Bedeutung des Festzinskredites spiegelt sich auch die in Deutschland jahrzehntelang unterdurchschnittlich niedrige Inflationsrate wider, die sich zudem auch durch eine geringe Schwankungsbreite auszeichnete. Daraus resultierten niedrige Nominalzinsen mit relativ begrenzter Variabilität. Das machte (und macht) Festzinskredite für Kreditnehmer wie Kreditgeber gleichermaßen attraktiv. Der hohe Festzinsanteil hierzulande ist vor diesem Hintergrund als Aus- 15. Mai 2006 7 EU-Monitor 36 Deutschland: Niedriges und stabiles Zinsniveau Renditen langfristiger Staatsanleihen 25 20 15 10 5 0 76 81 86 DE IT 91 96 01 UK ES FR Deutsche Bank Research 3 nahme zu betrachten. In traditionell weniger stabilitätsorientierten Ländern dominierten dementsprechend tendenziell variabel verzinste Kredite. Seit einige dieser Länder im Zuge der Euro-Einführung Stabilität und damit niedrige Inflationsraten sowie Zinsen importieren konnten, steigt auch dort das Interesse an Festzinskrediten. Vorzeitige Kündbarkeit von Festzinskrediten ist eine Option Wenn sich ein Kreditnehmer nach Abwägung des Für und Wider für einen Festzinskredit entscheidet, ist die vorzeitige Kündbarkeit ökonomisch betrachtet eine Option, die er ausüben wird, sofern der Optionswert positiv ist. Sie ermöglicht ihm einerseits, im Falle sinkender Zinsen seine Immobilien günstiger zu finanzieren, und andererseits, seine Kreditbelastung bei nicht vorhergesehenen äußeren Umständen (Erwerbsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit etc.) zu verringern bzw. auf Null zu senken. Da die Ausübung der Option beim Stillhalter der Option, also dem kreditgebenden Institut, Verluste verursacht, ist für diese Option eine Optionsprämie zu entrichten. Je nach Form der Refinanzierung des Hypothekarkreditgeschäfts wird diese Optionsprämie individuell vertraglich vereinbart – wie in den meisten kontinentaleuropäischen Ländern – oder ergibt sich aus dem Wirken der Marktkräfte – wie in den USA und in Dänemark. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in Deutschland Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung: Beispiel (Zinssatz 4,25%, Zinsbindungsfrist 01.01.2001-31.12.2010, Sondertilgung bzw. Rückzahlung zum 01.01.2005) Sondertilgung bzw. Rückzahlung Zinssatz 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 4,25% (Vertragszinssatz) Risikovorsorge Verwaltungskosten Risikovorsorge entfällt ab 2005 Verwaltungskosten entfallen ab 2005 Zinsmarge der Bank Zinsmargenschaden 2009 2010 Zinsverschlechterungsschaden 3,50% 3,00% Einstandskosten der Bank 2,50% (Pfandbriefe, Wiederanlagesatz ab 2005 (3%) 2,00% Schuldverschreibungen, etc.) (Pfandbriefrenditen) 1,50% 1,00% 0,50% Quelle: Ellwanger&Geiger (2005), Finanzierungsnews, September 2005 Zinsmargenschaden und Zinsverschlechterungsschaden 8 Zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wird der der Bank aufgrund der vorzeitigen Kündigung entstandene Schaden in den Zinsmargenschaden und den Zinsverschlechterungsschaden aufgespalten. Letzterer ergibt sich als Differenz aus den (fixen) Refinanzierungskosten (in der Abbildung: Einstandskosten) der Bank und dem aktuellen Wiederanlagesatz, also zum Beispiel den aktuellen Pfandbriefrenditen. Der Zinsmargenschaden entspricht dem der Bank entgangenen Nettogewinn aus dem vorzeitig gekündigten Kredit. Der Nettogewinn ergibt sich als Differenz aus Bruttogewinn (Vertragszinssatz abzgl. Refinanzierungszins) und ersparten Risikound Verwaltungskosten. Alle Werte werden für die restliche Zinsbindungsperiode des gekündigten Kredites berechnet und auf den Zeitpunkt der vorzeitigen Tilgung abgezinst, um die Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen. 15. Mai 2006 4 Vorfälligkeitsentschädigung Varianten der Refinanzierung von Festzinskrediten Es gibt im Wesentlichen drei unterschiedliche Arten, Hypothekenkredite zu refinanzieren: die Einlagenrefinanzierung, die Refinanzierung über die Emission (gedeckter) Anleihen (covered bonds) – zum Beispiel Pfandbriefe – sowie die Verbriefung in Form sogenannter Residential Mortgage Backed Securities (RMBS). Auf die Einlagenfinanzierung wird im Folgenden nicht weiter eingegangen. Fristigkeit und Art der Verzinsung machen eine Refinanzierung von Festzinskrediten durch Einlagen kompliziert und deshalb nur für einen beschränkten Teil des Hypothekarkreditgeschäftes attraktiv. Die Platzierung (gedeckter) Anleihen bringt solche Schwierigkeiten ebenso wenig mit sich wie die Verbriefung der Kredite. Sowohl (Covered) Bonds als auch RMBS lassen sich entsprechend der Fristigkeit der zugrunde liegenden Kredite konstruieren. Wenn sich die Fristigkeiten auf der Passivseite der Bankbilanz nicht vollständig an diejenigen der Aktivseite angleichen lassen, kommen Derivate zum Einsatz, um die Zinsrisikopositionen zu schließen. Die Abbildung zeigt die Asset Swap Spreads (ASW Spreads) von Pfandbriefen, unbesicherten Anleihen europäischer Finanzunternehmen (mit AAA Rating) sowie deutschen RMBS (ebenfalls mit AAA Rating) im Vergleich. Das niedrige Bonitätsrisiko macht Pfandbriefe in der volkswirtschaftlichen Perspektive zum günstigsten Instrument der Refinanzierung über den Kapitalmarkt. Diese volkswirtschaftliche Aussage schließt jedoch nicht aus, dass – abhängig von den Rahmenbedingungen, innerhalb derer eine Bank tätig ist – ungedeckte Anleihen in Einzelfällen zu besseren Konditionen emittiert werden als Pfandbriefe. 21 10 15 Pfandbriefe gewährleisten niedrige Hypothekenzinsen RMBS** *Der "Asset Swap Spread" steht für das isolierte Bonitätsrisiko eines Kapitalmarktes. ** Die Banken in Deutschland haben bisher hauptsächlich mit sogenannten synthetischen RMBS gearbeitet. Dabei wird das Kreditrisiko auf den Kapitalmarkt übertragen, die Kredite verlassen aber nicht die Bilanz. RMBS dieser Art sind somit kein Refinanzirungsinstrument. 15. Mai 2006 Unabhängig davon, wie mit der vorzeitigen Kündbarkeit von Festzinskrediten umgegangen wird, ist das generelle Ziel des Zinsrisikomanagements, geschlossene Zinsrisikopositionen herzustellen. Im Idealfall gelingt es einer Bank, die Fristenstruktur ihres Aktivgeschäftes auf der Passivseite ihrer Bilanz nachzubilden. In diesem Fall spricht man von fristenkongruenter Refinanzierung. Abweichungen davon erzeugen eine Zinsrisikoposition, die bei starken adversen Marktzinsbewegungen bis zur Existenzbedrohung der Bank führen kann. Das Pfandbriefsegment geriete unter Druck 5 Quelle: Dt. Bundesbank, Monatsbericht März 2006 Banken müssen ihre Zinsrisikopositionen schließen 20 0 Pfandbriefe ungedeckte Anleihen Zinsrisikomanagement der Banken wird schwieriger 25 10 2 Konsequenzen einer Begrenzung bzw. eines Verbots von Vorfälligkeitsentgelten Die fristenkongruente Refinanzierung von Hypothekarkrediten soll im Folgenden am Beispiel von Hypothekenpfandbriefen dargestellt werden. Die Möglichkeit, das Vorfälligkeitsrisiko durch vertragliche Vereinbarung auf den Kreditnehmer zu übertragen, ist dafür die Voraussetzung. Andernfalls sind zwei Alternativen denkbar: Erstens können die Banken die Optionsprämie voll auf alle Kreditnehmer überwälzen, indem sie die Zinssätze entsprechend erhöhen. Je nach Schätzmethode wäre hier aktuell mit einer Zinserhöhung zwischen 20 und 40 Basispunkten zu rechnen. Zu früheren Zeiten hat die Optionsprämie in der Spitze auch schon 70 bis 80 Basispunkte 1 betragen. Falls die Banken höhere Zinssätze nicht voll durchsetzen können, reduzieren sich ihre Margen und sie werden krisenanfälliger. Auf beide Varianten wird im Folgenden noch eingegangen. Pfandbriefe sind ein sehr günstiges Refinanzierungsinstrument (ASW Spreads* in Basispunkten) Neben dieser Art von Festzinskrediten, bei denen der Kreditgeber den Anspruch auf die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistung hat, ermöglicht die Vertragsfreiheit den Vertragsparteien selbstverständlich auch, Kreditverträge mit vorzeitigem Kündigungsrecht zu vereinbaren. Der Kreditnehmer hat dabei allerdings mit einem höheren Zinssatz zu rechnen, denn die Banken müssen das höhere Zinsrisiko in ihrer Margenkalkulation berücksichtigen. In der Realität umfassen solche Verträge üblicherweise nicht das Recht zur vorzeitigen Kündigung des Kredites insgesamt; vielmehr räumen sie dem Kreditnehmer außerordentliche Tilgungsmöglichkeiten ein – zum Beispiel 10% der Kreditsumme pro Jahr. Die deutschen Banken refinanzieren etwa ein Fünftel ihres Immobilienkreditgeschäftes über die Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen. Deren hohe Bonität ist auf eine Reihe gesetzlicher Vorgaben zurückzuführen: Hypothekenpfandbriefe sind durch geeignete Darlehen für Wohnungs- oder Gewerbeimmobilien gedeckt, welche wiederum durch erstrangige Hypotheken besichert sind. Die Deckungswerte sind ausschließlich für die ordnungsgemäße Bedienung der Pfandbriefe vorgesehen und werden im Falle einer Insolvenz der Pfandbriefbank vom übrigen Vermögen der Bank abge1 5 Vgl. Dübel, A. (2005), Fixed-rate Mortgages and Prepayment in Europe, Berlin, www.finpolconsult.de sowie Dübel, A./Lea, M. (1997), Micro- and Macroeconomic Consequences of Residential Mortgage Prepayment, Schriftenreihe des Verbandes der Pfandbriefbanken, Band 8, Berlin und Danske Bank (2006), The Cost of the Prepayment Option, EMF Seminar on Fixed-Rate-Mortgages, www.hypo.org. 9 EU-Monitor 36 Hohe Liquidität und Bonität von Pfandbriefen sondert. Zudem bewirkt die Beleihungsgrenze von 60% in der Regel eine erhebliche Übersicherung der Darlehen, welche eine Überdeckung der Pfandbriefe nach sich zieht. Diese und zahlreiche weitere Vorschriften zielen darauf ab, das Investitionsrisiko der Pfandbriefgläubiger weitestgehend zu reduzieren. Das Rating des Pfandbriefs wird von dem der emittierenden Bank entkoppelt. Als Resultat ist die Ausfallwahrscheinlichkeit von Pfandbriefen deutlich niedriger als die ungedeckter Schuldverschreibungen. Gleichzeitig ist das Pfandbriefsegment sehr liquide. Entsprechend müssen die Pfandbriefemittenten ihren Gläubigern eine vergleichsweise geringe Risikound Liquiditätsprämie zugestehen. Diesen Refinanzierungsvorteil können die Banken an die Kreditnehmer weitergeben. Durch Pfandbriefe refinanzierte Hypothekendarlehen sind deshalb sehr günstig. Der Pfandbriefmarkt müsste sich verändern Pfandbriefe sind nur eines unter mehreren Refinanzierungsinstrumenten Die Vorfälligkeitsentschädigung ist die Voraussetzung für eine fristenkongruente Pfandbrief-Refinanzierung von festverzinslichen Hypothekenkrediten. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Begrenzung von Vorfälligkeitsentschädigungen eine ökonomisch sinnvolle Refinanzierung von Hypothekenkrediten unmöglich machen würde – sie würde sie jedoch deutlich verändern. Die Banken in Deutschland refinanzieren schon jetzt nur einen begrenzten Teil der Immobilienkredite in Deutschland über Pfandbriefe. Weitere Refinanzierungsmittel können Einlagen, die Emission ungedeckter Anleihen sowie die Verbriefung in Form sogenannter Mortgage Backed Securities sein. Pfandbriefe sind zwar ein sehr günstiges Refinanzierungsinstrument für Festzinskredite, die strengen gesetzlichen Vorschriften beschränken ihren Einsatz aber auf die Finanzierung von erstklassigen Hypothekarkrediten mit niedrigem Beleihungswert. Wird die rechtliche Konstruktion von Pfandbriefen variiert, können diese auch bei einer Abschaffung der Vorfälligkeitsentschädigung zur Finanzierung von erstklassigen Festzinskrediten dienen. Gesetzliche Beschränkungen der Vorfälligkeitsentschädigung würden somit zwar nicht das Ende des hypothekengedeckten Pfandbriefes einläuten, diese Art der Refinanzierung von Immobilienkrediten jedoch erheblich verändern. (Wieder-)Einführung kündbarer Pfandbriefe? Ein erster Ansatz, mit dem Vorfälligkeitsrisiko umzugehen, kann die Einführung kündbarer Pfandbriefe, welche es in Deutschland bis in die siebziger Jahre hinein gab, sein. In diesem Fall leiten die Banken das Vorfälligkeitsrisiko gleichsam an den Kapitalmarkt weiter. In dem Maße, in dem die Kreditnehmer bei sinkenden Zinsen ihre Festzinskredite kündigen, können die Banken die zur Refinanzierung der Kredite emittierten Pfandbriefe kündigen. So entfällt das Wiederanlagerisiko. Tranchierung von Pfandbriefen nach dem Vorfälligkeitsrisiko? Eine weitere Möglichkeit, eine Begrenzung bzw. den völligen Wegfall der Vorfälligkeitsentschädigung zu verarbeiten, besteht in der Tranchierung von Pfandbriefen gemäß den jeweiligen Vorfälligkeitsrisiken. Damit würde sich die Konstruktion des Pfandbriefes der von MBS annähern. Diese Form der Refinanzierung von Festzinskrediten dominiert in den USA (siehe Box S. 11). Bei einer Tranchierung müssten die Pfandbriefe in mindestens zwei Klassen (Tranchen) eingeteilt werden. Die Pfandbriefe der ersten Tranche würden entsprechend den vorzeitigen Kündigungen der Festzinskredite zuerst (und zwar vor dem Ende ihrer maximalen 10 15. Mai 2006 Vorfälligkeitsentschädigung Refinanzierung von Hypothekarkrediten in den USA Ebenso wie in Dänemark herrschen in den USA Festzinskredite vor, die jederzeit ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündbar sind. Bis in die siebziger Jahre hinein refinanzierten die Banken ihre Hypothekarkredite, deren vertragliche Laufzeit in der Regel 25 bis 30 Jahre beträgt, zu einem großen Teil über Einlagen. Seitdem hat sich jedoch die Verbriefung als dominantes Refinanzierungsinstrument durchgesetzt. In der einfachsten Variante bedeutet Verbriefung von Immobilienkrediten, dass eine Bank ihre Kredite in einem Portfolio bündelt, dieses Portfolio in kapitalmarktfähige Titel (Residential Mortgage Backed Securities, RMBS) umwandelt (=verbrieft) und letztere über eine Zweckgesellschaft an Investoren verkauft. Auf diese Weise verlassen die Kredite die Bankbilanz, und die Risiken gehen auf die Kapitalmarktinvestoren über. In der Realität weist der Verbriefungsprozess in den USA zwei weitere wesentliche Charakteristika auf, die herausgehobene Stellung so genannter „Government Sponsored Enterprises“ (GSE) und die Tranchierung der RMBS nach dem Zeitpunkt der Rückzahlung. Der überwiegende Teil der Hypothekenkredite in den USA wird nicht von den Banken selbst, sondern von „Fannie Mae“ (Federal National Mortgage Association) oder „Freddie Mac“ (Federal Home Loan Mortgage Corporation) verbrieft, nachdem diese den Banken die Kredite abgekauft haben. Das zweite wesentliche Charakteristikum der Immobilienkreditverbriefung in den USA ist die Tranchierung der RMBS nach dem Zeitpunkt der Rückzahlung. Dabei gibt es mindestens zwei Tranchen (z. B. „slow-paying“ und „fastpaying“) mit jeweils unterschiedlichen Rückzahlungsfristen und entsprechend unterschiedlichen Zinskoupons. Der MBS-Emittent leistet Zahlungen entsprechend der Kreditrückflüsse zuerst an die Kurzläuferbranche und anschließend sequentiell an die jeweils nächste Tranche. Auf diese Weise übernehmen die Kapitalmarktinvestoren auch das Vorfälligkeitsrisiko vollständig. Laufzeit) zurückgezahlt. Erst nach Rückzahlung aller Pfandbriefe der ersten Tranche würden dann weitere Kreditkündigungen bewirken, dass die Bank auch Pfandbriefe der zweiten Tranche vorzeitig zurückzahlt. Möglich ist auch, eine weitere Tranche zu konstruieren, die nicht vorzeitig kündbar ist, so dass das Zinsänderungsrisiko beim Emittenten verbleibt. Abhängig von ihrem Anlagehorizont und ihren Zinsänderungserwartungen können Investoren dann die entsprechende Tranche auswählen. Das Vorfälligkeitsrisiko wäre auf den Kapitalmarkt – konkret: die Pfandbriefgläubiger – übertragen. Dabei würde einer der bisherigen Unterschiede zwischen Pfandbrief und MBS verwischt: MBS-Papiere sind in der Regel durch einen einmal festgelegten Forderungspool besichert, dessen Cash Flow ausschließlich für die Bedienung der MBS-Papiere verwendet wird. Beim Pfandbrief dagegen ist der Deckungspool dynamisch, es werden laufend neue Kredite zugeführt. Einzelne Forderungen werden nicht den Pfandbriefen zugeordnet, und es besteht auch keine direkte Beziehung zwischen den Cash Flows der in Deckung befindlichen Darlehen und dem der Pfandbriefe. Diese Eigenschaft steht einer Tranchierung von Pfandbriefen gemäß den Kreditkündigungen bisher entgegen. Das Pfandbriefsegment als beliebte Anlageklasse geriete unter Druck Solche Anpassungen der Pfandbriefrefinanzierung könnten jedoch nicht verhindern, dass das Pfandbriefsegment bei einer Beschränkung des Rechtes, Vorfälligkeitsentgelte zu erheben, unter Druck geriete. Pfandbriefe sind nicht nur in Deutschland eine beliebte Assetklasse, sondern gewinnen auch in vielen anderen europäischen Ländern immer weiter an Popularität. Insbesondere institutionelle Investoren schätzen das mit hoher Liquidität gepaarte niedrige Risiko dieser Anleiheform. Eine wie auch immer geartete Aufteilung des Pfandbriefuniversums auf unterschiedliche Klassen würde in jedem Fall für jede einzelne dieser Klassen eine geringere Liquidität implizieren, als es das homogene Pfandbriefuniversum heute genießt – was sich in höheren Liquiditätsprämien für die neuen Instrumente niederschlagen würde. Neben den strengen gesetzlichen Anforderungen an die Deckungsmittel stützt sich das Vertrauen der Investoren auf eine mittlerweile jahrhundertelange Erfahrung mit Pfandbriefen und – damit zusammenhängend – die gut ausgebaute Marktinfrastruktur (zum Beispiel in Form von Research-Kapazitäten). Eine Einschränkung der Pfandbriefrefinanzierung würde den Kapitalmarktinvestoren somit eine Anlagemöglichkeit nehmen, die deren Risiko-Rendite-Vorstellungen offenbar sehr weit entgegenkommt. Festzinskredite würden an Attraktivität verlieren Komplizierteres Zinsrisikomanagement macht Festzinskredite teurer 15. Mai 2006 Selbst wenn es gelingt, Festzinskredite in Deutschland so zu refinanzieren, dass diese Kreditart auch bei einer Begrenzung bzw. einem völligen Verbot von Vorfälligkeitsentgelten attraktiv bliebe, würde die fristenkongruente Refinanzierung von Festzinskrediten und damit das Zinsrisikomanagement der Banken erheblich erschwert. Die Kreditinstitute müssten zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um ihre Zinsrisikopositionen zu schließen. In der Konsequenz wären sie gezwungen, diesen Refinanzierungsnachteil in Form höherer Zinsen an ihre Kunden weiterzugeben. Die relative Attraktivität von Festzinskrediten würde also abnehmen. Damit würde der hohe Anteil von Festzinskrediten an allen Immobilienfinanzierungen in Deutschland sinken. 11 EU-Monitor 36 Die Produktvielfalt würde abnehmen Populäres Produkt in Gefahr Vielen Kreditnehmern ist an langfristiger Berechenbarkeit ihrer (selbstverständlich möglichst geringen) Zins- und Tilgungsleistungen gelegen. Wie gezeigt ist die Kombination aus niedrigen Zinsen und fester Verzinsung jedoch ohne Vorfälligkeitsentschädigung nicht möglich. Würde die Erhebung von Vorfälligkeitsentgelten gesetzlich begrenzt, könnten die Banken diesen Kunden also kein ihren Präferenzen gemäßes Produkt mehr anbieten. Das Produktangebot wäre eingeschränkt. Damit würde die Kommission eines ihrer zentralen Ziele – mehr Produktvielfalt auf den nationalen Hypothekarkreditmärkten – verfehlen. Eine adäquate Bepreisung des Vorfälligkeitsrisikos wäre kaum möglich Alle Verbraucher müssen für die Wünsche weniger aufkommen Wie oben gezeigt, handelt es sich bei der vorzeitigen Kündbarkeit von Festzinskrediten um eine Option, für die ein Preis, eine Optionsprämie, zu entrichten ist. Wenn die Banken Vorfälligkeitsentgelte nur begrenzt oder überhaupt nicht erheben dürfen, ist es unmöglich, die Optionsprämie denjenigen (ganz oder teilweise) in Rechnung zu stellen, die die Option ausüben. Stattdessen müssen die Banken die Kosten, die ihnen durch vorzeitige Rückzahlungen entstehen, bei der generellen Preisgestaltung für Immobilienkredite berücksichtigen. Im Endeffekt müssen alle Kreditnehmer für eine Option bezahlen, die nur einige nutzen möchten. Wie oben dargestellt, würden die Zinssätze für Hypothekarkredite um 20 bis 80 Basispunkte steigen müssen. Verbraucherpolitisch motivierte Maßnahmen im Bereich der vorzeitigen Kündbarkeit von Festzinskrediten würden somit den meisten Verbrauchern massiv schaden. Konjunkturstabilisierende Wirkung des hohen Anteils von Festzinskrediten Hoher Festzinsanteil dämpft Einkommens-… Bei variabler Verzinsung starker Zusammenhang zwischen Zinsniveau und verfügbaren Einkommen Ein vergleichsweise hoher Anteil von Festzinskrediten an allen Hypothekarkrediten dämpft die Konjunkturschwankungen. Festzinskredite verhindern, dass sich kurz- und mittelfristige Schwankungen des Zinsniveaus in Schwankungen der Zinszahlungen und damit der verfügbaren Einkommen niederschlagen. Damit schwanken auch die privaten Konsumausgaben weniger stark als es der Fall wäre, wenn ein größerer Teil der Hypothekarkredite variabel verzinst würde. „Equity withdrawal“ verstärkt diesen Mechanismus Die Wirkung von Zinsschwankungen erhöht sich im Fall variabler Verzinsungen, wenn und insoweit zusätzlich die Möglichkeit des sog. „Equity Withdrawal“ besteht. Das „Equity Withdrawal“ ermöglicht Haushalten, ihre Hypothek zu erhöhen und den zusätzlichen Kredit für Konsumausgaben zu verwenden. Diese Option kann in Zeiten sinkender Zinsen genutzt werden, wenn die monatliche Belastung sinkt und die Haushalte sich deshalb eine Erhöhung des Hypothekarkredites leisten können. Bei Festzinskrediten ohne entschädigungsfreie Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung ist das nicht möglich, weil hier die Zinsbelastung während der Zinsbindungsperiode nicht abgesenkt werden kann. … sowie Hauspreisschwankungen… Zusammenhang zwischen Zinsbelastung und Hauspreisen 12 Bei vorwiegend variabler Verzinsung von Hypothekarkrediten schwanken zudem nicht nur die verfügbaren Einkommen, sondern auch die Hauspreise stärker mit dem Zinsniveau. Wenn die Zinsen sinken, können sich die Haushalte bei gegebenem Einkommen zumindest kurzfristig – solange die Zinsen auf ihrem niedrigen Niveau 15. Mai 2006 Vorfälligkeitsentschädigung verharren oder sogar weiter sinken – eine höhere Kreditaufnahme leisten. Die Zahlungsfähigkeit der Nachfrager auf dem Immobilienmarkt und damit die Nachfrage steigt an. Da sich das Immobilienangebot kurzfristig nicht anpassen lässt, resultiert der Nachfrageanstieg in steigenden Hauspreisen. Im Fall steigender Zinsen ist es umgekehrt. Die Zinsbelastung der Haushalte steigt an. Einige Haushalte mit bestehenden Immobilienfinanzierungen sind gegebenenfalls nicht mehr in der Lage, ihren Kredit zu bedienen, und müssen ihre Immobilie verkaufen. Das Angebot auf dem Immobilienmarkt steigt. Gleichzeitig können sich neu in den Markt eintretende Haushalte nur vergleichsweise niedrige Kreditsummen leisten. Das dämpft die Nachfrage. Zusammengenommen führen steigende Zinsen so zu sinkenden Hauspreisen. Bei vorwiegend variabler Verzinsung von Immobilienkrediten nehmen die Hauspreise bei steigenden bzw. fallenden Zinsen also stärker ab bzw. zu. … und erleichtert damit der Zentralbank die Arbeit Zentralbanken haben große Schwierigkeiten, über die Verbraucherpreise hinaus auch die Assetpreise zu beeinflussen. Assetpreisschwankungen können über den sogenannten „Vermögenseffekt“ auch die private Konsumnachfrage und damit indirekt die Entwicklung der Verbraucherpreise verändern. Da Immobilien zu den wichtigsten Assetklassen zählen, besteht ein starker Zusammenhang zwischen Haus- und Verbraucherpreisen. Ein hoher Anteil von Festzinskrediten an der Immobilienfinanzierung – und damit geringere Hauspreisschwankungen – vermindert diesen Zusammenhang und erleichtert es der Zentralbank, sich auf die Entwicklung der Verbrau2 cherpreise zu konzentrieren. Spanien: Niedrige Zinsen nähren Hauspreisboom Eines der Beispiele für diese Problematik ist der spanische Immobilienmarkt. Spanien importierte seit Mitte der neunziger Jahre im Zuge des Maastricht-Prozesses fallende und schließlich mit dem Euro-Beitritt 1999 historisch niedrige Nominalzinsen. Die spanischen Verbraucher reagierten darauf unter anderem, indem sie in großem Stil Wohnungsbaukredite aufnahmen und zu ständig günstigeren Bedingungen refinanzierten. Dies nährte über die oben dargestellten Kanäle den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, lässt aber gleichzeitig an der Nachhaltigkeit der Hauspreis- und Konjunkturentwicklung zweifeln. Viele Indikatoren deuten eine Überhitzung und 3 damit Instabilität des Immobilienmarktes an. Von entscheidender Bedeutung ist nun, wie der Übergang in ein Umfeld steigender Zinsen gelingt. Wenn die Haushalte ihre Ausgaben bei steigenden Zinsen und fallenden bzw. zumindest stagnierenden Hauspreisen in dem Maße einschränken, wie sie sie zuvor ausgeweitet haben, drohen dem spanischen Immobilienmarkt und der spanischen Konjunktur erhebliche Rückschläge. Die britischen Immobilienkrisen Anfang der achtziger und Anfang der neunziger Jahre (siehe Box auf Seite 14) sind hier warnende Beispiele. Diese Medaille hat aber zwei Seiten Bisher standen allein die positiven Wirkungen des Übergewichtes an Festzinskrediten im Zentrum der Überlegungen. Dieses verhindert zwar zu starke Schwankungen der verfügbaren Einkommen sowie der Hauspreise und damit Instabilität. Gleichzeitig wird aber 2 3 15. Mai 2006 Vgl. Bean, Ch. (2003). Asset prices, financial imbalances and monetary policy - are inflation targets enough? BIS Working Paper 140, September 2003 und Zhu, H. (2003). The importance of property markets for monetary policy and financial stability, BIS Papers 21, Dezember 2003. Vgl. Deutsche Bank Global Markets Research (2005). Spain – ready for the housing adjustment. 13 EU-Monitor 36 Die Hauspreiskrisen in Großbritannien Anfang der achtziger und neunziger Jahre Großbritannien hat in der zweiten Hälfte der siebziger und der achtziger Jahre im Zuge sinkender Zinsen zwei Hauspreisblasen erlebt, die zu Beginn des jeweiligen Folgejahrzehntes platzten, als das Zinsniveau erheblich anzog. Dem Anstieg der Hauspreise folgten in beiden Fällen mit wenigen Quartalen Abstand steigende Verbraucherpreise, dem Platzen der Blasen eine Rezession. UK: Rezession folgt Hauspreisinflation (% yoy BIP real, nom. Hausspreise, CPI) 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% -5% -10% 78 79 80 81 83 84 85 86 88 89 90 91 93 BIP real CPI Hauspreise nom Quelle: Deutsche Bank Research 6 Variable Verzinsung erhöht Kreditrisiken Banken: Ohne Vorfälligkeitsentschädigung droht Margendruck auch ein Anspringen der privaten Konsumausgaben in der Rezession – bei niedrigen Zinsen – erschwert, weil sich die stimulierende Wirkung niedriger Zinsen bzw. – bei Equity Withdrawal – höherer Hypotheken nur in geringem Maße in den verfügbaren Einkommen niederschlagen kann. Letztlich hängt die Beurteilung der volkswirtschaftlichen Wirkung von Festzinskrediten somit von der grundlegenden Einstellung zu konjunkturellen Schwankungen ab. Eine eher stabilitätsorientierte Haltung, die auf Stetigkeit Wert legt, muss eine Dämpfung stimulierender Effekte in Rezessions- bzw. Stagnationszeiten akzeptieren. Eine weniger zurückhaltende Sichtweise, die die expansiven Effekte variabel verzinster Darlehen hochschätzt, muss mit einem Überschießen der verfügbaren Einkommen wie der Hauspreise nach oben und nach unten leben. Positive Wirkungen auf die Finanzstabilität Für eine Betonung der konjunkturdämpfenden Wirkung von Festzinskrediten sprechen nicht zuletzt Gründe der Finanzstabilität: Wären die Festzinsdarlehen aufgrund der Optionsprämie relativ unattraktiver, könnten viele Haushalte mit niedrigem Einkommen bei niedrigen Zinsen zum Abschluss variabel verzinslicher Darlehen verleitet werden. Bei steigenden Zinsen besteht ein Risiko, dass viele dieser Haushalte in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Mit steigendem Anteil von variabel verzinslichen Darlehen steigt somit das gesamtwirtschaftliche Kreditrisiko tendenziell an. Gleichzeitig geht jedoch das Vorfälligkeitsrisiko zurück. Bei weitgehend fest verzinslicher Immobilienfinanzierung verhält es sich umgekehrt: Das Kreditrisiko ist vergleichsweise gering, während das Vorfälligkeitsrisiko hoch ist – jedenfalls so lange, wie vorzeitige Kündigungen nicht durch vertragliche Regelungen ausgeschlossen bzw. mit einer Vorfälligkeitsentschädigung belegt werden dürfen. Wenn die Banken Vorfälligkeitsentschädigungen nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt erheben können und das Vorfälligkeitsrisiko nicht vollständig an Kapitalmarktinvestoren weitergeben können, müssen sie die Zinssätze aller Festzinshypothekarkredite, wie oben gezeigt, anheben. Bei hohem Wettbewerbsdruck muss ihnen das jedoch nicht unbedingt gelingen. In diesem Fall wären die Margen nicht risikoadäquat. Das würde die Ertragslage der Banken erheblich belasten, insbesondere in Zeiten sinkender Zinsen und in der Folge zunehmender vorzeitiger Kündigungen. Die Stabilität des Finanzsektors wäre beeinträchtigt. Zusammenfassung/Ausblick Bei ihren Bemühungen, die europäischen Hypothekarkreditmärkte zu integrieren, droht die EU Kommission falsche Schwerpunkte zu setzen. Die in dem Grünbuch von 2005 diskutierten Maßnahmen – mit eindeutigem Schwerpunkt auf dem Verbraucherschutz – sollten deshalb in dieser Form nicht Eingang in das für dieses Jahr angekündigte Weißbuch finden. Dies gilt insbesondere für die Regelung der vorzeitigen Kündbarkeit von Festzinskrediten. Das derzeitige deutsche System folgt dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, gesetzliche Eingriffe halten sich in engen Grenzen. Die Verbraucher können aus einem breiten Angebot von Krediten mit unterschiedlichen Zinsbindungsfristen und unterschiedlichen vorzeitigen Rückzahlungsrechten wählen. Wenn sie einen Kredit vor dem Ende der Zinsbindungsperiode ganz oder teil14 15. Mai 2006 Vorfälligkeitsentschädigung weise zurückzahlen möchten, erheben die Banken eine Vorfälligkeitsentschädigung, mit der sie den Zinsausfallschaden ausgleichen. Verwehren dies gesetzliche Regelungen, wird den Kreditinstituten das Zinsrisikomanagement erheblich erschwert. Die entstehenden Kosten müssen sie an ihre Kunden weitergeben. Die vorliegende Studie hat dies am Beispiel der fristenkongruenten Refinanzierung über Pfandbriefe gezeigt. Regulatorische Eingriffe in das Recht der Banken, Vorfälligkeitsentschädigungen zu erheben, würden zwar nicht das Ende des Festzinskredites bedeuten, die Refinanzierung der Banken und das Hypothekarkreditgeschäft in Deutschland aber erheblich verändern. Der Anteil eher neuer Refinanzierungsinstrumente wie RMBS müsste ausgeweitet, die Pfandbriefrefinanzierung durch die Einführung variabel verzinster oder nach Vorfälligkeitsrisiken tranchierter Pfandbriefe angepasst werden. Die Liquidität des Pfandbriefmarktes, die durch die Einführung des Jumbo-Pfandbriefes gerade erfolgreich erhöht wurde, würde wieder reduziert. Selbst wenn die notwendigen Veränderungen des Pfandbriefmarktes von Erfolg gekrönt wären, würden Festzinskredite in jedem Fall teurer und damit unattraktiver. Die bei den Verbrauchern beliebte Kombination aus langfristiger Berechenbarkeit der Zinsbelastung und relativ niedrigen Zinssätzen wäre nicht mehr zu halten. Die EU-Kommission würde somit eines ihrer zentralen Ziele, die Verbreiterung der Produktpalette im Hypothekarkreditgeschäft, verfehlen und die Wahlmöglichkeiten der Kreditnehmer sogar – unfreiwillig – einschränken. Im Endeffekt müssten alle Verbraucher für eine Option (die vorzeitige Kündbarkeit ihrer Festzinskredite) zahlen, die nur ein kleiner Teil der Verbraucher nutzen möchte. Darüber hinaus bringt ein hoher Anteil von Festzinskrediten eine Reihe weiterer volkswirtschaftlicher Vorteile mit sich – von der Erhöhung des Wirtschaftswachstums über die Dämpfung konjunktureller Schwankungen bis hin zur Sicherung der Finanzstabilität. Auch hier hätte eine Beschränkung von Vorfälligkeitsentschädigungen negative Konsequenzen. Gerade in einem Bereich wie der Immobilienfinanzierung ist „gut gemeint“ somit nicht unbedingt gleichbedeutend mit „gut gemacht“. Was verbraucherpolitisch motiviert ist, kann gerade die Verbraucher erheblich treffen. Anstatt direkt in die Produktpalette einzugreifen, sollte die Kommission deshalb besser die Voraussetzungen für eine evolutorische, von den Marktkräften getragene Integration des Hypothekarkreditgeschäftes in Europa schaffen. Dazu sollte sie in erster Linie die europaweite Refinanzierung von Immobilienkrediten erleichtern und z.B. die Entstehung eines europäischen RMBSMarktes fördern, um nur ein Beispiel zu nennen. Stefan Schäfer (+49 69 910-31832, [email protected]) 15. Mai 2006 15 EU-Monitor Finanzmarkt Spezial Auslandserträge europäischer Banken: Einheit in Vielfalt Finanzmarkt Spezial, Nr. 31 ............................................................................................................... 11. Januar 2006 Transatlantische Finanzmarktintegration: Mehr Ehrgeiz nötig Finanzmarkt Spezial, Nr. 29 ............................................................................................................... 26. Januar 2006 Zahlungsverkehr EU-weit: Die Grundlagen müssen stimmen Finanzmarkt Spezial, Nr. 27 ............................................................................................................. 20. Oktober 2005 EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung kurz vor der Ziellinie Finanzmarkt Spezial, Nr. 25 ......................................................................................................................6. Juni 2005 Post-FSAP-Agenda: Chance zur Vollendung der europäischen Finanzmarktintegration Finanzmarkt Spezial, Nr. 24 .................................................................................................................... 25. Mai 2005 Frankreichs Sparkassenreform: Plus ça change, plus ça reste – prêsque – le même Finanzmarkt Spezial, Nr. 22 .................................................................................................................... 9. März 2005 Spaniens Cajas: Wirtschaftlich freier, aber nicht entpolitisiert Finanzmarkt Spezial, Nr. 20 ............................................................................................................. 15. Oktober 2004 Unsere Publikationen finden Sie kostenfrei auf unserer Internetseite www.dbresearch.de Dort können Sie sich auch als regelmäßiger Empfänger unserer Publikationen per E-Mail eintragen. Für die Print-Version wenden Sie sich bitte an: Deutsche Bank Research Marketing 60262 Frankfurt am Main Fax: +49 69 910-31877 E-Mail: [email protected] © Copyright 2006. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“ gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlageberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. Die Meinungen können von Einschätzungen abweichen, die in anderen von der Deutsche Bank veröffentlichten Dokumenten, einschließlich Research-Veröffentlichungen, vertreten werden. Die vorstehenden Angaben werden nur zu Informationszwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. 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