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Neue Entwicklungen der LH2- und LNG-Kryotechnik für den Einsatz in Kraftfahrzeugen
Dr.-Ing. Ulrich Bünger, Ottobrunn
VDI-Seminar Kryotechnik, Karlsruhe, 24.-26. Februar 1999
1. Einleitung
Der Alternativkraftstoff Flüssigerdgas (LNG) wird heute nur in wenigen kommerziellen Einzelfällen wie z.B. zum Betrieb von
Stadtbussen in den USA eingesetzt [Nimocks, 95]. Für mit Flüssigwasserstoff (LH2) betriebene Fahrzeuge ist bisher kein
kommerzieller Einsatz bekannt. Die Serienreife, hier zunächst für zentral betankte Fahrzeugflotten, wird zwar von einigen
Interessengruppen verfolgt, erfordert aber noch umfangreiche Entwicklungstätigkeiten.
Nach einer intensiven Forschungs- und Entwicklungsphase an kryogenen Kraftstoffspeichersystemen für Straßenfahrzeuge in
den 70er und 80er Jahren insbesondere in Deutschland, USA und Japan wurden die Fördermittel wieder stark gekürzt. Dennoch
sind einige interessante Weiterentwicklungen sowohl an LH2- als auch an LNG-Systemen zu beobachten.
An anderen Stellen wurden bereits Übersichten über aktuelle Entwicklungen und Projekte für den Piloteinsatz von LNG und LH2
als Fahrzeugkraftstoff vorgestellt [Bünger, 98-1], [Wurster, 97]. Dieser Beitrag schildert eine Anzahl aktueller richtungsweisender
Entwicklungen für tankstellen- und fahrzeugseitige Kryosysteme entlang der Kraftstoffversorgungskette, die die Einführung von
LNG oder LH2 beschleunigen könnten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den technologischen Aspekten. Durch den Hinweis auf
andere Literaturstellen wird jeweils Zugang zu detaillierteren Informationen gegeben.
Die folgende Darstellung orientiert sich an den Elementen der in Abb. 1 gezeigten kryogenen Kraftstoff-Versorgungskette,
bestehend aus Erzeugung, Transport und Verteilung, Tankstelle und Fahrzeugsystem. Wo erforderlich wird dabei nach LH2 und
LNG unterschieden, obwohl einige Entwicklungen sich wegen der Ähnlichkeit der Technologie auf LH2 und LNG beziehen.
Abb. 1 Wesentliche Elemente einer Versorgungskette kryogener Kraftstoffe
2. Erzeugung
Der für die Kryotechnologie interessanteste Teil der Erzeugung von LNG bzw. LH2 ist die Verflüssigung. Sie kann grundsätzlich
zentral als auch dezentral erfolgen. In Systemen mit wachsenden Anteilen alternativer Kraftstoffe ist mit einer Mischung beider
Versorgungspfade zu rechnen. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen an die zu Grunde liegenden Technologien.
LNG
Die großtechnische Herstellung von LNG als Energieträger für den Welthandel stützt sich auf bekannte Prozesse und erfolgt an
Orten mit kostengünstigen Erdgasförderquellen und fehlenden lokalen Märkten oder in Peak-Shaving-Anlagen mit
Verflüssigungsleistungen von 100 bis 10.000 tLNG/d. Wesentliche Entwicklungsziele werden hier hauptsächlich in der
Kostenreduktion gesehen, die auf etwa 15 % gegenüber heute entlang der LNG-Versorgungskette gesehen werden [Tijm, 95].
Alternativ zur zentralen großtechnischen Verflüssigung wird seit einigen Jahren auch der Einsatz dezentraler, z.B.
tankstellenseitiger, Verflüssiger erwogen. Mit Tankstellenverflüssigern lassen sich insbesondere Straßen- oder
Schienentransporte gefährlicher Güter vermeiden oder reduzieren. Außerdem könnte diese Technologie dem wirtschaftlichen
Interesse der Gasversorger an einer Kompensation der sinkenden Erdgasnachfrage für Heizzwecke im engmaschigen
europäischen Erdgastverteilnetz dienen.
Verflüssiger der einem typischen Tankstellenbedarf angemessenen Größenordnung 1-10 tLNG/d können z.B. StirlingKryogeneratoren oder magnetokalorische Verflüssiger sein, die sich einem wachsenden Kraftstoffbedarf modular anpassen
lassen. Während wenig komplexe Stirling-Aggregate bereits seit Jahrzehnten mit großem Erfolg als Laborverflüssiger für kleine
Mengen höhersiedender Kryogene eingesetzt werden [Dioguardi, 96], befinden sich Verfahren der magnetokalorischen
Verflüssigung noch in einer frühen Entwicklungsphase [Gscheidner, 97]. Erste praxisnahe LNG-Verflüssiger werden in etwa 3
Jahren erwartet [Barclay, 99].
Trotz der mehrfach von interessierten Unternehmen untersuchten Einsetzbarkeit der Stirling-Generatoren [Vie, 95] kam bisher,
hauptsächlich wegen der komplexen Gasaufbereitungstechnik, noch kein Aggregat in einer realen Anwendung zum Einsatz. Ein
mögliches Versorgungskonzept zeigt Abb. 2. Sowohl in den USA als auch in Deutschland wurden Kostenreduktionspotentiale
durch Serienfertigung der Stirling-Kleinverflüssiger untersucht [Theunissen, 99]. Diese sind beträchtlich, so daß in Deutschland
auf Basis heutiger Erdgaspreise mit Benzin vergleichbare Kraftstoffkosten erzielt werden könnten.
Übergeordnete Entwicklungsziele magnetokalorischer Kleinverflüssiger sind der Verzicht auf treibhausrelevante Kältemittel und
die Steigerung heute nur großtechnisch erreichter Wirkungsgrade auch in Kleinverflüssigern. Grundlage des magnetokalorischen
Kühlprinzips ist die Temperaturabsenkung in Folge der Änderung eines magnetischen Feldes, das durch die Änderung der
Wärmekapazität eines geeigneten Materials hervorgerufen wird. Eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz
der Magnetokalorik ist die Entwicklung supraleitender Magnete. Abb. 3 zeigt beispielhaft die 4 Arbeitstakte eines vollständigen
Zyklus in einem magnetokalorischen Kältegenerator.
Bei der magnetokalorischen Verflüssigungstechnik kam es 1997 in den USA zu einem Durchbruch in der Forschung. Am AMESForschungslabor wurde ein verstärkter Kühleffekt von mit Silizium und Germanium legiertem Gadolinum (Gd5Si2Ge2) durch
Variation der Legierungsbestandteile erzielt, in dem Temperaturen von 20K bis 290 K einstellbar sind [Pecharsky, 97]. Mit
Wasser als Kältemittel wurde ein 4-fach stärkerer Effekt gemessen als beim magnetokalorischen Effekt von Eisen.
Ein von Astronautics in den USA auf Basis der AMES-Entwicklung konstruiertes Kühlaggregat für mäßige Kühltemperaturen wírd
derzeit im Langzeittest erprobt. Die praktische Umsetzung des magnetokalorischen Effektes insbesondere für kryogene
Temperaturen steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Mit sinkender Kühltemperatur steigt der Verflüssigungsaufwand (Abb.
4), so daß für die Verflüssigung von LNG etwa 10 und die von LH2 etwa 15 konsekutive Prozeßstufen erforderlich sind. Eine
konkrete Umsetzung der Forschungsergebnisse wird von AMES nicht in den nächsten 5 Jahren erwartet.
Bereits früher hatte [Barclay, 91] die magnetokalorische Verflüssigung von Erdgas und Wasserstoff zur Kraftstoffherstellung
untersucht, jedoch nie einen nutzbaren Kleinverflüssiger gebaut. Der wesentliche Grund dafür war die zu kleine
Temperaturspanne pro Prozeßstufe und damit die Komplexität eines vielstufigen Verflüssigers. Insgesamt werden vergleichbare
Verflüssigungswirkungsgrade für LH2 und LNG auch in kleinen Einheitsgrößen für möglich gehalten.
Eine weitere, im Potential jedoch eher auf Nischen beschränkte, Erdgas-Verflüssigungstechnologie ist die Verwendung nicht
genutzter Kälte aus stationär gespeichertem Flüssigstickstoff (LN2). Diese Technologie eignet sich besonders für die Versorgung
von LNG- oder LCNG-Tankstellen an Standorten, die nicht weiter als 20 km vom LN2-Kunden entfernt sind. Abhängig vom
Mengengerüst kann die Versorgung einer Tankstelle auch von zwei oder mehreren LN2-Kunden aus erfolgen. Die LN2kundenseitige Installation besteht dann lediglich aus den Komponenten Wärmetauscher und LNG-Tank. Die Tankstelle wird mit
einem LNG-Trailer, der ein oder mehrere Tankstellen bedienen kann, versorgt. Besonderer Vorteil dieses Konzeptes ist die
Kopplung von niedrigen LNG-Erzeugungskosten (geringe Anlagenkomplexität) mit der erzielten Emissionsreduktion
klimawirksamer Gase durch die Nutzung anderweitig ungenutzter Verflüssigungsenergie.
LH2
Außer den oben beschriebenen Überlegungen zur Entwicklung magnetokalorischer Verflüssiger wurden in den letzten Jahren
keine maßgeblichen technischen oder wirtschaftlichen Durchbrüche bei der Verflüssigung von Wasserstoff erzielt. LH2 läßt sich
auch heute nur in Großverflüssigern nach dem Claude-Verfahren mit ein- oder zweistufiger Kältemittel-Vorkühlung (LN2) und
anschließender Entspannung und LH2-Bad herstellen [Bracha, 93]. Eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit wird nur durch die
Heraufskalierung der bestehenden Anlagentechnik erzielt, z.B. durch den Einsatz gasturbinengetriebener Verdichter oder die
Nutzung der bei Entspannung entstehenden Energie. Machbarkeitsuntersuchungen im Rahmen des japanischen WE-NETProgrammes zur Einführung von Wasserstoff in die Energiewirtschaft haben ergeben, daß das künftige
Effizienzsteigerunsgpotential bei Großverflüssigern mit 300 tLH2/d im Vergleich von Claude-, Helium-Brayton-, und Neon-Brayton
Prozeß in einer Verminderung des auf das Produkt bezogenen Energieeinsatzes von 30 auf 20% liegt [Matsuda, 97].
3. Transport und -Verteilung
LNG
Die Verdampfungswärme von LNG ist um 14% größer und die Siedetemperatur um 91K höher als die von LH2, wodurch die
Temperaturdifferenz zur Umgebung (15 °C) um ca. 34% geringer ist. Aus diesem Grund stellt der Transport von LNG im
Verhältnis zu LH2 geringere Anforderungen an Tank- und Speicherisolationen. Die gemäßigten thermischen Bedingungen lassen
z.B. den Einsatz verschiedener Isolationstechniken zu.
So können für zeit- oder verdampfungsunkritische Anwendungen, insbesondere in Großbehältern wie Stationärtanks und
Eisenbahntrailern, Pulver- oder Faserisolationen verwendet werden, in kleinen Fahrzeugtanks dagegen auch
Vielschichtisolationen zur Erreichung möglichst langer Haltezeiten. Technologische Innovationen waren in letzter Zeit hier nicht
zu verzeichnen. Übergeordnetes Ziel war vielmehr eine Fertigungskostenreduktion durch Teilautomatisierung und Verwendung
von Standardbauteilen [MVE, 92].
LH2
Obwohl einerseits wie z.B. in den USA ein Trend zur lokalen Wasserstoffversorgung industrieller Kunden aus kleinen dezentralen
Erdgas-Dampfreformern zu verzeichnen ist, erfordert die Konzeption von Energiesystemen mit regenerativem Wasserstoff auch
weiterhin die Entwicklung kryogener Transport- und Speichertechniken für große Mengen LH2. Der containerisierte LH2Transport ist in USA und Europa noch immer das Standard-Transportverfahren. Der weltweite Markt wird von der Air Products
Tochter Gardner Cryogenics quasi monopolistisch beherrscht.
Den Status-Quo der LH2-Container bildet ein 12’’-Transportbehälter mit etwa 53 m³ Inhalt, dessen Fassungsvermögen
gegenüber bisherigen Behältern um 20% von 45 m³ gesteigert wurde (Abb. 5). Er ragt jedoch über das Standard-Containermaß
hinaus, so daß er auf Containerschiffen nur als Sonderfracht in der obersten und darüberhinaus in Längsrichtung offenen
Transportlage befördert werden kann. Der Wärmeeintrag in den LH2-Kryocontainer beträgt etwa 0,5%/d [Gardner, 94].
Einige Versuche, ähnliche Container in Europa zu entwickeln, scheiterten bisher am mangelnden Bedarf. Zur Zeit plant das
quebeckische Unternehmen H2T eine Container-Eigenentwicklung mit dem Interesse der Versorgung europäischer Kunden mit
kostengünstigem regenerativem LH2. Die Ergebnisse einer technisch-wirtschaftlichen Untersuchung, begleitet durch die
deutsche Kryoindustrie, werden in Kürze vorliegen [Altmann, 99].
Derzeit ruhen die Entwicklungsarbeiten an LH2-Transportschiffen wegen des mangelnden interkontinentalen Transportbedarfes
großer LH2-Mengen. Keines der technologisch interessanten LH2-Transportschiffkonzepte für Großbehälter mit zusammen netto
je 15.000, 115.000 bzw. 200.000 m³ LH2 konnte bisher realisiert werden. Während die deutschen Projekte neben der
konventionellen Isolierung (Perlitschüttung, bzw. MLVSI-Box-/Schaum-Sandwichkonzept ) durch ein neues
Ladungswechselkonzept (Ausschwimmen von Bargen bzw. Umsetzen der je fünf kompletten Großspeicher mit netto je 3.000
bzw. 23.000 m³ LH2) gekennzeichnet sind [Würsig, 98], basiert das japanische Konzept auf einem konventionellen
Flüssiggastanker mit Umfülleinrichtungen im Belade- und Entladeterminal [Ohtsubo, 95].
In Vorbereitung der Großtankauslegung wurden an einem 61 m³LH2 Tank Experimente zum Druckaufbau im geschlossenen
Behälter durchgeführt, die insbesondere hervorbrachten, daß
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der Massentransport von der Flüssigkeit ins Gasvolumen,
die Materialwahl des Innenbehälters durch ihre Wärmekapazität insbesondere bei abnehmendem Flüssigvolumen und
der starke Temperaturgradient in der obersten Flüssigkeitslage bei geschlossenem Behälter
eine bedeutende Rolle spielen [Petersen, 97].
Die Konzeption erster Verteilvektoren für LH2 aus regenerativen Quellen als Fahrzeugkraftstoff sollte zwei Bedingungen erfüllen:
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möglichst geringer Verlust des Flüssigproduktes und
modularer Einstieg und Erweiterung der Transportmengen.
Für eine mögliche Aufbauphase mit kleinen verteilten Bedarfsmengen kommt daher zunächst nur ein containerisierter LH2Transport z.B. aus kanadischer Wasserkraft oder patagonischer Windkraft mittels Zuladung auf gewöhnliche Containerschiffe in
Frage. Dieses war auch das Ergebnis einer früheren Analyse des LH2-Imports aus Norwegen [Andreassen, 92].
4. Tankstelle
LNG
Wesentliche Neuerungen für LNG/LCNG-Tankstellen ergeben sich aus in ersten Pilotprojekten gesammelten Umsetzungs- bzw.
Anwendererfahrungen. Der Wunsch nach möglichst geringem Platzbedarf der Tankstelle führte zu Konzepten mit entweder
senkrechter oder erdgedeckter Aufstellung der Speicherbehälter.
Während die senkrechte Aufstellung keine technische Innovation beinhaltet, gingen der erdgedeckten Aufstellung sowohl in den
USA als auch in Europa einige grundlegende Untersuchungen voraus (Abb. 6). Trotz der wachsenden Installationskosten
erdgedeckter Speicher führt die Minderung der vom Regelwerk geforderten Sicherheitsabstände zu deutlich reduziertem
Flächenbedarf der Tankstelle. Lediglich beim Befüllen des Behälters ist ein Sicherheitsabstand einzuhalten, im Entnahmebetrieb
kann der Behälter sogar überfahren werden.
Wesentliche Herausforderung der erdgedeckten Tankaufstellung ohne Zwischenraum ist die Gefahr des Ausfrierens
angrenzenden Erdreichs auf Grund der ständig entzogenen Wärme. Nach neuesten unveröffentlichten amerikanischen
Untersuchungen stellt dieses jedoch kein grundlegendes Problem dar. Lediglich die Zugänglichkeit der Armaturen des oder der
liegend aufgestellten Behälter(s) zu Inspektionszwecken ist zu gewährleisten.
In den USA können bereits mit ersten realisierten Tankstellen Betreibererfahrungen gesammelt werden. In Deutschland liegen
zwar konkrete Angebote für ein Pilotprojekt vor, das jedoch erst bei hohen Tankfrequenzen rentabel wird. Für diese ist zur Zeit
noch kein Bedarf zu erkennen, da der Absatz von CNG-Fahrzeugen insgesamt stagniert. Erst bei größeren Stückzahlen können
LCNG-Tankstellen ihren wirtschaftlichen Vorteil des verringerten Speicher- und Kompressionsenergiebedarfs gegenüber CNGTankstellen ausspielen [Bräutigam, 96].
Ein wesentliches Entwicklungsziel für den Einsatz von LNG im Fahrzeug war die Tankbefülldauer. Deren Minimierung erforderte
die Entwicklung einer neuen Fahrzeugtank-Kupplungsgeneration. In einem ersten Schritt wurden die in den USA verbreiteten
zweiäugigen Befüllsysteme durch einäugige ersetzt. Auch in den einäugigen Systemen muß die Möglichkeit der Ventilation
verdrängten kalten Gases bestehen.
Hierzu bieten sich zwei Verfahren an, die heute beide im Einsatz sind. Zum einen kann der Fahrzeugkryotank intermittierend
befüllt werden. D.h. nach Erreichen eines Grenzdruckes wird die Flüssigbefüllung zunächst gestoppt und kaltes Gas ventiliert.
Dieser „Pendelbetrieb" ist jedoch sehr zeitaufwendig. Ein alternatives Konzept sieht konzentrische Befüll- und
Ventilationsleitungen vor, die den Wärmeeintrag in die innenliegende Kryoleitung minimieren helfen.
Voraussetzung niedriger Ventilationsverluste in beiden Kryobetankungskonzepten ist die Druckminderung im relativ warmen Gas
zu Beginn der Befüllung. Diese wird durch unterkühlt als Flüssignebel eingetragenes Kryogen erreicht, das die Temperatur
verdampfter Flüssigkeit im Gaspolster des Fahrzeugbehälters wieder in Siedenähe bringt, so daß Flüssigkeit bei niedrigem Druck
nachgefüllt werden kann. Dieses Betankungsverfahren erfordert jedoch die Verfügbarkeit unterkühlten Kraftstoffes an der
Tankstelle.
Die Firma Linde hat hierzu z.B. das in Abb. 7 gezeigte Verfahren entwickelt, das LNG durch einen Wärmetausch mit
tiefersiedendem LN2 direkt bei Befüllen in den Fahrzeugbehälter unterkühlt. Neben dem eigentlichen stationären LNG-Behälter
ist tankstellenseitig daher ein zweiter, kleinerer LN2-Behälter vorzusehen. Er kann z.B. gleichzeitig mit einer Anlieferung von LNG
nachgefüllt werden.
Im zweiten Entwicklungsschritt wurden sowohl von Linde als auch Messer (Abb. 8) Kupplungen für erhöhten LNG-Durchsatz
entwickelt, die ohne die Verfügbarkeit von Spülgasen wie He gekuppelt werden können. Dieses erfordert eine luftfreie Kupplung
von Stationär- und Fahrzeugkryotank durch eine entsprechende Geometrie der Berührungsflächen. Diese Kupplungen werden
dann auch als „kalt ziehbar" bezeichnet, da sie sofort, d.h. ohne weitere vorbereitende Maßnahmen, nach dem Kuppeln
funktionsbereit sind. Sie wurden für volumetrische Durchsatzraten realisiert, die Benzin und Diesel vergleichbare Befüllzeiten
erlauben. Bei der Linde-Kupplung sorgt z.B. ein Kugelventil für die vollständige Öffnung des Leitungsquerschnittes zur
Minimierung der Strömungswiderstände [Bünger, 97].
Die interessante Nische der Erdgasverflüssigung durch Wärmetausch mit nicht genutzter Kryokälte aus LN2 wurde bereits oben
beschrieben. Das so erzeugte und stationär zwischengespeicherte LNG kann von Trailern eingesammelt und zu LCNGTankstellen transportiert werden. Die zugehörige Tankstelle besteht dann aus den Komponenten
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LNG-Tankfahrzeug und
LNG-Tankstelle mit Stationärtank, Kryopumpe und Zapfsäule.
Mit dieser Tankstellentechnik können sowohl LNG- als auch Druckerdgasfahrzeuge (CNG) versorgt werden. Dazu sind statt
eines Erdgashochdruckverdichters lediglich Kryopumpe und Verdampfer an der Tankstelle vorzusehen. In Deutschland befindet
sich ein Pilotprojekt zur Versorgung einer CNG-Busflotte in der Konzeptionsphase. Vorteile der Tankstelle bestehen in einer
kostengünstigen LNG-Versorgung und CO2-emissionsvermeidenden Mehrfachnutzung andernfalls ungenutzter
Verflüssigungsenergie.
LH2
Am Beispiel der LH2-Tankstellenentwicklung ist der Entwicklungsschub in einer innovativen Technologie zu erkennen, die auch
ohne Aussicht auf kurzfristig kommerziellen Masseneinsatz gefördert wird. Die deutsche Kryotechnikindustrie hat gemeinsam
bzw. für BMW die Entwicklung im Rahmen des Solar-Wasserstoff-Bayern Projektes (SWB) in Neunburg vorm Wald
vorangetrieben. Ergebnis ist die in Abb. 9 gezeigte Reduktion der Betankungsdauer eines 80 lLH2-Fahrzeugbehälters von
ursprünglich einer Stunde auf knapp 3 min [Wetzel, 98]. Neben der Reduktion der Betankunsgdauer konnte auch eine
Vermeidung bzw. Verringerung des boil-off während des Betankungsvorganges von ursprünglich >12% erzielt werden, der bisher
als völliger Kraftstoffverlust gewertet wurde.
Diese Reduktion wurde erreicht durch zwei Maßnahmenkomplexe:
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Minimierung des Wärmeeintrags in LH2 durch
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Wahl von Materialien mit niedriger Wärmekapazität,
Minimierung der Wärmeleitfähigkeit aller mit LH2 in Kontakt stehenden Konstruktionselemente wie z.B.
Ventile,
Auswahl der jeweils besten Isolation zur Verhinderung von Wärmetransport durch Strahlung,
Vermeidung von strömungsquerschnittverengenden Elementen oder turbulenzverursachenden Kanten und
Absätzen und
Vermeidung von konduktivem Wärmeübergang durch Geometrien mit niedrigstem Oberflächen/VolumenVerhältnis und kürzestmöglichem Füllschlauch.
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konstruktive/funktionelle Gestaltung bzw. Abstimmung der fahrzeug- und tankstellenseitigen Kryosysteme durch
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Reduktion der An- und Abkopplungszeiten durch koaxiale Flüssigfüll- und Gasrückführleitung in „Cleanbreak-Ausführung" (d.h. Trennung von Leitung und Tankstutzen ohne vorhergehende Spülung bzw.
Abkühlung),
Vermeidung einer negativen Druckdifferenz von Befülldruck und Gasdruck an allen Orten im Kryogen durch
ständige Kontrolle des Befülldruckes,
Konditionierung der angeforderten Füllmenge durch einen Arbeitstank mit einem Druck niedriger als dem
Fahrzeugbehälterdruck,
Druckreduktion des Fahrzeugbehälterdruckes durch anfängliches feinverteiltes Einsprühen unterkühlten LH2
in den Fahrzeugbehälter,
Rückführung von ggfs. erzeugtem GH2 in tankstellenseitigen Arbeitstank zur weiteren Nutzung.
Mit Erreichen dieser Entwicklungsziele wurde jetzt ein technologischer Stand erreicht, der den Einsatz von LH2 in
Serienfahrzeugen erlauben würde. Für den Praxiseinsatz sind jedoch weitere Arbeiten, wie die Entwicklung einer geeigneten
Kreiselpumpe für schnellen Druckaufbau, erforderlich.
Obwohl aus sicherheitstechnischen Gründen nicht erforderlich, wurde zur weiteren Vereinfachung der LH2-Betankung ein
Tankroboter entwickelt, der eine völlige Automatisierung des Befüllvorganges von der Kopplung über Betankung und Abkopplung
bis hin zur Abrechnung über Chipkarte ermöglicht [Schulz, 97].
Neben einer Entwicklung von BMW und Daimler-Benz gemeinsame mit ARAL werden an anderen Orten wie z.B. in Kalifornien,
in Schweden und in München erste Tankroboter bereits für Benzin eingesetzt. Mit höheren Durchflußmengen wird der
Betankungsvorgang von Benzin von 4 auf 2 min reduziert. Dieses entspricht auch etwa der Befülldauer eines 120 l LH2Kraftstoffbehälters. Die Entwickler sind jedoch auch darauf bedacht, einen Zusammenhang von LH2-Betankung und
Roboterisierung zu vermeiden, um unberechtigte Ängste vor einem erhöhten Risiko im Umgang mit LH2-Fahrzeugen in der
Öffentlichkeit zu vermeiden.
Die LH2-Versorgung von Tankstellen kann wie heute üblich durch Trailer und Umfüllen in stationäre Kryotanks erfolgen.
Alternativ wird erwogen, etwaige Abdampfverluste durch die Vermeidung von Umfüllvorgängen zu verringern. Dieses Ziel verfolgt
ein kanadischer Hersteller, der durch eine Kostenreduktion von 40 ft (ca. 45 m³LH2) Kryocontainern ein Wechselbehältersystem
wirtschaftlich machen will (heute angebotene Kryocontainer kosten etwa doppelt so viel wie vergleichbare stationäre Lagertanks).
5. Fahrzeugsystem
LNG
Im Fokus der Entwicklungen an fahrzeugseitigen Kryosystemen steht die Kostenreduktion durch die KryokraftstoffbehälterSerienherstellung. Ein wesentlicher Ansatz besteht in der Vereinheitlichung von LNG- und LH2-Systemen, um möglichst große
Stückzahlen zu erzielen, obwohl zunächst die Perspektive eines breiten Markteinsatzes fehlt. Ein erster potentieller Serienabsatz
wird jedoch für Kalifornien erwartet.
Die neuesten H2-Fahrzeuge von BMW wurden, um die Ähnlichkeit der Infrastrukturtechnologien zu demonstrieren, mit
kombinierten LNG/LH2-Behältern ausgerüstet [Geier, 98]. Technologisch optimal sind diese Behälter jedoch nicht, da sie wegen
des spezifisch höheren Gewichts von LNG eine stabilere Innenbehälteraufhängung aufweisen und sich daher durch einen für
den LH2-Einsatz unverhältnismäßig hohen Wärmeeintrag auszeichnen. Auf der anderen Seite können mit diesen
Hybridbehältern wegen der wesentlich höheren thermischen Anforderungen von LH2 im LNG-Einsatz Haltezeiten von bis zu 2
Wochen erzielt werden.
Über erste Entwickler- und Anwendererfahrungen mit innovativen Kryofahrzeugprojekten von LNG-PKW mit Reichweiten von
700 km und 14 Tagen Haltezeit bis zu LKW-Lokomotiven und LNG-betriebenen Autofähren wurde an anderer Stelle bereits
ausführlich berichtet [Bünger, 98-1]. So wurde z.B. auf der Suche nach interessanten Nischenanwendungen für die Erschließung
erster Fahrzeugflotten von der Firma Messer für den Lebensmitteldistributor Rewe ein 17 to LKW von MAN auf LNG-Betrieb
umgerüstet. Besonderheit ist die Nutzung der im Kraftstoff LNG enthaltenen Verflüssigungsenergie zur Kühlung des
transportierten Kühlguts (siehe Abb. 10).
LH2
Wesentliche LH2-Fahrzeug-Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten haben sich in den letzten Jahren auf die Vorbereitung von
Kleinserien und eine entsprechende Ertüchtigung der Komponenten und hier insbesondere der Kraftstoffbehälter konzentriert.
Eine seit einigen Jahren in der Forschung befindliche Entwicklung der Firma Messer und Hoechst gemeinsam mit der TU
y
Braunschweig und Universität Göttingen zielt auf die Reduktion des Wärmeeintrags in den Behälter durch Wärmeleitung über
Wärmebrücken der Innenbehälteraufhängung. Der in Abb. 11 gezeigte 90 l LH2-Kraftstoffbehälter wurde im letzten Jahr als
erstes konkretes Ergebnis vorgestellt. Sein Innenbehälter stützt sich berührungs- und damit wärmeverlustfrei über Supermagnete
an der Außenhülle ab [Schwarzburger, 98].
Die so reduzierten Wärmeverluste erlauben eine Haltezeit von etwa 6 Tagen, bis der gesamte Wasserstoff aus dem Tank
abgedampft ist. Hauptbestandteil dieser Behälter ist eine supraleitende Keramik (z.B. YBa2Cu3O7), die bei ca. 90 K supraleitende
Eigenschaften aufweist und damit in der Lage sind, ein äußeres magnetisches Feld festzuhalten [Kesten, 98-2]. Mit
zunehmendem Abstand von der Sprungtemperatur nehmen die Flußverankerungskräfte noch zu, so daß für LH2 (21 K) ein sehr
tragfähiges 3-dimensional tragendes Kissen entsteht. Mit dem Versuchsbehälter konnte der ursprüngliche Wärmeeintrag um ca.
50% verringert werden.
Um die während der Fahrt unvermeidlichen Stöße aufzufangen, wird der Innentank während der Fahrt mechanisch verriegelt,
was jedoch wegen des ohnehin erwünschten höheren Druckes im Fahrbetrieb keine Auswirkung auf die Haltezeit hat. Wegen
des geringen spezifischen Gewichtes von LH2 (70,8 kg/m³) sind die Ergebnisse nur eingeschränkt auf LNG-Behälter zu
übertragen.
Ein zweiter wesentlicher Entwicklungsaspekt bei Fahrzeugkryobehältern wurde bereits von der DLR im Jahre 1982 aufgegriffen
[Peschka, 96]. Der Vorschlag beinhaltete die Konstruktion nicht zylindrischer Kraftstoffbehälter aus Kompositmaterial mit dem
Ziel, den verfügbaren Platz, gewöhnlich zwischen den Hinterrädern, besser auszunutzen. Dadurch kann eine uneingeschränkte
Durchladung sperriger Güter in PKW bzw. die Unterflurmontage von Kryobehältern für Stadtbusse realisiert werden.
Während bei den Überlegungen der DLR die in Abb. 12 gezeigte Geometrie zugrunde gelegt wurde, sah ein alternativer Entwurf
die in Abb. 13 gezeigte Kryoisolation mehrerer einzelner zylindrischer Behälter in einem gemeinsamen Außenbehälter vor
[Bünger, 96-1].
Möglich ist auch eine Kombination beider Konzepte. Der Behälterinnendruck, der im typischen LH2-Fahrbetrieb etwa 1,5-5,
maximal jedoch ca. 10 bar betragen kann, würde durch die Innenbehältergeometrie aufgefangen. Die evakuierte nicht druckfeste
Isolierung wird gegen den Umgebungsdruck wie im DLR-Vorschlag durch zwischen den Innenbehältern vorgesehene Stützen
entlastet. Diese tragen dann nicht zum Wärmeeintrag in den Innenbehälter bei. Dieses Konzept würde sich z.B. zur
Unterflurmontage von LH2-Behältern in Brennstoffzellenfahrzeugen anbieten.
Weiter in der Zukunft liegt dagegen die Realisierung einer Idee, die durch ein konsequentes Weiterdenken der LCGH2Technologie zu Kryodruckbehältern führt. Statt den Kryokraftstoff lediglich flüssig in den tankstellenseitigen Verdampfer zu
pumpen, aus dem kaltes Gas unter Druck in den CGH2-Fahrzeugtank strömt, ließe sich der Kraftstoff kryogen in den
Fahrzeugtank füllen, wo er sich dann entspannt.
Kritische Aspekte von Kryodruckbehältern sind
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z
die richtige Befüllmenge, die zur Vermeidung von Ventilationsverlusten so zu wählen ist, daß nach Erreichen der
Umgebungstemperatur im Behälter der maximal zulässige Betriebsdruck nicht überschritten wird und
die richtige Behältermaterialwahl, die einen sicheren zyklischen Behälterbetrieb bei gleichzeitig auftretenden kryogenen
Temperaturen und hohen Drücken gewährleistet.
Idealisiert ließe sich mit diesem Befüllverfahren die Abfüllung aller Kryogene in industrielle Druckflaschen revolutionieren. Vorteile
dieser Entwicklung sind die sehr kurze Befüllzeit und der konstruktiv geringe Aufwand der Befüllanlagen. Nachteile bestehen in
den hohen Kosten jeder Druckflasche (zur Erzielung niedriger Gewichte eignen sich dazu nur Kohlefaserverbundwerkstoffe) im
Vergleich zur Verwendung der heute üblichen Stahlsorten.
Der Kryodruckbehältereinsatz wirkt sich tankstellen- und fahrzeugseitig vorteilhaft aus. Eine kürzlich in den USA durchgeführte
Analyse von Kryodruckbehältern zeigt, daß bei einem PKW mit geringem Kraftstoffverbrauch bereits ab Fahrstrecken von 15
km/d kein Boil-off mehr zu erwarten ist (Abb 14) [Aceves, 98]. Sollte nach längeren Standzeiten dennoch H2 zur Druckreduktion
abgegeben werden, würde auch im ungünstigsten Fall noch 1/3 der maximalen Füllmenge im Tank verbleiben. Eine
Rückkühlung angewärmter Behälter auf kryogene Temperaturen ist außerdem unproblematischer als bei reinen
Umgebungstemperaturbehältern.
Grundlage der Untersuchung war der Vergleich kryogener LH2-Niederdruckspeicher mit isolierten LH2-Hochdruck-, isolierten
CGH2-Tieftemperatur- (80 K) und Umgebungstemperatur-Speichern mit jeweils 5 kg LH2 Fassungsvermögen und 248 bar. Als
Isolationsmaterial wurden Mikrokugeln oder MLVSI angenommen.
Mit dem Einzug von Teil- und Vollverbundflaschen in die Druckspeichertechnologie bei CNG- und CGH2-Fahrzeugen mit
Betriebsdrücken von bis zu 350 bar wich die grundsätzliche Scheu vor noch höheren Systemdrücken auch in Fahrzeugbehältern
(z.B. 700 bar) [Kesten, 98-2].
Nimmt man für das oben vorgestellte Modell der Kryobefüllung von Druckbehältern den oberen Grenzwert eines maximalen
Druckaufbaus ohne Isolation an, so entsteht über das oben angedachte Kryodruckbehälterkonzept hinaus das Gedankenmodell
eines hybrid betriebenen Höchstdruck-Kryobehälters, der aus Gewichtsgründen ebenfalls in Carbonfaser-Vollverbundtechnik
ausgeführt werden müßte [Messer, 97]. Ein Liner sorgt für die diffusionsdichte Speicherung des kryogen befüllten Inhalts. Er
müßte in der Lage sein, die Kontraktion/Elongation bei kryogener Abkühlung bzw. zugelassenen Betriebsdrücken elastisch
aufzufangen.
Die Besonderheit so beschaffener isolierter Kryodruckbehälter ist die Möglichkeit, je nach Versorgungsinfrastruktur mit LH2(LNG)
oder CGH2 (CNG) befüllt zu werden. Da CGH2-(CNG-) Tankstellen wegen der erforderlichen Kompressorleistungen auch in
Zukunft nur begrenzte Drücke (z.B. 350 bar) liefern können, ist die Reichweite im reinen Druckgasbetrieb eingeschränkt, genügt
jedoch zum Anfahren der nächsten LH2- (LNG-) oder CGH2- (CNG-) Tankstelle. LNG/LH2 würde immer nur dann getankt, wenn
lange Fahrtstrecken zu bewältigen sind, für die Kurzstrecke genügt das kostengünstigere Befüllen mit CNG/CGH2.
Ein weiterer Vorteil der vorgeschlagenen Konstruktion ist, daß der Begriff Haltezeit seine den täglichen Behältereinsatz
einschränkende Bedeutung verlieren würde. Der Wärmeeintrag in den Kryobehälter führt zwar ebenso zum Anstieg der
Behälterinnentemperatur und damit zu einem dem Gleichgewicht entsprechenden Druck, der wegen des hohen zulässigen
Betriebsdrucks jedoch keine Ventilation erfordert. Mit einem derart beschaffenen Kryobehälter könnten sich mit einem PrivatPKW Benzinfahrzeugen vergleichbare Reichweiten realisieren lassen. Zur Zeit werden erste Materialuntersuchungen und
konstruktionstechnische Auslegungsrechnungen durchgeführt.
Eine weitere Verbesserung der Kryodruckbehälter könnte durch den Einsatz lasttragender Kryoisolationen (wie z.B. evakuierter
Nano-Pulver- oder -Faserisolationen) erzielt werden (Abb. 15). Durch ihren Einsatz ließen sich die tatsächlichen Betriebsdrücke
über längere Zeiten niedrig halten.
Der Vorteil gestützter Isolationen ist die Verwendung preiswerter Behältermaterialien (diffusionsdichte Kunststofffolien), die zu
niedrigeren Behälterfertigungskosten führen und im Falle einer Leckage im Innenbehälter zu Reparaturzwecken leicht wieder
entfernt werden können. Nachteil dieser leichten Materialien (z.B. kaschierte PE-Folie) ist ihre bedingte Eignung aus
sicherheitstechnischer Perspektive. Eine detaillierte Analyse zeigte, daß ihr Einsatz wegen der nach unten begrenzten
Wärmeleitfähigkeit von ca. 1-2 mW/(m K) in LNG-Behältern, jedoch nur in Ausnahmefällen (z.B. LH2-Cryoplane) in LH2-Behältern
sinnvoll ist [Bünger, 96-2].
Nachdem sich in den letzten Jahren nur BMW intensiv um den Einsatz von LH2 im Verbrennungsmotor-PKW bemüht hat, wächst
erneut das Interesse an der LH2-Speicherung in PKW mit Brennstoffzellenantrieb. Zu diesen zählen z.B. das europäische
Entwicklungsprojekt auf Basis des Renault Laguna [Griesemann, 97] und der Entwurf eines BMW 316 (Abb. 16) mit großer
Reichweite [Braess, 96]. Auch die letzte Serie des Brennstoffzellenfahrzeugs von Daimler-Benz, der NECAR IV, der in Kürze der
Öffentlichkeit vorgestellt wird, wird mit LH2 betankt. Kryotanks für weitere Brennstoffzellenfahrzeuge wurden angefragt. Alle
Fahrzeuge werden jedoch mit Behältern konventioneller Kryotechnik (MLVSI) ausgerüstet.
6. Entwicklungsperspektiven
Es ist auch heute nicht abzusehen, welche alternativen Kraftstoffe, insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklung
verbrauchsgünstiger Brennstoffzellenfahrzeuge, sich in naher Zukunft durchsetzen können. Eng verbunden mit den zur Zeit
aktiven industriepolitischen Konsensbemühungen ist die Frage nach den technischen Entwicklungspotentialen der
Kraftstoffversorgungs- und Fahrzeugsysteme. Pilotprojekte wie das kürzlich zwischen Shell, Norsk Hydro und DaimlerChrysler
vereinbarte Hydrogen World in Island könnten künftig dazu beitragen, wesentliche technologische Entwicklungsimpulse zu geben
[HYWEB, 99].
Andere interessante im harten Wettbewerb mit der Kryospeicherung stehende Technologien befinden sich in der Entwicklung.
Hier ist insbesondere die Graphit-Nanofaserspeicherung (GNF) im Zusammenhang mit H2 zu nennen, die, wenn jemals in
industriellem Maßstab umsetzbar, mit 13,8 kWh/l deutlich höhere Speicherdichten verspricht als die Kryospeicherung mit 1,21
kWh/l [Bünger, 98-2].
Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld für die Kryokraftstoffspeicherung ist die Frage nach Fahrzeugsicherheit und -zulassung in
Europa. In einem aktuellen Prozeß (European Integrated Hydrogen Project EIHP) wird unter Teilnahme zahlreicher europäischer
Fahrzeughersteller das bestehende Regelwerk für die Alternativkraftstoffe Erdgas und Wasserstoff auf Vollständigkeit und
Defizite untersucht [Wurster, 98]. Ergebnis wird ein Vorschlag für die innereuropäische Harmonisierung sein, der zu einer
beschleunigten Einführbarkeit von Kryo- und Druckspeichertechnologien und Infrastruktur beitragen soll. Mit ersten Ergebnissen
wird Ende 1999 zu rechnen sein.
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Abbildung 2 Dezentraler 4-Zylinder Stirling-Erdgas-Kleinverflüssiger für LCNG-Tankstellen (SCR)
Abbildung 3 Vollständiger Kühlzyklus aus 4 Arbeitstakten eines magnetokalorischen Verflüssigers [Gscheidner, 97]
Abbildung 4 Kühl- bzw. Verflüssigungsstufen magnetokalorischer Verflüssiger für verschiedene Anwendungen
[Gscheidner, 97]
Abbildung 5 Transportcontainer für ca. 53 m³ LH2 (Gardner Cryogenics)
Abbildung 6 Erdgedeckte Aufstellung eines Speichertanks für LCNG-Tankstellen (CVI)
Abbildung 7 Fahrzeugbetankung mit unterkühltem LNG mittels LN2 (Linde)
Abbildung 8 Kalt-ziehbare fast-fill Kupplung für kryogene Kraftststoffe (Messer)
Abbildung 9 LH2-Fahrzeugbehälterbefüllung (im Auftrag von BMW und SWB)
Abbildung 10 17 t MAN-Kühlfahrzeug mit LNG-unterstützter Nahrungsmittelkühlung (Messer)
Abbildung 11 90 l LH2-Behälter mit magnetisch aufgehängtem Innenbehälter (Messer)
Abbildung 12 Kryobehälter mit nicht zylindrischer Geometrie (DLR)
Abbildung 13 Kryo-Druckbehälteranordnung im gemeinsamen Isolationsspalt
Abbildung 14 H2-Verluste als Funktion der täglichen Fahrstrecke (5,9 (2,9) l/100 km, 5 kg H2 (oder 19 l Benzin), 320(640)
km Reichweite
Abbildung 15 Fertigungsschritte zur Montage eines Kryobehälters mit gestützter Isolation (Bünger)
Abbildung 16 BMW 316 Konzeptstudie eines PKW mit großer Reichweite (1.000 km)
http://www.hyweb.de/Wissen/vdikry99.html
07.11.2007

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