Globalisierung im Groß- und Einzelhandel - Nationalatlas
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Globalisierung im Groß- und Einzelhandel - Nationalatlas
Globalisierung im Groß- und Einzelhandel Barbara Hahn 쐃 Staaten mit Vertriebslinien deutscher Handelsunternehmen außerhalb Europas 2002 Russische Föderation Kanada Vereinigte Staaten Türkei China Marokko Indien Metro-Gruppe Edeka/AVA-Gruppe Aldi-Gruppe Tengelmann-Gruppe Karstadt-Quelle* Australien * im Ausland nur Versandhandel Autorin: B.Hahn © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 Maßstab 1: 250000000 Im Jahr 2002 setzte der deutsche Großund Einzelhandel 321 Mrd. Euro um. Hiervon entfielen ca. 55% auf die zehn größten Unternehmen �. Der Grad der Konzentration ist somit hoch. Außer den Discountern Aldi und Schlecker sowie dem Großhändler Lekkerland-Tobaccoland führen alle großen Handelsunternehmen mehrere Vertriebslinien. Dies ist besonders ausgeprägt bei der Metro-Gruppe �, zu der u.a. die Großhändler Metro und Berolina, die Real SB-Warenhäuser, die Extra-Verbrauchermärkte, die Galeria Kaufhof-Kaufhäuser, die Elektrofachmärkte Saturn und Media-Markt, der Baumarkt Praktiker und der Sportfachmarkt Sportarena gehören. Die Metro-Gruppe erzielt nur 45% ihres Umsatzes im Lebensmitteleinzelhandel, während z.B. Edeka, Aldi oder die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) in diesem Bereich mehr als 80% des Umsatzes erwirtschaften. 쐇 Umsätze der größten Großund Einzelhandelsunternehmen 2002 Metro-Gruppe Rewe Edeka/ Ava-Gruppe Aldi-Gruppe Schwarz-Gruppe TengelmannGruppe Lekkerland/ Tobaccoland Schlecker Karstadt Quelle* SPAR AG** 0 5 10 15 20 25 30 35 in Mio. e * im Ausland nur Versandhandel ** Freiwilliger Zusammenschluss von Einzelhändlen in verschiedenen Ländern. Es kann daher nicht von Internationalisierung gesprochen werden. © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 100 Motive für die Internationalisierung Die amerikanische Billigkette Woolworth hat bereits zu Beginn des 20. Jhs. nach Kanada und auch nach Europa expandiert, aber die Internationalisierung des Einzelhandels blieb zunächst eher die Ausnahme. Erst in den vergangenen 20 bis 30 Jahren haben Handelsunternehmen zunehmend Märkte im Ausland erschlossen. Besonders groß ist der Grad der Internationalisierung in der Textilwirtschaft, da berühmte Designer eine weltweite Nachfrage schaffen und die Distribution von Textilien einfach ist. Im Vergleich hierzu ist die Internationalisierung des Lebensmittelhandels sehr viel aufwändiger. Die Gründe für die Internationalisierung können vielfältig sein und sind nicht immer bekannt. In Deutschland haben die Umsätze im Handel in den Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Deutschland in der Welt matland aus zu bedienen sind. Weiter entfernt liegende Märkte werden meist erst später erschlossen. Besonders attraktiv sind Länder mit stabilen politischen Strukturen und einem wirtschaftsfreundlichen Klima. Günstig ist auch, wenn der Binnenmarkt groß ist und die Bevölkerung noch wächst, der lokale Einzelhandel nicht sehr entwickelt ist und die Betriebskosten niedrig sind. Der Markteintritt in fremde Länder stellt aber stets ein Wagnis dar, da er auch nach umfangreicher Marktforschung viele Unwägbarkeiten enthält. Insbesondere die weichen Standortfaktoren und das Konsumentenverhalten werden häufig falsch eingeschätzt. vergangenen Jahren stagniert oder waren sogar rückläufig. Die Expansion auf ausländische Märkte ermöglicht eine stärkere Unabhängigkeit von den heimischen Märkten. Stets stellt die Internationalisierung eine Möglichkeit zur Diversifizierung dar. Mehrere Studien haben ergeben, dass die Sättigung des Heimatmarktes weniger bedeutend ist als allgemein angenommen (ALEXANDER 1990). Weit wichtiger scheinen die Wachstumschancen auf den neuen Märkten zu sein. Weiterhin können z.B. die Verteidigung vorhandener Marktanteile im globalen Wettbewerb oder die Risikostreuung durch Präsenz auf mehreren Märkten von Bedeutung sein (CONRADI 1999). Bei der Wahl der Zielländer werden anfangs bevorzugt Nachbarländer gewählt, bei denen die kulturelle Nähe groß ist und die logistisch gut vom Hei- 쐋 Deutsche Handelsunternehmen im Ausland Deutsche Groß- und Einzelhandelsunternehmen haben erst in den vergange- Hauptstandorte und Filialen von Wal-Mart 2003 Wismar Jever Hamburg (2) Oststeinbek Norden B.Kr. Bad Kreuznach Dü. Düsseldorf Es. Essen Ing. Ingelheim R. Rauheim Ra. Ratingen W. Wülfrath Aurich WilhelmsEmden haven (2) Schwerin Ritterhude Bremen (2) Delmenhorst (2) Langenhagen Hannover Celle BERLIN Wolfsburg Braunschweig Wolfenbüttel Pattensen Salzgitter (2) Cottbus GelsenBergkamen kirchen Kempen Es. Dortmund Witten Ra. W. Hagen Dü. Erkelenz Aachen Querfurt Günthersdorf Wuppertal(2) Solingen Leverkusen Köln (2) Heidenau Siegen Jena Gießen Wetzlar Wiesbaden (2) R. Mainz (2) Hauptstandorte Maintal Dreieich Groß-Gerau Bingen Groß-Zimmern Ing. Kenn Bad Darmstadt B.Kr. Würzburg (2) Sobernheim Pfungstadt Ludwigs- Mannheim NeunBexbach hafen kirchen Brühl Homburg Landau i.d. Pfalz Rohrbach Karlsruhe (2) Pforzheim Ettingen Esslingen Staatsgrenze a. Neckar Bühl Ländergrenze Zentrale Distributionszentrum ehem. WertkaufZentrale Ingolstadt Eggenfelden Reutlingen Donaueschingen Freiburg i. Breisgau Singen Sigmaringen Freising Memmingen Mühldorf Burghausen München (2) Weilheim Weingarten Bodensee Autorin: B.Hahn 0 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 25 50 75 100 km Maßstab 1 : 6 000 000 Rosenheim Filialen Übernahme von Wertkauf 1997 Übernahme von Interspar 1998 Neueröffnung 2001-2003 Schließung 1999-2003 쐄 Präsenz deutscher Handelsunternehmen in Europa 2002 Metro-Gruppe Rewe-Gruppe IS Edeka/AVA-Gruppe IS IS FIN FIN S N Raumzeitliche Internationalisierung der Metro-Gruppe 1968 - 2002 IRL B Anzahl der aktiven Vertriebslinien im Land NL B DK F GB I A E L CH P TK GR MA CZ H PL VRC RO BG SK HR RUS IND J VN UA 1970 80 90 2 3 1 2 1 2 3 2 1 1 1 3 2 1 1 3 4 1 2 1 1 1 1 1 1 1 1 CZ A CH F SLO HR I E B UA SK BIH SCG AL BG P MK SLO HR H AL BG P MK N SLO HR I E H AL CZ F RO CH A DK LT GB BY I E B AL GR D CZ BG P MK A CH F RO SCG PL L MD H BG P IRL UA SK SLO HR BIH SLO HR I E UA SK MD H RO BIH SCG AL BG MK GR GR 2000 RUS EST LV PL L MK RUS BY D B MD BIH SCG S NL UA SK FIN LT NL GB PL CH F P IRL BY A IS LV DK LT CZ BG MK Aldi-Gruppe N EST LV D AL CY S RUS EST L RO BIH SCG FIN FIN B I E H CY S NL SLO HR MD GR Anzahl der Vertriebslinien deutscher Handelsunternehmen* nach Staaten IS DK A CH UA SK GR Schlecker GB CZ F CY IRL PL D L RO BIH SCG I E B MD GR N BY NL SK A CH LT GB UA CZ F RO DK PL D L MD IRL BY NL H LV LT GB PL D L P IRL BY NL DK RUS EST LV LT GB RUS EST LV DK S N RUS EST � FIN S N CY CY CY Jahr des Markteintritts © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 Lekkerland/Tobaccoland Tengelmann-Gruppe Schwarz-Gruppe IS IS IS FIN FIN Möglichkeiten der internationalen Expansion Fusion – Zwei oder mehrere Unternehmen schließen sich zu einem großen Konzern zusammen. Joint Venture – Es erfolgt eine Zusammenarbeit mit einem im Ausland ansässigen Unternehmen, von der beide Seiten profitieren können. Lizenzvergabe – Der Lizenzgeber vergibt die Rechte an einer Marke gegen eine Gebühr, verliert aber weitgehend die Kontrolle. Franchising – Der Franchisegeber arbeitet mit lokalen Partnern zusammen. Der Franchisenehmer führt als selbstständiger Einzelhändler mit meist wenigen Freiheiten eigene Geschäfte. nen 20 Jahren Märkte im Ausland erschlossen, wobei die Expansion seit Mitte der 1990er Jahre besonders rasch vorangeschritten ist. Heute sind alle großen deutschen Unternehmen im Ausland durch Geschäfte vor Ort oder IRL RUS B CZ F E A CH SLO HR I B UA SK BIH SCG AL F RO BG P MK GR E CZ A CH SLO HR I durch den Versandhandel (KarstadtQuelle) vertreten �. Besonders beliebt ist Österreich, gefolgt von Spanien, der Tschechischen Republik und Italien. Der Anteil des im Ausland erzielten Umsatzes ist nicht in allen Fällen bekannt, lag aber z.B. 2003 bei der MetroGruppe bei ca. 44% (1997: nur 5%). KarstadtQuelle setzt schon heute in Deutschland weniger als im restlichen Europa um. Da bei vielen Unternehmen die Umsätze im Ausland heute weit schneller wachsen als in Deutschland, wird der heimische Markt immer mehr an Bedeutung verlieren. In neuerer Zeit haben deutsche Großund Einzelhändler insbesondere nach Osteuropa, zunehmend aber auch auf BY B UA SK F RO BIH SCG PL D CZ L MD H AL LT GB NL BG P MK E A CH SLO HR I Autorin: B.Hahn UA SK MD H RO BIH SCG AL GR BG MK GR CY CY CY © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 DK PL D L MD IRL BY NL H LV LT GB PL D L P IRL DK RUS EST LV BY NL RUS EST LT GB S N LV DK FIN S N EST Organisches Wachstum – Im Ausland werden eigene Geschäfte eröffnet. Die Expansion erfolgt nur langsam. Das Unternehmen hat größtmögliche Kontrolle über Auslandsaktivitäten und freie Standortwahl. Acquisition – Es werden Teile von Unternehmen oder ganze Unternehmen im Ausland gekauft. Diese Expansion ist kostenintensiv, sichert aber schnell große Marktanteile. S N * einschließlich: Karstadt Quelle (im Ausland nur Versandhandel) Spar-AG (Freiwilliger Zusammenschluss von Einzelhändlern in verschiedenen Ländern. Es kann daher nicht von Internationalisierung eines deutschen Unternehmens gesprochen werden.) andere Kontinente expandiert. Die Expansion in Nachbarländer wird immer mehr von einer Globalisierung abgelöst. Selbst vor der Eroberung der Märkte in Indien, Vietnam oder Russland schrecken deutsche Handelsunternehmen nicht mehr zurück 쐃. Derzeit verfolgen insbesondere die Discountgeschäfte der Schwarz-Gruppe und Schlecker eine sehr aggressive Expansion ins Ausland. Es darf nicht übersehen werden, dass auch kleinere deutsche Handelsunternehmen am Prozess der Globalisierung teilnehmen. Dieses gilt insbesondere für die deutschen Designer (z.B. Jil Sander, Escada oder Hugo Boss), die auf den bedeutendsten Einkaufsstraßen des Auslands zu finden sind. Gleichzeitig sind 0 500 1000 1500 km Maßstab 1: 65000000 bei uns immer mehr ausländische Handelsunternehmen tätig. Auch hier ist der Erfolg nicht immer garantiert. Während z.B. Ikea seit mehreren Jahrzehnten in Deutschland erfolgreich ist, hat sich die britische Kaufhaus-Kette Marks & Spencer nach nur wenigen Jahren vom deutschen Markt zurückgezogen. Auch die Zahl der Geschäfte des USamerikanischen Discounters Wal-Mart ist bislang kaum angestiegen, obwohl zum Zeitpunkt des Markteintritts Ende 1997 eine rasche Expansion angekündigt worden war �.웇 Globalisierung im Groß- und Einzelhandel 101