Millionenraub mit Fragezeichen

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Millionenraub mit Fragezeichen
Inhalt
Sanz-Kandidatur
offiziell
Argentinien .................... 2
Tourismus:
“La Redonda”
Ausflüge & Reisen ......... 5
Gratis-Kulturprogramm
Kultur ............................. 7
Investitionsproblematik
Wirtschaftsübersicht .... 13
Rubriken
Wirtschaft ................ 8-15
Sonnabend, 8. Januar 2011
121. Jahrgang Nr. 31.805
Millionenraub mit Fragezeichen
Exakte Planung trifft auf fehlerhafte Sicherheitssysteme
Buenos Aires (AT/ar) ten, abgelegt. Die KameDer Millionenraub, der sich
ra einer benachbarten Pizam Neujahrswochenende
zeria war ihnen allerdings
in der Belgranoer Filiale
entgangen. Ein vermutder Banco Provincia zugelich schwerwiegender
tragen hat, hinterlässt viele
Fehler. Der zweite AnFragezeichen. Die vorransatzpunkt ist die Frau, die
gigste Frage ist sicherlich
den Mietvertrag des Gedie nach den Tätern, die ein
schäftes unterzeichnet
erstaunliches Planungsgehat, deren Personenangaschick an den Tag gelegt
ben sich aber als falsch
haben. Die Bankräuber hatherausgestellt haben.
ten vor sechs Monaten ein
Allerdings gibt es Hinnahe gelegenes Geschäft
weise, dass sie zumindest
angemietet, dann einen 30
früher einmal unter der
Foto: ar
Meter langen Tunnel bis
angegebenen Adresse
unter den Raum der Bankwohnhaft war.
Besorgte Bankkunden vor der Banco Provincia.
schließfächer gegraben, geAber wie konnten
duldig bis zum Morgenüberhaupt die Sichergrauen des 2. Januar gewartet, 136 Schließfächer aufgebrochen, heitssysteme der Bank so schmählich versagen? Mal abgesehen
die Beute - Geldscheine und Schmuck im Millionenwert – in Sä- davon, dass Räume mit Bankschließfächern eigentlich durch Mecken durch den Tunnel nach draußen getragen und waren in einem tallplatten ausreichend gegen den Zugriff von außen geschützt sein
PKW geflohen. Die Staatsanwaltschaft richtet ihre Hoffnungen nun sollten, wurden von der Bank und der Polizei mehrere Alarmsigbei der Suche nach den Tätern auf die Filmaufnahmen einer Si- nale schlichtweg ignoriert. Fünf Mal zwischen dem 23. Dezember
cherheitskamera. Um auf der Straße nicht aufzufallen, hatten die und dem 02. Januar gingen die Warnmelder wegen der ErschütteTäter ihre Masken, die sie im Schließfachraum noch getragen hat- rungen los, es erfolgten aber nur oberflächliche Nachforschungen.
Der Chef der Bundespolizei lässt intern ermitteln, die Bank hat
drei Sicherheitsbeamte vorerst außer Dienst gestellt.
Zurück bleiben die Opfer, die jetzt das Problem haben, der Bank
gegenüber zu beweisen, was an Wertsachen in ihren Fächern war,
um die Versicherungssumme zu kassieren. Aber wie belegt man so
etwas? Der Präsident der Banco Provincia, Guillermo Francos, hat
kein großes Entgegenkommen der Bank signalisiert: “Die Inhaber
müssen uns darlegen, was sie hatten und wo sie es erworben haben.” Es werde ein Procedere geben, das sich an früheren Fällen
wie der Macro- und der Rio-Bank orientiert. Aber auch er weiß,
dass “sicherlich eigene Fälle vor Gericht landen werden”. Wenn
die Geschädigten überhaupt ihre Wertsachen deklarieren wollen.
Denn ein Teil des entwendeten Vermögens dürfte Schwarzgeld gewesen sein. Francos stellt klar: “Hier gibt es kein Bankgeheimnis.” Sollte die Steuerbehörde AFIP ermitteln, werde die Bank diese unterstützen. “Wir werden nichts vor AFIP verheimlichen.”
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Sonnabend, 8. Januar 2011
“Ich werde mich mit Moyano anlegen!”
Ernesto Sanz skizziert sein Wahlprogramm und sucht die frühe Entscheidung
Buenos Aires (AT/ar) – Nachdem
im August heraus.
sich Ernesto Sanz in der vergangenen
Der Wahlgang im April hätte für
Woche als möglicher PräsidentschaftsErnesto Sanz zudem den Vorteil,
kandidat der Radikalen Bürgerunion
dass er seine in der Bevölkerung ge(UCR) ins Spiel gebracht hatte, hat er
ringen Bekanntheitswerte steigern
in dieser Woche seine Positionen konkönnte. Erstmals skizzierte der Sekretisiert. Demnach will der Parteivornator aus der Provinz Mendoza jetzt
sitzende sein Amt entgegen erster anin einem Interview mit der Tageszeiderslautender Vermutungen nun doch
tung La Nación, veröffentlicht am
aufgeben. Er wolle, so Sanz, keinen
Mittwoch, sein Wahlprogramm. Er
Vorteil aus dieser Stellung für die pargibt sich darin kämpferisch,
teiinternen Vorwahlen ziehen.
zumindest was die AuseinandersetIn diesen Vorwahlen tritt er gegen
zung mit Hugo Moyano und den GeSenatspräsident Julio Cobos und Riwerkschaften anbelangt. Die Regiecardo Alfonsín an. Wann und wie dierung habe mit den Gewerkschaften
se Wahl stattfinden wird, ist noch ofder Marke Hugo Moyano ein “MonsSenator und Vor-Kandidat der UCR: Ernesto Sanz.
fen. Eigentlich sind für den 14. Autrum” geschaffen. “Ich werde mich
gust landesweit für alle verbindliche offene Vorwahlen festgesetzt mit Moyano anlegen”, verspricht Sanz. Auch bei den Straßenbloworden, in denen die Parteien jeweils ihren Kandidaten ermitteln. ckaden fordert er wieder eine klare Linie in der Sicherheitspolitik.
Doch Sanz – genauso wie sein Mitbewerber Alfonsín – favorisieren Allerdings teilt auch er die Auffassung mit der aktuellen Präsidentin,
frühere Ausscheidungen. Denn der von der Regierung festgelegte dass die Deeskalationsstrategie Vorrang haben sollte.
Termin sei viel zu nah am Wahltag des 23. Oktobers, um im AnWie er eigentlich viele Positionen mit der Regierung teilt: Fútbol
schluss noch eine personenbezogene Wahlkampagne durchführen zu para todos ja, Zugriff auf die Reserven der Zentralbank ja, Privatikönnen. Derzeit sieht deshalb alles danach aus, dass die Radikalen sierung der unprofitablen Aerolíneas Argentinas oder des Rentenbereits im April oder Mai, als mögliches Datum wird der 24. April systems nein, Exportzölle zumindest ein eingeschränktes Ja. Das Kinkolportiert, eine “geschlossene Wahl” unter ihren Parteimitgliedern dergeld soll auf alle ausgedehnt werden. Große Abgrenzungen lasabhalten werden. Da Julio Cobos sich mehr Chancen in den offenen sen sich erst wieder beim Umgang mit der Justiz ausmachen. Diese
Wahlen ausrechnen kann, wird er sich jedoch kaum einer früheren müsse wieder autarker werden – unter anderem mit der BudgethoParteientscheidung stellen. Das wahrscheinliche Szenario: Sanz und heit der Judikativen. Die Wiederherstellung der staatlichen InstitutiAlfonsín treten in der geschlossenen Parteiwahl an und der Sieger onen zur Stärkung der Demokratie ist eine seiner zentralen Fordefordert dann mit dem Rückenwind aus der Parteiempfehlung Cobos rungen.
Macri erklärt sich
Buenos Aires wählt im Juli oder August
Buenos Aires (AT/ar) – Mal sollte sie später kommen, dann
früher, jetzt kommt sie doch im Juli oder August. Die Bürger
von Buenos Aires mussten lange rätseln, wann denn nun die Wahl
ihres Stadtoberhauptes in 2011 stattfinden wird. Denn der Regierungschef der autonomen Bundeshauptstadt, Mauricio Macri,
hat seinen Wunschtermin in den letzten sechs Monaten dreimal
geändert – je nach politischer Lage.
Jetzt hat sich Macri (PRO-Partei) auf den Juli oder August
2011 festgelegt. “Die Wahlen werden nicht vorgezogen”, so der
amtierende Regierungschef in einer Pressekonferenz am Montag. Gleichzeitig bekräftigte Macri seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen auf nationaler Ebene im Oktober und widersprach Mutmaßungen, er strebe die doppelte Kandidatur für
Nation und Stadt an: “Das ist nicht meine Priorität. Heute bin
ich Regierungschef und Vor-Kandidat für die Präsidentschaft,
nichts weiter.”
Ursprünglich hatte Macri die Zusammenlegung der Stadtwahl
mit der Präsidentschaftswahl im Oktober gefordert. Vordergründig, um durch den gemeinsamen Wahlgang Geld zu sparen. Hintergründig, weil er hoffte, dass sich seine Präsidentschaftskandidatur auf nationaler Ebene und der Wahlkampf in der Stadt gegenseitig befruchten könnten. Anfang Dezember dann der
Schwenk: Jetzt sollte es der März sein. Im Parlament drohten
gerade die Haushaltsverhandlungen zu scheitern. Ein Regieren
der Stadt ohne Etat sei unmöglich und in diesem Fall baldige
Neuwahlen sinnvoll, so Macri.
Jetzt also der dritte Wahltermin. Er könnte zwei Vorteile für
Macri mit sich bringen. Die jüngsten Unruhen um die illegalen
Besetzungen in der Stadt haben sich bis zum Winter vermutlich
wieder gelegt, wovon in erster Linie seine Regierung profitieren
würde. Denn trotz allen Zuspruchs dürfte ihm der wochenlange
Schwebezustand Stimmen gekostet haben. Zum anderen lässt ihm
der Termin weiterhin zumindest die Option, doch die doppelte
Kandidatur anzugehen.
Davon will Mauricio Macri
allerdings derzeit nichts wissen:
“Ich fühle mich heute mehr dazu
berufen, einen nationalen Haushalt zu führen.” Aber auch er
weiß um die fehlende Verankerung seiner PRO-Partei im Landesinneren. Deshalb werde man
sehen, ob eine Allianz mit Eduardo Duhalde und seinen Bundesperonisten Sinn macht, so
Macri.
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WOCHENÜBERSICHT
Platz da!
50 Jahre mussten die Bewohner des
Stadtteils Boedo in der Bundeshauptstadt auf den ersten grünen Platz des
Viertels warten. Jetzt haben es die Bürger fast geschafft, da droht neues Ungemach, das den politisch beschlossenen
Platz in seinem Erholungscharakter für
die Menschen bedroht. Doch der Reihe
nach: 2006 hatte das Stadtparlament die
Enteignung des brachliegenden Blocks,
wo früher der Bahnhof Vail gelegen hatte, beschlossen. Vier Jahre später, am
vergangenen Mittwoch, konnte nun der
erste Teil der hier neu entstandenen “Plaza Mariano Boedo” eingeweiht werden.
Für die Interessensgemeinschaft “Alle
für den Platz Boedo” eigentlich ein
Grund zur Freude, denkt man. Doch in
die Feierlichkeiten platzte die Ankündigung, dass an einer Ecke des Erholungsraumes ein dreistöckiger Neubau für das
neue Kommunale Verwaltungszentrum
CGPC 5 entstehen soll. Die Interessensorganisation fürchtet nun, dass das öffentliche Gebäude den Platz zu einem
unwirtlichen Vorplatz verkommen lässt.
Ein Gericht soll jetzt die Ausschreibung
zum Bauvorhaben stoppen.
Weihnachtszulage
Nun also auch die Kommunen des
Großraums Buenos Aires. Nachdem Inflation und hoher Druck der Gewerkschaften zum Ende des Jahres in vielen
Branchen zu Nachbesserungen beim
Lohn und Weihnachtsgeld geführt hatten, haben jetzt auch die Bürgermeister
nachgegeben und den öffentlichen Angestellten Einmalzahlungen zwischen
200 und 600 Pesos gewährt. Allerdings
sind solche nicht geplanten Ausgaben in
den öffentlichen Haushalten vielerorts
nur mit buchhalterischer Kreativität zu
leisten. So händigt die Stadt Berazategui ihren Angestellten den Wert in Essensmarken aus und Bolívar übergibt
Weihnachtskörbe. Die öffentlichen Angestellten haben vergleichsweise niedrige Gehälter, die zum Teil sogar noch
unter den staatlichen Sozialplänen liegen.
Wasser stopp!
Die Hausmeister in der Bundeshauptstadt dürfen künftig an Dienstagen und
Donnerstagen nicht mehr den Bordstein
vor ihrem Gebäude mit Wasser reinigen.
Die Initiative, die von dem PRO-Deputierten Gerardo Ingaramo ins Stadtpar-
lament eingebracht worden ist, um den
Wasserverbrauch in der Stadt zu reduzieren, soll in den nächsten 15 bis 20 Tagen
Gesetz werden. Der Wasserverbrauch in
Buenos Aires beträgt laut der öffentlichen
Gesellschaft Aysa (Agua y Saneamientos
Argentinos) 600 Liter pro Einwohner und
Tag. Ein nicht unerheblicher Teil geht bei
dem täglichen Spritzen des Eingangsbereiches von Gebäuden verloren. Durch einen Gartenschlauch rinnen bis zu 570 Liter pro halbe Stunde. Die Bordsteine vor
öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern, aber auch Restaurants und Bars sind
aus hygienischen Gründen von den Einschränkungen ausgenommen.
Brückenkommission aufgelöst
Die Brücke zwischen Buenos Aires und
Colonia (Uruguay) wird es nicht geben.
Außenminister Héctor Timerman hat angeordnet, die argentinische Einheit der ursprünglich binationalen Brückenkommission (Cobaico) bis Ende Januar 2011 aufzulösen. Die uruguayische Gegenseite in
der Kommission existiert bereits seit 2005
nicht mehr. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war eigentlich klar, dass die argentinische Behörde weder Ziele noch Aufgaben hatte. Trotzdem wurde sie noch fünf
weitere Jahre am Leben erhalten, ausgestattet mit einem öffentlichen Budget und
Angestellten mit Festgehältern. Seit dem
Jahr 1993, als die binationale Kommission gegründet worden war, um die Möglichkeiten des Baus einer Brücke über den
Río de la Plata nach Uruguay zu prüfen,
hat der argentinische Staat nach Berechnungen der Zeitung El Observador allein an Gehältern 12,3 Millionen USDollar bezahlt.
Zugunglück in Palermo
Mindestens 51 Personen wurden bei
einem Zugunfall verletzt, der sich am
Donnerstag vergangener Woche in Palermo (Bundeshauptstadt) ereignete.
Zwei Züge der Mitre-Linie hatten kurz
zuvor im Abstand von wenigen Minuten den Bahnhof Retiro auf dem Weg
nach José León Suárez verlassen. Als der
vordere Zug noch vor dem ersten Bahnhof Tres de Febrero gestoppt wurde, fuhr
der zweite auf diesen auf. Nach Aussage des Rettungsdienstes SAME erlitten
drei Personen – darunter eine 27-jährige schwangere Frauen – schwerere Verletzungen.
Erdbeben im Norden
Ein Erdbeben der Stärke 6,9 hat am
Neujahrsmorgen den Norden Argentiniens erschüttert. Betroffen sei die relativ
ländliche Region Santiago del Estero,
teilte die US-Erdbebenstelle am vergangenen Samstag mit. Schäden oder Verletzte waren glücklicherweise nicht zu
beklagen. Das Epizentrum lag 150 Kilometer nordöstlich der Stadt Santiago
del Estero. Das Erdbeben entstand in
mehr als 560 Kilometern Tiefe - was
generell dafür spricht, dass Schäden
nicht so verheerend ausfallen.
(AT/ar/dpa)
Begünstigte Medien
Buenos Aires (AT/ar) – “Es existiert offener Missbrauch im Umgang mit öffentlichen Geldern zugunsten von Medien, die Propaganda für die Regierung betreiben”, sagt die Deputierte der Bürgerlichen Koalition, Patricia Bullrich. Sie meint
damit die Verteilung der Werbegelder, wie sie die Regierung über die TV-Sender
streut.
Die Zeitung La Nación hatte berichtet, dass 67,5% der öffentlichen TV-Werbung
im Jahr 2010 an Canal 9 gegangen waren - ein Sender, der mit einem Marktanteil
von 5,1% nur an dritter Stelle des Zuschauerrankings 2010 lag, aber dafür in seinen
Beiträgen umso offener die Kirchner-Regierung begünstigt. Allein 20 Millionen Pesos davon waren an die von dem Kirchner-Anhänger Diego Gvirtz produzierten
Sendungen Duro de Domar und Televisión Registrada geflossen.
Der Sender El Trece, Marktführer mit fast doppelt so vielen Zuschauern wie Canal 9, hat dagegen nur Werbeaufträge für insgesamt 5,38 Millionen Pesos (5%) erhalten. Er gehört dem Clarín-Konzern. Diese Bestrafung von regierungskritischen
Medien bemängelt Bullrich in ihrer Funktion als Vizepräsidentin der Kommission
zur Meinungsfreiheit. Sie hat deshalb Klage bei der Antikorruptionsbehörde eingereicht.
Insgesamt hatte die Regierung 2010 öffentliche Gelder in Höhe von 107 Millionen Pesos ausgegeben, um den TV-Zuschauern ihre Arbeit zu vermitteln.
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Im Blickfeld
Einkönigstreffen
Von Stefan Kuhn
Es gab keine Überraschung. Die Palastrevolte gegen den FDP- Partei nicht programmatisch neu ausrichten. Das würde beim WähChef Guido Westerwelle auf dem traditionellen Dreikönigstreffen ler wenig glaubwürdig wirken. In dieser Hinsicht hat sich die Westder Partei in Stuttgart ist ausgeblieben. Der Grund ist einfach: Die erwelle-Opposition beim Dreikönigstreffen klug verhalten. ScheiLiberalen haben (noch) keine personelle Alternative zu dem amtie- tert die Partei in den kommenden Landtagswahlen, haben die Gegrenden Außenminister. Zudem ist das Dreikönigstreffen kein Partei- ner des Vorsitzenden ihre Chance, denn die Niederlagen würden altag, auf dem Personalentscheidungen getroffen werden. Der FDP- lein auf Westerwelles Kappe gehen. Dagegen wären bei einer KonParteitag findet erst im Mai statt, und bis dahin müssen die Freide- frontation beim Dreikönigstreffen seine Gegner verantwortlich. Sie
mokraten vier Landtagswahlen überstehen. Vor wichtigen Wahlen würden als Saboteure der Parteieinheit dastehen.
Auf der anderen Seite könnte es Westerwelle auch schaffen. In
wechselt man den Kapitän nicht aus. Vor allem nicht Westerwelle,
sechs Wochen sind Wahlen in Hamburg. Da hat die FDP nichts zu
denn wenn der Eines kann, ist das Wahlkämpfe führen.
Deshalb wurde in Stuttgart vor allem Einheit demonstriert. Man verlieren. Sie ist nicht in der Bürgerschaft vertreten. Bei der folgenstellte sich geschlossen hinter den König. Der Parteichef erhielt für den Wahl, am 20. März in Sachsen-Anhalt, ist zwar der Wiedereinseine Rede stehenden Beifall. Dabei war sie für seine Verhältnisse zug ins Landesparlament gefährdet, es geht aber nicht um die Macht.
eher durchschnittlich. Der 49-jährige liberale Frontmann verwies auf Käme es nicht nur rechnerisch zu einer schwarz-gelb-grünen Regiedie Erfolge der schwarz-gelben Bundesregierung und warnte vor der rung in Magdeburg, wäre das für die FDP ein unerwarteter Erfolg,
linken Gefahr. Die Partei müsse kämpfen. Das muss sie in der Tat, ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde dagegen kein Debakel. Ernst
denn derzeit liegt sie in fast allen Umfragen Auf Landes- und Bun- wird es für Westerwelle am 27. März. An diesem Sonntag wird in
desebene unter der Fünf-Prozent-Hürde. Programmatisches suchte Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg gewählt. In beiden Bunman vergeblich in der Rede, aber das ist auch nicht Westerwelles desländern liegt die FDP laut Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde.
Ein Scheitern in diesen liberalen Stammländern wäre für die Partei
Stärke. Genausowenig wie Selbstkritik.
Die wäre durchaus angebracht gewesen, denn Westerwelle trägt fatal. Allerdings sind zwei bis drei Prozentpunkte in Umfragen verdie Hauptschuld an der liberalen Misere. Er hat die FDP zur Steuer- nachlässigbare Größen. Im derzeit von der SPD unter Kurt Beck
senkungspartei verkommen lassen und ihr mit seiner Fixierung auf allein regierten Rheinland-Pfalz wäre auch eine Neuauflage der zwidie Unionsparteien jegliche Machtalternative genommen. Natürlich schen 1991 und 2006 regierenden sozialliberalen Koalition denkkann man mit Steuerversprechen Wahlen gewinnen, aber wenn die bar, denn die SPD wird wohl auf einen Partner angewiesen sein.
Haushaltslage solche Geschenke nicht erlaubt, steht man nackt vor Warum nicht der, mit dem man 15 Jahre lang erfolgreich regiert hat?
den eigenen Wählern. Bei einer derartigen Reduzierung wäre es für In Baden-Württemberg liegt eine Fortführung der CDU/FDP-Regiedie FDP auch hilfreich gewesen, statt des Außenministeriums das rung im Bereich des Möglichen. Dort hat Grün-Rot derzeit einen
Finanzministerium zu beanspruchen. Schuld tragen auch die ande- Umfragevorsprung von drei Prozentpunkten.
Schafft die FDP in beiden Ländern den Einzug ins Parlament oder
ren FDP-Granden, denn sie sind Westerwelle blind gefolgt. Vielleicht
wagte in Stuttgart auch deshalb Niemand den verbalen Aufstand. gar eine Regierungsbeteiligung, dann dürfte die Diskussion um WestDas hätte auch nichts gebracht, denn in drei Monaten kann man eine erwelle beendet sein. Wenn sie scheitert, dann ebenfalls.
Randglossen
K
aum waren die Jahresendfeiern verklungen, meldete sich ein neuer
Präsidentschaftskandidat in der Person von Ernesto Sanz, derzeitiger Vorsitzender der radikalen UCR. Im Vorjahr hatten sich schon mehrere Kandidaten vorgestellt. Allein vier peronistische Dissidenten, Eduardo Duhalde, Felipe Solá, Mario das Neves und Alberto Rodríguez Saá
wollen nach der Sommerpause entscheiden, wer von ihnen schließlich
alleine kandidiert. Elisa Carrió hat sich ebenfalls postuliert, lehnte jedoch Allianzen mit anderen Parteien ab, Fernando „Pino“ Solanas vertritt linsklastige Wähler als ihr Kandidat. Ernesto Sanz und Ricardo Alfonsín wollen gegen Ende April parteiintern entscheiden, wer von beiden kandidiert, wogegen der Dritte im Bund, Vizepräsident Julio Cobos,
nach seiner Rückkehr zur UCR erst am 14. August in offenen, obligatorischen und simultanen Internwahlen gegen Sanz oder Alfonsín antritt.
Demnächst mögen noch andere Kandidaten auftreten, derweil Senator
Carlos Alberto Reutemann schweigt, aber ein mögliches Rennen nicht
ausgeschlossen hat.
M
it dem Jahreswechsel haben sich die illegalen Baulandbeset
zer, hierzulande „okupas“ genannt, weitgehend beruhigt. Sie
wurden in Villa Soldati und Villa Lugano vertrieben, beherrschen
aber immer noch anderes Bauland oder staatliche Plätze wie unweit
der Busstation in Retiro. Hinter den Besetzern buhlen allerlei Geschäftemacher, die hoffen, dass die Regierung Geld locker macht,
damit sie illegales Bauland an Interessenten lukrativ verkaufen können. Sicherlich harren sie der Dinge, die nach dem Sommer kommen mögen, wenn die Wahlkämpfe starten und Politiker mit allerlei
Versprechungen um Stimmen mit möglichen Staatsgeldern buhlen
werden. Bauland ist in der Stadt Buenos Aires eine Seltenheit, zumal
für mittelose Zuzügler, die in den Vororten vorlieb nehmen müssen,
wo es noch Platz für illegale Besetzungen gibt.
D
ie Linkspartei hat sich in Deutschland etabliert. In Umfragen liegt
sie derzeit bundesweit bei zehn Prozent, bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt könnte sie erstmals einen Ministerpräsidenten stellen. Dann
kam Gesine Lötzsch. Die Ko-Vorsitzende der Partei, ihr Kompagnon ist
ein porschefahrender bayrischer Salonsozialist, hat sich öffentlich Gedanken über den Endsieg gemacht. Den des Kommunismus. Dabei hatte
man sich, abgesehen von ein paar Phantasten, in der Partei auf den Kaugummibegriff „Demokratischer Sozialismus“ geeinigt. Gesines Ausflug
in den historischen Materialismus war eine Steilvorlage für den politischen Gegner. Die SPD sollte sie zum Ehrenmitglied machen.
as ist wirklich ein gute Idee. Da will die EU gegen die rechtspo
pulistische ungarische Regierung vorgehen, weil diese ein reichlich undemokratisches Mediengesetz gemacht hat. Nur wie, das weiß
man in Brüssel nicht so genau. In Ungarn ist man da schlauer. Ein
Oppositionspolitiker hat dort den Spieß umgedreht. Er verklagt auf
Grundlage des neuen Gesetzes einen Publizisten und persönlichen
Freund des Ministerpräsidenten Viktor Orban wegen Volksverhetzung. Der „Journalist“ hatte geschrieben, dass bei einem Massaker
im Jahre 1919 nicht genügend Linke ermordet worden seien. Im
selben Text fanden sich auch noch antisemitische Äußerungen. Nun
ist die ausschließlich von Mitgliedern der Regierungspartei besetzte
Medienregulierungsbehörde in der Zwickmühle. Spricht sie den
Schreiberling frei, ist Orban entlarvt oder das Mediengesetz eine
Farce. Die Behörde dürfte dann kaum mehr oppositionelle Medien
zensieren können. Bestraft sie ihn, ist Orban wohl stinksauer.
D
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Brasilien als Vorbild
Früher, vor mehreren Jahrzehnten, galt Argentinien als ein Land
in Südamerika, das allen anderen voraus war, auch Brasilien. Demagrafische Indikatoren, die auf einen umfassender Mittelstand, gute
Ausbildung, relativ geringe Kindersterblichkeit und eine längere Lebenserwartung hinweisen, sowie eine solide Landwirtschaft, eine
wachsende Industrie und eine angemessene Infrastruktur, zeugten
von einem grossen Unterschied, auf den alle Argentinier stolz waren. Als Nachkommen meist europäischer Einwanderer hatten sie
sich gut im Land etabliert. Nur die Politik sorgte für ständige Unruhe, begleitet von periodischen Militärputschs, die eine sechzigjährige Wahldemokratie ab 1930 abgelöst hatten.
Brasilien war damals kein Vorbild für Argentinien. Ein niedrigerer Lebensstandard, große Menschenmassen waren besonders arm,
sämtliche sozialen Indikatoren waren dürftig, und die Politik war
ebenso wie in Argentinien denkbar unstabil. Das hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten grundsätzlich verändert. Brasilien spielt
derzeit eine führende Rolle in Südamerika und mischt in der Weltpolitik zusammen mit China, Indien und Russland als sogenannte
BRIC-Staaten auch mit.
Diesen Wandel bewirkten besonders die letzten drei Präsidenten
Brasiliens, Itamar Franco, Fernando Henrique Cardoso und Inacio
Lula da Silva. Am Anfand stang eine Währungsumstellung, dann folgte eine Fiskalstabilisierung, die vor allem Defizite der Gliedstaaten
und Gemeinden mit harten Bußen für Fiskalsünder bekämpfte, und
schließlich die Wirtschaftsöffnung mit gewaltigen Exporten von
Agrarprodukten, Mineralien, verarbeiteten Industriewaren und
neuerdings auch zunehmend Erdöl. Lula beendete nach acht Jahren
mit erstaunlichen Umfragewerten von über 80 Prozent sein zweites
vierjähriges Mandat ohne Wiederwahl in Folge und nominierte seine Nachfolgerin Dilma Roussef eigenhändig als Kandidatin. Die
Demokratie mit regelmäßigen Wahlen und wenigen großen Parteien
ist längst Bestandteil der brasilianischen politischen Kultur. Militärregierungen sind nicht gefragt.
Heute schaut Argentinien mit Neid auf die Erfolge Brasiliens, nicht
nur die politische Stabilität, sondern insbesondere auf die wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte. Dass ein mehrmals gescheiterter
Kandidat der Gewerkschaften, wie Lula da Silva, vor acht Jahren
ans Ruder kommen konnte und eine besonders auf Stabilität, Wachstum und sozialen Leistungen basierte Politik erfolgreich betrieb, hat
anfangs überrascht und wurde nachher als normal empfunden. Lula
hatte zu Beginn seiner Amtszeit die besonders harte Geldpolitik seines Vorgängers ratifiziert, die ihren Ausdruck im hohen Zentralbankzinssatz, genannt Selic, von nahezu 20 Prozent per annum hatte. Alle
anderen Zinssätze waren noch höher. Die Finanzstabilität mit weitgehend ausgeglichenen Haushalten und zunehmenden Deivsenreserven erwies sich als ein siegreicher Kernpunkt, wiewohl dadurch die
Gläubiger allgemein begünstigt wurden und zahlreiche Neureiche
zur Folge hatten. Derweil kümmerte sich Lula um die Ärmsten im
Land mit allerlei Sozialprogrammen, so dass angeblich rund 30 Millionen Brasilianer in den unteren Mittelstand aufsteigen konnten.
Dass Brasilien in Argentinien nicht als Vorbild gilt, obwohl beide
Wirtschaften zusammen mit Paraguay und Uruguay vor zwanzig Jahren den Mercosur als bislang noch unvollkommene Zollunion mit
hohem Zollschutz von maximal 35 Prozent gegenüber Drittländern
gemeinsam aufgebaut haben, beruht auf der unterschiedlichen Politik in Sachen Infrastruktur und Steuern in beiden Ländern. Brasilien
subventioniert weder Strom noch Gas und belastet die Agrar- und
Mineralausfuhren nicht mit gewaltigen Exportzöllen wie in Argentinien. Die Konsumenten bezahlen Marktpreise in Brasilien, subventionierte Preise in Argentinien. Brasilien hat trotz hoher Auslandsverschuldung keinen Default erklärt wie in Argentinien anno 2001,
das seither trotz Umschuldungen mit gewaltigem Kapitalschnitt 2005
und 2010 weiter die Gläubiger betrügt, durch gefälschte Preisstatistiken, die indexierte Anleihen entwerten. In der Folge genießt Brasilien beste Noten in der Finanzwelt und wird derzeit mit Kapitalinvestitionen überschwemmt, so dass die Landeswährung Real gewaltig aufgewertet wurde, wogegen Argentinien laufend abwertet, wiewohl viel weniger als die inländische Inflation. Brasilien gilt als monetär stabiles Land, Argentinien wetteifert in Sachen Inflation auf
weltweiter Ebene mit Venezuela als Hochinflationsland. Die Unterschiede zu Argentinien sind offensichtlich zu frappierend, als dass
Brasilien hier als Vorbild gelten könnte, solange keine politische
Bereitschaft besteht, die grundlegenden Ursachen der grassierenden
Inflation zu korrigieren. Leider.
AUSFLÜGE UND REISEN
La Redonda von Belgrano – ein Hauch vom alten
Inmitten so vieler hoher Gebäude und des immer dichter werden
Baumbestandes rund um die Plaza, sieht das einst stolze Bauwerk
von Mal zu Mal unansehnlicher aus. Aber nach wie vor ist La Redonda - „der Rundbau“ - eines der herausragenden Wahrzeichen von
Belgrano – nun schon seit über 130 Jahren.
Belgrano war seinerzeit immer noch, obwohl politisch der Bundeshauptstadt eingegliedert, ein Vorort von Buenos Aires, genau wie
Flores. Die Leute, die im Stadtzentrum wohnten, fuhren zum Wochenende oder auf Sommerfrische nach Belgrano, später auch mit
der Bahn nach San Isidro oder Tigre.
Begonnen hatte es mit einer Kapelle, die hoch oben auf der Barranca nahe La Pampa Ecke Once de Setiembre existierte, hauptsächlich von den Sklaven besucht, die in den dort gelegenen Ländereien
und Kalksteinbrüchen arbeiteten. Im Jahr 1855 wurde der Bebauungsplan für Belgrano ausgearbeitet, und 1864 der Beschluss gefasst, eine grosse, neue Pfarrkirche zu errichten, und zwar weiter
entfernt von den Barrancas als die Kapelle, an der Plaza und dicht
am Camino al Norte, die heutige Avenida Cabildo. Am 23. Januar
Die Redonda während der Bauarbeiten.
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1865 wurde der Grundstein für das Gotteshaus gelegt, die in ihrer
Art einmalig war: kein Mittelschiff mit Querhaus, was von oben gesehen wie ein Kreuz aussieht, sondern rund, von einer grossen Kuppel gekrönt, die von sechzehn mächtigen Säulen getragen wird.
In der Tat kann der Besucher, der zum ersten mal La Redonda
betritt, etwas verwirrt sein. Zwar befindet sich der Hochaltar, der
Unbefleckten Empfängnis gewidmet, grad gegenüber dem Eingang,
die fünf Seitenkapellen sind jedoch rundum verteilt.
In der grossen Rotunda sind an den Wänden Gemälde der Jungfrau Maria zu sehen, die von acht Aposteln, sowie die vierzehn Stationen des Leidensweges Christi. Nicoló (Nicolás) Canale, erster einer
Architekturen-Dynastie, erdachte die Form, im römischen Pantheon
inspiriert, sein argentinischer Kollege Juan Buschiazzo zeichnete für
die Kuppel und deren Ausführung verantwortlich, die von einer grossen Laterne oder Tambour gekrönt wird.
Das Pantheon hat allerdings einen Durchmesser von rund 43 Meter,
die Redonda einen solchen von zwanzig Meter,
Nach mehrjähriger Bauzeit wurde die Pfarrkirche im Rahmen eines Hochamtes am 8. Dezember 1878 geweiht, der Feiertag der Unbefleckten Empfängnis Mariä; der Zeremonie wohnte sogar Staatspräsident Nicolás Avellaneda bei.
Wie gesagt steht das monumentale Bauwerk heute im Schatten
vieler hoher Wohnblocks und grosser Bäume. Zudem zieht wochenends auf der Plaza das bunte Treiben der Artesanos mit ihren Hand-
Heutige Ansicht der Redonda, von Bäumen flankiert
arbeiten das Interesse der Spaziergänger an sich. Wer aber ein Viertelstündchen hat und wenn die Kirche geöffnet ist, sollte nicht versäumen, das Innere zu besichtigen.
Marlú
Jorge Fondebrider und sein “Übersetzer-Club”
Von Marion Kaufmann
Buenos Aires (AT) - „Meine
de Buenos Aires. Wie kam es dazu?
Arbeit ist die Literatur“, so beschreibt sich Jorge Fondebrider
JF: Vor eineinhalb Jahren bat mich eine Kollegin, Julia Benseñor,
(Buenos Aires, 1956), Schriftsteleine Übersetzung zu übernehmen, die sie nicht machen wollte. Es
ler, Dichter und Übersetzer aus
war eine schwere Arbeit, und der Verlag wollte nur wenig zahlen.
dem Französischen und EngliIch habe sie abgelehnt, und dann haben wir uns überlegt, was wir
schen, der sich seit einiger Zeit
machen könnten, um Übersetzer vor der Übervorteilung der Verleauf irische Autoren spezialisiert.
ger zu schützen. Es geht uns bei dem Club nicht nur um technische
Als er mit Lesen und Schreiben
Probleme der Übersetzung, sondern auch um Allgemeines: wie
begann, hat er auch angefangen
macht man einen Vertrag, was zahlen die verschiedenen Verleger,
zu übersetzen, denn manche Werwo bekommt man Arbeit und wo nicht. Andererseits wollten wir
ke, die ihn interessierten, gab es
uns selbst weiterbilden, um mit Verlegern verhandeln zu können,
nicht auf Spanisch, und er wollte mehr wissen. Im Laufe der Jahre die sich nicht an die Regeln halten. Ich meine, dass wir, bevor wir
hat er bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften mitgearbei- neue Gesetze verlangen, erst einmal erreichen, dass die bestehentet, aber die Übersetzung stand bei ihm immer im Vordergrund. Es den respektiert werden. In manchen Verlagen werden keine Verträist sein Verdienst, dass mehrere bis dahin unbekannte Dichter ge abgeschlossen, in anderen zwingt man den Übersetzer, auf seine
erstmals von ihm an die Öffentlichkeit gebracht wurden.
Rechte zu verzichten; woanders wiederum „frisiert“ man die Abrechnungen oder lügt bei den Verkaufszahlen, was dann dem ÜberMK: Ist die Übersetzung von Lyrik schwerer als die der Prosa?
setzer schadet. Das ist alles sehr kompliziert, aber wir sind geduldig. Wir Übersetzer sind sehr geduldige Menschen.
JF: Ich glaube, wenn man Lyrik gewohnt ist, geht manches dann
leichter. Es ist so, als würde man, nachdem man einen Traktor ge- MK: Wie hat der Club angefangen?
fahren hat, einen Mercedes Benz lenken, das ist viel einfacher. Ich
habe lange Zeit ausländischen Unternehmern Spanisch-Unterricht JF: Beim ersten Treffen kamen elf Leute, beim zweiten fünfzehn,
gegeben und gleichzeitig für mich Bücher übersetzt. Im Jahr 2000 dann 30, und drei Monate später stellte uns Ricardo Ramón, der
kam die Krise, die ausländischen Unternehmen verschwanden, ich Direktor des Centro Cultural de España, seinen Saal zur Verfügung.
musste etwas anderes tun, und das einzige, was ich kann, sind Spra- So gibt es den geeigneten Platz im CCEBA Paraná, zu dem jeder
chen. So habe ich verschiedene Verlage aufgesucht, wo ich als freien Zutritt hat und wo jedes Treffen aufgenommen wird, damit
Schriftsteller schon bekannt war, um Arbeit zu bekommen. Denn es im Blog des Clubs und in dem des CCEBA eingesehen werden
eins muss man wissen: Kein Übersetzer wird jemals von einem kann. Das CCEBA unterstützt den Club nicht nur räumlich, sonVerleger aufgefordert, in sein Büro zu kommen, der Übersetzer dern auch finanziell. So war es möglich, im Jahr 2009 mehrere spamuss die richtigen Leute kennen.
nische Übersetzer zu einem Symposium einzuladen, das im November 2010 in größerem Rahmen, mit ungefähr 20 Gästen, wieMK: Ihr neuestes „Werk“ war der Club de Traductores Literarios derholt wurde. Außer den hiesigen Übersetzern hat man Kollegen
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Sonnabend, 8. Januar 2011
aus Mexiko, Chile und Uruguay eingeladen; aus Spanien kam Isabel García, die eine neue Übersetzung von Thomas Manns „Zauberberg“ veröffentlicht hat. Eine andere Kollegin hat über die Werke deutscher Autoren gesprochen, die - dank ihrer Übersetzer - bei
hiesigen Verlagen erscheinen werden.
MK: Wie werden die Vortragenden ausgewählt?
JF: Die Vortragenden werden nicht nach der Sprache gewählt, sondern nach den Themen, die für Übersetzer interessant sein können,
oder nach eventuellen Neuigkeiten. Wir haben Übersetzer aus dem
Hebräischen vorgestellt, aus dem Chinesischen, aus dem Japanischen. Rubén Reyes hat vor kurzem einen Vortrag über die Übersetzung klassischer Werke in die heutige Sprache gehalten; Jorge
Aulicino ( „Ñ“) verriet, wie er die Probleme bei der Übersetzung
von Dantes „Göttlicher Komödie“ gelöst hat. Auch über das viel
diskutierte „neutrale Spanisch“ ist hier gesprochen worden. Deutsche Übersetzer? Wenn eines Tages jemand die Nibelungensage
übersetzt, werden wir ihn einladen. Aber vorerst kennen wir niemanden.
MK: Kann man in Argentinien vom Übersetzen leben?
JF: Es kommt darauf an, wer. Manche können gut, aber niemand
kann sehr gut davon leben, denn die Verlage zahlen sehr wenig.
Seien wir mal realistisch: Ein Übersetzer, der in der Lage ist, einen
Husserl, Heidegger oder Hegel zu verstehen und zu übersetzen,
verdient wahrscheinlich die Hälfte von dem, was eine Haushaltshilfe bekommt. Und das können Sie ruhig schreiben, so wie ich es
sage. Denn um solche Autoren zu übersetzen, muss man vorher
gelesen und studiert haben; man muss sich in Philosophie auskennen. Die Anstrengung, die man für eine Übersetzung aufbringt, steht
in keinem Verhältnis zum Honorar. Übersetzer fühlen sich verantwortlich für ihre Arbeit, für die Sprache, für den Text, mit dem sie
umgehen müssen. Das berücksichtigt niemand. Verleger sparen nicht
an Papier, am Druck, sie sparen am Übersetzer.
Kultur zum Durchatmen
Die Stadt Buenos Aires startete gestern ihr Gratis-Sommerprogramm
Buenos Aires (AT/SF) - Auch diesen Sommer hat das Kulturministerium der Stadt Buenos Aires wieder ein reiches Angebot
an Theater, Tango, Rockmusik, Kino etc. zusammengestellt, mit
mehr als hundert verschiedenen Veranstaltungen - alles gratis und
unter freiem Himmel. Am gestrigen Freitag fiel der Startschuss
im Roca-Park mit einem hochkarätigen Rockkonzert, in dessen
Rahmen u.a. Los Cafres und Fidel auftraten. Das Programm “La
Ciudad al Aire Libre” läuft sechs Wochen lang und wird am 19.
Februar mit der fulminanten, weltweit erfolgreichen Tango-Show
“Tango Argentino” am Obelisken beendet.
Im Rock-Zyklus im Parque Roca werden donnerstags bis sonntags ab 17.30 Uhr Bands wie Ratones Paranoicos, Attaque 77
und Miranda auftreten. Für Kinder gibt es jeden Tag Angebote:
Sie können gegenüber vom Caminito bei Lehrern der Tangoschule
von Mora Godoy in “Milonguitas” Tango lernen oder sich dienstags und donnerstags im Pasaje Lanín in Wandmalerei üben. “A
Pintar en la Ciudad” heißt diese - völlig legale - Aktivität. An
drei Donnerstagen können Kinder verschiedene Museen der Stadt
mit Taschenlampen entdecken (“La Noche de Las Linternas”).
Von Experten des Independent-Kinofestivals BAFICI zusammengestelltes Kinderkino unter freiem Himmel gibt es freitags und
samstags im Amphitheater des Parque Centenario (BAFICITO).
Musik für Kinder wird an den Wochenenden im Amphitheater
Kultur-Notizen
Ciudad Cultural Konex: eine Oase
Es ist der coolste Ort der Stadt, um den Sommer auf Liegestühlen oder in Hängematten rings um aufblasbare Schwimmbassins mit einem Drink zur Happy Hour zu genießen, während DJs
für das musikalische Ambiente sorgen. Am 6. Januar ist der “Parador 2011” der Ciudad Cultural Konex (Sarmiento 3131) eröffnet worden. Allabendlich kann man sich hier von Kultur-Leckerbissen verwöhnen lassen: Bis zum 19. März stehen “Fiestas” u.a.
mit La Bomba del Tiempo, Dancing Mood, Onda Vaga oder Arbolito auf dem Programm, es gibt Kino unter dem Sternenzelt,
Milongas und Elektrotango. Die Bar des Konex bietet dazu kulinarische Köstlichkeiten. Infos: www.ciudadculturalkonex.org.
des Parque Mataderos geboten, und im “Polo Circo” wird “Ludus” aufgeführt.
Im Autokino des Rosedal gibt es ein Programm mit argentinischen Filmen für Erwachsene. Montags und dienstags wird auf
den öffentlichen Plätzen der Stadt gutes Theater gezeigt, und an
den Wochenenden gibt es Milongas, Tango-Stunden und Auftritte bekannter Tangokünstler wie Adriana Varela oder Luis Salinas. In den Museumsgärten treffen sich wieder Musiker und Dichter im Zyklus “Poesía y música en los museos”.
Infos unter http://www.airesbuenosaires.gob.ar
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Sonnabend, 8. Januar 2011
Steuereinnahmen auf Rekordniveau
Die gesamten Einnahmen des Nationalstaates aus Steuern, Sozialabgaben, Zöllen und Gebühren, erreichten im Jahr 2010 einen
Rekord von $ 409,9 Mrd. 34% mehr als im Vorjahr. Diese Steuereinnahmen im weiteren Sinn sind viel stärker als das Bruttoinlandsprodukt zu laufenden Werten gestiegen, was zum grossen Teil durch
den hohen Erlös der Exportzölle herbeigeführt wurde, bei denen
hohe Sätze mit hohen Exporten und hohen Preisen von Getreide,
Ölsaat und deren Produkte zusammentrafen. Doch auch allgemein
fanden bedeutende Zunahmen statt, die weit über die Inflation hinausgehen und u.a. durch die bessere Steuerein-treibung verursacht
wurden, die dank Einführung der Informatik im Amt für öffentliche Einnahmen (AFIP) möglich wurden. Die AFIP ist in dieser
Beziehung im staatlichen Bereich das am meisten fortgeschrittenste Amt. Die Informatik erleichtert den AFIP-Beamten den Zugang
zu den Steuererklärungen und deren Analyse, so dass sie grössere
und mittlere Steuerzahler viel besser unter die Lupe nehmen können, als es früher der Fall war.
Die gesamten Steuereinnahmen haben sich im letzten Jahrzehnt
wie folgt entwickelt:
Jahr
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Einnahmen
(In Mrd. Pesos)
.................. 49,1
.................. 45,4
.................. 50,4
.................. 72,2
................. .98,2
................ 119,2
Jahr
Einnahmen
(In Mrd. Pesos)
2006 ...................... 150,0
2007 ...................... 199,7
2008 ...................... 269,3
2009 ...................... 304,9
2010 ...................... 409,8
Die Einnahmen haben sich 2010 im Einzelnen wie folgt entwickelt:
Steuerart
Monat Dezember
Jahr 2010
Betrag
Zunahme
Betrag Zunahme
(Mio.$)
(%)
(Mio.$)
(%)
Gewinnsteuer ............. 7.222,1 ........ 35,6 ....... 76.651,6 ....... 38,0
MwSt ........................ 11.641,8 ........ 45,9 ..... 116.386,0 ....... 33,2
Davon Steueramt ......... 7.906,4 ........ 40,8 ....... 76.711,1 ....... 24,9
Davon Zollamt ............ 4.105,4 ........ 50,7 ....... 43.339,9 ....... 45,8
MwSt-Rückgaben ........ 370,0 .......... 2,8 ......... 3.665,0 ........ -1,8
Rückvergütungen ........... 386,0 ....... -27,2 ......... 3.056,0 ....... 24,7
Interne Steuern ............... 858,0 ........ 17,9 ......... 9.474,4 ....... 41,0
Exportzölle .................. 3.018,5 ......... -4,6 ....... 45.547,4 ....... 42,2
Importzölle ................. 1.133,6 ........ 55,0 ....... 11.427,3 ....... 48,4
Benzinsteuer .................. 667,5 ....... 33,7 ......... 6.360,1 ....... 39,7
Brennstoffsteuern (a) ..... 514,4 ........ 17,6 ......... 3.640,2 ....... 27,7
Brennstoffsteuern (b) ..... 727,0 ........ 14,3 ......... 5.268,7 ....... 25,8
Schecksteuer ............... 2.886,4 ........ 41,9 ....... 26.884,7 ....... 30,8
Sozialabgaben ............. 8.952,7 ........ 38,2 ..... 100.078,0 ....... 32,1
Amerkungen: der prozentuale Vergleich bezieht sich auf den
gleichen Vorjahresmonat, bzw. das Vorjahr. Bei den Brennstoffsteuern der Kategorie A handelt es sich vornehmlich um die Steuer
auf Dieseltreibstoff, während es sich bei Kategorie B auf Sondersteuern auf die verschiedenen flüssigen Brennstoffe und Gas für
Kfz handelt.
Der Erlös der Steuern auf den Aussenhandel ist besonders stark
gestiegen, obwohl im Dezember merkwürdigerweise weniger an
Exportzöllen eingenommen wurde, als im gleichen Vorjahresmonat. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Ernte sehr schnell
exportiert wurde und für Dezember weniger verblieb. Das Transportsystem und die Häfen haben effizient funktioniert. Bei der
MwSt. wird beim Zollamt auch eine Einbehaltung vollzogen, die
nachher auf den Endbetrag angerechnet wird, so dass die hohen
Einnahmen beim Zollamt zu relativ geringeren beim Steueramt führen.
Der Gesamterlös der MwSt. weist im Dezember eine starke Zu-
nahme auf, die besonders auf die hohen Umsätze bei Automobilen, Computern u.dgl., und elektrischen Haushaltsgeräten zurückzuführen sind, wobei es hier kaum Hinterziehung gibt. Abgesehen
davon wurden die Rückzahlungen der MwSt. an Exporteure letztes Jahr schleppend bezahlt, so dass die Schuld der AFIP gegenüber den Exporteuren gestiegen ist. Im ganzen Jahr 2010 lag die
Zunahme etwa gleich hoch wie die des BIP zu laufenden Werten.
Der Erlös der Gewinnsteuer ist im Zusammenhang mit der guten Konjunktur auch stark gestiegen, wobei sich hier auch der
Umstand auswirkt, dass es keine Inflationsberichtigung von Bilanzen, noch eine Anpassung der Progressionskala an die Inflation
gibt, so dass eine kalte Zunahme dieser Steuer stattfindet.
Die Steuer auf Giro- und Sparkontenbewegungen, genannt
Schecksteuer, weist im Dezember eine sprunghafte Zunahme auf.
Das weist darauf hin, dass die Zahlungen des Monats, besonders
beim Weihnachts- und Neujahrsgeschäft, stärker über Zahlkarten,
Kreditkarten und Schecks abgewickelt wurden. Eventuell haben
auch die Massnahmen gewirkt, die die ZB in diesem Sinn getroffen hat, wie die Schaffung des ZB-Schecks, der für bestimmte Zahlungen eingesetzt werden kann. Bei den vielen Überfällen auf Personen, die Banken mit Bargeld verlassen, die in letzter Zeit stattgefunden haben, wird die Schecksteuer immer mehr als der Preis
für Sicherheit beim Zahlungsverkehr aufgefasst.
Die Einnahmen aus Beiträgen für das Rentensystem u.a. Sozialabgaben sind auch stark gestiegen, was sich durch die gestiegene legale Beschäftigung, die Lohn- und Gehaltserhöhungen und
die Zahlung der geschuldeten Beiträge durch diejenigen erklärt,
die 2008/09 pensioniert wurden, obwohl sie die Beiträge gar nicht
oder nur zum Teil gezahlt hatten. Diese Schuldenzahlungen werden von der Pension abgezogen, also von der Behörde ANSeS
gezahlt.
Von den gesamten Steuereinnahmen (im weiteren Sinn) des Nationalstaates, behielt dieser im Jahr 2010 48,22% für sich, zu denen noch 23,73% hinzukommen, die für das Rentensystem bestimmt sind. Die Provinzen (einschliesslich Bundeshauptstadt) erhielten 24,64%, und 3,4% wurden für sogenannte „nicht budgetäre Ausgaben“ bestimmt, die besonders die Ausgaben der AFIP einschliessen, die eine prozentuale Beteiligung am Steuererlös erhält.
Die Provinzen erhalten jedoch zusätzlich vom Nationalstaat Mittel für Infrastrukturinvestitionen, zum Ausgleich ihrer Pensionskassen (bei denen, die sie nicht an den Nationalstaat abgegeben
haben) u.a. Zwecke. Diese Mittel werden recht willkürlich verteilt, wobei Provinzen mit oppositonellen Gouverneuren kaum etwas erhalten.
Kfz 2010: Produktion, Lieferungen,
Exporte und Importe
Einheiten
Zunahme (in %)
Produktion ................................ 724.023 ............ 41,2
Lieferungen an Agenturen ........ 698.299 ............ 43,3
Export ....................................... 447.953 ............ 38,9
Importe (1) ............................... 422.159 ............ 42,3
Endverkäufe an Publikum ........ 660.000 ............ 28,2
(1)Die Importe werden als Differenz berechnet, ohne Veränderung der Lagerbestände zu berücksichtigen. Diese haben bei
den Agenturen zugenommen, da sie mehr Kfz erhalten als verkauft haben. Nicht eingeschlossen sind Importe, die nicht von den
lokalen Fabrikanten durchgeführt werden. (BMW u.a.)
Quelle: ADEFA (Asociación de Fabricantes de Automotores)
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95% des argentinischen Defaultbetrages
wurde umgeschuldet
Argentinien hat 2010 einen großen Schritt getan, um den Defaultzustand zu überwinden. Infolge des Umtauschangebotes vom Mai
und dem zweiten Angebot von Dezember sind inzwischen fast 95%
aller Schulden bei internationalen Privatanlegern, die im Rahmen
der Zahlungsunfähigkeit Argentiniens 2001 ausgesetzt wurden, erfolgreich umgeschuldet worden. Gemäss US-Privatrecht kann bei
einer Mehrheit von 90% des Schuldbetrages, beidem die Gläubiger
ein Umschuldungsangebot annahmen, der Zustand der Zahlungsunfähigkeit vom Richter als überwunden erklärt werden. Die argentinische Regierung hofft, dass dieses Kriterium jetzt auch für Staaten,
also konkret für Argentinien, angewendet wird. Die US-Regierung
könnten in diesem Sinn mit einem „amicus curiae“ (eine diesbezügliche Empfehlung) die Richter dazu bewegen, in diesem Sinn zu handeln, obwohl es im internationalen Recht keine Regelung in diesem
Sinn gibt. Die Überwindung des Defaults, beidem die verbleibenden
Gläubiger kein Anrecht mehr auf Klage haben, sondern bestenfalls
nur zu gleichen Bedingungen wie die anderen Gläubiger umschulden können, erlaubt dann den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt und bringt eine spürbare Senkung der Rate des Landesrisikos
mit sich.
Das jüngste Angebot, das zum 31.12.2010 abgeschlossen wurde,
betraf die so genannten Brady-Schuldverschreibungen im Gesamtwert von u$s 330 Mio. Diese „Schrott-Anleihen“ waren bei Ausgabe
vom argentinischen Staat mit US-Schatzbriefen gegen Ausfall gesichert worden und konnte daher mit Abschlägen auf die Zinsen („Par
Bonds“) bzw. den Nominalwert („Discount Bonds“) an die internationalen Anleger ausgegeben werden. Das Umschuldungsangebot
wurde jetzt zu 80,9% (u$s 267,2 Mio.) von den Gläubigern angenommen. Die beiden größten Posten waren die Par-Bonds auf USDollar, die im Umfang von u$s 151 Mio. (81,67%) umgetauscht wurden sowie Discount-Bonds auf US-Dollar im Wert von u$s 69,7 Mio.
(89,56%). Ursprünglich war geplant gewesen, die Brady-Schuldverschreibungen bereits in das Umtauschangebot vom Mai 2010 zu in-
tegrieren. Jedoch hatte der New Yorker Richter Thomas Griesa
seinerzeit auf Verlangen von Anlegern die Brady-Anleihen wegen
ihres besonderes Ausfallschutzes von der Umtauschaktion per einstweiliger Verfügung ausgeschlossen. Nachdem diese aufgehoben
wurde, war der Weg für das gesonderte Angebot frei. Ausserdem
wurden u$s 156,1 Mio. umgeschuldet, so dass der Gesdamtbetrag
u$s 423 erreichte.
Von den ursprünglichen ausstehenden Schulden in Höhe von u$s
81,8 Mrd. sind es nach der 1. Umtauschaktion im Jahr 2005 (76,15%
Akzeptanz), der 2. im Mai 2010 (mit einem Umtausch von weiteren
u$s 12,07 Mrd.) und der besagten Brady-Umstrukturierung jetzt fast
nur noch die u$s 4 Mrd. in den Händen von sogenannten „GeierFonds“, die Argentinien Kopfschmerzen bereiten. Diese Investoren
haben sich darauf spezialisiert, billig geplatzte Schuldentitel aufzukaufen, um damit Gewinn zu erzielen, wenn sie erreichen, dass die
Gerichte ein Land zur Zahlung zum Nennwert zwingen. Sie haben
den Umtausch zu reduzierten Konditionen stets abgelehnt und den
Rechtsweg beschritten.
Es verbleiben eigentlich nur noch die Verhandlungen mit dem
Pariser Klub, die für diesen Monat anberaumt sind. Dieser vertritt
die Gläubigerstaaten, die noch Außenstände und aufgelaufene Zinsen in Höhe von u$s 6,2 Mrd. halten, zu denen noch eine eventuell
Busse hinzukommt. Es wird jetzt angenommen, dass die Verhandlungen, bei denen es zunächst um die genaue Festsetzung des Betrages geht, zu einem positiven Abschluss gebracht werden können,
nachdem Néstor Kirchner nicht mehr da ist, der zu keiner Kompromisslösung bereit war. Wirtschaftsminister Boudou schlägt vor, die
Zahlung in Raten über 6 Jahre zu leisten, was der Pariser Klub ohne
IWF-Kontrolle ablehnt. Es müssten somit höchstes bis zu zwei Jahren sein, was im Prinzip kein Problem für Argentinien darstellt. Eine
Regelung ist wichtig, da die lokalen Unternehmen und der Staat dann
Maschinen und Anlagen mit mittelfristiger Finanzierung und niedrigen Zinsen kaufen können, die sie dringend benötigen.
Das monetäre ZB-Programm für 2011
Das Direktorium der Zentralbank hat in der letzten Sitzung des
Jahres 2010 das monetäre Programm für 2011 verabschiedet. Wie
weit dieses Programm eingehalten wird, ist eine andere Frage; denn
im August 2010 wurden die monetären Ziele des Jahres geändert,
mit dem Argument, dass ursprünglich eine BIP-Zunahme von nur
2,5% vorgesehen war, während es schliesslich fast 9% sein werden,
wobei die Expansion des monetären Aggregates M2 (Banknonten in
Händen des Publikums plus Giro- und Spardepositen) um 9 Prozentpunkte, gleich $ 20 Mrd. erweitert wurde.
Das gesamte M2 soll in 12 Monaten zum Dezember 2011 um
27,9% und das private M2 um 29,2% zunehmen. Die Regierung will
auf alle Fälle nicht, dass die monetäre Politik das wirtschaftliche
Wachstum bremst. Das bedeutet, dass schliesslich eine expansive
Geldpolitik betrieben wird und die genannten Expansionsziele nicht
zu ernst genommen werden sollten.
Das Konzept des ehemaligen ZB-Präsidenten Martín Redrado bestand darin, dass die monetäre Expansion, gemessen mit dem Aggregat M2, leicht unter der Zunahme des BIP zu laufenden Werten
liegen sollte, so dass sie nicht inflationär wirkt, jedoch auch nicht
bremsend. Dieses Kriterium wurde unter Mercedes Marcó del Pont
als ZB-Präsidentin stillschweigend aufgeweicht. Für diese Regierung
ist eine monetäre Inflationsbremse, die auch die Konjunktur abkühlen würde, liberale Ketzerei.
Für 2011 wird von einer BIP-Zunahme von 3,5% bis 6,5% ausgegangen, bei einer Zunahme der sogenannten “impliziten Preise” zwischen 10% und 16%. Dieser Preisindex wird durch die Teilung des
BIP zu laufenden Werten durch das BIP zu konstanten Werten ermittelt. Es ist somit ein Preisindex mit einer breiteren Basis als der Index der Konsumentenpreise, wobei er auch eine Veränderung der
Zusammensetzung aufweist. Die Berechnung ist sehr schwierig und
ungenau. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass der Index der Konsumentenpreise auf alle Fälle im Durchschnitt des Jahres 2011 um
mindestens 25% über dem Durchschnitt 2010 liegen wird, kann man
davon ausgehen, dass auch die
impliziten Preise eine wesentlich
höhere Zunahme aufweisen werden, als sie die ZB annimmt.
Die ZB rechnet auch für 2011
mit einem hohen Zahlungsbilanzüberschuss, der sich aus einem
Handelsbilanzüberschuss von u$s
15,8 Mrd. ergibt, so dass die ZBReserven um u$s 12,5 Mrd. zunehmen sollen. Private Wirtschafter rechnen mit einem geringer
Überschuss bei der Handelsbilanz,
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wegen zunehmenden Importen und geringeren Exporten, wegen der
Dürre, die eine geringere Ernte von Getreide und Ölsaat in Aussicht
stellt. Der Überschuss der Zahlungsbilanz soll auf alle Fälle so weit
durch Ausgabe von Wechseln (Lebac und Nobac) ausgeglichen werden, dass er mit der vorgehenen monetären Expansion kompatibel ist.
Ein Teil der ZB-Reserven soll auch in diesem Jahr, wie im Vorjahr,
direkt für Zahlung von fälligen Staatsschulden eingesetzt werden.
2011 soll die monetäre Expansion hauptsächlich durch den Bankensektor (lies: Kreditexpansion) verursacht werden. Das setzt eine
starke Zunahme der Depositen, eine Senkung der Pflichtreserven und
eine geringere Abschöpfung durch ZB-Wechsel voraus. In diesem
Sinn sollen die Ausschreibungen für Kredite mit subventionierten
Zinsen weitergeführt werden, die im Rahmen des Programmes über
die produktive Finanzierung (genannt “Bicentenario”) vergeben
werden. Der Bankenkredit an den Privatsektor, der gegenwärtig bei
etwa 11% des BIP liegt, was im internationalen Vergleich anormal
niedrig ist (Argentinien sollte einen Koeffizienten von etwa 50% haben), dürfte im Laufe des Jahres 2011 kaum viel höher liegen.
Die ZB berichtet überhaupt nicht über den Finanzierungsbereich,
der sich ausserhalb der Banken bewegt, der insgesamt an den Privatsektor Kredite in viel höherem Umfang als die Banken vermittelt. Es
handelt sich um Treuhandfonds für Konsumfinanzierung, auch für
Finanzierung der Landwirtschaft (“Pools”) u.a. Bereiche, und um
Kredite von nicht eingetragenen Finanzanstalten, die theoretisch nur
ihr eigenes Kapital ausleihen. Diese Kredite erklären, dass die argentinische Wirtschaft trotz sehr niedrigem Umfang des Bankenkredites einigermassen normal funktioniert.
Die Politik des verwalteten Wechselkurses soll beibehalten werden. Die ZB gibt jedoch keine Ziele über den Wechselkurs per Ende
2011 bekannt. Es wird angenommen, dass die Abwertung geringer
als die effektive Zunahme der Konsumentenpreise sein wird. Das
bedeutet, dass mit einer Verbilligung importierter Produkte, und somit höherer Importe, und einer Erschwerung der Exporte von Industrieprodukten zu rechnen ist. Die Industrieministerin Debora Giorgi
betont indessen, dass die Politik der Importsubstitution forgesetzt
werde, die schon 2010 sehr erfolgreich gewesen sei. Das würde jedoch Importkontingentierungen bedeuten, sei es durch Abkommen
(wie mit Brasilien) oder durch “nicht automatische Importlizenzen”.
Geschäftsnachrichten
Prosegur
La Anónima
Die Sicherheitsfirma Prosegur mit Sitz in Spanien hat den Kauf
von zwei weiteren lateinamerikanischen Firmen bekannt gegeben.
Es handelt sich um die brasilianische Martom Segurança Electrónica, die sich auf den Sicherheitsbereich von Banken spezialisiert hat,
sowie um die peruanische Telemergencia mit Schwerpunkt auf den
Schutz von Privathäusern. Bereits im abgeschlossenen Jahr war Prosegur auf Einkaufstour in der Region und hatte Genper in Uruguay
und Tellex in Argentinien erworben.
Die Supermarktkette La Anónima, die besonders in Patagonien
tätig ist, hat ihren Expansionsplan wieder aufgenommen und kündigt für 2011 ihren ersten Supermarkt in der Stadt Sierra Grande
(Río Negro) an. Bereits Ende 2010 war eine neue Filiale in Esquel
(Chubut) eröffnet worden. La Anónima, kontrolliert von der Familie
Braun, unterhält 109 Supermärkte in 63 Städten mit Schwerpunkt
auf dem Süden des Landes. Als eine der nächsten Eröffnungen ist
ein Supermarkt in der Stadt Mercedes (Provinz Buenos Aires) im
Gespräch.
Motorola
Vor zwei Jahren hatte die internationale Firmenzentrale von Motorola die weltweite Umstrukturierung des Konzerns beschlossen,
seit dem 1.Januar 2010 ist sie Wirklichkeit. Der US-Mobiltelefonkonzern hat seine Geschäftstätigkeit in zwei unabhängig voneinander
agierende Aktiengesellschaften aufgespalten. In der Motorola Solutions werden alle Bereiche gebündelt, die technologische Dienstleistungen für Unternehmen und Behörden betreffen. Die zweite Gesellschaft, Motorola Mobility, wendet sich dagegen an den Endverbraucher und ist fortan für die Fertigung und den Vertrieb der Motorola-Handys verantwortlich. Dieser Wechsel hat sich auch in Argentinien vollzogen, auch wenn einige Verflechtungen naturgemäß erst
einmal bestehen bleiben, wie zum Beispiel, dass sich beide Gesellschaften den bestehenden Standort für Forschung und Entwicklung
in der Provinz Córdoba teilen. Die neuen Landesleiter in Argentinien sind für Motorola Solutions Pablo Orsei (vormals Landesleiter
Motorola) und für Motorola Mobility Diego Rosenthal.
Während Orsei in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf neue Projekte für Kommunen setzt und hier insbesondere den Ausbau von
kabellosen Internetnetzen, digitale Lösungen für Behördenvorgänge
und Kameraüberwachung des öffentlichen Raumes im Fokus hat,
bereitet Motorola Mobility die Markteinführung eines tragbaren
„Tablet-PCs“ vor, mit dem dem iPad von Apple Konkurrenz gemacht
werden soll. Die Position von Motorola ist vor allem bei den „Smartphones“ über u$s 200 stark, bei denen Motorola in Argentinien mit
31% Marktanteil Marktführer ist. Diese Mobiltelefone mit Computerfunktionen werden immer beliebter und haben ihren Anteil im gesamten Handymarkt von 5% (2009) auf 12 bis 15% (2010) gesteigert. Für 2011 wird mit 20% Marktanteil gerechnet.
Howard Johnson
Die Hotelkette Howard Johnson investiert $ 15 Mio. in den Bau
eines neuen 3-Sterne-Hotels in San Francisco (Córdoba). Damit
werden dann 7 Hotels in dieser Provinz unter dem Namen Howard
Johnson geführt. Die letzte Eröffnung konnte Ende 2009 in der Provinzhauptstadt Córdoba gefeiert werden.
Audi
Der deutsche Autobauer hat sich etwas Besonderes einfallen lassen, um seinen Kunden eine Freude zu machen. Seit dem 30.12. unterhält das Unternehmen im Buquebus-Terminal in Puerto Madero
eine Lounge für Audi-Fahrer bereit. Für Kunden, die mit dem Auto
nach Uruguay reisen, übernehmen die Mitarbeiter vor Ort die ganzen Check-in-Formalitäten, während man sich bei einem Getränk
entspannt ausruhen kann.
Peugeot
Das Jahr 2010 wird als Rekordjahr in die Geschichte von Peugeot
Argentinien eingehen: Mit 61.622 verkauften Autos wurde die bisherige Marke von 60.000 Fahrzeugen aus dem Jahr 2007 geknackt.
Die argentinische Landesvertretung des französischen Autokonzerns
konnte 2010 einige Weiterentwicklungen ihrer Modelle präsentieren, so den Nueva Partner Patagónica, den Crossover 3008 und den
207 GTI. Ein Höhepunkt des Jahres war der November, als die Produktion des neuen Peugeot 408 im Beisein von Cristina Kirchner im
Werk El Palomar (Provinz Buenos Aires) feierlich in Gang gesetzt
werden konnte. Ende des Jahres erfolgte dann noch die Markteinführung des neuen Sportcoupés RCZ.
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LATEINAMERIKANISCHE WIRTSCHAFT
Venezuelas Regierung vereinheitlicht zum
1. Januar 2011 den Wechselkurs der heimischen Bolivar-Währung zum US-Dollar.
Danach gilt mit Jahreswechsel nur noch ein
Kurs von 4,30 Bolivar je Dollar; der zweite Kurs
von 2,60 Bolivar je Dollar wird dagegen abgeschafft. Durch die Veränderung solle die venezolanische Wirtschaft angekurbelt und Finanztransaktionen vereinfacht werden. Hugo
Chávez hatte das Doppelkurssystem nach einer Bolivar-Abwertung erst im Januar 2010 eingeführt. Der Kurs von 2,60 je Dollar galt bislang
für Importe von Lebensmitteln, Medikamenten
und Technologie für den Wissenschaftsbereich.
Der Kurs von 4,30 Bolivar je Dollar wurde für
Industrieimporte sowie Tabakprodukte und Alkoholika angewendet. Die Vereinheitlichung
bringt eine bedeutende Verteuerung von Lebensmitteln mit sich, wobei Venezuela auf diesem Gebiet stark von Importen abhängig ist,
und die Bemühungen, die lokale Produktion
von Lebensmitteln zu erhöhten, keinen Erfolg
hatten. (dpa/AT)
***
Der brasilianische staatlich kontrollierte
Erdölkonzern Petrobras hat angekündigt,
seinen ersten Seehafen zur Verschiffung von
Erdöl für etwa u$s 500 Mio. zu bauen. Der
Verladehafen wird an der atlantischen Küste in
80 Km Entfernung von der Stadt Macaé entstehen. Dort, vor der Küste im so genannten TupiFeld, lagern riesige Vorkommen an Erdöl, die
zum Teil noch unerschlossen sind. Vom Hafenterminal, der eine Lagerkapazität von ca. 2 Mio.
Barrel haben wird, wird das Rohöl zu den Raffinerien im Nordosten Brasiliens, aber auch
nach Argentinien verschifft. Nach Unternehmensangaben wird der Hafen im nächsten Jahr
in Betrieb genommen. Der überarbeitete Geschäftsplan 2011-2015 von Petrobras sieht vor,
die Rohölproduktion von 137.000 Barrel pro
Tag (2012) auf 210.000 Barrel (2013), 368.000
Barrel (2014) bis auf 582.000 Barrel (2015) zu
steigern.
***
Nach Angaben der brasilianischen Regierung hat das Land im vergangenen Jahr einen Handelsbilanzüberschuss von u$s 20,28
Mrd. erwirtschaftet, 19,8% weniger als 2009.
Die Exporte stiegen um 31,4% auf u$s 201,92
Mrd., während die Importe um 41,6% zulegten, auf insgesamt u$s 181,64 Mrd. Grund für
die Verschiebung ist vor allem die Wechselkursentwicklung des Reals.
***
Nach mehreren Studien – die Mehrzahl
davon durchgeführt von der Nationalen
Umweltbehörde (DINAMA) – hat die Regierung Uruguays das Umweltunbedenklichkeitszertifikat für den Bau einer Zellulosefabrik plus Hafen am Rio de la Plata bei Punta Pereria (Distrikt Colonia) unter Auflagen
erteilt. Betreiber wird die Firma Monte del Plata
sein, ein Gemeinschaftsunternehmen der
schwedisch-finnischen Stora Enso und der chilenischen Arauco. Die Vorgabe ist, dass sich die
Gesellschaft bereit erklärt, mindestens u$s 2,3
Mrd. am Standort zu investieren und 5.000
Menschen direkt zu beschäftigen. Es wird die
zweite grosse Zellstofffabrik (nach der von
Botnia, die an eine andere Firma verkauft wurde) sein, womit Uruguay zu einem sehr bedeutenden Produzenten auf diesem Gebiet aufsteigt.
***
Brasiliens Automobilbranche meldet zum
vierten Mal in Folge einen Jahresrekord bei
den Verkaufszahlen. 2010 wurden insgesamt
3,51 Mio. Autos, leichte Nutzfahrzeuge, Lastwagen und Omnibusse verkauft und damit
11,9% mehr als 2009, wie der AutohändlerFachverband Fenabrave am Mittwoch in São
Paulo mitteilte. Volkswagen landete im Segment Autos und Transporter mit einem Marktanteil von 20,95% auf Platz zwei hinter dem
italienischen Autobauer Fiat (22,84%). Meistverkauftes Auto blieb aber der VW-Kleinwagen «Gol» (deutsch: «Tor»), der 2010 fast 294
000 Mal verkauft wurde. (dpa)
***
Nach einem Bericht der peruanischen
Zentralbank hat Peru im letzten Jahrzehnt
lediglich eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,3% pro Jahr erfahren. Zwischen
1981 und 1990 hatte die jährliche Inflation noch
369,5% betragen.
***
Brasilien hatte 2010 einen Nettozufluss an
ausländischen Devisen in Höhe von u$s 24,35
Mrd. Im Vorjahr waren es noch u$s 28,73 Mrd.
gewesen, so die Zentralbank. Bei den ausländischen Investitionen konnte Brasilien dagegen
2010 ein Rekordjahr verbuchen, u$s 26 Mrd.
kamen so ins Land. Die Handelsbilanz fällt mit
minus u$s 1,65 Mrd. negativ aus.
***
Die spanische Repsol YPF steigt bei der
Ausbeutung der Erdölvorkommen im Tayrona-Block vor der Küste Kolumbiens ein.
Die Spanier unterzeichneten diesbezüglich einen Vertrag mit der kolumbianischen Staatsfirma Ecopetrol und der brasilianischen Petrobras. Die Vereinbarung sieht vor, dass Repsol
30% an dem Vorhaben hält, Petrobras 40% und
Ecopetrol 30%.
ARGENTINISCHE WIRTSCHAFT
Der Dollarkurs schloss am Donnerstag zu
$ 3,975, 0,87% unter der Vorwoche. Der Rofex-Terminkurs lag zum 31.1.11 bei $ 4,00,
zum 31.3.11 bei $ 4,064, zum 30.6.11 bei $
4,157, zum 30.9.11 bei $ 4,258 und zum
30.12.11 bei $ 4,370. Der Kurs per Ende Januar 2012 lag um 10,18% über dem Kurs für Ende
Januar 2011.
***
Der Merval-Aktienindex der Börse von
Buenos Aires lag am Donnerstag um 2,27%
über der Vorwoche.
***
Die Staatspapiere verzeichneten in der
Woche in den meisten Fällen deutliche Zugewinne. Par-Bonds in Pesos stiegen innerhalb einer Woche um 4,18%. DiscountBonds in Pesos stiegen um 1,48%, Boden
2014 stiegen um 2,45%, Boden 2012 fielen
um 0,42% und Boden 2013 stiegen um
0,42%.
***
Die Währungsreserven der ZB betrugen
zum 23.12.10 u$s 52,35 Mrd., 0,39% über
der Vorwoche und 9,13% über Ende 2009.
***
Der Notenumlauf betrug zum 23.12.10 $
123,46 Mrd., 2,96% über der Vorwoche und
25,90% über Ende 2009. Girodepositen betrugen $ 117,32 Mrd., um 3,41% über der
Vorwoche und um 38,88% über Ende 2009,
und Spardepositen machten $ 60,11 Mrd.
aus, 10,73% mehr als in der Vorwoche und
25,49% mehr als Ende Dezember 2009.
***
Die gesamten Pesodepositen des Bankensystems lagen zum 23.12.10 bei $ 328,83
Mrd., um 2,03% über der Vorwoche und um
42,19% über Ende 2009. Fristdepositen lagen
mit $ 137,25 Mrd. um 2,03% unter der Vorwoche und um 56,91% über Ende Dezember 2009.
Dollardepositen betrugen u$s 16,11 Mrd., um
0,77% über der Vorwoche und um 35,39% über
Ende Dezember 2009.
***
Gold wurde letzte Woche in Buenos Aires
(Banco Cuidad) bei 18 Karat zu $ 115,51 pro
Gramm gehandelt (Vorwoche: $ 118,30) und
bei 24 Karat zu $ 176,00 (Vorwoche: 180,00).
***
Durch gemeinsamen Beschluss der Staatssekretariate für das Schatzwesen und für
Finanzen (Nr. 412 undf 121/10) hat die Regierung 18 Wechsel für insgesamt u$s 819
Mio. ausgegeben, die ab Februar monatlich
verfallen, die für die Zahlung des aus Venezuela von der staatlichen Enarsa und dem
Verwalter des Grossistenmarktes für Strom
CAMMESA importierten Heizöls und Dieseltreibstoffes bestimmt sind. Es handelt sich
um Käufe aus den Jahren 2007 und 2008, die
nicht bezahlt worden waren. Insgesamt schuldete der argentinische Staat dem venezolanischen u$s 1,26 Mrd., wobei nicht geklärt wurde, was mit den noch ausstehenden u$s 445,96
Mio. geschieht. Es handelt sich hier um Staatsausgaben, die jedoch nicht als solche gebucht
worden sind.
***
Die Kammer der Exporteure CERA (Cámara de Exportadores de la República Argentina) hat von der Regierung die Zahlung
von $ 1,2 Mrd. gefordert, die Exporteuren
wegen der Subvention für industrielle Exporte geschuldet werden. Die Schuld ist letztes Jahr stark gestiegen. Die Produkte, um die
es dabei geht, werden zunächst mit einem Exportzoll von 5% belastet, der sofort abgezogen
wird. Die Subvention entspricht theoretisch den
Steuern, die intern auf diese Produkte gezahlt
wurden, besonders die provinzielle Bruttoum-
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satzsteuer und die Stempelsteuer.
***
Binnenhandelssekretär Guilermo Moreno erklärte gegenüber Vertretern der Supermärkte, dass sie keine Produkte importieren
sollen, die mit solchen konkurrieren, die im
Land erzeugt werden. Das werde streng kontrolliert werden, betonte er. Ausserdem sagte
er, wer für einen Dollar importiere, müsse auch
für einen Dollar exportieren. Das steht in keinem Gesetz, Dekret oder Beschluss geschrieben. Dennoch versprach Moreno, die Fälle zu
studieren, bei denen lokale Unternehmen eine
beherrschende Marktposition ausnützten, um
die Preise zu erhöhen.
***
Die Vizearbeitsministerin von Santa Fé,
Nora Ramirez, gab bekannt, dass das Unternehmen Paraná Metal, das seit Mitte 2010
still steht, im Februar die Produktion wieder
aufnehmen würde, auf der Grundlage eines
Liefervertrages für Ford in Brasilien.
***
Die Dürre hat die Maispflanzungen stark
geschädigt, so dass die Getreidebörse von
Buenos Aires für dieses Jahr eine Ernte von
20,3 Mio. t schätzt, nachdem noch vor einigen Wochen mit 25 Mio. t gerechnet worden
war. Es werde mit einem Ertrag von 7.000 bis
7.500 kg pro Hektar gerechnet, verglichen mit
8.700 kg. 2009/10 und 5.700 kg. 2008/09.
***
Das Statistische Amt hat die Arbeitslosigkeit für das 3. Quartal 2010 mit einer neuen
Erhebung auf 7,4% der aktiven Bevölkerung
berechnet. Während sich die Erhebung bisher
nur auf 31 städische Gebiete von über 100.000
Einwohnern bezog, wurden jetzt alle Dörfer von
über 2.000 Einwohnern eingeschlossen. Die
Erhebung gemäss der alten Methode hatte einen Koeffizienten von 7,5% ergeben. Arbeitslose pflegen eben in die grösseren Städte umzuziehen, wo es mehr Arbeitsmöglichkeiten
gibt.
***
Der Verband der landwirtschaftlichen
Genossenschaften Argentiniens (ACA) hat
den Bau einer Bioethanolanlage in General
San Martin (Cór-doba) angekündigt. Die
Produktionsanlage funktioniert auf Basis von
Mais und wird u$s 75 Mio. kosten. 300.000 t
Mais werden hier pro Jahr eingesetzt, um ca.
120.000 t (entspricht 100 cbm) Bioethanol zu
gewinnen. 50 neue Arbeitsplätze entstehen.
***
Die Nationale Wertpapier-Kommission
(CNV) meldet, dass die Unternehmensfinanzierungen über Anleihen, Treuhandfonds
und Zwischenfinanzierungen im Jahr 2010
im Volumen um 115% gegenüber 2009 zugenommen haben. $ 23,58 Mrd. wurden im
abgelaufenen Jahr über diese Kanäle am Markt
eingesammelt, gegenüber $ 10,96 Mrd. in 2009.
***
Die Abgaben für Haushaltshilfen an das
Sozialwerk steigen ab Januar von $ 46,75 auf
$ 60. Die Zusatzversicherung von Kindern in
der Krankenversicherung steigt pro Familie von
$ 39 auf $ 60. Da die Abgaben an das Pensionssystem konstant bleiben ($ 35), muss eine
angemeldete Haushaltskraft mit mehr als 16 h
Arbeitszeit pro Woche $ 95 statt wie bislang $
81,75 an die Sozialkassen abführen.
***
Gemäss Angaben des Verbandes der Autohändler ACARA wurde 2010 ein Rekord
beim Verkauf von neuen Kfz erreicht.
660.000 Fahrzeuge wurden in den vergangenen 12 Monaten in Argentinien verkauft. Betrachtet man die Marktverteilung, wie sie die
Branchenkammer ADEFA vorgelegt hat, war
General Motors mit 19% Marktanteil Marktführer, gefolgt von Peugeot-Citroen (18%),
Ford und Fiat (jeweils 13%), Renault und Volkswagen (jeweils 12%), Toyota (10%), MercedesBenz (2%) und Iveco (1%).
***
Der größte Omnibushersteller Brasiliens,
Marcopolo, hat zum Ende 2010 eine Option
genutzt und damit seinen Aktienanteil an
dem Omnibusproduzenten Metalpar Argentina von 40% auf 50% erhöht. Die Option
rührte aus dem Kauf Ende 2009 her, als Marcopolo seinen Anteil von 33% auf 40% erhöht
hatte. Metalpar Argentina wird weiterhin von
dem Stammhaus in Chile gesteuert; allerdings
erlangen die Brasilianer die Kontrolle über die
Bereiche Produktion und Entwicklung. Derzeit
stellt Metalpar Argentina 10 Omnibusse pro Tag
her, mit dem Ziel auf 12 im März und 16 im
Juli zu gelangen. Außerdem wurde angrenzend
an die Fabrik in Loma Hermosa (Provinz Buenos Aires) ein Grundstück von ca. 0,7 h erworben, um dort die Produktion zu erweitern. Die
brasilianische Marcopolo hatte sich 2002 aus
Argentinien zurückgezogen; die jüngsten Aktienkäufe lassen jetzt auf eine Strategieumkehr
schließen. Das Unternehmen, das noch eine
brachliegende Fabrik in Río Cuarto (Córdoba)
besitzt, produziert die Hälfte aller OmnibusKarosserien in Brasilien und exportiert in über
60 Länder.
***
Privatbanken können künftig nicht mehr
nur in den profitablen Wirtschaftszentren
des Landes expandieren. Nach einer neuen
Vorschrift der Zentralbank, die am Montag veröffentlicht worden ist, müssen Banken, die in
den wichtigsten Städten der so genannten Kategorie I und II eine Filiale eröffnen wollen,
zuvor eine Filiale in den wirtschaftlich schwachen Gebieten eröffnet haben. Zu den Kategorien I und II gehören Zentren wie z.B. Gross
Buenos Aires, Gross Córdoba, Bariloche und
Comodoro Rivadavia. Die ZB will damit die
Bankendichte in den rückständigeren Gebieten
erhöhen. Derzeit liegen Anträge von 11 Banken für 70 Bankfilialen in den Kategorien I und
II vor, die von der neuen Direktive betroffen
sind. Öffentliche Banken, Privatbanken mit
weniger als 5 Niederlassungen sowie Privatbanken die überdurchschnittlich stark in den schwachen Kategorien III und IV vertreten sind, unterliegen nicht dieser Vorgabe.
***
Argentinien hatte 2010 im bilateralen
Handel mit Brasilien ein Defizit von u$s 4,09
Mrd. Das Handelsbilanzdefizit, das jetzt von
brasilianischer Seite gemeldet wurde, liegt um
172% über dem von 2009 und um 6% unter
2008. Argentiniens Exporte nach Brasilien legten 2010 nach Informationen der Beraterfirma
abeceb um 28% auf u$s 14,43 Mrd. zu, während die Importe aus Brasilien um 45% auf u$s
18,52 Mrd. wuchsen. Ausgeführt wurden vor
allem Autos und Autoteile, Weizen, Maschinen
und Ausrüstung, sowie Kunststoffprodukte.
Nach Argentinien eingeführt wurden ebenfalls
Autos und Autoteile sowie Maschinen, aber
auch Eisenerz, Stahlprodukte und Elektronik.
Auch der Dezember ist in der Handelsbilanz
schlecht ausgefallen: Exporte von u$s 1,34 Mrd.
und Importe von u$s 2,07 Mrd. ergeben ein
Defizit, das um 5,9% schlechter als Dezember
2009 war. Der Handel mit Brasilien konzentriert sich stark auf Kfz, die im Rahmen des kompensierten Austausches gehandelt werden, der
den Fabriken in beiden Ländern eine Spezialisierung erlaubt.
***
Die Preise der Automobile sind in 12 Monaten zum Dezember 2010 in Pesos durchschnittlich um 6,8% gestiegen. Die geringsten Zunahmen weisen der Ford Fiesta mit einem Motor von 1,6-Litern, Modell MP, mit
4,2%, und der Chevrolet Agile, mit ,4 Litern
Hubraum, mit 4,3%, auf. Die höchsten Zunahmen entfallen auf den Renault Clio (1,2 Liter),
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mit 10,5% und den Peugeot 207 (1,4 Liter) mit
8,3%. Die durchschnittliche Preiszunahme liegt
unter der Abwertung des Peso gegenüber dem
Dollar und weit unter der allgemeinen Preiszunahme, so dass Automobile in Argentinien 2010
relativ billiger geworden sind.
***
Der neue Vorsitzende des abtrünnigen Gewerkschaftsverbandes CTA (Central de Trabajadores Argentinos), Pablo Micheli, erklärte, er werde sich bemühen, dieses Jahr
Lohnerhöhungen von über 30% zu erreichen. Die Konkurrenz der Gewerkschaften, und
besonders der Spitzenverbände CGT und CTA,
treibt die Lohnforderungen gefährlich in die
Höhe.
***
Das Verbot des Importes von gebrauchter Bekleidung wurde durch Dekret 2112 für
5 Jahre verlängert. Nur wenn es sich um
Schenkungen handelt, werden Importe dieser
Art zugelassen. In den 90er Jahren waren diese
Importe zugelassen worden, wobei jedoch festgestellt wurde, dass auch neue Bekleidungsstücke auf diese Weise importiert wurden, was sich
kaum kontrollieren lässt. Deshalb wurde das
Verbot wieder eingeführt. Die gebrauchte Bekleidung, die importiert wurde, wurde
vornehmlich an sehr arme Personen billig verkauft, so dass diese Importe eher einen sozialen Sinn hatten. Der Mittelstand kaufte diese
Ware nicht.
***
Die Nachfrage nach Arbeitskräften, die
sich aus den Kleinanzeigen in grossen Zeitungen ergibt, lag im Dezember 2010 laut
dem Verband FAETT (Federación Argentina de Empresas de Trabajo Tenporario) um
19% über dem gleichen Vorjahresmonat. Die
Zunahme erklärt sich durch die gute Konjunktur, und vor allem durch die besonders gute Feriensaison.
***
Von den gesamten Exporten von Automobilen, Lastwagen und Kleinlastern des Jahres 2010 (447.963 Einheiten) gingen 84,6%
nach Brasilien, 5,4% nach Mexico, 2,7%
nach Europa, 2,1% nach Uruguay, je 1,1%
nach Venzuela und Chile, 0,8% nach Kolumbien, 0,7% nach anderen amerikanischen
Staaten und 1,5% nach anderen Staaten der
Welt.
***
Die gesamte Kfz-Produktion des Jahres
2010 hat sich folgendermassen auf die einzelnen Fabrikanten verteilt: General Mo-
tors: 135.301 Einheiten; Peugeot-Citroen:
126.968; Ford: 96.454; FIAT: 96.059; Renault: 91.222; Volkswagen: 87.073; Toyota:
70.032; Mercedes Benz: 16.461; IVECO:
4.453. In Werten berechnet steigt der Anteil der
zwei letztgenannten Unternehmen stark, da sie
Lastwagen und Omnibusgestelle herstellen, die
viel teurer als Automobile sind.
***
Selbst die Gewerkschaften lehnen eine
Rückverstaatlichung des Energieversorgers
Edesur ab. Der Generalsekretär der Gewerkschaft der Stromarbeiter, Oscar Lescano, sagte,
die Arbeiter hätten „sehr schlechte“ Erfahrungen mit dem Staat als Betreiber der Stromverteilung gemacht. „So schlecht, dass sogar wir
selbst verlangt haben, privatisiert zu werden,
weil es ein Desaster war“, so Lescano. In den
letzten Tagen hatte die Regierung Edesur für
die jüngsten Stromausfälle, von denen 120.000
Menschen betroffen waren, verantwortlich gemacht und eine Rückverstaatlichung des unter
Menem privatisierten Stromversorgers in Aussicht gestellt.
***
Das Amt für öffentliche Einnahmen
(AFIP) hat am Mittwoch die Kontrollen der
Geldausfuhr verschärft. Die Resolution 3010,
veröffentlicht am Mittwoch, verfügt, dass künftig Reisende beim Verlassen des Landes nicht
nur Bargeld in Höhe von u$s 10.000 und mehr
deklarieren müssen, sondern auch Schecks und/
oder Schuldverschreibungen, wenn der Gesamtwert diese Höhe überschreitet. AFIP kommt damit einer internationalen Forderung nach, die
Vorkehrungen gegen die Geldwäsche zu verbessern.
***
Die Spielzeugbranche kann auf ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft zurückblicken.
Die Verkäufe in der Zeit Dezember bis Heilige
drei Könige, traditionell die Hochsaison der
Branche, lagen um 18% über 2009/10. u$s 500
Mio. setzte die Spielwarenindustrie insgesamt
2010 um. Industrieministerin Débora Giorgi
wies darauf hin, dass inzwischen 35% der verkauften Spielwaren im Land selbst produziert
werden, 2003 hatte der Anteil noch bei gut 10%
gelegen. Auch die Produktionszahlen legten zu,
zwischen 2000 und 2010 um 130%, so die Ministerin. Die Importeure fordern dagegen eine
Lockerung der Einfuhrbeschränkungen. Carlos
Restaino, Vorsitzender des Verbandes der Spielzeugunternehmen (Aadeja), verweist darauf,
dass die Importzahlen 2010 zwar gestiegen sei-
en, aber immer noch auf historisch niedrigem
Niveau lägen und nur 15% des 2008 importierten Volumens betragen. 80% der importierten
Spielzeuge stammt aus China. Giorgi steuert die
Importe von 20 Produktgruppen über die Vergabe nicht-automatischer Importlizenzen. Mattel, der einzige internationale Markenhersteller
mit Präsenz in Argentinien, konnte 2010 nur
mit Klagen vor der Justiz und entsprechende
richterliche Verfügungen Importe durchsetzen,
so Restaino.
***
Die Apotheken im Großraum Buenos Aires (ca. 4.000 Filialen) drohen damit, ab kommenden Mittwoch die Arzneimittel-Rabatte
für privat Krankenversicherte zu streichen.
Grund sind die stockenden Verhandlungen mit
den privaten Krankenversicherungen („medicina prepaga“) zur Reduzierung der Mengenrabatte, welche die Apotheken den Versicherern
gewähren. Das System sieht vor, dass Inhaber
einer Privatversicherung einen Preisnachlass
von 40% bis 70% auf die Medikamente erhalten, die zur medizinischen Mindestabdeckung
(PMO) zählen. Einen Teil der Differenz zum eigentlichen Verkaufspreis holt sich die Apotheke
hinterher bei der Krankenversicherung wieder.
Die Versicherer geben sich zuversichtlich, dass
der Schritt noch abgewendet werden kann.
***
Die ZB hat in dieser Woche Wechsel für $
1 Mrd. ausgeschrieben, Offerten von $ 3,69
Mrd. erhalten und $ 3,51 Mrd. zugeteilt. Fast
82% der Angebote entfielen auf Nobac. Die
Bank hat einen Überschuss von $ 1,4 Mrd. abgeschöpft. Lebac-Wechsel zu 56 Tagen wurden
mit 11% verzinst, zu 84 Tagen ebenfalls mit
11%, zu 105 Tagen mit 11,1%, zu 224 Tagen
mit 11,75%, zu 308 Tagen mit 12,4%, zu 364
Tagen mit 13%, zu 455 Tagen mit 13,95% und
zu 532 Tagen mit 14,3%. Nobac auf 196 Tage
wurden zum Badlarsatz plus 1,5 Prozentpunkte verzinst. Der Aufschlag betrug bei 273 Tagen 1,89 Punkte, bei 363 Tagen 2,13 Punkte,
bei 546 Tagen 2,35 Punkte und bei 1.099 Tagen 2,52 Punkte.
***
Der Generalsekretär der CGT und Vorsitzende der Gewerkschaft der Lastwagenfahrer, Hugo Moyano, hat vielen Unternehmen der Transport- und Logistikbranche
Gehaltszuschüsse für ihre Belegschaft abgerungen. Die Zahlungen variieren je nach Unternehmen zwischen $ 700 und $ 1.200 und werden
spätestens bis zu den nächsten Gehaltsverhandlungen Mitte 2011 ausgezahlt.
WIRTSCHAFTSÜBERSICHT
Die Investitionsproblematik
Die gesamten Investitionen, die in Argentinien im Jahr 2010 vollzogen wurden, liegen bei etwa 23% des Bruttoinlandsproduktes, und
sind in absoluten Zahlen, zu konstanten Werten, um etwa 19% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dies ergibt sich aus Ermittlungen
der angesehenen Consulting-Firma Orlando Ferreres & Partner. Auch
wenn andere Ökonomen zu leicht unterschiedlichen Ergebnissen
gelangen, ändert sich dabei nicht viel an der Grössenordnung. Der
Investitionskoeffizient ist von 16% im Jahr 2004, und noch weniger
vorher, auf 23% des BIP im Jahr 2010 gestiegen. Im historischen
Vergleich ist dies in Ordnung und sollte für ausreichendes Wachstum sorgen. Wenn die bedeutende Zunahme des BIP in den letzten
Jahren berücksichtigt, so sind die Investitionen real in absoluten
Zahlen seit 2004 auf über das Doppelte gestiegen.
Für Argentinien ist ein Investitionskoeffizient von 20% des BIP
normal und ausreichend für ein jährliches BIP-Wachstum von über
5%. Wenn jetzt bestimmte Wirtschafter und Politiker (wie Rodolfo
Terragno) von der Notwendigkeit sprechen auf 25% bis 30% zu gelangen, so ist das einfach unrealistisch und zeugt von unzureichen-
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der Kenntnis der Wirtschaftswissenschaft. Um einen noch höheren
Koeffizienten zu erreichen, müsste der Konsum entsprechend abnehmen. So etwas geht in China, wo der Investitionskoeffizient bis
zu 40% des BIP erreicht, ist aber nur im Rahmen einer straffen Diktatur möglich. Ausserdem ist es nicht notwendig.
In früheren Zeiten wurde in der Wirtschaftswissenschaft angenommen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Wachstum und Investitionen besteht, wobei andere Faktoren kaum berücksichtigt
wurden. Später wurde erkannt, dass Investitionen zwar zum Wachstum führen, jedoch das Wachstum auch eine Bedingung für Investitionen ist. Es besteht eine klare Wechselwirkung. Die Präsidentin
Cristina Kirchner weist stets darauf hin, dass ihr „Modell“ sich bemüht, einen hohen Konsum zu fördern, der dann Investitionen nach
sich zieht. Der Ökonom John Maynard Keynes hat in den 30er Jahren schon in diesem Sinn gedacht, und empfahl in der Krise der 30er
Jahre zunächst Nachfrage zu schaffen, damit die Unternehmer an
Investitionen dächten. Er wies auch darauf hin, dass die geringe Investitionsfreudigkeit der Unternehmer in jener Konstellation durch
höhere Staatsinvestitionen ausgeglichen werden müsse.
Die nicht materiellen Wachstumsfaktoren
Die Wirtschaftswissenschaft hat sich in den letzten 50 Jahren in
eine neue Richtung entwickelt, und sieht das Wachstumsphänomen
zunehmend anders. John Kendrick hat in einer 1961 veröffentlichten Studie über die Ursachen des Wachstum der USA von 1900 bis
1960 darauf hingewiesen, dass materielle Faktoren (natürliche Ressourcen, mehr Kapital und mehr Einsatz menschlicher Arbeit) nur
für die Hälfte des globalen Wachstums verantwortlich seien. Die
andere Hälfte sei auf Effizienzfortschritte, neue Technologie, Ausbildung der Bevölkerung, unternehmerische Innovationen und strukturelle Änderungen zurückzuführen. Andere Wirtschaftler, wie Nobelpreisträger Robert Solow haben dann diese These weiter vertieft.
Im Grunde ist die Ökonomie zum theoretischen Aufbau des Österreichers Joseph Schumpeter zurückgekehrt, der die unternehmerische Dynamik in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Wachstums
stellte.
In gewissen Sinn könnte man jetzt behaupten, dass die Welt schumpeterianisch geworden ist. Die technologische Revolution unserer
Zeit, die in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderst ihren Höhepunkt erreichte und die bedeutendste der ganzen Menschheitsgeschichte ist, hat die Weltwirtschaft grundsätzlich verändert und ihr
zu einem phänomenalen Aufschwung verholfen. Diese Revolution
konzentriert sich auf Telefonie, Computertechnologie im weiteren
Sinn (besonders die kleinen Computer und das Internet) und Biotechnologie (besonders die Entwicklung genetisch veränderter Samen), hat aber noch viele andere Bestandteile. Es wäre gewiss nicht
gewagt, zu behaupten, dass gegenwärtig die immateriellen Wachstumsfaktoren, in erster Linie die Technologie, für weit mehr als 50%
des Wachstums verantwortlich sind, die Kendrick bis 1960 in den
USA festgestellt hat. Diese neue Technologie kommt auch in viel
effizienteren Maschinen zum Ausdruck, die mit weniger Arbeitskräften mehr und besser produzieren.
Der argentinische Fall
Zurück zu Argentinien. Das Land verfügt über eine intelligente
Bevölkerung, die eine grosse Aufnahmefähigkeit für neue Technologie aufweist. Auch wenn die öffentliche Erziehung, vornehmlich bei
Primarschulen, viel zu wünschen übrig lässt, gibt es kaum noch Analphabeten, und ein sehr grosser Teil der Bevölkerung weiss mit den
„Personal Computern“, Laptops und Notebooks umzugehen. Die
Lernfähigkeit auf diesem Gebiet ist auffallend. Dass etwa 40% der
Bevölkerung Internet verwendet ist ein Koeffizient, den auch hochentwickelte Staaten kaum erreichen. Auf dieser Basis profitiert Ar-
gentinien ganz besonders von der technologischen Revolution, gewiss unverhältnismässig mehr als andere lateinamerikanische Staaten.
Die Bedeutung des technologischen Fortschritts kann besonders
gut am Beispiel der Sojabohne erklärt werden. Die Vervierfachung
der Produktion, die in 15 Jahren eingetreten ist, ist nur zum geringsten Teil auf Investitionen (besonders Landmaschinen) zurückzuführen. Sie wurde durch die Einführung von genetisch veränderten Samen, direkte Aussaat, Glifosat u.a. Chemikalien, und dem Einsatz
von gezielter Düngung (mit Bodenanalysen) herbeigeführt, wobei
auch die Preiszunahme auf dem Weltmarkt, dank hoher chinesischer
Nachfrage, als Anreiz gewirkt hat.
Die notorische Verbesserung der Austauschverhältnisse (höhere
Preise für argentinische Exportcommodities und niedrigere für Computer u.dgl., die importiert werden) zu Gunsten Argentiniens und die
Entwicklung der Weltwirtschaft hat ebenfalls entscheidend zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Besonders der Aufschwung Brasiliens hat eine Lokomotivenwirkung gehabt. Auch der stark zugenommene Touristenstrom nach Argentinien hat sich positiv ausgewirkt
und den Bau von Hotels angespornt, die in den letzten Jahren wie
Pilze nach dem Regen aufgekommen sind. Ohne diese Faktoren wäre
das BIP in Argentinien nicht entfernt so stark gestiegen, wie es in
den letzten Jahren, ganz besonders 2010, der Fall war. All dies hat
lokale Investitionen gefördert, durch die die ursprüngliche Wirkung
erhöht wird.
Die Effizienz der Investitionen
Bei den Investitionen muss weniger auf den Umfang als auf die
Effizienz geachtet werden. Dies bezieht sich einmal auf das Verhältnis von Investition zu Leistung bei jedem einzelnen Objekt, wie auch
auf die Wirkung der Investitionen als Ganzes. Viele kleine Zusatzinvestitionen bei Unternehmen waren in diesem Sinn besonders effizient, weil sie mit der Eingliederung neuer Technologie verbunden
waren, oder dazu verhalfen, Engpässe zu überwinden. Der Investitionsbetrag ist dabei im Verhältnis zur Wertschöpfung sehr gering. Es
handelt sich dabei um viele kleine, weit verstreute Investitionsobjekte, die wenig auffallen. Andere Investitionen, so in der Landwirtschaft und im Bergbau, haben eine grosse Wirkung auf die Wirtschaft, und besonders auf den Export. Besonders wichtig sind Investitionen auf dem Gebiet der Energie, was sowohl Kraftwerke, Stromfernleitungen und Stromverteilung, wie Erdöl und Gas umfasst.
Auf der anderen Seite sind die vielen hohen Investitionen in Supermärkten und Shopping Centers u.dgl. im Wesen unproduktiv. Das
Land ist auf diesem Gebiet schon überversorgt. Wenn ein neuer Supermarkt entsteht, so nimmt er nur den bestehenden Kunden ab,
schafft aber keinen Beitrag zum BIP-Wachstum. Auch Investitionen
in Luxuswohnungen tragen wenig zum wirtschftlichen Wachstum bei,
abgesehen von der Bauperiode.
Bei den jetzt hohen Staatsinvestitionen ist der Fall kompliziert.
Einmal investiert der Staat prinzipiell ineffizient, was bedeutet, dass
ein Objekt doppelt oder mehr Ressourcen erfordert, als es bei effizienter privater Durchführung sein würde. Yacyretá und Atucha II sind
Musterbeispiele in diesem Sinn. Allein in diesen beiden Objekten
wurden über u$s 10 Mrd. vergeudet. Der Staat nimmt prinzipiell
mehr Projekte gleichzeitig in Angriff, als er finanzieren kann, wodurch sich die Bauzeiten verlängern, was höhere Kosten herbeiführt,
wegen Zinsen und fixen Kosten der Bauunternehmen. Das ist eine
alte Gewohnheit, die zum Teil politisch bedingt ist. Würden die einzelnen Objekte nacheinander durchgeführt, so würde viel Geld gespart.
Doch abgesehen von der Ineffizienz bei der Planung und Durchführung von Objekten ist der Staat auch wenig rationell bei der Auswahl der Projekte. Es gibt beim Staat, ganz besonders unter den Kirch-
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ner-Regierungen, kein striktes Kriterum für Prioritäten, und auch
keine ordentliche Wirtschaftlichkeitsrechnung. Ein Musterbeispiel:
die vorgesehenen Wasserkraftwerke Condor Cliff und Barrancosa,
in der Provinz Santa Cruz, sind gemäss ofiziellen Berechnungen, die
von privaten Fachleuten bestätigt wurden, bei weitem die schlechtesten einer Reihe von möglichen alternativen Wasserkraftwerken.
Der Strom wird schliesslich über das Doppelte kosten, als es bei
anderen Objekten für den gleichen Zweck (Stromerzeugung) der Fall
sein würde.
Auch auf sozialem Gebiet wird bei Investitionen viel Geld vergeudet. Die sozialen Wohnungen, die staatliche Ämter bauen, sind
in der Regel viel zu teuer, und könnten eventuell die Hälfte und weniger kosten, wenn gut geplant würde, moderne Baumethoden (mit
Serienfertigung von Teilen) verwendet würden, und die zukünftigen
Besitzer auch ihre Arbeit beitragen würden. Mit dem gleichen Geld
könnte somit viel mehr getan werden. Auch bei staatlichen Hospitälern wird viel investiert, und dann wegen Mängel an Leitung und
Fehlen von gut ausgebildeten Krankenschwestern ein schlechter
Dienst geleistet.
Bei der Analyse der Entwicklung der Investitionen im Jahr 2010
wird darauf hingewiesen, dass die Investition in Kapitalgütern (also
Maschinen und Anlagen) gegenüber dem Vorjahr um 40% zugenommen hat, während die Bautätigkeit nur um 6% gestiegen ist. Nun ist
es jedoch so, dass die Bautätigkeit im Vorjahr schon hoch war, wobei der Kirchner-Staat viel für Infrastrukturinvestitionen aufgewendet hat, u.a. auch, um die gute Konjunktur aufrecht zu erhalten. Hätte der Staat nicht Investitonen übernommen, die in den 90er Jahren
auf Privatunternehmen entfielen, und statt dessen deren Investitionen gefördert, hätte wohl mehr und, vor allem, effizienter investiert
werden können, mit einer weitaus geringeren Belastung der Staatskasse.
Die Investitions-finanzierung
Bei den privaten Investitionen zur Einrichtung, Modernisierung
und/oder Erweiterung von Fabriken frägt man sich, wie diese finanziert worden sind. Offensichtlich haben die Unternehmen eigene
Mittel in grossem Umfang investiert. Wie sich dies mit der hohen
Kapitalflucht der letzten Jahre zusammenreimt, ist eher schleierhaft.
Multinationale Unternehmen haben Mittel aus dem Ausland eingesetzt, was die rein argentinischen kaum tun konnten.
Beim beschränkten Zugang zur Finanzierung für Kapitalgüter, erscheinen die Investitionen bei Unternehmen im Besitz von Personen, die in Argentinien wohnhaft sind, als sehr hoch. Wenn jetzt der
absurde Konflikt mit dem Pariser Klub geregelt wird, sollte eine starke
Zunahme der Investionen einsetzen, da die lokalen Unternehmen ihre
Anlagen modernisieren müssen, und dann Maschinen und Anlagen
mit einer weichen mittelfristigen Finanzierung kaufen können.
Der rasante technologische Fortschritt unserer Epoche stellt die
Unternehmen unter Zugzwang. Wer nicht investiert, um mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten, kann dann gelegentlich nicht
mehr konkurrieren. Die relativ hohe Investitionsrate erklärt sich auch
aus diesem Grund. Viele Unternehmer haben zwar Bedenken über
die wirtschaftlichen Aussichten in Argentinien, investieren dennoch
viel, weil sie wissen, dass sie sonst von der Bildfläche verschwinden. Innerlich hoffen sie eben, dass die beunruhigenden Erscheinungen, die die Kirchner-Epoche kennzeichnen, gelegentlich verschwinden, da sie im Grunde nicht in die argentinische Gesellschaft und
auch nicht in die moderne Welt passen.

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