Transcrição
pdf
Nr. 07 – Juli 2016 – 182. Jahrgang Sicherheit Schweiz «GOTTARDO 2016» WEA: Überführung Miliz Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift «Global War on Terror» Editorial 3 SOG Vorstand Stefan Holenstein Andreas Bölsterli 33 BODLUV unbestritten Aktuelles Wirtschaft / Rüstung Irène Thomann-Baur 4 36 Gotthard zwischen Payerne und Alpnach Peter Müller «Schweizer Soldat» – 90-jähriges Bestehen 34 Wechselbad der Gefühle Peter Wanner, Davide Serrago 5 Luftwaffe Ein ganz Grosser geht Christian Trottmann Sicherheitspolitik 36 Thomas A. Müller 6 9 40 USA und Saudi-Arabien André Blattmann 11 Andreas Bölsterli Kommunikation des IS Jürgen Hübschen «SIE sind die Luftwaffe» SOG 43 Das Wort des CdA Gotthard zwischen Payerne und Alpnach Herzlich willkommen! Heino Matzken 12 12 Möglicher Dammbruch im Irak Möglicher Dammbruch im Irak Heinrich L. Wirz 15 Michael Arnold 44 Kaderausbildung Bericht aus dem Bundeshaus Forschung und Lehre Jonas Vollenweider 16 Höhere Kaderausbildung «Global War on Terror», 2001–2011 Tibor Szvircsev Tresch, Thomas Ferst 47 «Sicherheit 2016» Eugen Thomann 18 Wie kommen wir zu neuem Kampfflugzeug? Internationale Nachrichten 48 Pascal Kohler, Henrique Schneider Einsatz und Ausbildung Vermischtes Eduard Hirt 20 Integriertes Risikomanagement Alexander Kohli, Martin Munz, Philipp Gerster 26 Friedensförderung im Kosovo 22 «Zernierung» 53 Dieter Kläy Bücher 56 Andrea Grichting-Zelenka Andrea Jaeggi 26 Friedensförderung im Kosovo Intelligence Hans Wegmüller 28 Member of the European Military Press Association (EMPA) – ISSN 0002-5925 Nachrichtendienstliche Entwicklung Weiterentwicklung der Armee Germaine Seewer, Beat Dalla Vecchia 30 Titelbild Übung «LANZE», Inf Br 5 Foto: Inf Br 5 Personelle Überführung der Miliz Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 1 Das Bundesamt für Rüstung (armasuisse) LEITER/IN FACHBEREICH WAFFEN UND MUNITION 100% / BERN Ihr Engagement zur Landessicherheit! Mit Ihrem Team beschaffen Ssie im Bundesamt für Rüstung armasuisse technologisch komplexe und politisch relevante, moderne Waffen- und Munitionssysteme. Detaillierte Informationen zu dieser Stelle finden Sie mit dem Ref. Code 28130 unter www.stelle.admin.ch Der direkte Weg für Ihre Stellenanzeige… Telefon 044 908 45 61 Sicherheit Schweiz UNUS PRO OMNIBUS, OMNES PRO UNO – EINER FÜR ALLE, ALLE FÜR EINEN. Stiftung der Offiziere der Schweizer Armee Mit Ihrer Unterstützung stärken Sie das Milizsystem, die Milizarmee und eine glaubwürdige Sicherheitspolitik der Schweiz. Die Stiftung ist steuerbefreit. Jeder Beitrag zählt! Bankverbindung: UBS AG IBAN: CH380026226210411901K Weitere Informationen unter: www.offiziersstiftung.ch Stiftung der Offiziere der Schweizer Armee 117-119 avenue Général Guisan, Case postale 212, CH-1009 Pully [email protected] www.offiziersstiftung.ch 2 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Editorial Eine zeitgemässe Armee muss also heutzutage kämpfen, schützen und helfen können. Dieses breite SpekWelche Fähigkeiten trum ist anspruchsvoll und verlangt von den Kadern braucht eine moderne und ein breites und umfassendes Wissen und von den Verzeitgemässe Schweizer Ar- antwortlichen die Einsicht, dass die richtigen Mittel mee? Die Entwicklung von beschafft werden. Der Nachrichtendienst muss mit seineuen Technologien bringt nen Sensoren und seinem Netz die Risiken erkennen neue Mittel, Möglichkei- und der Doktrin damit die Grundlagen für die Erarten und Kompetenzen. Die beitung der Einsatzgrundsätze und der zugehörigen Diskussion, ob uns die ge- Reglemente liefern können. Diese Grundlagen müsfährlichste oder die wahr- sen an die Kader so vermittelt werden, dass diese in der scheinlichste Gefahr in un- Lage sind, ihre Einheiten gezielt auszubilden, damit sie seren Gedanken leiten soll, bewegt uns auch schon seit in der anspruchsvollen Risikowelt von heute in mögJahren – sie wird wie viele andere Diskussionen auch, lichst allen Lagen bestehen können. häufig zu akademisch geführt. Eine zu einseitig ausgerichtete, ausgerüstete und Am Schluss muss die Fähigkeit da sein, der Aggres- ausgebildete Armee hilft in diesem hybriden und sion eine adäquate Antwort gegenüberstellen zu kön- anspruchsvollen Gefahrenbild langfristig nicht weinen. Heute spielen Staater – es braucht neben ten eine untergeordnete dieser Einsicht aber auch Rolle, andere Player sind «Eine einseitig aufgestellte Armee Entscheide aller politiebenso wichtig geworden: schen Ebenen, die diese hilft im hybriden Gefahrenbild Ethnien, transnationale Ausrichtung ermöglichen Gruppierungen, terrorisund mittragen. langfristig nicht weiter.» tische Organisationen bis Darum freut mich die hin zur organisierten KriHaltung unseres Parlaminalität und grossen Migrationsströmen bilden neben ments – die Mehrheit hat die Zeichen der Zeit erNationalstaaten das Bild der hybriden Gefahren. Dass kannt – sie ermöglichen die Bereitstellung von Mitdas Profil der Bedrohungen breit ist, zeigen verschie- teln im Rahmen der Rüstungsprogramme und der dene Berichte und Feststellungen der letzten Wochen. Finanzplanung und damit die Entwicklung einer Einerseits schreibt die Zeitung Nordwestschweiz zeitgemässen Armee – zu der auch ein neues Kampfam 4. Juni unter dem Titel «Die neue Angst vor Pu- flugzeug und eine bodengestützte Fliegerabwehr tins Panzern», dass die Schweizer Armee wieder ver- (BODLUV) gehört. Einer Armee, die Antworten auf mehrt auf schweres Geschütz setze. Und wir lesen die aktuellen und die kommenden Gefahren hat. Die Kader der Schweizer Armee danken für diese über die Verlegung von Truppen der NATO ins Baltikum. Es gehe nicht um eine Bedrohung, man werde Unterstützung. und wolle weiter den Dialog führen. Aber dennoch – was geschähe, wenn Russland ähnlich wie auf der Krim und in der Ostukraine mit Geheimdienstmethoden die Baltischen Staaten unterlaufen würde? Auch dann würde, wie bereits gesehen, ein Krieg ohne KriegserAndreas Bölsterli, Chefredaktor klärung geführt und die Resultate dieses Konfliktes [email protected] gewissermassen eingefroren, ohne dass noch etwas geschieht und ohne dass Armeen im klassischen Sinne und gemäss den aus früheren Zeiten bekannten Bildern eingesetzt werden müssten. Andererseits hat die Gruppe der sieben grossen Industriestaaten (G7) an ihrem Gipfel Ende Mai in Japan Cyber-Attacken einem bewaffneten Angriff gleichgestellt. Staaten sollen sich auf das Recht zur Selbstverteidigung berufen können und gewaltsam gegen mögliche Angreifer vorgehen können. Liebe Leserin, lieber Leser Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 3 Aktuelles Der «Schweizer Soldat» – seit 90 Jahren Partner der Armee Mit einer staatsmännischen Rede, einem programmatischen Rück- und Ausblick und einer speditiv abgewickelten Traktandenliste feierten die Genossenschafter in Biel das 90-jährige Bestehen ihres «Schweizer Soldaten». Irène Thomann-Baur* 1926 setzten Bürger dieses Landes eine Vision in die Tat um, gründeten die Verlagsgenossenschaft und damit die Trägerschaft für die Militärzeitschrift «Schweizer Soldat». Nach 90 Jahren brennt die Fackel noch im gleichen Geist für Armee, Demokratie und Freiheit. Das Erfolgsmodell Schweiz Menschen, die den Milizgedanken und Gemeinsinn leben, stehen für das Erfolgsmodell Schweiz, wie Oberst i Gst Mathias Müller, Berner Grossrat und Vorstandsmitglied der Genossenschaft, betonte. Nicht bei den niederschwelligen Problemen solle man sich aufhalten, sondern überlegen, wie die liberalen Werte gegen Aggression und Hass zu schützen seien. Dabei gilt es, einen Mathias Müller Mittelweg zu finden: Keine Berufsarmee und keinen Polizeistaat, aber auch keine Willkommenskultur; denn Radikale lassen sich nicht umpolen. Bereitschaft und Schlagkraft Es braucht Instrumente, die rechtzeitig reagieren können. Man mag die geplante Verkleinerung der Armee bedauern, räumte Müller ein, aber die Weiterentwicklung der Armee (WEA) verbessert Ausbildung, Mobilmachung und Ausrüstung. Was nützen einer Eishockeymannschaft drei Linien, wenn die Spieler beim Wechsel immer wieder Stöcke und Schlittschuhe tauschen müssen? Zwei stets einsatzbereite Angriffslinien taugen mehr. Der Nachrichtendienst (ND) muss Grundlagen liefern, damit die sicherheitspolitischen Instrumente den richtigen Bereitschaftsgrad erstellen. Die verschärfte Bedrohungslage hat ein Um- 4 denken ausgelöst, das Parlament verpasste dem ND ein neues Gesetz helvetischen Zuschnitts. Die Migration mit der grössten Flüchtlingsbewegung seit dem 2.Weltkrieg beschäftigt alle. Bund und Kantone präzisierten ihre Notfallplanung. Eine Unterstützung des Grenzwachtkorps durch die Armee wird möglicherweise nötig. Müller rief seine Zuhörer auf, den Armeeangehörigen, die zu einem solchen subsidiären Einsatz verpflichtet würden, moralisch beizustehen. Koordinatennetz der Werte Oberst Peter Forster stellte in militärischer Manier den dreifachen Auftrag an den Anfang seiner Festrede. Der «Schweizer Soldat» tritt unentwegt, mutig, manchmal auch gegenWiderstand für Unabhängigkeit und Freiheit ein. Wehrwille, Souveränität und Neutralität der Schweiz werden hochgehalten. Über das militärische Geschehen im In- und Ausland soll sachkundig und verständlich informiert werden. Einzuhalten sind, wie der Chefredaktor als dritten Punkt hinzufügte, die berufsethischen Regeln, wozu Respekt und Wertschätzung gehören. Das Koordinatennetz der Werte soll wegweisend sein, ungeachtet des Zeitgeistes. Aus dem Wertekodex der Inf OS von Colombier zitierte Dr. Forster, selPeter Forster ber Jubilar mit zehn Jahren Chefredaktion, Leistungswille und Disziplin; ohne sie erscheint keine Zeitschrift pünktlich und vollständig. An sicherheitspolitischen Nachrichten geizten die letzten Jahre nicht. Grenzverschiebungen, Besetzung von Territorien, Terrorismus, Migration, die innenpolitische Auseinandersetzung um die WEA und ihrer Finanzen, sie alle wollen im be- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 schränkten Umfang einer Militärzeitschrift abgehandelt werden. Das E-Paper Einzig Verantwortliche, die vorwärts schauen, können den Fortbestand einer Zeitschrift garantieren. Einen ganz wichtigen Schritt wie seinerzeit die Grossauflage, die den Übergang vom Vereinsheft des SUOV zur modernen Fachzeitschrift einläutete, bedeutete das Aufschalten des E-Papers MitRobert Nussbaumer te April. Damit ist Fotos: ASMZ der «Schweizer Soldat» jeden Monat im Massstab 1:1 digital auf mobilen Endgeräten lesbar, was vor allem junge Kader begrüssen dürften. Als weiteren Höhepunkt des Jubiläumsjahres verkündete Robert Nussbaumer, langjähriger Präsident der Genossenschaft, die elektronische Erfassung aller Nummern seit 1926, ein Projekt der Bibliothek am Guisan-Platz und der ETH Zürich. Der Zuwachs an Abonnenten und Inseraten von Militärlieferanten runden die positive Bilanz ab. Prominente Grussbotschaften Ihre enge Verbundenheit zum «Schweizer Soldaten» drückten der Berner Sicherheitsdirektor Hans-Jürg Käser und Br Daniel Keller, Kdt Zentralschule, aus. Der Präsident der SOG, Oberst i Gst Stefan Holenstein, fühlte sich besonders berufen, dem «Schweizer Soldaten» zu gratulieren, sind doch 30 Prozent der Genossenschaftsscheine im Besitz von Offizierskreisen. Seinen guten Wünschen zum Kurs auf das 100-jährige Jubiläum schliesst sich die ASMZ an. ■ * Journalistin, Hptm, zuletzt im Info Rgt1, ehemals Generalsekretärin der SOG, Winterthur. Aktuelles Ein ganz Grosser geht Am 31. Mai 2016 war es soweit. Chefadjutant Pius Müller, zugeteilter Stabsunteroffizier (ZSU) CdA, hat sich nach fast vierzig Jahren ein letztes Mal in den Dienst gemeldet und wurde dann von Korpskommandant André Blattmann im Rahmen einer würdigen Feier aus dem Instruktionskorps entlassen. tensive und spannende berufliche Phase erlebt zu haben. Für mich als Dein Kdt Während seiner langen erfolgreichen war es eine Zeit, die mir positiv in ErinDienstzeit hat er mit sehr vielen gedient. nerung bleiben wird.» Und so erstaunt es nicht, wenn sich mehreNach den ersten militärischen Erfahre Persönlichkeiten gerne rungen zog es Müller nach geäussert haben: Rom und er diente dort in KKdt André Blattmann, den Jahren 1978 –1980 als «Mit grosser Dankbarkeit blicke ich auf Chef der Armee: «Bei einiHellebardier in der kleinsgen Menschen erhält man die vergangenen Jahre mit Pius Müller zurück.» ten Armee der Welt, der das Privileg, dass man sich Päpstlichen SchweizergarKKdt André Blattmann, Chef der Armee zu 100% auf sie verlassen de. Selbst bis zum heutikann. Solche Menschen gen Tag ist Chefadj Mülsind selten. Chefadjutant ler mit der SchweizergarPius Müller ist der Inbegriff dieser Ver- petenten, zielstrebigen und bescheidenen de verbunden. Oberst Christoph Graf, lässlichkeit. Mit grosser Dankbarkeit bli- Diener im Dienste der Sache und dies Kommandant der Päpstlichen Schweicke ich auf die vergangenen Jahre mit Pius immer und jederzeit. So bleibt es nicht zergarde schilderte dies wie folgt: «Mit Müller zurück.» nur bei Worten des Dankes. Blattmann grosser Überzeugung, Begeisterung, Moäusserte sich abschlies- tivation und auch mit Humor instruiersend zu seinem Gehil- te Pius die Grundsätze der Führung sofen: «Pius vereint all die- wie die Befehlsgebung. Mit seiner reise Eigenschaften, wel- chen Erfahrung stand er dem Kommanche wir gerne auch für do auch als kompetenter Berater zur Veruns in Anspruch neh- fügung.» men würden.» Diese Treue blieb nicht ohne Wirkung Bevor Müller als zu- und so äusserte sich Graf: «Einmal Gargeteilter Stabsunterof- dist – immer Gardist: Eine Aussage, die ficier (ZSU) des Chefs man Chefadj Pius Müller zuordnen kann. der Armee diente, Auch nach über 35 Jahren seit seinem stand er dem damali- Weggang von der Päpstlichen Schweizergen Kdt Mil Sich und garde ist in ihm noch immer diese tiefe jetzigen Regierungsrat, Verbundenheit mit der Garde, mit dem Urs Hürlimann, zur Vatikan, mit der Katholischen Kirche und Seite. Regierungsrat mit seinem Oberhaupt, dem Heiligen VaHürlimann hielt fest: ter, zu spüren.» ■ «Du verkörperst in unPius Müller als Fähnrich bei der Verabschiedung von BR Maurer übertrefflicher Art und als C VBS. Bild: VBS Brigadier Weise das Bild eines Peter Wanner Adj der Schweizer ArChef Internationale Dieser Inbegriff von Verlässlichkeit mee in Reinkultur. Ich hatte das Privileg, Beziehungen V schilderte Blattmann im Rückblick auf Dich als persönlichen Führungsgehilfen Armeestab die gemeinsamen Dienstjahre mit den des Kdt Mil Sich in meinem Stab zu 3003 Bern Worten: haben.» Hauptmann «Ein Auftrag, der in seinen Händen lanDer ehemalige Mil Sich Kdt verwies Davide Serrago dete, wurde erledigt. Pünktlich und qua- auf die Zuverlässigkeit und KameradInternatoniale litativ einwandfrei. Immer und jederzeit. schaft von Müller und schloss mit den Beziehungen V So ist es denn auch nicht verwunderlich, wertschätzenden Worten: «Nun trittst Armeestab dass sich Pius Müller sowohl im Vatikan Du von der Brücke, lieber Pius … Ich 4600 Olten als auch im Bundeshaus – und zuvor an bin unendlich dankbar, mit Dir eine inPeter Wanner, Davide Serrago unzähligen Schulen der Armee – äusserst rasch das Vertrauen seiner Chefs erarbeitete.» Der Chef der Armee beschrieb Müller als einen loyalen, arbeitsamen, kom- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 5 Sicherheitspolitik Blut und Bytes: Die Kommunikation des Islamischen Staates Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gestaltet ihre Kommunikation hoch professionell. Bereits ihr Name ist eine klare Botschaft. 2014 benannte sie sich um. Aus dem «Islamischen Staat im Irak und in Syrien (ISIS)» ging der «Islamische Staat» hervor. Unübersehbar: Der Fokus ist nicht mehr regional, sondern global. Thomas A. Müller Wie lässt sich das vereinbaren: einerseits mittelalterlicher Ur-Islam, andererseits modernste Kommunikationskonzepte und -mittel? Der deutsch-syrische Arabienspezialist Bassam Tibi spricht von einer «halben Moderne». Das besagt, dass Islamisten die technologischen Errungenschaften der Moderne bestens im Griff haben, ja brillant mit diesen umzugehen wissen, und dass sie gleichzeitig Werte der Moderne wie Demokratie, Säkularisierung und Individualismus verachten und deren Vertreter bis aufs Blut bekämpfen. Als Widerspruch empfinden sie das nicht. Vielmehr nutzen sie die Schlagkraft dieser Kombination – radikal, tabulos, mörderisch. Wie ein Unternehmen Der IS ist mit einem Unternehmen vergleichbar. Dafür sprechen allein schon die Millionen von Dollars, die aus dem Ölund Kunsthandel, aus Erpressung, Spenden und Abgaben in seine Taschen fliessen. In der Kriegskasse lagen 2015 geschätzte zwei Milliarden Dollars. Damit lässt sich Krieg führen. Das Schlüsselgelände: zuerst Konfliktgebiete wie Irak und Syrien, immer mehr auch die westliche Welt. Nach den militärischen Rückschlägen vor Ort begleitet die Kommunikation den global ausgerichteten Terror. Der IS ist zudem wie ein Unternehmen in einer Weise aufgestellt, die seine Strategie widerspiegelt. So gibt es in seiner Ordre de bataille nicht nur einen «Schura-Rat», einen «Rat der Weisen», eine «Scharia-Kommission» und andere Organe. Vielmehr existiert auch eine «Medien-Kommission». Die Kommunikation scheint den IS-Verantwortlichen wichtig zu sein. Sie hat es in die obersten Führungsgremien geschafft. Kein Wunder, ver- 6 fügt der IS mit Abu Mosa auch über einen Pressesprecher. Die «Medienkommission» beschäftigt von allen IS-Organen am meisten westliche Anhänger. Sie umfasst rund 30 Untereinheiten und betreibt die interne wie die externe Kommunikation. Sie veröffent- «Die Kommunikation scheint den IS-Verantwortlichen wichtig zu sein. Sie hat es in die obersten Führungsgremien geschafft.» licht regelmässig Online-Formate, darunter auch Blogs, und betreibt unter anderem Radiostationen. Das Al-Hayat Media Center ist für den Grossteil der IS-Medien verantwortlich, die in Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch produziert werden. Damit ist es mehr auf das Ausland ausgerichtet. Auf Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 den arabischen Raum zielen andere Unterorganisationen der Medienkommission. Das Al-Hayat Media Center ist virtueller Natur und bezieht sein Rohmaterial aus Videos von IS-Kämpfern, aus zugesandten Berichten und anderen Dokumenten. Schnitt, Postproduktion, Betitelung und andere Arbeiten erfolgen an weltweit verteilten Orten – eine Referenz ans Guerillakonzept des Dezentralismus. Verherrlichung der Gewalt Die Kommunikation des IS dient mehreren Zielen. Es geht darum, • neue Gefolgsleute zu rekrutieren; • Fundraising zu betreiben; • den inneren Zusammenhalt zu fördern; • die Radikalisierung zu beschleunigen; • terroristisches Know-how zu vermitteln; • den Westen einzuschüchtern. Die Videos des IS sind auf Effekt hin angelegt. So treten seine Kämpfer in heroischer Pose auf. Sie sollen Lockerheit und Souveränität ausstrahlen. Zudem sind sie praktisch immer im Kollektiv zu sehen. Diese Gruppen sollen Kameradschaft und die Ausrichtung auf das gemeinsame Ziel verkörpern. Befehle braucht es keine. Jeder weiss, was er zu tun hat. Die Stimmung ist kameradschaftlich. Explizit wiedergegebene Gräuel sollen junge Menschen dem Dschihad zuführen. Ein Clou gelang den Propaganda-Profis mit Gerhard Cuspert: Sie liessen den 1975 in Berlin geborenen und 2015 in Sicherheitspolitik Syrien gestorbenen Rapper alias Denis los in den Welten von Youtube, InstagMamadou als radikaler Dschihadist auf- ram und Twitter, von Whatsapp und Aptreten. Von solchen Anleihen aus der plikationen für Android. Der IS verfügt westlichen Kultur verspricht sich der IS mittlerweile gar über ein Pendant zu Faceviel. Ein Widerspruch? Mitnichten: Der book. Sein Name «Kilafahbook» nimmt Zweck heiligt die Mittel. Bezug auf das arabische «kilafah» für «KaEs geht in der Kommunikation des IS lifat». Es ist auch schon – nicht belegt – auch darum, die eigenen Reihen noch von der Spielkonsole Playstation 4 die enger zu schliessen und die Radikalisie- Rede gewesen. rung zu beschleunigen. Seine Videos bieten über drei «T» Identifikation und Kohärenz an: «Tarnfleck, Tanklaster und Testosteron»1. Die pausenlosen Litaneien des Hasses führen dazu, dass selbst übelste Exzesse der Gewalt als normal empfunden werden. So wird eine Stimmung heraufbeschworen, die sich an keine geographischen oder moraBild: Wikipedia lischen Grenzen hält. Titelbild IS Magazin. Der salafistische Ingenieur in London sieht sich in der gleiDie Geheimhaltung ist manchmal beschen, global agierenden Gemeinschaft ser, manchmal schlechter gewährleistet. aufgehoben wie ein des Schreibens und Aber man arbeitet äusserst flexibel. Den Lesens unkundiger IS-Kämpfer im Irak westlichen Geheimdiensten liefert man ein oder in Syrien. Allen gemeinsam ist auch Katz-und-Maus-Spiel. Es bietet sich auch das Zeichen des IS: Der nach oben ge- das Darknet an, die «dunkle», rechtsfreie streckte Zeigefinger ist ein universaler Gegenwelt zum Internet. Immer häufiger Code geworden, lesbar als Verweis auf schalten Anbieter von social media terrorverdächtige Accounts ab. Doch innert weGott, aber auch als Drohgebärde. Von der Gewaltbereitschaft bis zur Tat nigen Stunden sind neue im Netz. So versoll es nur ein kurzer – und vermeintlich kündet ein IS-Anhänger: «Ich bin zurück leichter – Weg sein. Entsprechende An- nach der zweiten Sperrung meines Kontos regungen und Anleitungen der IS-Kom- innerhalb von weniger als 48 Stunden.» munikation betreffen u.a. Anschläge mit Hinzu kommt: Wer über eine SatellitenSprengstoff, Schusswaffen und Messern. schüssel und die entsprechende Software Hinzu kommt, Leute mit dem Auto zu überfahren, sie aus hohen Gebäuden zu werfen oder zu vergiften. Diese geballte Gewalt soll den Westen einschüchtern, ja in Panik versetzen. Der IS sagt es konkret: Den Eiffelturm, den Big Ben, das Weisse Haus, aber auch Städte wie Rom oder Paris hat er schon lange im Visier. Freilich stellt sich die Frage, wie der IS seine Adressaten erreichen will. Katz-und-Maus-Spiel Der IS kommuniziert über eine ganze Zahl von Online-Plattformen. Damit will er den einzelnen Zielgruppen gerecht werden. Die Kommunikationsspezialisten beherrschen die Klaviatur der social media nahezu perfekt. Sie bewegen sich problem- Twitter-Auszug. Bild: Anonymous IS verfügt, kann nahezu überall die Arbeit wieder aufnehmen. Ein amerikanischer Think tank, das Washington Institute, hat im November 2015 Zahlen publiziert, die aufhorchen lassen. Innerhalb einer Woche soll der IS 123 Botschaften in sechs Sprachen verschickt haben, 24 davon in der Form von Videos. Im Zusammenhang mit den social media spricht das Institut von rund 50000 Accounts, über welche die IS-Anhänger allein auf Twitter verfügen. Eine andere Agentur bezieht sich auf die Enthauptung von 22 syrischen Soldaten im Dezember 2014. Die IS-Spezialisten hätten über eine professionelle, rund 200000 Dollar teure Videotechnologie verfügt. Es soll wie in einer Hollywood-Produktion einen Regisseur, einen Produzenten und einen Drehbuchautor gegeben haben. Die Zeit der verwackelten, akustisch mangelhaften und mitunter verworrenen Videos ist vorbei. «Kreuzzügler» und «Märtyrer» So vielfältig die Kanäle der IS-Kommunikation sind, so klar folgt diese einer übergreifenden Logik. Die Helden und Opfer, so der Grundtenor, kommen aus den Reihen des IS. Die Schurken und Täter sind die «Kreuzfahrer» – die westlichen Länder, allen voran die USA. Die zynische Folgerung der IS-Strategen: Jeder Bürger eines solchen Staats kann getötet werden, denn er hat schliesslich seine Regierung gewählt und lebt im entsprechenden Land. Die Regierenden selbst werden buchstäblich ins Visier genommen. In gewissen Videos überdecken rote Fadenkreuze die Gesichter von Frankreichs Präsidenten François Hollande und des britischen Premiers David Cameron. Demonstrativ veröffentlicht man Material zu Anschlägen. Nach den Pariser Attentaten verbreitete der IS ein 17-minütiges Video, in dem die Täter porträtiert wurden. Unmissverständlich sind Aufnahmen wie jene eines jordanischen Piloten, der bei lebendigem Leib verbrannt wurde. In einem anderen Film stehen IS-Kämpfer in einer disziplinierten Reihe. Jeder führt einen vornübergeneigten syrischen Soldaten und nimmt ein Messer aus einer Kiste, um vor laufender Kamera sein Opfer zu enthaupten. Die Choreographie ist perfekt. Da wird nichts dem Zufall überlassen. In anderen Sequenzen sagen die IS-Schergen auswendig gelernte Sätze auf oder lesen sie von Kärtchen ab. Wie elaboriert solche Propaganda sein kann, zeigen IS-Filme auf Youtube, z.B. «The Flames of War» vom September 2014.2 Die Krux: Solche Aufnahmen verbreiten sich wie ein Lauffeuer in der Gemeinde der social media. Jeder will sie gesehen haben, und die westlichen Medien berich- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 7 Sicherheitspolitik ten ausführlich darüber. Dieser – notabene kostenlose – Bekanntheitsgrad ist wohl mit Geld gar nicht aufzuwiegen. Das ist pointiert beschrieben worden: «Man kann sich immer wieder die Frage stellen: Können sich Coca-Cola, BMW und Apple gemeinsam so viele Headlines und so viel Medienfläche kaufen wie der Islamische Staat mit einer gezielten Terroraktion? Ob das jetzt grausame Morde sind oder die Zerstörung von Weltkulturdenkmälern?»3 Der IS zeigt sich nicht nur von der brutalen Seite. Vielmehr schildert er ausführlich die Segnungen für die Gebiete, die er unter seine Kontrolle gebracht hat. Da sind Spitäler und Schulen zu sehen. Es kommen Dinge zur Sprache, die von der Aufbauarbeit des IS zeugen sollen: Die Gehälter werden wieder ausgezahlt. Die Läden sind geöffnet. Die Menschen können sich frei bewegen. Die Gesellschaft kommt wieder auf die Beine. Der IS zielt mit der Kommunikation solcher Verhältnisse darauf ab, seine narrative durchzusetzen. Diese gipfelt in der Behauptung, die Utopie einer gerechten Weltordnung sei hier Wirklichkeit geworden. Und das kostet die Gegenseite Opfer. Der mutmassliche Anführer einer belgischen IS-Zelle sagte in einem Interview: «Ich bitte Allah, die fruchtbringenden Taten der Märtyrer zu akzeptieren, welche die Kreuzzügler Amerikas, Frankreichs, Kanadas, Australiens, Deutschlands und Belgiens terrorisierten.» Um den Postulaten Nachdruck zu geben, stellt der IS gar Kinder vor die Kamera, die über den Dschihad dozieren. Hochglanz und «Militärporno» Aus den elektronischen Formaten sticht das Online-Magazin «Dabiq» hervor. Es kannibalisiert die andern Elaborate nicht. Vielmehr ist es als Ergänzung gedacht und trägt zur Redundanz der Kommunikationsmassnahmen bei. Das Magazin lehnt sich an die 2010 gegründete Al-KaidaPostille «Inspire» an. Doch sie lässt diese handwerklich weit hinter sich. Formal entspricht das Magazin westlichen JugendFormaten. Das entsprechende Zielpublikum kann parallel auf youtube Musik hören, u. a. von einem «DJ NASHEED – Salil Sawarim».4 Es gibt mittlerweile auch den Begriff des «Dschihad-Pop». Ein Terrorismusexperte hat die Sache auf den Punkt gebracht: «Der heutige Dschihad», schreibt er, «ist Pop, Barbarei und Mord.»5 Die Optik des Magazins, so der sächsische Verfasssungsschutz, liege «irgendwo zwischen Filmplakat, Computerspiel, Mili- 8 tärporno und recht gut gemachter Schülerzeitung».6 Der Name «Dabiq» ist gezielt gewählt. Er verweist auf den gleichnamigen Ort zehn Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. In islamischen Prophezeiungen ist davon die Rede, dass hier beim «Der IS wird als Erfolgsstory dargestellt, mit der es Allah gut meint. Gibt es Rückschläge, so sind das Prüfungen, die er auferlegt. Gräuel werden religiösrechtlich legitimiert.» Weltende der Kampf zwischen den Muslimen und den Ungläubigen stattfinden werde. Mohammed soll gesagt haben: «Die letzte Stunde kommt erst, wenn die Schlacht geschlagen ist.» Abu-Mus’ab alZarkawi, dem 2006 bei einem US-Luftangriff getöteten Al-Kaida-Führer, wird die Aussage zugeschrieben: «Der Funke ist hier im Irak entstanden, und seine Hitze wird zunehmen, bis sie die Armeen der Kreuzfahrer in Dabiq verbrennt.» 7 Vor diesem mythischen Hintergrund äussert sich «Dabiq» zu fünf zentralen Themen: Einheit, Methodik, Migration, Heiliger Krieg und Gemeinschaft. Das rund 50-seitige Online-Hochglanzmagazin erscheint in Arabisch, Englisch, Französisch und Deutsch. Gezielt werden Fachkräfte in ihrer Muttersprache angegangen. So sucht der IS deutsche Ingenieure. An Indoktrination mangelt es nicht. Es geht um drei Themen: die endzeitliche Bedeutung des Orts Dabiq, die Legitimität des IS-Kalifats und die Strategie des IS. In diesem Zusammenhang wird ein fünfstufiges Modell für den langfristigen Erfolg der Terrorbewegung postuliert. Dieses umfasst • die Auswanderung der Mujahidin an einen sicheren Ort, um sich zu konsolidieren; • gezielte Attacken gegen den Feind; • das Schaffen von Chaos; • die Besetzung von Gebieten; • das Ausrufen des Kalifats. Ein grüner Teil in der Mitte des Magazins vermittelt religiöse Inhalte, ein blauer gilt, so der Originalton, dem Thema Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 «Der Islamische Staat in den Worten seiner Feinde». Die Blattmacher verweisen noch und noch auf den Koran. Es sind Teile von Suren, aber auch einzelne Wörter aus Versen, die dem Leser die Lehre des IS einhämmern sollen. Auch hier wird versucht, die eigene Deutungshoheit durchzusetzen. Der IS wird als Erfolgsstory dargestellt, mit der es Allah gut meint. Gibt es Rückschläge, so sind das Prüfungen, die er auferlegt. Gräuel werden religiös-rechtlich legitimiert. Das war bei der Hinrichtungsart des Verbrennens der Fall oder bei der Ächtung von Leuten, die wie der deutsche Salafistenprediger Pierre Vogel vom rechten Kurs abweichen und Freiwild werden. Eine menschenverachtende Logik verbanden die IS-Leute mit jesidischen Frauen, die sie zu Sexsklavinnen machten. Laut Scharia gelte zwar für unverheiratete IS-Kämpfer das Keuschheitsgebot, Sex mit Sklavinnen sei allerdings erlaubt. Man sieht: Der Wahnsinn hat Methode. ■ 1 Katharina Pfannkuch: Propaganda-Blatt lockt Deutsche in den Dschihad. In: Cicero. Magazin für politische Kultur. 31.10.2014. Abgerufen am 25.05.2016 unter www.cicero.de/weltbuehne/ magazin-dabiq-islamistische-hochglanz-propa ganda/58414. 2 Analysis: Flames of War, New ISIS Video Released. In: The Alex Jones Channel vom 20.09. 2014. Abgerufen am 25.05.2016 unter https:// www.youtube.com/watch?v=Sai2gqP2tJU. 3 Gestohlene Symbolik, Propaganda, Terror. Das Online-Magazin «Dabiq» – und der Widerstand. In: Das Erste. Titel Thesen Temperamente vom 07.02.2016. Abgerufen am 25.05.2016 unter http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/islamischer-staat-magazin-dabiq100.html. 4 https://www.youtube.com/watch?v=7pUWjkc 8RrA. 5 Asiem El Difraoui in «Die Welt» vom 16.10.2014. Abgerufen am 26.05.2016 unter http://www. welt.de/videos/article133294581/Der-heutigeDschihad-ist-Pop-Barbarei-und-Mord.html. 6 Phänomenübergreifende Betrachtungen – Jugendliche im Fokus von Extremisten. In: Sächsischer Verfassungsschutzbericht 2014. Abgerufen am 25.05.2016 unter http://www.verfassungsschutz. sachsen.de/download/VSB_2014_phaenom_ uebergreifendJugend.pdf. 7 Why Islamic State chose town Dabiq for propaganda. In: BBC News World vom 17.04.2014. Abgerufen am 25.05.2016 unter http://www.bbc. com/news/world-middle-east-30083303. Major a D Thomas A. Müller Dr. phil. ehem. C Medien/Stv C Kommunikation Log Br 1 8703 Erlenbach ZH Sicherheitspolitik USA und Saudi-Arabien – ein zunehmend verhängnisvolles Bündnis Dient das enge Zusammengehen der USA mit Saudi Arabien der Stabilität der Nahmittelost-Region oder ist es aktuell eher mit Risiken für diesen Raum verbunden? Gelegenheit für eine nähere Betrachtung. Jürgen Hübschen Der aktuelle Besuch von Präsident Obama in Saudi Arabien und seine Gespräche mit König Salman und später auch noch mit einigen anderen Potentaten der Arabischen Halbinsel ist ein passender Anlass, um einmal über das seit dem Ende des 2. Weltkriegs bestehende Bündnis zwischen Washington und Riad nachzudenken und kritisch zu hinterfragen, ob diese Allianz ein stabilisierendes Element für die Nahmittgelost-Region darstellt oder ein archaisches System stützt, das zunehmend hegemoniale Eigeninteressen verfolgt und damit Stabilität und Frieden in der Region gefährdet. Kurzer historischer Rückblick der amerikanisch-saudischen Allianz Am 14. Februar 1945 trafen sich der amerikanische Präsident Roosevelt und König Ibn Saud, der Gründer des saudischen Königreichs, um über einen amerikanischen Stützpunkt in Dahran und auch über eine saudische Öl-Pipeline zum Mittelmeer zu verhandeln. Der Vertrag kam zwar nicht zustande, kann aber als Beginn einer Zusammenarbeit verstanden werden, in der Militär und Öl die entscheidenden Faktoren waren und auch heute noch sind, obwohl die Rolle des Öls auf Grund der amerikanischen Eigenförderung an Bedeutung verloren hat. Am 1. Januar 1950 schloss die saudische Regierung mit der «Arabien-American Oil Company» (ARAMCO) einen Vertrag ab, in dem festgelegt wurde, dass beide Partner sich nach Abzug der amerikanischen Steuern den Netto-Gewinn teilen. Heute steht in Dahran der Computer, über den die gesamten Ölströme dieser Welt gesteuert werden. Als sich die Briten Ende der 60er Jahre ihre Truppen aus der Region abzogen, sah sich Washington mit der Gefahr konfrontiert, dass die Sowjetunion die Gelegenheit nutzen würde, um einen Fuss auf die Arabische Halbinsel zu setzen. Um das zu verhindern, entwickelte man in den USA die so genannte «Twin Pillar Strategy», eine U.S. Policy «to promote Iran and Saudi Arabia as local guardians of U.S. interests in the Persian Gulf region». Die Säule Iran hatte Bestand bis zum Sturz von Schah Pahlewi und der Machtübernahme durch Ayatollah Khomenie und die spätere Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran. Jetzt war die Policy sozusagen einbeinig geworden. Washington setzte danach auf den Irak unter Saddam Hussein als neue zweite Säule. Diese wurde durch den Überfall des irakischen Herrschers auf das Emirat Kuwait im August 1990 zum Einsturz gebracht. Bereits vor dem offiziellen Beginn der «Operation Desert Storm» wurden amerikanische Truppen nach SaudiArabien verlegt und US-Fallschirmjäger landeten in Dahran, um den ARAMCOComputer zu sichern. Königreich. Allein zwischen 2010 und 2014 hat Riad für 90,4 Milliarden Dollar Waffen in den USA bestellt. Nach einem aktuellen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI beträgt der jährliche Verteidigungshaushalt des Wüstenstaates rund 81 Milliarden Dollar. Riad steigerte seine Importe zwischen 2011 und 2015 um 275 Prozent und ist damit nach Indien der zweitgrösste Waffenimporteur der Welt. Die saudische Politik seit der iranischen Revolution von 1979 Nach dem Sturz des Schahs und der Etablierung eines schiitischen Gottesstaates im Iran, sieht sich das wahabitische Königshaus in Riad als eine Art Schutzpatron der sunnitischen Muslime in der ganzen Welt. Konsequenterweise unterstützte Saudi-Arabien den irakischen Herrscher Saddam Hussein in seinem Krieg gegen den Iran, zwar nicht mit Waffen oder eigenen Truppen, aber ganz erheblich finanziell. Hintergrund war weniger eine Sympathie für den sunnitischen Diktator, sondern seine Rolle als Bollwerk zum Iran des schiitischen Ayatollah Khomenie, der ja de facto die Gegenküste des PersischPräsident Obama und King Salman, 29. April 2016, Riad. Arabischen Golfes beBild: yahoo/AFP Photo/Jim Watson herrschte und damit auch die Strasse von Seit dem irakischen Überfall auf Ku- Hormuz kontrollieren oder gegebenenwait haben die USA in dieser Weltregion falls sogar sperren konnte. Nach dem – neben Israel – mit Saudi Arabien nur Überfalls Saddam Husseins auf Kuwait, noch eine Säule, auf die Washington sich distanzierte sich Riad von Bagdad und geostrategisch abstützen kann. Um die- suchte einen noch engeren Schulterse Säule zu erhalten, liefern die USA seit schluss mit den USA, weil das saudische Jahrzehnten modernste Waffen in einem Königshaus befürchtete, die irakischen unvorstellbaren Umfang an das saudische Truppen würden über die lange, gemeinAllgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 9 Sicherheitspolitik same Grenze auch ins Königreich einmarschieren. Mit Beginn der 90er Jahre begann Saudi-Arabien, sunnitische Gruppen im Ausland zu unterstützen und versuchte gleichzeitig, den erzkonservativen sunnitischen Wahabismus zu exportieren. Auf dem Balkan schossen von Riad finanzierte Moscheen aus dem Boden, und es gab immer wieder Hinweise auf eine finanzielle Unterstützung muslimischer Kämpfer durch das saudische Königshaus. Dabei zögerte Riad ganz offensichtlich auch nicht, radikale sunnitische Gruppen im Ausland zu unterstützen. Zum ersten Mal wurde diese Politik in einem erschreckenden Masse am 11. September 2001 bei den Anschlägen auf das World Trade Center der ganzen Welt vor Augen geführt. Von 19 identifizierten Attentätern stammten 15 aus Saudi-Arabien. Osama bin Laden, der Gründer des Terrornetzwerks Al Quaida, war ebenfalls ein Saudi, und auch bei den späteren weltweiten Terroranschlägen, wie z.B. in Madrid, London oder Bali, führten die Hintergründe der Islamisten in die radikalen Wahabiten-Schulen in Saudi Arabien. Im Kampf gegen den IS gibt es seit Jahren den begründeten Verdacht, dass Riad diese sunnitische Terrororganisation finanziell unterstützt hat und möglicherweise immer noch mitfinanziert. Ein immer entscheidender Faktor der saudischen Politik ist die anti-iranische Haltung des Herrscherhauses. Riad sieht sich mit einem schiitischen Halbbogen konfrontiert, der von Teheran über die schiitisch dominierte Regierung im Irak und den alawitischen Herrscher Bashar Al Assad in Syrien bis zur schiitischen Hisbollah im Libanon reicht. Deshalb setzt der saudische König immer noch alles daran, das syrische Regime zu stürzen und hat deshalb z.B. im März 2016 dem Libanon eine zugesagte Hilfe in Höhe von vier Milliarden Dollar zur Strafe dafür gestrichen, dass die libanesische Hisbollah die syrischen Streitkräfte unterstützt. Im Jemen kämpft eine sunnitische Allianz unter Führung Saudi-Arabiens gegen die Huthis und den ehemaligen jemenitischen Präsidenten Saleh. Riad behauptet, die Huthis würden von Teheran unterstützt mit dem Ziel, den Jemen unter iranische Kontrolle zu bringen und sich auf diesem Wege auf der Arabischen Halbinsel festsetzen. Auch die Schiiten in Bahrain werden nach saudischer Lesart von Teheran unter- 10 stützt, was im März 2011 als Begründung für den Einmarsch saudischer Truppen in das benachbarte Königreich diente. Seit dem Atomabkommen mit dem Iran konstruiert Riad immer intensiver eine angebliche iranische Bedrohung, weil das Königreich seine angestrebte Vormachtstellung in der Region gefährdet sieht. Die aktuelle Politik Saudi-Arabiens wird seit Januar 2015 von einer neuen Führung unter König Salman bestimmt, der alle wichtigen Posten neu besetzt hat. Im Innern wird die konservative Richtung, abgesehen von einer immer noch sehr zögerlichen Beteiligung der Frauen an der Politik und dem gesellschaftlichen «Saudi-Arabien ist sich darüber im Klaren, dass es für Washington in der Region keine Alternative zur Allianz mit Riad gibt.» Leben, konsequent fortgesetzt. Die Scharia ist die islamische Begründung für Massenhinrichtungen, die im Januar 2016 zu einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Iran führten, der sich Bahrain und Kuwait bald darauf anschlossen. Die wirtschaftliche Lage des Landes ist auf Grund des niedrigen Ölpreises schwierig geworden, der Staatshaushalt bereits im zweiten Jahr hintereinander defizitär. Trotzdem lehnt Riad eine Kürzung der Ölfördermengen ab. Die internationale Rolle des Königreichs in der Region und auch in der Welt, vor allem aber auch gegenüber den USA, wird durch die neue Führungsriege in Riad wesentlich offensiver vertreten, was die aktuelle saudisch-amerikanische Allianz entscheidend beeinflusst und für den Rest der Welt verhängnisvoll werden könnte. Die Bewertung der saudisch-amerikanischen Allianz Saudi-Arabien ist sich darüber im Klaren, dass es für Washington derzeit in der Region keine Alternative zur Allianz mit Riad gibt. Die enge Zusammenarbeit in der Vergangenheit und die «gemeinsamen Leichen» im Keller, um es einmal profan zu formulieren, scheinen die beiden Länder zu einem Schulterschluss zu zwingen, Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 der nicht nur den Frieden und die Stabilität in der Region gefährden kann. Als der UN-Sicherheitsrat nach dem Überfall Saddam Husseins auf Kuwait am 29. November 1990 auf Betreiben der USA eine Resolution verabschiedete, die auch den Einsatz von Militär genehmigte … 2. Authorizes Member States co-operating with the Government of Kuwait, unless Iraq on or before 15 January 1991 fully implements, as set forth in paragraph 1 above, the above-mentioned resolutions, to use all necessary means to uphold and implement resolution 660 (1990) and all subsequent relevant resolutions and to restore international peace and security in the area …, ging es Washington nicht in erster Linie um die Wiederherstellung der Souveränität Kuwaits, sondern mehr um die Sicherheit Saudi-Arabiens und die amerikanische Ölversorgung. Die Verabschiedung der UN-Resolution 678 wurde in der dargestellten Form nur möglich, weil die amerikanische PRAgentur Hill and Knowlton zwei Videos erstellt hatte, deren Inhalte nicht der Wahrheit entsprachen. Im ersten Video berichtete, wie sich erst später herausstellte, die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA von irakischen Soldaten, die angeblich in einem kuwaitischen Krankenhaus Neugeborene aus Brutästen genommen und auf die Erde gelegt oder geworfen hatten. Dieses Video wurde wohl bereits im August 1990, also zu einem Zeitpunkt erstellt, als sich die kuwaitische Herrscherfamilie im Exil in Saudi-Arabien befand. Im zweiten Video berichtet eine junge Frau von einer besonders brutalen Vergewaltigung durch irakische Soldaten, die nicht stattgefunden hatte, sondern eine von Hill and Knowlton erfundene Story war. Insider behaupten, es habe sich bei der angeblich Vergewaltigten um die Tochter von Prinz Bandar Ibn Sultan gehandelt, der von 1983 –2005 saudischer Botschafter in Washington war. Prinz Bandar hatte ein derart enges Verhältnis zum damaligen US-Präsidenten, dass dieser ihn oft «Bandar Bush» genannt hat. Bandar war über Jahrzehnte die entscheidende «Relais-Stelle» in der saudischamerikanischen Allianz. Nach seiner Zeit als Botschafter war er Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates seines Landes und später Chef des saudischen Geheimdienstes. Er hat die amerikanisch-saudische Zusammenarbeit geprägt wie kein anderer und war bei vielen CIA-Operationen der finanzielle Drahtzieher im Hintergrund. Sicherheitspolitik Auf Grund seiner engen Beziehungen zum damaligen US-Präsidenten Bush war es ihm am 11. September 2001 trotz der Sperrung des amerikanischen Luftraumes gelungen, noch zwei voll besetzte Passagiermaschinen mit saudischen Staatbürgern ausfliegen zu lassen. Dieser 11. September 2001 könnte jetzt erneut ein Beispiel dafür werden, dass die US-Regierung auf dem saudischen Auge blind ist/bzw. blind gemacht wird … Der Kongress plant nämlich aktuell ein Gesetz, das eine Untersuchung ermöglichen würde, ob die saudische Regierung in die Anschläge auf das World Trade Center verwickelt war. Riad reagierte umgehend und liess durch seinen ehemaligen US-Botschafter und jetzigen Aussenminister Adel Al-Jubair (54!) bei dessen Besuch in Washington im April 2016 signalisieren, dass das Königreich für den Fall einer Genehmigung einer solchen Untersuchung Kapital/Investitionen/Beteiligungen in Höhe von 750 Milliarden $ aus den USA abziehen würde. Zeitgleich bot Riad den USA an, neun jemenitische Gefangene aus Guantanamo in Saudi Arabien aufzunehmen. Im gleichen Zeitfenster wurde berichtet, dass die USA auch weiterhin Aufklärungsergebnisse, geheimdienst- «Auf jeden Fall wird der Strom amerikanischer Waffen auf die Arabische Halbinsel nicht versiegen.» liche Erkenntnisse und militärische Beratung für den saudischen Krieg im Jemen zur Verfügung stellen würden, einem Krieg, in dem auf Seiten der Saudis fast ausschliesslich von den USA gelieferte Waffensysteme zum Einsatz kommen. Inzwischen ist der Jemen de facto zweigeteilt, mindestens 7000 Menschen sind gestorben und 14 Millionen Menschen des ärmsten Landes auf der Arabischen Halbinsel haben nicht mehr genug zu essen. Und das alles, weil Riad behauptet, Teheran bedrohe durch sein bis heute nicht bewiesenes Engagement im Jemen die Sicherheit des Königreiches. Mit einer Gefährdung dieser eigenen Sicherheit hatte Saudi-Arabien schon den Einmarsch seiner Truppen in das Königreich Bahrain begründet, und Washing- ton hatte dazu weitgehend geschwiegen, weil die 5. US-Flotte in Bahrain stationiert ist. Auch die saudischen Massenhinrichtungen im Januar 2016, bei denen auch der schiitische Scheich Nimr ermordet worden war, wurden von Washington ausgesprochen halbherzig verurteilt. Anfangs hatten die USA und Saudi-Arabien versucht, den IS für einen Sturz des syrischen Präsidenten Assad zu instrumentalisieren und die Terrorganisation finanziell und durch Waffenlieferungen unterstützt. Während die USA, zumindest offiziell, diesen Irrsinn eingesehen haben, bleibt die Rolle Saudi-Arabiens auch in diesem Punkt dubios. Unter der Decke setzen allerdings auch die USA mit Hilfe der CIA im Rahmen der Operation «Timber Sycamore» die Unterstützung radikaler Kräfte in Syrien fort, während Riad, wie schon so oft in der Vergangenheit, die Kosten dafür übernimmt. Riad wirft Washington vor, durch das Atomabkommen mit dem Iran, die Sicherheit Saudi Arabiens aufs Spiel gesetzt zu haben und setzt die USA mit dieser konstruierten iranischen Bedrohung äusserst wirkungsvoll unter Druck. So hat Präsident Obama bei seinem aktuellen Besuch in Saudi Arabien noch einmal die Bedeutung der saudisch- amerikanischen Allianz unterstrichen und vielleicht König Salman sogar zugesichert, dass es auch in Zukunft keine Untersuchung einer möglichen saudischen Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 geben wird. Auf jeden Fall wird der Strom amerikanischer Waffen auf die Arabische Halbinsel nicht versiegen. Neben den 780 Milliarden saudischen Dollar in den USA sei abschliessend daran erinnert, dass die USA trotz der eigenen Ölförderung täglich noch immer eine Million Barrel aus Saudi-Arabien importieren. Insgesamt entsteht zunehmend der Eindruck, dass die USA auf Grund der vielen saudischen «Gefälligkeiten» und einer nicht unerheblich wirtschaftlichen Abhängigkeit, erpressbar geworden sind, und das stellt sicherlich nicht nur eine Gefahr für den Frieden und die Stabilität in der Nahmittelost-Region dar, sondern für die Welt insgesamt. ■ Oberst i Gst aD Jürgen Hübschen Beratung für Friedenssicherung und Sicherheitskonzepte D-48268 Greven Das Wort des CdA Geschätzte Kader unserer Armee, geschätzte Leserinnen und Leser der ASMZ Die ETH Zürich hat letzten Monat ihre jährliche Sicherheitsstudie veröffentlicht. Erfreut können wir feststellen, dass die Armee darin die höchsten Zustimmungswerte seit über 20 Jahren erzielt. 84% (2015: 80%) der befragten Personen erachten unsere Armee als notwendig. 78% (2015: 73%) erklären sich damit einverstanden, dass die Schweiz eine sehr gut ausgebildete Armee unterhalten soll. Zu diesem Umfragewert passt auch, dass nur noch 31% der Befragten das Budget der Armee reduzieren würden. Dies ist der tiefste Wert seit Beginn der Studienreihe. Es wäre aber falsch, wenn wir diese Resultate als Erfolg feiern würden. Es ist wohl primär Ausdruck der zunehmend schlechter werdenden Sicherheitslage und zeigt auf, dass unsere Aufträge in der Bevölkerung ernst genommen werden. Europol hat im vergangenen Jahr in Europa 211 Terrorpläne erfasst. Nicht alle konnten vereitelt werden. Paris und Brüssel sind uns allen noch in deutlicher Erinnerung. Für mich ist deshalb wichtig, dass wir unsere Leistung jederzeit zuverlässig erbringen können und unsere Bevölkerung Vertrauen in ihre Armee haben kann. Auch diesbezüglich gibt die Sicherheitsstudie Auskunft: Der Umfragewert zur Frage «Wie zufrieden sind Sie mit der Leistung der Schweizer Armee» ist in den vergangenen acht Jahren stetig und deutlich gestiegen. Dies ist eine echte Anerkennung für die Miliz. Bravo und Danke. Sollte sich die Lage nun so entwickeln, dass wir die zivilen Behörden – zum Beispiel an der Grenze – unterstützen müssen, so werden wir dies zuverlässig und mit grosser Ernsthaftigkeit tun. Ich weiss, dass sich unsere Bevölkerung auf unsere Miliz verlassen kann und wünsche Ihnen allen einen sicherheitsmässig hoffentlich ruhigen Sommer. Denjenigen, welche Dienst leisten, wünsche ich viel Erfolg und vor oder nach der Dienstzeit eine erholsame Ferienzeit. Korpskommandant André Blattmann Chef der Armee Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 11 Sicherheitspolitik Möglicher Dammbruch im Irak droht IS-Katastrophe zu bagatellisieren! Die 35 Millionen Iraker sind wirklich nicht zu beneiden. Ein Terrorregime löst das andere ab und zu allem Überfluss droht der Region im Norden des Irak nun auch noch eine riesige Naturkatastrophe. Heino Matzken Der grösste Staudamm des Landes, der Mossul-Damm, 1984 als Prestigeobjekt Saddam Husseins errichtet, läuft Gefahr zu brechen. Eine 20 Meter hohe Flutwelle könnte dann die zweitgrösste Stadt des Landes, die Zwei-Millionen-Metropole Mossul, ebenso wie die flussabwärts gelegenen Städte Tikris und Samara überschwemmen. 1,5 Millionen Menschen seien entlang des Tigris bedroht, so Experten. Die Welle könne sogar die 400 Kilometer südlich gelegene Hauptstadt Bagdad erreichen. Historischer Streit überschattet Risiko Ein Horrorszenario, welches den 1920 künstlich geschaffenen Staat an Euphrat und Tigris erneut auf die Probe stellt. So kämpft Bagdad neben dieser drohenden Naturkatastrophe bereits heute mit diversen schwerwiegenden, bislang nicht gelösten Problemen. Nach der Entmachtung des sunnitischen Diktators Saddam Hussein durch die US-Invasion 2003, sucht das Land weiter nach einer einenden Hand. Der neuen schiitischen Regierung unter Premierminister Haider al-Abadi gelang es bislang nicht, die beiden muslimischen Glaubensrichtungen zu versöhnen. Diesen historischen Zwist, das entstandene Machtvakuum sowie die Enttäuschung ihrer sunnitischen Glaubensbrüder nutzte die Terrororganisation Islamischer Staat, um grosse Teile des Iraks unter seine Kontrolle zu bringen. Nach jüngsten handfesten Auseinandersetzungen der Parlamentarier, hervorgerufen durch die Absicht Al-Abadis, das korrupte politische System zu reformieren – was ihm nicht nur Freunde eingebracht hat – steht dieses kurz vor dem Zusammenbruch und bringt den gemeinsamen Kampf gegen den IS in Gefahr. Die Integrität des aus den drei damaligen osmanischen Provinzen Bagdad, Mossul und Basra zusam- 12 mengesetzten Staates ist durch die unterschiedlichen Interessen der drei grossen Bevölkerungsgruppen der Sunniten (60 Prozent der Einwohner), Schiiten (25 Prozent) und Kurden (15 Prozent) aufs Äusserste bedroht. Besonders das bereits heute existierende und gut funktionierende kurdische Autonomiegebiet im Norden wird sich in Zukunft nur schwer – wenn überhaupt – durch eine Regierung aus Bagdad führen lassen. Fehlende Lebensgrundlage Die leidgeplagte irakische Bevölkerung sieht sich nach 13 Jahren Bürgerkrieg und unzähligen, meist religiös motivierten Attentaten einer stark beschädigten Lebensgrundlage gegenüber. Der Krieg gegen Luftaufnahme Stausee mit Talsperre. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 die amerikanischen Invasoren, zwischen Schiiten und Sunniten sowie gegen den IS haben das wirtschaftliche Leben fast zum Stillstand gebracht. Ein Hoffnungsschimmer erschien Anfang 2014, als die Ölproduktion mit 3,6 Millionen Barrel (ein Barrel entspricht 159 Liter) täglich sogar über dem «Vor-Saddam»-Rekordniveau in den Siebzigern lag. Doch der achtjährige Konflikt gegen den Iran und die anschliessenden Golfkriege gegen den Westen verhinderten eine strategische und notwendige Investitionspolitik in die Erdölindustrie. Darüber hinaus haben die explosionsartige Ausbeutung vorhandenen Schieferöls – die USA ist seit 2015 dank der neuartigen Fördermethode «Fracking» der weltweit grösste Produzent des schwarzen Goldes – und das Abklingen des globalen Wirtschaftswachstums den Preis ins Bodenlose fallen las- Sicherheitspolitik sen. Innerhalb von nur 18 Monaten sank der Kurswert um fast 70 Prozent. Und genau diese Einnahmen fehlen dem Land mit den weltweit fünftgrössten Ölreserven, um nötige Investitionen in die Zukunft des Staates und seinen Einwohnern zu tätigen. In den letzten Jahrzehnten gelang es der Zentralregierung in Bagdad, die Separationsbemühungen der drei Bevölkerungsgruppen – Sunniten, Schiiten und Kurden – durch umfangreiche «Ausgleichszahlungen» im Zaum zu halten. Doch diese, z.B. auch in Saudi-Arabien, angewandte und funktionierende Taktik droht in Zeiten der sozialen Unsicherheit und interner wie externer Konflikte seinen stabilisierenden Einfluss zu verlieren. Karte Irak, Mossul Damm im Norden. 4000 m 3000 m 2500 m 2000 m 1500 m 1000 m 750 m 500 m 400 m 300 m 200 m 100 m 0 Da könnte eine Katastrophe mit Hunderttausenden von Opfern den Tropfen auf den heissen Stein bedeuten und den Irak zerbrechen lassen. Sanierung dringend nötig Die aktuelle Warnung diverser Ingenieure sowie des US-Generals Sean MacFarland, Kommandeur der westlichen Allianz gegen den IS, vor einem möglichen Bruch des baufälligen sogenannten «SaddamDamms» kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die im Februar einsetzende Schneeschmelze in den türkischen Bergen liess die Wassermassen des Tigris anschwellen und erhöhte den Druck auf den Damm immens. Sollte das «worst Bilder: Wikipedia case»-Szenario eintreten und die Staumauer (auch ohne Gefechtseinwirkung) aufgrund ihrer geologischen Besonderheit bersten, wären die humanitären Folgen enorm. Selbst die grösste Ölraffinerie des Landes in Baidschi würde der dann mindestens vier Meter hohen Welle zum Opfer fallen. Die 1986 von einem deutsch-italienischen Konsortium fertiggestellte MossulTalsperre ist 3,6 Kilometer lang und staut einen See mit über 370 Quadratkilometern Oberfläche. Wasser hat den auf Kalkstein gebauten Staudamm bereits früh ausgehöhlt und konnte ungehindert durch die in den wasserlöslichen Gesteinen wie Mergel, Kalkstein, Gips und Tonstein entstandenen Löcher, Spalten und Risse hindurchfliessen. Lange Zeit injizierten die Ingenieure ein Betongemisch in den Untergrund des Damms, um die Risse und Spalten bis in 25 Meter Tiefe zu verschliessen. Diese notwendigen Arbeiten ruhen jedoch seit August 2014, nachdem der Islamische Staat die Gegend mitsamt dem Staudamm kurzfristig unter seine Kontrolle gebracht hatte. Experten der amerikanischen Streitkräfte bezeichneten ihn schon 2007 als «gefährlichsten» Damm der Welt und schlugen ein Sanierungsprojekt im Werte von 27 Millionen Dollar vor. Die Regierung in Bagdad führte die Reparaturen aber nicht durch und stellte selbst die Wartungsarbeiten im August 2014 ein. Der IS kontrolliert das Zementwerk, welches das nötige Betongemisch herstellt, und nutzt, mit weiteren Staudämmen in seiner Gewalt, «Wasser als Waffe». Der stellvertretende Direktor der Mossul-Talsperre bestätigte: «Die Verbindungen an den beiden Haupttoren haben sich vertikal und horizontal verschoben, was zum Zusammenbruch des Damms führen könnte, aber wir wissen nicht, wann dies geschehen wird.» Zu allem Übel verzeichnete die Region auch immer wieder leichte seismische Aktivitäten. Trotzdem bekräftigte die Zentralregierung in Bagdad – wahrscheinlich aus Zweckoptimismus –, dass keine Gefahr bestehe. Das Staubecken fasst etwa elf Milliarden Kubikmeter Wasser. Lediglich acht Milliarden könnte man ablassen. Die restlichen drei Milliarden – der grösste schweizerische Speichersee «Grande Dixence» fasst zum Vergleich maximal 400 Millionen Kubikmeter Wasser – liegen unterhalb der Auslassrohre. Der Schutz des grössten Erddammes des Landes, 40 Kilometer nördlich Mossuls, obliegt mittlerweile dem italienischen Trevi-Konzern. Die Baufirma schloss im Dezember vergangenen Jahres mit Bagdad einen Vertrag über mehr als 1,8 Millionen Euro über die Durchführung von Instandhaltungsmassnahmen. Damit die Arbeiten überhaupt möglich werden, kündigte Ministerpräsident Matteo Renzi im Januar die militärische Unterstützung des Iraks an und plant, 450 Soldaten zum Schutz der Arbeiter an den Damm zu schicken. Die in Betracht gezogene Möglichkeit, auf halbem Weg zwischen der Talsperre und Mossul eine neue Staumauer bei Badusch zu bauen, um die gravierendsten Folgen eines möglichen Dammbruchs abzuwenden – voraussichtliche Kosten von 10 Milliarden Dollar – steht derzeit nicht auf der Agenda. Dort hatten jugoslawische Ingenieure bereits in den 80er Jahren mit entsprechenden Arbeiten begonnen. Regionale Interessen verhindern Sanierung Seit Sommer 2014 befindet sich die bedrohte Millionenstadt Mossul unter Kontrolle des IS. Kurzzeitig konnte die Terrormiliz auch den Damm in ihre Gewalt bringen, bevor ihn kurdische Peschmerga-Milizen, aus der Luft von US-Kampfflugzeugen und am Boden von der iraki- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 13 Sicherheitspolitik schen Armee unterstützt, zurückeroberten. Kurdische Kämpfer bewachen derzeit den Staudamm. Damit kontrollieren sie auch die Stromversorgung sowie die Bewässerung in weiten Teilen des gesamten Iraks. So halten die Peschmerga, «die dem Tod ins Auge Sehenden», eine weitere Schlüsselposition auf dem Weg in eine vermeintliche Unabhängigkeit in ihrer Hand. Für die Kurden rückt möglicherweise ein Jahrhunderte alter Traum in greifbare Nähe. Als 1923 der Vertrag von Lausanne die Errungenschaften des Vertrages von Sèvres kurz nach dem Ersten Weltkrieg revidierte – darin war ein unabhängiges Kurdistan in Aussicht gestellt worden –, schienen die Hoffnungen der Kurden für lange Zeit begraben zu sein. Ein selbstständiger Staat für die fast 30 Millionen Menschen dieser westasiatischen Ethnie auf dem ehemaligen Gebiet des Osmanischen Reiches blieb für das folgende Jahrhundert eine Utopie. Doch der gemeinsame internationale Kampf gegen den Islamischen Staat im Irak aber auch in Syrien verlieh den Kurden Auftrieb. Unterstützt von den USA konnten die kurdischen «Volksverteidigungseinheiten» (YPG) im letzten Jahr dem IS neben der Grenzstadt Kobani grosse Geländeteile an der syrischtürkischen Grenze entreissen. Die Gelegenheit für das grösste Volk ohne eigenen Staat ist günstiger denn je. Während die Weltöffentlichkeit auf die russische Intervention in Syrien und terroristische Anschläge in Europa gerichtet ist, schaffen Masud Barzani und Co. Fakten. Der Präsident der autonomen Region im Norden des Irak stärkt seit 1970 kontinuierlich die begrenzte Selbstverwaltung seiner ethnischen Volksgruppe. Der damalige Vizepräsident Saddam Hussein gründete im Märzmanifest die «Kurdische Autonome Der Staudamm im irakischen Mossul gilt als einer der am meisten gefährdeten der Welt. Wenn der Tigris im Frühjahr anschwillt, droht der Damm zu bersten. Bild: Spiegel.de Region» (2005 umbenannt in «Autonome Region Kurdistan»). Verhandlungsführer war Mustafa Barzani, Vater des heutigen Präsidenten der Region Masud Barzani. Dank eines seit Jahren wirtschaftlichen Booms und der militärischen Ausweitung des kurdischen Gebiets durch die Peschmerga unter Ausnutzung des momentanen Chaos in Bagdad, exportierte Begeisterung? «Mobil, digital und persönlich.» Luca Aerni | Ski Alpin Was immer Sie vorhaben. Wir sind für Sie da. T 058 280 1000 (24 h) Ihre Schweizer Versicherung. Sicherheitspolitik die Regionalregierung in Erbil erstmalig Öl auf eigene Rechnung. Seit Mai gelangt das schwarze Gold über eine neue Pipeline in die Türkei. Ankara spricht von Einnahmen für die Kurden in Höhe von 93 Millionen US-Dollar. Eine Kontrolle und wirtschaftliche Nutzung des «Saddam-Staudamms» und seiner Kraftwerksleistung von 750 Megawatt des Hauptkraftwerks, weiteren 200 MW des Pumpspeicherkavernenkraftwerks sowie 60 MW der Flussregulierungsstaustufe kämen einem «Kurdistan» sicher gelegen. Der für die Sicherheit verantwortliche Peschmerga-Kommandeur Jamal Mahmoud berichtete im Februar von gelegentlichen ISAngriffen auf seine Stellungen am Damm. Darüber hinaus vermutet er, dass die örtliche Bevölkerung mit dem IS kollaboriere. Das Zurückdrängen der Kämpfer unter dem schwarzen Banner aus der Gegend käme Erbil sehr gelegen. Doch auch Bagdad hat ein Interesse an der Rückeroberung der Region um die Millionenstadt Mossul. Beflügelt durch den Erfolg bei der Rückgewinnung Ramadis plant die irakische Armee nun einen Angriff auf die IS-Hochburg am Tigris. Hauptziel sei zwar die Unterbrechung der Nachschublinien der Terroristen, doch ein erneuter Sieg würde ebenfalls einen Prestigegewinn für die Armee bedeuten. Eine Offensive, die Daesh (Akronym der arabischen Entsprechung von «Islamischer Staat im Irak und der Levante») schwächt, könnte die Terrororganisation dazu verleiten, die 40 Kilometer nördlich von Mossul gelegene Talsperre erneut unter ihre Kontrolle zu bringen und sie dann als letzte Waffe gegen die vorrückenden Truppen und die Zivilbevölkerung einzusetzen. Irak bleibt im internationalen Fokus Die schiitische Regierung unter dem seit August 2014 amtierenden Premierminister Haider al-Abadi sieht sich einer Reihe von Problemen gegenüber. Besonders der interne muslimische Konflikt hält das Land an Euphrat und Tigris seit Jahren auf Trab. Der ehemalige schiitische Premierminister Nuri al-Maliki baute nach der Wahl 2010 seine Macht systematisch aus. Er brachte als Oberkommandierender Armee und Polizei unter seine Kontrolle und ging mit Haftbefehlen gegen diverse sunnitische Politiker vor. Eine weitere Spaltung des Landes war die Folge. Die Sunniten fühlten sich poli- tisch entmachtet und mehr und mehr in die Enge gedrückt. Diese Unzufriedenheit führte dazu, dass sich in der Provinz alAnbar viele Stammesführer von der Regierung abwandten. Ein ideale Gelegenheit für den Islamischen Staat, im Irak Fuss zu fassen, wie sich herausstellen sollte. Maliki überwarf sich ebenfalls mit den Kurden, wobei es vor allem um die kurdische Erdölförderung ging. Obwohl Malikis «Rechtsstaat-Koalition» bei den Parlamentswahlen im April 2014 mit 92 Mandaten erneut die stärkste Kraft stellte, gelang es Staatspräsident Fuad Masum, anstelle des poloarisierenden Malikis den «moderateren», ebenfalls schiitischen Haider al-Abadi mit der Regierungsbildung zu betrauen. Ihn erwartete mit der Versöhnung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen bei gleichzeitigem Kampf gegen Daesh eine Herkulesaufgabe. 2015 ergriff der 64-Jährige mit einem umfassenden Reformprogramm die Initiative. Eine drastische Reduzierung der Regierungsmannschaft sowie Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Führung des Staates zurückbringen. Sicherlich ein nobler und guter Ansatz. Doch al-Abadi muss Erfolge vorweisen, um das gespaltene und durch unaufhörliche Selbstmordattentate malträtierte Land vor der Implosion zu bewahren. Ein militärischer Sieg gegen den IS, der weiter grosse Landesteile im Norden und Westen besetzt, wäre ein erster wichtiger Schritt. Dann könnten auch die notwendigen Instandhaltungsarbeiten am «Saddam-Staudamm» durchgeführt werden und so der Region eine wirtschaftliche Perspektive bieten. Sicher wäre es auch für die Weltgemeinschaft, die sich einer nicht enden wollender Flüchtlingswelle aus der Region gegenübersieht, eine Entlastung. Doch das kann nur mit weitreichender internationaler Unterstützung gelingen – militärisch, aber auch für den darauf folgenden Wiederaufbau! Ob damit jedoch mittelfristig ein Auseinanderbrechen des Iraks verhindert werden kann, bleibt in Anbetracht des Fortschritts des «nation buildings» der Kurden sehr zweifelhaft. ■ OTL im Generalstab Heino Matzken Diplom Informatiker Deutscher VtdgAttaché in Belgien 1150 Woluwe St Pierre Aus dem Bundeshaus Berichtet wird bis einschliesslich zweite Woche der Sommersession 2016 mit Schwergewicht auf Ständerat (SR) und auf «Armeebotschaft 2016» aus drei Teilen (16.026). Der SR als Erstrat lehnte Eintreten auf den Entwurf des Bundesrates zum «Bundesbeschluss zum Zahlungsrahmen der Armee 2017–2020» von 18,8 Milliarden Franken in der «Armeebotschaft 2016» vom 24. Februar 2016 ab (25:10:0). Hauptgrund ist der vorgängige «Bundesbeschluss zum Zahlungsrahmen der Armee 2017–2020» von 20 Milliarden Franken, den das Parlament in seinen Schlussabstimmungen vom 18. März 2016 verabschiedet hat. Weitere Gründe sind die jährlichen Entscheide der Räte über die Finanzen für Betrieb, Beschaffungen und Bauten. Der SR nahm den «Bundesbeschluss zum Rüstungsprogramm 2016» mit einem Gesamtkredit von 1,341 Milliarden Franken an (Gesamtabstimmung 35:6:0). Dieser umfasst neben einem Rahmenkredit sechs einzeln spezifizierte und nach Fähigkeitsbereichen aufgeteilte Verpflichtungskredite: Nachrichtenbeschaffung in der Luft (Luftraumüberwachungssystem Florako, Werterhalt Flores) und zu Wasser (Patrouillenboot 16); Wirksamkeit im Einsatz (12cm-Mörser 16, Schultergestützte Mehrzweckwaffen, Ersatzmaterial Kampfflugzeuge F/A-18 Hornet; Mobilität (Lastwagen und Anhänger). Ebenfalls nahm der SR den «Bundesbeschluss zum Immobilienprogramm VBS 2016» mit einem Gesamtkredit von 572 Millionen Franken an. Es enthält insbesondere je in Frauenfeld den Neubau Rechenzentrum Campus sowie die Gesamtsanierung und Neubauten auf dem Waffenplatz. Die Motion «Drogensuchtests in der Armee» nahm der SR an (16.3053) und lehnte im Gegensatz zum Nationalrat die Motion «Schweizer Frischmilch für die Schweizer Armee» ab (14.4265). In der Fragestunde vom 6. Juni ging es unter anderem um die Patrouille des Glaciers 2018 und 2020 (16.5169) und um Lebensflugstunden des F/A-18 Hornet (16.5193). Oberst aD Heinrich L.Wirz Militärpublizist/Bundeshaus-Journalist 3047 Bremgarten BE Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 15 Sicherheitspolitik Erfolg und Misserfolg des «Global War on Terror», 2001–2011 Am 11. September 2001 wurden die USA zum ersten Mal seit Pearl Harbour auf ihrem eigenen Staatsgebiet angegriffen. Die Amerikaner genossen breite Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft in der folgenden weitreichenden aussenpolitischen Neuausrichtung in der Form eines Global War on Terror (GWOT), der jedoch durch die Rhetorik von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Jonas Vollenweider Der GWOT war überambitioniert; weckte Erwartungen auf einen schnellen, beeindruckenden Gegenschlag, obwohl von Beginn an voraussehbar war, dass es ein längeres Unterfangen werden würde; und versetzte Präsident Bush in eine innenpolitisch prekäre Lage. Die ersten zehn Jahre sahen nebst dem Feldzug in Afghanistan auch eine Invasion Iraks, die aufgrund zwielichtiger amerikanischer Motivation bei weitem nicht die gleiche internationale Akzeptanz fand, und die, in Kombination mit Scheinheiligkeiten in den Bereichen Menschenrechte, Demokratie und Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, weltweit zu einem deutlichen Popularitätsverlust der USA führte. Die amerikanische Wirtschaft wurde ebenfalls schwer in Mitleidenschaft gezogen: 25% der zusätzlichen US-Schulden, die sich in der ersten Dekade des General Petraeus im Gespräch mit Einheimischen von Hit, Irak, 2007. 21. Jahrhunderts anhäuften, sind dem GWOT zuzuschreiben und sind indirekt ein Mitgrund für die Wirtschaftskrise von 2008. Die Strategie des GWOT, die erst zwei Jahre nach 9/11 publiziert wurde und einer 4D-Methode folgte (Defeat, Deny, «There would be no Isis if we had not invaded Iraq.» David Kilcullen Diminish, Defend), welche im Folgenden näher analysiert wird, definierte das Endziel als eine universelle Nichtakzeptanz von Terrorismus als legitime Taktik. Dieses Endziel wurde offensichtlich nicht erreicht. Defeat Die USA machten vorerst einige Fortschritte mit direkten Angriffen, jedoch waren deren Wirkung nie länger anhal- tend. Die Taliban und Al-Qaida wurden in der Folge von 9/11 ohne grosse Verzögerungen aus Afghanistan vertrieben, dessen ungeachtet nisteten sich beide Organisationen langsam aber sicher wieder in Afghanistan ein, nachdem sich der US-Fokus auf Irak verlagerte. Die meisten hohen Kader Al-Qaidas, Osama bin Laden eingeschlossen, wurden zwar in den ersten zehn Jahren gefangen oder getötet, dies zog aber nur einen kurzfristigen Propagandaerfolg nach sich und die Lücken konnten schnell gefüllt werden. Darüber hinaus hatten die meisten terroristischen Organisation (TO) in 2011, mithilfe der durch den GWOT massiv gesteigerten medialen Aufmerksamkeit, viel an Status, Ressourcen, Einfluss, Statur und territorialem Besitz gewonnen, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten, wo die USA mit ihrer heftigen Reaktion zu 9/11 in die Arme von Al-Qaidas Zermürbungsstrategie gelaufen war. Im Fernen Osten wurden einige Erfolge erziehlt, z.B. in der Ausmerzung der lokalen TO, Jemaah Islamiyya, durch Mitglieder der ASEAN. Dies hatte aber seinen Ursprung in den Anschlägen in Bali 2002 und nicht in 9/11, und einige Mitglieder, wie zum Beispiel die Philippinen, machten deutlich, dass sie zwar Unterstützung durch die USA genossen, diese aber nicht reziprok sei. Im Bereich Defeating konnte die USA somit erste Erfolge verbuchen, diese waren jedoch oft nicht lange anhaltend oder nicht direkt mit dem GWOT in Verbindung zu bringen. Deny Ähnlich den direkten Angriffen auf AlQaida waren die amerikanischen Bemühungen TO Zuflucht und Unterstützung zu verwehren längerfristig von Misserfolg gezeichnet. Die USA machten grosse Fortschritte in der internationalen Koopera- 16 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 tion von Nachrichtendiensten und Ordnungskräften, insbesondere im Bereich der Massenvernichtungswaffen, und gewannen neue Verbündete in den jungen Regierungen von Afghanistan und Irak (doch nur in den Regierungen). Der amerikanische Kurs hatte aber in vielen Ländern, wie zum Beispiel in Nordkorea oder Iran, einen gegensätzlichen Effekt auf den Willen im GWOT mitzuwirken und in anderen Staaten, die nur auf offizieller Ebene den gleichen Kurs einnahmen, stiessen die USA auf zusätzliche Schwierigkeiten, da Als sich Helfer zum Ort einer Explosion unilaterale Operationen auf deren Ho- begeben, geht eine zweite Autobombe hoch, heitsgebiet schwierig zu rechtfertigen wa- Irak, 2005. ren und zuweilen zu tiefgreifenden Problemen führten. Pakistan beispielsweise war offizieller Partner im GWOT, der pakis- besassen und US-Motive bezweifelt wurtanische Nachrichtendienst finanzierte den.Die Feldzüge des GWOT wirkten äusaber zugleich verschiedenste TO, um pa- serst destabilisierend im Nahen- und Mittkistanische Interessen in Kaschmir und leren Osten generell, und speziell in AfghaAfghanistan gegen Indien zu vertreten. nistan und im Irak, im letzteren durch Zudem wurde Pakistan durch den innen- die Verfolgung ehemaliger Mitglieder der politischen Unwillen der USA zu helfen Ba’ath Partei, der Auflösung der irakiund dem amerikanischen Druck und un- schen Armee und dem Versagen in der genehmigten Operationen im pakistani- Bildung einer neuen stabilen Regierung. schen Hoheitsgebiet weiter destabilisiert; TO konnten aus diesen Missständen und soweit, dass sich die Regierung innenpo- aus dem Machtvakuum nach dem arabilitisch nicht mehr gegen TO durchsetzen konnte. Die Kooperation mit willigeren Ländern führte jedoch auch gelegentlich zu ungeplanten Rückschlägen, wie zum Beispiel in Usbekistan, wo die USA, aufgrund von finanzieller Kooperation mit einem Land mit dürftigen Menschenrechten, an Glaubwürdigkeit verloren. Generell hatten die amerikanischen Exfiltration von Soldaten der 10th Mountain Division in der Bilder: Wikipedia Bemühungen TO Zu- Daychopan Provinz, Afghanistan, 2003. fluchtsstätten und Unterstützung zu verwehren gemischten Er- schen Frühling, der zunächst als Erfolg folg, schlugen im Nahen und Mittleren im GWOT gefeiert wurde, Kapital schlaOsten fehl und wirkten in Schlüsselstaa- gen. Die USA konnten den Fokus dieten oft destabilisierend. ser TO grösstenteils auf den Nahen und Mittleren Osten lenken, aber diese Organisationen werden ihre Prioritäten wieDiminish der neu ausrichten, sobald lokale UneinigDen grössten Misserfolg hatten die USA keiten bereinigt sind. Das amerikanische in der Bekämpfung der Ursachen von Ter- Ziel, die Ursachen des Terrorismus zu elirorismus. Sie trug mit ihren Entscheidun- minieren, blieb unerreicht. Ganz im Gegen massgebend zu einer Steigerung von genteil: der GWOT destabilisierte den Feindseligkeiten bei. Die Popularität der Nahen und Mittleren Osten und steigerUSA sank angesichts der Invasion in Irak te das Medieninteresse drastisch, was die weltweit massiv, da sie kein UN-Mandat Situation noch verschlechterte. Defend Die USA waren grösstenteils erfolglos in den ersten drei der 4D, aber zumindest die ersten zehn Jahre des GWOT sahen keine weiteren Terroranschläge auf amerikanischem Boden (ausgenommen Angriffe auf Uniformierte), nicht zuletzt dank des neuen Ministeriums für innere Sicherheit und besserer interministerialer Kooperation. Die Strategie der USA nennt aber auch die Verhinderung von Anschlägen auf Verbündete, was in mehreren Fällen fehlgeschlagen ist: zum Beispiel Madrid 2004 und London 2005. Daher war die Verteidigung eigener und verbündeter Zivilisten nur teilweise erfolgreich. Fazit Der GWOT unter Bush schlug fehl, aber Obama gab den Bestrebungen eine neue Richtung mit gesteigertem Multilateralismus und globaler Sicherheitszusammenarbeit, die mehr Erfolg hatte. Die USA konnten ihre Bürger weitgehend schützen und den Kampf auf fremdem Boden führen, aber Irak und Afghanistan waren nach zehn Jahren GWOT noch weit entfernt von Stabilität und hätten höchstwahrscheinlich in einem Bürgerkrieg geendet, hätten die USA ihre Truppen 2011 abgezogen. Die amerikanischen Misserfolge, die tiefliegenden Gründe für Terrorismus zu vermindern (Diminish), hatten im Endeffekt alle Fortschritte im Besiegen (Defeat), Verwehren (Deny) und Verteidigen (Defend) zunichte gemacht. Der GWOT hatte sein Endziel in den ersten zehn Jahren bei weitem noch nicht erreicht. ■ Oberleutnant Jonas Vollenweider Masterstudent ME13 8BY Faversham (United Kingdom) Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 17 Sicherheitspolitik Wie kommen wir zu einem neuen Kampfflugzeug? Nicht ob, sondern wie die Schweiz neue Kampfflugzeuge beschaffen kann, beschäftigte jüngst eine Diskussionsrunde des Vereins «Chance Schweiz» (www.chanceschweiz.ch). Die Analyse des ausgefeilten Beschaffungsverfahrens zeigte: Schon wieder herrscht Zeitdruck! Danach diskutierten der Referent Peter Müller, zwei Nationalräte und der LuftDer Moderator, Oberst i Gst Dr. Die- waffenkommandant der Jahre 2008 bis ter Wicki, stellte klar, den Absturz der 2012. Korpskommandant a D Markus «Gripen»-Vorlage wolle er nicht ein wei- Gygax bekräftigte, zum Kampfflugzeug teres Mal analysiert sehen. Dann kamen biete sich auf absehbare Zeit keine echte drei Impulsreferenten zu Alternative an: Der HeliWort: Der Volkswirtkopter ist schon für Luftschaftler und Major Dr. polizeiaufgaben zu langPeter Müller, der 13 Jahsam. Die Drohne taugt re als Stabschef der armaso wenig zur Luftpolizei suisse diente und zur Rewie bodengestützte Mitdaktion der ASMZ zählt, tel der Luftverteidigung stellte den Beschaffungs(BODLUV). Der freisinprozess vor (siehe Kasnige Aargauer Nationalten) und klopfte ihn auf rat Thierry Burkart forOptimierungspotenzial dert die Luftraumsicheab. – Oberst i Gst und rung als unentbehrlichen dipl. Ing. ETH WolfTeil unserer Glaubwürdigkeit. Skeptisch begang Hoz, Chef Doktrin der Luftwaffe, untersuchtrachtet er die vom Vorte die «Entwicklungsten- Pilotiert das NKF durch die ersten steher des VBS berufene, denzen Luft» und zog da- Turbulenzen: Div Claude Meier, aus Fachleuten, PolitiBilder: ASMZ raus die für die Schweiz C A Stab. kern, Vertretern der Vergeltenden Schlüsse. – Diwaltung und gesellschaftvisionär Claude Meier, selber Pilot des licher Gruppen zusammengesetzte «BeF/A-18, leitet als Chef des Armeestabes gleitgruppe für die Evaluation und Beauch die «Expertengruppe für die Eva- schaffung eines neuen Kampfflugzeugs», luation und Beschaffung eines neuen die auf keinen Fall politisch Einfluss Kampfflugzeugs» (NKF); er blickte zu- nehmen dürfe. Darin pflichtete ihm der rück auf die Geschichte unserer Luftrüs- Schaffhauser Thomas Hurter bei, Mittung und skizzierte den Gang des aktuel- glied der Sicherheitskommission des Nalen Projektes. tionalrates, Vertreter der SVP und LiniEugen Thomann, Redaktor ASMZ Schritte des Beschaffungsverfahrens Zwischen der Planung und der Übernahme des Gerätes durch die Truppe liegen: • Projektauftrag des VBS • Botschaft des Bundesrates (Kredit für Projektierung, Erprobung, Beschaffungsvorbereitung) • Kommissions- und Plenardebatten beider Parlamentskammern • Genehmigung des PEB-Kredites 18 • • • • • • Vorevaluation (Longlist) Evaluation (Shortlist) Truppentauglichkeit Typenwahl Beschaffungsreife Botschaft des Bundesrates (Rüstungsprogramm) • Kommissions- und Plenardebatten beider Parlamentskammern • Genehmigung des Rüstungsprogramms Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 enpilot. Er betonte, ohne Luftwaffe gebe es keine Armee und die Luftüberlegenheit müssten wir mit eigenen Mitteln herstellen. Neue Kampfflugzeuge kaum je ohne harten Kampf Kampfflugzeuge zu beschaffen, fällt der Schweiz nie leicht. Mitunter misslingen solche Rüstungsvorhaben ganz. Einen kritischen Faktor bilden sicher die Kosten. Alsdann geht es um Hochtechnologie «für» wenige Spezialisten. Deren Notwendigkeit ist so schwer zu vermitteln wie weiland der Eliteverband der Kavallerie des 19. Jahrhunderts oder ein paar Jahrzehnte später die ersten Panzer. Zu einem Skandal geriet der Kauf der französischen «Mirages» 1964, und zwar nicht nur wegen einer Kostenexplosion, als deren Folge statt 100 bloss 57 Maschinen in der Schweiz landeten. Der Beschaffungsprozess krankte an Mängeln; weil beispielsweise zu spät an den Tag kam, dass die Leitwerke nicht in die Kavernen passten, behalf man sich mit einem Kippmechanismus samt Hebehydraulik des Frontfahrwerks. In der Folge verschwand die «Kriegstechnische Abteilung» aus der Armee. Sie bildete innerhalb des Departementes eine eigene «Gruppe für Rüstungsdienste», woraus nach Jahren einerseits das Bundesamt für Rüstung, die «armasuisse», und anderseits der privatrechtlich organisierte, aber vollständig der Eidgenossenschaft gehörende Technologiekonzern RUAG entstanden. 1972 verzichtete der Bundesrat auf den Kauf von 60 Kampfflugzeugen des amerikanischen Typs «Corsair II», nachdem politischer Streit entbrannt war. Drei Jahre später kam der Kauf der ersten Tranche «Tiger» zu Stande. Als das Parlament 1992 die Beschaffung von 34 «F/A-18» beschloss, regte sich Widerstand. Binnen weniger Wochen gelang Sicherheitspolitik Unbequeme Einsichten Der langjährige frühere Kommandant der Luftwaffe, KKdt Markus Gygax, überzeugte mit ein paar klaren persönlichen Aussagen: Für jede Art von Konflikt brauchen wir 60 bis 70 Kampfflugzeuge. Das Geld dafür ist in unserem reichen Land vorhanden. Reden wir in der Kostendiskussion lieber über die geringen Bruttosozialprodukt-Anteile als über Milliarden! Die Luftwaffe ist Teil des Gesamtsystems Armee, und das Kampfflugzeug ist auf absehbare Zeit raison d’être der Luftwaffe. Weltweit werden ungefähr 40 Prozent der Verteidigungskosten für die Luftwaffe aufgewendet, und wir können uns glücklich schätzen, mit zwei Teilstreitkräften auszukommen, keine teure Marine finanzieren zu müssen. Die Schweiz muss sich auf ihre Wehrhaftigkeit besinnen. Dank ihr blieben wir von verheerenden Kriegen verschont. den Gegnern, weit mehr als die erforderlichen 100000 Unterschriften für eine Verbotsinitiative zu sammeln. Das wiederum scheuchte die Befürworter auf. So unterlag die Volksinitiative 1993 einer Nein-Mehrheit von 57 Prozent. Indes begrub man geräuschlos den ursprünglichen Plan einer zweiten Tranche. Das Scheitern des «Gripen»-Fondsgesetzes in der Volksabstimmung von 2014 ist bekannt. Das perfekte Beschaffungsverfahren? Die Referate und die Diskussion orteten wenige Ansätze zum Verbessern oder Straffen der Abläufe. Obenan steht das Bedürfnis, Planungssicherheit herzustellen, wozu das Parlament jüngst einen vierjährigen Finanzrahmen von 20 Milliarden durchsetzte. Allerdings darf man sich nicht täuschen; kraft der Budgethoheit bleibt dem Parlament die Befugnis erhalten, jedes Jahr auf diese Absicht zurückzukommen. Die Kriterien der Beschaffungsreife liessen sich flexibler gestalten, doch steigen damit die Risiken. Angesichts der grossen auf dem Spiel stehenden Geldsummen warnte Meier davor. Eher fiele in Betracht, künftig die am Anfang stehenden Bedarfsdefinitionen zu verschärfen, des Luftraums» dartut. Jedoch muss das NKF Teil eines Gesamtsystems bilden, zumal das Vernetzen der verschiedenen Mittel auch beim Schutz des Luftraums den grössten Mehrwert verheisst. Nicht ausser Acht bleiben dürfen die Fähigkeitsverluste, wie sie die Luftwaffe in den letzten Jahrzehnten aus Spargründen erlitt. Die vorhandenen Kampfflugzeuge taugen kaum mehr zum Erdkampf und zur Aufklärung, wären aber in beiden Rollen eigentlich vonnöten. Die vorhandenen 31 F/A-18 erreichen 2025 das Ende ihrer Nutzung. Deren Dauer liesse sich mit dem Aufwand von 500 Millionen um gerade fünf Jahre strecken. Das mit dem gleichen Flugzeugtyp operierende Finnland denkt aus ökonomischen Überlegungen nicht daran. Übrigens würden solche Arbeiten die VerfügDie F/A-18-Staffeln waren erst sieben Jahbarkeit unserer kleinen Flotte gefährlich re nach dem Zulauf der ersten Maschine einschränken, so dass auf jeden Fall die voll operationell. ersten NKF 2025 verfügbar sein müssen. Derzeit erarbeiten die Experten das Schon ein Monat ohne KampfflugzeugGrundlagenpapier, damit der Bundesrat flotte wäre für unsere Glaubwürdigkeit eine Katastrophe. 2017 den PEB-Kredit – die Abkürzung steht für Planung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung – dem Parlawas zwar einengt, jedoch vielleicht Zeit ment beantragen kann. In dieser Vorbespart. reitungsphase erlebt Meier das ZusamAm meisten Anklang fand der Ruf, menwirken mit der «Begleitgruppe» als «ab Stange» zu kaufen, mithin ein bereits bereichernd. erprobtes Gerät. Dazu merkte der Chef Der Typenentscheid sollte 2020 fallen, worauf die nötigen Gelder ins Rüstungsprogramm 2022 gehören. So zeichnet sich ein «sportlicher» Zeitplan ab; Platz findet darin eine allfällige Neuauflage der Verbotsinitiativen samt Abstimmung. Allein des Finanzrahmens wegen ist er auf das Projekt «Weiterentwicklung Geniale Verbindung von Tradition und Moderne: der Armee» angeSilvan Wegmann 1993 im «Nebelspalter». wiesen. Ferner stellen nennenswerte KürA Stab an, das früher beliebte «Helveti- zungen ihn sofort in Frage. Denn von den sieren» durch grössere und kleinere Ein- jährlich fünf Milliarden dient ein Fünftel griffe finde schon lange nicht mehr statt. den Investitionen. Schon das Kürzen von 10 Prozent entzieht wegen der vielen gesetzlich gebundenen Kosten der RüsStand der Dinge tung gleich 30 Prozent. Zweifel am Bedarf nach einem NKF Ausserdem erreichen ab 2020 einige deutete niemand an. Kein System kann Grosssysteme der Armee ihr Nutzungsendas polyvalente Kampfflugzeug ersetzen, de. Zu ersetzen gilt es dann Kampfpanzer, wie das vom Bundesrat 2014 verabschie- Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge. dete «Konzept zur langfristigen Sicherung Aber das ist eine andere Geschichte. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 19 Einsatz und Ausbildung Integriertes Risikomanagement – das Wichtige richtig tun In der Schweizer Armee wurde das Risikomanagement im Jahr 2004 mit dem Reglement «Führung und Stabsorganisation der Armee (FSO XXI)» eingeführt. Ursprünglich bloss als begleitende Tätigkeit für den Aktionsplanungs- und Aktionsführungsprozess vorgesehen, wurde das Risikomanagement aufgrund der tragischen Unfälle im Jungfraugebiet und auf der Kander im Jahr 2008 durch die Armeeführung zur entscheidenden Führungsaufgabe erhoben.1 Eduard Hirt Seit 2014 verfügt die Armee mit der «Führung und Stabsorganisation der Armee 17 (FSO 17)»2 über reglementierte Führungsprozesse, die ein Risikomanagement vorsehen. Die Analyse des Reglements zeigt allerdings ein ernüchterndes Resultat auf: Das Risikomanagement ist weder vollumfänglich in die Führungsprozesse integriert noch wird es systematisch angewendet. Führungsprozesse Der Vergleich der Führungsprozesse und der Phasen des Risikomanagements der operativen und taktischen Grundlagen der amerikanischen 3, britischen 4 und österreichischen Armee 5 sowie der NATO 6 mit denjenigen der Schweizer Armee führt zur Erkenntnis, dass diese praktisch identisch sind. Der Hauptunterschied besteht in der Beschreibung der Integration des Risikomanagements in die Führungsprozesse. Während in den internationalen Reglementen das Risikomanagement als integraler Bestandteil der Führungsprozesse beschrieben wird, bleibt die FSO 17 in diesem Bereich unbestimmt. Das Risikomanagement hat sich in den Führungsprozessen der Schweizer Armee nicht etabliert. So wurden in der FSO 17 Inhalte aus verschiedenen Quellen unreflektiert übernommen. Es ist nicht gelungen, zwischen dem Hauptteil und dem Anhang 3 einen Zusammenhang herzustellen und die entsprechenden Inhalte zu synchronisieren. Es werden keine konkreten Hinweise gemacht, wie die Werkzeuge des Risikomanagements in die Führungsprozesse integriert und systematisch angewendet werden können. Weil diese Vernetzung fehlt, können entsprechende 20 Synergien nicht aufgezeigt und folglich auch nicht genutzt werden. Der Begriff «Prozesse der Führung»8 wirkt kompliziert. Dargestellt werden vielmehr die Führungsprozesse, die auch als solche bezeichnet werden können. Die Kernprozesse sind falsch dargestellt: Es gibt nur einen Kernprozess, das ist die Aktionsführung bzw. die Durchführung einer Aktion. Darauf haben sich alle übrigen Prozesse auszurichten. Die Bedeutung des Risikomanagements, insbesondere für die Entschlussfassung und die Aktionsführung, wird zu wenig erkannt und nur rudimentär beschrieben. Für gleiche Tätigkeiten und Sachverhalte werden teilweise unterschiedliche Bezeichnungen verwendet. Dies er- «Das Risikomanagement hat sich in den Führungsprozessen der Schweizer Armee nicht etabliert.» schwert die Verständlichkeit und führt dazu, dass das Risikomanagement auf den Leser wie ein Fremdkörper wirkt. Im Rahmen der Sofortmassnahmen wird das Risikomanagement nicht erwähnt. Dabei wird verpasst, dass gerade durch das rasche Erkennen von Risiken und Chancen sowie die folgende Umsetzung von wirkungsvollen Sofortmassnahmen wesentlichen Lageverbesserungen erzielt werden können. Dies kommt daher, dass die Führungstätigkeiten vor dem Hintergrund der Aktionsplanung und nicht der Aktionsführung beschrieben werden. Die Tatsache, dass die Führungstätigkeiten die Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Führungstätigkeiten 7 Bilder: Reglement FSO17 Grundlage sowohl der Aktionsplanung als auch der -führung sind, wird zu wenig erkannt. Ein Hinweis auf die Verbindung zwischen der Risikoidentifikation, der Problemerfassung und der Lageerfassung fehlt. So bleibt es dem geneigten Leser überlassen, herauszufinden, dass beispielsweise • Risiken fortlaufend, mit Schwergewicht während der Problemerfassung identifiziert werden; • die Identifikation ausgehend vom Auftrag und den vorgegebenen Zielen der vorgesetzten Führungsstufe durchzuführen ist; • die Lageerfassung im Rahmen der Lageverfolgung der Problemerfassung entspricht und in beiden Führungstätigkeiten Risiken identifiziert werden; • während der Beurteilung der Lage und der Entschlussfassung die Risiken analysiert, bewertet und beurteilt werden; • für einen Kommandanten vor allem diejenigen Risiken von Bedeutung sind, die seine Auftragserfüllung gefährden. Lageentwicklungsmöglichkeiten Der Begriff «Entwicklung gegnerischer Möglichkeiten» fokussiert sich zu stark und zu isoliert auf einen Gegner. Vor dem Hintergrund einer möglichen hybriden Bedrohung macht eine ganzheitliche Betrachtung der Umwelt Sinn. Hierfür eig- Einsatz und Ausbildung net sich der Begriff «Lageentwicklungsmöglichkeit» besser, weil er umfassender ist. Die gegnerischen Möglichkeiten sind Teil der Lageentwicklungsmöglichkeiten. Zudem macht die Unterscheidung von taktischen und Unfallrisiken wenig Sinn und entspricht nicht dem ganzheitlichen Ansatz, den andere Armeen anstreben. Die getrennte Darstellung der wahrscheinlichsten und der gefährlichsten gegnerischen Möglichkeit vermittelt einen falschen Eindruck. Die Auswirkung und die Eintrittswahrscheinlichkeit sollten immer gemeinsam betrachtet werden. Das Risikomanagement bildet die Grundlage zur Entwicklung der Lageentwicklungsmöglichkeiten. Das durch den Kommandanten bestimmte Szenario bzw. die Lageentwicklungsmöglichkeit zur weiteren Bearbeitung umfasst eine Kombination aus Elementen der Gefährlichkeit und Eintretenswahrscheinlichkeit. In der Regel können weder die Eintrittswahrscheinlichkeit noch das Auswirkungsausmass einfach mit Zahlenwerten belegt werden. Beide Dimensionen werden aufgrund von Erfahrungswerten geschätzt und müssen Bezug zu einem Referenzsystem haben. Lageverfolgung Zwischen der Lageverfolgung und dem Risikomanagement wird in der FSO 17 keine Verbindung hergestellt. Dies hat gravierende Konsequenzen, weil damit nicht aufgezeigt wird, dass im Rahmen der Lageverfolgung erkannte Risiken permanent überwacht und angeordnete Massnahmen auf deren Wirksamkeit überprüft werden. Allenfalls neu auftretende Risiken werden identifiziert und bei Bedarf die Phasen des Risikomanagements erneut durchlaufen. Damit können Veränderungen im Umfeld erkannt, bestehende Risiken bei BeIn der zweiteiligen Artikelserie analysiert der Autor im ersten Teil die FSO 17 vor dem Hintergrund vergleichbarer internationaler Grundlagen und liefert Gestaltungshinweise für die Weiterentwicklung der FSO 17. Im zweiten Teil werden dann konkrete Möglichkeiten für die Integration des Risikomanagements in die Führungsprozesse aufgezeigt. Die Beiträge entsprechen einem Auszug aus der Masterarbeit des Autors zum Thema «Integration des Risikomanagements in die Führungsprozesse der Schweizer ArBOA mee».10 Beurteilung gegnerischer Möglichkeiten 9 darf neu beurteilt und neue Risiken frühzeitig erkannt werden. In der Regel können nicht alle Risiken erkannt und nicht alle erkannten Risiken können mit geeigneten Massnahmen restlos bewältigt werden. Deshalb bleiben normalerweise Restrisiken bestehen. Für die Aktionsplanung und -vorbereitung bedeutet dies, dass im Rahmen der Eventualplanung vorbehaltene Entschlüsse erarbeitet werden müssen. Die Bereitstellung von Reserven ist dabei notwendige Grundlage zur Aufrechterhaltung der Handlungsfreiheit. Befehlsgebung Angaben zum Risikomanagement in der Befehlsgebung ermöglichen den unterstellten Kommandanten, sich von Anfang an auf machbare Lösungen zu fokussieren und keine ungewollten Risiken einzugehen. Mit der Angaben der Risikohöhe in Form einer Handlungsrichtlinie des Kommandanten wird der Handlungsspielraum der Unterstellten abgegrenzt. In der Befehlsgebung kann das Szenario, welches als Planungsannahme festgelegt wurde, in der Orientierung im Rahmen der Beschreibung der Lageentwicklungsmöglichkeiten aufgenommen werden. Die Risikoliste kann den Befehl als Beilage ergänzen. Die Angaben zum Risikomanagement können bereits im Vorbefehl integriert werden. Damit kann direkt dem Risiko begegnet werden, dass Unterstellte zu wenig Zeit zur eigenen Vorbereitung einer Aktion zur Verfügung haben. Gleichzeitig wird den Unterstellten die Möglichkeit geboten, frühzeitig im Gesamtrahmen mitzudenken und Vorbereitungen von Bewältigungsmassnahmen mit erhöhtem Aufwand zeitgerecht auszulösen. Fazit Der Anpassungsbedarf der Probeausgabe FSO 17 ist ausgewiesen und im Hinblick auf die Ausgabe vom 1. Januar 2018 umzusetzen. Die Bedeutung des Risikomanagements, insbesondere für die Entschlussfassung und die Aktionsführung, wird in der Probeausgabe zu wenig erkannt und nur rudimentär beschrieben. Die fehlende Vernetzung der Führungsprozesse und des Risikomanagements verhindert, dass entsprechende Synergien genutzt und für die systematische Erarbeitung von Lageentwicklungs- und Lösungsmöglichkeiten genutzt werden können. ■ 1 Befehl für die Schulung im Umgang mit Risiken des Chefs Führungsstab der Armee vom 02.10.2008. 2 Das Reglement dient der armeeinternen Ausbildung und Prüfung und gilt vom 01.07. 2014 bis 31.12. 2017. 3 Joint Operations (JP 3-0), Joint Operation Planning (JP 5-0), Risk Management (ATP 5-19). 4 Campaign Planning (JDP 5-00), Operations (AP). 5 Operative Führung (BMLVS, OF). 6 Allied Command Comprehensive Operations Planning Directive (COPD). 7 FSO 17, Abbildung 3. 8 FSO 17, Ziff. 213 –217. 9 FSO 17, Abbildung 9. 10 Masterarbeit im Rahmen des Lehrgangs MAS ETH SPCM 2013 –2015. Oberst i Gst Eduard Hirt Berufsoffizier MA Defence Studies KCL, MAS SPCM ETHZ 3653 Oberhofen Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 21 Einsatz und Ausbildung «Zernierung» im Solothurner Bezirk Gäu und im Oberaargau Im Raum zwischen Walliswil, Oberbipp, Niederbipp und Bannwil sind mehrere Objekte wie Waldhäuser, verlassene Gehöfte und entlegene Häuser in die Hände von über 30 kampfwilligen Gegnern gefallen. Diese betreiben Ausbildung, handeln mit Waffen und Munition und verunsichern die Bevölkerung. Alexander Kohli, Martin Munz, Philipp Gerster Das Infanteriebataillon 20 (Inf Bat 20) der Infanterie Brigade 5 (Inf Br 5) hat den Auftrag erhalten, den Nachrichtenbeschaffungsraum «Längwald» zuerst aufzuklären und ihn anschliessend abzuriegeln, zu durchsuchen und den Gegner darin zu neutralisieren. Zwischen dem 22. und 24. Februar 2016 führte das Inf Bat 20 unter der Leitung des Kommandanten der Inf Br 5, Brigadier Alexander Kohli, dreimal eine Zernierung mit jeweils einer unterschiedlichen Darstellung des Gegners durch. Dabei lag das Augenmerk insbesondere auf der Synchronisation des Sensor-Wirkungsverbundes mit den Zernierungskräften, den Hauptaktionskräften sowie auf dem Einsatz von Reserven. Konzept der Volltruppenübungen in der Inf Br 5 Jeweils in der dritten Woche des Wiederholungskurses wird mit allen Truppenkörpern in der Inf Br 5 eine zwei- bis drei- tägige Volltruppenübung durchgeführt. In der ersten WK-Woche absolviert der Truppenkörperstab unter der Leitung des Brigadekommandanten in einer eintägigen Stabsübung die Aktionsplanung, die mit der Befehlsgebung an die Einheitskommandanten endet. Bis zur Volltruppenübung müssen die Einsatzvorbereitun- Der Übungsablauf schematisch dargestellt A Bezug des Bereitstellungsraumes ab WK-Raum B Erster Übungsdurchgang (Schwergewicht WEST) C Erstellen der Ausgangslage für den zweiten Durchgang D Zweiter Übungsdurchgang (Schwergewicht OST) E Erstellen der Ausgangslage für den dritten Durchgang F Dritter Übungsdurchgang mit Wechsel der Kompanien und Chargen G Bezug des WK-Raumes nach dem Übungsabbruch und den Besprechungen 22 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Der Kompaniekommandant der Infanteriekompanie 20/3, Oberleutnant Bieri, erläutert dem Kommandanten Infanteriebrigade 5 die Umsetzung seines Auftrages im Gelände. gen in den Bereichen Erkundung (z.B. von Unterkünften und Objekten), Kriegsspiel und einsatzbezogener Ausbildung abgeschlossen werden: Die Verbandsausbildung der ersten beiden WK-Wochen richtet sich konsequent an den gestellten Anforderungen der abschliessenden Volltruppenübung in der dritten WK-Woche aus. Für die vier der Inf Br 5 unterstellten Infanteriebataillone werden gegenwärtig drei Typen von Volltruppenübungen unterschieden: • Mit der Volltruppenübung «SPEER» wird das Einsatzverfahren «Zernierung» in den Zentren der Gefechtssimulation WEST und OST trainiert. Dabei wird der konzentrische Zugriff auf ein Punktziel (z.B. ein grösseres Schlüsselgebäude in gegnerischer Hand) geübt; • «SCHILD» steht für das Gefechtsschiessen im scharfen Schuss mit sämtlichen im Infanteriebataillon eingesetzten Waffen. Dabei steht im Rahmen der Zer- Einsatz und Ausbildung nierung der lineare Angriff auf ein Flächenziel (z.B. ein vom Gegner dominierter Weiler/Ortsteil) im Zentrum; • Mit der Volltruppenübung «LANZE» wurde ein Übungstyp und ein Szenario geschaffen, welches erlaubt, im Echtgelände ausserhalb von Waffenplätzen eine Zernierung auf Stufe Bataillon durchzuführen. Dabei geht es um Kontrollen (z.B. durchsuchen von kleineren gegnerischen Objekten) und erweiterte Nachrichtenbeschaffung (zwecks Informationsverdichtung) im Zernierungsraum. Das Infanteriebataillon im Einsatz «LANZE» Der Kommandant des Inf Bat 20 hat entschieden, ausserhalb des Zernierungsraumes die Kompanien dezentral bereitzustellen. Mit dem Sensor-Wirkungsverbund werden die Ein- und Austritte überwacht sowie mögliche Zugriffs- und Angriffsziele aufgeklärt. Weiter hat der Kommandant entschieden, den Zernierungsraum «Längwald» entlang einer durch den Raum führenden Strasse zu teilen, um je nach Verhalten des Gegners die Hauptaktionskräfte den Raum «WEST» oder «OST» durchsuchen zu lassen oder allenfalls die Zernierungskräfte zu verstärken oder zu entlasten. Dabei riegeln zuerst zwei verstärkte Inf Kp den Zernierungsraum ab. Ab dem frühen Montagabend melden die Sensoren Informationen zu Tätigkeiten, Bewaffnung und Stärke der gegneri- Der Kampfverlauf im Gelände – in ROT: Nachrichtenbeschaffungsraum Red Box 1. Aufbau Führungsunterstützungs-Logistikverbund → technische Grundplatte (Übermittlung, Führung, Nachschub/Rückschub) 2. Aufbau Sensor-Wirkungsverbund → taktische Grundplatte (Minenwerfer, Scharfschützen, Aufklärer) 3. Bezug dezentraler Bereitstellungsraum durch Manöververbände → Bereitstellung der Infanterie-Elemente (in Zugs- und Halbzugsstärke) 4. Erbringen der taktischen Leistung durch Manöververbände → Manövrieren mit InfanterieElementen (abriegeln, angreifen, verhindern) schen Akteure, sodass aufgrund der Nachrichtenlage der Bataillonskommandant am frühen Dienstagmorgen die Zernierung mit dem Schwergewicht «WEST» befehlen kann. Dann erfolgt die eigentliche Hauptaktion aus einem Angriff durch eine weitere verstärkte Infanteriekompanie. Gegen den Mittag sind die Objekte und der Raum durchsucht und die Akteure des Gegners neutralisiert. Trotz der Abriegelung ist es einzelnen Akteuren gelungen, den Raum unbemerkt zu verlassen. Das Zurechtfinden im Gelände sowie das korrekte «Nehmen» eines Objektes unter Ausnutzung des Geländes erweisen sich als grosse Herausforderung für das Inf Bat 20. Auch der Patientenweg bis zum «MSE-2 – Modularen sanitätsdienstlichen Element (Sanitätshilfsstelle)» ist nicht allen bekannt, was die An- Begriffsbestimmungen (aus dem Reglement 53.005.01, Einsatz der Infanterie, Teil 1: Führung und Einsatz des Bataillons) Zernierung: Durch die Zernierung wird ein Raum zeitlich beschränkt vom zivilen Umfeld abgegrenzt, um in diesem militärische Gewalt zur Auftragserfüllung anzuwenden. Die Kontrolle der Zugänge erfolgt physisch und bleibt während der ganzen Aktion bestehen. Zernierungskräfte: Alle im äusseren Ring für das physische Schliessen der Zugänge zum Zernierungsraum eingesetzten Kräfte unter einheitlicher Führung. Mit dem Befehl zum Schliessen des äusseren Rings aktiviert der Bataillonskommandant die Redbox und signalisiert damit den Beginn der Zernierung. Hauptaktionskräfte: Alle für die militärische Hauptaktion im Zernierungsraum ein- gesetzten Kräfte unter einheitlicher Führung. Durch Kontrolle und erweiterte Nachrichtenbeschaffung (Kombination von diskreter Raumüberwachung und offener Kontrolltätigkeit) soll gegnerisches Handeln provoziert und kanalisiert werden. Durch den konzentrischen Zugriff soll der Gegner punktgenau neutralisiert werden (militärische Verbände schaffen Voraussetzungen, Spezialisten sind Hauptträger der Aktion). Durch den linearen Angriff sollen gegnerische Flächenziele vernichtet / zerschlagen werden (militärische Verbände sind Hauptträger der Aktion). Reserveverband: Die Bataillonsreserve wird ausserhalb des Zernierungsraums bereit gehalten, um zu entlasten (Nachsorge, Übernahme von Gefangenen am äusseren Ring) und zu verstärken (Zuführen von Kräften mit Unterstellung ab Passieren des äusseren Rings), und/oder in einen abgeriegelten Raum anzugreifen oder einen Zugriff zu ermöglichen. Sensor-Wirkungsverbund: Die taktische Grundplatte wird mit dem Sensor-Wirkungsverbund sichergestellt. Dieser umfasst das gesamte Netz der Sensoren, die der Nachrichtenbeschaffung sowie der Feuerführung dienen. Der Sensor-Wirkungsverbund wird durch die Spezialistenzüge der Unterstützungskompanie (inkl. Aufklärungszug) gebildet. Bei Bedarf werden Sensoren der Infanteriekompanien einbezogen. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 23 Einsatz und Ausbildung zahl der Ausfälle ansteigen lässt und die logistische Koordination massiv erschwert. Am Dienstagmittag erfolgt ein kurzer Übungsunterbruch. Die gegnerische Situation im Zernierungsraum wird durch die Übungsleitung neu gruppiert. Gleichzeitig findet auf allen Stufen eine kurze Zwischenbesprechung statt, aus Der Kommandant des Infanteriebataillons 20, Oberstleutnant im welchen verschiedene Generalstab Xaver Sailer, erläutert auf der Führungsstaffel das Verbesserungspunkte Zusammenspiel der Kompanien auf der Führungskarte. herausgeschält werden. Beim zweiten Durchgang, aus den- kräfte und die Reservekräfte auszutauselben Bereitstellungsräumen und iden- schen, um die Ausbildungsintensität für tischen Aufträgen wird durch die Auf- alle Kompanien hochzuhalten. klärung ein gegnerisches Schwergewicht «OST» festgestellt. Zusätzlich wird ein Der methodische Ansatz: Munitionsumschlagplatz des Gegners aufbesser 3×8h als 1×24h geklärt. Der dritte Durchgang erfolgt am Der methodische Ansatz der Übung Mittwoch, diesmal wird jedoch nicht nur die Darstellung des Gegners verändert, hat sich bestens bewährt. Mit drei Durchsondern der Bataillonskommandant er- gängen werden einerseits Wiederholungen hält auch den Auftrag, die Hauptaktions- und somit stetige Verbesserungen mög- 24 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 lich, anderseits können bei zufriedenstellendem Verlauf Kompanien mit unterschiedlichen Aufgaben betraut werden. Der Übungsleiter hat die Möglichkeit, zwischen den Durchgängen kleine Anpassungen vorzunehmen, indem die gegnerischen oder neutralen Akteure gar nicht oder nur in geringem Ausmass neu dargestellt werden, oder aber es kann eine komplett neue Ausgangslage geschaffen werden. Die Übung passt sich dem Lernfortschritt des Truppenkörpers an – somit wird der Grundsatz, dass die Übung für den beübten Verband da ist und nicht umgekehrt – eingehalten und aktiv gelebt. Ebenfalls bewährt hat sich die Darstellung der gegnerischen und neutralen Akteure mit Rollenspielern aus dem Infanterie-Durchdiener-Kommando 14. Diese Kader und Soldaten werden ebenfalls taktisch befohlen. Basierend auf dem Befehl Führungskarte des Sensor-Wirkungsverbundes mit den Bereitstellungsräumen (blau gestrichelt), den Nachrichtenbeschaffungsräumen (grün), den besonderen Nachrichtenbedürfnissen (rot) sowie den Zielobjekten (braun). Einsatz und Ausbildung und den Ausbildungsvorgaben des Chefs Rollenspieler, befielt der Zugführer nach erfolgter Lagebeurteilung und Entschlussfassung seinen Zug. Mit der Einbindung der Durchdiener kann der beübte Verband vom Auftrag, ein Rollenspieler-Detachement auszuscheiden, entbunden werden und somit die ganze Truppe für die eigene Auftragserfüllung einsetzen. Mit der Einsatzunterstellung eines «Modularen sanitätsdienstlichen Elementes (MSE2)», welches aus der Sanitätsschule 42 gestellt wird, kann der Einsatz der Sanitätssoldaten und der ganze Bereich der Selbst- und Kameradenhilfe realitätsnah dargestellt werden. Sämtliche Kader und Soldaten, auch die gegnerischen und neutralen Akteure, tragen ein Verletztenbild bei sich. Sobald sie durch eine Waffenwirkung der Simulationsausrüstung getroffen werden, beginnt der Lauf gegen die Zeit: Wenn der Patientenweg zu lange ist, der Rettungsablauf nicht bekannt ist, die Erste-Hilfe-Massnahmen unkorrekt vorgenommen oder die Prioritäten falsch gesetzt werden, steht das Leben des Verletzten auf dem Spiel. Der Übungsleitungsstab Der Übungsleiter führt über einen Chef Regie, über verschiedene Schiedsrichterteams, über einen Chef Rollenspieler und einen Chef Auswertung. Die Schiedsrichterteams setzen sich wie folgt zusammen: • zwei Schiedsrichter pro Einheit; • je ein Schiedsrichter für die Querschnittsbereiche Sanitätsdienst, SensorWirkungsverbund, Telematik und Logistik bzw. Rückwärtiges. Mit dieser Organisation können dem Übungsleiter anlässlich der Übungsleitungsrapporte genügend Resultate, bzw. zu ergreifende Massnahmen aufgezeigt werden. Zudem wird jede Aktion durch einen Schiedsrichter beurteilt und die Durchhaltefähigkeit ist über 24h sichergestellt. Die Einheiten werden bei Übungsunterbrüchen und nach Übungsabbruch durch die Schiedsrichter besprochen, der Truppenkörperkommandant und sein Stab sowie die Einheitskommandanten durch den Übungsleiter. Insbesondere im Rahmen der Vorbereitungen ist es unerlässlich, eine ausführliche Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen. So wurden im Vorfeld sämtliche umliegenden und direktbetroffenen Gemeinden und Forstämter schriftlich und mit persönlichem Besuch orientiert, ebenso Der Darstellung der gegnerischen und neutralen Akteure durch die Rollenspieler kommt eine zentrale Bedeutung zu. Bilder: VBS Landwirte und Anwohner, die unmittelbar in der Nähe einer Ein- oder Ausfallsstrasse wohnen. Die Objekte wie Waldhütten, Unterstände, Schiessstände und weitere Infrastruktur wurde für die Übungsdauer gemietet bzw. von den Besitzern zur Verfügung gestellt. Ausblick und Fazit Aufbauend auf den Lehren, die anlässlich der Nachbearbeitung durch das Übungsleitungsteam eruiert wurden, werden auch die beiden Infanteriebataillone 11 und 56 auf der Basis des Übungskonzeptes «LANZE» trainieren können. Der Zernierungsraum wird allerdings kleiner und urbaner sein. Im Übrigen soll der Übungsstart nicht bereits aus dem Aufbau des Sensor-Wirkungsverbundes und der Bereitstellung bestehen, sondern die Zernierung soll sich aus der Bewältigung der Grundlast wie das Bewachen von Objekten und das Überwachen von Achsen und Räumen ergeben. Es zeigt sich, dass eine Übung im Echtgelände mit der Einbindung von Rollenspielern und unterstellten Verbänden wie einem MSE-2 und dem übergeordneten FU-Element zwar aufwändig ist, sich aber bestens bewährt. So muss die taktische Leistung in wenig bekanntem Gelände erbracht werden. Die wiederholte, situationsgerechte, auf das Gelände bezogene Anwendung der Taktik und Gefechts- technik nimmt in der Übung eine zentrale Rolle ein und schult die taktischen Fertigkeiten der Kader. Das mehrmalige Repetieren ist eine Chance – die Lernkurven zeigen auf allen Stufen nach oben. Zudem stellen die Übungen im Echtgelände eine sinnvolle Ergänzung zu den Gefechtssimulationen in den Ausbildungszentren in Bure und Walenstadt/St.Luzisteig dar. Die Truppe muss die erworbenen Kenntnisse vom bekannten Gelände auf den Waffenplätzen in noch wenig bekanntem Gelände anwenden können. Als positiver und nicht zu unterschätzender Nebeneffekt darf die Präsenz der aktiven Truppe ausserhalb von Waffenplätzen und somit in der Öffentlichkeit beurteilt werden. Die Inf Br 5 wird in den Jahren 2016 und 2017 auf ihrem bewährten Übungskonzept und -rhythmus aufbauen. ■ Brigadier Alexander Kohli Dr. sc. Techn. ETHZ Kdt Inf Br 5 2540 Grenchen Oberstlt i Gst Martin Munz USC Op (G3) Inf Br 5 5037 Muhen Major i Gst Philipp Gerster BA in Staatswissenschaften ETHZ C Op 1 (FGG3) Inf Br 5 8620 Wetzikon Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 25 Einsatz und Ausbildung Friedensförderung im Kosovo – Begleitung für die nächste Generation Nach knapp 16 Jahren Einsatz im Kosovo haben sich nicht nur das Land, sondern auch die Aufgaben der KFOR und somit die der SWISSCOY gewandelt. Lag zu Beginn der Mission das Schwergewicht auf Nothilfe, Wiederaufbau und aktive Sicherheit, so geht es heute immer stärker um Überwachung der Entwicklung und Unterstützung der gewachsenen zivilen Strukturen. Geführt wird die SWISSCOY im Einsatz vom Schweizer nationalen Kontingents-Kommandanten (NCC). Andrea Jaeggi «Wir stehen permanent im Scheinwerferlicht, nicht nur im Einsatzraum in der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung oder mit unseren internationalen Partnern. Auch in der Schweiz wird unsere Arbeit beurteilt», sagt Oberst Georg Kaufmann, NCC 33, zu den Herausforderungen eines Kommandanten. Liaison and Monitoring Teams Seit April 2010 betreibt die SWISSCOY Liaison and Monitoring Teams, sogenannte LMT. Das sind kleine Teams, die mitten unter der Bevölkerung leben 26 «Was muss ich machen, damit ich auch in die SWISSCOY kann? Ich gehe nächsten Monat an die Rekrutierung.» und der KFOR als Augen und Ohren dienen. Sie sind im täglichen Kontakt nicht nur mit der Bevölkerung, sondern auch mit Vertretern der Politik sowie zivilen Sicherheitsorganen. Das bedeutet, sie treffen auch in regelmässigen Abständen Bür- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 germeister, Kommandanten von Polizei und Feuerwehr sowie diverse Politiker. Aus all diesen Begegnungen und Treffen sammeln sie Informationen, die sie dann in täglichen Rapporten verarbeiten und diese an die vorgesetzte Stelle weiterleiten. Es gibt LMT-Häuser in Mitrovica, Prizren und Malisevo sowie ein Fieldoffice in Zubin Potok. Das Haus in Mitrovica liegt nördlich des Flusses Ibar, welcher die Stadt in zwei Teile spaltet. Der nördliche Teil ist mehrheitlich von Kosovoserben bewohnt, während im Süden die BevölMilitärische Lagebeobachter der SWISSCOY stehen täglich mit der kosovarischen Bevölkerung in Kontakt. Einsatz und Ausbildung kerung vorwiegend kosovoalbanisch ist. «Unsere Präsenz wird sehr geschätzt und dank unseren guten Beziehungen, sowohl zu den zivilen Behörden als auch zur Bevölkerung, können wir täglich wertvolle Informationen gewinnen», meint Hptm Marina Weber-Tinner, die als Hauskommandant in Mitrovica eingesetzt ist. Man kennt die Schweizer «Grüezi – Hoi!» Mit diesem Gruss werden die Schweizer LMT-Angehörigen im Süden, in Prizren, immer wieder von Menschen aus der Bevölkerung begrüsst. «Die Leute kommen auf uns zu», erzählt Hptm Sandro Wälti, Hauskommandant LMT-Prizren. «Man kennt die Schweiz und die Schweizer Armee. Viele der Familien, die hier leben, haben mindestens ein Familienmitglied im Ausland. Viele davon in der Schweiz.» Wie offen unsere LMT aufgenommen werden, erleben wir, als ein junger Mann sich an uns wendet und fragt: «Was muss ich machen, damit ich auch in die SWISSCOY kann? Ich gehe nächsten Monat an die Rekrutierung.» Es stellt sich heraus, dass er in St.Gallen lebt und studiert und gerade auf Besuch bei seiner Familie ist. Die täglich gewonnenen Informationen fügen die LMT zu Berichten zusammen, die sie an die vorgesetzte Stelle weiterleiten. Diese Informationen dienen dem Kommandanten der KFOR (COM KFOR) zur Beurteilung der Lage. «Der wichtigste Punkt bei der Arbeit ist sicherlich das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Das bedeutet in erster Linie auch: zuhören», erklärt uns Wälti. «Wir spüren, dass das Vertrauen in die staatlichen Organisationen nicht sehr gross ist. Doch uns, den LMT, bringen die Leute Vertrauen entgegen.» Seit 2012 hat die Schweiz das Kommando über das Joint Regional Detachement North (JRD-N). Oberst Hansjörg Fischer rapportiert in seiner Funktion als COM JRD-N direkt dem COM KFOR. «Die Arbeit der Schweizer wird sehr geschätzt» sagt Fischer, «das liegt vor allem Wer Interesse an einem friedensfördernden Einsatz hat, kann sich bei SWISSINT melden: Kompetenzzentrum SWISSINT Kasernenstrasse 8, 6370 Stans-Oberdorf Telefon 058 467 58 58 E-Mail: [email protected] www.peace-support.ch an unserer Erfahrung als Bindeglied zwischen zivilen Behörden und dem Militär, die wir aus unserer Milizarmee mitbringen. Auch werden wir dank unserer Neutralität von allen Gesprächspartnern gleichermassen akzeptiert.» «Mir ist es wichtig, dass meine Kameraden wissen, dass sie jederzeit zu mir kommen können. Denn viele wissen bei medizinischen Problemen nicht, wie ernst eine Situation sein könnte.» Obwm Beatrice Mathis Logistische Unterstützung Mit Personal und Material unterstützt die SWISSCOY die multinationale Joint Logistic Support Group (JLSG) sowohl im Bereich Transport als auch mit Pionierleistungen. So hat das Kontingent 33 seit Beginn seines Einsatzes bereits über 500 000 Kilometer für Aufträge zu Gunsten der KFOR zurückgelegt. Im weiteren umfasst die SWISSCOY Spezialisten der Kampfmittelbeseitigung (EOD), Militärpolizisten, Stabsoffiziere zu Gunsten des Hauptquartiers der KFOR sowie medizinisches Personal. Vier Pflegefachpersonen arbeiten im deutschen Einsatzlazarett (ELAZ) im Feldlager Prizren. Schweizer und Österreichisches Fachpersonal stellt die medizinische Versorgung der Truppe sicher. Bilder: PIO SWISSCOY 33 «Mir ist es wichtig, dass meine Kameraden wissen, dass sie jederzeit zu mir kommen können. Denn viele wissen bei medizinischen Problemen nicht, wie ernst eine Situation sein könnte», erklärt Obwm Beatrice Mathis, die als Stellvertretende Chief Nurse für rund 120 SWISSCOYAngehörige im Raum Prizren und Malisevo zuständig ist. Drei weitere Pflegefachpersonen sowie ein bis zwei Schweizer Ärzte arbeiten im Medical Center im Camp Film City in Pristina. Zusätzlich stellt die Schweiz ein Lufttransportdetachement mit nachtflugfähigen Helikoptern. Seit Beginn des 33. Kontingentes ist es knapp 160 Stunden geflogen, wobei es über 770 Passagiere und mehr als 20 Tonnen Material im Auftrag der KFOR transportierte. Seit sechzehn Jahren engagiert sich die Schweizer Armee im Rahmen der KFOR im Kosovo. Das Mandat der SWISSCOY wurde bis Ende 2017 vom Parlament bewilligt. Vorbehältlich des politischen Entscheides über eine erneute Verlängerung ist die SWISSCOY auf Schweizerinnen und Schweizer angewiesen, die sich freiwillig für einen solchen Einsatz melden. ■ Fachoffizier Andrea Elisabeth Jaeggi Presse- und Informationsoffizier SWISSCOY Kontingent 33 5400 Baden Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 27 Intelligence Sicht des Auslandes auf die nachrichtendienstliche Entwicklung in der Schweiz Während die Schweiz vor einer Volksabstimmung über das Referendum gegen das neue Nachrichtendienstgesetz steht, wird in europäischen Fachgremien angesichts anhaltender terroristischer Bedrohung weiterhin intensiv über Weiterentwicklung und Ausbau der Nachrichtendienste und deren bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit nachgedacht – mitunter auch unter Einbezug des schweizerischen Lösungsansatzes. Hans Wegmüller In der Schweiz zieht sich seit der Fusion des Inland- und Ausland-Nachrichtendienstes vor gut fünf Jahren die Diskussion um das neue NachrichtendienstGesetz mit an- und abschwellender Intensität dahin. Endgültig entschieden wird voraussichtlich am 25. September dieses Jahres in einer Volksabstimmung über das Referendum, das gegen das vom Parlament verabschiedete Nachrichtendienst-Gesetz ergriffen wurde. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, zeigen auch europäische Länder, allen voran Deutschland, an den schweizerischen Bemühungen um die Weiterentwicklung des Nachrichtenwesens durchaus Interesse. So wurde die schweizerische Sicht der Dinge seit 2013 an verschiedenen internationalen Konferenzen angesprochen und dargelegt. Künftige nachrichtendienstliche Herausforderungen Im September 2013 fand in Berlin eine Konferenz zum Thema «Künftige Herausforderungen der Nachrichtendienste» statt, die von der Zeitung «Der Behörden Spiegel» und dem Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V. organisiert wurde. Zum Vergleich herangezogen wurden auch Standortbestimmungen aus Österreich und der Schweiz: Während der Direktor des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zum Thema «Verfassungsschutz im demokratischen Rechtsstaat» sprach, wurde der aktuelle Stand in der Schweiz unter dem Titel «Die Entwicklung des schweizerischen Nachrichtenwesens im letzten Jahrzehnt» erläutert. Daneben traten zahlreiche Referenten aus Deutschland, darunter der Präsident des 28 Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Hans-Georg Maassen, und der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, sowie Vertreter diverser Regierungsstellen und zahlreiche deutsche Politiker jeglicher politischer Provenienz auf. Kontrolle der Nachrichtendienste Im Oktober 2015 lud die Friedrich Ebert Stiftung in Berlin zu einer Konferenz zum Thema «Zur Kontrolle der Geheimdienste im 21. Jahrhundert» ein. In ihrer Einladung umschrieb die Friedrich Ebert Stiftung die Ausgangslage wie folgt: «Mit der Verbreitung neuer technischer Möglichkeiten hat sich nicht nur die Bedrohungslage geändert, welcher der Staat Rechnung tragen muss. Auch die Mittel der offenen und verdeckten Informationsbeschaffung durch Geheimdienste sind erheblich erweitert worden. Internet, «Die Mittel der offenen und verdeckten Informationsbeschaffung durch Geheimdienste sind erheblich erweitert worden.» Handys und vor allem Smartphones haben die technischen Möglichkeiten der Aufklärung im In- und Ausland revolutioniert. Mit dem zukünftigen ‹Internet der Dinge› wird noch einmal eine neue Dimension möglicher Informationsgewinnung erreicht… Diesen neuen Mög- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Eröffnung der Globsec Konferenz durch den slowakischen Staatspräsidenten Andrey Kiska. lichkeiten muss eine zeitgerechte Kontrolle der Geheimdienste gerecht werden.» Auch hier wurde Wert auf eine vergleichende Betrachtung mit andern Ländern gelegt, wozu Vertreter aus den USA, Frankreich, Israel und der Schweiz eingeladen wurden. Was die Schweiz betrifft, so lag die Betonung dem Konferenzthema entsprechend vor allem auf dem Kontrollmechanismus, wie er im neuen Nachrichtendienst-Gesetz vorgesehen ist. Geheimdienste in Deutschland In Deutschland hält die Grundsatz-Diskussion im Nachgang zur NSA-Affäre in der Politik und namentlich in Fachgremien auch im diesem Jahr weiter an, was in der Praxis unter anderem bereits zu personellen Veränderungen an der Spitze des Bundesnachrichtendienstes geführt hat. Im Frühjahr dieses Jahres veranstaltete die Konrad Adenauer Stiftung in Berlin ein Expertengespräch zum Thema «Die Zukunft der Geheimdienste in Deutschland». Wiederum waren Vertreter aus verschiedenen europäischen Ländern eingeladen, um ihre nationalen Lösungsansätze zu präsentieren, namentlich aus England, Frankreich und der Schweiz. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland, wo gegenwärtig an einem neuen «Gesetz zur Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes» und an einem «Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle» gearbeitet wird, ist kaum erstaunlich, dass das neue schweizerische Nachrichtendienst-Gesetz und die entsprechende Argumentation bei Eintrittsreferat der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Bratislava 2016. Bilder: Autor Vertretern von Politik, Wissenschaft und vor allem der «Intelligence Community» in Deutschland auf reges Interesse stossen. Nachrichtendienstliche Reform in Europa Das «Globsec Bratislava Security Forum» wurde 2005 auf slowakische Initiative gegründet und entwickelte sich aus bescheidenen Anfängen zu einer bedeutenden internationalen Sicherheitskonferenz, die mehr und mehr den Anspruch zu erheben scheint, als mitteleuropäisches Gegenstück zur Münchner Sicherheitskonferenz zu gelten. Nahmen doch dieses Jahr nicht weniger als 15 Aussen- und Verteidigungsminister und ca. 1000 Teilnehmer aus 70 Ländern teil. Eröffnet wurde die diesjährige dreitägige GLOBSECKonferenz durch den slowakischen Staatspräsidenten und die beiden Aussenminister der slowakischen und tschechischen Republik, wobei die deutsche Verteidi- gungsministerin, Ursula von der Leyen, das Eintrittsreferat hielt. Im Rahmen dieses Forums wurde unter anderem eine Initiative zur Reform der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit in Europa («The Globsec Intelligence Reform Initiative») an die Hand genommen, welche zum Ziel hat, die bestehende äusserst komplexe und facettenreiche europäische Nachrichtendienst-Struktur zu analysieren und Verbesserungsvorschläge, insbesondere im Bereich der multilateralen Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Terrors, zu erarbeiten. Am zugehörigen Gespräch unter Experten verschiedener aussereuropäischer und europäischer Länder war wiederum auch die schweizerische Sicht gefragt. Die oben genannten Beispiele nachrichtendienstlicher Expertengespräche finden vielfach unter der sogenannten «Chatham House Rule» statt, wonach den Teilnehmern die freie Verwendung der erhaltenen Informationen nur unter der Bedingung gestattet ist, dass weder die Identität noch die Zugehörigkeit von Rednern oder anderen Teilnehmern preisgegeben wird. Daher ist es durchaus verständlich, dass relativ wenig von diesen Aktivitäten an die Öffentlichkeit gelangt. Deshalb anzunehmen, dass die Bemühungen der Schweiz um die nachrichtendienstliche Entwicklung und deren Resultat von anderen europäischen Ländern und insbesondere auch von unseren Nachbarländern nicht registriert, zur Kenntnis genommen und entsprechend gewertet würden, wäre aber falsch. Die Bonität eines Nachrichtendienstes hängt nicht zuletzt davon ab, ob es der bestehende gesetzliche Rahmen dem Nachrichtendienst erlaubt, nach geltenden internationalen Standards und dem aktuellen «state of the art» zu arbeiten und zu kooperieren. Deshalb ist auch die Zustimmung des Volkes zum neuen Nachrichtendienst-Gesetz, das die dringend notwendigen Anpassungen an die aktuelle Bedrohungslage vornimmt, für die zukünftige Effizienz des schweizerischen Nachrichtendienstes und dessen Positionierung im internationalen Nachrichtenverbund von grösster Bedeutung. ■ HUNTER PRO Oberst i Gst a D Hans Wegmüller Dr. phil. Direktor SND 2001–2008 3110 Münsingen VICTORINOX.COM Weiterentwicklung der Armee Personelle Überführung der Miliz in die WEA Das Personal ist bekanntlich die wichtigste Ressource einer Organisation. Zum Start der WEA am 1. Januar 2018 wird die Armee in eine neue Führungsstruktur überführt. Ein Grossteil der Stäbe und Truppenkörper wird umgebaut, aufgelöst oder neu gebildet. Gleichzeitig werden das Ausbildungs- und Dienstleistungsmodell verändert und neue rechtliche Grundlagen eingeführt. Die personelle Überführung der Angehörigen der Armee – eine Grossbaustelle und ein Schlüsselgeschäft der WEA. Germaine Seewer, Beat Dalla Vecchia Die Struktur der Armee (siehe Abb. 1) wurde am 18.03.2016 von der Bundesversammlung gutgeheissen und damit unter anderem die personelle Überführung der Miliz initialisiert. Insgesamt werden fünf Infanteriebrigaden (Inf-/ Geb Inf ) aufgelöst und die Anzahl Truppenkörper (Bataillone/Abteilungen) von heute 177 (125 Aktive/52 Reserve) auf 109 reduziert und umgebaut. Der Chef Abb. 1: Führungsstruktur ab Beginn Umsetzung WEA. Personelles der Armee (Pers A) nimmt gegenüber dem Chef der Armee (CdA) und der Armeeführung die armeeweite Steuerungs- und Koordinationsaufgabe wahr. Voraussetzungen und Rahmenbedingungen Basis für die erfolgreiche personelle Überführung der Miliz ist eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen und eine umfassende Befehlsgebung der Armee. Im April 2016 hat der CdA mit dem Armeebefehl 2018 –2021 und dem Befehl für Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ist im Sinne einer Eventualplanung zu verstehen und vorbehältlich eines Entscheides bei einer allfälligen Referendumsabstimmung. die Überführung WEA «TRASFERIMENTO DUE» die nötigen Grundlagen befohlen. Der Armeebefehl (gültig ab 01.01. 2018) ist Vorgabe an die Armee für die nächsten vier Jahre und zeigt mittel- und langfristig die Entwicklungsrichtung für die Armee auf. Darin werden unter ande- Chef der Armee !"#$%&#'%(')##% Armeestab EINSATZ Kommando Operationen 30 UNTERSTÜTZUNG Logistikbasis der Armee Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Führungsunterstützungsbasis AUSBILDUNG Kommando Ausbildung Weiterentwicklung der Armee 2016 MEILENSTEINE PROJEKT WEA Die Projektorganisation WEA besteht aus verschiedenen Teilprojekten und Querschnittsbereichen aus dem gesamten Bereich Verteidigung. Die Meilensteine WEA geben eine Übersicht zum Stand der Inhalte und Arbeiten in den Teilprojekten. QUARTAL 3 QUARTAL 4 PERSONAL MILIZ Unter der Leitung der DU CdA finden die Mutationsrapporte der Grossen Verbände statt, an denen die weitere Verwendung und Einteilung der höheren Milizkader geplant wird. AUSBILDUNG Die Detailkonzepte und Ausbildungsvorgaben für die Grund- und Kaderausbildung sowie die Fortbildungsdienste der Truppe werden fertiggestellt. PERSONAL VERWALTUNG Basierend auf den genehmigten Detailstrukturen werden die Stellenbeschreibungen der Führungsstufen 1 und 2 erarbeitet. GESCHÄFTSORDNUNGEN (GO) Die Geschäftsordnung Verteidigung und die Geschäftsordnungen der Direktunterstellten CdA werden erarbeitet. (Genehmigung GO V 2. Quartal 2017) PERSONAL VERWALTUNG Die Stellenbeschreibungen der Funktionen ab Führungsstufe 3 werden erarbeitet. BEFEHLSGEBUNG Auf der Basis der Organisationsbefehle der Direktunterstellen CdA werden die nachgelagerten Befehlsgebungen 2018 erarbeitet. REGLEMENTE Nach der FSO 17 wird mit der OF 17 ein weiteres Führungsreglement erlassen. WEITERE INFORMATIONEN ZUR WEA www.armee.ch/wea und im Dossier WEA auf www.vbs.ch/wea rem verschiedene Alimentierungsvorgaben sowie die Priorisierung in der Alimentierung vorgegeben. Der Überführungsbefehl beinhaltet die technisch-organisatorischen Vorgaben. Unter anderem sind darin die Verantwortlichkeiten für die Vorbereitungsund Umsetzungsmassnahmen sowie die Vorgaben für die zeitgerechte Vorbereitung und Implementierung definiert. Weiter werden im Überführungsbefehl die nötigen Vorgaben zur Planung und Umsetzung der personellen Überführung der Miliz in die WEA erlassen. Personelle Überführung der Miliz In den vergangenen Wochen wurden mit allen heutigen Direktunterstellten des Chefs der Armee (DU CdA) und Kommandanten der Grossen Verbände (Kdt Gs Vb) Rapporte für die Initialisierung der Personellen Überführung der Miliz durchgeführt. Bis im Januar 2017 werden nun das Pers A und die DU des CdA sowie die Kdt Gs Vb eine Personalplanung bis auf Stufe Funktion/AdA erstellen. Im ersten Quartal 2017 startet die gestaffelte Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit den Truppenkommandanten und dauert bis im Oktober 2017. Die Überführung ist in zwei Teilprozessen vorgesehen (siehe Abb. 2): • Die «Überführung der Formationen» umfasst die Überführung der Mannschaft, der Unteroffiziere und der höheren Unteroffiziere aller Einheiten 1. Das Pers A unterbreitet im WK 2017 den Truppenkommandanten einen Umbauvorschlag auf der Grundlage der in der Befehlsgebung des CdA formulierten Rahmenbedingungen. Die Eingaben der Truppenkommandanten werden anschliessend durch das Pers A validiert; • Für die «Überführung der höheren Kader» sind die Kdt Gs Vb zuständig. Bis im Januar 2017 werden alle Of, Fachof und höheren Uof, die in Stäben eingeteilt sind, detailliert geplant. Das Pers A stellt dabei sicher, dass alle Funktionen (Sollbestandesplätze) armeeweit ausgeglichen alimentiert werden und die durch den CdA vorgegebenen Kriterien2 für die personelle Überführung der höheren Kader umgesetzt werden. Der Bedarf für die Alimentierung der höheren Stäbe der Armee ist ausgewiesen und in einer umfassenden Übersicht hinterlegt. Mit der Auflösung der fünf Stäbe der Infanteriebrigaden (Inf-/ Geb Inf ) können auch diese Offiziere ihre grosse Erfahrung in den höheren Stäben der Armee einbringen. Ab Februar 2017 werden mit den designierten DU CdA Mutationsrapporte durchgeführt und die personellen Detailplanungen bereinigt. Ab dem zweiten Quartal 2017 werden gestaffelt die Mutationen für alle AdA gestartet. Alle Angehörigen der Armee erhalten mit einem persönlichen Informationsschreiben ihre vorgesehene Einteilung und werden aufgefordert, ihr Dienstbüchlein einzusenden. Selbstverständlich wird ein Referendum berücksichtigt – vor einer allfälligen Volksabstimmung werden keine Mutationen von Angehörigen der Armee vorgenommen. Gemeinsame Planung Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche personelle Überführung der Miliz sind mit der detaillierten Überführungs- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 31 Weiterentwicklung der Armee Abb. 2: Darstellung «Vorgehen der Überführung Miliz WEA». planung und der frühzeitigen Einbindung der Kommandanten aller Stufen geschaffen. Mit dem persönlichen Gespräch durch die Kommandanten werden die Bedürfnisse der Armeealimentierung mit den individuellen Wünschen der AdA abgeglichen. Die Armee kann ihre Leistungen nur dann erfüllen, wenn es gelingt, die richtigen Personen am rech- ten Platz einzuteilen. Eine Leistung, die nur gemeinsam zu schaffen ist. Wir zählen auf Sie! ■ 1 Höhere Unteroffiziere, die in Stäben eingeteilt sind, gehören zum Teilprozess «Überführung höhere Milizkader». 2 Beispiel: Ab einer Verweildauer von vier Jahren zum Zeitpunkt der Überführung (01.01.2018) ist, sofern vorhanden, dem Nachfolger Priorität für die Besetzung einer OTF-Stelle einzuräumen. Die bisherigen Funktionsinhaber sind, wenn möglich, für die Besetzung von vakanten OTFStellen in höheren Stäben vorzusehen. Brigadier Germaine Seewer Chef Personelles der Armee und Teilprojektleiter Personelle Überführung Miliz WEA, 3003 Bern Beat Dalla Vecchia Chef Armeeorganisation und Bestandessteuerung / Stabschef Personelle Überführung Miliz WEA, 3003 Bern Abo-Bestellcoupon ASMZ Zum Monatsanfang in Ihrem Briefkasten Sicherheit Schweiz Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft o Jahresabo Fr. 78.– / Ausland Fr. 98.– o Probeabo (nur Schweiz) 3 Ausgaben Fr. 20.– Preise inkl. MwSt. Name/Vorname: Verlag Equi-Media AG Brunnenstrasse 7 Postfach 732 8604 Volketswil Telefon 044 908 45 65, Fax 044 908 45 40 [email protected], www.asmz.ch 32 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Strasse: PLZ/Ort: Datum/Unterschrift: SOG Vorstand Unbestrittene bodengestützte Luftverteidigung Die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) fordert mehr Informationen und Transparenz rund um die Sistierung des Projekts BODLUV 2020 sowie die laufenden Untersuchungen. Die Arbeiten im Projekt zwecks Erneuerung der bodengestützten Luftverteidigung müssen baldmöglichst wieder aufgenommen werden. Oberst i Gst Stefan Holenstein Präsident SOG Die Schweizer Armee muss sowohl den Schutz des Schweizer Luftraums als auch die Abwehr von Bedrohungen aus der Luft sicherstellen. Für die luftgestützte Luftverteidigung sind die F/A-18 Hornet und die zu ersetzenden F-5 Tiger im Einsatz. Bezüglich der bodengestützten Luftverteidigung verfügt die Luftwaffe heute in geringer Anzahl über die drei Waffensysteme mittlere FlabKanone (Kaliber 35mm) sowie Rapierund Stinger-Lenkwaffen. Diese drei Systeme kurzer Reichweite (TRIO) stehen am Ende ihrer Einsatz- und Lebensdauer. Sie können heutige Angriffswaffen nur sehr beschränkt abwehren. Bedarf unbestritten Das Projekt BODLUV 2020 hat zum Ziel, die Grundlagen für die künftige bodengestützte Luftverteidigung zu erarbeiten und das entsprechende Flab-System zu evaluieren. Die Projektierungs-, Erprobungs- und die Beschaffungsvorbereitungen waren in vollem Gange, als der Chef VBS, Bundesrat Guy Parmelin, am 22. März 2016 das Projekt überraschend sistierte. Eine stringente und nachvollziehbare Begründung für diese Sistierung ist bis heute ausgeblieben, was weiteren Nährboden für Gerüchte und Mutmassungen schafft. Mit der Sistierung setzte der Bundesrat eine Administrativuntersuchung in Gang, die den Beschaffungsprozess durchleuchten soll. Des Weiteren führt die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission eine Inspektion durch. Parallel dazu hat die Militärjustiz eine Strafuntersu- chung wegen den Indiskretionen eingeleitet. Per 29. April 2016 wurde zudem der Vertrag mit dem Generalunternehmer Thales, welcher den Beschaffungsprozess durchführen sollte, aufgelöst. Informationsmanko verstärkt Unsicherheit Die SOG bedauert dieses Informationsmanko und zeigt sich unzufrieden, dass sowohl über die Gründe der Sistierung als auch über das Thema bodengestützte Luftverteidigung generell bis zum Abschluss der Administrativuntersuchung «Eine Armee braucht eine leistungsfähige bodengestützte Luftverteidigung.» – voraussichtlich im September 2016 – der Mantel des Schweigens gelegt wird. Diese passive Informationsstrategie des VBS fördert die Unsicherheit in Offizierskreisen und ist wenig vertauensfördernd. Aus Sicht der SOG besteht deshalb dringender Informations- und Aufklärungsbedarf gegenüber den Offizieren und der Öffentlichkeit. Für die SOG ist es unbestritten, dass es einen Ersatz für das heutige, veraltete und in der Feuerkraft bereits stark reduzierte bodengestützte Luftverteidigungssystem braucht. Es ist ein Schlüsselsystem für den Objekt- und Raumschutz. Ist dieser Schutz vom Boden aus nicht gewährleistet, macht es wenig Sinn, neue Kampfflugzeuge, neue Artillerie oder leistungsfähigere Panzer zu beschaffen. Diese kämen ohne einen effektiven und effizienten Schutz durch die bodengestützte Luftverteidigung kaum oder gar nicht erst zum Einsatz. Fazit: Die Schweizer Armee braucht eine bodengestützte Luftverteidigung für kurze und mittlere bis grössere Einsatzdistanzen, die bei jedem Wetter sowie bei Tag und Nacht ihre Leistung im Verbund mit luftgestützten Mitteln und im Zusammenspiel mit den weiteren Sensoren und Effektoren der Armee voll entfalten kann. Rasche Wiederaufnahme des Beschaffungsprozesses Es gilt nun, den Blick konsequent nach vorne zu richten. Die Indiskretionen sind zu eruieren und hart zu sanktionieren. Auch dass die Beschaffungsprozesse in der Administrativuntersuchung gründlich unter die Lupe genommen werden, um in künftigen grossen Beschaffungen mögliche Fehler zu vermeiden, ist nachvollziehbar. Allerdings müssen diese Untersuchungen zügig durchgeführt werden. Wichtig ist, dass das Projekt BODLUV 2020 zum Ersatz der heutigen, veralteten bodengestützten Luftverteidigung unverzüglich und mit Nachdruck wieder aufgenommen wird. Dabei ist auch die Politik gefordert. Sie muss in absehbarer Zeit dafür einstehen, dass die Kreditreste, die im Rüstungsprogramm 2017 aufgrund der Projektverzögerung anfallen, zu einem späteren Zeitpunkt der bodengestützten Luftverteidigung wieder zugesprochen werden, allenfalls als Zusatzausgaben neben anderen wichtigen grossen Beschaffungsvorhaben der Armee. Schliesslich erwartet die SOG, dass das VBS und die Armee offene Fragen im Hinblick auf künftige, grosse Rüstungsvorhaben, wie z.B. neue Kampfflugzeuge, Artillerie oder Kampfpanzer, aktiver kommuniziert. Nur so kann die Notwendigkeit für diese Beschaffungsvorhaben verständlich gemacht und in der Bevölkerung nachhaltig verankert werden. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 33 Wirtschaft / Rüstung Wechselbad der Gefühle Die Firmen der Luftfahrt-, Sicherheits- und Wehrtechnik in der Schweiz nahmen im vergangenen Jahr mit Befriedigung von ein paar wichtigen Verbesserungen ihrer Rahmenbedingungen Kenntnis. Diese Lichtblicke befreien jedoch nicht von mehreren Sorgenfalten. Umstritten bleibt die Offsetpolitik bei Rüstungsbeschaffungen. Peter Müller, Redaktor ASMZ Die diesjährige Gruppenversammlung von SWISS ASD (The Aeronautics, Security and Defence Division of Swissmem) fand am 22. April 2016 im «Musée de l’Aviation Militaire de Payerne» statt. Bruno Giger, Präsident der Fachgruppe und CEO von Thales Suisse SA, konnte rund 60 Teilnehmende und Gäste begrüssen. Nach den statutarischen Geschäften standen die Offsetpolitik sowie die Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis der Schweiz (STIB) im Fokus. SWISS ASD • The Aeronautic, Security and Defence Division of Swissmem (= Fachgruppe Luftfahrt-, Sicherheits- und Wehr technik). • Swissmem führt gegenwärtig 27 verschiedene Fachgruppen, welche sektorspezifische Themen behandeln. • Beispiele: Erfahrungsaustausch, gemeinsame Marketing-Aktivitäten, Erarbeiten von Branchenkennzahlen, Statistiken. • Die Fachgruppe zählt gegenwärtig 56 Mitglieder-Firmen. Präsident ist Bruno Giger, CEO von Thales Suisse SA. Mehrere Lichtblicke… In seiner Berichterstattung strich Giger ein paar erfreuliche Lichtpunkte des vergangenen Jahres hervor: Namentlich dürften die beiden Rüstungsprogramme RP15 sowie RP15plus der Schweizer Sicherheitsund Wehrtechnikindustrie in den kommenden Jahren ein Auftragsvolumen von voraussichtlich über 1,3 Mia. CHF bescheren. Dieser Betrag setze sich aus direkten Investitionen in unserem Land sowie aus den indirekten Offsetgeschäften zusammen. Das RP 16 sehe «stolze» Investitionen von 1,34 Mia. CHF vor; davon dürften insgesamt 790 Mio. CHF wiederum der Schweizer Industrie zugutekom- men. Da der Anteil der direkten Inlandbeschaffungen relativ hoch sei und etliches Material nicht als Kriegsmaterial gelte (z.B. Lastwagen und Anhänger), sei der Offset-Umfang mit max. 150 Mio. CHF diesmal jedoch eher bescheiden. Erfreulich verlaufe auch die Weiterentwicklung der Armee, insbesondere was den nun beschlossenen Zahlungsrahmen von 20 Mia. CHF betreffe. Die positive Bilanz werde abgerundet durch die gute Zusammenarbeit mit dem grössten schweizerischen Auftraggeber der SWISS ASD, nämlich der armasuisse: Seit dem Amtsantritt des neuen Rüstungschefs vor einem Jahr Offsetgeschäfte • Unter «Offset», auch Industriebeteiligung genannt, versteht man alle Arten von Kompensations-/Gegengeschäften in Zusammenhang mit Rüstungsbeschaffungen im Ausland. Solche Gegengeschäfte sind international verbreitet. • Beschafft die Schweiz für eine bestimmte Summe Rüstungsgüter im Ausland, so muss der ausländische Hersteller (oder seine Partner) Verträge über den gleichen Betrag mit schweizerischen Firmen abschliessen. • Direkte Offsets sind Geschäfte, die direkt mit der betreffenden Rüstungsbeschaffung in Verbindung stehen (die 34 schweizerischen Firmen sind dann Zulieferanten zum beschafften Rüstungsgut). • Indirekte Offsets kommen vor allem dann zum Zuge, wenn eine direkte Beteiligung weder möglich noch sinnvoll ist. Sie beziehen sich folglich nicht direkt auf das zu beschaffende Rüstungsgut und sind in der Praxis häufiger. • Das Offset-Büro Bern koordiniert die Zusammenarbeit zwischen armasuisse und der Industrie. Es unterstützt die Firmen in der Erfüllung ihrer Offset-Verpflichtungen und prüft die Einhaltung der Verträge. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 verliefen die Kontakte wieder strukturierter, unkomplizierter und transparenter – trotz eines insgesamt nach wie vor schwierigen politischen Umfelds. Positiv gewürdigt werde schliesslich die Offsetpolitik, namentlich das erfolgreiche Setup des Offsetbüros Bern nach den Holprigkeiten im Umfeld der Gripen-Beschaffung. … aber auch Schattenseiten Mit der Aussage «die Allwettertauglichkeit des gegenwärtigen positiven Momentums ist nicht garantiert» leitete Giger zu ein paar Sorgenfalten über: Die Armee brauche eine breite politische Abstützung. Befremdlich sei, dass zu deren Zukunft nun ausgerechnet ein Kampf unter Armeebefürwortern stattfinde, Indiskretionen erfolgten und irreführende oder gar falsche Meldungen in den Medien erschienen. Er vermisse diesbezüglich die nötigen Klarstellungen des VBS. Sorgen bereite ihm weiter der Umgang mit künftigen Sparpaketen des Bundes (Tatbeweis von Bundesrat und Parlament zum Wert der Sicherheit) und das harzige Bewilligungsprozedere von Rüstungsmaterialexporten durch den Bundesrat (massgeblich geprägt durch das EDA). Nach der Sistierung des Projekts BODLUV sei fraglich, ob genügend beschaffungsreife Vorhaben vorhanden seien, um die Ausschöpfung der mühsam erkämpften Finanzmittel sicherzustellen. Der Frankenschock sei nach wie vor nicht verdaut. Schliesslich sei irritierend, dass im neuen Sicherheitspolitischen Bericht die ASD-Industrie nicht mehr erwähnt werde; dies gelte es zu korrigieren. Voraussetzungen für Offsetgeschäfte Im ersten Gastreferat rief Per Magnus Larsson, Offsetverantwortlicher bei armasuisse, ein paar wesentliche Rahmenbedingungen bei Offsetgeschäften in Erinnerung: Offsetverpflichtungen eines ausländischen Lieferanten verschaffen dem einzelnen Schweizer Unternehmen keinen Wirtschaft / Rüstung Umstrittene Offsetpolitik • 2007 unterzog die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Kompensationsgeschäfte bei Rüstungsbeschaffungen einer Prüfung. Sie bemängelte das Fehlen einer klaren Strategie und das ungenügende Umsetzen der Gegengeschäfte. • Die EFK formulierte acht Empfehlungen, unter anderem die Optimierung des Controllings und des Offsetmeldeformulars, das Einführen von Schwellenwerten, das Einholen von Offerten mit und ohne Gegengeschäfte sowie die Klärung der Nachhaltigkeit. • Gestützt auf die Empfehlungen der EFK verabschiedete der Bundesrat 2010 eine überarbeitete Rüstungspolitik und eine Industriebeteiligungsstrategie. Gleichzeitig gründete armasuisse zusammen mit Swissmem und GRPM das Offsetbüro Bern. • 2015 nahm die EFK eine erneute Überprüfung der Kompensationsgeschäfte vor. Sie stellte mit Befriedigung verschiedene Verbesserungen fest. Gleichzeitig wies sie auf Mängel in der Umsetzung hin und formulierte sieben neue Empfehlungen. Anspruch auf einen Auftrag. Die internationale Konkurrenzfähigkeit eines Schweizer Angebots ist zwingende Voraussetzung. Über Offsetgeschäfte lassen sich weder Sozial- noch Strukturerhaltungspolitik betreiben. Wichtig ist ebenso, dass der ausländische Offsetverpflichtete zusätzliche bzw. nachhaltige Geschäfte generiert. Das «Die Allwettertauglichkeit des gegenwärtigen positiven Momentums ist nicht garantiert.» Bruno Giger, Präsident SWISS ASD zweitgenannte Kriterium kann beispielsweise über Technologietransfer erfüllt werden. armasuisse prüft in jedem Fall den anerkennbaren Wert der Offsetgeschäfte. Sogenannte «Abatements», das heisst die ganze oder teilweise Verrechnung von gegenseitigen Offsetverpflichtungen zwischen zwei Ländern, könnten nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. Heinz König, Leiter des Offsetbüros Bern, zog nach der knapp einjährigen Neuorientierung eine positive Zwischenbilanz: Nach den Lehren aus den Offsetverhandlungen beim Gripen-Geschäft be- • Sie äusserte sich in ihrem Bericht namentlich zu umstrittenen Punkten wie: Einsatz von Multiplikatoren, Offsetverrechnungen zwischen zwei Staaten (Abatements), Anerkennung von Geschäften vor Vertragsbeginn (Banking), Schwellenwerte. • Im internationalen Umfeld sind Offsetgeschäfte umstritten. Eine EU-Richtlinie von 2009 sieht Kompensationsgeschäft nur noch in engen Ausnahmefällen vor. Auch die Deutsche Regierung setzt sich für eine Abschaffung der Offsetgeschäfte ein. • Kritisiert wird an Offsetgeschäften namentlich, sie seien ordnungs- und wirtschaftspolitisch inakzeptabel, weil sie den Wettbewerb verzerrten, die Beschaffung verteuerten, den Protektionismus förderten und den Dirigismus unterstützten. • Ziel müsse eine weltweite Abschaffung von Offsetverpflichtungen bei Rüstungsgeschäften sein (Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie BDSV). steht eine neue Organisationsstruktur sowie eine neue Vereinbarung zwischen armasuisse und der Industrie, letztere vertreten durch Swissmem und GRPM. Die Finanzierung des Offsetbüros erfolgt weiterhin über das sogenannte Offsetpromille, welches durch die begünstigten Firmen zu entrichten ist. Gewisse Sorgen bereitet jedoch die Zukunft der Offsetgeschäfte: Wegen der vergleichsweise tiefen Rüstungsprogramme der vergangenen Jahre, des hohen Anteils an DualUse-Gütern und direkten Beschaffungen in der Schweiz befindet sich das (offene) Offsetvolumen auf einem historisch tiefen Stand. Damit ist auch die Liquidität des Offsetbüros tangiert. Eine langjährige Pendenz vor dem Abschluss? Prisca Eichenberger, die Leiterin des Fachbereichs Unternehmensprozesse bei W+T von armasuisse, rief einleitend in Erinnerung, dass das Thema «Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB)» der Schweiz wohl in einigen Dokumenten des Bundesrates verankert ist (z.B. Rüstungspolitik, Industriebeteiligungsstrategie). Sie ist jedoch im neuen Sicherheitspolitischen Bericht nicht mehr erwähnt und es fehlt die explizite Umsetzung in der Rüstungsbeschaffung. Dort geht es primär um Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb, nicht jedoch um Sicherheitsrelevanz. Strukturpolitische und beschaffungsrechtliche Massnahmen zur Sicherstellung der nationalen Sicherheit müssen sauber begründet werden (können). Dazu fehlen momentan noch die Grundlagen. armasuisse ist seit rund sieben Jahren bemüht, das entsprechende Dokument zu erarbeiten. Im abgelaufenen Jahr ist man wichtige Schritte weitergekommen: Zusammen mit der Armeespitze wurden die sicherheitsrelevanten Bedürfnisse der Armee definiert. Diese wurden anschliessend gemäss internationaler Technologienomenklatur in einzelne Technologien «übersetzt» und priorisiert. Der Bericht schlägt 25 zwingende (Priorität 1) und rund 90 wichtige (Priorität 2) Technologien/Anwendungen vor. Er befindet sich gegenwärtig armasuisse-intern in der Vernehmlassung. Anschliessend erfolgt die Bereinigung mit dem Bereich Verteidigung und dem Generalsekretariat VBS. Der Abschlussbericht mit konkreten Anträgen sollte Ende September 2016 vorliegen. Die Überarbeitung und Aktualisierung der bestehenden STIB-Datenbank soll 2017 erfolgen. Sicherheitsrelevanz im Fokus Zur späteren praktischen Umsetzung bestehen aber noch zahlreiche offene Fragen. Einerseits geht es um den politischen Stellenwert: Stehen beispielsweise der Bundesrat und die Industrie dahinter? Welche Förderinstrumente stehen zur Verfügung? Ist eine Fülle von über 100 hohen bis zwingenden Prioritäten überhaupt handhabund kommunizierbar? Themen wie Innovationsförderung oder bevorzugte Beschaffung im Inland sind noch ungeklärt. Die zur Verfügung stehenden Gelder zur Innovationsförderung dürften nach Auskunft des Rüstungschefs bescheiden ausfallen. Die Relevanz von STIB jedoch wird gross sein. Heinz Wegmüller, General Manager Air Defence bei RUAG, brachte als Stimme aus der Praxis einen wichtigen Aspekt treffend auf den Punkt: Anstelle von Diskussionen um direkte oder indirekte Offsetgeschäfte müsse künftig die STIBRelevanz im Zentrum der Verhandlungen mit ausländischen Lieferanten stehen. Anzustreben seien im Interesse einer robusten STIB «hochwertige» Aufträge, welche sich weniger auf die Beschaffung selbst als vielmehr auf den späteren Lebensweg des betreffenden Rüstungsgutes fokussierten. Hoffentlich wird die Botschaft gehört. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 35 Luftwaffe Der Gotthard zwischen Payerne und Alpnach Eine intensive Planungs- und Trainingszeit ging dem Einsatz «GOTTARDO 2016» voraus. Aus der Ferne betrachtet, scheint der Einsatz ein ganz gewöhnlicher zu sein. Doch die geografische Trennung und gleichzeitige Nähe der Haupteinsatzgebiete Nord/Süd machten «GOTTARDO 2016» für den Lufttransport und den Luftpolizeidienst zu einem speziellen Einsatz. Christian Trottmann Irgendwo tief im Berg in der Zentralschweiz. Hier bereitet sich der Lufttransportverband LT 2 auf einen komplexen Einsatz vor. Es ist der 31. Mai 2016, der letzte Trainingstag vor «GOTTARDO 2016». Im Operation Center (OC) werden durch die WK-Soldaten sämtliche Helikopter-Missionen in zwei Gruppen geplant. Dies nach dem Grundsatz: Wer heute plant, führt morgen den Einsatz. Dieser Prozess garantiert maximale Missionskenntnis und minimalen Informationsverlust. So koordinieren die knapp zehn Planer im Planungs- und Führungsrhythmus direkt mit den unterschiedlichsten Kunden und erhalten nach Missionsende gleich ein Feedback zur geleisteten Arbeit. Diese Vielseitigkeit macht den Betrieb sehr dynamisch», meint Major Oliver Bachmann, verantwortlicher Chef Einsatz. F/A-18 in Payerne: Bereit für Mission «GOTTARDO 2016». Bilder: VBS Leistungen für Polizei und zivile Partner In diesem Wiederholungskurs sind nicht nur die Bedürfnisse des Bundessicherheitsdienstes für VIP-Transporte und der Kantonspolizeien für Überwachung und Transport von Interventionskräften zu erfüllen, sondern noch weitere Begehren anderer militärischer und ziviler Begünstigter. Truppentransporte oder Flüge zur Unterstützung des Grenzwachtkorps (GWK) beispielsweise. «Wir verfügen im Operation Center über sehr viel mehr Kompetenzen als bei anderen Einsätzen. 36 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Training in Alpnach: Rund 20 Helikopter stehen fast pausenlos im Einsatz. Starke Miliz-Leistung Sämtliche wichtigen Details wie Anflugkarten, Landeplätze und Koordinaten, Ansprechpersonen sowie Auf- bzw. Abladeort werden im Mission-Dossier zuhanden der Piloten zusammengefasst. Was normalerweise die Crew-Mitglie- Luftwaffe der selbständig erledigen, bereiten im Rahmen von «GOTTARDO 2016» die Miliz-Armeeangehörigen für die Milizund Berufspiloten auf. Die gesammelten Informationen zur Mission ermöglichen ein hochwertiges und detailliertes Flugbriefing und anschliessendes Debriefing. Die Besonderheiten dieses Einsatzes, welcher lediglich einen kurzen Höhepunkt des diesjährigen Wiederholungskurses bildet, sind vielfältig. Dieselben Luft- und auch Bodenmittel, die üblicherweise am Jahrestreffen des WEF in Davos zum Einsatz kommen, wurden auch für «GOTTARDO 2016» aufgeboten. Im Gegensatz zu Davos gilt es hier, gleich zwei eingeschränkte Lufträume nördlich und südlich der Alpen gleichermassen mit Sensoren und Effektoren abzudecken. Rund 600 Soldaten des Lufttransportverbandes 2 unterstützen vor und hinter den Kulissen den sicheren Ablauf dieses international beachteten Staatsakts. «Die geografische Trennung Nord/Süd und die damit verbundenen meteorologischen Einschränkungen aufgrund des Gotthardmassivs zwingen die Helikopter-Operationen, mit noch grösserer Reserve als üblich zu planen. So wurde beispielsweise wegen einer angekündigten Schlechtwetterfront bereits Perfektes Zusammenspiel: WK-Soldaten nehmen den Super Puma in Empfang. Herausforderung Nord/Süd einige Tage im Voraus entschieden, fünf Helikopter mitsamt Crew, Soldaten und Logistik koordiniert mit den letzten Ausbildungen und Refreshern von Alpnach und Dübendorf in den Süden zu verlegen», so der Kommandant des LT Geschwaders 2, Oberstlt i Gst Jeremy Faux. Südseite Gotthard: Auch PC-7-Maschinen patrouillieren für den Luftpolizeidienst. Eine solch kurzfristige Verschiebung ist ohne Gesamtkoordination und Mitteleinsatz des Operation Centers der Abteilung, kurz AbtOC, nicht möglich. Hauptmann Renato Turner, 30-jähriger Polymechaniker, ist mit seinem zwölfköpfigen Team verantwortlich für die Koordination aller logistischen Belange rund um den Flugbetrieb am Boden. Er ist es, der Zisternen zum Tagesstandort bringen lässt, sich in Absprache mit dem Quartiermeister um die Verpflegung kümmert und innert kürzester Zeit Scheinwerfer für allfällige Nachtarbeit bereitstellt. «Dies alles ist bei ‹GOTTARDO 2016› mit verschiedensten Standorten nicht immer einfach. Auch der Verkehr auf der NordSüdachse kann einem – je nach Dringlichkeit des Auftrags – das Leben erschweren», merkt Turner an. Aber letztlich sei dieser Einsatz am Gotthard für ihn und seine Leute nicht viel anders als der Betrieb eines ganz normalen Tagesstandorts – allerdings mit dem nicht zu unterschätzenden Unterschied, alles zwei Mal exakt gleich im Norden und Süden zu betreiben. Vorbereitung für den Luftpolizeidienst Während am Mittwochmorgen, 1. Juni, in Alpnach das Briefing für die Helikopterpiloten abgehalten wird, laufen auf dem Militärflugplatz Payerne die letzten Vorbereitungen für den Einsatz der Kampfjets im Luftpolizeidienst. Es ist 09 Uhr 24 Minuten und 57 Sekunden. Im JetBereich entscheiden Sekunden. Beginn des Briefings der beiden F/A-18-Piloten «Schampus» und «Nemo» für deren Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 37 Luftwaffe Unterwegs zur Flieger-Box: «Schampus» (links) und «Nemo» (rechts) kurz vor Einsatz. Eingespieltes Team: Die Jet-Mechaniker an den letzten Checks. Combat Air Patrol (CAP) im Rahmen von «GOTTARDO 2016». Mission-Leader «Schampus» führt durch das komplexe Briefing. «Wir wollen insbesondere das Recognized Air Picture (RAP) möglichst gut unterstützen, legen Wert auf gute interne Kommunikation. Waffen sind scharf – wichtig: sauber manipulieren», geht «Schampus», der über die Erfahrung von rund 1400 militärischen Flugstunden verfügt, in kurzer, präziser Sprache das Briefing Punkt für Punkt durch. Toleranz für Missverständnisse gibt es keine. Auf der Mission muss jedes kleinste Detail klar sein. Sämtliche Aktionen und Reaktionen passieren ausschliesslich auf Befehl bzw. in Absprache mit dem Chief Air Defense (CAD), stationiert in der Einsatzzentrale Luftverteidigung (EZ LUV) in Dübendorf. militärische Taktik, da sich auf der jeweiligen Höhe Kondensstreifen bilden und damit das Kampfflugzeug sichtbar wird. Aber nicht etwa nur die meteorologischen Bedingungen in grösster Höhe, sondern auch die unteren Luftschichten interessieren die zwei Piloten. Falls es nämlich zu einer durch den CAD befohlenen Intervention käme, müssten die Jets auch in tiefen Lagen navigieren. Unterschieden wird zwischen drei Elementen beziehungsweise Eskalationsstufen – Überwachung, Identifikation und Intervention. Während bei einer Identifikation ein sich in der gesperrten Zone befindendes Luftfahrzeug visuell von den Piloten der Schweizer Luftwaffe identifiziert oder fotografiert wird, kann eine Intervention für fehlbare Flugzeuge weitreichendere Folgen haben. Sämtliche Szenarien werden im Briefing besprochen. «Schampus» ist für diese Mission der primär definierte Eyeball. Das heisst, er wäre das vordere Flugzeug, welches in einer ersten Phase im Abstand der international definierten 300 Meter den potenziellen Eindringling identifizieren würde. «Nemo» hinter ihm in Warteposition zur zusätzlichen Sicherung, allfälliger Relais-Funktion oder zur GeländeÜberwachung zu Gunsten des Leaders. Zwischen Alpha 9 und Patrouille Suisse Sämtliche für diesen Einsatz bestimmten F/A-18-Maschinen sind mit maximaler Anzahl Leuchtkörper (Chaff und Flare) geladen. Über deren Einsatz sowie Flü- Ready to scramble: Die beiden Militärberufspiloten warten im Cockpit auf den Einsatzbefehl. Identifikation mit Eyeball Rückblick: Der Morgen des Staatsakts, der 1. Juni, der Tag, an welchem der 57 Kilometer lange Gotthardbasis-Tunnel eröffnet wird. Die zwei F/A-18-Piloten prüfen die Meteo-Bedingungen und Wetterprognosen für die definierten Ausweichflugplätze Sion, Meiringen und Emmen. Zudem sind Wind, Niederschlag, allenfalls Gewitterzellen und damit verbundene Risiken in sämtlichen Höhen des Einsatzraumes relevant. Mittels Temperaturmessungen lassen sich wichtige Rückschlüsse auf Höhen und Wolken ziehen. So hat beispielsweise die Tropopause, die 0-Grad-Grenze, einen Einfluss auf die 38 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Luftwaffe Hochkonzentriert: «Nemo» installiert sich für den Bereitschaftsgrad 4. ge im Überschallbereich entscheidet der CAD. In den Boxen warten zwei Hornets auf ihren Einsatz im Rahmen von «GOTTARDO 2016». Insgesamt 16 Mal starten an diesem 1. Juni ab Payerne die Jets zum CAP westlich der Nord-Süd-Luftstrasse Alpha 9. «Die Tatsache, dass wir unseren Warteraum relativ nahe der bedeutenden zivilen Luftachse haben, macht das Setting zusätzlich speziell. Gleichzeitig befinden sich noch die sechs Tiger der Patrouille Suisse und das PC-7-TEAM im Einsatzraum – dieser Verkehr erfordert höchste Aufmerksamkeit», sagt «Schampus». Dank des Radars kennen die beiden Piloten stets die aktuellen Positionen aller relevanten Luftfahrzeuge. Scramble mit Nachbrenner Nun kann die Mission beginnen. Ein letztes Update zu Lage und Wetter erhalten die Piloten im so genannten Step Brief. Hier werden sie in einen höheren Bereitschaftsgrad versetzt. Noch kurz die Ausrüstung in der Garderobe fassen und los geht’s zur Flieger-Box. Interview mit Divisionär Bernhard Müller, Chef Einsatz Luftwaffe Welches sind die wichtigsten Merkmale des Einsatzes «GOTTARDO 2016»? Bei diesem Einsatz handelt es sich um einen High Visibility Event mit Teilnahme mehrerer staatsrechtlich geschützter Personen aus dem Ausland an zwei in unterschiedlichen Geländekammern liegenden Veranstaltungsorten. Um den notwendigen Schutz zu gewährleisten, jedoch die Einschränkungen für die zivile Luftfahrt möglichst gering zu halten, richteten wir zwei unabhängige Flugverbots- respektive Flugbeschränkungsgebiete ein, die je einzeln bewirtschaftet werden konnten. Die Luftraumüberwachung wurde mit verschiedenen Systemen verdichtet. Wegen der schwierigen Wetterlage mussten die Luftfahrzeuge zeitgerecht vorpositioniert werden. Dies erforderte mehr Mittel für eine kurze Einsatzzeit, verglichen mit einer Konferenzschutzoperation wie das WEF in Davos oder eine politische Veranstaltung in Basel oder Montreux. Welche Besonderheit hat der TAFLIRStandort im Süden? Das TAFLIR stand seit seiner Einführung bisher lediglich einmal im Tessin im Einsatz, wurde seither jedoch nur noch nördlich der Alpen eingesetzt. Wir hatten somit die einmalige Gelegenheit, etwas «Neues» zu planen und umzusetzen, das nicht schon mehrfach erprobt war. Inwiefern haben die engen Raum- und Zeitverhältnisse Auswirkungen auf den Einsatz «GOTTARDO 2016»? Um die luftpolizeilichen Massnahmen korrekt umsetzen zu können, braucht es genügend Raum und damit Reaktionszeit. Je geringer die Ausdehnung, desto wichtiger ist ein umfassendes Lagebild und umso grösser muss der Mittelansatz im Einsatzraum sein. Da der Einsatz nur acht Stunden dauerte, konnte dies ohne Probleme realisiert werden. Startklar: Mit nur wenigen Sekunden Abstand starten die beiden Jets in Richtung CAP. Im Aufenthaltsraum nahe der Flugzeuge warten «Schampus» und «Nemo» zusammen mit vier weiteren Jet-Piloten auf die Direktiven des federführenden CAD in Dübendorf. Das Telefon klingelt. Rasch und konzentriert marschieren die Piloten zu den bereitgestellten Flugzeugen. Nun machen sich die beiden bereit, nehmen im Cockpit Platz und testen unter Aufsicht der verantwortlichen Mechaniker sämtliche Systeme und Konfigurationen. Von nun an bleiben die Kampfpiloten sitzen und warten auf den Scramble, den Einsatzbefehl. Die Systeme werden ab dieser Phase nicht mehr runtergefahren. Innert nur drei Minuten nach Alarm sind die Flieger in der Luft. Nach rund 25 Minuten Wartezeit im Flugzeug schickt der CAD die Piloten schliesslich kurz nach halb zwölf Uhr vormittags auf den rund einstündigen Combat Air Patrol zum Schutz des Schweizer Luftraums und zur Sicherheit der Feierlichkeiten «GOTTARDO 2016». Mit Nachbrenner und Vollschub donnern die zwei Hornets in den Himmel. ■ Oberstlt Christian Trottmann C Komm Stab Kdo Ei LW ARGUS der Presse AG 8180 Bülach Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 39 Luftwaffe «SIE sind die Luftwaffe» Solos sind möglich, aber sie müssen sich in die Harmonie des Ganzen einbringen. Dieses Bild einer modernen und in sich harmonischen Luftwaffe wurde während des ganzen Info-Rapportes der Luftwaffe vom 12. Mai 2016 durch Beiträge des Jodler Sextetts TV alte Sektion Zürich – die älteste Jodler Formation der Schweiz – sympathisch unterstrichen. Andreas Bölsterli, Chefredaktor Der Kommandant der Luftwaffe (LW), Korpskommandant Aldo C. Schellenberg, richtete seinen Rapport ganz auf die Zukunft aus, also die Rolle der Luftwaffe im Rahmen der Weiterentwicklung der Armee (WEA). Dies, nachdem die letzten Info-Rapporte der Geschichte (100 Jahre LW, 2014) und der Gegenwart (Übung STABANTE, 2015) gewidmet waren. Der Kommandant (Kdt) gliederte seinen Rapport in zwei Hauptblöcke, einerseits in die Würdigung der Leistungen des letzten Jahres und die Umsetzung der WEA in der Luftwaffe und andererseits mit der Präsentation der Lage durch den Chef des Militärischen Nachrichtendienstes (C MND) und den davon abgeleiteten Folgerungen für Doktrin und Einsatz der LW. Diese Inhalte werden in der ASMZ zu einem späteren Zeitpunkt ein besonderes Thema sein. Angereichert wurden diese Informationen durch Grussbotschaften von Regierungsrat Paul Winiker (Luzern) und Nationalrätin Corina Eichenberger sowie durch eine Sequenz mit dem Kdt der LW auf dem «heissen Stuhl». Fach Of Mike Müller als Moderator stellte dem Kdt LW «heisse» und persönliche Fragen – hier ein kleiner Auszug: Wie geht es ihnen? Eigentlich gut, es ist aber nicht ganz einfach, wenn ein Projekt, das man als Chef der Projektaufsicht verantwortet, sistiert wird. Schwierig wird es aber dann, wenn die Angriffe in den Medien persönlich werden und sogar die Familie betreffen. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Medien, sind das die neuen Feindbilder? Medien haben die Rolle des kritischen Bürgers, sie sind ernst zu nehmen. Aber es muss ein Anspruch auf Fairness bestehen, Berichte sollten objektiv und faktenbasiert sein – kein Thesenjournalismus. 40 Standortbestimmung Der Bereich Einsatz LW ist weiter auf dem Weg den 24 h Luftpolizeidienst einzuführen. Die Arbeiten schreiten gut voran und beweisen, dass LW und Armee ein komplexes Projekt gut steuern und handhaben können. Eine besondere Mission war der unter absoluter Geheimhaltung abgelaufene Gefangenenaustausch «Die Luftwaffe ist täglich im Einsatz zugunsten der Sicherheit des Landes», so begann der Kdt den Rückblick, «Milizorganisation und Berufsorganisation arbeiten dabei Hand in Hand und haben im letzten Jahr grossartige Leistungen erbracht. Lehren aus der Übung STABANTE KKdt Schellenberg und Fach Of Mike Müller im Gespräch. wurden und werden umgesetzt, wir optimieren unsere Fähigkeiten laufend.» Im Einzelnen hat der LW Stab das «daily business» und die strategische Planung und Entwicklung parallel betrieben und die Prozesse zwischen Profiund Milizorganisation vereinheitlicht. Im Rahmen des vergangenen WEF hat der Stab erstmals das eigene Lageverfolgungszentrum betrieben und mit dieser Leistung eine hohe Aussenwirkung erreicht. Ist die Sistierung von BODLUV gewissermassen ein «Gripen-reloaded»? Die Luftwaffe ist eine fantastische Organisation mit unterschiedlichen Leuten und Meinungen. Wenn man Entscheide nicht mittragen kann, ist es der falsche Weg, direkt zu den Medien zu gehen, es gibt auch interne Wege und Stellen, an die man sich zuerst wenden kann. Wer macht das? Ich nehme an, es ging nicht darum, der Armee zu schaden, vielleicht ist auch eine gewisse Naivität nicht auszuschliessen. Fakt ist, wenn man die Information nicht intern halten kann, verliert man die Hoheit darüber und wird zum Spielball der Medien. Noch einmal, ich gehe nicht von bösem Willen, sondern eher von Naivität aus. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 zwischen dem Iran und den USA – ein eindrücklicher Beitrag an die globale Sicherheit wurde hier erbracht. Das Fliegerärztliche Institut (FAI) ist zwar klein, aber erbringt feine Leistungen, von denen auch die zivile Medizin profitieren kann. Der Lehrverband Führungsunterstützung 30 (LVb FU 30) hat im Bereich von Verbandsausbildung und -führung zusammen mit Verbänden des Heeres eine tolle Qualitätssteigerung erreichen können. Dadurch wird die FU-Doktrin in realistischen Bildern vorgestellt und erklärt. Erstmals hat der Lehrverband Fliegerabwehr 33 (LVb Flab 33) auf dem Füh- «Die Luftwaffe ist täglich im Einsatz – zugunsten der Sicherheit unseres Landes.» rungssimulator in Kriens den Systemverbund auch mit Formationen des Heeres im Rahmen der Übung CHATRANG (Bericht in der ASMZ 04/2016) simuliert. Kdt Luftwaffe, KKdt Aldo C. Schellenberg. Dieses realitätsnahe Training auf dem Simulator wird in einem Drei-Jahres-Rhythmus weiter geführt (Planung – Simulation – Volltruppenübung). Der Lehrverband Flieger 31 (LVb Fl 31) hat seine (aller)letzte Tiger-RS durchgeführt. Überschattet wurde der Fliegereinsatz durch den Verlust eines FA-18 im grenznahen Gebiet in Frankreich. Auch wenn dieser Unglücksfall wirklich keinen Höhepunkt darstellte, sind doch zwei Punkte eindrücklich und erwähnenswert: Der Pilot ist gesund, fliegt heute wieder und die Zusammenarbeit aller BeEinmarsch der Feldzeichen. Bild: Autor troffenen Stellen im In- und Ausland bei der Bewältigung der Folgen dieses Absturzes war schlicht grossartig. Die LW will die WEA erfolgreich umsetzen Dies ist das erklärte Ziel KKdt Schellenbergs. Zum Einstieg in die WEA-Thematik sprach der Kdt LW Klartext und hob vier Punkte besonders hervor: • Die Armee wird ab 2018 mit Beginn der WEA auf einen Sollbestand von 100000 AdA konzipiert. Damit dieser Bestand auch erreicht wird, werden effektiv 140000 AdA eingeteilt (Effektivbestand). Aktuell hat die Armee einen Bestand von 129000 aktiven AdA und 29000 AdA Reserve – von einer Halbierung der Armee kann keine Rede sein, man darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen; • Der in langwierigen politischen Diskussionen erreichte Finanzrahmen von 20 Mrd. ist mit der Gesetzesrevision verknüpft. Wenn das Referendum gegen diese Revision Erfolg haben sollte, fällt dieser Finanzrahmen weg, die Diskussionen beginnen von Neuem auf «Feld 1»; • Die nun beschlossenen sechs WK à drei Wochen ermöglichen es der Milizarmee, auch komplexe Systeme ausbilden und betreiben zu können; • Und schliesslich ist die beschlossene Ausbildungsgutschrift für junge Kader, die sich militärisch weiterbilden lassen, eine tolle Sache. Ein Leutnant erhält nach seiner Ausbildung bis 13500 Franken auf ein Konto gutgeschrieben, das er für seine Aus- und Weiterbildung gezielt einsetzen kann. Schellenberg trat aber auch auf Ängste und Sorgen seiner Kader ein, indem er sich zur Kopfstruktur äusserte. Viele LW-An- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 41 Luftwaffe gehörige meinen, dass die LW als Teil des zukünftigen Kommando Operationen marginalisiert werde und machen sich deshalb Sorgen um die effiziente Erfüllung der Armeeaufgaben in der 3. Dimension. Er, KKdt Schellenberg, verstehe diese Ängste, aber es gehe letztlich um Prozesse, Fähigkeiten und Kompetenzen, die erbracht werden müssen. Gerade in diesem Bereich werde sich nichts ändern, die originären und die delegierten Aufgaben nimmt die Luftwaffe wie bis anhin wahr und der Kdt LW werde seine relevanten Beiträge auf allen Stufen (strategisch – op) wie bis anhin einbringen. Der Kdt LW wird in allen Einsätzen als Kdt Einsatzverband Luft (EVL) seine Mittel führen. Auch wenn das im Organigramm beängstigend aussehen mag, «ich stehe dahinter, die LW hat die selbe Bedeutung wie heute» meinte Schellenberg. Umsetzung WEA und Steuerung von Projekten Die LW steht vor einer anspruchsvollen Umsetzungsphase im Hinblick auf die WEA mit Beginn ab 2018. Dies betrifft sowohl die Strukturen wie auch grosse Beschaffungsprojekte. So werden die Kompetenzen des LWStabes neu gegliedert und aufgeteilt. Es wird eine Übergangsphase 2018 – 2020 nötig sein, um den Anpassungen RechNationalrätin Corina Eichenberger-Walther, Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (SiK-N) kommt auf Schlagzeilen zum Thema Sicherheit und Armee zu sprechen. Auch wenn diese nicht immer positiv ausfallen, stellt sie fest, dass in den letzten zwei Jahren die Grundwerte Sicherheit und Freiheit einen neuen Stellenwert erhalten haben. Das Bewusstsein steigt, dass die Sicherheit nicht einfach eine Selbstverständlichkeit ist. Der Krieg ist nah, Terroranschläge mit vielen Opfern passieren in Nachbarländern und vertrauliche Daten werden von Hackern gestohlen. Eichenberger erwähnt die WEA als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Wichtig dabei ist eine gute und moderne Ausrüstung, die eine Reduktion der Truppen mindestens teilweise kompensieren soll. Dass die Luftwaffe eine (Zitat zu Kopfstruktur) «grosse Kröte zu schlucken habe, die von der Politik entschieden wurde» ist der Referentin durchaus bewusst. Wird aber die WEA abgelehnt, haben wir einen 42 F/A-18 über den Alpen. Bilder: VBS nung tragen zu können (zum Beispiel Neuerungen im Bereich LVb Flab 33). Die Zielstruktur der LWab 2021 wird weitere Anpassungen mit sich bringen. Diese Veränderungen sprengen den Rahmen dieser Berichterstattung und darum wird die ASMZ den neuen Strukturen der LW zu einem späteren Zeitpunkt einen besonderen Bericht widmen. Im Hinblick auf die Zielstruktur 2021 sind aber auch Vorausmassnahmen nötig. Dazu gehören auch Anpassungen und Transfers beim Personal der LW. Im Moment laufen die Planungen und Vorbereitungen, und wenn alle – auch die politischen Voraussetzungen – erfüllt sind, werden allfällig betroffene Mitarbeiter durch ihre Kdt direkt und persönlich informiert. Dieser Umbau soll sozialverträglich und schlechteren Zustand als heute. Die SiKPräsidentin fährt mit klaren Worten fort (Zitat): «Nochmals zurück zur modernen Ausrüstung; ... vor allem heisst es auch einen guten Schutz von oben in der Luft. Durch BODLUV und Kampfflugzeuge! Damit spreche ich Sie alle direkt an. Wir bürgerlichen Sicherheitspolitiker wollen und wünschen uns, dass bald, … innert der nächsten Jahre, neue Kampfflugzeuge unseren Luftraum schützen … Ich bin aber etwas Gripengeschädigt und appelliere an Sie, sich in der zugedachten Phase einzubringen, aber dann, wenn der Entscheid, auch der Typenentscheid einmal gefällt ist, diesen zu akzeptieren und in geschlossenen Reihen für die Beschaffung zu kämpfen … Nochmals, ziehen Sie am gleichen Strick für unsere Armee und unser Land! Schüsse aus dem Hinterhalt und von der Seite erträgt die heutige Situation nicht. Die Armee als Gesamtsystem braucht die Unterstützung der Bevölkerung und deshalb muss sie glaubwürdig handeln können.» Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 möglichst ohne Entlassungen vollzogen werden. Der Kdt der LW will diese Arbeiten verantwortungsbewusst, offen, ehrlich und transparent angehen. Das Projekt BODLUV wurde durch den Entscheid des Departementschefs sistiert. Aus diesem Grund und auch aufgrund der laufenden Strafuntersuchung «Wir müssen die Formation geschlossen halten.» machte Schellenberg keine weiteren Aussagen zu diesem Thema. Der Beschaffungsprozess für ein neues Kampfflugzeug wurde mit der Bestellung von zwei Gruppen gestartet. Einerseits eine Expertengruppe und andererseits eine politische Begleitgruppe, die alle Fragen auch zuhanden der Expertengruppe aufwirft und den Prozess begleitet. Mit diesen Vorgehen und nach Vorliegen einer Gesamtsicht der 3. Dimension werden die nächsten Schritte eingeleitet. Der weitere Flugverlauf Der Kdt zieht sein Fazit angelehnt an das Bild eines FA-18 über den Alpen mit eindringlichen Worten: «Die LW geht die WEA aktiv an, die Rahmenbedingungen sind nicht immer einfach, aber wir sind im Steigflug – wenn auch noch in relativer Bodennähe. Der Flugweg ist rechts und links mit Vorgaben beschränkt, aber es hat weniger Wolken als auch schon. Wir müssen die Formation geschlossen halten. Es kann nicht sein, dass man sich an Dritte wendet, wenn einem etwas nicht passt – das ist schädlich für das ganze System. Wir müssen die Reihen schliessen – ich appelliere an ihre Ehre und Professionalität, geschätzte Kader der Luftwaffe». ■ SOG Herzlich willkommen! Zwischen März 2015 und Juni 2016 wurden die untenstehenden Angehörigen der Armee zu Leutnants brevetiert. Präsident und Vorstand der Schweizerischen Offiziersgesellschaft sowie Redaktion und Verlag der ASMZ gratulieren ganz herzlich und wünschen diesen Offizieren viel Erfolg und Befriedigung in ihrer Offizierslaufbahn. Wir freuen uns natürlich ganz besonders darauf, dass viele von ihnen Mitglied einer Offiziersgesellschaft und sehr bald zu regelmässigen Lesern der ASMZ werden. BOA Aargau: Aebi Matthias, Ahmetovic Ismet, Buchser Nils, Diethelm Nathanael, Dodaj Mergim, Gattlen Joel, Gavilán de la Torre Florian, Gjoklaj Jeton, Isenegger Timothy, Lerch Thomas, Marcella Massimo, Maurer Mike, Murer Dennis, Sandmeier Raphael, Schatzmann Sébastien, Schmid Ramon, Schwarz Philip, Speiser Kilian, Stöckli René, Weiss Cédric, Wiederkehr Claudio, Wüthrich Reto, Zimmermann Michael Appenzell Innerrhoden: Broger Mario Appenzell Ausserrhoden: Eicher Dominik, Pradella Moritz, Sandholzer Flurin, Wirz Simon Basel-Land: Aeppli Thomas, Akçasayar Evrim, Bösiger Kilian, Gerber Simon, Harms Marvin, Jäggin Dominik, Jauslin Lukas, Khare Ameya Basel-Stadt: Frey Jonas, Gerster Etienne, Grütter Bodo, Micello Elia Kain Bern: Andrist Michael, Biaggi Benjamin Leonardo, Boghossian Susanne, Drück Rafael, Espina Luis, Grimm Michael, Grütter Jakob Niklaus, Hänggeli Kai Pascal, Haudenschild Dimitri, Hesterberg Pascal Ives Nicola, Hobi David Marco, Jaisli Yorick Ernest, Kunz Sandra, Lehmann Matthias Simon, Mani Marco Walter, Marti Dominik, Mühlemann Tiziano Nicolas, Romang Andrea, Rösti Mario, Rütti Dominique Stefan, Schmid Eliab, Stauffer Nicola, Steiner Dominik, Süsstrunk Silvan, Thomi Ivan, Tschirren Jonas, Vifian Basil Samuel, von Gunten Andreas, Winkelmann Simon, Wyss Christian, Yao Nathan, Zaugg Michael Mikhail Freiburg: Abriel Michaël, Danniau Frédérique, Dévaud Frédéric, Kilchoer Brenainn, Nessensohn Marc, Schornoz William, Simon Ludovic Genf: Allen John, Bürki Frédéric, Desjacques Achille, Gowen Niccolo, Islami Valdrin, Lusso Umberto Glarus: Becher Sandro Graubünden: Adank Tony, Cortesi Silvano, Meyer Andreas Jura: Theurillat Jérémy Luzern: Bitterli Pascal, Bösch Janek, Dahinden Silvan, Furrer Felix, Geissmann Robin, Groenveld Quinten, Lindemann Yannick, Schmid Lukas Neuenburg: Glanzmann Dimitri, Sciboz Thomas, Zürcher Philippe Nidwalden: Strässle Philipp Obwalden: Fanger Robin, Petersen Yannik St. Gallen: Bänziger Claudio, Baumann Mario, Broder Simon, Degani Umberto, Dünki Gian Marco, Eisenring Andreas, Frey Milo, Jud Simon, Lehmann Jaspar, Manhart Christoph, Morscher Adrian, Peyer Dominik, Reinmann Jeremy, Rüttimann Joshua, Schuler Ruben, Senti Raffael, Stähli Michel, Torregrossa Samuele, Wiederkehr Matthias Schaffhausen: D’Alonzo Jeaquimo Jeremy Dwight, Müller Jérôme, Sticher Robin, Wehren Lukas, Zulauf Andreas Christian Solothurn: Miescher Felix, Ruchti Lukas Schwyz: Furger Adrian Reinhold, Kunz Benjamin, Schnidrig Joey Lucien Thurgau: Bachmann Cedric, Bänziger Fabio, Buff Dominic, Graf Mike, Kelterbaum Sascha, Leuzinger Fabian, Lu KaFai Anon, Müller Tobias, Saraiva Oliveira Michael, Stenzel Jeroen, Zampieri Martin, Zwahlen Patrick Tessin: Bassetti Federico, Castaneda Bettini Jorge, Ducoli Matteo, Harlicaj Eljon, Herklotz Ian-Allan, Jakupovic Admir, Lambrughi Alessandro, Majdak Mattia, Menozzi Selio, Minervino Giuseppe, Odermatt Thomas, Pittet Ivanoè, Recchia Tiberio, Rinaldi Luca, Scaramozza Paolo, Sonanini Damiano Waadt: Andersson Morgan, Basic Ernest, de Meyer Léo, Defferrard David, Ferreira Gomes Nuno, Finaud Stanislas, Grandchamp Kevin, Gross Yoann, Haxhiu Roni, Jacoby Sébastien, Keller Karin, Maire Alexandre, Martin Pierre, Pelichet Virginie, Pisani Dylan, Sikorskiy Valery, Vollenweider Anthony Wallis: Aymon Romain, Bonvin Jonas, Buser Chris, Carron Gautier, Desgalier Johanna, Ebiner Raphael, Remeslov Pavel, Tramaux Dylan Zug: Bruhin Gregor, Hammer Elias, Mächler Kim, Solenthaler Jennifer Zürich: Aeschlimann Christian, Bättig Rik, Beeler Manuel, Brugger Robin, Buff Kevin, Coens Vincent, Cohen David, De Nardo Daniele, Demuth Nicola, Faist Olivier, Fankhauser Remo, Frutiger Nicolas, Gähwiler Tom, Gallacher John, Grossniklaus Jan, Haab Simon, Hänni Gabriel, Herren Gregory, Hofstetter Daniel, Höpli Niels, Hutter Philip, Iselin Oliver, Isler Patrick, Isler Rolf, Ivasovic Frane, Krämer Manuel, Küng Moritz, Lehmann Sven, Leuenberger Jan, Maag Christian, Napolitano Claudio, Nussle Nicolas, Ryser Fabio, Schmid Thomas, Schmidlin Fabian, Schneider Cédric, Sigg Adrian, Stankovic Stevan, Stoller Maximilian, Tunesi Dominique Marc, Ucar Numan, Wagner Elias, Waldis Reto, Welzl Christian, Wydler Fabian. ■ Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 43 Höhere Kaderausbildung Kaderausbildung: Solides Fundament – grosse Herausforderungen Im Grunde genommen ist unbestritten: Schweizer Milizoffiziere werden in den Kaderschulen seit jeher gut auf ihre Funktionen vorbereitet. Das ist gewiss keine Selbstverständlichkeit angesichts der äusserst kurzen Lehrgänge. Doch es treten vermehrt Defizite auf: militärisches Vorwissen, aktuelles Konflikt- und Bedrohungsbild, Vorstellung vom Gefecht bzw. Einsatz, Doktrin und Taktik, Truppenführung – Bereiche, in denen wieder Fortschritte erzielt werden müssen. Michael Arnold, Stv. Chefredaktor ASMZ Im September 2013 hielt das Schweizer Stimmvolk nachdrücklich an der Wehrpflicht fest. Der Militärhistoriker Prof. Dr. Rudolf Jaun schrieb dazu: «Damit wird eine im globalen Gegentrend liegende Entwicklung fortgesetzt: Die schweizerischen Streitkräfte werden weiterhin durch Staatsbürger gebildet, die durch die Wehrpflicht zu Ausbildungsdiensten verpflichtet und erst nach einem Beschluss des nationalen Parlamentes als Ganzes aufgeboten und für einen Einsatz bereit gehalten werden können. Die Weiterführung einer Wehrpflicht-Milizarmee bedeutet zugleich, dass diese Streitkräfte weiterhin grossmehrheitlich durch Milizoffiziere kommandiert und verwaltet werden. Damit wird ein tragendes Merkmal der Milizarmee weitergeführt, welches seit der Begründung von militärischen Bundesinstitutionen im frühen 19. Jahrhundert die schweizerischen Streitkräfte prägte.» 1 de Waffen und insbesondere die intensivierte Ausbildung im eigenen Einsatzraum waren Schlüssel zum (letztlichen) Erfolg. Helvetischer Pragmatismus Was die Kaderausbildung betrifft, gilt festzuhalten, dass sie Abbild ihrer jeweiligen Epoche war – und auch deren Führungsverständnis vermittelte. Den traditionell französisch geprägten Elementen Hervorragende Kader-Ausbildungsinfrastruktur der HKA, das AAL. Bild: Archiv AAL Erfolge Erfüllte Aufgaben Die Rekrutierung und Ausbildung der Milizoffiziere – das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte – war immer eine zentrale Herausforderung. Schon die Gründerväter der Zentralschulen 1819 in Thun erkannten, dass es trotz Milizsystem gelte, mit den führenden stehenden Streitkräften bzw. Berufsarmeen ungefähr auf Augenhöhe zu bleiben. Ein Anspruch, dem man zwar nie oder höchstens verspätet gerecht wurde (Aufrüstung in Weltkriegen), der aber anspornte, das Beste daraus zu machen. Insbesondere der Wille zur «Verteidigung», aber auch massgeschneiderte Kampfkonzepte, hervorragen- 44 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 der Ära General Dufours folgten unübersehbar preussisch-deutsch geprägte und später amerikanische Elemente (NATO). Unter dem «Helvetisierungszwang» eines stolzen Milizsystems und vieler hervorragender Offiziere, insbesondere auch Berufsmilitärs, ergaben sich schlussendlich immer recht erfolgreiche Lösungen. Das gilt für die Führungsmethodik, die Taktik und die Truppenführung. Dieser Pragmatismus wurzelte wesentlich in der Erdung der Milizangehörigen in ihrem zivilen Beruf und in einer freiheitlichen Höhere Kaderausbildung demokratischen Gesellschaft – aber auch in der Überzeugung, dass es die Armee brauche. den Investitionen und gesellschaftspolitischen Prämissen. Solide Ausbildung ist weiterhin gefragt, doch die Limiten bezüglich Ausbildungszeit, Erfahrung, Professionalität und gesellschaftlicher Akzeptanz bleiben weiterhin ernsthafte Hypotheken. zu den Landessprachen. Auf der anderen Seite geht es um Erfahrungswissen aus Schulen, Lehrgängen und Truppendiensten. Die «Entmilitarisierung der GesellGrenzen schaft» sowie die abnehmende FührungsEinsatz- versus Ausbildungsarmee praxis fördern den Trend, dass immer weEs wäre unzulässig verkürzt zu sagen, niger vorausgesetzt werden kann, bzw. dass dass hier von zwei gegenteiligen Konzepdas Eintrittsniveau in Lehrgängen sehr heten die Rede sei. Die Einsatzorientierung Materielle Lücken und Technologieniveau terogen sein kann. Dies belastet den Unist immer anzustreben. So leistet die ArNach 1989 setzte international im terricht und erschwert das Erreichen anmee jeden Tag Einsätze gemäss übertra- Zuge verschiedener Streitkräftereformen spruchsvoller Lernziele. genem Leistungsprofil, sei es beispiels- ein massiver, meist finanziell getriebener Massnahmen: Einerseits sind die entweise in der Wahrung der sprechenden Lehrinhalte in Lufthoheit oder in der Undie Lehrpläne aufzunehmen. terstützung der zivilen BeDiese müssen gemäss Cur«Eine effiziente und wirksame Armee braucht hörden. Der politische Einriculum auf verschiedenen satzrahmen der Armee ist Ebenen der KaderausbilChefs, welche entscheiden und führen, aber strikt vorgegeben. Es dung abgestimmt vermitund nicht Technokraten, welche anstreben, ist eine Tatsache, dass unsetelt werden. Null-Lösungen ren Armeekadern die eigegibt es nicht. Minimal sind die Führung durch Prozesse zu ersetzen.»2 ne Erfahrung aus Kriegen die Milizoffiziere z.B. im Divisionär Daniel Roubaty, Kommandant HKA 2011–2013 und Konflikten weitgehend Bereich Militärgeschichte fehlt. Gott sei Dank! Wir ausgewählt auszubilden, bedürfen das so weit wie mögziehungsweise es ist ihnen lich kompensieren mit einer zwar auf die Schrumpfungsprozess und eine Neuaus- der Wert der eigenen Weiterbildung aufaktuellen Bedrohungen und Gefahren aus- richtung der militärischen Kräfte Rich- zuzeigen. Maximal gibt es angewandte Ungerichteten Armee, die sich aber grössten- tung Out of Area Einsätze ein. Für viele terrichtssequenzen wie z.B. in der Militärteils mit ihrer Ausbildung beschäftigen (Waffen-) Systeme der ehemaligen «Hei- geographie, die auch den Anschauungsmuss. Das kann auch eine Stärke sein, ba- matverteidigung» bedeutete das aus dok- unterricht im Gelände einschliesst: Lansierend auf sicherheitspolitischer Wach- trinalen oder finanziellen Gründen Liqui- desgrenze, Engnisse, überbautes Gebiet, samkeit und Weitsicht, auf entsprechen- dation oder Nachrüstungsrückstand. Pa- kritische Infrastruktur. Die Möglichkeirallel dazu – oft als Kompensation – wur- ten des E-Learning müssen viel besser ande auf Technologie gesetzt. Wenn für geboten und die Offiziere besser dokueinen allianzfreien Staat wie die Schweiz mentiert werden. Das Erfahrungswissen überhaupt verfügbar, bezahlt man Hoch- anderseits kann nicht mit Theorie subtechnologie teuer, handelt sich Abhän- stituiert werden. Seine Aneignung muss gigkeiten ein und kommt teilweise deut- durch entsprechende Beförderungsvorlich über die Grenze der sogenannten schriften und anspruchsvolle Dienste im Milizverträglichkeit hinaus. Zu all dem Truppenverband ermöglicht werden, als sehen wir seit 2014 an den Rändern Eu- Voraussetzung für weitere Kaderschulen. ropas plötzlich die ganze Palette militärischer Systeme mit Erfolg am Kämpfen. Aktuelles Konflikt- und Bedrohungsbild Doch nach dem Reformmarathon steht Es gibt zwei falsche Bilder: die noch auch unsere Armee heute mit erheblichen weit nachwirkenden Vorstellungen aus materiellen Lücken da, die mittelfristig dem Kalten Krieg mit grossen Kampfnoch gravierender werden könnten (Er- verbänden, die sich Schlachten liefern, satz vieler Gross-Systeme um 2025). Kurz: und die ebenso einseitige Vorstellung, in Eine Ausbildung, die den Kadern einen modernen – weil hybriden – Konflikten immer länger werdenden Katalog von An- hätten Armeen und insbesondere schwenahmen (welche Systeme wir hätten) vor- re Waffen ausgedient. Letzteres käme erst legen muss, wird auf die Dauer unglaub- noch billiger zu stehen… Tatsache ist, würdig. dass weltweit Konflikte eskaliert werden, wo anfängliche Schutzaufgaben unter verstärkter Drohkulisse plötzlich in offene Probleme Kämpfe übergehen können. Eine Armee Militärisches Vorwissen muss im Gegensatz zur Polizei auch dieUnter militärischem Vorwissen kann sen letzten Akt militärischer Aggression man vieles subsummieren: Auf der einen parieren können. Massnahmen: Das aktuelle KonfliktSeite sind es Grundkenntnisse über Sicherheitspolitik, Armee, Reglemente, Militär- bild muss in möglichen Szenarien mit der geographie, Militärgeschichte usw. bis hin entsprechenden Rolle der Armee (subsiAllgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 45 Höhere Kaderausbildung diär oder originär) intensiv ausgebildet werden. Die Bedrohungen in allen Operationssphären sind dabei zu nennen, insbesondere auch im Cyber- und Informationsraum. Die Lehrübungen sind so zu gestalten, dass sie zur unité de doctrine beitragen, insbesondere auch was die Vorstellung bezüglich Bedrohung und Gegner/Gegenseite betrifft. Vorstellung vom Gefecht beziehungsweise Einsatz Es ist eine bekannte Tatsache, dass der Kampf der verbundenen Waffen ab einer mittleren taktischen Stufe weitgehend nicht mehr beherrscht wird. Da sind wir in Europa in guter Gesellschaft. Bei einem völligen Übergewicht an nichtkombattanten Lehrgangsteilnehmern und der äusserst bescheidenen Erfahrung der kombattanten entsprechende Übungen in der Kaderausbildung mit allen durchzuführen, grenzt an Überforderung. Anderseits ist das Pochen auf die Beherrschung des Führungsprozesses kein Ersatz für das tiefere Verstehen eines Einsatzes der Armee. Das Denken beginnt mit der Analyse der Aufgabe, der Problemerfassung. Massnahmen: Es ist zu überprüfen, wer welches Niveau z.B. in der Schulung des Kampfes der verbundenen Waffen erreichen soll und kann. Konkret: Was üben z.B. die Infanterie-Kader? Ein Grundwissen für alle ist jedoch nicht zu bestreiten. Dazu gehört auch die internationale Erkenntnis, dass immer tiefere Führungsstufen entscheiden müssen und dass die Rolle Grosser Verbände sich relativiert hat (Koordination der Mittel). Generell gilt, dass alles daran gesetzt werden muss, das Vorstellungsvermögen im konkreten Einsatzraum schulen. Doktrin und Taktik Gegenwärtig bestehen nebst der FSO17 ein sanktionierter Entwurf einer neuen OF 17 sowie ein gründlich zu überarbeitender Entwurf einer TF 17. Aus der Generation Führungsreglemente der Armee XXI warten einzig noch die Begriffe auf eine Revision. Diese Reglemente sind für die Ausbildung der Kader wichtig. Sie vermitteln Doktrin in einem gesamtheitli- 46 chen Blick. Tatsache ist aber, dass wesentliche Reglemente XXI noch gültig sind, aber weiten Teils nicht mehr zutreffen, und dass die meisten Reglemente 17 noch nicht fertig bzw. gültig sind. Die Lehrgänge an der HKA sind laufend aktualisiert worden und nehmen jeweils das Kommende voraus. Das Dilemma ist eher theoretischer Natur, deswegen aber nicht weniger gefährlich, weil es der Marginalisierung der Doktrin Vorschub leistet. Massnahmen: Es ist sicherzustellen, dass der Schlussspurt der neuen Reglementsgeneration unter Leitung des Armeestabs/ Militärdoktrin gelingt. Ausgehend von Best Practise hat die HKA signalisiert, dass sie die neuen Reglemente für die Umstellung der Ausbildung ab Mai 2017 braucht. Die Zeit bis dahin sollte genutzt werden, um einen in sich stimmigen Reglementssatz 17 zu schaffen, dessen hohe Qualität anerkannt wird wie seinerzeit jener der Armee XXI (2004). Schlussgedanken Die Zeichen stehen gut, dass die gesamte Ausbildung in der Armee inhaltlich und organisatorisch besser als heute gesteuert werden kann, ohne allerdings der Überregulierung zu verfallen. Das vorgesehene Ausbildungskommando kann die verlangte unité de doctrine mit der entsprechenden unité de l’instruction unterstützen bzw. ergänzen. Die Ausbildungsvorgaben sind derzeit in Bearbeitung, doch fundamentale Änderungen sind nicht in Sicht. Der inhaltlich Rah- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Prinzipskizze der Einsätze von Bodentruppen. Bild: Heeresstab/Heeresdoktrin men der Ausbildung an der HKA bleibt in etwa derselbe, nicht aber der organisatorische: Die Zentralschule ist auf dem Weg, einen neuen integralen Truppenkörper-Lehrgang aufzubauen, ein Projekt, das versucht, auch all die erwähnten Herausforderungen anzugehen. Die HKA macht sich vehement stark für drei Anliegen: Erstens dafür, dass Kaderausbildung nicht gleichzusetzen ist mit einer Reduktion auf Führungsmethodik (Prozesse). Charakter, Sinn und Rahmen von Einsätzen der Armee gilt es zu verstehen. Erfolgreiche Taktik beruht neben fundierten Kenntnissen über eigene und gegnerische Mittel auch auf Phantasie. Zweitens dafür, dass die Doktrin bekannt und berücksichtigt wird, z.B. die Fähigkeitsreihenfolge kämpfen – schützen – helfen, dass sie aber nicht zur Denkfalle wird. Deshalb werden Musterlösungen abgelehnt, genauso wie oberflächlicher Schematismus. Drittens dafür, dass der Rahmen für eine vernünftige Auftragstaktik gewahrt bleibt. Dies ist leichter gesagt als getan, denn die Verlockungen des umfassenden Controllings und Mikromanagements sind grösser denn je. ■ 1 Michael Arnold, Jacques Lörtscher, Walter Troxler: Führen lernen in der Armee – Geschichte der Höheren Kaderausbildung der Armee, Verlag Merker im Effingerhof, 2013; S. 9. 2 AaO, S. 361 Forschung und Lehre «Sicherheit 2016» – pessimistische Einschätzung der weltpolitischen Lage In der aktuellen Studie «Sicherheit 2016», herausgegeben von der Militärakademie an der ETH Zürich und des Center for Security Studies, ETH Zürich, beurteilen Schweizerinnen und Schweizer die weltpolitische Lage so pessimistisch wie nie zuvor. Auch das allgemeine Sicherheitsempfinden ist signifikant gesunken. Tibor Szvircsev Tresch, Thomas Ferst Erstmals wurde im Rahmen der aktuellen Studie die «Kriminalitätsfurcht» sowie das «subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum» erfragt. Die Resultate zeigen, dass die Kriminalitätsfurcht gering ist und sich die Schweizer Stimmbevölkerung im öffentlichen Raum sicher fühlt.1 Ausgangslage Das strategische Umfeld der Schweiz hat sich durch die wirtschaftliche und politische Krise der europäischen Integration, die neue Konfliktlage in Russland sowie durch die Krisenlagen des Nahen und Mittleren Ostens und den damit verbundenen eskalierten Migrationsbewegungen nach Europa und einer erhöhten Terrorismusbedrohung verändert.2 Um das Sicherheits- und Bedrohungsempfinden der Schweizerinnen und Schweizer differenzierter zu erfassen und der aktuellen Sicherheitslage gerecht zu werden, wurden in der Studie «Sicherheit 2016» deshalb zwei neue Fragen eingeführt, welche die regelmässig gestellten Fragen zum Sicherheits- und Bedrohungsempfinden ergänzen. In diesem Artikel werden die beiden neuen Fragen «Kriminalitätsfurcht» und «subjektives Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum» vorgestellt sowie die Einschätzung zur weltpolitischen Lage und das allgemeine Sicherheitsempfinden der Bevölkerung diskutiert. Kriminalitätsfurcht und subjektives Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum Das allgemeine Sicherheitsempfinden wird seit 1995 jährlich in der Studie «Sicherheit» erhoben und zeigt, wie sicher sich Schweizerinnen und Schweizer im Allgemeinen fühlen. Diese sehr allgemein formulierte Frage gibt allerdings keine Anhaltspunkte darüber, wie die Schweizer Stimmbevölkerung mit ihrem Sicherheits- bzw. Unsicherheitsgefühl umgeht. Daher wurde im Rahmen der aktuellen «Schweizerinnen und Schweizer beurteilen aktuell die weltpolitische Lage in den nächsten fünf Jahren insgesamt signifikant und massiv ‹pessimistischer›.» Studie die Angst vor Kriminalität (Kriminalitätsfurcht) erfragt. In der Forschung hat sich der Standardindikator der Kriminalitätsfurcht «Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie abends allein in Ihrer Nachbarschaft unterwegs sind?» entsprechend etabliert.3 In der Schweiz wird dieser Standardindikator jeweils mit unterschiedlichem Wording unter anderem in vier städtischen (Zürich, Bern, Luzern, St.Gallen) und zwei kantonalen (Luzern, Baselstadt) Sicherheitsbefragungen sowie in der Studie zur Kriminalität und Opfererfahrung der Schweizer Bevölkerung erhoben.4 In der Studie «Sicherheit 2016» wurde der Standardindikator der Kriminalitätsfurcht leicht geändert, so dass nicht der Abend, sondern die Dunkelheit im Mittelpunkt der Frage stand («Wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie nach Einbruch der Dunkelheit alleine zu Fuss in Ihrer Wohngegend unterwegs sind?»). Aufgrund der terroristischen Anschläge vom 13. November 2015 in Paris führ- ten wir eine weitere Frage neu ein («Wie sicher fühlen Sie sich an öffentlichen Orten, wo es viele Leute hat? Zum Beispiel an Sportanlässen, Konzerten und Bahnhöfen?»),5 da wir davon ausgehen, dass derartige Ereignisse einen Einfluss auf das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum haben. Die beiden neu eingeführten Fragen messen zum einen das subjektive Sicherheitsgefühl und zum anderen das entsprechende Vermeideverhalten. Dabei wird die Annahme getroffen, dass Personen, welche sich vor Kriminalität fürchten, sich unsicher fühlen, wenn sie abends allein in ihrer Wohngegend unterwegs sind. Personen, welche sich an vielbelebten öffentlichen Orten unsicher fühlen, meiden derartige Orte. Während das allgemeine Sicherheitsempfinden das allgemeine Sicherheitsgefühl der Befragten misst, messen die beiden neu eingeführten Fragen zusätzlich den entsprechenden Umgang mit der Sicherheit oder Unsicherheit in der jeweiligen Situation. Nun zu den Resultaten der Studie «Sicherheit 2016»: Einschätzung der weltpolitischen Lage und allgemeines Sicherheitsempfinden Die Einschätzung der weltweltpolitischen Lage wird mit der Frage «Wie sehen Sie die Entwicklung der weltpolitischen Lage in den nächsten fünf Jahren? Sehr optimistisch, eher optimistisch, eher pessimistisch oder sehr pessimistisch?» gemessen. Schweizerinnen und Schweizer beurteilen aktuell die weltpolitische Lage in den nächsten fünf Jahren insgesamt signifikant und massiv «pessimistischer» (74%, +20%) als im Vorjahr. 9 % (+5 %) geben an, die Entwicklung «sehr» pessimistisch und 65 % (+15 %) «eher» pessimistisch zu betrachten. Ein Viertel, 25% (–20%) der Befrag- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 47 Forschung und Lehre ten, beurteilt die weltpolitische Lage optimistisch, davon 24% (–20%) «eher» und 1% (±0%) «sehr» optimistisch. Das seit 1995 regelmässig erhobene allgemeine Sicherheitsempfinden der Schweizerinnen und Schweizer verharrt über den Jahresverlauf auf hohem Niveau. Der Vergleich zum Vorjahr zeigt aber, dass das Sicherheitsempfinden aktuell im Mittel signifikant gesunken ist. 2016 geben 86 % (–5%) der Befragten an, sich sicher zu fühlen. Dabei fühlen sich 20% (–9 %) «sehr» bzw. 66 % (+4 %) «eher» sicher. 14 % (+5 %) der Befragten fühlen sich aktuell unsicher. Hierbei geben 13% (+5%) an, sich «eher» und 1% (±0%) «ganz» unsicher zu fühlen. Kriminalitätsfurcht Bei der neu eingeführten Frage «Kriminalitätsfurcht» zeigt sich, dass sich 84 % der Schweizer Stimmbevölkerung nach Einbruch der Dunkelheit sicher fühlen (39 % «sehr» und 45 % «eher» sicher). Insgesamt geben 15 % der Befragten an, sich unsicher zu fühlen (13 % davon «eher» und 2 % fühlen sich «ganz» unsicher). Die Kriminalitätsfurcht der Schweizer Stimmbevölkerung fällt somit gering aus. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit jenen der Bevölkerungsbefragung der Stadt Zürich 2015 als auch der schweizerischen Sicherheitsbefragung 2015. 85 % der Bevölkerung der Stadt Zürich 6 als auch 85 % der Schweizer Bevölkerung geben bei dieser Frage an, sich sicher zu fühlen, wenn sie abends alleine im Dunkeln in ihrer Wohngegend unterwegs sind.7 Subjektives Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum 81% der Schweizerinnen und Schweizer fühlen sich im öffentlichen Raum sicher. Dabei geben 22 % an, sich «sehr» und 59 % sich «eher» sicher zu fühlen. Insgesamt geben 18 % an, sich im öffentlichen Raum unsicher zu fühlen, davon 16 % «eher» und 2 % «ganz» unsicher. Zusammenhänge Das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum und die Kriminalitätsfurcht korrelieren stark (ρ = 0.34). Personen, die sich sicher im öffentlichen Raum fühlen, fürchten sich auch weniger vor Kriminalität. Das allgemeine Sicher- 48 heitsempfinden und das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum korrelieren ebenfalls stark (ρ = 0.38). Wer sich im Allgemeinen sicher fühlt, fühlt sich auch im öffentlichen Raum sicher. Die Einschätzung der weltpolitischen Lage und das allgemeine Sicherheitsempfinden beziehen sich ebenfalls aufeinander: Wer die weltpolitische Lage optimistischer betrachtet, fühlt sich tendenziell sicherer (ρ = 0.34). Diskussion der aktuellen Resultate Wir gehen davon aus, dass aller Wahrscheinlichkeit nach die sicherheitspolitischen Ereignisse des Jahres 2015 einen starken Einfluss auf die äusserst pessimistische Beurteilung der weltpolitischen Lage ausübten. Es scheint aber, dass das allgemeine Sicherheitsempfinden weniger stark durch die veränderte weltpolitische Lage beeinflusst wurde. Zwar ist das allgemeine Sicherheitsempfinden aktuell signifikant gesunken, aber nicht in dem Aus- «Zwar ist das allgemeine Sicherheitsempfinden aktuell signifikant gesunken, aber nicht in dem Ausmasse, wie die weltpolitische Lage als pessimistischer eingeschätzt wird.» masse, wie die weltpolitische Lage als pessimistischer eingeschätzt wird. Die Resultate zeigen weiter, dass sich jeweils eine Minderheit von 14% im Allgemeinen unsicher fühlt, sich 15 % vor Kriminalität fürchten und 18 % angeben, sich im öffentlichen Raum unsicher zu fühlen. Die tiefen Werte des jeweiligen Unsicherheitsgefühls können als Indikatoren gedeutet werden, dass das Sicherheitsgefühl in der Schweiz, trotz der veränderten weltpolitischen Lage, hoch ist. Generell gilt: Wer die weltpolitische Lage optimistischer einschätzt, fühlt sich im Allgemeinen sicherer, hat geringere Kriminalitätsfurcht und fühlt sich im öffentlichen Raum sicherer. Und umgekehrt: Wer die weltpolitische Lage pessi- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Die Studie «Sicherheit» dient der Ermittlung langfristiger Trends und Tendenzen in der aussen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbildung der Schweiz. Die Erhebungsreihe basiert auf Daten, die bis auf das Jahr 1976 zurückgehen. Die bevölkerungsrepräsentative Befragung von 1211 Stimmberechtigten wurde vom 4. Januar bis 23. Januar 2016 durch das Meinungsforschungsinstitut LINK durchgeführt. Der Stichprobenfehler liegt im ungünstigsten Fall bei einem Sicherheitsgrad von 95% bei ± 2,9 %. Die Studie «Sicherheit 2016» kann auf www.css.ethz.ch/publications/Sicherheit heruntergeladen werden. mistischer einschätzt, fühlt sich im Allgemeinen unsicherer, hat mehr Kriminalitätsfurcht und fühlt sich im öffentlichen Raum unsicherer. ■ 1 Szvircsev Tresch, Tibor; Wenger, Andreas; Ferst, Thomas; Graf, Tiffany; Pfister, Sabrina; Rinaldo, Andrea (2016). Sicherheit 2016. Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend. Center for Security Studies, ETH Zürich und Militärakademie an der ETH Zürich. 2 Nachrichtendienst des Bundes NDB (2016). Sicherheit Schweiz. Lagebericht 2016 des Nachrichtendienstes des Bundes. Bern, S. 7. 3 Lange, Hans-Jürgen; Ohly, H. Peter; Reichertz, Jo (2009). Auf der Suche nach neuer Sicherheit. Fakten, Theorien und Folgen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 238. 4 Biberstein, Lorenz; Killias, Martin; Walser, Severin; Iadanza, Sandro; Pfammatter, Andrea (2016). Studie zur Kriminalität und Opfererfahrungen der Schweizer Bevölkerung. Analysen im Rahmen der schweizerischen Sicherheitsbefragung 2015. Lenzburg, S. 34. 5 Die helvetistische Frageformulierung wurde bewusst gewählt, da die Interviews in der Deutschschweiz grösstenteils auf Schweizerdeutsch (Mundart) durchgeführt wurden. 6 Stadt Zürich, Stadtentwicklung (2015). Bevölkerungsbefragung 2015. Schlussbericht, S. 28. 7 Biberstein et al. (2016). Studie zur Kriminalität und Opfererfahrungen der Schweizer Bevölkerung, S. 34. Tibor Szvircsev Tresch Dr. Dozent Dozentur Militärsoziologie MILAK/ETH Zürich 8903 Birmensdorf ZH Fach Of Thomas Ferst lic. phil. Wissenschaftlicher Projektleiter MILAK/ETH Zürich 8903 Birmensdorf ZH Internationale Nachrichten Deutschland A400M «auf der Kippe»? Die im Wehrbericht 2015 festgestellten Mängel bei der Bundeswehr greifen nun auch auf den AIRBUS A400M Transporter über. Das Flugzeug weise dermassen viele Fehler auf, dass es dabei offenbar um nichts weniger als die Einsatzfähigkeit «des Bundes» geht. Entsprechend nachvollziehbar sind die kritischen Stimmen aus der deutschen Armeeführung. Bereits zu Beginn des letzten Jahres listete das Verteidigungsministerium über 160 Mängel auf: zu schwache Laderampe, Softwarefehler, fehlende Luftlandetauglichkeit und fehlende Heizung im Laderaum bei grossen Flughöhen Erneut auf dem Prüfstand, A400-Triebwerk. sind nur einige davon. Deshalb wird nun, knapp 18 Monate später, über einen TotalAusstieg aus dem Programm gemutmasst. Erst kürzlich rief Bild: EADS der Produzent AIRBUS zudem die drei bereits gelieferten Maschinen zurück, nachdem bei französischen A400 Risse im Rumpf entdeckt wurden. Ge- schätzte Reparaturzeit: 7 Monate pro Flugzeug. Auch die Triebwerke müssen eventuell neu konstruiert werden, jüngst lösten sich Metallspäne aus verschiedenen Zahnrädern, was bereits jetzt einen Wartungsintervall von 20 Stunden mit sich führt. So ist nicht einmal mehr klar, ob heuer noch weitere Maschinen der vertraglich zugesicherten 53 Stück ausgeliefert werden. Sicher ist jedoch, dass die A400M die überalterten TRANSALL-Maschinen ablösen sollen. Geschieht das aber nicht bis 2020 – dem Jahr deren Ausserdienststellung – wird es gemäss Bundeswehr «zu nicht mehr kompensierbaren Fähigkeitsverlusten kommen». Rumänien Raketenabwehrschild operationell Seit Mitte Mai scheint Europa ein wenig sicherer: die erste «westliche» Raketenabwehrstation nahm in der rumänischen Südwalachei, nahe dem Ort Deveselu, nach einer fünf monatigen Testphase ihren Betrieb auf. Die 700 Mio. EUR teure Militärbasis wurde von den USA finanziert und wird durch Angehörige der US Navy mit dem Ziel, Europa vor einem ballistischen Raketenangriff zu schützen, betrieben. Die AEGIS ASHORE genannte Anlage besteht aus einem Radarsystem und zwölf Raketenwerfern, welche mit RIM 161 Standard Missiles (SM-3) Abfangraketen bestückt sind. Die SM-3 ist eine ursprünglich schiffsbasierte Rakete gegen ballistische Kurzund Mittelstreckenraketen, kann aber auch gegen Satelliten in tieferen Umlaufbahnen eingesetzt werden. Sie wiegt 1,5 Tonnen, misst knapp 6,5 Meter und verfügt über eine Reichweite bis 2500 Kilome- ter. Die neue Sensor-EffektorStation entspricht in etwa dem von der US Navy entwickelten AEGIS-Programm, ein elektronisches Kampf- und Feuerleitsystem, welches derzeit insbesondere auf Lenkraketenzerstörern der USA, Australien, Japan, Norwegen, Spanien und Südkorea eingesetzt wird. Deveselu ist nun also die erste landgestützte und bewaffnete Station. Dem NATO-Abwehr- AEGIS ASHORE-System in Deveselu. schirm steht somit – geführt aus Ramstein (Deutschland) – nebst Spionagesatelliten, einer Radarstation im türkischen Kürecik, und den AEGIS-Kriegsschiffen erstmals auch bodengestützte Raketenabwehr zur Verfügung. Die Grundsteinlegung für eine weitere Station im polnischen Redzikowo erfolgte zu Pfingsten. Dereinst sollen sämtliche auf Europa abgefeuerten Raketen bei ihrem Wiedereintritt in die Atmosphäre abgeschossen werden können. Dass sich dabei Russland als Hauptaggressor verstanden fühlt, scheint offensichtlich. Dennoch erklärt der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass viele Länder ihre eigenen (Interkontinental-)Raketensysteme entwickeln würden und meint damit den Nahen Osten. Konkreter werden seine amerika- Bild: U.S. NavyPhoto Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 49 Internationale Nachrichten nischen Partner und zeigen auf den Iran als Hauptaggressor. So meinte denn auch der stellvertretende US-Verteidigungsminister Robert Work bei der Inauguration der neuen Anlage: «Er wolle eines klar stellen – weder diese [rumänische] noch die Anlage in Polen werden die Kapazität haben, Russlands nukleares Abschreckungspotential zu untergraben.» Und Stoltenberg unterstützte Work, in dem er auf die zu geringe Anzahl und falsche Positionierung dieser Anlagen hinwies und meinte, dass Russland hier kein Ziel sei. Worauf sich der russische Präsident Putin prompt per Fernsehansprache meldete und sagte, dass «das hier kein Verteidigungssystem sei», denn der Abwehrschild «sei ganz klar ein Teil der amerikanischen Nuklearstrategie». Israel Iron Dome schützt vor PTBS Das 2010 in Dienst gestellte israelische C-RAM (Raketen-, Artillerie- und Mörserabwehr) Programm IRON DOME des Herstellers Rafael Russland Nächste Generation bodengestützter Luftverteidigung: S-500 Anlässlich der siebten Ausgabe der jährlichen Treffen zwischen dem russischen Präsidenten, dem Verteidigungsminister und seiner obersten Führungsebene sowie den wichtigsten Vertretern der einheimischen Rüstungsindustrie in Sochi anfangs Mai, steckte Putin sein (sicherheitspolitisches) Betätigungsfeld neu ab. Es ging dabei um die aktuellsten Verteidigungsfragen und besonders darum, wie die russischen Waffenschmieden ihre Bereitschaft im Mobilmachungsfall aufrecht erhalten werden. Auf der Tagesordnung stand aber auch das NATO/US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa. Putin wirft den USA unilaterales aggressives Handeln, Gesprächsverweigerung und Vertragsbruch gegenüber dem «Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty» (INF) vor. Dieses, so der Präsident, nun definitiv gestartete Auf- und Wettrüsten werde aber ohne Russland stattfinden. Man ginge seinen eigenen Weg und prüfe derzeit andere Wege, um die Sicherheit des eigenen Landes zu garantieren. In diesem Sinne setzt der Kreml derzeit alles daran, in Kürze die ersten Prototypen der S-500 PROMETEUS (auch 55R6M TRIUMFATOR-M) genannten Luftabwehrraketen zu tes- 50 ten. Dieses neue System soll fähig sein, ballistische Interkontinentalraketen (ICBM), Hyperschallmarschflugkörper und Flugzeuge schneller als Mach 5 zu zerstören. Es soll innert 4 Sekunden Reaktionszeit beispielsweise bis zu 10 ICBM gleichzeitig in einer Reichweite von 2000 km erkennen und 600 km neutralisieren können, insofern also auch bevor eine abgeschossene Interkontinentalrakete wieder in die Atmosphäre eintreten würde. Triumfator-M ist laut Experten dem aktuellen Stand der Technik einer S-400 weit überlegen. Hochmobil kann es in kürzester Zeit eingesetzt werden und erkennt respektive erfasst seine Ziele mittels bestehenden, aber auch neuen auf ballistische Raketen ausgelegte Radaranlagen und soll mit einem gänzlich neuen abhör- und aufklärungssicheren Führungssystem gesteuert werden. Die Einführung ist für 2017 geplant. Vorerst werden zehn Batterien beschafft, wovon die ersten fünf bis 2020 operationell sind, erklärte Generalleutnant Viktor Vasilievich Gumennyy, stellvertretender Kommandant der russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräfte. Die S-500 werden dannzumal in einem Luftabwehrschirm zusammen mit S400, den S-300 Varianten und weiteren Effektoren den Schutz des russischen Territoriums sicherstellen. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Iron Dome-Abschuss. Bild: Rafael Advanced Defense Systems Ltd. Advanced Defense Systems wartet mit einer weiteren Eigenschaft auf: es schützt auch vor Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Eine Studie der in Ramat Gan beheimateten Bar-Ilan Universität konnte nachweisen, dass im Wirkungsraum von IRON DOME die Häufigkeit von PTBS reduziert wird. Der Gaza Krieg 2014, bei welchem in sieben Wochen mehr als 4500 Raketen auf Israel abgefeuert wurden, diente als Forschungsobjekt. Herausgefunden wurde, dass IRON DOME zusätzlich zur physischen Sicherheit offenbar auch eine psychologische Wirkung generiert. Bislang war bekannt, dass nach einem erlebten Trauma bei Menschen mit hoher (psychologischer) Resilienz die PTBS Symptome normalerweise reduziert sind. Studienleiter Dr. Yaakov Hoffman erklärte nun, dass Resilienz aber auch durch weitere Faktoren gestärkt werden kann. Bereits das Vorhandensein und der damit verbundene Glaube an die Wirksamkeit von IRON DOME reiche aus, PTBS zu vermindern. Demokratische Republik Kongo Nordkorea umgeht Sanktionen Ein UN-Bericht enthüllte im Mai, dass Polizei- und Militäreinheiten der Demokratischen Republik Kongo (DRC) mit Waffen aus nordkoreanischer Produktion ausgerüstet wurden. Gemäss einer von den Vereinten Nationen durchgeführten Untersuchung wurde festgestellt, dass bereits im Jahr 2014 etwa 30 nordkoreanische (militärische) Ausbildner die für eine Trainingssequenz zugunsten von Spezialkräften sowie der präsidialen Garde benötigten Pistolen und weiteres Gerät eigens importierten. Dies unter Umgehung der ak- tuellen UN-Sanktionen gegen Nordkorea. In dem seit Jahren von Bürgerkrieg gezeichneten zweitgrössten Land Afrikas stellt sich nun die Regierung vehement gegen diese UNFeststellung und nennt den von einem Expertenpanel der vereinten Nationen verfassten Bericht eine «unerhörte Lüge». Regierungssprecher Lambert Mende erklärte, dass seit der Ermordung von Laurent Kabila (der Vater des aktuellen Präsidenten) im Jahr 2001 keine Kooperation mit Nord Korea mehr stattgefunden habe. In der DRC sind aktuell mehr als 20000 Peacekeeper der Vereinten Nationen unter dem Mandat der «Mission de l’Or- Internationale Nachrichten ganisation des Nations Unies pour la stabilisation en République démocratique du Congo» (MONUSCO) vereint, um den Friedensprozess voranzutreiben. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es interessant, dass nun einige der beschriebenen Waffen offenbar bei Vertretern der kongolesi- schen Nationalpolizei, welche ihrerseits im UN-Friedensförderungseinsatz in der benachbarten Zentralafrikanischen Republik im Einsatz stehen, gefunden wurden. Dass andererseits Pistolen aus Nordkorea auf dem Schwarzmarkt der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa auftauchten, mag fast zu vernachlässigen sein, denn im gleichen UN-Rapport wird darüber berichtet, wie offenbar burundische Flüchtlinge, die vor den aktuellen Unruhen im eigenen Land in den Kongo flüchteten, offenbar durch ruandische Offiziere rekrutiert, finanziert, ausgerüstet und für den Aufstand ge- gen den Burundischen Präsidenten Nkurunziza ausgebildet wurden. Im Kongo stehen 2016 Neuwahlen an, anlässlich welchen Präsident Joseph Kabila versuchen wird, eine zusätzliche – von der Verfassung nicht vorgesehene – dritte Amtszeit antreten zu können. Japan «Hibakusha» erhalten kein Sorry von Obama US-Präsident Barack Obama besuchte Ende Mai 2016 als erstes Oberhaupt der Vereinigten Staaten von Amerika die japanische Stadt Hiroshima. Zwar verurteilte er Krieg und Gewalt und sprach von den schlimmen Auswirkungen des Abwurfes von Atombomben. Um Entschuldigung für die USA bat er nicht. Das hat auch fast niemand erwartet. Eine Entschuldigung sahen die offiziellen Protokolle gar nicht vor. Lediglich eine Gruppe von Japanerinnen und Japanern wünschten sich eine: Die «Hibakusha», die Opfer der Atombombenabwür- fe. Heute leben noch rund 180 000 – im Durchschnitt über 80 Jahre alt – von ihnen. Sie haben nämlich jahrzehntelang an amerikanische Präsidenten appelliert, die beiden einzigen Städte zu besuchen, die von Atombomben zerstört wurden. Tausende Menschen starben sofort, allein in Hiroshima insgesamt 140 000 im Bild: Wikimedia ersten halben Jahr danach, in Nagasaki weitere 74000. Seit Obamas geplanter Abstecher bekannt wurde, wurde in Japan, den asiatischen Nachbarländern und in Amerika heiss diskutiert, ob er sich für das Leid, das sein Land mit den Atombomben über Japan gebracht hat, entschuldigen sollte. Aus Washington wird dies verneint. Ebensowenig war ein Treffen mit Atombombenopfern vorgesehen. Aus China und Korea, den früheren Gegnern Japans im Zweiten Weltkrieg, wurden schnell kritische Stimmen laut, dass Obamas Besuch Japan nur helfe, sich als Opfer zu fühlen und zu gerieren. Sie argumentieren, dass dies Japan erlauben würde, sich der Verantwortung für eigene Gräueltaten im Krieg zu entziehen. In Südkorea hatten die Japaner zum Beispiel im grossen Stil junge Frauen in Soldatenbordelle gezwungen, in China hatten sie in der Stadt Nanking ein Massaker an Zivilisten angerichtet, bei dem Zehntausende umkamen. Milliarden US-Dollar Schulden auf sich geladen hat und dabei grössere Summen über mehrere ausländische Banken verschoben worden sind. Dabei sollen Milliarden veruntreut worden sein. Singapur hat ein angespanntes Verhältnis zu Malaysia. Malaysia selber kehrt jegliche Berichterstattung über 1MDB un- ter den Teppich. Um das Nachbarland nicht herauszufordern, hat die Regierung Singapurs die lokale Presse angefragt, nicht bzw. nur das notwendigste zum BSI-Skandal zu berichten. Zwar verlor die Bank ihre Lizenz in Singapur, aber es ist nicht damit zu rechnen, dass die Behörden der Löwenstadt sich den Fall weiter vornehmen. Hibakusha machen in den USA auf ihre Anliegen aufmerksam. Malaysia – Schweiz Malaysia – Schweiz Ein Bankenskandal beeinflusst die Sicherheitspolitik. Mit der Eröffnung eines Strafverfahrens durch die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen BSI und dem Lizenzentzug in Singapur tritt der Skandal um den malaysischen Staatsfonds 1 Malaysia Development Ber- had (1MDB) in eine neue Phase. Allerdings ist das Dickicht um 1MDB auch nach wochenlangen Untersuchungen von Ermittlungsbehörden in mittlerweile sechs Staaten weiterhin nur teilweise durchschaubarer geworden. Sicher ist hingegen, dass 1MDB zwischen 2010 und 2015 rund 42 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 51 Internationale Nachrichten Eurasische Union Verstärkte Kooperation mit Singapur Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) und Singapur haben sich über eine Wirtschaftskooperation verständigt. Ein diesbezügliches Memorandum unterzeichneten der Leiter des Kollegiums der Eurasischen Wirtschaftskommission (EWK), Tigran Sarkisjan, und der singapurische Premier Lee Hsien Long. Das Dokument sieht unter anderem die Zusammenarbeit in den Bereichen regionale Wirtschaftsintegration, Zolladministration, technische Regulierung, Sanitärmassnahmen, Finanzen, Verkehrswesen, Energetik, AgrarIndustrie-Komplex, Industrie sowie Informationstechnologien vor. Zuvor hatte die EWK derartige Dokumente bereits mit Kambodscha, Peru, Chile und USA der Mongolei unterzeichnet. Laut Sarkisjan schlägt das Memorandum ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den beiden Seiten auf. Der singapurische Premier sagte dazu, dass das Dokument neue Horizonte in der Zusammenarbeit eröffne sowie «unseren geschäftlichen und politischen Kreisen ermöglichen wird, einander kennenzulernen». Eine militärische Kooperation ist derzeit nicht angebahnt. Aber das Memorandum sieht eine Zusammenarbeit im Bereich der Rüstungsindustrie vor. Auch Polizei- und Nachrichtendienste werden mehr miteinander zu tun haben, denn die Zoll- und Informationstechnologiekomponenten im Memorandum touchieren beide Dienste. Der EAWU gehören Armenien, Weissrussland, Kasachstan, Kirgistan und Russland an. Floppy-Disks im Einsatz terium, das System bis Ende 2020 komplett auszutauschen. Auch im Finanzministerium würden noch vollkommen veraltete Systeme benutzt, heisst es in dem Bericht weiter. Die Rechnungsprüfer beklagen vor Die Atomstreitkräfte der USA benutzen teilweise noch vollkommen veraltete Computerhardware und Software sowie Floppy-Disks. Dies moniert der US-Rechnungshof in einem Bericht. So laufe im Verteidigungsministerium ein Kommando- und Kontrollsystem auf einem IBMComputer der Serie 1, die aus den 1970erJahren stammt. Im Pentagon hiess es, das System bleibe in Gebrauch, weil es noch immer funktioniere. Die Floppy-Lauf- So sehen IBM-Floppy-Disks aus. Bild: IBM werke würden allerdings bis Ende 2017 ausge- allem, dass die Kosten für den tauscht. Die Modernisierung Erhalt der überalterten Techlaufe wie geplant weiter. Laut nik hoch seien und dass stattdem Rechnungshof-Bericht dessen besser in moderne Sysplant das Verteidigungsminis- teme investiert werden solle. Venezuela Das Regime und die Armee Der venezolanische Staatspräsident Nicolas Maduro reagiert auf die katastrophale Wirtschaftslage und Oppositionsproteste: die Regierung Venezuelas hat per Dekret ihre Befugnisse deutlich erweitert. Die neuen Vollmachten erstrecken sich auf den Sicherheitsbereich, die Rationierung von Lebensmitteln sowie die Energieversorgung. Diese Sondervollmachten sehen auch die Mobilisierung der Armee zur Sicherstellung der Stabilität und Ordnung im Landesinneren vor. Örtliche Bürgerwehren haben nunmehr das Recht, die Armee und die Polizei «bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung» zu unterstützen. Die Armee erhält das Recht, sowohl Polizei als auch 52 Proteste gegen die Regierung in Venezuela. örtliche Bürgerwehr einzusetzen. Unternehmer, Firmen und Nichtregierungsorganisationen mit Verbindungen ins Ausland werden verstärkt kontrolliert; ihre Vermögen könnten eingefroren werden. Der Zugang zu Gütern der Grundversorgung kann unter staatliche Kontrolle gestellt werden, Enteignungen werden ermöglicht. Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Bild: Wikimedia Die Ermächtigung an die Streitkräfte könnte auch bedeuten, dass Unternehmen am Ende zur Produktion gezwungen werden. Genauer: Der Präsident könnte von nun an die Armee einsetzen, um Unternehmen zu Produktion zu zwingen. Venezuela durchlebt eine der schlimmsten Wirtschafts- krisen der vergangenen Jahrzehnte. Das Land ächzt unter einer dreistelligen Inflationsrate, die Konjunktur befindet sich auf Talfahrt, Verbrauchsgüter und Strom sind knapp. Besonders macht Venezuela, das über die grössten bekannten Ölreserven der Welt verfügt, der massive Verfall des Ölpreises sowie eine lang anhaltende Dürreperiode zu schaffen. Das politische Leben ist durch einen erbitterten Machtkampf zwischen Regierung und Opposition beherrscht. Die rechtsgerichtete Opposition versucht seit Monaten, Maduro über einen Volksentscheid aus dem Amt zu jagen. Sie befürchtet der Präsident, wolle sie mit seinen neuen Vollmachten mundtot machen. Pascal Kohler, Henrique Schneider Vermischtes Rolle und Bestand des Grenzwachtkorps Ende Mai hat der Bundesrat den Bericht «Rolle und zukünftiger Bestand des Grenzwachtkorps» in Erfüllung eines Postulates der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats verabschiedet. Der Bericht dient als Grundlage für die weiteren Arbeiten und soll unter Berücksichtigung der neuen Herausforderungen an der Grenze und der sich ändernden Rahmenbedingungen den Auftrag des Grenzwachtkorps (GWK) und den zu dessen Erfüllung notwendigen Bestand prüfen. Die Berichter- stattung erfolgt unter Berücksichtigung der temporären Wiedereinführung von Grenzkontrollen einzelner EU-Staaten; sich verändernder Flüchtlingsrouten; der Entwicklung der Bundesfinanzen (Stabilisierungsprogramm 2017–2019); der Anforderungen an den Zoll (zusammenwachsende Wirtschaftsräume in den Grenzregionen); von Rekrutierungsschwierigkeiten (Vergleiche der Lohn- und Arbeitsbedingungen für das GWK mit ähnlichen Berufen/Aufgaben) und der Möglichkeit des Einbezugs Brigadier Wanner neuer Verteidigungsattaché in Washington Bild: VBS Der Bundesrat hat Brigadier Peter Wanner per 1. Oktober 2016 zum Verteidigungsattaché in Washington ernannt. Gleichzeitig wird ihm für die Dauer seines Einsatzes der Grad eines Divisionärs verliehen. Der 54-jährige Wanner ist nach der Ausbildung zum Primarlehrer am Staatlichen Seminar Hofwil und nach drei Jahren Berufserfahrung 1985 in das Instruktionskorps der Versorgungstruppen eingetreten. Von 1986 bis 1995 wurde er als Einheitsinstruktor und Klassenlehrer in den Rekruten-, Unteroffiziers- und Offiziersschulen der Versorgungstruppen eingesetzt. 1996/97 war Brigadier Wanner zugeteilter Stabsoffizier des Inspektors der Logistiktruppen und anschliessend bis 1999 Mitglied des Kernteams Armee XXI. Nach dem Senior Course im NATO Defense College in Rom wurde er im Jahre 2000 zum Chef des Kernteams Armee XXI ernannt. Auf den 1. Januar 2003 wurde Wanner Stabschef des Generalstabschefs und ab 1. Januar 2004 Stabschef des Chefs der Armee. Per 1. Januar 2008 wurde er vom Bundesrat in der Funktion Stabschef Chef der Armee zum Brigadier befördert. Berufsbegleitend hat Wanner 2009 den «Executive MBA mit Vertiefung in Public Management» an der Berner Fachhochschule für Wirtschaft und Verwaltung mit Erfolg abgeschlossen. Auf den 1. Januar 2011 wurde Brigadier Wanner vom Bundesrat zum Verteidigungsattaché in Italien und Israel mit Sitz in Rom ernannt. Per 1. August 2013 erfolgte die Ernennung durch den Bundesrat zum Chef Internationale Beziehungen Verteidigung. dk der Armee zur Unterstützung des GWK (Assistenzdienste). Mit der Fragestellung wird die Arbeit des GWK in den Gesamtkontext der Leistungen der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) eingebettet und in Beziehung zur gesamten Sicherheitslandschaft Schweiz gesetzt werden. Im Fazit kommt der Bericht zum Schluss, dass Bevölkerung und Politik vom GWK eine effektive Filterwirkung an der Grenze erwarten und ihm diese auch zutrauen. Das GWK hat in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass es mit mehr personellen Mitteln auch mehr Leistung erbringt. Es hat sich den technischen Entwicklungen gestellt und zusammen mit den zentralen Supportstellen der EZV grosse Investitionen in seine Ausrüstung und die technischen Hilfsmittel getätigt. In einigen spezialisierten Bereichen hat es Kompetenzzentren geschaffen und dabei die Stäbe schlank gehalten. dk www.parlament.ch (Postulat 16.3005) Echo aus der Leserschaft Offiziersgesellschaften – quo vadis? Wer sich für die Offizierslaufbahn entscheidet, der leistet mehr – wer sich aktiv in einer Offiziersgesellschaft (OG) engagiert, der leistet noch mehr! Die primäre Aufgabe einer OG sollte, nebst Pflege von Kameradschaft und Networking, der praxisbezogene Austausch von militärischem Wissen und Können sein. OG’s sind das einzige Gefäss, in dem aktive und nicht mehr dienstpflichtige Offiziere zu aktuellen Themen aus- und weitergebildet werden können. Junge Milizkader können von den Erfahrungen ihrer älteren Kameraden profitieren und diese gewinnen den Bezug zur militärischen Realität, weil sie die aktuellen Themen und Veränderungen, z.B. in der Ausbildung, kennen. Hier können unsere OG’s tatsächlich (wieder!) aktiver werden. Dies sage ich nicht als ehemaliger Forumsleiter der AOG Zürich, sondern auch als Berufsoffizier. Unseren Kadern sollen in den OG’s praxisbezogene, aktuelle Ausbildungsinhalte vorgeführt werden. Jeder Anlass könnte mit Ent- schlussfassungsübungen ergänzt werden, um das vielerorts verlorene taktische Denken zu fördern und fordern. Neben den vorhin genannten Inhalten wie Doktrin und Taktik wären auch praktische Führungsbeispiele, basierend auf dem Dienstreglement sinnvoll, auch mit Fokus auf Militärethik. Ja, es ist nötig, dass sich die Offiziersgesellschaften nicht nur als «Networkingverein» sehen, sondern sich in Ausbildung und Führung einbringen. Dabei sind möglichst viele ältere Kameraden zu integrieren, so verlieren sie den Bezug zu unserer aktuellen Armee nicht. Unsere Armee – unsere Sicherheit. Wir, aktive und nicht mehr dienstpflichtige Offiziere haben die Pflicht, diese mitzugestalten und zu führen. Dabei danke ich allen, die sich in ihrer Freizeit aktiv für die Offiziersgesellschaften einsetzen. Oberst i Gst Karl Heinz Graf Ausbildungszentrum Heer Kdt Lehrgänge und Kurse Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 53 Vermischtes Keine Zusammenlegung der zivilen und der militärischen Dienststellen für Immobilien Der Bundesrat hält an der heutigen Spartenlösung für die Immobilen der zivilen und der militärischen Bundesverwaltung fest. Eine Zusammenlegung zu einer einzigen Dienststelle wäre aus Gründen der Kundenorientierung sowie der Führbarkeit und Effizienz nicht sinnvoll, wie ein Prüfbericht in Erfüllung eines Postulats aus dem Parlament zeigt. Bestehende Synergiemöglichkeiten werden bereits heute genutzt. Im Auftrag des Parlaments hat der Bundesrat in einem ausführlichen Bericht die Organisation des Bau- und Liegenschaftswesens des Bundes überprüft. Diese besteht seit der Regierungs- und Verwaltungsreform von 1997 aus drei separaten Dienststellen für die Immobilien der ETH sowie der zivilen- und der militärischen Verwaltung. Diese Organisationsform wurde gewählt, um eine optimal auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtete, effiziente und sparsame Verwaltung der Immobilien sicherzustellen. Aufgrund eines Postulats aus dem Parlament wurde nun eine Zusammenführung dieser Dienststellen geprüft. Der Bundesrat hält in seinem Analysebericht fest, dass die Gründe für die 1997getroffene Spartenlösung auch heute noch Gültigkeit haben. Laut Bericht bestehen nach wie vor grosse Unterschiede hinsichtlich Kerngeschäft, Herausforderungen, Strategien, Objekttypen, Portfoliosegmentierung und geographischer Verteilung der Objekte. Infolgedessen zeigen sich auch Unterschiede bei der Ausgestaltung der Organisationen, Prozesse und Dienstleistungen. Bestehende Synergiepotenziale werden bereits heute genutzt. Die Einheitlichkeit und Kostentransparenz würden durch eine Zusammenlegung der Dienststellen nicht gesteigert werden. Aufgrund dieser Analyse beschloss der Bundesrat an seiner heutigen Sitzung, die Immobilienstellen für die zivile- und die militärische Bundesverwaltung wie bisher getrennt weiterzuführen. dk Unterstützung der Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthard-Basistunnels Mit Sicherheits- und Unterstützungsleistungen hat die Armee die Eröffnungsfeier des Gotthard-Basistunnels vom 1. Juni unterstützt. Der subsidiäre Sicherungseinsatz dauerte vom 30. Mai bis 5. Juni 2016 und umfasste auch Einschränkungen im Luftraum. Bis zu 2000 Armeeangehörige leisteten einen Assistenzdienst-Einsatz. Die Armee unterstützte gemäss Bundesrats- beschluss die Sicherheitsmassnahmen der Kantone Uri und Tessin für die Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthard Basistunnels. Zu den Sicherheitsleistungen der Armee gehörten Objekt- und Personenschutz, die Sicherung des Luftraumes, Luftaufklärung und -transporte sowie Sanität und Verkehrsleitung. In insgesamt sieben Tagen waren maximal 2000 Armeean- gehörige im Assistenzdienst. Die Einsatzverantwortung lag bei den Kantonspolizeien von Uri und Tessin, die einen gemeinsamen Einsatzstab bildeten. Über diesen subsidiären Sicherungseinsatz hinaus unterstützte die Armee die Eröffnung des Gotthard Basistunnels ab 3. Mai mit weiteren Leistungen wie Materialtransporten, dem Auf- und Abbau der Festinfrastruktur, Bahnperrons und Bodenabdeckungen. Diese Leistungen im Umfang von rund 2100 Manntagen erfolgten aufgrund der «Verordnung über die Unterstützung ziviler oder ausserdienstlicher Tätigkeiten mit militärischen Mitteln» (VUM), welche die Möglichkeit von militärischer Unterstützung für Anlässe von nationaler oder internationaler Bedeutung vorsieht. dk Geschichte und Bedeutung des Unteroffiziers Am 27. Mai wurde in der Bibliothek am Guisanplatz «Das Rückgrat der Armee. Die Unteroffiziere der Schweizer Armee und ihr Wirken von 1798 bis heute. Schriftenreihe der Bibliothek am Guisanplatz No 61. Bern 2016.» vorgestellt. Auf Initiative von Chefadjutant Pius Müller wurde in kurzer Zeit ein Werk zusammengestellt, das erstmals Geschichte und Bedeutung des Unteroffiziers darstellt. Die 16 Beiträge zeigen auch die Vielfalt der Schweiz: so sind alle Landesprachen, Männer wie Frauen, Werktätige wie Pen- 54 sionierte, alte und junge Menschen, Miliz- wie Berufsunteroffiziere vertreten. Das Werk wird eröffnet mit einer Gesamtschau zur Entwicklung des Unteroffiziers von der Antike bis zur Gegenwart. Zwei Beiträge befassen sich mit der Entwicklung in der Schweiz von 1798 bis heute, einerseits mit Aufgabe, Stellung und Auswahl der Unteroffiziere und anderseits mit den Uniformen und Gradstrukturen. Den Küchenchefs und Fourieren ist ebenso ein besonderer Artikel gewidmet wie auch dem Feldweibel.Weitere besondere Ein- Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Waffenrock eines Wachtmeisters der Scheinwerfer Pioniere Ordonnanz 1914/17. Quelle: Buch S. 208 satzgebiete der Unteroffiziere sind Friedensförderung oder Gebirgsdienst, die beide auch beschrieben werden. Dem Berufsunteroffizierskorps, eine wesentliche Stütze in der Ausbildung, wird ein Artikel gewidmet, der dessen Rolle im Rahmen der Entwicklung der Armee darstellt. In verschiedenen Bereichen sind Miliz- wie Berufsunteroffiziere gemeinsam tätig, beispielsweise bei den Wettkämpfen der Schweizerischen Unteroffizierstage oder in der Internationalen Vereinigung der Unteroffiziere. Vermischtes Der Chef der Armee, Korpskommandant André Blattmann, beehrte einerseits die Autorinnen und Autoren an der Vernissage und anderseits verfasste er das Schlusskapitel des Buches. Darin stehen auch die Worte «Rückgrat der Armee», was damit begründet wird, dass der Unteroffiziere Schlüsselpositionen besetzt. Vor allem, weil er der Truppe, dem Soldaten, am nächsten steht oder als Feldweibel und Fourier Verantwortung für die ganze Kompanie zu übernehmen hat. Mit diesem Werk wurde das vielfältige Wirken der Unteroffiziere zu verschiedenen Zeiten in den verschiedens- ten Funktionen auf sehr eindrückliche Art und Weise dargestellt. Daher deckt es auch ganz verschiedene Interessen ab und bietet eine interessante und abwechslungsreiche Lektüre. Tr Schweizer Luftwaffe in Spanien Die Schweizer Luftwaffe hat mit rund 50 Mitarbeitenden – davon 14 Piloten – an der internationalen Luftverteidigungs-Übung TigerMeet 2016 in Zaragoza (Spanien) teilgenommen. Neben der Schweizer Delegation mit vier F/A-18C Hornet plus einem Reserve-Jet nahmen 20 Staffeln aus 14 Europäischen Ländern teil. Die Teilnahme an solchen Übungen dient als Ergänzung des Luftverteidigungstrainings, das in der Schweiz aus Rücksicht auf die Bevölkerung nur eingeschränkt geflogen werden kann. Die Übung in Spanien bot die Gelegenheit, Trainings im Bereich Luftverteidigung gegen ausländische Teilnehmer zu fliegen, Einsätze im Verbund zu üben, sowie die Verfahren der Schweizer Luftwaffe in einem internationalen Umfeld zu überprüfen. Das TigerMeet 2016 ist die grösste Luftwaffenübung 2016 in Europa und das bisher grösste TigerMeet überhaupt. Die rechtliche Grundlage für das TigerMeet 2016 bildet ein technisches Abkommen (technical arrangement) zwischen der Schweiz und Spanien. dk RUAG zur Zertifizierung in Russland zugelassen RUAG Aviation hat die vollständige Zertifizierungszulassung für in Russland registrierte Zivilflugzeuge erhalten. Die erteilten Zulassungen sind auf unbestimmte Zeit für die Service-Zentren der RUAG in München (D) und Genf (CH) gültig. Sie umfasst Business Jets der Flugzeugfamilien Bombardier Challenger/Global, Embraer Legacy/Lineage und Dassault Falcon sowie der Hersteller Beech und Pilatus. «Unsere Fokussierung im osteuropäischen Business-Aviation-Sektor ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Wachstumsstrategie. Studien deuten darauf hin, dass in der Region rasch und in zunehmendem Masse in die Zivilluftfahrt investiert wird», erklärt Volker Wallrodt, Senior Vice President Business Jets, Dornier 228 & Components, RUAG Aviation. «Dies erfahren wir auch in unseren europäischen Service-Zentren, wo wir diese wichtige und wachsende Kundenbasis betreuen. Die RUAG verfügt nun über die uneingeschränkte Zulassung, Kunden mit in Russland registrierten Zivilflugzeugen umfassende Lösungen und Zertifizierungen anzubieten. Dies erstreckt sich auf sämtliche Dienstleistungen, von kleineren Checks und AOG-Services bis hin zu Heavy-Maintenance-Checks, Modernisierungen und System-Upgrades. Dies stellt für die RUAG Aviation ein wichtiger Meilenstein dar und bestätigt die Qualität der Dienstleistungen, die wir im Namen unserer Kunden erbringen.» dk www.ruag.ch Die ASMZ ist eine sehr interessante Zeitschrift, findet auch mein Enkel. Oberst i Gst HP. Ruch Kredit für den Werterhalt von Polycom Das Sicherheitsfunksystem Polycom soll bis 2030 weiter betrieben werden. Der Bundesrat beantragt dem Parlament für werterhaltende Massnahmen einen Verpflichtungskredit von 159,6 Millionen Franken. Gleichzeitig beschloss er, die Vernehmlassung über eine Änderung der Alarmierungsverordnung zu eröffnen. Mit der Änderung soll die Teilerneuerung und die Aufteilung der Kosten von Polycom eine solidere rechtliche Abstützung erhalten. Das Sicherheitsfunknetz Polycom wird täglich intensiv genutzt und ermöglicht den Funkkontakt zwischen den Behörden und Organisationen für Rettung und Sicherheit der Schweiz sowie dem Nationalstrassenunterhalt und den Betreibern von kritischer Infrastruktur. Zwischen 2001 bis 2015 haben sich dem System alle Kantone angeschlossen. Damit Polycom bis ins Jahr 2030 genutzt werden kann, muss das System technologisch überholt werden. Nur so werden die Nutzer ihre Basisstationen (Antennen), die ihre Le- bensdauer erreicht haben, ersetzen können. Eine Ablösung von Polycom durch ein anderes System macht weder wirtschaftlich, technisch noch betrieblich Sinn. Der Auftrag für die Werterhaltung von Polycom erging an die bisherigen Hersteller und Lieferanten, da diese die erforderlichen Lizenzen als geistiges Eigentum besitzen. Die Gesamtausgaben für den Werterhalt von Polycom werden sich bis 2030 auf 500 Millionen Franken belaufen. Davon beantragt der Bundesrat dem Parlament einen Verpflichtungskredit von 159,6 Millionen Franken. Für die ab 2018 anstehende Teilerneuerung des Sicherheitsfunksystems Polycom und die Aufteilung der Kosten soll über eine Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzschutzgesetzes eine solidere rechtliche Abstützung geschaffen werden. Da dies ein paar Jahre in Anspruch nimmt, hat der Bundesrat die Vernehmlassung über die Änderung der Alarmierungsverordnung eröffnet. dk Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 55 Bücher Thomas Biller Claudia E. Graf-Grossmann Templerburgen Marcel Grossmann Darmstadt: Zabern, 2014, ISBN 978-2-8053-4806-5 Zürich: Römerhof Verlag, 2015, ISBN 978-3-905894-32-5 Über den Mythos der Tempelritter und der Templerburgen wurde viel geschrieben und vieles wurde falsch interpretiert. Gleich zu Beginn des Buches bricht der Autor mit der Tradition und hält sich an die sprichwörtlich harten Fakten – in Form von Burgen. Wir erfahren, dass es entgegen allen Behauptungen in Mitteleuropa praktisch keine Templerburgen gab. Wir erfahren, dass die Burgen der Templer dort lagen, wo sie gebraucht wurden, nämlich in den Kreuzfahrerstaaten in der Levante und in anderen Kreuzzugsgebieten, vor allem in Spanien und Portugal. Ausserdem wird detailliert darauf eingegangen, wie der Templerorden in Mitteleuropa organisiert war und wie die zivile Verwaltung mit der militärischen kooperierte. Der Grossteil des Buches befasst sich aber eben mit den Burgen des Templerordens. Hier merkt man schnell, dass der Autor ein versierter Experte in Archäologie und Architektur ist. Grundrisspläne und Detailfotos ergänzen den historischen und militärischen Kontext und den architektonischen Aufbau mancher Templerburg. Caesar hat Gallien erobert, Katharina die Grosse hat die Krim unterworfen, Dunant hat das Rote Kreuz gegründet, Einstein ist der Vater der Relativitätstheorie: Vereinfacht und zugespitzt mag das alles so stehen bleiben. Aber eben: Vereinfacht und zugespitzt. Denn Caesar hat ja seinen Titus Labienus gehabt, Katharina ihren Gregor Alexandrowitsch Potemkin, Dunant wäre wohl ohne General Dufours Organisationstalent und Vernetzung heute ein Name, den niemand mehr kennt, und Einstein hatte seinen Freund Marcel Grossmann. Dessen Enkelin weiss um die Kraft der idées reçues, sie hat der Biographie ihres Grossvaters weise das Faksimile von «Entwurf einer verallgemeinerten Relativitätstheorie und einer Theorie der Gravitation» beigegeben. Das Werk stammt aus dem Jahr 1913 und hat zwei Autoren: «I. Physikalischer Teil von Albert Einstein in Zürich II. Mathematischer Teil von Marcel Grossmann in Zürich». Der in Budapest geborene, hochbegabte Grossmann wurde von der liberalen Schweizer und Zürcher Gesellschaft jener Tage offen auf- Dass dabei, oftmals auch wegen fehlenden Quellen, nicht auf alle Burgen detailliert eingegangen werden kann, versteht sich von selbst. Durch das grosse Format des Buches gerät man in Versuchung, das Buch als Bildband abzustempeln. Dies ist es aber bei Weitem nicht. Dank dem Format sind die Fotos der Burgen dermassen gut präsentiert, dass der vielseitige und informative Text umso mehr Anreiz zur Lektüre bietet. Im aktuellen politischen Kontext ausserdem interessant: Viele Templerburgen liegen im heutigen Syrien. Die genaue architekturgeschichtliche Analyse dieser Bauten ist womöglich für lange Zeit die einzige wissenschaftliche Publikation zu diesem Thema. Je nach dem sogar für immer. In diesem Sinne ist das Buch für geschichtlich interessierte Templerfans, für Fachleute und für Architekten gleichermassen empfehlenswert. Der Text ist grösstenteils massentauglich und süffig geschrieben, so dass niemals die Lust am Lesen vergeht. Daniel Ott genommen (er war Professor an der ETH, Präsident der Schweizerischen Mathematischen Gesellschaft, Mitglied der Gesellschaft zur Constaffel) und heute noch veranstalten Physiker und Astronomen alle drei Jahre ein Marcel Grossmann Meeting zu neuen Forschungen auf den Gebieten Allgemeinen Relativitätstheorie, der Gravitation und der relativistischen Feldtheorien. Höchste Zeit für eine neue Biographie dieses bedeutenden Mannes, dessen Familiengeschichte Frankreich, die Schweiz und Ungarn berührt und der ein Beispiel ist für jene weniger bekannten grossen Geister, denen wir einen guten Teil unserer modernen Wissenschaft verdanken, die wir trotz aller Skepsis nicht missen möchten. Man schenke das Buch Lehrern und Lehrerinnen, vielleicht wird dann wenigstens eine der Aussagen in der einen oder anderen Klasse etwas relativiert: Caesar hat Gallien erobert, Katharina die Grosse hat die Krim unterworfen, Dunant hat das Rote Kreuz gegründet, Einstein ist der Vater der Relativitätstheorie… Jürg Stüssi-Lauterburg Jürgen Kilian Wehrmacht und Besatzungsherrschaft im Russischen Nordwesten 1941–1944 Praxis und Alltag im Militärverwaltungsgebiet der Heeresgruppe Nord Paderborn: Ferdinand Schöningh, 2012, ISBN 978-3-506-77613-6 Das eroberte Land ernährt die erobernden Armeen. Diese Maxime der deutschen Besatzungsmacht während des Zweiten Weltkrieges wurde nicht nur für den mittlerweile beinahe erschöpfend erforschten sowjetischen Raum unter dem Regime der Heeresgruppe Mitte angewendet, sondern auch für denjenigen in der Verantwortung der Heeresgruppe 56 Nord. Dabei arbeiteten Wehrmachtsverbände, Schutzstaffel (SS) und Zivilverwaltung mit-, aber auch gegeneinander. Jeder Okkupationsapparat war ausgestattet mit unterschiedlichen Befugnissen und Aufträgen, nicht immer klar abgegrenzten Kompetenzen und legte teilweise gegenläufige Absichten an den Tag. Zwei Schwerpunkte galten als absolut prioritär: die Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 07/2016 Sicherung des rückwärtigen Heeres- bzw. Armeegebietes sowie die wirtschaftliche Ausplünderung von Land und dessen Bevölkerung. Für die Einwohner resultierte daraus ein Leben unter ständigen Repressalien, geprägt von Unterernährung und bedroht durch Willkür der Besatzer und Partisanen. Kilians Untersuchungsraum umfasst die rückwärti- gen Gebiete der Heeresgruppe Nord, südlich und südöstlich des eingeschlossenen Leningrads. Ergiebig sind die Quellenauswertungen zu den verschiedenen Instanzen, Kommandoebenen, Befehlssträngen und Dienststellen, die in das Geschehen involviert waren. Philippe Müller Bücher Rudolf Jaun, Michael M. Olsanksy, Sandrine Picaud-Monnerat, Adrian Wettstein (Hg.) An der Front und hinter der Front Der Erste Weltkrieg und seine Gefechtsfelder Nr. 07 – Juli 2016 Das Interesse am Ersten Weltkrieg erreichte in den letzten beiden Jahren einen nie dagewesenen Höhepunkt, die Literatur zum Krieg ist unüberschaubar geworden. Eine Herangehensweise, welche neue Erkenntnisse generieren kann, muss sich somit klar über die reinen politisch-strategischen und militärisch-operativen Aspekte hinaus bewegen. Die Herausgeber des vorliegenden Werkes umreissen deswegen nicht nur einen Rahmen des Ersten Weltkrieges aus globaler Perspektive (inkl. Schweiz), sondern gehen darüber hinaus der Perzeption der «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts» nach. Das Werk beschäftigt sich also auch gleich mit dem kollektiven Gedächtnis einer Auswahl der beteiligten Staaten. Die abgedeckten Themenfelder sind beeindruckend. Ein gewichtiger Teil der Beiträge beschäftigt sich mit Doktrinen, dem Material und Rekrutierungsformen; im Endeffekt mit den Auswirkungen der modernen Mittel auf die Kampfführung. Die Kampf- und Kriegserfahrungen und deren Deutungen in den beteiligten Staaten, inklusive der Schweiz, in der Nachkriegszeit sowie die Debatte um den «Totalen Krieg» zeichnen nachfolgend mehrere Autorinnen und Autoren 182. Jahrgang Impressum Baden: Hier und Jetzt, 2015, ISBN 978-3-03919-345-5 nach. Die Beschäftigung mit der Erinnerungskultur zum Ersten Weltkrieg rundet das Gesamtbild des Bandes ab. Spürbar ist die Absicht, das Thema Erster Weltkrieg aus militärhistorischer Sicht zu betrachten, den Bogen darüber hinaus aber auch auf die Industrie-, Mentalitäts- und Sozialgeschichte zu lenken. Bei diesem hohen Anspruch und breiten Themenfeld müssen Lücken bleiben. Es kann gar nicht der Intention der Herausgeber entsprochen haben, ein umfassendes Werk zum Ersten Weltkrieg abzuliefern. Philippe Müller Präsident Kommission ASMZ Christoph Grossmann, Oberst i Gst a D, Dr. oec. HSG Chefredaktor Divisionär Andreas Bölsterli (BOA) Redaktionssekretariat ASMZ c/o Verlag Equi-Media AG Postfach 732, CH-8604 Volketswil Telefon +41 44 908 45 60 Fax +41 44 908 45 40 E-Mail: [email protected] Stellvertreter des Chefredaktors Oberst i Gst Michael Arnold, lic. phil. II (AM) Redaktion Oberst i Gst Andreas Cantoni (ac) Andrea Grichting Zelenka, lic. phil. (ga) Oberst Dieter Kläy, Dr. phil. I (dk) Oberstlt Pascal Kohler (pk) Hptm Christoph Meier (cm) Major Peter Müller, Dr. rer. pol. (pm) Hptm Daniel Ritschard, lic.oec.HSG (DR) Henrique Schneider, Prof. Dr. (Sc) Major Markus Schuler (M.S.) Oberstlt Jürg Studer (St) Oberstlt Eugen Thomann, lic. iur. (ET) Major Walter Troxler, Dr. phil. (Tr) Herausgeber Schweizerische Offiziersgesellschaft Hans Utz Eine Fussnote der Geschichte Verlag Verlag Equi-Media AG, Postfach 732, Brunnenstrasse 7, CH-8604 Volketswil Französisches und baslerisches Birseck, 1792–1833 Verleger: Christian Jaques Liestal: Verlag des Kantons Basel-Landschaft, 2015, ISBN 978-3-85673-287-5 Geschäftsführung Regula Ferrari, Telefon +41 44 908 45 60 E-Mail: [email protected] Hans Utz’ aus den Quellen schöpfende Monographie des Birsecks (Gemeinden Arlesheim, Reinach, Aesch, Pfeffingen, Oberwil, Therwil, Ettingen, Allschwil, Schönenbuch) zeigt eine im schweizerischen Kontext selbst für die Revolutionsjahre ungewöhnlich bewegte Geschichte. Das Birseck war Teil des Fürstbistums Basel, des französischen Satellitenstaats Raurachische Republik, des Departements MontTerrible, des Departements Haut-Rhin, dann eidgenössisch, zuerst als Teil des Kantons Basel und schliesslich des Kantons Basel-Landschaft. Mit Sympathie für Frankreich geschrieben – «die gute Erinnerung an die französische Zeit» hat praktisch das letzte Wort (183) – gestattet das gediegene Werk auch einem skeptischeren Leser, einen guten Über- blick zu gewinnen. Besonders bemerkenswert ist, wie Hans Utz Vertreter der schlecht dokumentierten flottanten Bevölkerung zu Wort kommen lässt. Das Schicksal der als Analphabetin mit einem Kreuz unterschreibenden Elisabeth Ries und ihrer brutalen Behandlung (Gefängnis, weil sie die Avancen eines Therwiler Zollbeamten zurückwies) berühren. Nicht, dass die Oberschicht gegen die Gefahren des Daseins in einer unruhigen Zeit gefeit gewesen wäre. Im Trennungskrieg gegen die Stadt forderte, nach einem Ohrenzeugen, Oberst Jakob von Blarer («Vater Schaggi»), mit Erfolg, die Birsecker Milizen auf: «Macht alles nieder, was ihr erwischt! Wer mir einen Gefangenen bringen sollte, und wenn es mein eigener Bruder wäre, den würde ich mit dem Säbel niederhauen! Denn jetzt ist es einmal genug!» (176) Zu den Toten des August 1833 gehörte auch der Reinacher Gemeindepräsident Franz Joseph Feigenwinter, er hatte die falschen Ansichten beziehungsweise er hatte sie zur unrechten Zeit. So werden vier Jahrzehnte bewegten Lebens sichtbar, bis hin zur Frage von Ehescheidungen und Hypotheken, Festessen und einem aus Russland nach Hause gebrachten Säbel. Wer über die grosse politische und militärische Geschichte hinaus sich jener Zeit so annähern will, wie sie Menschen tatsächlich erlebt haben, wird den Band mit grossem Gewinn zur Hand nehmen, weit über das evidente regionale Interesse hinaus. Jürg Stüssi-Lauterburg Anzeigen/Beilagen Silvio Seiler, Telefon +41 44 908 45 61 E-Mail: [email protected] Abonnemente Silvia Riccio, Telefon +41 44 908 45 65 E-Mail: [email protected] Adressänderungen bitte mit Abonummer (s. Adressetikette) angeben. Layout: Stefan Sonderegger Bezugspreis inkl. 2,5 % MwSt Kollektivabonnement SOG ermässigt Jahresabo Inland Fr. 78.– / Ausland Fr. 98.– Probeabo Schweiz (3 Ausgaben) Fr. 20.– Auflage: Druckauflage 19500 Druck: galledia ag, 9230 Flawil © Copyright Nachdruck nur mit Bewilligung der Redaktion und Quellenangabe www.asmz.ch Nächste Ausgabe: 2. August 2016 Schwergewicht: • Interview mit Projektleiter WEA • Das System Artillerie heute • Neues nukleares Wettrüsten swiss made Kompetenz für Schutz und Sicherheit PIRANHA Radschützenpanzer PIRANHA Mörser EAGLE 4x4/6x6 gdels.com Defense Solutions for the Future