Tallinn University of Technology, Estland

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Tallinn University of Technology, Estland
Erfahrungsbericht ERASMUS
Tallinn University of Technology, Estland
Semester: Sommersemester 2014
VORBEREITUNG
Ich habe mich im Dezember 2011 für einen Erasmus-Studienplatz für das Sommersemester 2013
beworben. Diese Bewerbung beinhaltet ein Motivationsschreiben, einen Nachweis über meine
Studienleistungen bis zum Zeitpunkt der Bewerbung, einen englischen Lebenslauf sowie einen
Nachweis meiner englischen Sprachkenntnisse. Wenn man in Tallinn studieren möchte, muss man
nachweisen, dass man ein B2-Sprachniveau in Englisch hat. Dafür bekommt man ein Formular
vom DAAD im International Office der RUB und vereinbart mit einem Prüfungsberechtigten im
englischen Seminar einen Termin. Die Prüfung dauert 30 Minuten und beinhaltet ein Gespräch auf
Englisch sowie das Lesen und Zusammenfassen eines kurzen Textes. Sofern man Englisch bis
zum Abitur hatte ist diese Prüfung absolut kein Problem. Nachdem ich wusste, dass ich meinen
Platz sicher habe, habe ich mich direkt auf der Internetseite der Technischen Universität Tallinn
(Tallinna Tehnikaülikool/Tallinn University of Technology) informiert. Diese Universität hat eine
sehr ausführliche Seite für Austauschstudenten mit vielen hilfreichen Informationen bzgl. der
Bewerbung, des Aufenthalts, des Studiums, der Unterkunft und aller wichtigen Schritte, die
gemacht werden müssen. So werden dort beispielsweise alle Kurse, die in Englisch gehalten
werden und für Erasmusstudenten zugänglich sind veröffentlicht. Teilweise sogar nicht nur für
das kommende Wintersemester, sondern auch für das Sommersemester, so dass man ohne
Probleme sein Learning Agreement erstellen kann, was der Erasmuskoordinator unterschreiben
muss (http://www.ttu.ee/studying/exchange-studies/exchange-studies-incomingoutgoing/). Um
die Bewerbung endgültig abzuschließen muss man sich auf der Homepage der TTÜ registrieren
und die verlangten Unterlagen hochladen. Dort kann man auch angeben ob man einen Tutor
beiseite gestellt haben möchte und im Academic Hostel unterkommen möchte. Ich kann beides
empfehlen. Der Tutor holt dich am Flughafen ab und bringt dich zu deiner Unterkunft, so dass man
sich bei der Ankunft nicht total verloren fühlt. Es ist eigentlich normal, dass sich die Kursauswahl
noch einmal verändert wenn man wirklich vor Ort ist, so dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn man
noch Mal ein geändertes Learning Agreement nach Hause schicken muss, damit der Koordinator
es erneut absegnet. Danach reicht man es dann bei der Koordinatorin an der TTÜ ein. Das sollte
relativ schnell nach Beginn des Auslandsstudiums gemacht werden, damit man es nicht vergisst.
UNTERKUNFT
Früher gab es nur ein Academic Hostel direkt an der Universität, die sich etwas außerhalb der
Stadt in Mustamäe befindet. Im Februar haben sie aber ein zweites (Endla) eröffnet, direkt in der
Innenstadt unweit der mittelalterlichen Altstadt. Dort habe ich die ganzen Monate gelebt und kann
das nur sehr empfehlen. Man fährt zwar je nach Verkehrslage 15-30 Minuten mit dem Trolleybus
zur Uni aber man läuft nur 5 Minuten von der Innenstadt zu der Unterkunft. Das Academic Hostel
in Endla ist auf einer Etage in einem Bürogebäude, alle Zimmer, Küche, Toiletten und
Aufenthaltsraum sind also in einem Flur und das ist echt ein Vorteil, da man mit seinen
Mitbewohnern ständig im Kontakt ist, sei es beim Kochen, Essen, Zähne Putzen oder Vorglühen.
Dadurch hat sich eine tolle Gemeinschaft gebildet. Es gibt einige wenige Einzelzimmer und
ansonsten Doppelzimmer. Die Zimmer sind mit je zwei Betten, zwei Regalen, zwei Schränken, zwei
Lampen und einem Kühlschrank ausgestattet. In der Küche gibt es drei Mikrowellen und drei Öfen
samt jeweiligem Herd. Im Aufenthaltsraum gibt es einen großen Plasmafernseher mit deutschen,
amerikanischen, russischen und estnischen Sendern. Die Duschen werden zwar als
Gemeinschaftsduschen deklariert, jedoch ist jede Dusche separat und abschließbar man muss
sich also vor niemandem nackt präsentieren. Außerdem gibt es zwei Waschmaschinen, so dass
man sich selbst um die Wäsche kümmern kann. Ich habe für die Unterbringung in einem
Doppelzimmer 5,90€ am Tag bezahlt was eine monatliche Miete von ca. 180€ bedeutete.
STUDIUM AN DER GASTHOCHSCHULE
Ich würde empfehlen an der Technischen Universität in Tallinn zu studieren, wenn man (1) bereits
im Master ist und (2) in Bochum MARAWO studiert. Die Kursangebote für den Master sind weitaus
größer und interessanter im Masterbereich und wenn man ernsthaft an Themen wie Human
Resources interessiert ist und plant Kurse in dem Bereich zu machen sollte man sich in Bochum
bereits auf den Schwerpunkt im Master festgelegt haben, damit man so viel wie möglich
anerkennen lassen kann. Man studiert in Tallinn zwar an der sozialwissenschaftlichen Fakultät,
aber der Studiengang, der einem als Bochumer Sowi angeboten wird heißt Work and Industrial
Psychology, so dass man dort also kein Sowi studiert, sondern Psychologie. Es gibt auch einen
Nachteil: da es nämlich in Estland üblich ist, dass Bachelorabsolventen ins Berufsleben starten,
sind die Masterstudiengänge so ausgelegt, dass man entweder abends ab 18 Uhr oder am
Wochenende Uni hat. Gerade die Kurse für Work and Industrial Psychology sind am Wochenende.
Deshalb würde ich empfehlen mich auch in anderen Fakultäten umzusehen. Ich habe deshalb
auch Kurse bei den Wirtschaftswissenschaftlern besucht sowie einen Sprachkurs in Estnisch
(Estonian language and culture), den ich sehr empfehlen kann.
Die Kurse bei den Psychologen sind immer sehr klein. In diesem Semester waren es drei estnische
Studentinnen und mit mir zwei Erasmusstudenten, was natürlich seine Vor- und Nachteile hat. Da
ich mich aber sehr für das Thema Personalbeschaffung und –entwicklung interessiere, habe ich sie
gewählt obwohl sie samstags- und sonntags morgens stattgefunden haben und es nur so wenige
Teilnehmerinnen gab. Es hat sich aber auf jeden Fall gelohnt, da die Kurse sehr praxisnah
orientiert sind und man so viel Wissen für das Berufsleben erhält.
Die Studienleistungen werden auch anders erbracht als in Bochum. Anstatt eines Referats und
einer Hausarbeit oder Klausur muss man weit mehr während des Semesters machen. Allseits
beliebt sind text reviews, reading assignments, presentations darüber sowie kleinere research
works. Bei den Wiwis gibt es auch Punkte für die Anwesenheit. Am Ende stehen dann Klausuren,
die aber höchstens 50% der Gesamtnote, meistens sogar nur 25% ausmachen. Da auch die
Dozenten keine Muttersprachler in Englisch sind, sind sie mit der Sprache nicht so streng. Wenn
sie sehen, dass man sich Mühe gegeben hat werden deine text reviews und reading assignments
auch schnell mit einem excellent bewertet und man bekommt die volle Punktzahl.
ALLTAG UND FREIZEIT
Wenn man in Endla wohnt und die ersten Tage mit Essen gehen gefüllt hat, merkt man doch
schnell, dass das ins Geld geht, auch wenn auswärts Essen günstiger ist als in Deutschland.
Deshalb würde ich empfehlen auch selbst zu kochen. Die zwei günstigsten Supermärkte sind Rimi
und Prisma, wobei Prisma von Endla aus besser zu erreichen ist.
Wenn man Shoppen gehen möchte kann ich das Rotermanniquartier (Rotermanni Kvartal) sehr
empfehlen mit Geschäften wie Stradivarius, Pull&Bear, Bershka oder Springfield. Ansonsten kann
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man auch in die Einkaufszentren Viru, Kristiine oder Solaris gehen. Ab Herbst 2013 soll auch
endlich der erste H&M in Estland eröffnet werden.
Da die Uni meistens abends ist, hat man tagsüber viel Freizeit, die man in Tallinn sehr gut
verbringen kann indem man diverse Museen, Sehenswürdigkeiten, sowie die Stadt selbst
besichtigen kann. Ich würde sehr empfehlen mich in allen Facebookgruppen anzumelden wie
Spring/Autumn Semester 2013/2014 in Tallinn, TUT Gruppen etc., da man dort eigentlich alle
Verabredungen trifft und man immer Bescheid weiß was grad so los ist und wo man sich bei
Freizeitaktivitäten anschließen kann. Das ESN (Erasmus Student Network) ist in Tallinn sehr gut
organisiert, so dass man viele Freizeitaktivitäten grade zu Beginn, wenn man noch nicht viele
Menschen gut kennt, auch mit Studenten vom ESN unternehmen kann.
Partys gibt es auch und das nicht zu knapp. Montags kann ich Red Emperor empfehlen, das ist ein
alternativer Laden wo man günstig Bier trinken, Billard spielen und Karaoke singen kann. Das ist
sehr witzig und eine gute Abendgestaltung. Mittwochs steht meistens eine Erasmusparty auf dem
Plan. Dj Sin-Sin ist zwar nicht der beste DJ aller Zeiten, aber er veranstaltet immer Partys extra
für Erasmusstudenten, so dass die Clubs in denen er auflegt immer voll sind, man schnell alle
möglichen Leute kennt und trifft und die Getränke echt günstig sind (1,50€ für Longdrinks wie
Gin-Tonic, Rum-Cola oder Wodka-Juice). Achte darauf, dass du dich bei den Facebookevents
einträgst, dann kommt man meistens günstiger rein. Das gilt auch für alle anderen Partys, die in
Tallinn so stattfinden. Donnerstags kann ich Club Hollywood empfehlen, da findet einmal im
Monat eine Drum’n’Bass/Dubstep Party statt, die ist echt gut. Ansonsten wird dir auch an den
restlichen Tagen der Woche abends in irgendeinem Club immer was geboten.
Da Tallinn geographisch sehr günstig liegt würde ich auf jeden Fall empfehlen viel zu reisen. Auf
eigene Faust bieten sich auf jeden Fall Städte wie Helsinki, Riga, Vilnius, Warschau oder Krakau an.
Auch andere Städte in Estland wie Tartu oder Pärnu sollte man gesehen haben, ebenso wie den
Nationalpark Lahemaa sowie die Inseln Hiumaa und Saaremaa. Auf keinen Fall verpassen dürft ihr
die ESN-Trips nach Lappland, St. Petersburg, Stockholm sowie der „Legendary Trip to Southern
Estonia“.
Außerdem sollte man unbedingt Vana Tallinn probieren!
BESONDERHEITEN BEI SCHWERBEHINDERUNG
Da ich eine Erasmus-Schwerbehindertenförderung erhalten habe, habe ich das Leben in Tallinn
insbesondere unter dem Aspekt betrachtet, ob es für schwerbehinderte geeignet ist. Ich habe im
Zuge dessen festgestellt, dass sowohl das Academic Hostel in Mustamäe als auch in Endla dafür
geeignet sind. Es gibt in beiden Unterkünften einen Aufzug, um in die oberen Etagen zu gelangen
und die Zimmer sowie Duschen und Toiletten sind in beiden Unterkünften barrierefrei zu erreichen.
Auch die Uni ist für Gehbehinderte gerüstet. Es gibt in jedem Treppenhaus Aufzüge, die während
des ganzen Semesters immer funktioniert haben. Ein Vorteil ist auch, dass die Gebäude alle auf
einer Ebene miteinander verbunden sind, wenn man also beispielsweise von Gebäude X zu IV
möchte, dann kann man bequem auf einer Etage bleiben. Die einzige Herausforderung dürfte für
Schwerbehinderte im Transport in den Bussen und Straßenbahnen liegen. In Tallinn fahren
teilweise Busse, die an Reisebusse erinnern. Beim einsteigen muss man drei Treppenstufen
überwinden. Jedoch fahren diese Busse auf der Route Stadt-Universität nicht, so dass es
zumindest auf dieser Strecke kein Problem darstellt gehbehindert zu sein.
Da meine Schwerbehinderung aufgrund einer massiven Sehschwäche begründet ist, habe ich
natürlich auch darauf geachtet wie insbesondere die Uni darauf eingestellt ist und habe
festgestellt, dass es absolut kein Problem ist an der TTÜ mit dieser Behinderung zu studieren.
Gerade das Gebäude in der die Sozialwissenschaftliche Fakultät angesiedelt ist, wurde erst vor
wenigen Jahren neu gebaut, so dass die Seminarräume und Vorlesungsräume auf dem neuesten
Stand der Technik sind. Die Beamer funktionieren in jedem Raum und scheinen auf große
Leinwände. Außerdem sind die Räume im Vergleich zu Bochum eher klein, so dass man auch
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immer nah genug sitzen kann, um alles lesen zu können. Auch im ÖPNV ist es für Sehbehinderte
von Vorteil, dass jeder Halt inkl. der nächsten Bushaltestelle/Tramhaltestelle angesagt wird.
FAZIT
Ich kann Tallinn als Wahl für ein Auslandssemester nur sehr empfehlen, da diese Stadt sich sehr
für Erasmus eignet. Die Uni ist ganz anders als die RUB sowohl hinsichtlich der Größe als auch der
Lernphilosophie und der Seminar- und Vorlesungsgestaltung. Die Stadt ist relativ klein, was den
Vorteil hat, dass man sich schnell zurecht findet und es sehr einfach ist sich mit seinen neuen
Freunden zu verabreden und was zu unternehmen. Außerdem liegt Tallinn auch geographisch
günstig, so dass man viel und zumeist auch günstig reisen kann. Ich kann es auch sehr empfehlen
in Tallinn zu studieren, weil das ESN sehr gut aufgestellt ist und viele Aktivitäten anbietet an
denen man unbedingt teilnehmen sollte.
Eine beste oder schlimmste Erfahrung habe ich eigentlich gemacht. Eine sehr gute Entscheidung
war es mich in Endla einzuquartieren weil diese Unterkunft alles bietet was ein Erasmus-Student
sich wünscht: ein bequemes Bett, gute ÖPNV-Anbindung an die Uni, ständiger Kontakt mit den
(zumeist sehr netten) Mitbewohnern, 5-Minuten-Fußweg in die Stadt wo eigentlich jeden Abend
was los ist. Eine ungewöhnliche Erfahrung war die lange Dunkelheit zu Beginn des Semesters. Es
wurde erst so gegen 9 Uhr morgens richtig hell und bereits gegen 15 Uhr dämmerte es schon
wieder. Es war mir zwar klar, dass so hoch im Norden die Tage im Winter länger dunkel sind aber
es war dennoch ungewohnt wenn die Tage so kurz sind. Andererseits sind die Tage ab Mai dafür
umso länger 
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