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Tim Alfers Ware Macht Dicker, kalter Nebel – hatte sich vor die Sonne geschoben und die Spitzen der Skyscraper Manhattans veschluckt. Vielleicht waren die obersten Stockwerke in diesem Moment ja tatsächlich verschwunden, dachte er. Sie könnten längst nicht mehr Teil dieser Welt sein, aber keiner der winzigen unbedeutenden Menschen hier unten in den Strassenschluchten ahnte etwas davon, weil der Nebel so gekonnt klammheimlich seine „Arbeit“ verrichtete. Bei diesem Gedanken huschte ein flüchtiges, kühles Lächeln über das glattrasierte Gesicht von Lawrence Ellison. Er warf einen kurzen Blick auf die Frau die ihm gegenüber auf den Ledersitzen der Limousine saß. Der Chaufffeur hielt den Wagen an und drehte sich um. „Mr. Ellison, wir haben das Kampinski erreicht. Ich wünsche den Herrschaften einen angenehmen Aufenthalt.“ Die Wagentür öffente sich und ein junger Hotelportier empfing sie in einer unangenehm aufgesetzten Weise: „Herzlich Willkommen im Kampinski, Mr. Ellison. Ich hoffe, unser Service wird sie zufriedenstellen.“ Lawrence stieg mit einem dynamischen Schwung aus der Limousine und würdigte den Portier keines Blickes. „Unprofessioneller Versager.“ dachte er, während er die Eingangstreppe des Hotels überwand und in die Lobby eintrat. „Kümmer dich lieber um meine Frau.“ Er kalibrierte seine Gesichtszüge zu jenem sympathischen, souveränen Ausdruck, der ihn unwiederstehlich für die Frauen und seine Geschäftspartner machte und trat an die Rezeption. „Guten Abend Mr. Ellison!“ Ich sehe, sie sind mit ihrer neuen Frau hier… Es ist uns wie immer eine Ehre! Hier sind die Schlüssel für ihr Zimmer. Die Herrschaften der ATF-Society hoffen auf ihr Erscheinen in der Lounge.“ Lawrence legte den Arm um die Schultern seiner Frau, die neben ihn getreten war und sich ein etwas künstliches Lächeln abrang. „Sicher. Wir werden jetzt gleich dort hingehen und später erst das Zimmer beziehen.“ Er steckte den Schlüssel ein, ließ seine Frau bei sich einhaken und schritt mit ihr in die Lounge neben der Lobby. „Ganz wie sie wünschen Mr. Ellison!“ rief der Mann von der Rezeption ihm hinterher. Die Lounge war ein großer, geschmackvoll eingerichteter Saal mit einem glänzenden hellen Boden und niedrigen Sitzgruppen aus dunklem Tropenholz und edlem Leder. Derartiges Ambiente war Lawrence mehr als vertraut. Es waren Räume wie dieser, in denen er häufig seine Geschäfte machte und unschlagbar war. Er wusste jetzt schon, wie der Abend verlaufen würde. Sie würden teure Zigarren rauchen und Champagner trinken. Die Männer würden ihm endlose Komlimente machen, ihn für seine wunderschöne neue Frau beglückwünschen und ihn schliesslich um Geld bitten. Sie würden ihn in einer gerade noch gesellschaftsfähigen Weise regelrecht anflehen, in ihre Unternehmungen zu investieren. Männer die viel älter waren als er. Früher, vor langer Zeit, hatte ihn das noch gereitz. Heute langweilte es ihn. Vielleicht würde er ihnen Geld geben und sie damit von ihm abhängig machen. Vielleicht würde er es freundlich verweigern und den Moment zerbrechender Hoffnung in ihren Augen beobachten. Es war ihm eigentlich egal… Es war kurz vor 12. Die Tür zum Bad war nur angelehnt und er konnte sie singen hören. Es war ein Song, den er damals als Student oft gehört hatte: Always look on the bright side of life… Verdammt, wer war diese Frau, dass sie sich herausnahm, ihn mit diesem Scheiß zu quälen? Er lockerte seine Krawatte, um besser atmen zu können, setzte sich auf die Kante des Doppelbetts und ließ seinen Blick durch das Hotelzimmer wandern. Das Zimmer war in das warme Licht der Bettlampen getaucht und penetrant unaufgeräumt. Sie hatte ihren Kram gleich nachdem sie hereingekommen waren überall verteilt und sich damit das Zimmer völlig angeeignet. Herrgott, das hier war doch ein Luxushotel! Warum war das Zimmer eigentlich so beschissen klein? Ihr Abendkleid lag zerknittert auf dem Bett, auf der Strecke ins Bad reihten sich hintereinander ihre nuttigen Lackschuhe, ihre Strumpfhose und ihr schmutziger Schlüpfer mit Spitze. Eigentlich mochte er keine Spitze… Über dem Spiegel hing ihr pinker BH. Wozu braucht sie den überhaupt, fragte er sich. Vor dem Spiegel befand sich ihre goldene Handtasche. Sie war umgefallen und unzählige Schminkutensilien waren herausgequollen. Er betrachtete die Farbe ihres Lippenstiftes: Pink. Er haßte Pink. Was mochte eine Frau nur dazu veranlassen, derart geschmacklose Dinge zu tragen? Wer war sie eigentlich? Was ging in ihrem Kopf vor? Er hatte noch nie mit ihr intim gesprochen und verdammt, er wollte es auch nicht! Wenn er es tun würde, dann würde sie sicher damit anfangen ihm Fragen über seine Gefühle zu stellen. Dabei hatte er keine. Schon lange nicht mehr. In diesem Moment aber, in dieser unerträglichen Dichte des Hotelzimmers, empfand er endlich wieder etwas! Und er umarmte dieses Gefühl, obwohl es so abstossend war, dass ihm kalter Schweiss auf die Stirn trat. Der schwere, süssliche Geruch ihres Parfumes nahm ihm die Luft. Die Wände des Raumes schienen sich auf ihn zuzubewegen als wollten sie ihn zwischen sich erdrücken. Das Chaos in seinem Kopf pochte von innen gegen seine Schläfen. Er hob den Schlüpfer auf, vergrub sein Gesicht in ihm und konzentrierte sich auf seine Empfindung. Dann wusste er, was er fühlte. Das Chaos war plötzlich verschwunden und ein kalter, glasklarer Gedanke durchschoss ihn: „Ich hasse diese Frau! Wenn sie nur einfach tot umfallen und verschwinden könnte!“ Sein Puls begann zu rasen. Er sah Bilder von Blut auf weißen Fliesen vor seinem inneren Auge aufblitzen. Den angsterfüllten Blick seiner Frau und dann… Aus dem Bad ertönte ein kurzer, spitzer Schrei. Auf ihn folgte das quietschende Gräusch von Haut, die über nasses Emaille rutscht und dann: Ein dupfer, ekelhafter Laut wie das Bersten eines Schädelknochens auf Keramik oder Goldarmaturen. Lawrence hielt den Atem an. Das einzige was er hörte, war das Pochen seines eigenen Herzschlags. Etwas Unfaßbares war geschehn. Seine Frau war verreckt, weil er es so wollte! Unbezahlbare Erregung erfasste ihn. „Scheisse, ich bin so verdammt mächtig, dass jetzt wirklich passiert, was ich will!“ Er hatte sich selbst übertroffen. Er hatte etwas geschafft, das noch kein Mann vor ihm erreicht hatte. Er war Gott! Er wusste schließlich, was er dort sehen würde. Seine Frau lag mit gebrochenem Schädel in einer grossen Blutlache auf dem Boden. Sukhjeet Bhuller Es ist 18 Uhr. Die Galerie hat schon seit einer Stunde geschlossen und es ist endlich Zeit nach Hause zu gehen. Normalerweise nimmt die junge Galeristin ein Taxi nach Hause. Aber weil der Abend heute so schön ist, beschließt sie nach Hause zu laufen. Es ist ja auch nicht so weit. Auf dem Weg durch die Stadt kommt sie an einem Gebäude vorbei, das sie vorher noch nie bemerkt hat. Sie verspürt den Drang hineinzugehen. Sie drückt die Tür und tatsächlich, sie geht auf. Im Innern erkennt die junge Frau, dass sie in der Lobby eines Hotels steht. Sie wohnt in dieser Stadt schon seit Jahren, aber sie wusste nie, dass hier ein Hotel war. Die Lobby ist noch voll eingerichtet, aber die Möbel sind verstaubt und voll mit Spinnenweben. Es scheint auch so, als hätten sich die Ratten bei den Möbeln ans Werk gemacht. Überall sieht man schon das Polster rausquillen. Sie läuft weiter in die Lobby und gelangt schließlich in den Ballsaal. Wie der Empfangsbereich ist auch dieser Saal noch voll eingerichtet. Sie kann fühlen wie es hier zugegangen ist. Sie spürt, wie die Gäste hier zu Abend gegessen, getanzt und wie sich die Frauen beim Frühstück unterhalten haben. Es scheint ein Hotel aus dem frühen 20. Jahrhundert zu sein. Sie schaut sich das ganze Hotel an, auch die ganzen Suiten in den oberen Etagen. Sie ist so verzaubert von diesem Ort. Hat da jemand ihren Namen gerufen? Nein, das hat sie sich nur eingebildet. Das kam bestimmt von draußen. Es wird Zeit nach Hause zu gehen. Es ist bestimmt schon dunkel draußen. Auf der Suche nach dem Treppenhaus fragt sie sich, warum dieses Hotel leer steht. Warum wurde es nicht renoviert und neu eröffnet? Wieso hat es überhaupt zu gemacht? Verdammt, wo ist denn die Treppe? Es ist doch eine perfekte Lage für ein Hotel und so schön. Das Hotel ist groß und die Türen sehen alle gleich aus. Wahrscheinlich kann sie deswegen die Treppen nicht finden. Aber da ist ein Aufzug. Den hat sie unten gar nicht gesehen. Das ist jetzt auch egal, ihre Füße tun weh und ein Aufzug ist genau das, was sie braucht. Sie ist gespannt, ob der noch funktioniert. Sie drückt auf dem Knopf mit dem Pfeil nach unten und nach ein paar kurzen Minuten ist der Aufzug schon da. Sie steigt ein und drückt auf EG. Der Aufzug fährt los, hält aber nicht im Erdgeschoss. Er fährt weiter runter. Komisch, sie hat nicht bemerkt, dass die Treppen auch zu einem Keller führten. Wahrscheinlich ist die Kellertreppe woanders. Sie kann ja einfach im Keller raus und dann die Treppe hoch laufen. Dieser Aufzug ist wohl doch schon kaputt. Der Aufzug ist endlich im Keller angekommen. Die Türen gehen auf. Sie trifft auf völlige Dunkelheit. Und dann: ein Schrei. Mateuz Broniarek „Nach ihrem Treffen war alles anders“ „Es passierte letzte Woche. Ich lag in meinem Ein-Zimmer-Appartement auf der Couch, als jemand an meine Tür klopfte und gleichzeitig einen Zettel unter der Tür durchschob. Ich lass den Zettel, und riss sofort die Tür auf um nachzusehen wer ihn mir gebracht hatte. Der Flur war leer. Ich schloss die Tür wieder und betrachtete das Stück Papier noch einmal genau. Der Absender hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht einen ganzen Satz zu formulieren: Thomas, morgen 19:00 Uhr, Exquisite Hotel, Zimmer 311. Meine Neugier trieb mich dazu diese Verabredung wahrzunehmen. Außerdem war es eine gute Gelegenheit solch ein nobles Hotel einmal von innen zu betrachten. Und wenn ich nobel sage dann meine ich ein Reich aus purem Luxus. Schon die Eingangstür war ein Traum. Über die ganze Bürgersteigsbreite war ein roter Teppich mit goldenen Franzen ausgerollt. Überdacht war dieser mit einem halbrunden Stoffdach, mit einer goldenen „EXQUISITE“ - Aufschrift. Vor der Tür standen zwei Männer mit rot-goldenen Uniformen die mich begrüßten und mir die Tür aufhielten. So wie ich angezogen war habe ich nicht mit einem so netten Empfang nicht gerechnet. Überhaupt hat mich in meinem Leben noch nie jemand so nett behandelt. Nicht einmal mein Vater hatte ein gutes Wort für mich übrig, der kannte nur seinen Schnaps, und eine Mutter besaß ich nie. Das Foyer überstieg fast meine Vorstellungskraft. Der ganze Raum war aus Marmor mit goldenen Verzierungen und war etwa so groß wie ein halbes Fußballfeld. Es war so hell, dass man meinte sein ganzes vorheriges Leben in der Nacht verbracht zu haben. Jeder Schritt den man tat hallte durch den ganzen Raum. Daneben war ein warmes Summen zu hören, zusammengesetzt aus den Stimmen der Leute die sich in dem Foyer aufhielten. In der Mitte stand ein riesiger Brunnen, dahinter, an der Wand, die Rezeption und überall im Raum an den Säulen standen Pflanzen. Alle sich dort befindlichen Menschen hatten fröhliche Gesichter, ob Gast oder Angestellter. So stellte ich mir das Paradies vor. „Sie müssen Herr Buhler sein. Herr Thomas Buhler.“ meinte eine Stimme von hinten, die sich als die des hiesigen Concierge herausstellte, und fuhr fort, „Einen schönen Guten Abend und willkommen in unserem Hotel. Sie werden bereits erwartet. Wenn Sie bitte den Fahrstuhl nehmen würden“ Ich stieg in den Fahrstuhl, auf den der Concierge zeigte, wunderte mich über dessen Größe jedoch nicht mehr. Als er Losfuhr ertönte eine leise, kaum wahrnehmbare, Melodie. Es passte einfach alles zusammen. Der Fahrstuhl war ebenfalls mit Marmor ausgelegt, wobei eine Seite ein Spiegel zierte. Ich diesem erkannte ich mich jedoch nicht richtig wieder. Ich sah anders aus. Wie eine bessere Kopie von mir. Diese Kopie zwinkerte mir zu. Und ich zwinkerte zurück. Ein Guter Tag. Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich wieder und ich sah einen nicht endenden Flur der auf mich zukam. Auch dieser war, wie schon die Eingangssituation in rot gehalten. Nebenbei bemerkt meine Lieblingsfarbe. Rechts und links entlang des Flurs erstreckten sich Türreihen. Ich sah die Tür, mit drei goldenen Ziffern: 311. Ich Sah wie sie immer näher kam. Dabei hörte ich mein Herz pochen wie wild. Unregelmäßig. Was würde sich hinter dieser Tür befinden. Ich hatte ja nach wie vor keine Ahnung wer mir die Nachricht übermittelt hatte. War es klug überhaupt hierher zu kommen? Hat mich mein Leben nicht Misstrauen gelehrt? War das alles nicht zu hübsch um wahr zu sein? Ich hielt eine Sekunde lang inne. Dann fühlte ich dieses wohlig warme Gefühl in meinen Adern. Das konnte doch nicht schlecht sein. Wie auch? Ich fühl mich doch so geborgen. Ich wollte an die Tür klopfen, doch sie ging auf, bevor ich sie berührte. Ein von gleißendem licht überfluteter Raum empfing mich. Das Licht war so hell, dass ich kaum die Wände, oder die Möblierung erkennen konnte. Und mitten drin stand sie. Meine Mutter. Sie zeigte mir ein zartes lächeln, und ich war wieder ein Kind. Mit langsamen Schritten ging ich auf sie zu. Nicht ganz sicher, und doch ungeduldig. Mit jedem Schritt den ich tat, vergaß ich ein schmerzhaftes Kapitell meines Lebens. Bei ihr angekommen war aller schmerz vergessen. Ich fiel vor ihr auf die Knie. Umarmte sie. Sie beugte sich zu mir runter. Nahm mich in den Arm. Sagte nichts. Brauchte sie nicht. Mein Herz beruhigte sich. Wurde leiser…leiser…“. Thomas schlief ein. Die Spritze aus seinem Arm rollte auf den dreckigen alten, knarrenden Holzboden und wirbelte etwas staub auf. Die einst hellen Wände waren schwarz, die Tapeten zerrissen. Außer ihm war das Zimmer leer und dunkel. Durch das Fenster fiel rotes Neonlicht in welches sein Gesicht getaucht wurde. Er würde nicht mehr aufwachen. Lena Deike Es ist ein sonniger Samstagnachmittag in New York. In der Honeymoon-Suite des Plaza Hotels herrscht hektisches Treiben. Victoria, Bridget und Anna versuchen mit vereinten Kräften Elizabeth ihr Brautkleid anzuziehen. „Es ist wirklich ein Traum, dieses Kleid, dieser Mann, diese Hochzeit. Du kannst stolz auf dich sein, du heiratest heute den begehrtesten Junggesellen ganz New Yorks.“ „Ich weiß, ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich heute ein neues Leben mit dem Mann meiner Träume beginne.“ Elizabeth zupft am Ausschnitt ihres schulterfreien, weißen Seidenkleids und betrachtet sich verträumt im Spiegel. „Habt ihr mal auf die Uhr geschaut?“ fragt Victoria. „Du willst doch nicht an Deinem großen Tag zu spät kommen. Da unten wartet die New Yorker High Society auf das Ereignis des Jahres und Du trödelst mal wieder! Auf jetzt, hier ist Dein Brautstrauß, wir müssen los, schnell!“ „Ja, Mami!“ lacht Elizabeth und streckt ihrer kleinen Schwester die Zunge raus. „Bin schon unterwegs!“ Die Mädchen verlassen kichernd die Suite und hetzen den Flur entlang zum Aufzug. Während sie warten, fällt Elizabeth auf, dass sie ihre Ohrringe vergessen hat. „Sie sind Philips Hochzeitsgeschenk, ich muss sie tragen. Geht schon mal vor und beruhigt die Meute, ich komm gleich nach.“ Sie gibt Bridget ihren Brautstrauß und rennt zurück zur Suite. „Typisch Lizzy! Immer auf die letzte Minute!“ „Was dauert das denn so lange?“ Elizabeth wartet unruhig vor der geschlossenen Tür, die Augen auf den Zeiger gerichtet, der scheinbar Ewigkeiten braucht, um die 7 zu erreichen. Ein leiser Gong ertönt und die Tür öffnet sich. „Na endlich“ sagt Elizabeth leise vor sich hin, „wenigstens ist hier ein Spiegel.“ Sie betritt den Aufzug und versucht mit zittrigen Händen die Ohrringe anzuziehen. Das erneute Erklingen des Gongs lässt sie leicht zusammenzucken, sie dreht sich zur Tür. „Hallo.“ Ben steht Elizabeth direkt gegenüber und sieht ihr in die Augen. Es durchfährt sie wie ein Blitz. Ihr wird heiß und kalt zugleich. Da steht er, der Mann ihrer Träume. Sie dreht sich wieder zum Spiegel und versucht ein zweites Mal die Ohrringe anzuziehen, aber diesmal zittern ihre Hände umso mehr. Elizabeth betrachtet Bens Spiegelbild. „Er ist es! Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß, dass der Mann, der vor dem Altar auf mich wartet, nicht der richtige für mich ist. Der richtige steht genau hinter mir!“ In diesen Gedanken vertieft fällt Elizabeth ein Ohrring aus der Hand und landet mit einem leisen klirren auf dem Boden des Aufzugs. Sie dreht sich erschreckt um und steht Ben genau gegenüber. Er hebt den Ohrring auf. „Danke.“ Elizabeth dreht wieder zum Spiegel, aber jetzt ist es endgültig um sie geschehen. Ihre Hände sind eiskalt und zittern wie Espenlaub. Ben ergreift die Gelegenheit. Er befestigt den Ohrring an ihrem rechten Ohr und streicht ihr dabei sanft eine Haarsträhne, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hat, von der Schulter. Elizabeth dreht sich zu ihm. Sie spürt nur noch ihr Herz, das wie wild klopft. Sein Kopf nähert sich ihrem, sie kann seinen Atem spüren. Es ertönt der Gong, die Aufzugtür öffnet sich. Irritiert weichen Ben und Elizabeth auseinander. „Mein Taxi, ich“ stammelt Ben. „Ja, ich muss auch“ erwidert Elizabeth und verlässt den Aufzug Richtung Ballsaal. „Willst Du, Elizabeth Brooks, diesen hier anwesenden Philip McKenzie zu Deinem Mann nehmen, ihn lieben, achten und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, bis das der Tod euch scheidet, dann antworte mit ja.“ Der Friedensrichter schaut Elizabeth erwartungsvoll an. Sie dreht sich zu Philip, der sie ebenso erwartungsvoll anlächelt, dann sieht sie zu Boden. „Ich kann das nicht tun! Es tut mir so leid!“ Elizabeth lässt ihren Brautstrauß fallen, rafft ihr Kleid und rennt den Gang entlang hinaus aus dem Ballsaal. Das Aufstöhnen der entsetzten Hochzeitsgesellschaft nimmt sie nicht mehr war, ihre Gedanken sind bei Ben. Sie muss ihn finden. Wo ist er? Was hat er gesagt? Taxi? „Zum Flughafen, bitte.“ Ben schaut aus dem Fenster des Taxis zurück auf den Eingang des Plaza Hotels. Seine Maschine zurück nach Hawaii startet in zwei Stunden, es ist Rush Hour, das wird knapp. Das Taxi bewegt sich nur schleppend. Wer war diese wunderschöne Frau in dem weißen Kleid? Was hatte sie vor? Was musste sie? Doch wohl hoffentlich nicht heiraten! Und wenn, dann nur ihn! Die Gedanken in Bens Kopf überschlagen sich. „Halten Sie an, sofort!“ Er stürzt aus dem Taxi und die Straße zurück zum Plaza, an dem Pagen vorbei, durch die Lobby, zum Ballsaal. „Es ist nicht zu fassen! Lässt sie ihn einfach stehen!“ Es herrscht immer noch Verwirrung in der Hochzeitsgesellschaft. Ben lässt den Blick durch den Saal schweifen, sie ist nirgends zu erkennen. Er dreht sich um und rennt zurück durch die Lobby zur Rezeption. Der Aufzug scheint noch langsamer zu sein als sonst. Der Weg bis zum fünften Stock kommt ihr vor wie eine Ewigkeit. „Vielleicht hat er etwas vergessen und musste zurück zu seinem Zimmer. Er hatte ja schließlich keine Koffer dabei. Hoffentlich wohnt er auch im fünften Stock, hier ist er zumindest eingestiegen. Egal! Ich werde ihn finden!“ Elizabeth verlässt den Aufzug und irrt durch den langen Flur. Sie kennt die Zimmernummer nicht, aber das ist ihr egal, sie klopft an jeder Tür. Ben steht im Aufzug, Gedanken schießen ihm durch den Kopf. „Hoffentlich ist sie auf ihrem Zimmer. Hoffentlich ist sie nicht einfach davon gelaufen. Sie in der Stadt zu finden ist schier unmöglich.“ An der Rezeption hat er erfahren, dass die Honeymoon-Suite im siebten Stock liegt. Sein Weg führt ihn direkt dorthin, aber sein Klopfen bleibt unbeantwortet. „Vielleicht sucht sie auch nach mir? Ich bin im fünften Stock in den Aufzug gestiegen.“ Ben zögert keine Sekunde, er rennt zurück zum Aufzug. Elizabeth hat kein Glück. Entweder wird ihr nicht geöffnet oder keiner hat einen Mann gesehen auf den ihre Beschreibung von Ben passt. Sie läuft den Flur entlang zurück zum Aufzug. In ihrem Kopf herrscht nur ein Gedanke. „Ich muss ihn wieder sehen!“ Elizabeth wartet unruhig vor der geschlossenen Tür, die Augen auf den Zeiger gerichtet, der scheinbar Ewigkeiten braucht, um die 5 zu erreichen. Ein leiser Gong ertönt und die Tür öffnet sich. „Hallo.“ Ben steht Elizabeth direkt gegenüber und sieht ihr in die Augen. Es durchfährt sie wie ein Blitz. Ihr wird heiß und kalt zugleich. Da steht er, der Mann ihrer Träume. „Hallo!“ Fabio Fichter „Hibakusha“ Das Hotel stand in Arizona; weiße Flächen und Schwünge an einem schroffen Hang. Die gelbe Sonne brannte glühend heiß auf die staubige Brachlandschaft. Die Trockenheit fraß sich durch das Tal. Es lag ein Hauch von nuklearer Detonation in der Luft. Das Hotel hatte einmal Leben in sich. Es war einmal landesbekannt und gut besucht aber jetzt war es nur noch ein Schatten seiner selbst, eine Erinnerung an frühes, frisches Leben. Der leere Swimmingpool gammelte hinter dem Haus. Die Kellnerinnen schlichen ziellos durch die Gänge und der Besitzer hatte schon längst resigniert. An der Theke saß ein alter Mann, trotzig und roh; die Lucky Strike lässig zwischen die Finger gesteckt; den besten Scotch des Hauses zu Feier des Tages. Im Fernseher nebenan warnte die Regierung vor dem Angriff der Russen! „Duck and Cover“ „Hätten wir es denen doch auch gleich gegeben.“, murrte er. Ein junges Mädchen betrat das Hotel. Sie hatte feines schwarzes Haar, das ihr lang über die Schultern fiel. Ihre Haut schien unendlich dünn und zerbrechlich. In ihrem blassen Gesicht funkelten nur die dunklen Augen in ihren tiefen Höhlen. Sie war benutzt worden; ihr ganzes Leben lang. Die zweite Person die das Hotel betrat war ein Schatten, eingehüllt in einen braunen Umhang, fast nicht zu erkennen, aber mit einem unmenschlich schlurfenden Gang, kraftlos und dünn. Sie nahmen sich ein Zimmer. Niemand nahm sich hier ein Zimmer. „Niemand außer denen, die damals dabei waren.“, dachte sich der alte Mann. Er war der einzige der noch kommen würde an diesem 6. August, das wusste er. Das Mädchen kam zu ihm an die Bar. Der Krüppel schleppte sich zu einem Sessel. Sie faszinierte den Alten, er strich sich die Haare zurecht. „Was macht denn so ein hübsches Japsenmädel wie du hier?“ Sie schwieg darauf, doch aus dem Sessel hörte sie ein leises Knurren und Krächzen. „Ich bin gekommen, um Sie zu töten.“, antwortete sie schließlich in gebrochenem Englisch. Ihre Stimme klang fein und leise. Diesmal schwieg er. In ihrer Hand blitzte eine Klinge. Sie war hübsch und sie war schüchtern. Er fragte sich wer sie war. „Ich bin eine Hibakusha.“, antwortete sie. „Ihr habt sie gezündet, ihr habt sie fallen gelassen. Ihr verdient den Tod.“ Sie zitterte. „Für Freiheit, Demokratie und Vaterland.“, stammelte er. „Wir wussten nicht…!“ Er brach ab. Sie weinte leise. Er kam um zu feiern, doch auch er weinte. Wieder ertönte das Krächzen, der Schatten stemmte sich hoch und sie zuckte zusammen. Sie musste die Ehre wieder herstellen und zückte ihr Messer. Die Klinge strich an seinen Hals und berührte seine Bartstoppeln. Geifernd kam der Schatten näher und wollte Blut sehen. Der Alte wartete still. Doch sie konnte es nicht. Sie tötete nicht ihn sondern sich selbst bevor es der Krebs tun konnte. Der Schatten hatte verloren; ihr Vater war entehrt. Sie selbst starb friedlich. Paulo Gotta Noch nie hatte es in Cardenas in einem Sommer so wenig geregnet. Über mehrere Wochen hinweg sammelte sich zäher Staub in der trockenen Luft, so dass es kaum möglich war einen tiefen Atemzug zu nehmen. Allan klammerte sich fest an seinen schäbigen, alten Koffer. Die Fahrt dauerte zu diesem Zeitpunkt schon an die 2 Stunden. Im schwachen Mondschein konnte er seinen Fahrer, der ihn von Cerritos mitgenommen hatte kaum erkennen. Sie passierten ein Gebäude welches sich als Hotel zu erkennen gab. Obwohl er nicht vor hatte in diesem winzigen Ort zu übernachten, brachte seine Müdigkeit ihn dazu die Fahrt zu unterbrechen und sich auf dem kleinen, staubigen Parkplatz vor dem Gebäude absetzen zu lassen. verwundert, seine Augen flimmerten jedoch so stark vor Müdigkeit, dass er sich lieber darauf konzentrierte dem Pagen zu folgen. Es war ein kleines von der Zeit gezeichnetes Holzhaus. Mit seinem Koffer in der Hand blickte er auf die kaum beleuchtete Eingangshalle. Als er ein zweites Mal hinschaute, bemerkt er, dass im gesamten Haus kein Licht brannte. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab in die Lobby einzutreten. Ein übler Geruch von Moder stieg ihm in die Nase. Allan ging auf die Rezeption zu und bemerkte dass von den 38 Zimmerschlüsseln nur ein einziger fehlte. Suchend schaute er sich nach dem Pagen um. Dieser war nirgends aufzufinden. Obwohl er genau unter einer Lampe stand, warf sein Körper keinen Schatten. Allans Herz begann schneller zu schlagen. Sein Atem wurde heftiger. Er bemerkte den Schweiß auf seiner Stirn. Die seltsamen Ereignisse seit dem er das Hotel betreten hatte kamen ihm erneut in den Sinn. Panisch suchte er nach seinem Schatten. Allan drehte sich um, starrte paralysiert in die Mündung einer doppelläufigen Schrotflinte... gehalten von seinem eigenen Schatten welcher in diesem Moment abdrückte. Ringgg, ringgg Allan klingelte ungeduldig. Der Page schreckte auf und schlug sich beim hochkommen so heftig den Schädel, dass er beinahe ohnmächtig wurde. Nachdem er sich gesammelt hatte gab der Page Allan ein Formular dass er ausfüllen sollte, darauf hin überreichte er ihm den Zimmerschlüssel. Allan griff danach, doch es schien als würde ihm jemand diesen Schlüssel aus der Hand schlagen. Er musste sich bücken um den Schlüssel vom Boden aufzuheben. Ehe sich Allan versah , hatte sich der Page bereits mit seinem Koffer in Bewegung gesetzt. Allan folgte ihm auf der knarrenden Holztreppe in den 1. Stock. Sie betraten einen schmalen Flur. Allans Füße versanken im abgenutzten aber trotzdem flauschigen, grüngemusterten Teppich. Im schwachen Licht erblickte Allan eine Person am Ende des Ganges. Seine müden Augen erkannten, dass es sich wohl um den einzigen Gast handelte, eine junge Frau die verzweifelt versuchte Eis aus einem Getränkeautomaten zu bekommen. Bei ihr angekommen, lächelte er sie kurz an und verpasste dem Automaten einen kräftigen Schlag. Doch schon bevor er traf, schossen die Eiswürfel unkontrolliert aus der Öffnung. Allan war darüber zwar Am Zimmer angekommen, öffnete der Page die Tür, stellte sein Gepäck ab und hielt ihm demonstrativ die geöffnete Hand hin. Allan wühlte in seinen Taschen. Neben Zetteln, einem Hornkamm und benutzten Taschentüchern, fand er nur einen Glückskeks, den er einige Tage zuvor in einem chinesischen Restaurant mitgenommen hatte. Er drückte diesen dem Pagen verschämt in die Hand und schaute auf den Boden. Der Page verließ genervt den Raum, ohne die Tür zu schließen. Allans Hand zog den Schlüssel aus der Tür und schloss diese von innen ab. Matthias Hampe „Stay“ Ein Zischen, Dampf, ein letztes Stöhnen vom Motor. Dann war’s rum. Mitten in der Einsamkeit, egal wo man hinschaut, Staub und Wüste. Stue stieg aus, öffnete die Motorhaube – keine Chance, der Kühler war komplett durchgeraucht. Scheiße. Aber war da nicht ein Schild gewesen. Motel – 10 Meilen. Es dämmerte bereits. Was soll’s, hier bleiben wäre auch nicht toll. Stue nahm seine Tasche und machte sich auf den Weg. Es war ein heruntergekommenes Motel mitten in der Einsamkeit. Das kitschig einstmals wohl grell Neon leuchtende Schild ragte wie ein Denkmal besserer Zeiten in den abendlichen Himmel. Ein Wrack von Truck stand auf dem Vorplatz, gezeichnet von Wind und Rost. Kein Anzeichen von Leben in dieser gottverdammten Gegend, wäre da nicht diese Musik vom Inneren des Motels. Stue zögerte zunächst. - Ach was. Was soll schon sein, morgen bin ich wieder weg. – Er ging über den Vorplatz und betrat mit einem gewissen Unbehagen das, was wohl seine Bleibe für die Nacht werden sollte. – Morgen bin ich ja wieder weg. Die Tür öffnete sich. Hinter der schäbigen Fassade befand sich ein nicht weniger grässliches Schnellrestaurant. Mit verblasstem Kunstleder überzogene Sitzbänke an Plastiktischen. Eine Theke, wohinter sich wohl eine Küche bestehend aus Friteuse und Mikrowelle befand, ein Teil der Theke war zur Rezeption umfunktioniert. Im Hintergrund erahnte man den Aufgang zu den Zimmern. Irgendwo spielte eine Juke-Box einen alten Song. Eine Frau putzte gerade die Tische, an denen scheinbar seit Jahren niemand mehr gegessen hatte. Hinter der Theke blickt ein Typ von seinem Tresen auf, nur um den Blick kurz darauf uninteressiert wieder zu senken. – Psychopathen. Aber was will man auch erwarten in dieser Einsamkeit. – Stue schritt auf den Mann hinterm Tresen zu. – „Ein Zimmer für die Nacht“ – „10$“- Stue schob ihm das Geld über den Tresen. Lachen schalte aus dem Hintergrund. Erst leise, immer wahnsinniger werdend. – „für die Nacht. FÜR EINE NACHT. DAS IST GUT. SEHR GUT“ Stue blickte sich um. Im hinteren Bereich. strähnige Haare. Unrasiert. Runtergekommen wie der Rest. Whisky. - - „ Was willst du denn!? Sauf weiter Alter und lass mich in Ruhe.“ „Keine Sorge. Ich werde dich gleich in Ruhe lassen. Aber komm mal her. Ich will mit dir reden. Das schulde ich dir.“ Stue kam näher. Er hatte keine Ahnung warum, aber tat es. - - - - - - - - - - - - - - „Du schuldest mir gar nichts.“ „Du weist ja gar nicht, was du mir gegeben hast.“ „ Gegeben hast?“ „Freiheit, Man.“ „???“ „Hey, wie soll sich denn hier ein Motel halten? Schon mal drüber nachgedacht? Hier, in so einer Einöde. Was meinst du wie oft hier Leute absteigen?“ „So gut wie gar nicht. Aber was hat das mit deiner Freiheit zu tun.“ „Na was würdest du denn machen, wenn du Kunden brauchst, und fast nie welche hast?“ „Keine Ahnung“ „Stell dich nicht so dumm an. Du musst sie länger hier behalten. Ist doch klar.“ „???“ „Na ja, ich hab’s auch erst nicht kapiert, aber du wirst noch verstehen. Das braucht immer seine Zeit. Als ich auf meiner Tour mit dem Truck hierher kam, da hab ich den Alten auch für verrückt gehalten. Er sagte mir das gleiche, was ich dir jetzt sage. DU WIRST HIERBLEIBEN. DU BIST JETZT HIER DER GAST. BIS DER NÄCHSTE IDIOT KOMMT.“ „Was erzählst du da. Ich bin morgen wieder weg.“ „Nein. Das glaube ich nicht. Du wirst meinen Platz einnehmen. Hey, die brauchen hier einen Gast und ich war es lang genug. Aber probier´s ruhig. Versuch zu gehen. Ich hab’s versucht. Wirst schon sehen. Du musst warten müssen. 5 Jahre, 10 Jahre. Was auch immer. Danke noch mal. Du hast was gut bei mir. Schönes Leben noch.“ Der Kerl kippt den Whisky runter, steht auf und geht zur Tür. Die Tür fällt ins Schloss. Die Juke-Box springt. ENDE Johanna Hardil Es ist ein großes, schönes Hotel. Sein Charme liegt in dem Reichtum vergangener Zeiten. Doch der gute Name ist geblieben. Wo es sich befindet, spielt keine Rolle. Ein Mann betritt die Hotelaula. Er hat nur ein kleines Gepäck, seinen Mantel trägt er über dem Arm. Er ist allein. Es ist Nebensaison, dieser Umstand lässt den Unbekannten noch einsamer wirken. Der Boden auf dem er sich zur Rezeption bewegt, ist glatt und die Ledersohlen seiner Schuhe hinterlassen bei jedem Schritt ein Geräusch, das sich die große Treppe hinauf zu bewegen scheint. So sieht ihn der Portier auf sich zukommen. Er erkennt ihn, lächelt ihm freundlich entgegen. Der unbekannte Mann erwidert die Begrüßung. Es ist nicht nötig viel zu sprechen. Man kennt sich, man kennt die Gegebenheiten im Hotel. Der Schlüssel schließt seit Jahren die Tür zum selben Zimmer. Der Mann betritt den gewohnten Raum. Er legt kurz ab und sieht sich um. Alles ist so wie er es jedes Mal vorfindet. Ein Gefühl der inneren Beruhigung. Ein Blick aus dem Fenster. Die Umgebung ist in schwere Nebeldecken gehüllt. Der Unbekannte beginnt die wichtigsten Dinge an ihre Plätze im Raum zu verteilen. Liebevoll sorgfältig stellt er eine Fotographie seiner Frau und sich auf den Nachttisch. Seine Hand verdeckt dabei ihr Gesicht. Noch ist Zeit ein wenig auszuruhen. Es ist Abend geworden. Musik steigt von der Aula hinauf, durch die Flure und Türen in den Raum. Vorbereitet für den Abend an der Bar folgt der Mann freudig dieser Verlockung. Das Hotel ist wie verwandelt. Schöne Menschen in Abendgarderobe. Goldene Kronleuchter. Kellner nehmen freundlich Bestellungen auf. Mit einer Gruppe junger Mädchen, lachend und schwatzend, stößt er am Fuß der Treppe fast zusammen. Er schlägt die Richtung der Bar ein. Sein Herz, sein Atem, alles pulsiert vor fröhlicher Aufregung. Die Bar ist bereits voll. Zigarrenrauch in der Luft. Die Band feuert die Menge an, die Gäste tanzen, lassen sich vom Feuer erfassen. Der Mann nimmt an der Bar Platz. Ein gediegener Herr neben ihm verwickelt ihn in ein Gespräch, bietet ihm Zigarren an. Er bestellt einen Drink. Sein Blick schweift zur Seite, die Bar entlang. Da sieht er eine Frau. Sitzend im Profil. Allein. Die Zigarette tanzt zwischen ihren Fingern. Der Mann entschuldigt sich, geht auf sie zu. Sie scheint interessiert. Sie unterhalten sich. Sie lacht. Drinks werden bestellt. Er fordert sie auf zu tanzen. Sie bewegen sich in die Menge, tanzen wild, lachen, umarmen sich. Sie küsst in schnell in der Bewegung ihres Tanzes. Später verabschiedet sich die Band, Musik erschallt aus den Lautsprechern. Die ersten Gäste verlassen die Bar, um auf ihre Zimmer zu gehen. Er nimmt sie bei der Hand, zieht sie zu sich, küsst sie lange. Die Musik versinkt, wird ruhiger. Sie flüstert im ins Ohr. Er nimmt ihre Tasche und sie bei der Hand, die Treppe hinauf, in sein Zimmer, das er so gut kennt. Der Mann nimmt die Frau in den Arm, er berührt vorsichtig den weichen Hals. Das Bett ist ganz nah, er setzt sich, blickt auf die Fotographie auf dem Nachttisch. Sie streicht ihm über den Kopf, scheint das Bild gar nicht zu sehen. Nicht sehen zu wollen? Sie ist verliebt in ihn. Sie verbringen die ganze Nacht miteinander. Am morgen wacht er auf. Ein weißes Licht im Zimmer, die Laken zuwühlt. Sie ist nicht da. Er steht auf. Wäscht sich. Zieht die Vorhänge nicht auf. Packt seine Sachen zusammen. Er nimmt die Fotographie vom Nachttisch. Diesmal erkennt man das gesamte Bild. Er lacht darauf. Hat seinen Arm zärtlich um die Frau gelegt, die ihren Kopf an seine Schulter gelehnt hat. Auch sie lächelt glücklich in die Kamera. Es ist die Frau von gestern Abend. Der Unbekannte, den Koffer in der Hand, den Mantel überm Arm, nähert sich der Rezeption. Die Aula ist leer. Der Boden glänzt. Es scheint kein Mensch hier gewesen zu sein. Der Portier lächelt. Hinter ihm das Regal mit den Haken für die Zimmerschlüssel. Alle Schlüssel hängen an den Nummern, es fehlt kein einziger. Bis auf seinen. Er gibt den Schlüssel zurück. Der freundliche Portier verabschiedet sich. Er wird den Unbekannten bald wieder sehen. Daniel Dickel Blaulicht, Regen und Dunkelheit. Es sind zwei Wagen frontal zusammengestoflen und eine Frau wird mit lebensgefährlichen Verletzungen in einem Krankenwagen behandelt. Der Unfallwagen ist so katastrophal zerstört, dass die auftretenden Lebenszeichen des Opfers schon ein kleineres Wunder sind. Völlig unerwartet bekomme ich einen Anruf von der Polizei und erfahre von einem schweren Verkehrsunfall, den meine Frau hatte. Der Beamte erzählt mir, dass wohl der Unfallverursacher die Kontrolle ¸aber sein Fahrzeug bei regennasser Fahrbahn verlor und meiner Frau frontal in das Auto gekracht ist. Ich folge ihr sofort ins Krankenhaus und sehe als erstes sie, eine Frau ohne Lebensqualität, auf einem Bett der Intensivstation liegen. Ich kann sie zunächst gar nicht erkennen, weil sie völlig mit Schläuchen ¸bersäht ist, an einer Beatmungsmaschine hängt und künstlich mit einer Sonde ernährt wird. Angst kommt in mir auf, ich werde zittrig, Schweiß durchnässt mein Hemd und ich merke, dass sie um ihr Leben kämpft. Tausend Gedanken schießen mir in den Kopf“ der erste Kuss an der Party von Thomas, die erste gemeinsame Wohnung in München und dann unsere Hochzeit. Der Kampf um das Leben scheint schon verloren. Doch eines sonnigen Tages zeigen die medizinischen Geräte die Wende hin zum Guten an. Nur eines lässt mich in Missmut verharren: sie antwortet nicht auf meine Fragen und erkennt mich nicht mehr. Ich atme nur sehr langsam auf, da der Oberarzt mir, ihre schweren Hirnschäden und den dadurch hervorgerufenen Gedächtnisverlust bestätigt. Als meine Frau endlich aus dem Krankenhaus entlassen wird, fliege ich mit ihr sofort auf „unsere“ Insel in der Karibik, um in einem Hotel einen Urlaub zu verbringen. Seit dem Unfall dachte ich darüber nach, mit ihr sofort nach Kingstown zu reisen, um unsere schönsten gemeinsamen Tage wieder aufleben zu lassen; diese gemeinsamen Flirtwochen waren wie ein Traum. Die Ausblicke aus unserer Honeymoonsuite, diese Romantik, der Strand, das Wetter und das blaue Wasser werde ich nie vergessen. Doch all diese Erinnerungen kann sie leider nicht mit mir teilen. Meiner Frau kommt alles völlig neu vor. Ich erzähle ihr immer wieder meine Erinnerungen, die während unseres Aufenthaltes aufkommen. Je mehr ich meiner Frau beschrieb und in bildhafte Worte umsetzte, umso bekannter wurden ihr die Details, wie das Bad, der Ausblick, die Holzstaturen. Es scheint, dass ihre Erinnerungen immer mehr zurückkommen und diese sich langsam als ein „Lebenspuzzle“ in ihren Gedanken zusammensetzen würden. Es wird zwischen uns immer romantischer und die Liebe beginnt wieder neu aufzuleben. Der Urlaub gleicht den zweiten Flitterwochen. Nein, das Gefühl war noch weit aus ¸berwältigender“ denn schließlich hatte nicht nur unserer Liebe eine weitere Chance bekommen, sondern das LEBEN. Nach einem gemeinsamen Essen am Strand bei Vollmond und vielen intensiven Gesprächen, gehen wir zwei ins Bett und träumen von unserer gemeinsamen Zukunft. Plötzlich grell stechende Flammen, knackend- knisterndes Holz und beißender Rauch wecken mich. Nachdem ich mit aller Kraft um den letzten Sauerstoff des Raumes rang, scheint mein Körper so geschwächt und ich falle in einen Schock. Dann stürzt das Holzgebäude unter lautem Getose zusammen. Einer Zeitungsheadline ist zu entnehmen, dass bei einem Hotelbrand in der Karibik zwei Menschen starben. Sebastian Kemper „Das Stundenhotel“ Szene 1: Der Weg ist das Ziel Der Weg nach Hause, er kannte ihn. Jeden Tag, jeden Monat, seid Jahren fuhr er ihn zur selben Zeit zusammen mit tausend anderen kapitulationswilligen Bürokratiehamstern die ihr alltägliches Laufrad verließen. Die Frau, das Kind und natürlich der lauwarme Kartoffelbrei warteten schließlich schon geduldig auf das jeweilige Familienoberhaupt. Sie waren Galeerensklaven. Alle gefangen auf einem Geisterschiff das sich auf seinen Weg aus der Großstadt in den suburbanen Heimathafen machte. Der pünktlich einsetzende Feierabendregen lieferte die passende Begleitmusik. Nein, heute nicht. Heute sollte es keinen Kartoffelbrei geben; heute Steak, mindestens 500 Gramm und bitte schön saftig! Ein Hauch von Revolution lag in der Luft. Er hatte es von Kollegen gehört, das wiedereröffnete Stundenhotel, ein halblegaler Puff am Stadtrand, das sollte es heute sein. Zwei Straßen anders als gewohnt, schon war man da. Durchaus machbar, selbst für ihn. Er setzte den Blinker. Szene 2: Parkplatz der Perversitäten Weder Regen noch Nebel konnten das grell leuchtende Schild am Ende der Sackgasse verhüllen: Hotel. Ein verruchter roter Klecks Farbe im grau-blauen Abendszenario. Das Etablissement selbst war sein architektonisches Ebenbild: Mittelkaputt, mittelalt, und mittelmäßig, nur das Schild stach heraus. Auf dem Parkplatz herrschte reges Treiben. Die Passanten starrten ihn an und die Autos bewegten sich rhythmisch. Wie pervers dachte er und wurde nervös. Zuviel Revolution auf einmal schien nicht gut für ihn zu sein. Fremdgesteuert ging er zum Eingang. Szene 3: Die Hölle, das sind die Anderen Auf den ersten Blick schien das Innere zu halten, was das Äußere versprach. Das Ambiente hatte nicht viel zu tun mit seinem kuscheligen Zuhause. Das Gegenteil war der Fall. Die Tapeten waren verblasst, die Couchgarnitur irgendwie benutzt und das gedämpfte Licht flackerte. Sein Blick wandte sich Richtung Bar und er wurde schon wieder nervös. Die Frauen dort waren nämlich alles andere als verblasst. Sie schienen vielmehr einem seiner surrealen Wunschträume entsprungen zu sein. Lasziv räkelten sie sich in barocker Vielfalt, die Fleisch gewordene Sünde, ihre traurigen Opfer umgarnend. Allesamt Medusen damit beschäftigt die störenden Krümel von der Couch zu entfernen, Krümel wie ihn. Man tippte auf seine Schulter. Frauenstimme: „Was kann ich für Dich tun Kleiner?“ Seine Hände wurden nass, die kleine Feierabendrevolution schien im Keim erstickt. Mann: „Ähm, nichts ich schau mich eigentlich nur so mal um.“ Frauenstimme: „Verstehe, nichts, nur mal umsehen. So läuft das hier aber nicht! Das Übliche oder mal was anderes?“ Das war alles nicht seine Liga, zu hoch für ihn. Weder Körper noch Geist schienen dem gewachsen. Er würde wieder die Socken anlassen und sich bis auf die Knochen blamieren. Frauenstimme: „ Kannst mir vertrauen. Wir haben alle Männer wie Dich zu Hause sitzen!“ Mann: „Ok also, hmm, dann würd´ ich nur ein bisschen mit Dir reden wollen und vielleicht dann später, naja.“ Frauenstimme: „Schon ok, kostet aber dasselbe.“ Sie griff seine Hand und man ging Richtung Treppe. Szene 4: Der Beichtstuhl Sie saßen sich gegenüber auf dem Bett, seine Beichte begann. Mann: „Ich weiß nicht wo ich anfangen soll.“ Frau: „Am besten von vorne wenn ich Dir denn helfen soll.“ Mann: „ Ok, also bin verheiratet, mit Kind...“ Er heulte sich aus, über seine brave Frau, sein verzogenes Kind, seinen banalen Job und überhaupt die ganze Scheiße die ihm anscheinend den Weg zu einem höheren Sein versperrte. Es tat ihm gut, denn sie schien zu verstehen. Der gefallene Engel aus der Parallelwelt kannte sein tristes Leben nur zu gut. Die Zeit verging, die Revolution kehrte zurück. Mann: „So, und nun?“ Frau: „Konnt´ ich Dir helfen?“ Mann: „Ja, aber ich würd´ jetzt gern...“ Frau: „Du zahlst jetzt Kleiner, Deine Zeit ist rum!“ Scheiß Emanzipation dachte er, aber egal. Er zog sein Portemonnaie und der Blick fiel auf das obligatorische Familienfoto. Also doch Kartoffelbrei, nun gut muß ja nicht schlecht sein. Szene 5: Die Hölle, das sind die Anderen Die Tür des Zimmers schloß sich hinter ihm. Er stand allein auf dem Flur, bloß raus hier! Plötzlich öffnete sich die gegenüberliegende Zimmertüre und ein anderer Hamster verließ den Raum. Im Schlepptau eine Frau, stark geschminkt, mit Strapsen; seine eigene Frau, diabolisch grinsend. Frau: „Na Schatz! Warte schon mal unten, ich mach gleich Feierabend.“ Die Revolution war gescheitert! Philipp Knierim „Scarborough“ Schon wieder musste er raus aufs Land zu einer dieser nie endenden Verhandlungen. Es war das vierte oder fünfte Wochenende in Folge an dem Ryan nicht zur Ruhe kam. Doch diesmal konnte er wenigstens am Strand spazieren gehen, das „Clifton Bay“ lag ausgesprochen exklusif auf einer Klippe oberhalb des Atlantiks. Außerdem liebte er die kurvenreiche Küstenstrasse nach Scarborough, endlich konnte er seinen 64er E-type mal ordentlich ausfahren. „Eigentlich alles bestens“, sagte er zu sich selbst, lächelte zufrieden, drückte aufs Gas und genoss den Wind in seinen Haaren. Doch er wußte ganz genau, dass er sich damit belog. Um viertel nach sechs erreichte Ryan das Hotel und stellte seine beiden Keepalls auf den Empfangstresen. Als er seine Reservierung bestätigte, konnte er den Namen einer Person erkennen, die vor ihm eingecheckt war: „Ann van Houten“. Ryan stieg die lange Holztreppe nach oben, wenn immer er hier war, pflegte er im Eckzimmer des ersten Stockes zu nächtigen. Es war das einzige Zimmer mit Veranda. Er warf sein Sakko auf das Bett und trat aus. Ryan starrte hinaus auf den Horizont. Die Sonne versank blutrot im Meer. Und sofort liefen die alten Bilder in seinem Kopf, wie glücklich er mit ihr gewesen war, ihr makelloses Aussehen, ihr anregender Duft, ihr immer freundliches Lächeln. Doch hatte der Alltag beide zerrissen. Und dann kam ihre Krankheit hinzu. Ryan war nur schwer über ihre Trennung hinweggekommen. „Van Houten“, sagte er leise vor sich hin, sie war noch nie ein Mädchen gewesen, der es an viel fehlte. Doch mußte sie ausgerechnet diesen geleckten Princeton Affen heiraten? Sein ewiger Rivale. Van Houten hatte anfangs mit ihm studiert, und obwohl sie beim Rugby zusammen große Erfolge gefeiert hatten, hatte van Houten ihm nie verziehen, dass er den Job als Junior Partner bei GmK bekommen hatte. Ryan stieg noch schnell in die Dusche, schließlich wollte er noch bei einem Drink an der Bar entspannen, da der folgende Tag sicherlich anstrengend werden würde. Wieder mußte er an Ann denken. Er war schon seit Wochen wegen dieses Termins ziemlich nervös gewesen. Seine Kanzlei hatte ausgerechnet ihn zu der Besprechung mit dieser Reporterin geschickt. Um gut vorbereitet zu sein, hatte er seine Sekretärin recherchieren lassen und war darauf gestossen, dass es sich um seine Verflossene handelte. Ryan warf sich kurz einen dünnen Pullover über und wollte die Treppe ins Erdgeschoss hinunter gehen, als ihm plötzlich wieder die alten Bilder durch seinen Kopf schossen. Diesmal wurden sie durch einen Geruch ausgelöst. Dieser süße, völlig das Hirn betörende Duft, Ryan erkannte und folgte ihm bis zu der angelehnten Zimmertür, er zögerte, doch er konnte nicht davon ablassen und trat ein. Da saß sie, das blonde Haar trug sie jetzt etwas kürzer. Aber sie sah immer noch bezaubernd aus. „Ich hatte gehofft, dass du kommst, und sie nicht einen deiner alten Kollegen schicken!“ Sie hatte ihn also erwartet. Aber wieso? Sie stand auf, strich ihm im Vorbeigehen über die Wange und bereitete zwei Scotch. Sie redeten von vergangenen Zeiten. Ryan fühlte sich nach anfänglicher Skepsis prächtig, schienen doch auch in ihr die alten Gefühle aufzukeimen. In einem wahren Gefühlsnebel leerte er sein Glas. Und obwohl dieser Scotch nicht besonders prächtig schmeckte, bat er um Nachschub. Sein zweites Glas trank er bedachter, schließlich wusste er noch nicht, wohin ihn dieser Abend noch führen sollte, doch konnte er auch jetzt den bitteren Beigeschmack noch deutlicher ausmachen und erkannte im selben Moment, dass Ann`s Glas unangetastet auf dem Kaminsims stand. Sie lächelte, wie sie es immer tat, Ryans Augen wurden indes schwerer und schwerer, er konnte sich nicht mehr aufrecht halten und fiel vornüber auf den Fußboden. Im Augenwinkel konnte er noch einen Mann erkennen, der hinter dem Vorhang hervortrat. Er war älter geworden, doch er hatte sich nicht viel verändert. Es war van Houten. Thorsten Kraft Es ist ein verregneter Abend. Die Tür des abgewrackten „Hotel Venedig“ öffnet sich. Eine durchnässte, sehr übermüdet wirkende Dame betritt das enge Foyer. Am Empfang würdigt ihr der ungepflegte Portier keines Blickes. Stattdessen liest er ungeniert weiter in seinen anstößigen Zeitschriften. Die Dame tritt unsicher näher an die Theke heran, Ihr Blick schweift über die dreckigen Räumlichkeiten. Der Portier riecht unangenehm nach Schweiß, so dass der Dame davon übel wird. Als Sie ansetzen will, eine Frage zu stellen, stößt dieser heftig auf. Unsicher und angeekelt fragt Sie, ob dies das Hotel Venedig sei. Sie bekommt nur ein mürrisches Grunzen zur Antwort. Die Dame bittet müde und genervt um 1 Zimmer für eine Nacht und unwirsch antwortet Ihr der Portier, dass das gesamte Hotel belegt sei. Auf Ihre Nachfrage, ob sich da gar nichts machen ließe, hebt der Portier seinen Blick und lässt Ihn ohne jegliche Scham an der Frau herunter gleiten. Sein Interesse an der durchnässten, aber durchaus attraktiven Frau ist geweckt. Es sei absolut nichts frei, außer… Er hält inne, wiederholt: Es ist nichts frei. Die Frau, aufmerksam durch das Zögern des Portiers geworden, hakt nach. Gar nichts? Auch nicht, wenn ich bereit wäre einen Aufschlag zu zahlen? Ich brauche unbedingt ein Zimmer. Der Portier murmelt vor sich hin, schiebt der Frau den Schlüssel Nr. 11 herüber und fordert einen absolut überteuerten Zuschlag, der sofort zu bezahlen sei. Die Frau schluckt, ihre Nerven liegen blank. Widerwillig öffnet Sie Ihr Tasche. Der Blick des Portiers folgt Ihrer Hand, als Sie aus dieser ein Bündel Geldscheine hervor holt und in Bar bezahlt. Als die Frau die Treppe zu Ihrem Zimmer hinaufsteigt, fühlt sie seinen unangenehmen lüsternen Blick in Ihrem Nacken. In Ihrem schäbigen Zimmer angekommen, entscheidet sich die Frau, diese unangenehme Kälte, die sie beschlichen hat, mit einer heißen Dusche hinwegzuspülen. Noch immer spürt Sie seinen Blick an Ihrem Körper. Nach der Dusche will sich die Dame zum Schlafen niederlegen. Die Wände sind dünn, links neben Ihr hört Sie dass Schnarchen Ihres Zimmernachbarn, rechts schweres atmen. Sie fühlt sich weiterhin beobachtet und wird den unangenehmen Geruch des Portiers in Ihrer Nase nicht los. Sie zieht die Gardinen zu, schließt ab und bereitet mit letzter Kraft alles so vor, dass Sie ungestört einschlafen kann. Am nächsten Morgen verlässt die Dame erholt und ausgeschlafen das Hotel. Zur gleichen Zeit benachrichtigt die Putzfrau die Polizei, welche dann kurze Zeit später im Raum der Dame ein Messer in der Wand steckend vorfinden wird. Dieses ist bis zum Schaft durch die Wand gestoßen. Auf der anderen Seite der Wand lehnt der Portier tot gegen dieselbe, mit dem Auge durch das Messer an die präparierte Wand fixiert. Ines Lauer Ich war hergekommen um allein zu sein. Ich meine damit „frei von Personen die ich kenne“. Ich wollte von niemandem bemerkt werden, auf keinen Fall ein Gespräch führen. Warum weiß ich auch nicht genau und sehe auch keinen Grund dieser Frage nachzugehen. Es erleichterte mich eben. Notwendigen Austausch von Information mit dem Hotelpersonal beschränkte ich auf Stichworte. Wenn man ganze Sätze vermeidet, kann man meiner Ansicht nach nicht von einer „Unterhaltung“ sprechen. Natürlich erregte es meinen tiefsten Unmut in dieser Situation eine Arbeitskollegin im Hotel zu treffen. Ich hatte eigentlich nichts gegen sie. Ich würde mich nur einfach mit ihr unterhalten müssen. „So ein Zufall, dass wir uns hier“ usw. Drei Tage hintereinander hatte ich sie nun beim Herunterkommen in der Hotelhalle gesehen und war jedes Mal sofort wieder im Aufzug verschwunden. Heute war der vierte Tag. Es war ein kleines Hotel. Die Anstrengung ihr aus dem Weg zu gehen machte meine Erleichterung fast ebenso sehr zunichte wie ein Gespräch. (Was für ein unverzeihlicher Fehler, nicht ein größeres Hotel gewählt zu haben, in dem man weniger auffällt, verschwindet, untergeht.) Ich blieb einen kurzen Moment hinter einem Pfeiler stehen, um nachzudenken, was zu tun sei. Da stand sie auf und kam direkt auf mich zu. Ich resignierte und setzte zu einem freundlichen Gruß an. Da bemerkte ich, dass sie gar nicht auf mich zusteuerte, sondern auf eine Person hinter mir. Nicht, dass sie mich gar nicht bemerkt hätte, schließlich stand ich ihr genau im Weg und machte ein Gesicht wie jemand, der einen im nächsten Moment grüßen wird. Sie nickte mir zu, wie jemandem, der einem im Weg steht, zu dem man aber nicht unhöflich sein möchte. Kein Zweifel „ sie hatte mich nicht erkannt. Das musste nun irgendeinen Grund haben. Wir sprachen in der Firma täglich miteinander, manchmal gingen wir zusammen zum Mittagessen. Sie konnte mich nicht einfach nicht erkennen. Ich beschloss, der Sache nachzugehen. Sie stand ein paar Schritte weiter am Fenster und unterhielt sich mit jemandem. Ich ging hin und tippte ihr leicht auf die Schulter. Sie drehte sich um und sah mich etwas erstaunt und fragend an wie man einen Fremden ansieht. Ich entschuldigte mich als habe ich sie mit jemandem verwechselt, drehte mich um und ging. Nachdem ich mein Erstaunen überwunden hatte, war ich begeistert. Ich hatte wieder und wieder dieses Phänomen auf die Probe gestellt, hatte mich in der Hotelhalle neben sie gesetzt, sie beim Frühstücksbüffet scheinbar unabsichtlich mit dem Ellenbogen berührt, nur um eine kurze Entschuldigung auszusprechen. Aber nicht nur, dass sie mich nicht als ihren Kollegen erkannte, sie schien sich auch nicht an unsere jeweils vorangegangenen Begegnungen im Hotel zu erinnern. Sie schien sich nicht belästigt zu fühlen, noch war sie neugierig, warum jemand ständig um sie herum war. Ich versuchte es mit anderen Personen. In einem kleinen Ferienhotel wie diesem schien jeder zu kurzen höflichen Gesprächen bereit zu sein, ich setzte mich beim Frühstück zu einer freundlichen älteren Dame und unterhielt mich mit ihr, nur um beim Mittagessen festzustellen, dass sie keinerlei Erinnerung an mich hatte. Ich fing ein kurzes Gespräch mit der jungen Frau an der Rezeption an, nur um mich zu vergewissern, dass sie sich eine viertel Stunde später an nichts davon erinnerte. Ich hinterließ keinerlei Spuren. Ich konnte machen was ich wollte. Ich begann Räume zu betreten, an denen „privat“ oder „nur Hotelpersonal“ stand. Ich bewegte mich in der Küche, in den Umkleideräumen des Personals oder folgte anderen Hotelgästen in ihre Zimmer. Zu Beginn nickten Hotelangestellte oder Gäste kurz wenn ich ihnen beispielsweise in ihrem Bad begegnete oder wenn ich sie direkt ansah. Nach und nach schien mich aber niemand mehr auch nur zu bemerken. Ich kann anstarren, wen ich will, solange ich niemandem in die Augen sehe. Ich kann fremde Menschen berühren ohne auch nur die geringste Reaktion auszulösen. Dennoch rempelt mich niemand an oder geht gar durch mich hindurch wie durch ein Gespenst. Ich bin nicht unsichtbar. Ich kann auch durchaus Aufmerksamkeit auf mich lenken: Wenn ich spreche, scheine ich aus meiner absoluten Unauffälligkeit herauszutreten. So brauche ich beispielsweise nur das Zimmermädchen um ihren Schlüssel zu bitten, um mir Zugang zu einem beliebigen Raum zu verschaffen. Wenn ich ihn ihr kurz darauf zurückgebe sieht sie mich nur kurz erstaunt an und setzt ihre Arbeit fort. Ich gebe ihn selbstverständlich immer zurück. Ich habe nicht im Mindesten die Absicht die Ordnung im Hotel in irgendeiner Weise zu stören oder irgendwem Probleme zu machen. Ich fühle mich einfach nur frei. Irgendwie erleichtert. Und völlig frei. Dabei vermeide ich es, das Hotel zu verlassen, in der Befürchtung draußen könnte dieser eigenartige Zustand enden. Es gibt einfach nur noch ein „Innen“. Das Außen verschwimmt. Die Zeit vergeht. Ich wohne in beliebigen Hotelzimmern, allein oder mit anderen Gästen. Meine „ stets höflich vorgebrachten „ Wünsche werden von Personal und Gästen immer erfüllt, oft mit leichtem Erstaunen aber immer ohne Nachfrage. Ich bin hier und warte ab, was geschieht. Es geht mir gut. Ja, ich habe tatsächlich noch nie eine so tiefe Zufriedenheit empfunden. Vielleicht wird eines Tages plötzlich alles wie früher: Ein Hotelangestellter bittet mich höflich aber bestimmt den Personalbereich zu verlassen. Ich treffe einen alten Bekannten und er läuft auf mich zu und fragt mich wo ich so lange gewesen bin. „Dass ich dich hier treffe““ usw. Derweil lebe ich in dieser absoluten Zufriedenheit. Wir werden sehen was kommt. Christine Pelzer Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es schon 12 war. Er musste sich beeilen. Endlich hatte er seinen lang ersehnten Urlaub, in dem er neue Ideen für einen Roman sammeln wollte. In letzter Zeit hatte nichts mehr geklappt, wie es sollte. Die Koffer waren gepackt und ein Buch für die Fahrt lag bereit. Es klingelte, das musste schon das Taxi sein. worden. Und seine Sachen waren immer noch nicht vollständig eingetroffen. Nach seiner erbosten Beschwerde, dass er nicht mal seinen Agenten anrufen durfte, hatten ihm ein paar dieser penetranten Ärzte wieder ein Medikament verabreicht und aufgeregt gerufen, nun offensichtlich zu härteren Mitteln greifen zu müssen. Als er nach zwei Stunden endlich ankam begab er sich sofort in sein Zimmer und war froh, dass sein Agent sich um das Einchecken und das Gepäck kümmerte. Etwas überrascht ging er auf die Gemeinschaftstoilette auf dem Flur. Er machte sich nicht viel daraus, Luxus konnte er auch zu Hause genießen. Sie fesselten ihn ans Bett und er merkte, wie seine Gedanken quer liefen, bevor er das Bewusstsein verlor. Das Zimmer gefiel ihm in seiner Schlichtheit, er zog den bereitgelegten Schlafanzug über und ging direkt schlafen. Am nächsten Morgen wurde er um 7 vom Zimmermädchen geweckt. Das machte ihm nichts, da er hier ja etwas schaffen wollte. Nach dem Frühstück begab er sich auf Anraten anderer Gäste in weißen Kitteln in den hoteleigenen Garten um in der frischen Luft Ideen zu sammeln. Er lauschte den Lauten der Natur, hatte jedoch keine herausragende Idee. Am nächsten Tag ärgerte er sich ein wenig über das Zimmermädchen, das ihn wieder um sieben weckte, er hätte nichts dagegen gehabt, auszuschlafen. Aber wenn er schon mal wach war, konnte er auch genauso gut etwas tun. Ihm fiel auf, dass wieder viele Gäste weiße Kittel trugen. In diesem Hotel musste gleichzeitig ein Ärztekongress stattfinden. Beim Mittagessen sprach er seinen Tischnachbarn darauf an, doch der schien etwas verwirrt zu sein und gab keine vernünftigen Antworten. Nach dieser Begegnung war nichts mehr wie vorher, seine Motivation schwand von Stunde zu Stunde und als sich in den nächsten Tagen nichts änderte, beschloss er das Hotel zu verlassen. Die anderen Gäste hier sagten ihm nicht zu, vor allem diese verrückten Ärzte versuchten ständig ihm irgendwelche innovativen hoch wirksamen neuen Medikamente anzudrehen, von denen er nichts wissen wollte. Außerdem fühlte er sich hochgradig gekränkt, dass man ihm Vorschriften über die Zu-BettGehens-Zeiten machen wollte. Er war nachts schon immer kreativer gewesen. Nach ein paar Tagen packte er schließlich seine Sachen. Er hatte ein Bild seines Lieblingskünstlers in seinem Zimmer aufgehängt und es war kommentarlos einfach entfernt Er wacht auf, weil eine junge Frau seine Hand berührt. Nach einem Moment der Verwirrung stellt er fest, dass sie ihn von einem Bett losbindet. In seinem Mund schmeckt er die Bitterkeit von Medikamenten. Wo ist er? Warum befindet er sich nicht in seinem Büro, um Versicherungsanträge abzulehnen? Bilder tauchen in seinem Kopf auf und er glaubt geträumt zu haben, doch sie lassen ihn nicht los. Er weiß nur noch, dass er hier nicht hingehört, er muss sich in einem Alptraum befinden. Er sieht nur eine einzige Möglichkeit, dem zu entfliehen. Als die Frau nicht hinguckt, springt er auf und stürzt sich aus dem Fenster. Als er auf dem Boden liegt, richtet sich sein letzter Blick nach oben auf ein Messingschild, das in der Morgensonne glänzt: PSYCHATRISCHE KLINIK FÜR SCHIZOPHRENIE Er schließt die Augen. Andreas Pilot Eine europäische Großstadt bei Nacht. Die Kamera schwenkt aus dem Nachthimmel in die Straßenschluchten, diffus ist im Hintergrund etwas wie der Eifelturm zu erkennen, man sieht Autos mit französischen Kennzeichen. Die Kamera fährt auf eine historische Fassade zu, auf ein Fenster und mit einem Mal ist der Betrachter in einer noblen Hotelsuite, man sieht in Nachaufnahme, wie sich eine Frau einen Ohrring anlegt, ein Mann kommt aus dem Bad, man sieht keine Gesichter, dafür aber jede Handbewegung in Nahaufnahme. Der Zuschauer kann erkennen, dass es sich um ein Paar handelt und dass Sie sehr glücklich miteinander sind. Fröhlich verlassen beide das Hotelzimmer. Nun sieht der Zuschauer den Hotelflur, allerdings aus der Sicht und in der Qualität einer Überwachungskamera. Das turtelnde Pärchen betritt den Fahrstuhl. Nun sieht man beide von oben, sie schmusen, noch bevor der Aufzug im Erdgeschoss ankommt, holt sie sich ein Taschentuch aus ihrer Tasche, dabei fällt etwas heraus. Als beide den Aufzug verlassen zoomt die Kamera auf diesen Gegenstand, es ist ein Schwangerschaftstest, der positiv ausgefallen ist. Im Moment wird dem Zuschauer klar, dass beide so verzückt sind, weil sie ein gemeinsames Kind bekommen. Gleichzeitig sieht man eine Hand, die den Test aufhebt und die Stimmung wandelt sich von wohlig, angenehm, ruhig, harmonisch zu kalt, hart, schnell. Von nun an sind zwei Handlungsstränge im Wechsel zu sehen. Im Aufzug hört man nun eine Stimme, die sich über Funk unterhält. Das Bild wechselt zum Pärchen zurück, es betritt das Restaurant des Hotels und wird zu einem etwas abgelegenen Tisch geführt. Noch immer kann man die Gesichter nicht erkennen. Als sich beide küssen fährt die Kamera im Close-Up mit den sich nähernden Mündern mit, jedoch weiter auf die Wand zu und durch die Wand durch, in dem Moment verstummen alle Geräusche, hinter der Wand ein kalter Technikgang, in dem zwei Sicherheitsleute entlang hasten, ein Telefonat wird auf englisch geführt, die Kamera verfolgt die beiden kurz, das Bild wechselt wieder zum glücklichen Pärchen, das bereits das Essen bekommt. Die Kamera fährt auf das Essen der beiden zu, durch den Teller und Tisch hindurch an den sich berührenden Füssen vorbei durch die Decke in die Tiefgarage, man sieht einen schwarzen Wagen von oben, eine schwarz gekleidete Person steigt aus, Autotüren klappen. Die letzte Einstellung ist wieder eine Sicht durch eine Überwachungskamera: Man sieht eine Drehtür des Ritz Paris, eingeblendet sind der 30.08.1997 und die Uhrzeit 21.50 und 35 Sekunden, durch die Türen kommt erst Diana Frances Spencer, ihr folgt Dodi AlFajet. Maria Rangou Man hört Wasser. Die Dusche im Bad läuft. Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit ist der ganze Raum in Nebel eingetaucht. Man hört eine Männerstimme ein Lied singen…whoa-oa-oa! I feel good, I knew that I would, now… Er stellt die Dusche ab und greift nach einem Handtuch. Aus der engen Dusche heraus in das enge Bad wischt dieser Mann, der ende dreißig ist, den Spiegel frei und betrachtet sich. Gutgelaunt, das Lied „I feel good..“ summend, läuft er seine Haare mit einem Handtuch abtrocknend zum Bett. Ein Bett, das einem Krankhausbett ähnelt. Metallene Stäbe und eine durchgelegene alte Matratze. Er setzt sich hin und schaut auf den Fernseher der läuft. Über diesem tickt leise eine Uhr. Es ist kurz vor 23h, der 4.Dez. Eine Dokumentation über die Geschichte eines Steaks, von der Kuh bis zum Teller, widert ihn an. Er möchte umschalten. Findet die Fernbedienung auf dem Nachttisch. Beim Versuch umzuschalten fallen die Batterien aus der Fernbedienung und kullern unters Bett. Kopfüber schaut er unters Bett mit einem suchenden Blick. Dabei bemerkt er eine Aktentasche, die an der Wand unterm Bett lehnt. Neugierig holt er diese hervor. Nach ein paar Schwierigkeiten öffnet sie sich. Ein Haufen Fotos kommt ihm entgegen. Eins davon fällt runter. Er hebt es auf und schaut es sich an. Eine Frau und ein kleines Mädchen sind darauf abgebildet. Verstört schaut er sich dieses Bild eine Weile lang an. Er kniet sich vor die Aktentasche und greift in die Sammlung der Fotos. Immer wieder sieht man die Frau mit dem kleinen Mädchen darauf abgebildet. Wie von einer Tarantel gestochen schaut er sich jedes Bild an und kann nicht glauben was er da sieht. Es klopft an der Tür. Zuerst hört er das Klopfen nicht. Erschrocken schaut er zur Tür. Schnell packt er alle Fotos wieder in die Aktentasche und schiebt sie unters Bett. Das Klopfen wird immer ungeduldiger. Sich am Bett abstützend steht er auf. Immer noch mit dem Handtuch um die Hüften öffnet er die Tür. Ein Mann mit einem langen Mantel, der vor Wasser trieft, steht ihm gegenüber. Seine Kapuze und die Dunkelheit verbergen sein Gesicht. Der Mann im Mantel: Hallo Bob. Bob wird die Situation unheimlich. Er bereut die Tür aufgemacht zu haben. Als er die Tür schließen will, stellt der Mann im Mantel seinen Fuß dazwischen. Er nimmt seine Kapuze runter. Bob tritt erschrocken zurück. Bis auf die Narbe am rechten Nasenflügel sieht dieser Mann genauso aus wie er. Dieselben Augen, buschigen Augenbrauen, das Grübchen am Kinn und seine markanten Wangenknochen. Es ist so, als würde er in einen Spiegel schauen. Der Mann im Mantel: „Du hattest lange genug ein angenehmes Leben. Jetzt bin ich an der Reihe. Mich hat man in ein Kinderheim gegeben und du kamst in ein behütetes warmes zu Hause. Lange habe ich dich gesucht und nun endlich gefunden. Ganz genau, ich möchte dein Leben und du sollst meins haben.“ Man sieht vom Flur aus die Tür zufallen. Im nächsten Bild sieht man einen Mann mit einem Aktenkoffer von hinten. Eine Frau und eine kleines Mädchen kommen auf ihn zu und begrüßen ihn herzlich. Ein Blick nach hinten verrät, dass es der Mann mit der Narbe auf der Nase ist. Max Richter Jemand bekommt einen maschinell erstellten Brief, dass er ein Wochenende in einem Luxushotel gewonnen hat. Er kommt im Hotel an und es funktioniert rein automatisch, es gibt keinerlei Personal. Er wird durch aufleuchtende Hinweise und sich automatisch öffnende Türen zu seinem Zimmer geleitet. Alles funktioniert von selbst und perfekt, zuerst auch zu seiner vollen Zufriedenheit. Erst als er zum ersten Mal versucht, das System zu beeinflussen, merkt er, dass es dafür keinerlei Vorrichtungen gibt. Auch eine Abreise ist im System offensichtlich nicht vorgesehen… Rike Ruppenthal „Das Wiedersehen“ Sie kann es nicht glauben, sie weiß nicht was sie denken soll. Das Seminar in dem Hotel war eigentlich nichts Besonderes gewesen, sie hatte tausende davon besucht oder geleitet, es war ein immer gleicher Trott. Tag für Tag ging sie zur Arbeit mit dem Gedanken „das Leben geht irgendwie weiter“. Seit dem Vorfall ging alles einfach irgendwie weiter. Sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, auf diesen Schock, der sie traf, als sie ihn sah. Ihn! In dem Moment als sie ihn erblickte blieb alles stehen. Sie war unfähig zu atmen, sich zu bewegen, zu denken. Die Zeit blieb stehen. Seit ihrer Begegnung in dem Hotel war nichts mehr wie es war. Ihre Gedanken spielen verrückt, immer und immer wieder sieht sie sich in den Speisesaal des Hotels laufen, sie holt sich einen Kaffee, sie geht zu dem Tisch, an dem schon eine paar Kollegen sitzen. Sie will sich setzten und da sieht sie ihn. Er hat sitzt am Tisch nebenan, bei ihm sitzen eine Frau und zwei kleine Kinder. Eine glückliche kleine Familie. Und es trifft sie jedes Mal aufs Neue wie ein Schlag. Er ist älter geworden. Aber er ist es. Oder etwa doch nicht? Er ist es. Er hat gezuckt als er sie erblickte, sie ist sich ganz sicher. Aber als sie aus dem Speisesaal rannte, als sie die Straße vor dem Hotel entlang rannte kam er ihr nicht hinterher. War er es etwa doch nicht? Doch er war es. Sie ist sich sicher. Als sie zum Hotel zurückkehrt ist er nirgends zu sehen. Sie ist sich nicht sicher was sie tun soll. Sie will nachfragen, aber sie traut sich nicht. Sie hat Angst vor der Antwort. Es würde ihre gesamte Ordnung durcheinander werfen, die Ordnung, die sie so lange und mühsam erarbeitet hatte, seit dem Vorfall. Der Tag geht irgendwie vorbei. Sie kann sich nicht mehr daran erinnern. Nur noch an die Gefühle, die sie hatte, als sie zum Abendessen in den Speisesaal ging. Aber er war nicht da. Auch am nächsten Morgen, als sie nach einer schlaflosen Nacht, in der sie noch mal alles durchging, in den Speisesaal kommt ist er nicht da. Sie muss nachfragen, sie braucht die Gewissheit. Er ist sei vorherigen Tag nach dem Frühstück abgereist, sagt man ihr an der Rezeption. Er und seine Frau. Sie wollten eigentlich noch eine ganze Woche bleiben, aber ihm sei etwas dazwischengekommen. Sie läuft wie in Trance einfach los. Er war es. Warum sonst ist er abgereist? Er muss es gewesen sein. Sie ist nicht verrückt, auch wenn sich einige Leute damals nach dem Vorfall Sorgen um sie gemacht hatten, wegen ihrem Verhalten. Aber sie brauchte die Medikamente schon lange nicht mehr. Er war es, auch er war zusammengezuckt. Er war es, sie sieht ihn vor sich, wie er zur Haustür rausgeht und sich wie jeden Morgen mit einem Kuss von ihr verabschiedet. Sie schaut ihm nach, wie er davon fährt, mit dem Auto, das dann später nicht mehr als solches zu erkennen war, nach dem Unfall. Sie sieht die Polizisten vor sich, die ihr abends an der Tür die Nachricht überbringen. Sie sieht ihn vor sich, nach 7 Jahren, wir er an der Tisch neben ihr sitzt, mit seiner Frau und seinen Kindern. Und sie schaut auf ihre Hand wo sie nach all den Jahren noch immer ihren Ehering trägt. Edin Saronjic Extraterrestrial Szene_1: Mr. X sitzt in der Bar des Extraterrestrial und trinkt ein Vitamingetränk. Es ist sein Stammplatz den er jeden Tag um 07:30, 12:30, und 18:00 jeweils nach dem täglichen Training besucht, um seine Mahlzeiten zusammen mit einem Vitamingetränk zu sich zu nehmen. Mr. X ist ein gern gesehener Gast des Raumschiffhotels. Unauffällig und Introvertiert. Auf seinem Platz sitzt er gewöhnlich alleine 18-20 Minuten nach dem er auf sein Zimmer geht. Szene_2: Ein lauter Knall reißt Mr.X unsanft aus dem schlaf. Sein Herz schlägt schnell und laut. Mr.X schaut sich um. „Meine Damen und Herren, Hotelbesucher, aufgrund eines Schadens, und dadurch Verursachten Sauerstoffmangels, sind wir gezwungen einen Planeten anzufliegen, bitte bewahren sie die Ruhe und bleiben Sie aus Sicherheitsgründen auf Ihren Zimmern, wir werden in Kürze auf dem Planeten Erde landen.“ Mr.X richtet sich auf und schaltet die Große Fernseherwand an. Dort wird die Durchsage von einer Frau mit sanfter Stimme wiederholt. Mr.X schaltet um und beobachtet neugierig den Anflug auf diesen längst vergessenen Planeten. „Was für eine Ironie! Eine Ewigkeit her haben wir den Planeten aufgrund schwerer Naturkatastrophen und Umweltverschmutzung panisch verlassen, und nun ist der Planet unsere einzige Rettung.“, denkt sich Mr.X, steht auf und läuft zum Bildschirm. „Meine Damen und Herren, wir sind soeben auf der Erde gelandet. Das verlassen des Hotels ist aus Sicherheitsgründen strengst untersagt.“ Die Durchsage mit der sanften Frauenstimme wiederholt sich immer wieder. Mr.X steht vor dem Bildschirm und schaut sich die Bilder von der Erde an. Das Bunte, Emotionsgeladene ist alles andere als das was er von seiner Welt kennt. Er ist von den Farben, Menschen, Geräuschen dieser Großstadt fasziniert……… Szene_3: Mr.X steht mitten auf der Strasse, Menschenmassen laufen an Ihn vorbei. „Hallo Süßer, wer bist du denn?“, Mr.X wird von einer attraktiven jungen Frau angesprochen „Ich, äh, ich bin Mr.X und komme aus dem Hotel das vorhin drüben gelandet ist.“, antwortet Mr.X leise und schüchtern. „Gelandet, hahaha, du hast Humor! Ich bin mit meinen Freundinnen unterwegs, du kannst mitkommen wenn du möchtest.“ Mr.X geht mit. Die Gruppe geht von Party zu Party. Mr.X trinkt zum ersten Mal in seinem Leben Alkohol. Er Raucht. Er hat Gefühle die Ihm bisher ganz fremd waren. Sein Leben war bisher gut geplant, alles war wohl durchdacht und abgestimmt, jeder Weg hatte ein Ziel. Wer hätte gedacht, dass das Nichtstun solche Emotionen verursachen kann. Die Zeit war so kostbar, und jetzt kann er sie zum ersten Mal vergessen. Mr.X befindet sich auf der Tanzfläche in einer Bar. Er ist schon lange nicht mehr Herr seiner Sinne. Er schwingt seine Arme, hüpft zur Musik und dreht sich. Mr.X greift sich an den Kopf und bricht zusammen. Szene_4: Aufgewacht! Ein Lauter Peep-Ton geht Durch den Kopf. Diese Schmerzen. Mr.X liegt in einer dunklen Seitenstrasse im Dreck. Er blutet aus einer Wunde auf dem Kopf. Er ist kaum zu erkennen. Ein unordentlicher Bart und Haare bedecken sein Gesicht. Seine Klamotten sind Dreckig. Er schaut sich an und kriegt einen Schock. Die Kopfschmerzen werden stärker, Mr.X schreit und fängt an in Hotelrichtung zu rennen. Er rennt wie wildgeworden durch die Menschenmasse. Zum Glück hat er sich den Weg zum Landeplatz gut gemerkt. Er will nur weg hier. Weg von diesem Dreck, Gestank und Schmerzen. Mr.X kommt zu der Landestelle. Auf dem freien zurückgezogenen Feld ist aber nichts von dem Hotel zu sehen. Mr.X fällt auf die Knie und schreit weinend: „Nimmt mich mit, nimmt mich mit.“ Eine Gruppe von Obdachlosen lacht und Wiederholt: „Nimmt mich mit, nimmt mich mit.“ Mr.X fällt zu Boden und bleibt regungslos im Dreck liegen. Tillmann Sick „money makes the world go round…“ Es ist irgendwie langweilig, wenn einem immer alle zustimmen, man Unsinn von sich geben kann und alle halten es für brillant. Aber es war wieder einmal so. Die Firma, die er eben im Begriff war zu kaufen, würde in kürzester Zeit zerschlagen, die Fragmente verkauft und mit dem Geld würde er wieder auf Beutezug gehen. Es ließ sich gut leben so, immer unterwegs, zwar nirgends zuhause, aber immer alles auf hohem Niveau. Er hatte nie viel darüber nachgedacht, was der Sinn darin war. Es war eben sein Leben. Es war an einem Tag wie jedem anderen… er war mit seinem Privatjet angereist um Geschäfte zu machen. Auf der Fahrt in der Limousine zum Hotel sah er aus dem Fester die Stadt an sich vorbeiziehen. Es kam ihm irgendwie vertraut und doch so fremd vor. Er dachte nicht weiter darüber nach. Am Abend stand ein Geschäftsessen auf dem Plan. Die Limousine hatte das Hotel erreicht, 5 Sterne, wie immer, man gönnt sich ja sonst nichts. Der Chauffeur hielt ihm die Tür auf, es war ein trüber Tag, der Concierge wartete schon am Eingang. Er ging festen Schrittes auf den Eingang zu, als ihn eine Hand unsanft zurückhält. Ein zahnloses Gesicht blitze ihm entgegen. Angewidert versuchte er sich aus dem Griff zu winden und im selben Moment ahnte er, was dieser Mann von ihm wollte. Er tastete nach seinem Portemonnaie, öffnete es und wollte dem Fremden einen Schein in die Hand drücken, dass dieser wieder von ihm ablasse. Als er ihn wieder ansah bemerkte er jedoch ein freundliches und zutiefst ehrliches Lächeln in seinem Gesicht. Er spürte einen Händedruck und dann wandte sich der Penner von ihm ab. Irritiert sah er nach seiner Hand… der Fremde hatte ihm Geld in die Hand gedrückt. Wie sollte er das nun verstehen? Äußerlich unbeeindruckt setzte er seinen Weg fort ins Hotel. Auf seinem Zimmer angekommen, überkam ihn ein Gefühl, das er nicht einordnen konnte. Was war nur aus ihm geworden. Er legte seine Wertsachen fein säuberlich auf den Tisch. Zog seine 1000$-schuhe aus und spürte den Boden unter den Füßen, was ein Lächeln auf sein Gesicht zauberte. Muskeln regten sich, von denen er gar nicht wusste, dass er sie hatte… Plötzlich, als ob ihm ein Licht aufgegangen wäre stand er auf, ging eiligen Schrittes zum Aufzug und zurück in die Lobby. Laut lachend verließ er das Hotel, sah einen neuen Gast ankommen, drückte diesem mit einem breiten Grinsen den Schein, den er immer noch fest umklammert hielt in die Hand und ließ ihn mit seinem verdutzten neuen Besitzer zurück. Aus sicherer Entfernung beobachtete er, wie der Neue ebenfalls kurze Zeit später aus dem Etablissement gestürmt kam. „pete…PETE“ was war denn das nun wieder? Keine Menschenseele weit und breit. Noch mal „Hey, PETE“ etwas rüttelte an ihm. Er blinzelte… eine wahrhaft unangenehme Gestalt blickte ihn aus maximal 10cm Entfernung an. Wo kam der denn jetzt her? Und wer war Pete? Er blickte ihn fragend an. „sag mal alles ok bei dir?“ hörte er ihn sagen. Er verstand immer noch nicht, dann sah an sich selbst herab. Er war gekleidet wie ein Penner… und er fühlte sich wie ein Penner… er… brauchte das gar nicht zu Ende denken. Die Realität hatte ihn eingeholt. Der Mann vor ihm war Karl, ein dümmlicher, aber durchaus liebenswerter Zeitgenosse. „Karl,“ sagte er. „…gib mir mal n Dollar!“ „was?“ entgegnete der. „wieso das denn?“ „komm schon Karl, gib mir n Dollar, ich muss zum Hotel…“ Frauke Wassum Nach dieser Begegnung... Es regnete in Strömen und langsam begann es zu dämmern. Er fuhr nun seit geraumer Zeit durch diese Gegend und wusste nicht wirklich wo er sich befand. Nach dem Instinkt fahren nannte er das. Seine Frau wurde immer wahnsinnig, wenn er davon sprach. Heute Morgen hatten sie besprochen, sie würde vor fahren, schon mal nach dem Rechten sehen und sich um die Gäste kümmern. Er sollte ruhig nachkommen. - Fünfundzwanzig Jahre waren sie nun verheiratet, eine halbe Ewigkeit, er seufzte, warum musste man das so groß feiern? So viel Trubel war ihm gar nicht Recht, dennoch es hatte große Diskussionen gegeben und letztendlich hatte er mit Murren zugesagt. Er wollte sie nicht verärgern. Da, von weitem erkannte er es, das Hotel, so hatte er es von der Abbildung der Buchungsbestätigung im Kopf. Er fuhr die letzten Meter zügig, er war spät dran. Hoffentlich gab es keinen Ärger, schließlich konnte er nichts dafür, dass die heutige Besprechung kein Ende fand und er mitten in den Berufsverkehr geraten war. Er setzte den Blinker und bog auf den Parkplatz ab, brachte den Wagen zum Stehen, schaltete den Motor aus und zog die Handbremse fest. Er vergewisserte sich noch einmal. Doch das Gebäude kam ihm bekannt vor. Er öffnete das Handschuhfach und schob seine Hand hinein. ‚Mist’ er konnte die Papiere nicht finden, die ihm seine Frau heute Morgen mitgegeben hatte. Und er war sich so sicher gewesen, dass er sie eingesteckt hatte. Wahrscheinlich hatte er sie in der Eile auf seinem Schreibtisch liegengelassen. ‚Schnell’ dachte er, ‚Sie warteten sicherlich schon auf mich.’ Energisch öffnete er die Autotür, stieg aus und lief schnellen Schrittes, gebückt zum Schutz vor dem nicht enden wollenden Regen zum Kofferraum des Autos. ‚Seltsam’ murmelte er, hatte er nicht noch heute Morgen seinen Regenschirm eingepackt er hätte es schwören können? Na wenigstens war sein Gepäck noch da. Den Weg vom Auto zur Eingangstür des Hotels nahm er in Riesenschritten, den Kragen seines Jackets aufgestellt, die Schultern hochgezogen. ‚Sauwetter’ dachte er bei sich, ‚Mich bewegt heute nichts mehr raus!’ Die Eingangshalle des Hotels war größer, als er erwartet hatte. Eine monströs ausladende Treppe führte an der Rezeption vorbei in die höheren Stockwerke. Er konnte niemanden sehen. Jeder seiner Schritte hallte endlos nach, sonst umgab in nur Stille. Doch da plötzlich ertönte das Tackern eines Faxgerätes und er sah jemanden an der Rezeption auftauchen. ‚Guten Abend, meine Frau hat vermutlich schon eingecheckt. Heute Abend soll hier die Feier zu unserer Silberhochzeit stattfinden.’ ‚Guten Abend, dürfte ich ihre Buchungsbestätigung und ihren Personalausweis sehen?’ ‚Natürlich, einen Moment, bitte! -Ach, da fällt mir ein, ich habe leider meine Papiere im Büro liegen gelassen, aber das lässt sich doch sicherlich auch ohne klären.’ ‚Wie war noch mal ihr Name?’ ‚Paulsen.’ ‚Gut, Herr Paulsen, einen Augenblick.’ Er legte seine Hände auf den Mamortresen, doch im selben Moment zog er sie mit blitzartiger Geschwindigkeit wieder zurück, die Kälte durchzog seinen ganzen Körper. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen und sehnte sich nach einer warmen Mahlzeit mit einem schönen Glas Rotwein. Die vom Regen noch feuchten Klamotten klebten an ihm, wie eine zweite Haut. Jetzt spürte er auch die Kälte von seinen Füssen her aufsteigen. Er fragte sich, wie lange er hier wohl noch stehen und warten würde. ‚Herr Paulsen? -Wie ich sehe haben sie bereits eingecheckt. Die Papiere sind alle von ihnen unterzeichnet und der Schlüssel wurde an sie ausgegeben. Den Angaben nach, wurde auch ihr Gepäck bereits auf ihr Zimmer gebracht. Sein Blick fiel auf seinen grau, ledernen Koffer, den er handbreit neben seinen Füssen abgestellt hatte. Auch seine tiefschwarz, glänzende Aktentasche stand noch am selben Platz. ‚Einen Moment...’ stammelte er, und kramte in seiner Brieftasche. Wo war nur sein verflixter Personalausweis, den hatte er doch wirklich immer dabei. ‚Ähm, das muss ein Missverständnis sein, ich.....’ Weiter kam er nicht, seine Augen hatten genau in diesem Moment eine Bewegung am oberen Ende der Treppe wahrgenommen. Zwei Personen kamen langsam herunter gestiegen. Noch lagen die Gesichter im Schatten. Doch an der Art, wie die eine Person lief, konnte er seine Frau erkennen. Er war erleichtert, jetzt würde sich alles aufklären. Und er würde endlich ein warmes Essen bekommen. Er winkte ihr zu, doch er erhielt keine Reaktion. ‚Seltsam!’, dachte er –‚Sie hatte ihn doch angeschaut.’ Sein Blick wanderte zur zweiten Person, die die Treppe herunterkam. Der Mann kam ihm sehr bekannt vor. Im ersten Moment wusste er gar nicht, wo er das ihm vertraute Gesicht einordnen sollte. Irgendwoher kannte er ihn. Dann durchzuckte es ihn plötzlich, wie durch einen Blitz getraoffen, er war wie gelähmt, sackte in sich zusammen und bekam nur noch schwer Luft. Es war nicht irgendein Mann der da die Treppe neben seiner Frau herunterstieg, es war niemand anders, als er selbst. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Wie war das möglich? Er begann zu zittern. Träumte er? Halluzinierte er? –Er kniff sich in den Arm. Nichts geschah. Er versuchte ein weiteres Mal seiner Frau zu zuwinken, diesmal energisch mit ausgestrecktem Arm, doch ohne ihn zu beachten, lief sie mit ihrer Begleitung an ihm vorbei und verschwand in der Tür zum Restaurant. Als ob er unsichtbar wäre. Er drehte sich Hilfe suchend um, doch an der Rezeption war niemand mehr. Das Faxgerät hatte aufgehört zu tackern und das Reservierungsbuch war verschwunden. Er wankte von der Kälte ganz steif geworden, den Weg zur Tür. Er war wie benebelt. Er öffnete die schwere Holztür und stand mit einem Mal wieder auf der Strasse. Er quälte sich die Stufen herunter und musste aufpassen, dass er nicht ausglitt. Es hatte noch immer nicht aufgehört zu regnen. Und das Wasser stand in Pfützen auf dem Parkplatz. Da, in der einen lag etwas, es glänzte. Er näherte sich dem Ding und hob es auf. –Sein Personalausweis; das Bild erkannte er sofort. Doch nun stutzte er schon wieder, Hermann Lüders’ -So hieß er doch gar nicht, das war gar nicht sein Name. Doch so stand es dort unter seinem Bild. Wie konnte das sein? Also war er gar nicht Herr Paulsen? Wer war er dann? Und wer zum Teufel saß da drinnen mit seiner Frau und feierte? –Ihm wurde schwindelig. Hatte er etwa einen Doppelgänger? Und niemand hatte etwas bemerkt. -War das möglich? Und wie kam er zu seiner neuen Identiät? -Wo wohnte er eigentlich, als Hermann Lüders? –Er blickte auf seinen Ausweis, doch die Adresse war nicht zu erkennen. Er schleppte sich zu seinem Auto öffnete die Fahrertür, lies sich auf den Sitz fallen, schloss die Tür und sank mit dem Kopf auf das Lenkrad. ‚Was ein Tag!’ seufzte er. Nadine Werner „le douleur exquise“ Es sind jetzt 12 Stunden und 35 Minuten seit alles vorbei ist. Ich habe seit dem das Hotelzimmer nicht mehr verlassen. Ich war hier her gekommen, um ihn zu treffen. Nach drei Monaten der Trennung sollten wir uns hier endlich wieder sehen. Ich war Studentin und hatte ein Stipendium für Japan bekommen. Er wollte nicht, dass ich ging. Er sagte er wisse nicht, ob er mir treu sein könnte, aber ich ging trotzdem. Ich ließ ihn zurück um mich selbst zu behaupten, niemals wollte ich ihm zeigen, wie sehr ich unter der Trennung litt. ich wollte stark sein, mich von seiner Drohung nicht einschüchtern lassen. Doch ich litt. Ich zählte die Stunden bis zum nächsten Telefonat, bis zu unserer Wiedervereinigung. Immer wieder sagte er mir, wie sehr er mich vermisse, das er mit mir und nur mit mir zusammen sein wollte. Er schlug mir vor, sich am Ende meines Studienaufenthaltes zu treffen und einen Urlaub zu verbringen. Er traf alle Vorbereitungen, bestimmte den Tag, buchte Flug und Hotel, inszenierte unser Wiedersehen. Ich traf einige Stunden vor ihm in Hotel ein. Ein wunderschönes Gebäude mit wohliger Atmosphäre, genau sein Stiel. Ich ließ mir den Zimmerschlüssel geben und beschloss ersteinmal zu duschen. Eingehüllt in einen Bademantel ging ich zurück ins Zimmer um das perfekte Outfit zu finden. Schön wollte ich sein und begehrenswert. Ich wollte ihn erneut becicen und voll und ganz für mich einnehmen. Cool wollte ich sein, erst seine Reaktion abwarten, doch als es dann an der Tür klopfte flogen all diese guten Vorsätze über Bord und ich stürmte auf ihn zu. Wir umarmten und küssten unsEndlich allein, endlich die Nähe die wir solange vermisst hatten. Wir sahen uns an, berührten uns. Erst zögerlich, vorsichtig, als könne alles zerplatzen wie eine Seifenblase. Doch dann liessen ich mich vom Gefühl des Glückes völlig verschlucken. Ich saugte seine Nähe auf wie ein Schwamm. Doch dann traf es mich wie ein Schlag, er erwiederte meine Freude nicht,wandte sich ab. „Was ist los?“ fragte ich. Er wisse es nicht sagte er zuerst, doch schon gleich sprudelte es aus ihn heraus. Es habe jemand anderen kennengelernt, es sei etwas ernstes. Ich stand wie im Schock. Was sagte er da? Wie konnte das sein, nach all den sehnsüchtigen Telefonaten, dem Warten. Er hatte doch unser Wiedersehen arrangiert. Und nun das. Mehr könne er mir auch nicht sagen, dann ließ er mich einfach stehen. Als die Tür hinter ihm zuschlug war es als bliebe die Zeit stehen. Ich setzte mich auf mein Bett,ließ mich nach hinten fallen. Der Raum erschien mir plötzlich kalt und abweisend. Nie hatte ich mich so allein gefühlt. Wie konnte das alles sein, wie war es nur dazu gekommen? Hatte ich es kommen sehen müssen? alles begann sich zu drehen, schneller und immer schneller, wie die Gedanken und Fragen in meinem Kopf.Wie konnte er das nur tun? Es war doch so perfekt geesen. Sah er das denn nicht? Wer war die andere? WIe einglühender Pfeil traf mich die Eifersucht. Wie nur konnte sie meinen Platz einnehmen? Hatte er mich schon vergessen? Wie konnte er nur glauben, dass sie mich ersetzen kann? Wusste er denn nicht, was er an mir hatte? Ich war allein. Die Aussenwelt war verschwunden, es gab nur noch mich und diesen unglaublichen Schmerz. Warum? Was war denn nur schiefgegangen? War es mein Fehler? Ich hätte nicht gehen sollen? Ich hatte alles zerstört. Er hatte nicht gewollt das ich gehe, er hatte mich sogar gewarnt. Und nun? Alles kaputt, zunichte gemacht. Aber hatte er denn nicht warten können, schließlich waren es ja nur drei Monate gewesen. Immer wieder hatten wir telefoniert, uns versichert, das wir zusammengehörten. Wann war die andere aufgetaucht? Wann hatte das zwischen ihnen angefangen? War sie da gewesen, wenn wir telefonierten und unser Wiedersehen besprachen? Hatte sie davon gewusst? Wieso passierte das mir? Was hatte ich denn nur getan um so bestraft zu werden? Wieso war ich an so ein Arschloch geraten? Ich fing an mich aufzurappeln und im Zimmer auf und ab zu gehen. Wie konnte er nur? So kurz war ich weg und er sah sich gleich anderweitich um. Plötzlich konnte ich den ewigen Kreis der Fragen in meinem Kopf durchbrechen, die Verzweiflung schlug in pure Wut um. Wie konnte er mich nur der Art abservieren? Mich einfach ohne Erklärung stehen lassen. War ich ihmdenn so wenig Wert gewesen? Ich atmete, tief, einmal, zweimal. Die blekemmende Enge und Agressivität, die der Raum in den letzten Stunden angenommen hatte schien immer mehr abzuflachen, es war als würden die Wände vor meiner Wut zurückweichen. Nicht ich hatte etwas falsch gemacht, er hatte mich verloren und jede Möglichkeit die wir einst gehabt hatten. Ich öffnete die Tür und verließ das Zimmer. Eva Zellmann Seit ihrem Treffen in diesem Hotel, war nichts mehr wie vorher. Nie hätte Robert sich träumen lassen, einer so unglaublichen Frau einmal so nah zu sein. Und jetzt hatte er das Gefühl, dass er keinen Augenblick mehr in seinem Leben ohne sie würde sein können. Tag für Tag verbrachten sie zusammen – nichts zwang sie vorwärts. Und dann dieser Ort – so ruhig. Was für ein Glück, dass man ihn ausgerechnet in dieses Hotel gebracht hatte. Nachdem der Abflug nach Berlin wegen Nebels auf unbestimmte Zeit verschoben worden war, hatte man die Gäste in den unterschiedlichsten Hotels Londons untergebracht. Robert war sich sicher, dass es ihn am besten getroffen hatte. Das Personal, immer in reinstem weiß gekleidet, behandelte ihn als sei er ein Ölscheich und diese Frau - wie eine Fata Morgana. Am zweiten Abend in dem Hotel hatte er sie durch den Nebel im heißen Dampfbad entdeckt. Er war sich gar nicht sicher, ob sie wirklich da war. Doch am nächsten Morgen erschien sie wieder beim Frühstück, im weißen Gewand – ein leichter Morgenmantel, der ihrem Gang etwas schwebendes verlieh. Sie bewegte sich direkt auf ihn zu, ließ sich neben ihm am Tisch nieder, sagte nichts – und jetzt hielt Robert es nicht mehr aus und fragte nach ihrem Namen – „Anna“ – es klang so weich und anmutig. Sie lernten sich näher kennen und er spürte, dass auch sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Als zwei Tage später sein Freund Christoph aus dem Büro anrief, um zu fragen, warum er noch immer nicht zurück war, wurden Robert und Anna aus ihrer trauten Zweisamkeit im Kaminzimmer des Hotels gerissen. Er spürte Zorn in sich aufsteigen. Was sollte denn eigentlich dieser ständige Druck - „warum lasst ihr euch alle zum Affen machen? Ich habe keine Ahnung wann ich zurückkomme!“ Im Kamin die Flammen schienen so aufgebracht wie er selbst. Und ohne sich dessen bewusst zu sein fuchtelte er wild mit dem Eisen, an dessen unteres Ende eine sich um ein Herz windende Schlange gearbeitet war. Über seine eigene Unbeherrschtheit erschrocken stellte er das Eisen zurück neben den Kamin und setzte sich wieder neben sie. Sie blickte ihn ruhig an und streckte ihm ein Glas mit nebliger Flüssigkeit entgegen: „Sei ganz ruhig.“ Inzwischen war es Herbst geworden. Seine Weihung stand bevor. Anna würde mit Herbert, Peter und Gabriel auch dabei sein. Robert hatte sich für das Brandmal die Stelle an seiner Brust ausgesucht, auf die Anna ihn damals zum ersten Mal ihre Lippen gepresst hatte.