6.2.2.6 Hoher Ölverbrauch 6.2.3 Pleuelstangen

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6.2.2.6 Hoher Ölverbrauch 6.2.3 Pleuelstangen
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Hoher Ölverbrauch
Ein gewisser Verbrauch an Öl ist unvermeidlich, schließlich sollen auch die obersten
Kolbenringe und der untere Teil der Ventilschäfte ausreichend geschmiert werden; bei
jedem Hub werden 1… 5 ‰ des Ölfilms erneuert [6.9]. Nicht umsonst spricht man
vom Ölhaushalt!
Bezüglich des Ölverbrauchs befindet man sich in einem Zielkonflikt, weil manche
Maßnahmen an der Ringauslegung und Ringbestückung, durch die man den Ölverbrauch verringern kann, gleichzeitig die Reibungsverluste – und damit den Kraftstoffverbrauch – erhöhen. Weniger Ringe je Kolben, kürzere Feuerstege, verkleinerte Ringhöhen, höhere Ringvorspannung, ganz allgemein: Höhere Kräfte und Temperaturen,
verschlechtern die tribologischen Verhältnisse und erschweren den Ölhaushalt. Der
Ölverbrauch hängt von vielen – quantitativ nicht immer eindeutig bestimmbaren –
Faktoren ab. Zu nennen sind Zahl, Kombination, Bauart, Geometrie und Vorspannung der Kolbenringe, die Oberflächenbearbeitung der Zylinderlaufbahn (Honung),
das Verformungsverhalten von Kolben und Zylinderbuchse. Letzteres wiederum wird
auch durch die Steifigkeit des Kurbelgehäuses beeinflusst. Zum Ölverbrauch tragen
nicht nur die Kolbengruppe, sondern auch die Ventilschäfte mit dem Öldurchtritt an
den Schaftführungen bei, sowie die Kurbelgehäuseentlüftung.
6.2.3
Pleuelstangen
Als Teil des Kurbeltriebs hat die Pleuelstange die Aufgabe, Bewegungen und Kräfte
vom Kolben auf die Kurbelwelle zu übertragen – und umgekehrt! Sie stellt also die
kinematische Verbindung vom Kolben zur Kurbelwelle dar. Die Pleuelstange bzw. das
Pleuel besteht aus dem kleinen Pleuelauge, dem Schaft und dem großen Pleuelauge,
d. h. dem Pleuelkopf und dem Pleueldeckel. Sie ist einerseits über den Kolbenbolzen
am Kolben angelenkt, andererseits am Hubzapfen der Kurbelwelle (s. Bild 6.128).
Das kleine Pleuelauge führt eine oszillierende (hin und her), das große Pleuelauge
eine rotierende Bewegung und der Schaft eine Schwenkbewegung aus (s. Bild 6.129).
Da mit der Motorleistung die Hubzapfen solche Abmessungen angenommen
haben, dass das große Pleuelauge nicht mehr durch die Zylinderbuchse passt, wird es
namentlich bei schnell laufenden Dieselmotoren schräg geteilt. Die zusätzlichen Querkräfte dadurch werden häufig formschlüssig aufgenommen. Deckel und Stange sind
am Stoß gestrählt («verzahnt», Bild 6.130).
Bei älteren Konstruktionen wird der Formschluss durch Nut und Feder hergestellt.
Auch bei gerade geteilten Pleuelstangen von Fahrzeugmotoren nutzt man die Vorzüge
eines Formschlusses am Pleuelstoß, wobei allerdings die fertigungstechnisch aufwendige Strählung durch Brechen des Pleuelauges ersetzt wird: Bruchpleuel (Crackpleuel,
s. Bild 6.131). Die Bruchfläche sorgt für einen passgenauen Sitz von Deckel und
Stange. Ursprünglich nur bei gegossenem Pleuel möglich, wird das Cracken heute
auch bei geschmiedetem Pleuel angewendet.
Die Pleuelstangen großer Dieselmotoren sind gerade geteilt und werden mit
Marinekopf ausgeführt, bei dem die Pleuelstange an das große Pleuelauge ange-
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Bezeichnungen am Pleuel
Bild 6.129 Pleuelstellungen
einer Kurbelwellenumdrehung
während
Bild 6.130
Gestrählte Stoßfläche eines schräg geteilten
Pleuels
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Bild 6.131
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Stoßflächen eines Bruchpleuels («Crack-Pleuel»)
schraubt ist. Damit wird erreicht, dass beim Kolbenziehen die Pleuellagerung nicht
demontiert werden muss. Bei neueren Konstruktionen ist diese Teilebene direkt unterhalb des kleinen Pleuelauges angeordnet, so dass beim Kolbenziehen nicht die schwere
Pleuelstange ausgebaut werden muss, zudem verringert sich solchermaßen die Ausbauhöhe.
Wegen der erheblich angestiegenen Gasdrücke – bei Kfz-Dieselmotoren bis zu 150
bar, größere und große Motoren haben Zünddrücke bis zu 200 bar – ist man jetzt
auch bei Fahrzeugmotoren zum Stufen- oder Trapezpleuel übergegangen. Der untere
Teil des kleinen Pleuelauges, das die großen Gaskräfte aufnehmen muss, ist breiter als
der obere für die Aufnahme der Massenkraft.
Als kraft- und bewegungsübertragendes Element zwischen Kolben und Kurbelwelle
ist der Pleuel hohen Wechselkräften ausgesetzt. Als bewegtes Triebwerksteil soll es
möglichst leicht sein, im Hinblick auf das Zusammenarbeiten mit Kolbenbolzen und
Hubzapfen muss es formsteif sein. Das zwingt zu einer Grenzdimensionierung, die das
Pleuel anfällig für Sekundärschäden aller Art macht (s. Bild 6.132).
Pleuel werden in den meisten Fällen geschmiedet. Pkw-Motoren haben auch gegossene Pleuel, es werden Pleuel auch durch Sintern hergestellt. Die Pleuelstange wird
durch die Stangenkraft auf Druck (bei vorwiegender Gaskraft) und auf Zug (vorwie-
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Einfluss der Oberflächenbearbeitung auf die ertragbare Beanspruchung eines Pleuels
gend bei Massenkraft) belastet. Zudem wird die Pleuelstange durch ihre Schwenkbewegung auf Biegung beansprucht (s. Bild 6.133).
Die Kraftübertragung vom Kolbenbolzen über die Pleuelstange zur Kurbelwelle
und umgekehrt erfolgt durch den Schmierfilm in den Lagern. Der Kraftangriff an die
Pleuelaugen hängt deshalb vom Druckverlauf im Schmiermittel ab. Dieser wiederum
wird von der Steifigkeit der Pleuelaugen beeinflusst. Unter Belastung verformen sich
die Pleuelaugen (s. Bild 6.134):
❏ Der nach oben wirkenden Massenkraft wird durch den Schmierfilmdruck zwischen
Hubzapfen und deckelseitiger Schale das Gleichgewicht gehalten. Der Kraftfluss
zwischen Stange und Deckel ist durch die Pleuelschrauben gegeben. Das Pleuelauge
verformt sich hochoval, die Schrauben werden nach außen verbogen; bei unzureichender Schraubenkraft würde der Pleuelstoß nach innen klaffen.
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Bild 6.133
Verlauf der Stangenkraft über ein Arbeitsspiel
Bild 6.134
Pleuelverformung (schematisch)
❏ Bei maximalem Gasdruck hingegen drückt der Schaft über den Schmierfilm auf den
Hubzapfen. Die Pleuelbohrung wird queroval, die Schrauben verbiegen sich nach
innen, der Stoß neigt dazu, nach außen zu klaffen.
Durch diese Verformungen treten in den Pleuelaugen erhebliche Biegebeanspruchungen auf. Größer als die Betriebskräfte im Pleuel sind die Montagekräfte, denn schließlich müssen sie die Betriebskräfte auffangen. Deshalb kommt der Verschraubung des
Pleueldeckels mit der Pleuelstange besondere Bedeutung zu: Es darf nicht zum Klaffen
des Pleuelstoßes kommen, und es muss die nötige Überdeckung des Pleuellagers (Festsitz des Lagers in der Pleuelbohrung) gewährleistet sein.
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Bild 6.249
Lagerschaden eines Grundlagers infolge
unzulässiger Unrundheit sowie Fluchtabweichung des benachbarten Lagers
6.2.5.11 Kantenverschleiß
❏ einseitig (s. Bild 6.250)
– gleichseitig
Bei axialem Schalenversatz läuft die Welle einseitig in das Lager ein, wodurch am
Schalenrand ein schmaler Streifen verschleißfrei bleibt.
Bei konischen Zapfen oder/und Gehäusebohrungen, nicht fluchtenden oder verkanteten Lagerbohrungen tragen die Lager ausgeprägt einseitig, ebenso bei starker Verformung (Biegung) der Kurbelwelle. Durch die Schiefstellung des Zapfens
taumelt dieser, weshalb sich der Spalt im Lager zu einer Seite hin erweitert. Hier
kann sich der Schmierfilmdruck nicht mehr halten. Die Lagerbelastung muss
dann durch einen entsprechend höheren Druck im verbleibenden engen Schmier-
Bild 6.250
Einseitiger Kantenträger durch axialen
Schalenversatz
einseitiger schmaler Verschleißstreifen auf der gleichen
Stelle bei Ober- und Unterschale infolge axialen Schalenversatzes
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spaltbereich aufgefangen werden, wodurch es zu einseitiger Überlastung – Kantenträgern – kommt. Der Bereich des harten Tragens in Umfangsrichtung und in
axialer Richtung hängt davon ab, wie ausgeprägt die Ursache für das Kantentragen ist (s. Bild 6.251, Bild 6.252 und Bild 6.253).
Bild 6.251
Ursachen von einseitig-gleichseitigen Kantenträgern
Bild 6.252
Schmaler Bereich des Kantentragens in Umfangsrichtung
Bild 6.253
Ausgeprägter einseitiger Kantenträger
(Pleuellagerschalen) durch nichtfluchtende Lagerbohrungen
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Bild 6.254
Einseitiges Tragen eines
Kurbelwellenlagers (Motorradmotor)
Bild 6.255
Messschrieb des Lagers in Bild 6.254: «Gute» und «schlechte» Seite
Ein extremer Fall eines einseitig tragenden Lagers liegt bei dem hier abgebildeten Motorradmotorlager vor, bei dem die eine Seite praktisch unbeschädigt, die
andere hingegen einen Totalschaden erlitten hat (s. Bild 6.254, Bild 6.255).
– wechselseitig
Bei Verkantung des Wellenzapfens trägt das Lager einseitig, aber in Ober- und
Unterschale auf den gegenüberliegenden Lagerrändern. Beide Kanten des Lagers
tragen auch bei fehlerhaften Ausrundungsradien der Kurbelwelle, wenn die Pleuelstange «taumelt» oder wenn das axiale Lagerspiel zu groß ist. Die Lagerschalen laufen an den Rändern an (s. Bild 6.256, Bild 6.257).
❏ 2-seitig
Konkave Zapfen und Lagerbohrungen sowie beidseitiges Anlaufen der Lagerschalen in die Hohlkehlen des Wellenzapfens lassen das Lager beidseitig «hart» tragen
(s. Bild 6.258 und Bild 6.259).
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Bild 6.256
Ursache von einseitig-wechselseitigem Kantentragen
links Unterschale
rechts Oberschale
Bild 6.257
Einseitig-wechselseitiges Tragen von Lagern
Bild 6.258
Ursachen für beidseitiges Kantentragen
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Bild 6.259
Beidseitiger Kantenträger
Anlaufspuren in der Lagermitte
Wenn die Lagerkontur ballig ist, sei es durch ballige Lagerschalen, Gehäusebohrungen
oder Wellenzapfen, trägt das Lager in der Mitte breitstreifig; es kommt zu Schmierern,
auch kann man in der Drittschicht borkenkäferartige Risse beobachten (s. Bild 6.260
und Bild 6.261).
Schmale verschleißfreie Zonen an den Lagerrändern
Ist die – zudem noch gehärtete – Lauffläche der Kurbelwelle infolge eines Fertigungsfehlers schmaler als die Schale, dann «gräbt» sich der Zapfen in das Lager bzw. in die
Schale ein (s. Bild 6.262, Bild 6.263 und Bild 6.264).
Bild 6.260
Ursachen für Anlaufen in Lagermitte
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