Nah am Wasser gebaut

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Nah am Wasser gebaut
Sonntag Aktuell, 26. Mai 2013
REISEN 23
Nah am Wasser gebaut
Das Viertel um den Canal Saint-Martin ist bei jungen Städtern genauso beliebt wie bei Touristen auf der Suche nach dem wahren Paris. Ein entspannter
Besuch zwischen Schleusen, Boutiquen und alternativen Cafés.
VON DOROTHEE SCHÖPFER AUS PARIS
Der beste Bäcker von Paris. Die Boulangerie
„Du Pain et des Idées“ im zehnten Arrondissement liegt im Herzen des Viertels um den
Canal Saint-Martin. Christophe Vasseur hat
sein Geld in der Textilindustrie verdient und
sich dann einen Kindheitstraum erfüllt: Jetzt
bäckt er Brot nach alten Rezepten, lässt dem
Teig viele Stunden Zeit zum Gehen und verwendet für seine Kuchen keinen Obst-undZucker-Brei, sondern frische Äpfel.
Die goldene Schrift an der Fassade, die
uralten Vitrinen, der Marmor an der Wand,
die alten Mehlsiebe in der Auslage – auch als
Location für einen Film über das Fin de Siècle
wäre die Bäckerei goldrichtig.
Der spät berufene Bäcker steht für vieles,
was das Viertel um den Canal Saint-Martin
ausmacht: für das Handwerk, das hier einstmals eine große Rolle spielte, als es noch die
Heimstatt der kleinen Leute war. Für die Szene der Selbstverwirklicher, die man in den
80er Jahren „alternativ“ genannt hätte und
die ihr Geschäftsglück mit Bio-Detox-Suppe
aus Peru versuchen oder die mit ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit im Café die Anti-MafiaBewegung in Italien unterstützen.
Die Edelbäckerei steht auch für den Siegeszug der Bobos, der Bourgeois Bohémiens.
Dieses Pariser Äquivalent des Bionade-Biedermeier im Berliner Prenzlauer Berg ist genauso hip wie finanzkräftig, überall im Viertel präsent und kann sich die teuren Brötchen
von Christophe Vasseur leisten.
Wenn Anne Malande von den Bobos
spricht, schwingt leise Verachtung mit. Sie
arbeitet als Stadtführerin für den Verein Paris
par Rue Méconnues, hat eine Vorliebe für
Cafés mit Bio-Anspruch und kennt die Geschichten hinter den alten Mauern im Viertel.
Allein der Gang durch die kurze und auf den
ersten Blick unscheinbare Passage des Marais
mit ihr ist wie das Blättern in einem Geschichtsbuch: die niedrigen Mauern im Hof –
ein Hinweis darauf, dass Anfang des 20. Jahrhunderts hier nur einstöckige Häuser standen. Hier wohnten Nonnen, Handwerker,
Schauspieler. Unten verlief die Seine, die
Mauern waren feucht und sind es noch heute: An vielen Stellen bröckelt der Putz.
Ein kleines Apartment kostet
rund 1600 Euro Miete
In der denkmalgeschützten Druckerei der
Passage sind mittlerweile Lofts und ein
Architekturbüro untergebracht. Hier wurde
1980 „Die letzte Metro“ mit Catherine Deneuve gedreht. Gegenüber stehen moderne
und sehr gelungene Wohnungsbauten. Die
Passage endet mit dem Bain-Douche, einer
ehemaligen öffentlichen Badeanstalt mit
einer wunderschönen Art-déco-Fassade.
Heute ist unten eine Galerie eingezogen. „Als
Baron Haussmann im 19. Jahrhundert die
großen Boulevards anlegte, rückte das Viertel
näher an die Innenstadt“, erzählt Anne.
Und wurde somit auch attraktiver für
wohlhabende Bürger – die Gentrifizierung,
die Umwandlung eines Kleine-Leute-Viertels
in eine teure Wohngegend, ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Ein 35 Quadratmeter großes Apartment kostet heute 1600 Euro
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Für eine Bootsfahrt auf dem Kanal Saint-Martin braucht man Zeit – neun Schleusen gibt es zwischen La Villette und der Seine. FOTOS: SCHÖPFER
Miete, sagt Anne. Wohl dem, der noch einen
älteren Mietvertrag hat. Nach wie vor mögen
Studenten das Viertel, neben den schicken
Boutiquen von Cotélac oder Liza Korn gibt es
genauso Ramschläden, arabische Imbisse und
Bistros – für die Nicht-Bobos. „Die Vielschichtigkeit macht den Charme des Viertels aus“,
sagt Anne. Das Nebeneinander von Alt und
Neu, von Handwerkern und Edelläden. Die
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen ist besonders schön abzulesen an der Edelboutique
von Agnes B.: Über dem Schaufenster steht
„Eponges Prosper Bechault“ in Goldschrift.
Hier hat der Maler Henri de Toulouse-Lautrec seine Eponges (Schwämme) gekauft.
Der Kanal Saint-Martin ist ein beliebter
Ort für Spazier- und Müßiggänger. An seinen
Ufern toben Kinder auf dem Spielplatz, ein
Mann sitzt auf der Bank und zupft gedankenverloren auf seiner Gitarre. Die Bogenbrücken über dem Kanal füllen sich schnell,
wenn ein Boot in eine der neun Schleusen
fährt. Napoleon ließ den Kanal der besseren
Trinkwasserversorgung wegen anlegen, seit
1825 ist er in Betrieb.
Aus dem Plan, ihn zugunsten einer Stadtautobahn wieder zuzuschütten, ist glücklicherweise nichts geworden. Mit dem Ausflugsschiff dauert die Fahrt von der Anlegestelle in La Villette bis zum Musée d’Orsay
zweieinhalb Stunden – obwohl die Strecke
nur viereinhalb Kilometer lang ist. Es dauert
eben, bis die zahlreichen Schleusenkammern
gefüllt sind. Ein Spektakel, das für die Bootsfahrer genauso interessant ist wie für die Passanten am Ufer oder auf einer der Brücken.
Besonders aufregend ist die Schwenkbrücke,
über die normalerweise Autos fahren.
Kommt ein Schiff angetuckert, wird sie
geteilt und an die Ufer geklappt.
Unter der Bastille verkehrt
das Boot unterirdisch
„Antoine et Lili“ mögen es bunt.
Anne führt durch das Viertel.
Fast zweisprachig: Das Café Ten Belles.
Unterkunft
täglich: Ab 9.30 Uhr am Musée d’Orsay, ab 14.30 Uhr
am Parc de La Vilette. Sie kostet 19 Euro.
www.pariscanal.com
Paris
Parc de la Villette
PA RIS
Gare de l´Est
Führungen
Seine
Notre-Dame
Das Hotel Hor (160, Rue La Fayette, www.hotelhor.com) ist direkt gegenüber der Metro-Station
Gare du Nord. DZ ab 169 Euro. The Element Hôtel
(3, Rue D’Aix, www. theelementhotel.fr) ist an der
Metro-Station Goncourt, DZ ab 119 Euro.
Canal
Saint-Martin
1 km
Der Verein Paris par Rues Méconnues bietet Themenführungen durch verschiedene Stadtviertel an. Die
Gäste werden zu Verkostungen in Cafés eingeladen
und kommen ins Gespräch mit den Bewohnern des
Viertels. Die zweistündige Tour durch das Viertel am
Canal Saint-Martin kostet 25 Euro, www.parisprm.com. Andere Führungen über www.parisinfo.com.
Anreise
Mit dem TGV ab Stuttgart, Karlsruhe und Straßburg.
Einfache Fahrt ab 69 Euro, www.voyages-sncf.com
Bootsfahrt
Die Fahrt auf dem Canal Saint-Martin startet zweimal
Empfehlenswerte Adressen
Veredelte Gewürze, Schokolade: Café Sol Semilla
(23, Rue des Vinaigriers), www.sol-semilla.fr. Bäckerei:
Boulangerie du Pain et des Idées (24, Rue Yves Tondic), www.dupainetdesidees.com; Glasperlen: Atelier
Perle de Verre (45, Rue de Bichat); Bistro mit sehr
guter Speisekarte: Chez Prune (36, Rue Beaurepaire),
Kunst- und Designbücher: Artazart, (83, Quai de Valmy), www.artazart.fr. In der Rue de Marseille und der
Rue de Beaurepaire gibt es tolle Modeläden wie Cotélac oder Liza Korn. Die bunte Fassade der Boutique
Antoine et Lili (95, Quai de Valmy) hat dem Viertel
am Canal Saint-Martin ein neues Wahrzeichen verpasst.
Sonntagvormittag Markt in der Rue Bichat/Rue Albert.
Bruno, Fremdenführer auf dem Touristenboot, erklärt den Fahrgästen auf Französisch
und auf Englisch die Bauten links und rechts
des Kanals – imposante Fabrikgebäude, eine
klassizistische Rotunde, Bürgerpaläste. Kanuten sind auf dem Wasser genauso unterwegs wie Tretbootfahrer, der Kanal hat einen
großen Freizeitwert. Unter der Bastille verkehrt das Boot unterirdisch. Glasaugen lassen
das Tageslicht durch und verleihen dem Wasser eine geheimnisvolle Smaragdfarbe. Bevor
das Boot wieder oberirdisch auf die Seine
einbiegt, passiert es den Hafen Port Arsenal.
Hausboote liegen neben Yachten – auch das
ein unbekannter und sehenswerter Ort.
Pompös endet die Fahrt: wie erhaben,
unter der Pont Neuf durchzufahren, NotreDame vom Wasser aus anzuschauen, die
Glaspyramide des Louvre aufblitzen zu sehen. Ein Polizeiboot rast blitzschnell übers
Wasser, das Touristenschiff kommt gehörig
ins Schwanken. Am Musée d’Orsay endet die
gemächliche Tour. Hier ist Paris so groß, so
imposant, so respekteinflößend.
Das späte Frühstück im Bistro Chez Prune
am Kanal macht die Stadt wieder zugänglicher. Hier sitzen viele Pariser beim beliebten
Sonntagssport, den Lunch mit einem Glas
Wein in die Länge zu ziehen. Und danach
eine Runde an den Kanal – wie entspannend,
den anderen beim Entspannen zuzuschauen.
Trentino
Aktivurlaub mit Spaßfaktor
Während in der Allianz Arena nur Fußball gespielt wird, bietet die Region weitaus mehr – kein
Wunder, dass die Profi-Mannschaft des FC Bayern ihr Sommer-Trainingscamp im Trentino
bezieht. Vor der traumhaften Kulisse der Dolomiten genießen Aktivurlauber und Familien die
sportliche Vielfalt. Bergwanderungen, Mountainbike-Touren oder eine Abkühlung im Gardasee.
Erleben Sie auch einen Aktivurlaub mit Spaßfaktor! visittrentino.it/sommerurlaub
Riva del Garda – Arco, 4.-12. Juli 2013

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