DJ Ötzi rockt das Zelt Ein Tag im Leben eines Kirmespiraten Noch

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DJ Ötzi rockt das Zelt Ein Tag im Leben eines Kirmespiraten Noch
www.cranger-kirmes.de Der Cranger 1. Jahrgang August 2010
DJ Ötzi rockt das Zelt
Ein Tag im Leben eines Kirmespiraten
Noch 355 Tage: Warten auf die nächste Cranger Kirmes
Geschmückte Fahnen der Schaustellerverbände waren beim Einmarsch ein echter Blickfang.
Mit zwei Schlägen ein fast perfekter Fassanstich des Herner Oberbürgermeisters Horst Schiereck.
Ex-SPD-Chef Franz Müntefering bei bester Laune. Rechts neben ihm Hernes Fußball-Legende Hans Tilkowski.
Hatte das Zelt fest im Griff: DJ Ötzi.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft löste ihr Versprechen ein und machte trotz Urlaubs eine Stippvisite auf der Kirmes.
Auch Rudi Assauer – eindeutiger Publikumsliebling – ließ sich die Kirmeseröffnung nicht entgehen.
Glück auf, Glück auf ... blies die Bergmannskapelle.
Konfettiregen im Zelt: Der zehntägige Rummel am Kanal konnte beginnen.
Ein Fressen für die Feierbiester
DJ Ötzi, die „Herzlmacher“ und eine fast perfekte Kirmeseröffnung
„Hey Baby!“ Da fühlte sich die erste Frau im Land glatt angesprochen. Sie stand auf, lachte, klatschte in die Hände, wippte mit den Füßen – und das alles wegen
DJ Ötzi, dem musikalischen Urviech aus den Alpen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte extra ihren Urlaub unterbrochen, um bei der Eröffnung der
575. Cranger Kirmes dabei zu sein und die „fantastische Atmosphäre“ beim „Rummel mit Herz“ zu genießen.
Text: Jochen Schübel
Fotos: Sebastian Niehoff
Selbst der letzte (Steh-)Platz im Bayernzelt war besetzt, als OB Horst Schiereck mit dem fast perfekten
Fassanstich den zehntägigen Ausnahmezustand in Crange eröffnete. „Kirmes ist Volkskultur“, rief er
den gut gelaunten Besuchern zu, zu denen auch zahlreiche Ehrengäste gehörten. Wurden die Ministerpräsidentin und auch Ex-SPD-Chef Franz Müntefering noch freundlich begrüßt, stieg das ApplausBarometer bei Hernes Fußball-Legende Hans Tilkowski, der Traditionsmannschaft des FC Schalke 04
und Rudi Assauer stetig an. Gewinner: „Stumpen-Rudi“.
Getoppt wurde er nur noch von Gerri Friedle, besser bekannt als DJ Ötzi. Nach Beat und Bässen vom „Revierkönig 2009“ Mirko Bierstedt enterte der Mann mit der weißen Häkelmütze die Bühne. Begleitet von
zwei Hupf-Dolls benötigte der Tiroler keine 60 Sekunden – dann stand das Bayernzelt. Und nach 65 Sekunden flogen die ersten Hände zum Himmel, der sympathische Super-Profi ließ die Cranger Feierbiester nicht
mehr los. „Kommt vor die Bühne, das brauche ich“, suchte er direkten Kontakt zu seinen Fans, bevor er
einen Hit an den anderen reihte, allen voran natürlich „Ein Stern“, den DJ Ötzi gleich zweimal aufgehen ließ.
Als sich das ganze Publikum textsicher zeigte, setzte der urige Entertainer zum Bad in der Menge an. Eine
Umarmung mit Rudi Assauer, ein Tänzchen mit der Ministerpräsidentin – das Zelt kochte. Ein Ohrwurm
jagte den anderen, der „Anton aus Tirol“ die „Sweet Caroline“, und auf dem „Highway to Hell“ ging’s
zum „Summer of `69“. DJ Ötzi dirigierte die Massen in ein Stimmungshoch, das es bei der Kirmeseröffnung selten so gegeben hat. Erst nach der Zugabe und einer guten Stunde professioneller Gute-LauneMusik trat er ab. Nein, nicht ganz! „Habe ich `was vergessen?“, lautete die rhetorische Frage, die ein vielstimmiges „Hey Baby“ beantwortete. Mit donnerndem „Uh“ und langem „Ah“ stimmte das ganze Zelt mit
ein. Vor der Bühne, an den Biertischen und oben auf der Galerie, wo auch schon längst alle standen ...
Doch nicht nur DJ Ötzi lieferte Futter für die Kirmesgemeinde, auch Margarete und Karl-Heinz Hollmann
bedienen seit langer Zeit die süßen Vorlieben ihrer Kundschaft. Die zwei „Herzlmacher“ beschriften
und verzieren Lebkuchenherzen mit solcher Qualität und Leidenschaft, dass ihnen der „Kirmes-Oscar
2009“ zugesprochen wurde. Dieser zum zweiten Mal verliehene Schausteller-Award belohnt unter anderem die Attraktivität des Geschäfts, Kundenfreundlichkeit, „Herzblutfaktor“ und Bummelpass-Umsätze. OB Horst Schiereck überreichte dem Ehepaar den traditionsreichen Glaspokal „Bester auf Crange
– nur echt mit der Windmühle“, und sagte: „Der Herzlmacher hat echtes Herzblut auf Crange gelassen.“
„Wir entern alles“ – mit der „Geisel“ Fritz und dem gekaperten echten Cranger Tor nahm das Piratenschiff Kurs auf Crange.
Wenn die bunten Wagen rollen
Beim Kirmesumzug verwandelt sich die Hauptstraße zwischen Eickel und Crange in eine lebenslustige Partymeile
Ausnahmezustand zwischen Eickel und Crange! Offiziell geschätzte 180.000 Besucher drängelten sich neben und auf der Hauptstraße, wo 125 Gruppen im Festzug der 575. Cranger Kirmes marschierten, tanzten, rollten oder radelten. Vom St. Jörgen-Platz bis zum (umgefallenen) Cranger Tor bot sich ein lebenslustiges
Bild – die Wanne-Eickeler Partymeile.
Text: Jochen Schübel
Fotos: Sebastian Niehoff
Der wahre Festzug-Besucher sieht so aus: Kappe, Sonnenbrille, das Wanne-Eickel T-Shirt umspannt den
Bauch, eine Hand hält mindestens ein Getränk – die andere ein Kind mit Leinenbeutel. So gewappnet
genießt er die Stimmung: (Fast) jeder Einzelhändler auf der etwa fünf Kilometer langen Strecke hat sein
Geschäft an diesem Wanner Feiertag zu einer Open-Air-Kneipe mit lauter Musik umfunktioniert. An Bierund Stehtischen gibt’s Sekt, Bier, Brötchen und Würstchen. „Das ist echtes urbanes Leben“, jubelt Klaus
Wältermann von der Werbegemeinschaft Wanne-Nord, der während des Umzuges als Conferencier mit
Megaphon die gesamte Einkaufmeile unterhält.
Dort gibt’s viel fürs Auge und eine Menge auf die Ohren. Unzählige Male gehen aus den Musikboxen
„Ein Stern ...“ oder „Der Mond von Wanne-Eickel“ auf, ebenso hartnäckig fliegen dem Zuschauer Bonbons, Popcorn und Tüchlein aller Art um die Ohren. Von Gruppe zu Gruppe steigt die Stimmung am Straßenrand. Kleine und auch mal größere Lücken im Zug werden direkt genutzt: zum Süßigkeitensammeln,
für ein weiteres Glas Bier oder einen Disco-Fox auf der Hauptstraße.
Vier Schlachtrösser einer Brauerei machen den Anfang. Ihnen folgen über 80 Festwagen sowie je 20
Fuß- und Musikgruppen. Ein Trixi-Mädchen schlägt gefühlte 250 Räder auf dem ganzen Weg, bei den
Landsknechten wippt zur Musik der Fuchsschwanz am Hut. Es singt und klingt, trötet und trommelt. Vereine, Verbände, die Freiwillige Feuerwehr mit ihren besseren Hälften – alle wollen sehen und gesehen
werden. Selbst das umgefallene Cranger Tor taucht wieder auf. Wie es sich für echte Freibeuter gehört,
haben die „Kirmespiraten“ den von einem Lkw zerstörten Torbogen von einem Hof gekapert und auf
ihren Wagen montiert. Die lokale Polit-Prominenz kommt fast zum Schluss, hinter ihr nur noch die Kirmeskönigin 2009 in Schausteller-Chef Albert Ritters offenem Mercedes. Dann, nach gut zwei Stunden,
ist Schluss? Nein, nicht ganz. Die orangenen Kehrfahrzeuge der „entsorgung herne“ bilden die 126.
Gruppe im Festumzug.
Je drei Fußgruppen und Festwagen wurden für ihren Ideenreichtum nicht nur mit Jubel, sondern auch
mit Preisen belohnt. Eine Jury setzte bei den Marschierern die Herner Turnvereinigung auf den ersten
Platz, deren Mitglieder als detailgetreue Märchenfiguren die Zuschauer verzauberten. Platz zwei ging
an die Verkehrswacht Wanne-Eickel vor dem Baukauer Turnclub. Bei den PS-starken Gefährten sahnten die Ritter und Burgfräuleins der Reitsportgemeinschaft Herne-Börnig den ersten Preis ab, vor dem
neuen Kohlen-Kanalschiff „St. Anna“ der Werbegemeinschaft Wanne-Nord und dem Wagen der WanneEickeler Knights mit gruseligen Vampiren und schaurigen Geistern.
Früh übt sich ...
Platz 2 ging an die Verkehrswacht Wanne-Eickel.
Sommer, Sonne, Sonnenblumen.
Nur eine Kopie ...
Bitte lächeln.
Gruselige Vampire und schaurige Geister fuhren ebenfalls mit.
Kirmes Ahoi!
Mitten im Herzen des Gewerbegebietes Friedrich der Große befindet sich
ein echtes Piratennest: Hier haben die berüchtigten Kirmespiraten ihre
Basis eingerichtet, auf der sie sich jedes Jahr einige Tage vor der Cranger
Kirmes treffen und für die Kaperfahrt mit dem Kirmesumzug vorbereiten.
Ich habe mich in die Höhle des Löwen vorgewagt, um einen exklusiven
Blick zu erhaschen.
Text: Sven Stienen
Fotos: Sebastian Niehoff
Das „A-Team“ der Piraten ist bereit für große Taten.
Die 20-köpfige Mannschaft von Kirmes-Fans fährt seit acht Jahren offiziell beim Kirmesumzug mit. Den
Überblick über die Piraten behält Kapitän Butch alias Carsten Buszik. „Ich bin nicht gewählt worden,
sondern bei uns geht das nach Stärke“, erklärt er. Klar, es handelt sich schließlich um Piraten. In der
Vergangenheit haben die Kirmespiraten unter anderem durch die Kaperung des Cranger Tors von sich
reden gemacht, aber eigentlich sind sie einfach eine lustige Truppe, die man während der Kirmes meist
gut gelaunt beim Steinmeister antreffen kann.
In der Werkstatt eines befreundeten Spediteurs bringen die Piraten nun ihr „Schiff“ auf Vordermann und
machen es kirmestauglich. Am Ort des Geschehens sieht man schon einen großen Teil der Mannschaft emsig und in Arbeitskluft herumwuseln, das Schiff aber wirkt noch ziemlich unfertig. „Der erste Arbeitsschritt
ist, das Schiff wieder seetüchtig zu machen“, erläutert Butch. „Als nächstes werden Segel und Takelage
montiert , dann folgen Schatztruhen, Flaggen und alles, was zum Piratenschiff gehört. Morgen wird dann
die Musikanlage installiert.“ Vorn am Sattelschlepper, der den Kahn aus dem Hafen ziehen soll, wird gerade ein Gestell montiert. „Wir haben es dieses Jahr geschafft, das Kirmesmaskottchen Fritz zu kidnappen!“,
freut sich Butch, „der fährt vorne direkt am Wagen mit, als Gallionsfigur.“ Der 21. Pirat mit dem Pferdekopf
gehört ab jetzt dauerhaft zur Mannschaft und bekommt spontan den Rang „Zugpferd“ verliehen.
Im Gespräch erwähnt Butch immer wieder eine große Überraschung, die geplant ist. Vielleicht hat das
etwas mit der „exakten Kopie des Cranger Tors“ zu tun, die er mir in der angrenzenden Lagerhalle zeigt.
Das Cranger Tor war ja dieses Jahr von einem Lkw umgefahren worden und musste abmontiert werden.
Das Tor in der Halle sieht verdächtig nach dem Original aus, inklusive Patina und Spuren des Unfalls …
„Wir haben der Stadt angeboten, unser ‚Duplikat‘ aufzuhängen, aber eine bedruckte Plane war günstiger“, meint Butch, „deswegen bringen wir jetzt unser Tor selber zurück zur Kirmes …“
An Ideen und Elan, soviel ist sicher, fehlt es den Piraten definitiv nicht. Trotz allem bleiben sie aber entspannt, es wird viel gelacht und gewitzelt auf der Baustelle. „Der Spaß ist das Wichtigste“, meint Butch
auf die Frage, was denn das Besondere an der Cranger Kirmes sei, „das verrückte Volk am Straßenrand
zu sehen, das sich um die Bonbons reißt, und auch der Spaß an der Arbeit im Vorfeld“. Na dann bleibt
nur noch auf den großen Tag zu warten, wenn die Kirmespiraten wieder in See stechen und für ein weiteres Jahr die Herrschaft über ihre bunte Schatzinsel übernehmen – die Cranger Kirmes.
In dieser geheimen Halle befindet sich das Piratennest.
Hier wird malocht, dass die Funken sprühen.
Der letzte Dreh ist immer an der Reling zu tun.
Die Gallionsfigur wird montiert.
Spektakel am Himmel über Crange
Text: Sven Stienen
Fotos: Sebastian Niehoff
Es knallt, es blitzt, es regnet Gold, Funken sprühen: Ein starker Anziehungspunkt auf Crange ist stets
das große Feuerwerk am Eröffnungsfreitag. Synchron begleitet durch Musik sahen die Besucher des
Rummelplatzes ein faszinierendes Spektakel am Himmel über Crange. Begleitet von vielen „Oooooohs“ und „Aaaaahs“ entfalteten sich die bunten und goldenen Feuerbälle und erinnerten mal an
blaue Wasserfälle, mal an grün verpuffende Palmen und mal an eine rot blitzende Supernova. Das
fast 15-minütige Feuerwerk endete in einem glanzvollen Finale, das den ganzen Himmel golden färbte. Das hinterließ Eindruck bei den Leuten. „Der absolute Hammer, echt Wahnsinn!“, schwärmte Conny aus Essen, „ich bin ein Riesen-Feuerwerksfan und es war heute sehr beeindruckend.“ Feuerwerksmeister Sascha Tietze kennt diese Faszination: „So ein Feuerwerk scheint nicht beherrschbar, nicht
greifbar. Es ist riesig und sorgt für die wildesten Figuren am Himmel. Und bleibt dabei immer geheimnisvoll, man weiß nicht, wie es funktioniert. Ich glaube, das macht den Reiz des Feuerwerks aus.“
Reizvoll sollte auch die musikalische Begleitung des bunten Spektakels werden. Doch während die
Augen verwöhnt wurden, gab’s für die Ohren eine Enttäuschung. Der Besucher musste schon ganz
genau hinhören, um einen Ton zu vernehmen. „Das hatten wir ganz anders geplant. Das akustische
Ergebnis ist eine Enttäuschung. Aber daran sieht man, wie schwierig es ist, solche Neuerungen auf
diesem riesigen Platz umzusetzen“, so Stadtmarketing-Chef Holger Wennrich, der extra eine eigene
Radiofrequenz gebucht hatte, über die die Schausteller die Feuerwerksmusik empfangen konnten.
Denn im Kulturhauptstadtjahr wurden nicht nur der erste und letzte Kirmestag von Pyrotechnik
begleitet, zusätzlich standen auch ein italienisches, ein asiatisches und ein deutsches Feuerwerk
auf dem Programm. Für diese war der Vorbereitungsaufwand besonders groß. Sascha Tietze:„Jede
Feuerwerkstradition hat spezifische Elemente. Die Italiener zum Beispiel mögen es laut, die haben
viele Knall- und Blitzeffekte. Die Asiaten dagegen lieben aufwändige Inszenierungen, die mit Masse und Eleganz faszinieren.“
Welcher Aufwand hinter dem bunten Spektakel steckt, wissen nur die allerwenigsten der Besucher,
die ihre Köpfe gen Himmel strecken. „Die ganze Programmierung, Vorbereitung und Packerei für
die Cranger Kirmes dauert eineinhalb Wochen, und wir sind mit acht Leuten beschäftigt“, erklärt
Tietze. „Wir planen das Feuerwerk im Studio mit einem Computerprogramm, das die exakte Koordination von Musik und Zündung übernimmt. Das ist präzise und sicher, weil man nicht mehr selber
zünden muss.“ Vor Ort muss dann alles sitzen, denn die Sicherheit steht bei den Pyrotechnikern
immer ganz oben. Es gibt strenge Auflagen, die dezidiert überprüft werden, ehe die Raketen in den
Himmel steigen.
Und dann erlebt der Zuschauer am Boden ein Mysterium, das ihn immer wieder aufs Neue fasziniert und bei dem er sich zur Abwechslung mal ganz klein fühlen darf.
Auf schwankenden Planken zum Kirmesplatz
Schiffs-Shuttle zwischen der Künstlerzeche und der alten Wanner Schleuse. Aus dem Wassertaxi wurde ein „Wasserbus“
„Hallo Taxi!“ Dieser Ruf ist auf der Cranger Kirmes mindestens so bekannt wie „Gewinne, Gewinne, Gewinne“ an der Losbude oder „Allet für 20, wat kost’ die Welt“ am
Blumenstand. Der Taxiwunsch bekam für wenige Tage bei der 575. Cranger Kirmes aber einen ganz neuen Zungenschlag: Der Fahrgast winkte nämlich kein Auto heran,
sondern ein Schiff. Die einfache Fahrt mit dem Wassertaxi zum eher symbolischen Preis von einem Euro pro Person war als Gutschein sogar im Bummelpass enthalten!
Text: Jochen Schübel
Fotos: Sebastian Niehoff
Künstlerzeche Unser Fritz. Der neue Anleger am Rhein-Herne-Kanal. Langsam tuckerte die „Hildegard“ heran. Ein betagter Kahn, am Ruder Kapitän Fiete. Im richtigen Leben heißt der wuchtige Rauschebart Friedhelm
Krug und vermietet Yachten in Bergkamen-Rünthe. Zur Kirmes fuhr er täglich zwischen 14 und etwa 19 Uhr
die Strecke vom neuen Anleger zur alten Schleuse Wanne-Eickel. Als Shuttle wechselte er sich ab mit der „Integra“, die Erich Leichner über den Kanal schipperte. Dies war bis zum ersten Kirmessonntag so, am frühen
Abend wurde der Taxibetrieb dann eingestellt. Zum einen, weil die beiden kleinen Kähne der großen Nachfrage nicht Herr wurden, zum anderen hatte auch die Wasserschutzpolizei etwas dagegen. So fehlte einem
Schiffsführer die Zulassung für „eine gewerbsmäßige Beförderung von Personen gegen Entgelt“, und auch
der Zustieg und Abgang von beiden Schiffen war der Behörde im wahrsten Sinne des Wortes zu wackelig.
nie zur Kirmes gekommen.“ Ganz Clevere nutzten die guten Parkmöglichkeiten in Unser Fritz, andere
besuchten die Historische Kirmes-Ausstellung rund um die Künstlerzeche und ließen sich dann wieder
zum Rummelplatz zurückschippern. Wieder andere führte der pure Zufall an den „Kultur-Canale Grande“.
Wenn es an der Zeche „Leinen los“ hieß, führte die etwa zehnminütige Tour unter zwei Brücken hindurch,
vorbei am „Krummen Hund“, ehe das Gekreische von der Achterbahn den Kirmesplatz ankündigte. Eine
kleine Wende, es rumpelte und knarrte, schon hatte das Schiff sein Ziel erreicht. Knappe drei Gehminuten später war der Fahrgast mitten auf dem Rummelplatz – Kirmesherz, was willst du mehr?
Taxi oder Bus – den Fahrgästen war’s egal: „Die Fahrt macht Laune!“ oder „So bequem bin ich noch
Wassertaxen und Schiffs-Shuttle waren eine Idee vom Kulturhauptstadtbüro im Rahmen der Local
Heroes-Woche. Regina Stieler-Hinz vom Kulturbüro zum Hintergrund: „Unsere Basis waren die Kulturschiffe, die mittlerweile im dritten Jahr zur Kirmeszeit fahren. Wir wollten die Besucher nicht von der
Kirmes weglocken, sondern sie vielmehr mit einer echten Zusatzattraktion verwöhnen. Deshalb haben
wir den Rhein-Herne-Kanal als wichtige Wasserpassage in die Local Heroes-Woche und die Cranger
Kirmes eingebunden.“ Und da das Angebot viele Freunde gefunden hatte, dürfte es auch bei der 576.
Cranger Kirmes heißen: „Leinen los für die Fahrt zum Rummelplatz“.
Kapitän Bleich steuert sein Schiff sicher über den Kanal.
Vom Anleger an der alten Schleuse Wanne-Eickel ging es in Richtung Künstlerzeche.
Trotzdem hieß es weiter Schiff ahoi! Nur: Aus dem Wassertaxi wurde ein „Wasserbus“ – mit festem Fahrplan. Die Fahrgastschiffe „Friedrich der Große“ mit Kapitän Bleich am Steuer und der „Reservist“ aus
Datteln übernahmen die Kirmeslinie auf dem Kanal, wechselten sich täglich ab und verkehrten wie Linienbusse zu festen Zeiten.
Die 575. Cranger Kirmes – bunter denn je
Eure Kirmesfotos in „Der Cranger“ - die stimmungsvollsten und außergewöhnlichsten Motive
Wir sind Kirmes ... Unter diesem Motto hatte Stadtmarketing Herne vor einer Woche aufgerufen und um die schrillsten, schönsten und farbenfrohesten Bilder der
575. Cranger Kirmes gebeten. Und viele, viele Kirmesbesucher machten mit, gingen mit dem Fotoapparat über den Rummelplatz und schickten ihre Lieblingsmotive.
Eine Auswahl findet Ihr auf dieser Panoramaseite in der ersten Ausgabe von „Der Cranger“. An dieser Stelle ein ganz dickes Dankeschön an alle, die mitgemacht
haben. Wir hatten es bei der Auswahl der schönsten Motive echt schwer.
Einfach ein Hammer, dieser Festzelthammer
Jürgen Drews: „Hier in Crange wissen die Leute, wie gefeiert wird“
Als er auf die Bühne kam, stand die Menge im Bayernzelt Kopf. Schlager-Titan Jürgen Drews eröffnete am Mittwoch pünktlich um
19 Uhr den BILD-Festzelthammer in der Bayern-Festhalle mitten auf dem Kirmesplatz. Damit entfachte er einen Partyorkan, der
den ganzen Abend nicht abflaute.
Text: Tobias Kindel
Fotos: Marco Stepniak und Stephan Schütze
Der König von Mallorca – auch mit 65 Jahren noch trainiert und fit – hatte schon im Vorfeld versprochen:
„Aus Eurem Zelt mache ich eine Achterbahn!“ Und er hat Wort gehalten. Übrigens: Extra für den BILDFestzelthammer war Jürgen Drews aus Mallorca angereist, landete erst kurz vor seinem Auftritt am Flughafen Dortmund. Sein neuester Hit „Über uns ist nur der Himmel“ wurde vom Publikum frenetisch gefeiert. Kerstin aus Herne war begeistert: „Endlich wieder ein schönes Lied von Jürgen Drews. So romantisch,
so verträumt. Jürgen ist einfach der Beste!“ Die 38-Jährige feierte ausgelassen auf dem Festzelthammer,
tanzte schon beim Eröffnungslied auf der Bank. Am Ende des Abends war „Onkel Jürgen“ erschöpft, aber
glücklich. Und er verriet: „Ich bin gerne in Crange. Hier wissen die Leute, wie gefeiert wird.“
Das weiß auch Tim Toupet, der singende Friseurmeister aus Köln. Könnte daran liegen, dass er direkt
aus dem Zentrum des rheinischen Karnevals kommt ... Auf dem größten Volksfest in Nordrhein-Westfalen fühlte sich der Rheinländer trotzdem pudelwohl. Die Menschen im Festzelt feierten ihn und vor
allem sein Stimmungslied „So ein schöner Tag“.
Der Festzelthammer stand aber auch für Party-Gleichberechtigung. Deswegen kündigte Moderator Jürgen Drews Antonia aus Tirol an. „AN-TON-IA, AN-TON-IA“, rief die Menge. Und die schöne Sängerin aus
Österreich ließ sich nicht lange bitten. Sie verzauberte die über 2.500 Feierwütigen auf Crange mit ihren
Cover-Hits „Knallrotes Gummiboot“ und „Tränen lügen nicht.“ Die sympathische 30-Jährige rief ins Publikum: „Ich stehe seit zehn Jahren erfolgreich auf der Bühne und ich lade Euch alle ein, dieses Jubiläum
mit mir in Tirol zu feiern.“ Antonia hat schon über 2,5 Millionen Tonträger im deutschsprachigen Raum
verkauft, absolviert über 200 Auftritte im Jahr. Aber keiner war besser als der beim Festzelthammer ...
Auf dem besten Schlager-Fest im Pott durfte er natürlich nicht fehlen: der König des Pop-Schlagers,
Michael Wendler. Er füllte schon die Arena in Oberhausen mit über 12.000 Menschen und brachte auch
das Bayernzelt zum Brodeln. Wenn der Wendler seinen Hit „Sie liebt den DJ“ anstimmt, braucht er eigentlich kein einziges Wort selber zu singen. Das Bayernzelt sang für ihn – Gänsehaut pur mitten auf
der Cranger Kirmes. Das war einfach der Hammer, dieser Festzelthammer.
„Onkel Jürgen“ fühlte sich im Bayernzelt sichtlich wohl: neben ihm die BILD-Girls, hinter ihm seine johlenden Fans.
Aus der ersten Reihe direkt auf die Bühne ...
Als „Der Wendler“ auf die Bühne kam, gab es kein Halten mehr.
2.500 Besucher feierten im Zelt mit.
Antonia aus Tirol lud die Cranger spontan in ihre Heimat ein.
Größer, höher, schneller, schwindeliger – das ist Crange.
„Alles festhalten – noch ’ne Runde!“
1,5 Mio. Besucher vergnügten sich bereits am ersten Kirmeswochenende.
Eine rasante Karussellfahrt hebt das Kirmesgefühl.
Ein Bummel auf dem Rummel
Freitag, 21 Uhr – Stop and Go auf der Hauptstraße in Crange. Von Oma und Opa über feixende Teenies bis zum Motorradrocker schieben sich Kirmesfreunde in
Scharen durch die Gassen zwischen Fressbuden und Fahrgeschäften, eingehüllt in ein buntes Chaos aus Düften und Geräuschen – es ist Cranger Kirmes.
Text: Sven Stienen
Fotos: Sebastian Niehoff
Der Geruch von gebratenen Mandeln und Backfisch liegt über den Kirmesgassen, die Luft schwirrt vom Werben der Losverkäufer, von Musik
und dem Kreischen der Menschen auf den Karussells. Vorbei an Ballonverkäufern und Crêpes-Buden führt der Weg zunächst zum neuen
Riesenrad. Dieses Jahr steht auf Crange nicht das nostalgisch verspielte „Bellevue“, sondern das größere „Expo Star“. „Das Bellevue ist gerade in Berlin und geht dann nach Luxemburg“, erklärt Richard Krolzig
im Tickethäuschen, „wir wollten dieses Jahr, zur Kulturhauptstadt und
Jubiläumskirmes, mal etwas anderes bieten“. Crange ist für ihn, wie
für die meisten Kirmesleute, etwas Besonderes: „Es ist trotz der Größe
ein sehr familiäres Fest. Die Leute leben mit der Kirmes, sie ist ein fester Bestandteil im Jahresablauf. Ich habe sogar manchmal das Gefühl,
die Cranger Kirmes ist bei den Leuten wie ein Familienmitglied. Das
macht das ganze sehr sympathisch.“
Auf der anderen Seite des Kirmesgeländes steht die neue Boxbude
„Fight Club“, in der in diesem Jahr erstmals auch eine Frau in den Ring
klettert. Viele der Kirmesbesucher stehen dort und hören dem Werben
des Ringsprechers zu. Schließlich gab es hier sonst immer nur Kämpfe mit meist halbstarken männlichen Kirmesbesuchern. Auf dem Weg
dorthin sind auch Kai und Miriam aus Hattingen. Besonders freuen sie
sich aber auf ihre persönlichen Highlights, die sie seit zehn Jahren genießen: „Backfisch von der Fischrutsche ist Pflicht und ‚Breakdance‘
und ‚Flipper‘ sind auch Standard“, meint Kai.
Auf dem Rückweg von der Boxbude passiert man den Gastronomiebetrieb „Zum Armen Ritter“. In traumhafter Lage am Rhein-Herne-Kanal
mit Blick auf die vorbeiziehenden Schiffe genießen Kirmesgänger hier
frisches Bier und zünftige Kost, bevor sie weiterziehen. Der Betrieb von
So läuft man über die Kirmes, genießt Zuckerwatte, schaudert in
der Geisterbahn und schießt der Freundin einen Teddybären, bis
man irgendwann wieder Richtung Ausgang schlendert, vorbei an
Wolfgang, der dort seine Lose verkauft. „Ich war schon als Kind
hier, das ist eine schöne Kirmes und für mich die größte überhaupt.
Da freut man sich das ganze Jahr drauf“, meint der Losverkäufer,
während er wieder ein Los an den Mann bringt. Mist, eine Niete!
Wie viele der bunten Papierschnipsel am Ende eines solchen ganz
normalen Cranger Kirmestages auf dem Boden liegen, weiß niemand so genau.
Unübersehbar: der 60 Meter hohe „Expo Star“.
Im „Fight Club“ kletterte auch eine Frau in den Ring.
Herzliche Grüße aus Crange in Lebkuchenform.
Albert Ritter und seiner Familie existiert seit 150 Jahren. Bereits Wochen vor der Kirmes stand der Biergarten schon an dieser Stelle, bis
sich nach und nach die anderen Schausteller dazugesellten.
Kult-Gefühle für Generationen
Kirmestropfen, Kirmeshöfe und der Stand, ohne den nichts geht: Ein Blick ins Innenleben von Crange
Crange ist Kult. Und Kultur. Und deshalb Kulturhauptstadt. Besonders deutlich wird die generationenübergreifende Liebe zur Kirmes an den „Kult-Ständen“, die
nicht nur im Herzen der Wanne-Eickeler ihren Stammplatz haben. Zum Beispiel „Steinmeister“, „Lehnert’s Hof“ und die „Alte Drogerie in Crange“.
Text: Jochen Schübel
Fotos: Sebastian Niehoff
Wenn Möbel sprechen könnten – dann hätten sie in der kleinen Drogerie an der Hauptstraße 408 eine
Menge zu erzählen. Ludwig Meinken unterschrieb dort 1947 den ersten Mietvertrag und schenkte den
allerersten Cranger Schnaps aus: den „Wanne-Eickeler Kirmestropfen“. Bis heute rinnt er den Kirmesbesuchern durch die Kehle, ein Besuch bei „Meinken“ vor dem Kirmesbummel verbunden mit einem
„Kurzen“ war und ist Kult. 2010 führt Enkel Peter Meinken (34) den Familienbetrieb. 18 Stunden täglich
ist er während der tollen Tage auf den Beinen. Das ganze Revier lässt sich Hochprozentiges im Pinnchen servieren. Den „Mond von Wanne-Eickel“, den „Haldengeist aus dem Ruhrgebiet“, den „Wanner
Achter“ oder das „Cranger Leckerchen“, sie alle werden nach Meinken-Rezepten in der Brennerei Eicker
& Callen abgefüllt. Und weil auch eine „Alte Drogerie“ mit der Zeit geht, gibt’s alle Getränke auch im
Internet unter www.altedrogeriemeinken.de.
Ein Haus weiter. Hauptstraße 410. Der Blick wandert durch eine kleine Einfahrt in „Lehnert’s Hof“. Zuerst
gab’s dort ein Lebensmittelgeschäft, in dem die Schausteller einkauften und auch mal eine Flasche Bier
tranken. Besucher ließen sich ebenfalls dort ihr Bier schmecken –da bauten Hansi Lehnert, ein Cranger
Original, die Theke an der Straße ab und im Hof wieder auf. Seit 1984 lädt der gemütliche „Lehnert’s Hof“
abseits der engen Kirmesgassen zu Grillspezialitäten und kühlen Getränken ein. „Es gibt Tage, da kommen
die Besucher hier nur mit dem Schuhanzieher wieder raus“, schmunzelt Wirtin Karin Lehnert, die heute den
Kult-Laden schmeißt – „mit viel Spaß, sonst würde ich es nicht machen“. Und das oft bis weit nach 3 Uhr.
Eine Uhrzeit, zu der Bernd Steinmeister in der Regel noch auf den Beinen ist. Der Chef von bis zu 130
Mitarbeitern am Kult-Stand im Herzen der Kirmes kann sich seinen Erfolg selbst kaum erklären. „Warum
wir hier Kult sind? Schwer zu beschreiben“, sagt er, um dann aber doch aufzuzählen: „Weil wir ein UrWanne-Eickeler Betrieb sind, weil wir mit Herzblut dabei sind, weil wir uns immer weiterentwickeln.“
Und dies seit 1981, als „Steini“ auf Crange ankam. Auf 250 Quadratmetern baute er seinen ersten Stand
auf, heute sind es etwa 1400 qm mit Hauptstand, sechs Pavillons, Grillstation, Cocktailbar und eigener Internetseite. Die Getränke fließen unter den Füßen der Besucher an die Zapfstellen, immer gut
gekühlt, „was auch zu unserem Kult-Status beiträgt“, so Steinmeister. Fast vier Wochen baut er den
Stand auf, ohne den für viele Besucher Crange nicht Crange wäre. Und das soll so bleiben, denn: „Das
Steinmeister-Gefühl gibt eine Generation an die nächste weiter“, sagt der Chef und hofft, dass auch in
50 Jahren der Satz „Wir treffen uns beim Steini“ immer noch gilt.
Kult auf Crange: Peter Meinken (links) und die Crew der „Alten Drogerie in Crange“: Annemarie Meinken und Thomas Glasmeyer.
Gemütlichkeit pur etwas abseits der Hauptstraße: Lehnert’s Hof.
Jeden Abend volle Hütte beim Steinmeister.
Im Rampenlicht auf Crange fühlt sich Carmen am wohlsten.
Bei der Karaoke-Queen brodelt es im Hinterhof
Ein Cranger Original: Carmen singt seit 13 Jahren bei „Arens“
Sie ist absoluter Kult auf Crange und erfahrene Kirmesgänger kennen und lieben sie: Carmen. Die passionierte Karaoke-Queen unterhält seit 13 Jahren die Kirmesbesucher im „Karaoke-Biergarten Arens“ an der Hauptstraße mit ihren eigenwilligen Interpretationen bekannter Gassenhauer. Sie trifft zwar bei ihren Songs
nicht immer den Ton, bei den Zuschauern dafür aber umso mehr – wenn Carmen die Bühne betritt, kocht die Stimmung im Hinterhof über. „Backstage“ im Gespräch erzählt sie, wie sie zum Singen gekommen ist, wie sie sich auf ihre Auftritte vorbereitet und warum Crange für sie etwas ganz Besonderes ist ...
Text: Sven Stienen
Fotos: Sebastian Niehoff
Wie begann Deine Karriere?
Es begann damals in einer Gaststätte in Gelsenkirchen-Horst. Da
habe ich angefangen zu singen und auch zwei Pokale gewonnen.
Das war mein erster Auftritt, 1993, da war ich 37 Jahre alt.
Und wie bist Du zur Cranger Kirmes gekommen?
Ich habe damals mal im Centro Oberhausen, gesungen und da war
ein Bekannter dabei, der auch schon mal hier aufgetreten ist. Da hab
ich mir gedacht: Cranger Kirmes haste schon mal gehört, da gibt’s
auch Karaoke, das probierste mal – und jetzt bin ich hier im 13. Jahr.
Bereitest Du Dich für Deine Auftritte hier speziell vor?
Ich bin vorsichtshalber die Lieder noch mal durchgegangen. Ich
habe so lange nicht gesungen, und bevor ich auf Crange Fehler mache, wollte ich ein paar Tage vorher noch mal die Lieder proben.
Carmen singt seit 13 Jahren auf Crange ...
... und lässt keinen der zehn Kirmestage aus.
Singst Du denn während des Jahres noch woanders?
Unterm Jahr habe ich keine öffentlichen Auftritte. Es wäre schön,
wenn ich welche hätte, weil Musik mein Leben ist. Mir ging es eine
Zeit lang sehr schlecht, und die Musik hat mich wieder hochgepäppelt. Dann habe ich vor 13 Jahren hier angefangen und seitdem geht
es aufwärts. Leider geht die Cranger Kirmes ja nur 10 Tage, aber ich
bin dann auch jeden Tag hier.
Wo siehst Du Dich in fünf Jahren? Hast Du noch andere Pläne?
Im Moment nicht, aber ich habe schon eine eigene CD produziert,
im Tonstudio in Bochum-Riemke. Sie heißt „Gerade schräg muss es
sein“. Dann habe ich noch eine zweite CD aufgenommen, einfach
unter „Carmen“, aber davon kann ich nicht mehr viele machen. Ich
hätte gern noch mehr aufgenommen, aber das ist zu teuer.
Stattest Du Dich für Deine Auftritte besonders aus?
Eigentlich nicht. Ich ziehe mir einfach immer Sachen an, in denen
ich mich wohlfühle.
Gut beschirmt: Karaoke-Queen Carmen (54).
Welche Lieder singst Du am liebsten?
Ich habe immer meine Schlager, die ich gerne singe. Da gibt es verschiedene Lieder, ich singe jetzt zum Beispiel „Ich fand das ganz
große Glück mit dir im Zug nach Osnabrück“, „20 Zentimeter“,
„Holzmichel“ oder „Ein Stern“.
Was war Dein bestes Bühnenerlebnis?
Mein allerbestes Bühnenerlebnis ist, hier die zehn Tage Crange zu
machen.
Was ist für Dich das Besondere an Crange?
Hier werde ich ganz töfte und sorgfältig angenommen. Vor allen
Dingen die Familie von Patrick, die hat mich gut aufgenommen. Ich
bin einfach gerne auf Crange.
Vielen Dank.
Schausteller vor der Linse
Text: Astrid Jordan
Fotos: David Kuntzsch
Anlässlich der 575. Cranger Kirmes produziert Stadtmarketing Herne
den Bildband „Helden auf der Reise“. Die Idee entstand in Zusammenarbeit mit dem Künstler David Kuntzsch. Die Portraitserie soll
die wichtige Rolle der Schausteller als Unternehmer dokumentieren.
„Man muss sich auf jeden Menschen auf’s Neue einlassen und den
perfekten Moment festhalten“, berichtet der Künstler von seiner Arbeit. David Kuntzsch ist in Essen geboren und studierte Architektur.
Seit 2001 ist er im Bereich Markenkommunikation tätig, konzipierte und realisierte seitdem verschiedene fotografische Arbeiten.
Im Gegensatz zur üblichen Wahrnehmung stehen bei der Bilderserie
nicht die Fahrgeschäfte und Attraktionen im Vordergrund, sondern
die Persönlichkeit des Betreibers. Denn die eigentliche Qualität der
Veranstaltung entsteht erst durch diese Menschen, die mit ihrem En-
gagement und ihrer Leidenschaft zum Funktionieren des Phänomens
„Kirmes“ beitragen. Mehrere Tage lang fotografierte David Kuntzsch
rund 100 Schausteller in einem vorübergehend eingerichteten Atelier
in der Jugendkunstschule. Bewusst wurden die Personen isoliert von
ihrem Umfeld vor einem neutralen Hintergrund abgelichtet. So ist der
Fokus nur auf die Person gerichtet. Der Bildstil ist an die HollywoodGlamourfotografie der 1930er und 1940er Jahre angelehnt.
Für David Kuntzsch war dies eine riesige Herausforderung. Im
15-Minuten-Takt wurden die Teilnehmer ins Atelier eingeladen.
Wolfgang Lichte
Kornelia Küchenmeister
Hans-Gerd Bloesz
Der Bildband erscheint im Dezember 2010 in einer Auflage von 500
Exemplaren und ist über den Buchhandel oder über die Stadtmarketing Herne GmbH beziehbar.
Noch 355 Tage – dann is’ wieder Cranger Kirmes
Text: Astrid Jordan
Foto: Sebastian Niehoff
Es ist Sonntagabend. Mein Blick auf die Uhr verrät mir: Noch eine Stunde, dann ist es wieder vorbei. Die
Gesichter der umstehenden Gleichgesinnten vermitteln eine Spur von Traurigkeit. War das wirklich schon
alles? Wieso verfliegen diese zehn Tage im August immer so unglaublich schnell?
Wir diskutieren darüber, dass die Kirmes verlängert werden müsste oder besser gleich zweimal im Jahr
stattfinden sollte. Jeder Schausteller sagt mir daraufhin, dass es eine fest verankerte Volksfest-Jahresplanung gibt, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Mag schon sein, aber nur Crange hat eben diese echten Kirmesfans, die sich „Kirmespiraten“, „Wanner Weiber“, „Baukauer Kumpels“ oder „Profffis“ nennen.
Natürlich gibt es auch andere große und kleine Volksfeste in München, Stuttgart oder Düsseldorf. Aber nur
Crange hat diese Authentizität und diesen überdimensionalen Herzblutfaktor. Wer geht denn in München
zehn Tage am Stück zum Oktoberfest? Hier in Crange leben wir die Kirmes und zelebrieren sie wie ein Ritual.
Es gibt Kirmeskonten, auf die wie bei Sparfächern monatlich eingezahlt wird. Es gibt Kirmespensionen in
der Nähe der zentralen Knotenpunkte des ÖPNV, die feierlich geschmückt werden und mit Matratzen bestückt genügend vorübergehenden Schlafplatz für Gäste bieten.
Kirmes liegt hier im Blut. Bereits während des Aufbaus sind die so genannten Aufbaukantinen, wie der
Tschüss Crange: Die Lichter gehen langsam aus – jetzt müssen wir wieder 355 Tage warten.
Biergarten „Zum Armen Ritter“ oder der „Förderturm“, zentraler Treffpunkt der Pilger. Hier wird über die
neuen Fahrgeschäfte, die Wetterprognosen und den Stargast der Eröffnungsveranstaltung geplaudert.
Von dieser Liebe zum Fest ist auch der Kirmesumzug getragen, der bei strahlendem Sonnenschein ein
absolutes Highlight war. Fast zwei Stunden standen wir am Wegesrand und feierten mit. Die Kinder sammelten Rucksäcke voll mit Popcorn, Weingummi und Lakritz. Die eine oder andere Gabe erinnerte eher an
Wurfgeschosse, der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt. Neben Pastatüten in Busform fanden auch
riesige Wanduhren großes Interesse. Das Geschehen ist mit einem Karnevalsumzug nicht zu vergleichen.
Alle diese Erinnerungen bleiben zum Glück, aber die Kirmes ist halt schon wieder zu schnell zu Ende gegangen. Ich muss schnell noch mal los, um eine finale Runde Riesenrad zu fahren. Danach decke ich mich
ein letztes Mal mit den klassischen Nahrungsmitteln ein, Gewürz-Gurken, bergeweise Vanille-Mandeln und
kandierten Früchten. Leider sind diese nach ein paar Tagen verzehrt und mein Körper freut sich insgeheim
auf die darauf folgende Regenerationsphase und nährstoffreichere Kost. Meinen Bildschirmschoner „Time
to Crange 2011“ blende ich vorerst wieder aus, der Anblick ist erschütternd.

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