Sie können immer: Die Zwitter der Mainmetropole
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Sie können immer: Die Zwitter der Mainmetropole
Sie können immer: Die Zwitter der Mainmetropole Über 100 Schneckenarten im Rhein-Main-Gebiet Hain-Schnirkelschnecke, Weinbergschnecke, Achatschnecke - wundervolle Namen für wunderschöne, oft verkannte Geschöpfe. Mehr als ein Drittel der in Deutschland vorkommenden Schneckenarten ist in der Rhein-Main-Region zu finden, davon annähernd drei Viertel Land- und ein Viertel Wasserschneckenarten. Die Bezeichung Weichtiere (lat. = Mollusken, zu denen u.a. auch Muscheln und Tintenfische gehören) trifft eigentlich nur auf die lebenden Teile der Gehäuseschnecken sowie auf die Nachtschnecken zu. Vor allem Kindern sind die harten Kalkgehäuse besser bekannt als die Formenvielfalt ihrer Bewohner. Gärtner kennen sich ein bisschen besser aus, weil sie wissen, vor welchen Schnecken ihr Salat Angst haben muss. Gefährlich können die Mollusken aber nicht nur dem Gemüse werden. Die eingeschleppte Spanische Wegschnecke (Arion lusitanicus), eine Nacktschnecke, frisst zunächst die anderen Schnecken an ihrem Futterort auf, um sich dann ungestört über den Salat hermachen zu können. Sie ist ein wahres Teufelchen, das noch nicht einmal dem hungrigsten einheimischen Vogel zu Weinbergschnecke (Helix pomatia) Foto: J. Krohmer schmecken scheint. Schnecken brauchen viel Eiweiß, dass sie immer wieder über das Vertilgen von Aas zu sich nehmen. Die Mollusken haben einige komplexe Verhaltensweisen; zum Beispiel zeigen einige Arten aggressives Verhalten. Schnecken haben auch ein Gedächtnis: Den Geschmack von Pflanzen können sie sich wochenlang merken. Landlungenschnecken und manche Süßwasserschnecken sind Zwitter (Hermaphroditen), d.h., sie verfügen über männliche und weibliche Keimzellen in einem einzigen Organ, der Zwitterdrüse. Nacktschnecken sind sogar zur Parthenogenese (Selbstbefruchtung) fähig. Bei der Paarung können die meisten Schnecken also entweder die männliche oder die weibliche Rolle übernehmen. Seltener findet eine Doppelbefruchtung statt. Bei Weinbergschnecken ist das zum Beispiel der Fall: Sie übertragen sich gegenseitig Spermienpakete, um zu einem späteren Zeitpunkt ihre eigenen Eizellen zu befruchten. Die richtige Position bei der Paarung zu finden, ist bei Weinbergschnecken mit ihrem großen Gehäuse gar nicht so einfach. Sie bäumen sich zunächst gegenseitig Sohle an Sohle auf, um schließlich den so genannten Liebesstachel aus Kalk auszustülpen, mit dessen Hilfe die Samenpakete übergeben werden. Ökologie und Bedrohung Schnecken sind durch ihre begrenzte Ausbreitungsfähigkeit (=Volatilität) und ihre hohen Feuchtigkeitsansprüche stark an ihr Habitat angepasst. Für Gehäuseschnecken ist das Vorhandensein von Kalk an ihrem Standort von entscheidender Bedeutung, da sie das Material zum Bau des Gehäuses der unmittelbaren Umgebung entnehmen (ein Schneckengehäuse besteht aus drei Schichten: einer Hornschicht, einer Kalkschicht und einer Perlmuttschicht). Bestimmte Schneckenarten mit sehr speziellen ökologischen Ansprüchen werden sogar als so genannte „Bio-Indikatoren“ herangezogen, das heißt als Arten, die durch Zu- oder Abnahme ihrer Population den Zustand des Ökosystems anzeigen. Knapp die Hälfte der im Rhein-Main-Gebiet lebenden Schneckenarten ist gefährdet. Ihr Bestand ist vor allem durch die Beeinträchtigung ihrer Lebensstätten bedroht. Die anhaltende Zersiedelung der Landschaft, Versiegelung, Zerschneidung von Lebensräumen durch Straßen und die Veränderung menschlicher Lebensgewohnheiten (wie z.B. das Verschwinden lehmgestapfter Kellerböden) sind einige von vielen Gründen für den Rückgang der Schneckenpopulationen und der Artenzahl. Besonders der Erhalt von Gewässern, Nasswiesen, Au- und Feuchtwäldern trägt stark zum Schutz von Schnecken bei. Kulinarisches Nicht nur Vögel fressen gerne Schnecken; auch der Mensch tut es von Zeit zu Zeit - vor allem, wenn er aus Frankreich kommt, und dann vor allem WeinbergSchnecken. Schnirkelschnecken sind zu klein, Nachtschnecken zu schleimig. Immerhin werden in Deutschland jedes Jahr rund 1.000 Tonnen Schnecken verzehrt. Die meisten stammen aus Frankreich und Polen. Generell schmecken Schnecken nicht schlecht, da sie vornehmlich Vegetarier sind und ihr Fleisch durch ihre vielen Muskeln Glanzschnecken (Zonitidae) Foto: www.bilder-hochladen.net (die zur Fortbewegung in Wellenlinien kontrahieren) demjenigen anderer verzehrter Tierarten ähnelt. Igel, Frösche und Kröten fressen auch gerne Schnecken. Amseln wischen den Schleim am Gras ab, bevor sie eine Schnecke vertilgen. Die wahren Feinde der Schnecken aber leben im Verborgenen - es sind die Käfer; alle Glühwürmchen und viele Laufkäfer fressen Schnecken. Die Larve der Hornfliege frisst in ihrem Leben bis zu 10 Schnecken; sie wartet, bis eine Schnecke über sie kriecht, bohrt sich in ihr Fleisch und frisst sie langsam von innen auf. Schnecken sind schmerzempfindlich; sie haben viele Sinneszellen, und die Signale werden in den Bauchganglien verarbeitet. Stören die schönen Weichtiere im Garten, sollte man sie deshalb nicht mit Salz bestreuen oder zerschneiden. Die zerschnittenen Tiere locken zudem Artgenossen an, die die Leichen fressen und dadurch ihre Fortpflanzungsrate erhöhen. Wenn man es gar nicht mit den Schnecken aushält, sollte man die Feinde der Schnecken fördern: Die Wiese nicht zu oft mähen, altes Reisig auslegen, Laub liegen lassen, damit sich dort Käfer wohlfühlen. Legen Sie auf keinen Fall Schneckenkorn aus; es könnte den Wirkstoff Methiocarb enthalten, der Haustiere und Kinder schädigen kann. Eine weiter natürliche und biologische Methode der Schneckenbekämpfung stellen neuartige Moospräparate dar. Stoffe, die im Moos enthalten sind, werden konzentriert und über die Pflanzen besprüht. Die Stoffe werden von Schnecken gemieden (eine Schnecke würde nie im Leben Moos fressen!) und somit ist ein optimaler Schneckenschutz gegeben. Moosextrakt gibt es im Handel zu kaufen. Man gibt einfach das Extrakt in das Wasser und besprüht die Pflanzen. Hierdurch kann man Schnecken (Nacktschnecken) vertreiben. Diese Art der Schneckenabwehr kommt ohne chemische Mittel aus und dient nicht der Schneckenvernichtung, sondern der Abwehr. Man kann sich diese "Waffe" gegen Schnecken auch selbst herstellen. Man gibt dazu einfach etwas zerkleinertes getrocknetes Moos in Wasser (je Liter 40g) und lässt das ganze etwa einen Tag einwirken. Das Wasser wird gesiebt und versprüht. Als Moos eignen sich alle Moose, die im Garten und im Rasen vorkommen -- man schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe! Weitere Hinweise finden Sie unter den folgenden Links. Links zum Thema: Schneckenforum: www.schnecken-forum.de Schneckenquiz: www.wegerer.at/schnecke_1/quiz/index.htm Schnecken im Garten: www.schneckeninfo.de Christian Offer Foto: J. Krohmer