upstairs-Projektbericht 02/08 Neuerungen Im

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upstairs-Projektbericht 02/08 Neuerungen Im
upstairs-Projektbericht 02/08
Neuerungen
Im Herbst 2007 startete upstairs mit seinem mobilen Angebot. Der umgebaute Bus steht nun täglich auf dem Busparkstreifen an der Reisinger-Anlage gegenüber dem Wiesbadener Hauptbahnhof.
Upstairs-Projektleiter Axel Surowsky fasst die ersten Wochen nach der Eröffnung zusammen:
„Wir haben uns dazu entschlossen, den Bus Mo-Fr von 8:00-10:00 zu öffnen, Sa und So
von 9:00-11:00, sowie Mo-So von 18:00-20:00. In der Zeit von 7:00-8:00, bzw. am Wochenende sind die Öffnungszeiten von 8:00-9:00 sowie von 20:00-22:00. Im Nachthaus bieten
wir noch jene Versorgungsanteile an, die im Bus nicht leistbar sind (duschen, Wäsche waschen, seinen eigenen Spind mit Privatsachen haben, auch kochen über die Möglichkeiten
im Bus hinaus). Für die upstairs-Nutzer war die Umstellung auf die Öffnungszeiten im Bus
statt in der Alten Synagoge kein Problem. Durch die zentrale Lage des Standplatzes sind
die Nutzer nach der Öffnungszeit des Busses auch gleich in der Stadt. Durch das sommerliche Wetter im August und die Wiese nebenan gab es auch noch keinen Stress der Jugendlichen untereinander durch den begrenzten Raum. Vielmehr gibt es ein Gemeinsamkeitsgefühl durch ‚dieses besondere Ding’, man schleppt auch mal seine Freunde an, um es ihnen
zu zeigen.
Es lässt sich jetzt schon sagen, dass der Bus neue Nutzer anzieht. Dieses neue Klientel ist
dadurch gekennzeichnet, dass sie erst einmal schauen, sie übernachten auch gerne mal
bei uns, sind jedoch nicht so verbindlich wie die bisherigen Nutzer, die oft jeden Tag wiederkommen, bis sie eine Alternative haben. Es sind junge Leute, die oft schon lange auf der
Straße oder in wechselnden Unterkünften leben und zwar Beratungsbedarf, aber keinen so
großen Leidensdruck haben. Bei der Beratung muss man langsamer Vorgehen, sie sagen
zwar schnell zu, sich selbst zu kümmern und verschiedene Stellen aufzusuchen, kommen
dann aber nicht wieder. Bei ihnen dauert es länger, und es braucht mehrere Anläufe, bis sie
sich einlassen. Auch spricht der Bus Jugendliche an, die sowieso immer mal am Bahnhof
vorbeikommen und dort abhängen oder leben.
Insgesamt lässt sich schon jetzt sagen, dass der Bus einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Projektes hat, da der Zugang viel niederschwelliger ist, weil wir jetzt mit den
Jugendlichen zusammen draußen sind, uns in ihrer Lebenswelt aufhalten. Dies bewirkt ein
Gemeinschaftsgefühl und einen einfacheren Zugang zu ihnen, die Authentizität des Hilfsangebots wird nicht hinterfragt, die Jugendlichen sind weniger misstrauisch. Es kommen auch
einfach Besucher zu uns, die sonst im Haus Alte Synagoge nicht aufgetaucht sind, obwohl
sie uns benötigt hätten (z.B. eine junge Frau, die trotz ewigem Streit zuhause und jahrelanger Betreuung nicht zur Alten Synagoge gefunden hat). Die Beratungsgespräche finden im
„Büro“ und im Führerhaus des Busses statt, dies funktioniert gut. “
Die zweite Neuerung brachte in diesem Jahr das Arbeitsangebot für die upstairs-Jugendlichen. 116
Mal haben 32 Jugendliche das Arbeitsangebot in der Zeit von Mitte März 2008 bis Anfang November 2008 genutzt. Einer der Jugendlichen beschreibt seine Erfahrungen: „Da der upstairs-Bus am
Vormittag schließt, bin ich froh, dass ich eine sinnvolle Beschäftigung habe und Geld verdienen
kann. So habe ich etwas Geld für Fahrkarten und muss nicht schwarz fahren. Ich komme gerne
wieder, weil mir die Arbeit Spaß macht. Bei der Pferdepflege konnte ich meine Angst vor diesen
großen Tieren stückchenweise überwinden, und nun kann ich da Aufgaben auch teilweise selbständig erledigen.“ (Ouvalid, 17 Jahre).
Finanzen
Viele Unterstützer/innen haben dazu beigetragen, dass wir in 2007 ein sehr gutes Spendenergebnis für upstairs erreicht haben. Außerdem haben uns Gerichte Mittel aus Geldauflagen zugewiesen.
Insgesamt kamen so 115.000 € zusammen. Dies hat es ermöglicht, den Bus zu kaufen und umzubauen. Hierfür sind Kosten in Höhe von 37.000 € angefallen. In 2008 konnten wir leider kein vergleichbares Ergebnis erreichen. Da das Spendenjahr noch nicht abgeschlossen ist, ist das endgültige Ergebnis noch offen. Für das Jahr 2009 werden wir aufgrund der höheren Personalkapazität,
die für Betrieb der mobilen Anlaufstelle notwendig ist, wiederum rund 115.000 € benötigen.
Herzlich danken möchten wir Ihnen, die Sie uns in vielfältiger Art und Weise unterstützen!
www.upstairs-hilft-strassenkindern.de
Spendenkonto
Kontonummer 460 1000
BLZ 550 205 00
Bank für Sozialwirtschaft
upstairs-Projektbericht 01/09
Statistik 2008
Insgesamt haben 50 Jugendliche die Anlaufstelle aufgesucht. Es gab 559 Übernachtungen, 168
Beratungsgespräche, 135 Behördenkontakte, und in 15 Fällen wurden die Jugendlichen weitervermittelt an andere Einrichtungen.
Finanzen 2008
Im Jahr 2008 bekamen wir für upstairs 73.467 € Spenden. Dies ist in Anbetracht der derzeitigen
finanziellen Lage ein sehr gutes Ergebnis, auch wenn es die tatsächlichen Kosten (sie liegen bei
rund 115.000 €) nicht deckt. Dankbar sind wir darüber, dass 73 Pat/innen dem Projekt mittlerweile
sehr treu verbunden sind. Wir möchten allen Pat/innen und Spendern nochmals sehr herzlich danken für ihre Hilfe.
Interview
Seit 1.1.2009 fällt das Projekt upstairs in die Zuständigkeit von Simone Wittek, Bereichsleiterin für Wiesbaden bei der EVIM-Jugendhilfe. Sie beschreibt ihre Sichtweise von upstairs:
Der Spendenbedarf für upstairs liegt bei 115.000 € pro Jahr. Gemessen an den Nutzerzahlen ist das viel
Geld. Weshalb rechtfertigt das Projekt diesen Spendenbedarf?
Wittek: Der Spendenbedarf ist tatsächlich hoch. Das hat damit zu tun, dass Personalkosten im sozialen
Bereich sehr hoch sind. Auch bei upstairs fließen etwa 80% der Kosten in die Finanzierung des Personals.
Manchmal erlaube ich mir spaßeshalber unseren Partner gegenüber folgende Rechnung: Der Mensch lebt
24 Stunden am Tag. Das sind in Arbeitstage umgerechnet drei mal Acht Stunden Arbeitstage. Streng genommen braucht ein Kind am Tag drei Vollzeitmitarbeiter. Deshalb entstehen bei Betreuungsleistungen so
immens hohe Personalkosten. Nun – glücklicherweise schlafen unsere Kids nachts und haben auch sonst
am Tag noch Ansprechpartner oder sonstige soziale Netze, in denen sie sich aufgehoben fühlen. Daher
kommen wir bei upstairs mit 1,25 Stellen aus. Der Rest der Kosten setzt sich zusammen aus Mietkosten,
Verpflegungskosten, Fahrtkosten.
Weshalb ist es schwierig, Ehrenamtliche in das Projekt zu integrieren?
Wittek: Um zu überleben haben sich viele Kids nur schwer zu akzeptierendes Verhalten angewöhnt, das für
uns ‚normale’ Menschen manchmal nur schwer zu ertragen ist. Professionalität schafft den nötigen Abstand
und hilft, die Kids da abzuholen, wo sie stehen und ihre Rückkehr zum Vertrauen zu erleichtern und zu ermöglichen. Straßenkinder haben einen riesigen Mangel an Versorgung und Zuneigung. Aber sie haben sich
von der Welt der Erwachsenen abgewendet. Es braucht einen unheimlich langen Atem, um da dranzubleiben.
Die Jugendlichen arbeiten teilweise stundenweise und bekommen Geld dafür. Was ist Ihre Bilanz nach einem Jahr dieses Angebots?
Wittek: Weiter so. Das ist unsere Bilanz. Ein riesiges Dilemma ist ja, dass viele unserer Kids mit ihren mageren Fähigkeiten und mangelnden sozialen Kompetenzen den Anforderungen einer Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht gewachsen sind. Wenn jemand keine Ausbildung absolvieren kann, dann heißt das ja
aber nicht, dass er oder sie überhaupt nichts kann. Natürlich kann dann jemand trotzdem stundenweise arbeiten oder einfache Tätigkeiten erledigen. Dieses Angebot machen wir den Jugendlichen. Ich bin mir sicher,
dass es eine Chance für die Kids ist, wenn sie sich anders erleben und an einer Arbeit teilgenommen haben.
Upstairs ist mittlerweile ein festes Angebot in der Stadt. Weshalb ist es nicht möglich, vom Jugendamt einen
Zuschuss zu diesem Projekt zu bekommen?
Wittek: Die Leistungen der Erziehungshilfe, die durch das Jugendamt finanziert werden, sind umfangreich,
vielfältig und qualitativ hochwertig. Trotzdem gibt es Lücken. Ein gesetzlich geregeltes System wie es die
Hilfe zur Erziehung ist, kann niemals alle Notlagen erfassen. Upstairs ist klein, wendig und unkonventionell.
Upstairs kann Hilfe für Kinder und Jugendliche anbieten, die noch keinen Antrag gestellt haben oder noch
keine Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe mitbringen. Darum geht es ja dann auch bei der Arbeit
mit den Straßenkindern – sie zu gewinnen und in das reguläre Helfersystem zu integrieren. Das glückt ja
auch mit einigen.
Wo sehen Sie upstairs in fünf Jahren?
Wittek: Ich fürchte, dass wir noch mit viel mehr Kindern und Jugendlichen zu tun haben werden, die den
Anschluss verpasst haben und den Anforderungen nicht auf Anhieb gewachsen sind. Ich hoffe auf eine Gesellschaft, die diese Kinder und Jugendlichen trägt. Ich sehe upstairs als ein gelungenes Projekt, dem einzelnen Kind und Jugendlichen Hilfe anzubieten und Chance zu sein, sich trotz widriger Umstände zu stabilisieren. Ich hoffe auf genügend Spenden, dass wir weiterhin gute Arbeit machen können.
www.upstairs-hilft-strassenkindern.de
Spendenkonto
Kontonummer 460 1000
BLZ 550 205 00
Bank für Sozialwirtschaft