Netzwerkstelle als Grundlage der Bildungsarbeit in einer Kleinregion
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Netzwerkstelle als Grundlage der Bildungsarbeit in einer Kleinregion
Irina Ehgartner Mobile und aufsuchende Bildungsarbeit in ländlichen Regionen mit einer regionalen Netzwerkstelle Einleitung Wenn man die Leitlinien des LLL unter dem Fokus „Regionale Weiterbildung“ betrachtet, kommt man zur Schlussfolgerung, dass es hierfür bestimmter Voraussetzungen bedarf, um diese in einer Region umzusetzen. Dazu gehören die Bildung von notwendigen Strukturen und ein professionelles Bildungs- und Netzwerkmanagement mit klar definierten Aufgaben vor Ort. Als gelungenes Beispiel so einer anbieterneutralen Netzwerkstelle ist das Praxisprojekt im Oberen Murtal zu nennen, der seit 2011 Bildungstreff Oberes Murtal heißt. Der Bildungstreff ist die Anlaufstelle für alle, die sich im Oberen Murtal mit Bildungsfragen befassen. Im Folgenden werden Aufgaben und damit erlangte Erfahrungen beschrieben. Vielfältige Aufgaben einer regionalen Netzwerkstelle 1) Implementierung des Themas LLL in regionale Entwicklungen Die Entwicklung einer einheitlichen Bildungsstrategie für eine Region, die Festlegung der Schwerpunkte und die damit verbundene Vernetzung der SchlüsselakteurInnen bilden eine Grundlage für die erfolgreiche Zusammenarbeit in der Region. Hier übernimmt die regionale Netzwerkstelle die Funktion das Thema Weiterbildung in der Region zu berücksichtigen bzw. zu implementieren. An dieser Stelle sind Fachtagungen zu erwähnen, die in enger Zusammenarbeit mit dem Regionalmanagement organisiert und durchgeführt wurden. 1 1 Wie z.B. die Regionaltagung „Wenn Regionen lernen - Forum für Bildung und Regionalentwicklung Oberes Murtal“, wo neben aktuellen wissenschaftlichen Beiträgen zu Regionalentwicklung und Pädagogik/Andragogik auch eine Reihe innovativer Regionalprojekte präsentiert wurde. Das Thema der nächsten Fachtagung am 20. Juni in Seckau heißt „Frauen in ländlichen Räumen – Entwicklungen und Chancen“. 2) Zentrale Aufgabe: Netzwerkmanagement So wie in den Strategien der Erwachsenenbildung in der Steiermark betont wird, ist die Netzwerktätigkeit besonders „bei der Erschließung neuer Themenfelder und der Entwicklung innovativer Projekte und Maßnahmen“2 von Bedeutung. In der anbieterneutralen Netzwerkstelle des Oberen Murtals wurden im Laufe der Jahre schwerpunktbezogene Netzwerke aufgebaut und gemanagt. Dabei geht es immer um Inhalte und Aufgaben, die nicht allein von einzelnen Trägern umgesetzt werden können. Sei es aus personellen, finanziellen oder zeitlichen Ressourcen oder einfach der fehlenden Möglichkeit, sich im Alltagsbetrieb vertiefend mit einem speziellen Thema zu beschäftigen. Die Angebote in der Region sollen regionalen Bedingungen und Bedarfen entsprechen. Diese Bedarfe im Bildungsbereich zu erheben, gehört zur wesentlichen Aufgabe einer Netzwerkstelle. Die wissenschaftliche Unterstützung und die bereichsübergreifende Kooperation sichern die Seriosität und die Aussagekraft solcher Erhebungen. Als ein Beispiel für ein solches Netzwerk ist hier das Projekt „Basisbildung Oberes Murtal“ zu erwähnen. In der Region finden regelmäßig Netzwerktreffen der regionalen AkteurInnen rund um Bildung und Beruf statt, welche die Netzwerkstelle initiiert und durchführt. Ein Ergebnis eines solchen Treffens war der Gedanke, sich gemeinsam des Themas Basisbildung anzunehmen, da dieses Thema bislang in der Region nicht bearbeitet wurde. Unter der Koordination der Netzwerkstelle des Bildungsnetzwerk Steiermark ist es gelungen, ein Projekt gemeinsam mit Fachstellen und regionalen AkteurInnen zu entwickeln und durchzuführen, dessen Ziel es war, die Menschen des Oberen Murtals über die Bedeutung von Basisbildung zu informieren, Know-How bei regionalen AkteurInnen und BildungsanbieterInnen aufzubauen und gemeinsam konkrete Kurs- und Beratungsangebote für die Region zu entwickeln und anzubieten. 2 LLL-Strategie 2011-2015, S. 5 Die im Laufe des Projektes durchgeführte Untersuchung3 über die Zielgruppen, Bedarfe und regionale Ansätze wurde nicht nur für dieses Projekt als Grundlage genommen, sondern diente auch als eines der Basisdokumente für die Entwicklung des Strategiepapieres für LLL in der Region Oberes Murtal. Durch diese Zusammenarbeit konnten verschiedenste Synergien hergestellt und genutzt werden. Ein weiteres Ergebnis dieses Projektes war die Erweiterung der regionalen Angebote im Bereich der Basisbildung für die Bevölkerung. Ein weiteres Beispiel ist das regionale Netzwerk für Bildungs- und Berufsberatung. 4 In Anbetracht der vielfältigen Beratungsleistungen für unterschiedliche Zielgruppen, war es notwendig, hier eine Transparenz für die KundInnen, aber auch die AkteurInnen herzustellen. Die Aufgaben sind Herstellung von Transparenz der Bildungsberatungsleistungen, damit das Angebot der Region übersichtlich ist und zielgerichtet genutzt werden kann. Gleichzeitig können die verschiedenen Angebote der Einrichtungen abgestimmt und bei Bedarf gebündelt werden. Auch gemeinsame Aktivitäten zur Förderung der Teilnahme an Lebenslangem Lernen werden so leichter umsetzbar. Für die Bevölkerung soll damit der Zugang zum Thema Bildung und Lernen zu erleichtert und das Finden passenden Bildungs- und Berufsberatungsleistung ermöglicht werden. Solche Netzwerke aufzubauen und zu verankern benötigt Zeit, längerfristige Finanzierung und kontinuierliches Netzwerkmanagement. 3) Anbieterneutrale Bildungs- und Berufsberatung „Es kommt darauf an, dass sich in den jeweiligen Regionen Vernetzungen der Akteure/innen der Erwachsenenbildner/innen entwickeln können, die sich untereinander Strukturen für die Herausbildung einer regionalen 3 Bildungsnetzwerk Steiermark (2009): Basisbildung: Zielgruppen, Bedarfe und regionale Ansätze. Eine Untersuchung im Rahmen des Kooperationsprojektes „Basisbildung Oberes Murtal“ 4 Ein zweites regionales Netzwerk für Bildungs- und Berufsberatung wurde in der Region Hartberg vom Bildungsnetzwerk Steiermark umgesetzt. Weiterbildungslandschaft mit entsprechend professionell arbeitenden Bildungsberatungszentren schaffen.“5 Die Bildungs- und Berufsberatung, die auch immer Bildungsinformation beinhaltet, ist eine der Kernaufgaben der Netzwerkstelle. Eine anbieterneutrale Bildungs- und Berufsberatung für alle Altersgruppen, die individuell, vertraulich und kostenlos erfolgt, ist eine Voraussetzung des offenen Bildungszugangs. Das Bildungsnetzwerk Steiermark bietet gemeinsam mit der STVG – Steirische Volkswirtschaftliche Gesellschaft und ZEBRA – Interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum in Judenburg im „Bildungstreff“ eine Anlauf- und Beratungsstelle für alle Fragen rund um Bildung und Beruf an. An bestimmten Beratungstagen stehen BildungsberaterInnen für unterschiedliche Zielgruppen zur Verfügung. Ebenso wird Bildungsberatung in verschiedenen Sprachen angeboten. 4) Anlaufstelle für MigrantInnen Im Bildungstreff Oberes Murtal steht umfassende Expertise zum Thema Migration und Integration zur Verfügung. Nach zahlreichen Veranstaltungen und Vernetzungstreffen konnte das Bildungsnetzwerk Steiermark in Kooperation mit dem Verein Zebra und der STVG mit dem Bildungstreff eine Anlaufstelle für MigrantInnen etablieren. Das spezifische Angebot für MigrantInnen (unabhängig vom Alter, Aufenthaltsstatus und Arbeitsstatus) im Bildungstreff Oberes Murtal umfasst Bildungs- und Berufsberatung, Clearinggespräche, Sprachstandserhebung, aufsuchende Bildungsberatung (an Orten, wo sich die MigrantInnen aufhalten), Vernetzung der ExpertInnen, Gatekeepers, MultiplikatorInnen und Peers. Erstanlaufstelle: Schaffung von Transparenz der Dienstleistungen für MigrantInnen in der Region. Motivationsmaßnahmen für LLL im Bildungstreff Oberes Murtal. 5 Gieseke, S. 91 5) Erhöhung der Bildungsbeteiligung Lernbedürfnisse können in verschieden Lebensabschnitten unterschiedlich sein. Das Konzept des Lebenslangen Lernens sieht vor, dass die Zugänge zur Bildung unabhängig vom Alter offen stehen sollen. Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt, seine Bedürfnisse, Vorkenntnisse und Lernmöglichkeiten. Um dabei auch lernungewohnte Personen zu erreichen, bedarf es mehrerer Faktoren. Besonders hervorzuheben dabei sind die enge Zusammenarbeit mit KooperationspartnerInnen, die unmittelbar mit den jeweiligen Zielgruppen zu tun haben didaktisch und methodisch angepasste Prozesse in der aufsuchenden Bildungsberatung Bereitschaft, sich auf Reflexionsprozesse und geänderte Rahmenbedingungen einzulassen. Damit sich die Bildungsbeteilung erhöht, arbeitet die regionale Netzwerkstelle in folgenden Bereichen: Bildungs- und Berufsberatung, Bildungsmarketing – Öffentlichkeitsarbeit Motivationsmaßnahmen Motivation zum Lernen zu wecken, gehört zu den speziellen und innovativen Aufgaben einer Netzwerkstelle. Es geht vor allem um die Motivation, das eigene Leben durch etwas Neues intensiver, erfüllter zu gestalten, Lust und Freude an Weiterbildung wecken, verschiedene Möglichkeiten des Lernens aufzeigen. Die Motivationsmaßnahmen können verschiedene Formen haben: Workshops, Lernfeste, interkulturelle Veranstaltungen, Sprachentheater und Informationsveranstaltungen. Lernfeste im Stift St. Lambrecht werden seit 2004 durchgeführt und stellen einen niederschwelligen Zugang zum Thema Lernen dar.6 6) Aufsuchende Bildungsarbeit Unter aufsuchender Bildungsarbeit werden spezifische Instrumente und Methoden verstanden, um in der Einrichtung definierte Zielgruppen zu erreichen, um diese für Weiterbildungsaktivitäten zu gewinnen. Die Betroffenen müssen dort abgeholt werden, wo sie sind (Geh-Struktur statt Komm-Struktur) z.B. an ihrem Wohnort, in einer Einrichtung, am Arbeitsplatz oder in einem Verein und 6 Nähere Informationen über das Lernfest findet man unter www.lernfest.at auch mit Beachtung ihrer jeweiligen Lebenssituation und ihres gesellschaftlichen Umfelds und damit vor allem in Bezug auf die Themen, die sie interessieren und die für sie und ihre aktuelle Lebensbewältigung von Bedeutung sind und deshalb einen Grund zum Lernen bilden können. Servicestelle rund um Bildung Eine Netzwerkstelle bietet die Dienstleistungen nicht nur für die Bevölkerung der Region, sondern auch für regionale MultiplikatorInnen. Dazu gehören vor allem Workshops und Weiterbildungen zu bildungsrelevanten Themen, Informationsveranstaltungen und Informationsaustausch durch den regionalen Bildungsnewsletter. In diesem Fall agiert die regionale Netzwerkstelle als eine Informationsdrehscheibe im Bereich der regionalen Erwachsenenbildung. Themen, die in Workshops und bei den Infoveranstaltungen behandelt werden, können von der Netzwerkstelle ausgehen oder auch von MultiplikatorInnen vorgegeben werden. Im Bildungstreff wurden z.B. Infoveranstaltungen und Workshops zu Themen Migration und Integration, Suchtprävention auf Wunsch der MultiplikatorInnen organisiert und durchgeführt. Eine regionale Netzwerkstelle kann außerdem eine Verknüpfung mit der Wissenschaft schaffen, indem verschiedene Fachtagungen zu aktuellen für die Region Bildungsthemen veranstaltet werden. So wurden in den letzten Jahren im Oberen Murtal die Fachtagungen zu den aktuellen Themen wie Migration und Integration und Basisbildung durchgeführt. WissenschafterInnen aus Österreich und Deutschland brachten neueste Erkenntnisse in diesen Bereichen in die Region, welche in weiteren Entwicklungen berücksichtigt wurden. Fazit Eine Netzwerkstelle agiert als Innovationszentrum, indem sie Impulse für neue Themen, Zugänge und Netzwerke setzt. Entscheidend ist es, Bedarfe und Bedürfnisse der regionalen Bevölkerung einerseits und der BildungsanbieterInnen andererseits zu erheben, um durch neue Projekte die Angebote zu optimieren und damit den Zugang zur Bildung zu erleichtern. Der intensive Austausch, Netzwerktreffen und Tagungen zu bildungsrelevanten Themen werden durch die Koordinationsstelle forciert, initiiert und umgesetzt. Damit die regionale Bildungsarbeit den ihr gebührenden Stellenwert bekommt, sollten österreichweit stabile Strukturen geschaffen werden, die eine längerfristige Sicherung der Qualität und Kontinuität der regionalen Bildungsarbeit gewährleisten. Literatur: Kaehlbrandt, Roland/Lohre, Wilfried (2009): Lernen vor Ort. Eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung der Forschung mit deutschen Stiftungen. In: Zukunft (der) Weiterbildung. Vorschläge und Expertisen. Eine Aufsatzsammlung aus dem Innovationskreis Weiterbildung. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co, Bielefeld:87-96 Gieseke, Wiltrud (2008): „Bedarfsorientierte Angebotsplanung in der Erwachsenenbildung“. In: Studientexte für Erwachsenenbildung. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co.Kg, Bielefeld Republik Österreich (2011): Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich. LLL:2020. Land Steiermark (2011): LLL-Strategie 2011-2015. Strategie der Erwachsenenbildung/Weiterbildung im Rahmen des lebensbegleitenden Lernens in der Steiermark Bildungsnetzwerk Steiermark (2009): Basisbildung: Zielgruppen, Bedarfe und regionale Ansätze. Eine Untersuchung im Rahmen des Kooperationsprojektes „Basisbildung Oberes Murtal“ Schulungszentrum Fohnsdorf (2010): Wirtschaftsnahe Strategien für lebenslanges Lernen in der Region. Strategiepapier im Rahmen des Projektes WiSaR. Nuissl, Ekkehart (2004): Europäisierung und Regionalisierung als Innovationsimpuls für die Weiterbildung. In: Brödel, Rainer, Weiterbildung als Netzwerk des Lernens. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co.Kg, Bielefeld:179-190 Siebert, Horst (2006): Lernmotivation und Bildungsbeteiligung. Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag. Kommission der Europäischen Gemeinschaft (2000): Memorandum über Lebenslanges Lernen.