Vollständige Publikation

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Vollständige Publikation
Nachhaltigkeitsgruppen als Orte der Bildung und
des Lernens in einer flüssigen Gesellschaft
Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades
eines Doktors der Geisteswissenschaften
an der Karl-Franzens-Universität Graz
vorgelegt von
Anton W. Peskoller
in
in
Erstbegutachterin: Ao. Univ.-Prof. Dr. Regina Mikula
Zweitbegutachter: Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger
Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft,
Karl-Franzens-Universität Graz
Januar 2014
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit
selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die
angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen
wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher
oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht
veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.
Ampass, am 3. Jänner 2014
Seite ii
Vorwort
Never underestimate the power of a few committed people
to change the world.
Indeed, it is the only thing that ever has.
Margaret Mead
Die gesellschaftlichen Motive für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Nachhaltigkeitsgruppen“ liegen auf der Hand und können täglich in den Medien wahrgenommen werden: Klimawandel, Feinstaubbelastung, drohender Sozialkollaps im Bereich
der Pflege, Hunger- und Humanitätskatastrophen z. B. in Afrika oder Mittelost, eine
massive Verschärfung des Nord-Süd (oder West-Ost)-Konfliktes und ähnliche sind
nur die Spitze des Eisberges an Problemen, die durch eine nicht-nachhaltige Lebensweise herbeigeführt werden. Will man eine nachhaltige Entwicklung in Gang
setzen, braucht man Menschen, die sich für dieses Ziel engagieren.
Nachhaltige Entwicklung ihrerseits verlangt aber nach einem interaktiven Prozess:
Sie erfordert die Kooperation von Engagierten, Spezialist/innen verschiedener Bereiche und auch von Betroffenen. Damit ist die Bildung von Gruppen, die sich mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen, als Keimzelle für viele Formen nachhaltiger
Entwicklung anzusehen und schon aus diesem Grund von Interesse.
Für mich liegt aber auch ein massives persönliches Interesse in dieser Arbeit. Als
„Bauernsohn“ habe ich schon als Kind erlebt, in welchem Ausmaß das Wohlergehen
der Menschen von Natur und Umwelt abhängig ist. Seit mehreren Jahren bin ich als
Grüngemeinderat in der kleinen Tiroler Gemeinde Ampass tätig. Die Gruppierung
wurde mit viel Elan vor den Gemeinderatswahlen im Jahr 2004 ins Leben gerufen,
um sich mit den ökologischen und sozialen Problemen der Gemeinde und ihrer Bürger/innen auseinanderzusetzen. Mittlerweile sind jedoch einige „Erosionserscheinungen“ aufgetreten, die Gruppe ist nicht mehr so homogen wie früher.
Daneben habe ich mich außerhalb meiner Gemeinderatsarbeit in Bürger/inneninitiativen (etwa zur Verhinderung einer Bodenaushubdeponie in einem Naturgebiet oder zur besseren Einbindung unserer Gemeinde in das Öffentliche Nahverkehrsnetz) engagiert. Ich bin auch als Leiter und Moderator einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe zum Bau des Brenner-Basistunnels tätig gewesen. Schließlich
bin ich (auf eher formaler Ebene) Mitglied der Grünbezirksgruppe von InnsbruckLand. Als Kraftwerkstechniker und ehemaliger Leiter eines Kraftwerkes kenne ich
aber auch die andere Seite – das Konfrontiert-Sein mit Ängsten und Sorgen der Bevölkerung, die aus der eigenen, subjektiven Sicht ungerechtfertigt erscheinen.
Seite iii
Die pädagogischen Interessen an diesem Thema schließlich sind vielfältig. In unserer eigenen Gemeindegruppe haben wir bereits viele Wege beschritten, um die Sicherung des Fortbestandes unserer Gruppe umzusetzen. Dazu setzen wir einerseits
eine Facebookplattform ein, die Informationen für verschiedene Interessengruppen
bietet, aber auch als Anlaufstelle dient. Den monatlichen Newsletter, unseren Grünletter, der über die neuesten Informationen unterrichtet, mussten wir mangels Autor/innen einstellen. Jährlich finden ein „Grünfest“ und ein „Weihnachtsmeeting“ statt,
mit denen ich die Erfahrung gemacht habe, dass sie den Zusammenhalt der Gruppe
besonders stärken. Schließlich habe ich in Kooperation mit der Uni Graz auch eine
bezirksweite „Zukunftswerkstätte“ organisiert.
Diese pädagogischen, zum Teil auf Nutzung neuer Medien basierenden Instrumente
bedürfen aber einer näheren wissenschaftlichen Untersuchung und Erweiterung im
Hinblick auf ihre Wirksamkeit als Einzelinstrumente ebenso wie auf positive und negative Interdependenzen.
An dieser Stelle möchte ich mich bei den Menschen bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben:
 Frau Univ.-Prof. Dr. Regina Mikula, die die Betreuung der Arbeit in einer für
mich sehr schwierigen Situation übernommen hat und die mir sehr viele wertvolle Hinweise bezüglich der pädagogischen Ausrichtung und der
Finalisierung des Textes gegeben hat.
 Herrn Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger, der sich freundlicherweise bereit erklärt
hat, die Zweitbetreuung zu übernehmen.
 Frau Dr. Ulrike Gelbmann für ausgedehnte Diskussionen vor allem zur Frage
der Nachhaltigkeitsforschung sowie für die Energie, Geduld und kreative Stimulierung, mit der sie mich zur Fertigstellung dieser Arbeit getrieben hat.
 Meinen Interviewpartner/innen in Tirol und in Berlin, die sich bereit erklärt haben, mit mir auch über leidvolle Erfahrungen mit ihren Gruppen zu sprechen.
 Meinem Freund Hermann Gassler, der sich der mühevollen Aufgabe des Korrekturlesens unterzogen und mir wertvolle Hinweise gegeben hat.
 Meinen Freunden und meiner Familie, vor allem meiner Frau Gitti und meinem
Sohn Simon, die nicht nur oft auf mich verzichten mussten, sondern auch nie
den Glauben an die Fertigstellung dieser Arbeit verloren haben. Ihnen möchte
ich diese Arbeit widmen.
Anton Peskoller
Seite iv
Inhaltsverzeichnis
1
2
3
Einleitung ......................................................................................................................................... 1
1.1
Problemstellung und Eingrenzung des Themas...................................................................... 2
1.2
Zielsetzung der Arbeit – Forschungsfragen ............................................................................ 6
1.3
Vorgehensweise der Arbeit ..................................................................................................... 8
Wissenschaftstheoretische Anschlüsse ........................................................................................ 13
2.1
Wissenschaftstheoretische Einordnung ................................................................................ 13
2.2
Gewählte Forschungsmethode.............................................................................................. 17
2.2.1
Theoretische Arbeit ....................................................................................................... 17
2.2.2
Empirische Studie .......................................................................................................... 24
Annäherungen an den Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ ................................................................ 34
Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ ............................................................................................. 34
3.1
3.1.1
Die Anfänge der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatte .................................................. 35
3.1.2
Operationalisierung der Nachhaltigkeit: Agenda 21 ...................................................... 38
3.1.3
Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit .................................................................. 40
3.1.3.1
Ökonomische Nachhaltigkeit ................................................................................. 41
3.1.3.2
Ökologische Nachhaltigkeit ................................................................................... 44
3.1.3.3
Soziale Nachhaltigkeit ........................................................................................... 46
3.1.3.4
Kritik am Drei-Säulen-Modell ................................................................................. 49
3.1.4
Nachhaltigkeit als dynamischer Prozess in der Zielbildung .......................................... 50
3.1.5
Nachhaltigkeit als Fähigkeit ........................................................................................... 51
3.1.6
Ein geeigneter Ansatz für die Erfassung von Nachhaltigkeitsgruppen ............................
und empirische Befunde ................................................................................................ 52
Annäherungen an den Begriff „Gruppe“ ................................................................................ 54
3.2
3.2.1
Arten von Gruppen ........................................................................................................ 57
3.2.2
Gruppengröße ............................................................................................................... 60
3.2.3
Gruppenidentität und „Wir-Gefühl“ ................................................................................ 62
3.2.4
Rollen in der Gruppe ..................................................................................................... 65
3.2.5
Kommunikation und Interaktion in der Gruppen ............................................................ 68
Definition der „Nachhaltigkeitsgruppe“ .................................................................................. 69
3.3
3.3.1
Vorläufer von Nachhaltigkeitsgruppen .......................................................................... 70
3.3.2
Suche nach bisherigen Begriffsverwendungen ............................................................. 72
3.3.3
Historische Wurzeln „nachhaltigen Engagements“: Die Geschichte der ..........................
Grünbewegung .............................................................................................................. 73
3.3.3.1
Entstehung der Grünbewegung in Deutschland .................................................... 74
3.3.3.2
Die Geschichte der „Grünen“ in Österreich ........................................................... 78
3.3.4
Definition des Begriffes „Nachhaltigkeitsgruppen“ ........................................................ 79
3.3.5
Mögliche reale Typen von Nachhaltigkeitsgruppen....................................................... 82
3.3.5.1
Lokale Agenda 21 Gruppen ................................................................................... 82
3.3.5.2
Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organizations NGOs).......... 84
3.3.6
Seite v
Im Rahmen der empirischen Erhebung identifizierte Nachhaltigkeitsgruppen ............. 87
3.3.6.1
Identifizierte Arten von Nachhaltigkeitsgruppen .................................................... 87
3.3.6.2
Beschriebene Rollenbilder in den Nachhaltigkeitsgruppen ................................... 90
3.4
4
Zwischenfazit über den Begriff der Nachhaltigkeitsgruppe ................................................... 91
Nachhaltige Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen ............................................................................ 93
Diskussion grundlegender Begriffe der „Bildung“ .................................................................. 94
4.1
4.1.1
Der Begriff der „Bildung“ ................................................................................................ 94
4.1.2
Zum Verhältnis von Lernen, Bildung und Kompetenz ................................................... 97
4.2
Lernen als Grundlage nachhaltiger Bildung .......................................................................... 99
4.2.1
Dimensionen des Lernens ........................................................................................... 101
4.2.2
Kategorisierung von Lernformen ................................................................................. 104
4.2.2.1
Die Lernmodelle von Jean Piaget (1975) und Knud Illeris (2010) ....................... 105
4.2.2.2
Lernebenen bei Gregory Bateson (1982) ............................................................ 108
4.3
Lernen für Nachhaltigkeit und nachhaltiges Lernen ............................................................ 109
4.4
Umstände des Lernens: Tragfähige Konzepte für nachhaltiges Lernen ............................. 111
4.4.1
Orte des Lernens: Formelles, non-formales und informelles Lernen .......................... 112
4.4.2
„Promotoren“ des Lernens: Selbst- und fremdgesteuertes Lernen ............................. 115
4.4.3
Motive des Lernens: Interessengetriebenes, expansives Lernen ............................... 118
4.4.4
Zwecke des Lernens: Instrumentelles und intrinsisches Lernen ................................. 119
4.5
Gruppen als Orte des Lernens ............................................................................................ 121
4.6
Lernen in der Nachhaltigkeitsgruppe ................................................................................... 122
4.7
Empirische Befunde über Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen ............................................. 127
4.7.1
Zu den Dimensionen des Lernens............................................................................... 127
4.7.2
Zu den Lernformen ...................................................................................................... 135
4.7.3
Zu den Gestaltungskompetenzen................................................................................ 139
4.7.4
Zu den Umständen des Lernens ................................................................................. 150
4.7.4.1
Zu den Orten des Lernens ................................................................................... 150
4.7.4.2
Zu den Promotoren des Lernens ......................................................................... 153
4.7.4.3
Zu den Motiven des Lernens ............................................................................... 155
4.7.4.4
Zu den Zwecken des Lernens ............................................................................. 156
4.8
5
Zwischenfazit ....................................................................................................................... 158
Nachhaltigkeitsgruppen als panarchische Systeme .................................................................... 159
5.1
Grundlagen der System- und Netzwerktheorie ................................................................... 159
5.1.1
Der Begriff „System“ .................................................................................................... 159
5.1.2
Die Bedeutung des systemischen Denkens ................................................................ 161
5.1.3
Abgrenzung von Netzwerken und Systemen .............................................................. 162
5.1.4
Grundlegende Charakteristika von Systemen ............................................................. 166
5.1.4.1
Autopoiesis .......................................................................................................... 166
5.1.4.2
Emergenz ............................................................................................................ 168
5.1.5
5.2
Seite vi
Übertragung des Systemdenkens auf Gruppenkonzepte ........................................... 169
Das Panarchiekonzept: Veränderungen in komplexen Systemen und ....................................
Netzwerken erfassen ........................................................................................................... 170
5.2.1
Das Modell der adaptiven Schleifen und Resilienz ..................................................... 170
5.2.2
Interdependente adaptive Schleifen: Panarchie .......................................................... 174
5.2.3
Rückkoppelungen zwischen adaptiven Schleifen ....................................................... 176
5.3
Lernen in Systemen und im Panarchiemodell ..................................................................... 177
5.4
Nachhaltigkeit als panarchisches Konstrukt ........................................................................ 180
5.5
Hinweise aus der empirischen Untersuchung auf panarchische Strukturen ....................... 182
5.6
Panarchie und Nachhaltigkeitsgruppe: Die „Triple-I“-Struktur............................................. 184
5.6.1
Idee .............................................................................................................................. 186
5.6.2
Interesse und Issue ..................................................................................................... 188
5.6.3
Inhalte und Initiativen ................................................................................................... 191
5.6.4
Panarchische Interaktion im Triple-I-Modell ................................................................ 191
5.6.5
Befunde für das Existieren des Triple-I-Modells in der Praxis .................................... 193
5.7
6
Gruppen in der „flüssigen“ Moderne ............................................................................................ 199
6.1
Einflussfaktoren der „flüssigen“ Moderne ............................................................................ 201
6.2
Konsequenzen der „flüssigen“ Moderne ............................................................................. 204
6.2.1
Veränderung der erwerbstätigen Arbeit als Motor der „flüssigen“ Moderne ............... 206
6.2.2
Veränderung der Gemeinschaft als Folge der „flüssigen“ Moderne ........................... 207
6.3
Auswirkungen der „flüssigen“ Moderne auf Bildungsprozesse ........................................... 209
6.4
Konsequenzen der „flüssigen“ Moderne für Nachhaltigkeitsgruppen ................................. 216
6.4.1
Cloakroom-Communities ............................................................................................. 217
6.4.2
Baumans „Schwärme“ ................................................................................................. 218
6.4.3
Communities of Practice .............................................................................................. 221
6.5
7
Empirische Befunde in Bezug auf die „flüssige Moderne“ .................................................. 222
Der Wunsch nach politischer Mitbestimmung als Motor des Engagements .....................................
in Nachhaltigkeitsgruppen ........................................................................................................... 227
7.1
8
Zwischenfazit ....................................................................................................................... 197
Partizipation ......................................................................................................................... 229
7.1.1
Formen der Partizipation ............................................................................................. 229
7.1.2
Zivilgesellschaft und Zivilität als Motoren der Partizipation ......................................... 231
7.1.3
Machtbedürfnis als Motor der Partizipation ................................................................. 235
7.2
Empowerment...................................................................................................................... 236
7.3
Governance ......................................................................................................................... 238
7.4
Empirische Befunde aus den Bereichen Partizipation, Empowerment, Governance ......... 239
Individuelle Gründe für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen ......................................... 241
8.1
Werte als Ausgangspunkt für das Engagement .................................................................. 242
8.2
Einstellungen als Determinanten des Engagements .......................................................... 244
8.3
Soziales Handeln ................................................................................................................. 248
8.4
Die Rolle der Motivation ...................................................................................................... 253
8.4.1
Das Spannungsfeld Motiv – Motivation - Handeln ...................................................... 254
8.4.2
Anreize zur praktischen Mitarbeit in Nachhaltigkeitsgruppen ..................................... 255
Seite vii
8.4.3
Motivationstheoretische Erklärungsansätze für Engagement in ......................................
Nachhaltigkeitsgruppen ............................................................................................... 258
8.4.3.1
Abraham Maslows „Bedürfnispyramide“ (1943) .................................................. 258
8.4.3.2
Heinz Heckhausens erweitertes kognitives Motivationsmodell (EKM, 1980)...... 260
8.4.3.3
Motivation in der flüssigen Moderne .................................................................... 262
8.5
Leistungsmotivation und -barrieren in Nachhaltigkeitsgruppen .......................................... 264
8.6
Empirische Belege für individuelle Beweggründe zum Engagement .......................................
in einer Nachhaltigkeitsgruppe ............................................................................................ 267
8.7
Zwischenfazit ....................................................................................................................... 272
9
Lebensstile in Postmoderne als Basis für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen ............ 273
9.1
Wertwandel als Basis der Typisierung von Lebensstilen .................................................... 273
9.1.1
Grundlegende Theorien des Wertwandels .................................................................. 273
9.1.2
Helmut Klages‘ Charakterisierung von Menschentypen (1985) .................................. 276
9.1.3
Hinweise auf Wertwandel in der empirischen Untersuchung ...................................... 280
9.2
Lebensstile und Milieus als Motoren von Nachhaltigkeitsgruppen...................................... 282
9.2.1
Grundlegendes über Lebensstile und Milieus ............................................................. 282
9.2.2
LOHAS und LOVOS als nachhaltigkeitsorientierte Lebensstile .................................. 287
9.2.3
Analyse der im Rahmen der empirischen Untersuchung befragten Personen ........... 289
10
Schlussfolgerungen ................................................................................................................. 291
10.1
Diskussion: Die Gruppe atmet ......................................................................................... 291
10.2
Fazit und Ausblick............................................................................................................ 296
11
Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 300
Abkürzungsverzeichnis....…………………………………………………………………………………….341
Anhang……………………………………………………………………………………………………........343
Seite viii
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Zusammenhänge in der Gliederung der Arbeit ......................................................................... 12
Abb. 2: Drei Dimensionen des Lernens .............................................................................................. 103
Abb. 3: Assimilation und Akkomodation ............................................................................................. 105
Abb. 4: Modell einer Adaptiven Schleife ............................................................................................. 173
Abb. 5: Panarchie-Modell ................................................................................................................... 176
Abb. 6: Das Triple-I-Modell der Nachhaltigkeitsgruppe ....................................................................... 185
Abb. 7: Reflexive Modernisierung: Fluide Gesellschaft ....................................................................... 203
Abb. 8 Vier Lerntypen nach Engeström .............................................................................................. 214
Abb. 9: Lernen nach Engeström .......................................................................................................... 215
Abb. 10: Leiter der Bürger/innenpartizipation ...................................................................................... 230
Abb. 11: Vierfelder-Raster politischer Partizipationsformen................................................................ 231
Abb. 12: Verhältnis der Begrifflichkeiten Verhalten, Handeln, Beziehung .......................................... 248
Abb. 13: Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell in handlungstheoretischer Darstellung. .......... 260
Abb. 14: Die Sinus-Milieus .................................................................................................................. 285
Abb. 15: Zusammenschau von für Nachhaltigkeitsgruppen relevanten Lerntypen............................. 295
Seite ix
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Übersicht über die durchgeführten Interviews .......................................................................... 26
Tab. 2: Überblick über den Befragungsleitfaden ................................................................................... 28
Tab. 3: Codierungssystem der Auswertung .......................................................................................... 33
Tab. 4: Beschreibung von Teamrollen nach Belbin. ............................................................................. 66
Tab. 5: Rollenaufgaben in Gruppen ..................................................................................................... 68
Tab. 6: Übersicht über Formen lebensbegleitenden Lernens ............................................................. 117
Tab. 7: Veränderungen des Lernens ................................................................................................... 118
Tab. 8: Fundamentale Orientierungen, die die Nachhaltigkeitsbildung beeinflussen ......................... 121
Tab. 9: Lebensstile und Milieueinteilungen ......................................................................................... 284
Seite x
1 Einleitung
Der Begriff Nachhaltigkeit wird seit einigen Jahren in inflationärer Weise verwendet,
so dass er manchmal geradezu inhaltsleer wirkt. Hinterfragt man das Konzept genauer, zeigt sich, dass es nach wie vor an konkreten praktischen Umsetzungen
mangelt. Das für sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung notwendige Engagement in der Bevölkerung ist allerdings weder durch gesetzliche Regelungen, noch
durch Marktmechanismen allein erreichbar (vgl. Gelbmann 2010, S. 4). Zudem versuchen in den letzten Jahren die Regierenden immer mehr, ihre eigenen Bemühungen zur Bereitstellung so genannter öffentlicher Güter zurückzuschrauben und gesellschaftliche Verantwortung an Dritte zu übertragen (vgl. Knill & Lehmkul 2001, S.
93). Mit diesem als „Governance“ bezeichneten Phänomen versucht man neue Formen der Kooperation zwischen Regierenden und Dritten auf gleicher Augenhöhe zu
schaffen (vgl. Jann & Wegrich 2010, S. 181). Das Modell der Governance bedarf zu
seinem Erfolg aber des Engagements motivierter Menschen einzeln oder als Akteur/innen in Gruppen und Organisationen, und zwar auch über die Grenzen bezahlter Arbeit hinaus.
Der Freiwilligensurvey 2009 des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend belegt, dass in Deutschland mehr als ein Drittel aller Bürger/innen freiwillig Aufgaben, Arbeiten oder Funktionen im so genannten Dritten Sektor (der Zivilgesellschaft) übernimmt (vgl. BMFSFJ 2009, S. 5). Das größte Engagement findet sich im Bereich Sport und Bewegung; Engagement für Nachhaltigkeitsanliegen werden nicht explizit abgefragt, finden sich aber in den Bereichen Umweltschutz, Politik und im lokalen Bürger/innenengagement und werden von je weniger
als 3 % der Bevölkerung wahrgenommen (vgl. BMFSFJ 2009, S. 5). Auf allen Ebenen bemühen sich daher Institutionen wie NGOs (Non Governmental Organizations)
die Forderungen derjenigen Konzepte auf regionaler Ebene umzusetzen, die das
Thema „Nachhaltige Entwicklung“ begründet haben: Brundtlandreport (vgl. United
Nations 1987) und Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a; WCED 1987).
Der dort postulierte politische und gesellschaftliche Wandel hin zu Eigenverantwortlichkeit der Menschen geht allerdings einher mit einer massiven Individualisierung,
geringerer Solidarität sowie geringerem Vertrauen in traditionale Masseninstitutionen
1
wie Gewerkschaft oder Kirche. In der „flüssigen“ Moderne (vgl. Bauman 2003a vgl.
dazu 6.) streben die Menschen nach „Wunscherfüllung ohne Wartezeit“ ohne sich mit
den Folgen ihres Tuns für ihre eigene und die Zukunft der Menschheit auseinanderzusetzen. Das führt zu einem Verlust an Nachhaltigkeit und auch zu einem Verlust
von Bindungen zu anderen Menschen. Ein Netzwerk individueller und wechselnder
Beziehungen entsteht, das den Bedarf individueller Flexibilität erhöht und zu Unsicherheit und Unklarheit beiträgt. Dieses Netzwerk darf nicht zu dicht und vor allem
nicht zu eng werden, denn das wird als hinderlich empfunden (vgl. Bauman 2000, S.
14). All diese Veränderungen haben Auswirkungen auf das menschliche Zusammenleben und besonders auf den Faktor Gemeinschaft. Aus Sicht einer Nachhaltigkeitsgruppe interessiert daher, wie man Menschen dazu motivieren kann, sich für Nachhaltigkeitsanliegen zu interessieren und zu engagieren und welche Bildungsprozesse
damit in Zusammenhang stehen. Aus diesen Gegebenheiten lässt sich die Problemstellung der vorliegenden Arbeit ableiten.
1.1 Problemstellung und Eingrenzung des Themas
Im Zentrum des Interesses dieser Arbeit steht die Frage nach den inneren Eigenschaften und von außen wirkenden Einflussfaktoren einer Nachhaltigkeitsgruppe.
Diese stellt sich aus erziehungswissenschaftlicher Sicht als eine Struktur dar, in der
lebenslanges bzw. lebensbegleitendes Lernen stattfindet. Um diese Form des Lernes
zu ermöglichen, ist die Vermittlung von Bildung in Form des Dialogs mit den Lernenden erforderlich: In der so genannten handlungsorientierten Bildung werden die
Menschen mit den tatsächlichen Gegebenheiten ihres Umfeldes konfrontiert. Dies
erlaubt ihnen die Bewertung der Ereignisse in ihrer Umgebung und hilft ihnen, eine
Neuorientierung zu verlangen und sich selbst dafür zu engagieren (vgl. G. Fagan
1996, S.137). Die adäquaten Bildungsformen bestehen in „Aktion“ als zielgerichtetem, geplantem Handeln und „Empowerment“, das den Menschen einerseits die Fähigkeiten zum Handeln vermittelt und ihnen anderseits die Macht zum Handeln zugesteht. Nur unter diesen Bedingungen ist ein dauerhaftes Bestehen von Nachhaltigkeitsgruppen möglich, und beide Begriffe werden in der vorliegenden Arbeit hinterfragt (vgl. 7.2 und 8.3).
2
Damit sind sowohl die Entstehung als auch der Fortbestand von Nachhaltigkeitsgruppen definiert als Aufgaben lebenslanger bzw. lebensbegleitender, „nachhaltiger
Bildung“. Was den Fortbestand von Nachhaltigkeitsgruppen anbelangt, so bestehen
wesentliche Unterschiede im Hinblick auf dessen Dauer: Man kann über einen längeren Zeitraum hinweg oder auf einzelne Anlassfälle beschränkt nachhaltig agieren,
etwa durch zeitweiliges Engagement in Bürger/inneninitiativen, wenn eine hohe persönliche Betroffenheit vorherrscht. Denn laut Freiwilligensurvey 2009 gibt es zwar
mehr freiwillig engagierte Menschen als noch zehn Jahre zuvor (Steigerung um ca. 2
%), doch wenden diese vor allem im für Nachhaltigkeitsgruppen interessanten sozialen und ökologischen Bereich weniger Zeit für ihr Engagement auf: Das lässt darauf
schließen, dass hier eine bessere Verteilung der Aufgaben und Arbeit stattgefunden
hat.
Die Motivation zu nachhaltigem Handeln und das konkrete Engagement für nachhaltige Entwicklung stehen demnach in einem direkten positiven Zusammenhang. Jedoch scheint plausibel, dass das Engagement einzelner für nachhaltige Entwicklung
zu kurz greift. Daher finden sich in der Regel mehrere Personen zusammen, um
Nachhaltigkeitsanliegen gemeinsam zu verfolgen. Mit anderen Worten bilden sich
Gruppen, Netzwerke und Organisationen, die sich mit Fragen der Nachhaltigkeit
auseinandersetzen. Das Hauptaugenmerk richtet die vorliegende Arbeit auf diejenigen, die ihre Arbeit, ihr Engagement und ihre Kreativität für nachhaltige Entwicklung
aufwenden – mithin diejenigen Personen, die sich aktiv und intensiv für nachhaltige
Entwicklung engagieren. Zentral sind dabei Personen, die ihr Engagement in eine
auf Dauer angelegte Gruppierung einbringen bzw. die sich im Rahmen einer auf
Dauer angelegten Gruppierung für einen einzelnen Anlass (engl. issue) engagieren.
Der Fokus der voliegenden Arbeit liegt damit auf Lernvorgängen und ihren Umständen in Gruppen, die sich aus politischen oder auch rein sozioökologischen Motiven
mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen, sowie auf deren Teilgruppierungen.
Besonderes
Augenmerk
wird
dabei
auf
issue-basierte
Gruppen
wie
Bür-
ger/inneninitiativen etc. gelegt, die sich für die Erreichung eines bestimmten Zieles
an Nachhaltigkeitsgruppen anschließen oder aus diesen entwickeln.
Zugleich mit der Frage nach dem Arbeitsinhalt „Nachhaltigkeit“ muss auf der Metaebene die Frage der immanenten „Nachhaltigkeit“, also der Lebensdauer dieser
3
Gruppen untersucht werden, als Frage danach, in welcher Weise und unter welchen
Bedingungen diese Nachhaltigkeitsgruppen ihrerseits dauerhaft und zukunftsfähig
sind (oder eben nicht). Definiert man Nachhaltigkeit nicht als (zukünftigen) Zustand
der „Glückseligkeit“, sondern als Entwicklung und als Prozess des (lebenslangen)
Lernens (vgl. 3.1.4 und 3.1.5), dann muss sich die Nachhaltigkeitsgruppe als Struktur
„entwickeln“ und „lernen“: Sie muss sich ständig mit neuen Anforderungen auseinandersetzen, sich anpassen oder sogar Veränderungen vorweg nehmen.
Denn geht man davon aus, dass bedingt durch die wachsende „Flüchtigkeit“ des sozialen Umfeldes, die Ausbreitung von Luxus und Komfort, die zunehmende Fragilität
menschlicher Bindungen (vgl. Bauman 2007a, S. 14), Wertewandel, Lebensstiländerungen etc. die Menschen immer weniger dazu tendieren, sich „lebenslang“, oder
zumindest über einen längeren Zeitraum hinweg, einer oder mehreren Gruppen fix
anzuschließen, kann man folgende Überlegungen entwickeln:
1. Die Vorstellung, eine große Gruppe mit starkem Wir-Gefühl entwickeln zu
können, ist obsolet.
2. Das Engagement für eine Gruppe bzw. für deren Mitglieder wird abgelöst
durch das Engagement für Themen und Interessen.
3. Im Zentrum der Nachhaltigkeitsgruppe stehen nicht langfristige gemeinsame
Ziele, enge zwischenmenschliche Beziehungen oder soziale Nähe, sondern
die Konzentration auf wechselnde, mehreren Personen eigene Interessen, die
ihrerseits im Zeitablauf einem Wandel unterliegen. Auch die damit einhergehenden Lernprozesse sind kurzfristig angelegt und stellen nicht auf ein ausgeklügeltes langfristiges Bildungskonzept ab: Bildung kann nur „häppchenweise“
vermittelt werden.
Unter diesen Voraussetzungen kann die „herkömmliche“ soziologische und psychologische Literatur bezüglich „Gruppen“ für die Entwicklung eines Konzeptes „Nachhaltigkeitsgruppe“ nur bedingt angewendet werden. Vielmehr ist ein neues, resilienzorientiertes (vgl. 5.2.1) Modell einer Gruppe zu entwickeln und daraufhin zu untersuchen, welche modernen Bildungskonzepte ihm zugrunde gelegt werden können. Erst
durch ihre Wandlungsfähigkeit (Adaptability) und die Fähigkeit, Störungen zu ertragen ohne zugrunde zu gehen (Resilienz) wird die Gruppe stabil (vgl. L. H. Gunderson
et al. 2001). Diese Stabilität ist aber dynamisch zu sehen: „Die Gruppe atmet“.
4
Nähert man sich dem untersuchten Phänomen der Nachhaltigkeitsgruppe weiter, so
zeigt sich, dass Gruppen, die sich für Anliegen nachhaltiger Entwicklung engagieren,
manchmal zu einem einzigen Zweck gegründet werden können (z. B. Bürger/inneninitiativen für oder gegen bestimmte Projekte). Solche Gruppen agieren „issue-based“ bzw. anlassbezogen. Ihr Bestehen endet mit der Erreichung bzw. NichtErreichung des angestrebten Zieles. Wie oben bereits angedeutet, kann Wissen in
diesen Fällen nur streng anlassbezogen und inkremental vermittelt werden bzw. gehen hier informale Bildungsprozesse vonstatten, während geplante (non-)formale
Bildung in der Regel nicht angenommen wird.
Macht man auf einer „Metaebene“ auch die nachhaltige Entwicklung der Gruppe
selbst zum konstituierenden Merkmal einer Nachhaltigkeitsgruppe, so sind issuebasierte Gruppen keine Nachhaltigkeitsgruppen im engeren Sinne, denn die nachhaltige Entwicklung einer Gruppe basiert auf deren „Zukunfts- und Überlebensfähigkeit“.
Diese hängt wiederum von der Bedürfnisbefriedigung der Mitglieder durch die Mitgliedschaft, von der Motivationsstruktur und anderen Faktoren ab.
Daher bedarf es eines übergeordneten gemeinsamen Elements, das die Gruppe auf
Dauer zusammenhält, auch wenn die Akteur/innen und Themen („Issues“ bzw. „Interessen“) wechseln (vgl. 5.5). Dieses übergeordnete Element ist die gemeinsame
Idee, die gemeinsame Vorstellung von „Nachhaltiger Entwicklung“. Typische Nachhaltigkeitsgruppen in diesem Sinne sind daher politische Gruppierungen, NGOs und
ähnliches. Issuegroup s entwickeln sich oft unter Anbindung an dauerhafte Nachhaltigkeitsgruppen, wobei der Impuls zur Gründung einer Issuegroup
von innerhalb
oder außerhalb der Nachhaltigkeitsgruppe kommen kann. Issuegroup s bilden daher
den dynamischen Aspekt der Nachhaltigkeitsgruppe, der für deren nachhaltige Entwicklung sorgt.
Zentrale Elemente einer Nachhaltigkeitsgruppe sind daher eine gemeinsame Idee
(also eine grundsätzliche Vorstellung davon, was Nachhaltigkeit alles umfassen
kann) und ein kleines Kernteam von längerfristig engagierten Personen, das im Zentrum der Gruppe steht, als deren zentraler Knoten arbeitet und auch als Verbindungsknoten zu anderen Netzwerken dient („linking team“). Gemeinsam bilden die eben
dargestellten Elemente die Basis für das System, das in der vorliegenden Arbeit untersucht wird.
5
1.2 Zielsetzung der Arbeit – Forschungsfragen
Am Ende der UN-Dekade der nachhaltigen Bildung 2015-2014 (vgl. Editorial
UNESCO 2013) interessiert daher, warum Menschen sich in Gruppen einbringen, um
sich für nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Der Begriff „Bildung“ spielt in diesem
Zusammenhang eine doppelte Rolle:

als Bildung im organisatorischen bzw. institutionellen Sinne, bezogen auf
Schlagwörter wie Zustandekommen, Fortbestehen, Kohäsion etc. einer Gruppe.

als Bildung im klassisch erziehungswissenschaftlichen Sinne, bezogen auf
Schlagwörter wie Lernen, Weiterbilden, Kompetenzen etc.
Beiden Aspekten der „Bildung“ wohnen mehrere Gemeinsamkeiten inne: Beide weisen sowohl zustandsbezogene wie auch prozesshafte Charakteristika auf, sind aber
in einer postmodernen Gesellschaft dynamisch, partizipativ und systemisch verwoben zu sehen. Alle beiden Aspekte haben mit Phänomenen wie Motivation oder Interesse genauso zu tun wie mit Werten und Einstellungen. Alle beide spielen eine große Rolle in einer postmodernen, auf Individualisierung und Selbstverwirklichung ausgerichteten Gesellschaft. Letztlich haben sie alle beide zu tun mit der Frage, ob es in
einer komplexen, unsicheren Umwelt für das Individuum besser ist, angepasst oder
reflektiert und potentiell widerständig zu agieren. Zur Bildung von angepassten oder
nicht-angepassten Menschen können wiederum entsprechende Bildungsstrategien
beitragen.
Erstes zentrales Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit ist es demnach zu erforschen, welches die konstituierenden Merkmale einer Nachhaltigkeitsgruppe sind.
Stimmt die oben angestellte Überlegung, dass im Zentrum der Nachhaltigkeitsgruppe
nicht langfristige gemeinsame Ziele, enge zwischenmenschliche Beziehungen oder
soziale Nähe stehen, sondern die Konzentration auf wechselnde, mehreren Personen eigene Interessen, so verlieren Merkmale wie „Wir-Gefühl“, Kohäsion, regelmäßige Interaktion bzw. Kommunikation an Bedeutung: Auch wenn man großen Aufwand treibt, kann man diese Merkmale nicht mehr länger zu konstitutiven Merkmalen
der Gruppe machen. Vielmehr müssen andere Merkmale und vor allem neue Bildungskonzepte für Nachhaltigkeitsgruppen an deren Stelle treten, denen diese Arbeit
6
nachgeht. Zu den konstituierenden Elementen der Nachhaltigkeitsgruppe und den
Erkenntnisobjekten der vorliegenden Arbeit gehören unter anderem Faktoren wie

Motive, sich in einer Nachhaltigkeitsgruppe zu engagieren,

Handlungen, die in der Nachhaltigkeitsgruppe stattfinden, und vor allem die

Lernprozesse, die geplant oder ungeplant in der Nachhaltigkeitsgruppe vonstatten gehen.
Um diesen Themen auf den Grund gehen zu können, bedarf es aber weiterhin einer
Analyse der Elemente, die die Bildung von und die Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen
determinieren, mithin einer Analyse der Einflussfaktoren und Umständen von Nachhaltigkeitsgruppen, etwa im Systemkontext oder in einer sich wandelnden Gesellschaft.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, wie Bildung im doppelten oben
beschriebenen Wortsinn das soziale Phänomen „Nachhaltigkeitsgruppe“ prägt. Erforscht werden Merkmale von und Einflussfaktoren auf die Bildung von und in Nachhaltigkeitsgruppen. Daraus ergeben sich unmittelbar die folgenden Forschungsfragen
bzw. Erkenntnisziele, die mithilfe theoriegeleiteter Recherchen und empirischer Untersuchung beantwortet werden:

Was sind Nachhaltigkeits-Gruppen (in Ermangelung einer anerkannten, einigermaßen eindeutigen Definition)?

Wie kann man die Gruppenstruktur einer Nachhaltigkeitsgruppe unter Miteinbeziehung eines dynamischen Konzeptes der Nachhaltigkeit abbilden?

Wie kann mithilfe von neuen Ansätzen vor allem der Systemforschung das Konzept einer Nachhaltigkeitsgruppe sinnvoll abgebildet werden?

Wie sieht die Zielhierarchie einer Nachhaltigkeitsgruppe aus, ausgehend von einer langfristigen Vision (Idee) bis hin zu kurzfristigen Handlungszielen (Inhalten)?

Welchen Einfluss hat (der Diskurs über) eine postmoderne Gesellschaft auf die
Eigenschaften einer Nachhaltigkeitsgruppe bzw. die daran Beteiligten?

Wie passt das Konzept der Nachhaltigkeitsgruppe in der Nachhaltigkeit nah verwandte Konzepte wie Empowerment und Partizipation?
7

Welche individuellen Werte, Einstellungen und Motive haben Menschen, sich für
nachhaltige Entwicklung zu interessieren und in Nachhaltigkeits-Gruppen einzubringen?
und (quasi als Klammer um alle bisherigen Fragen):

Welche Rolle spielen Bildungsprozesse (im pädagogischen Sinne) bei all diesen
Phänomenen?
o Welche Bedeutung hat Lernen als Herausbildung neuen Wissens?
o In welchem Kontext steht dazu die nachhaltige/Nachhaltigkeitsbildung
o Unter welchen Umständen findet Lernen in Nachhaltigkeitsgrupen statt?
1.3 Vorgehensweise der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich im Anschluss an die Einleitung in vier wesentliche
Teile (vgl. Abb. 1). Im ersten dieser Teile wird in Kapitel 2 die methodische Grundlage der Arbeit dargestellt, die sich in die wissenschaftstheoretische Einordnung (vgl.
2.1) und die Darstellung der gewählten Methode untergliedert (vgl. 2.2). Im Rahmen
der wissenschaftstheoretischen Einleitung wird begründet, warum sich diese Arbeit
sowohl einem inter- als auch einem transdisziplinären Zugang verpflichtet fühlt und
die Arbeit mit Praktiker/innen als wesentlich erachtet. Die Methodendarstellung umfasst einserseits das Vorgehen bei der Erstellung der theoretischen Teile (vgl. 2.2.1)
und andereseits die genaue Beschreibung der für die empirische Arbeit angewandten Methoden (vgl. 2.2.2.)
Den Hauptteil der Arbeit bilden die Kapitel 3 bis 9. In ihnen wird mithilfe abduktiver
Zugänge ein theoretisches Grundgerüst aufgebaut, und dieses Theoriegerüst anhand der empirischen Darstellung validiert bzw. plausibel gemacht. Diese Variante
der verschränkten Darstellung von Theorie und Empirie wurde gewählt, da die Arbeit
keiner linearen Ablauflogik folgt. Vielmehr ist Kapitel 3 für die Arbeit zentral, während
sich die Kapitel 4 bis 9 um diesen zentralen Kern in systemischer Form gruppieren
(vgl. Abb. 1). Sie unterliegen keiner zwingenden Reihenfolge, sondern sind interdependent. Es existieren viele gegenseitige Abhängigkeiten, welche Querverweise bedingen.
8
In Kapitel 3 werden die beiden grundlegenden Begriffe „Nachhaltigkeit“ (vgl.3.1; historische Entwicklung, politische und wissenschaftliche Konzepte der Nachhaltigkeit)
und „Gruppe“ (vgl. 3.2; Arten von Gruppen, Gruppengröße, Identität von Gruppen,
Gruppenrollen) zuerst unabhängig voneinander erörtert und dann zueinander in Beziehung gesetzt. Dazu werden die historischen Wurzeln nachhaltigen Engagements
in Gruppierungen verschiedener Art dargestellt (vgl. 3.3.3). Aufbauend auf den bisherigen Ausführungen erfolgt die genaue Festsetzung des Begriffes „Nachhaltigkeitsgruppe“ im Sinne der vorliegenden Arbeit. Die Beschreibung einiger ausgewählter
Arten von Nachhaltigkeitsgruppen in diesem Sinne (Lokale Agenda 21 Gruppen, Non
Governmental Organizations (vgl. 3.3.5) sowie die Ergebnisse der empirischen Erhebung (vgl. 3.3.6) runden das Kapitel ab.
Kapitel 4 beschreibt den erziehungswissenschaftlichen Zugang der Arbeit. Verschiedene Konzepte des „Lernens“ (v.a. die Konzepte von Piaget und ihm folgend Illeris,
vgl. 4.2.2.1 sowie das Lernen nach Bateson, vgl. 4.2.2.2) werden als Basis nachhaltiger Bildung ebenso dargestellt wie die erworbenen (Handlungs)Kompetenzen als
Ergebnis von Lernprozessen, wie sie vor allem im Rahmen der Bildung für eine
Nachhaltige Entwicklung bzw. nachhaltiger Bildung (vgl. 4.3) eine Rolle spielen. Diese bzw. ihre Interdependenzen werden im nächsten Schritt diskutiert. Breiter Raum
wird den Umständen des Lernens für Nachhaltige Bildung gewidmet (vgl. 4.4.). Hier
werden tragfähige Konzepte nachhaltigen Lernens dargestellt und in ihrer Eignung
zur Darstellung der Lernprozesse in Nachhaltigkeitsgruppen untersucht. Im Einzelnen geht es um Orte, an denen Lernen stattfindet (formal, non-formal, informell), um
Promotoren des Lernens (und die Frage nach selbst- oder fremdgesteuertem Lernen), um Motive des Lernens (und die Frage, welche Interessen dem Lernen zugrundeliegen) sowie um Zwecke des Lernens (und die Frage, ob Lernen auf die Vermittlung von kognitiven Inhalten oder auf die Vermittlung persönlicher Kompetenzen
gerichtet sein soll). Die umfassende Analyse der Ergebnisse der empirischen Arbeit
beschließt das Kapitel.
Kapitel 5 setzt sich mit dem systemwissenschaftlichen Zugang der Arbeit auseinander. Zuerst erfolgt eine allgemeine Einleitung hinsichtlich Systemen und Netzwerken
(vgl. 5.1), in der die beiden Begriffe abgegrenzt und grundlegende Termini der Systemtheorie wie Emergenz und Autopoiesis dargestellt werden, bevor systemische
9
Elemente von Nachhaltigkeitsgruppen diskutiert werden. Im Hinblick auf die dynamischen Eigenschaften von Nachhaltigkeitsgruppen besonders geeignet erscheint der
spezielle Ansatz der Panarchy Theory (vgl. 5.2), die in ihren theoretischen Grundlagen dargestellt und sodann auf ihre Konsequenzen für Nachhaltigkeit und Lernen
untersucht wird. Die Panarchy Theory berücksichtigt, dass Systeme nicht statisch
sind, sondern wachsen und Potenzial akkumulieren und sodann unter Einfluss von
Schocks kollabieren können. Zudem postuliert sie einen Zusammenhang zwischen
der Entwicklung von kleineren und größeren Systemen, die sich gegenseitig in ihrer
Entwicklung beeinflussen können. Einen wesentlichen Einfluss hat in diesem Zusammenhang die Frage der Resilienz, die als eine Art „dynamischer Stabilität“ des
Systems zu betrachten ist. Das Panarchiemodell wird sodann sowohl im Zusammenhang mit Lernen als auch mit Nachhaltigkeit als den beiden zentralen Konstrukten
dieser Arbeit untersucht. Schließlich wird auf dieser Basis das so genannte „Triple-IModell“ von Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt, das eines der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit ist. Wiederum werden am Ende des Kapitels die empirischen Erkenntnisse direkt mit eingearbeitet.
Kapitel 6 untersucht den Einfluss postmoderner Gesellschaftsstrukturen auf Nachhaltigkeitsgruppen, wobei wiederum Rückkoppelungen sowohl ins Kapitel 4, als auch in
Kapitel 3 erfolgen. Im Zentrum stehen hier die Ansätze von Bauman zur „flüssigen
Moderne“ und von Sennett zur „Korrosion des Charakters“ bzw. zum „flexiblen Menschen“. Diese Ansätze werden über ihre Einflussfaktoren dargestellt sowie auf Konsequenzen für die gesellschaftliche Entwicklung allgemein und für Bildungsprozesse
im Speziellen untersucht, bevor die Ergebnisse wiederum auf Nachhaltigkeitsgruppen umgelegt werden. Zentral sind hier die Begriffe der „Cloakroom Communities“
und der „Schwärme“ sowie als sehr konkrete Ausprägungsform die „Communities of
Practice“. Für diese Konzepte liefert wiederum der Abschluss des Kapitels auch empirische Ergebnisse.
Kapitel 7 setzt den soziologischen Zugang von Kapitel 6 fort, wendet sich aber von
den eher pessimistischen Prämissen von Baumans und Sennetts Theorie ab und
den optimistischen der Partizipation als Teilhabe der Allgemeinheit am politischen
Willensbildungs- und Entscheidungsprozess sowie des Empowerment als Zurverfügungstellung von Macht und Wissen zu. Beide Konzepte werden dargestellt und dis10
kutiert. Ein wesentlicher Aspekt ist „Governance“ als Übertragung von Gemeinwohlverantwortung an die Bürger/innen. Die Konsequenz davon wiederum ist die
Herausbildung der Zivilgesellschaft. Dieser sind auch Nachhaltigkeitsgruppen zuzurechnen, da Nachhaltigkeit, wie eingangs begründet wird, jedenfalls ein politisches
Konzept ist. Auch dafür finden sich Hinweise und Belege in der empirischen Arbeit,
wie am Ende des Kapitels dargelegt wird.
Kapitel 8 schließlich wendet sich dem einzelnen Individuum und seinen Motiven für
das Engagement in der Nachhaltigkeitsgruppe zu. Zentrale Elemente sind hier die
Untersuchung der Werte des/der Einzelnen, die die Basis für seine/ihre Einstellungen
bilden, aus welchen wiederum das soziale Handeln der Individuen resultiert. Resultierend aus dem Handeln befasst sich Kapitel 8 mit der Motivation bzw. den
Anreizstrukturen in Nachhaltigkeitsgruppen. Das Kapitel liefert verschiedene motivationstheoretische Erklärungsansätze, die das soziale Handeln in Nachhaltigkeitsgruppen erklären und auch empirische Belege dafür liefern.
Kapitel 9 untersucht schließlich postmoderne Lebensstile als Basis für das Engagement
in
Nachhaltigkeitsgruppen.
Ausgehend
von
verschiedenen
Wertwandelskonzepten werden Lebensstile und Milieus thematisiert, aus denen typischerweise die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen stammen, wobei konkret auf
die Typen der LOHAS und LOVOS als Beispiele nachhaltigkeitsorientierter Lebensstile eingegagnen wird, bevor die zugehörige Empirie dargestellt wird.
Nach diesem umfassenden Konglomerat von Aspekten von Nachhaltigkeitsgruppen
ist eine umfassende Diskussion der Ergebnisse in Kapitel 10, um die gewonnenen
Erkenntnisse auf den Punkt zu bringen, ebenso erforderlich wie ein Fazit und ein
Ausblick auf weiter zu erledigende Forschungsarbeiten. Die Gliederung ist in Abb. 1
schematisch dargestellt.
11
1
1.1
1.2
1.3
Einleitung
Problemstellung und Eingrenzung d. Themas
Zielsetzung der Arbeit – Forschungsfrage
Gang der Arbeit
2 Wissenschaftstheoretische Anschlüsse
2.1 Epistemologischer Zugang
2.2 Gewählte Methodik
Methodische Basis
Theoretisches Grundgerüst
4 Nachhaltige Bildung in
Nachhaltigkeitsgruppen
4.1 Lernen als Basis nachhaltiger Bildung
4.2 Kompetenz als Ergebnis von Lernvorgängen
4.3 Nachhaltige Bildung/Bildung f. Nachhaltigkeit
4.4 Lernformen für Nachhaltige Bildung
4.5 Lernen in der NaHaGru
8 Individuell bedingte
Beweggründe für
Engagement in NaHaGru
8.1 Werte als Ausgangspunkt
8.2 Einstellung
8.3 Soziales Handeln
8.5 Motivation zur Teilnahme
an NaHaGru
3
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
5
Nachhaltigkeitsgruppen als panarchische
Systeme
5.1 Grundlagen der System- & Netzwerktheorie
5.2 Erfassen von Veränderungen in komplexen
Systemen & Netzwerken: Panarchiekonzept
5.3 Panarchie und Nachhaltigkeitsgruppe: Die
„Triple-I“-Struktur
Ableitung des Begriffes
Nachhaltigkeitsgruppe
Nachhaltigkeit
Gruppe
Ableitung Begriff NaHaGru
Historische Wurzeln nachhaltigen Engagements
Definition von „NaHaGru“ in
dieser Arbeit
9 Postmoderne Lebensstile als Basis f.
Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen
9.1 Wertwandel
9.2 Lebensstile und Milieus
6 Gruppen in der Flüssigen
Moderne
6.1 Einflussfaktoren der
Flüssigen Moderne
6.2 Konsequenzen der
Flüssigen Moderne
6.3 Auswirkungen der
Flüssigen Moderne f.
NaHaGru
7 Gesellschaftlich bedingte Beweggründe
für Engagement in NaHaGru
7.1 Partizipation
7.2 Empowerment
7.3 Governance
Praktische Arbeit: Empirische Studie zu Nachhaltigkeitsgruppen
Wissenschaftliche
Erkenntnisse
10 Schlussfolgerungen
10.1 Diskussion
10.2 Fazit und Ausblick
Abb. 1: Zusammenhänge in der Gliederung der Arbeit
12
2 Wissenschaftstheoretische Anschlüsse
In Kapitel 2 erfolgt einerseits eine Einordnung der Dissertation in den wissenschaftstheoretischen Kontext, anderseits wird die gewählte Forschungsmethodik sowohl für
den theoretischen Zugang als auch für die empirische Forschungsarbeit dargelegt.
2.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung
Die Notwendigkeit, drängende Probleme zu lösen, bedarf vor allem im Bereich der
nachhaltigen Entwicklung (z. B. in Bezug auf Umwelt, Energie, Gesundheit usw.) einer engen Kooperation und Integration über Disziplingrenzen hinweg (vgl. Jahn
2005, S. 34). Integration bedeutet in diesem Zusammenhang die Abkehr von der
bloßen Ansammlung von additivem und hochgradig fragmentiertem Wissen. Gefragt
ist vielmehr der Aufbau von in sich kohärentem und handlungsbezogen qualifiziertem
Wissen „im Hinblick auf die Verhinderung, Linderung und Lösung sozialer Probleme
anzuwenden“ (Obrecht 2003, S. 164 siehe auch S. 126). Ein solcher Zugang bedarf
per se einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie, da für alle an der Lösung von
Nachhaltigkeitsproblemen Beteiligten gilt, dass sie sich ihr Weltbild quasi „erfinden“
und auf die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Weltbilder Bedacht genommen
werden muss (vgl. von Foerster 1985, S. 40). Dieser konstruktivistische Zugang ist
aus Sicht des Verfassers für die vorliegende Arbeit geeignet, da er erlaubt, ein konkretes Problem aus dem Erleben der Menschen in einem wissenschaftlichen Kontext
zu untersuchen, ohne dass dabei ein Allgemeingültigkeitsanspruch erhoben würde.
Aus diesem Grund zielt die angewandte Forschungsmethode stark auf inter- und
transdisziplinäre Integration ab. Disziplinen sind Wissensstrukturen mit spezifischen
Denkmustern und Modellvorstellungen, die historisch gewachsen sind. Disziplinen
fassen Wissen zusammen, das sich jeweils auf bestimmte Gegenstände und Themen, auf bestimmte Methoden der Wissensgewinnung, auf Mittel zur Erzielung von
Ergebnissen oder auf Probleme und Personen bezieht (vgl. Gutmann 2005, S. 70).
Bei
einem
interdisziplinär
angelegten
Forschungsansatz
bildet
das
disziplinenübergreifende Verständnis der zusammenarbeitenden Disziplinen einen
zentralen Ansatzpunkt, ebenso wie die wechselseitige Berücksichtigung von Konzep-
13
ten und Methoden verschiedener Disziplinen (vgl. Gelbmann & Klampfl-Pernold
2010, S. 162).
Nach Heckhausen (1987) bedeutet interdisziplinäre Forschung,
„dass einige Wissenschaftler/innen, die verschiedenen Fächern angehören, zusammen an einem Problem arbeiten, das so allgemein, alltagsnah oder fachfremd betitelt ist, dass noch kein Vertreter der beteiligten Fächer bereits das
Problem unter den Aspekten seiner eigenen Fachlichkeit eingegrenzt und definiert hätte“ (Heckhausen 1987, S. 129).
Reale, praktische Probleme müssten dabei unter verschiedenen disziplinären Blickwinkeln beleuchtet werden (vgl. Heckhausen 1987, S. 129). Schaller hingegen fasst
Interdisziplinarität allgemeiner und sieht den Grundkonsens darin, „dass unter Interdisziplinarität Unternehmungen verstanden werden, die innerhalb der Wissenschaft
stattfinden“ (Schaller 2004, S. 36). Besteht also nicht einmal eine definitorische Klarheit darüber, was Interdisziplinarität ist, so erscheint es nicht verwunderlich, dass die
Abgrenzung zwischen Inter- und Transdisziplinarität noch unklarer ist. Der Übergang
von der Inter- zur Transdisziplinarität scheint fließend zu verlaufen (vgl. Schaller
2004, S. 36). So sieht Mittelstraß in seinen frühen Abgrenzungsversuchen Transdisziplinarität als eine Art „fortgeschrittener“, „wirklicher“ Interdisziplinarität (vgl. Mittelstraß 2003, S. 26). In seinen weitergehenden Definitionsansätzen wendet sich Mittelstraß jedoch von dieser Meinung ab und definiert den Transdisziplinaritätsbegriff als
eigenständiges Konzept. Transdisziplinarität wird zu einem
„Forschungs- und Wissenschaftsprinzip, das dort wirksam wird, wo eine allein
fachliche oder disziplinäre Definition von Problemlagen und Problemlösungen
nicht möglich ist bzw. über derartige Definitionen hinausgeführt wird“ (Mittelstraß 2005, S. 18f).
Allerdings will er nicht die Disziplinen abschaffen, da er in der Transdisziplinarität
zwar ein integratives, aber kein holistisches Konzept sieht, das im Zeitlauf entstandene allzu große Spezialisierungen aufhebt, aber nicht versucht, alle Disziplinen auf
„die eine“ Disziplin zurückzuführen (vgl. Mittelstraß 2001, S. 94f). In seinen späteren
Werken stellt sich für Mittelstraß Transdisziplinarität dar
14
„sowohl als eine Forschungs- und Arbeitsform der Wissenschaft (…), wo es darum
geht, außerwissenschaftliche Probleme, z. B. (…) Umwelt-, Energie- und Gesundheitsprobleme, zu lösen, als auch als ein innerwissenschaftliches, die Ordnung
des wissenschaftlichen Wissens und der wissenschaftlichen Forschung selbst betreffendes Prinzip“ (Mittelstraß 2003, S. 9f).
Währenddessen konzentrieren sich Gibbons et al. in ihrem „Mode-2-Modell“ auf die
Öffnung für die Zusammenarbeit mit außerwissenschaftlichen Institutionen und Individuen und auf Versuche dieses Konzept zu operationalisieren (vgl. Gibbons, Nowotny, & Limoges 1994, S. 4–6; Jaeger & Scheringer 1998, S. 10–25; Nowotny,
Scott, & Gibbons 2001, S. 89). Auch hier basiert das Transdisziplinaritätsverständnis
auf einer verstärkten Form der Interdisziplinarität, die ihrem „Mode-2-Modell“ der Forschung neben anderen Forderungen zu Grunde liegt. Das disziplinäre Wissen wird in
einer Weise miteinander kombiniert, dass wissenschaftliche Aufgaben über die
Disziplinengrenzen hinweg bearbeitet und gelöst werden können (vgl. Kleiber 2001,
S.55; B. Tress et al. 2003, S.8–10).
„Mode-2“-Forschung erfolgt daher nicht content-, sondern context-basiert, ist massiv
auf Probleme der realen Lebenswelt fokussiert (vgl. dazu auch Mittelstraß 2001, S.
97f) und kann aus diesem Grund nicht innerhalb der traditionellen Paradigmata einzelner Disziplinen durchgeführt werden, sondern bedarf der Integration interdisziplinärer Teams. Das erfordert, dass die „Beforschten“ nicht mehr als Forschungsobjekte betrachtet werden, sondern dass ihre Bedürfnisse und vor allem ihre Fähigkeiten
und Kompetenzen in die Forschungstätigkeit mit einbezogen werden. Dem wird im
Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit durch sorgfältige Auswahl von Expert/innen Rechnung getragen, die von Anfang an in die Ausarbeitung mit einbezogen werden.
Aus diesem Paradigmenwechsel von einer Wissenschaft über die Gesellschaft hin zu
einer Wissenschaft mit der Gesellschaft begründet sich auch der enge Konnex zwischen transdisziplinärem und nachhaltigem Forschen (vgl. Gelbmann 2006, S.6; R.
W. Scholz & Marks 2001, S.236). Hier bewirkt die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis massives gegenseitiges Lernen. In diesem Ansatz werden wissenschaftliches Fachwissen und praktisches Erfahrungswissen nicht nur als gleichwertig
angesehen (vgl. G. Steiner et al. 2004, S.528), sondern durch die Bündelung der
15
verschiedenen Kompetenzen wird ein gemeinsamer Problemlösungsprozess in Gang
gesetzt (vgl. R. Lenz 2003, S.4).
Gerade im Bereich der Nachhaltigkeit besteht ein wesentliches Problem darin, dass
in verschiedenen Disziplinen unter bestimmten Begriffen jeweils etwas anderes verstanden wird, insbesondere auch unter dem Begriff Nachhaltigkeit selbst (vgl. O. R.
Scholz 1999, S.6). Das dieser Arbeit zugrunde liegende transdisziplinäre Forschungsverständnis erfordert, „von eigenen Begriffsvorstellungen zu abstrahieren,
um ein gemeinsames Begriffsinventar zu entwickeln, mit dessen Hilfe auch die Probleme anderer Disziplinen erfasst werden können“ (Gelbmann 2006, S. 98). Zu beachten ist dabei aber, dass alle möglichen Begriffszuschreibungen möglichst vollständig
erfasst werden, wobei Verständnisunterschiede und Divergenzen zwar aufgezeigt,
nicht aber zwangsläufig eine gemeinsame, einzig gültige Definition gefunden werden
muss (vgl. Gelbmann 2006, S. 99). Im Gegenteil ist eine solche sogar oft kontraproduktiv, weil sie oft eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner hinausläuft.
So kommt im vorliegenden Text die Beschreibung von Anpassungsfähigkeit bei Störungen im System als Begriff der „Dynamischen Stabilität“ vor. In der Psychologie
wird diese Eigenschaft als „Homöostase“ (Selbstregulierung), in ökologischen Systemen als „Resilienz“ (vgl. 5.2.1) bezeichnet. Aus diesem Grund erfolgt in der vorliegenden Arbeit eine intensive Auseinandersetzung mit den verwendeten Begrifflichkeiten, und die eigene Position wird deutlich gemacht, jedoch nur, um Vertreter/innen
anderer Positionen die Einordnung des Dargelegten zu ermöglichen. Von pädagogischen Begriffen ausgehend (wie Lernen, Bildung) beschäftigt sich die vorliegende
Arbeit auch mit den fachspezifischen Termini der Soziologie, Ökologie und Ökonomie. Der/Die Pädagoge/-in taucht in die Gedanken und Praxiswelt benachbarter Disziplinen wie Soziologie, Ökonomie oder Ökologie ein und setzt deren Gedankengut
in die Praxis um.
Wendet man diese Vorgehensweise als wissenschaftlichen Zugang dieser Arbeit an,
so zeigt sich, dass sie einerseits interdisziplinär zu sehen ist, im Sinne einer Verbindung von „Wissen“ aus verschiedenen Disziplinen, das kombiniert und verdichtet
wird zu einem Bündel von Aussagen über ein neues Konstrukt „Nachhaltigkeitsgruppe“. Doch geht die Intention der Arbeit darüber hinaus in den Bereich der „Transdisziplinarität“, die wesentlich vielfältiger ist und einen Blickwinkel erfordert, der übliche
16
disziplinspezifische
Wissenschaftsparameter
übersteigt:
Nicht
nur
die
disziplinenübergreifende Behandlung von komplexen Problemen muss Berücksichtigung finden, sondern auch die Kommunikation zwischen den Universitäten und der
Praxis, um in der Folge in der außerwissenschaftlichen Gesellschaft ein Verständnis
und Unterstützung für wissenschaftlich definierte Probleme zu finden. Somit weist die
vorliegende Arbeit sowohl einen inter- als auch einen transdisziplinären Fokus auf,
welcher wiederum geprägt ist von einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie. Die
konkrete Umsetzung dieses Zuganges wird nachfolgend dargestellt.
2.2 Gewählte Forschungsmethode
2.2.1 Theoretische Arbeit
Der erkenntnistheoretische Zugang dieser Arbeit beruht auf einem dreistufigen Vorgehen, wie es von Peirce bereits 1931 ausgearbeitet wurde:
„Nachdem die Abduktion uns eine Theorie eingegeben hat, benützen wir die Deduktion, um von jener idealen Theorie eine gemischte Vielfalt von Konsequenzen
unter dem Gesichtspunkt abzuleiten, dass wir, wenn wir gewisse Handlungen ausführen, uns mit gewissen Erfahrungen konfrontiert sehen werden. Wir gehen dann
dazu über, diese Experimente auszuprobieren, und wenn die Voraussagen der
Theorie verifiziert werden, haben wir ein verhältnismäßiges Vertrauen, dass die
übrigen Experimente, die noch auszuprobieren sind, die Theorie bestätigen werden“ (Peirce 1958, S. 209).
Abduktion ist demnach eine wissenschaftliche Methode, bei der ausgelöst vom Auftreten unerwarteter Ergebnisse eine Theorie bzw. ein Modell entwickelt wird. Abduktion ist der Prozess des Formens erklärender Hypothesen.
„Abduktion ist jene Art von Argument, die von einer überraschenden Erfahrung
ausgeht, das heißt von einer Erfahrung, die einer aktiven oder passiven Überzeugung zuwiderläuft. Dies geschieht in Form eines Wahrnehmungsurteils oder einer
Aussage, die sich auf ein solches Urteil bezieht, und eine neue Form von Überzeugung
wird
notwendig,
um
die
Erfahrung zu
verallgemeinern“
(Peir-
ce 1958, S. 5. 171).
17
Sie ist die einzige logische Operation, die neuartige Ideen einführt. Deduktion überprüft und belegt, dass etwas sein MUSS bzw. nicht sein DARF; Induktion zeigt, dass
etwas in der Tat wirksam IST, und überprüft dabei praktische Konsequenzen aus den
Hypothesen. Abduktion jedoch legt nur nahe, dass etwas sein KANN. Die einzige
Rechtfertigung für Abduktion ist aus der Sicht von Peirce, dass aus ihr mithilfe von
Deduktion eine Vorhersage abgeleitet werden und mithilfe von Induktion getestet
werden kann (Peirce 1934, § 4 S. 171).
Zunächst wurde für die vorliegende Arbeit daher in abduktiver Weise ein Modell bzw.
ein Theoriegebäude entwickelt. Die „überraschende Tatsache“ bestand im konkreten
Fall darin, dass in einer konkreten Nachhaltigkeitsgruppe (der Grünen Gemeindegruppe Ampass) trotz aller Bemühungen in Form von teambildenden Maßnahmen,
Workshops, Informationsaktivitäten, Zukunftswerkstätten etc. weder Gruppenkohäsion, noch eine dauerhafte Gemeinschaft geschaffen werden konnten. Nach mehreren
fruchtlosen Versuchen begannen die Koordinator/innen der Gruppe zu überlegen, ob
diese Tatsachen vielleicht weniger auf ihr Versagen als auf allgemeine soziale Faktoren zurückzuführen seien und ob in Gesellschaften mit postmoderner Wertestruktur
die Einrichtung einer dauerhaften Gruppe überhaupt möglich sei. Aus diesen Überlegungen heraus wurden die Vorstellung einer postmodernen Nachhaltigkeitsgruppe
und ein Modell ihres Funktionierens entwickelt (das „Triple-I-Modell“, vgl. 5.5).
Die der Arbeit zugrundeliegende Technik der Abduktion hat demnach epistemologischen Charakter, ähnlich wie die aus ihr abgeleitete „Grounded Theory“
(Strauss; Corbin 1996, S. 8), deren Prämissen auch auf die Abduktion übertragen
werden können. Dabei handelt es sich um einen „Forschungsstil zur Erarbeitung von
in empirischen Daten gegründeten Theorien“ (Strübing 2008, S. 13). Eine wesentliche Prämisse in diesen Überlegungen ist, dass jede Theorie von dem/der Forschenden entwickelt wird und somit keinesfalls von diesem/dieser subjektiv unabhängig
sein kann. Vielmehr sind die Forschenden als Subjekte ihrer Forschungsprozesse
aufzufassen (vgl. Strauss 2007, S. 35; Strübing 2008, S. 16). Hier spielen auch die
Ideen des Konstruktivismus herein, denn „alles, was gesagt wird, wird von einem
Beobachter gesagt“ (Maturana 1998, S. 25). Die Forderung nach einer universellen
Gültigkeit der wissenschaftlichen Aussagen unabhängig von der Person des/der Forschenden ist damit ad absurdum geführt. Relativierend kann man aber argumentie18
ren, dass eine etwaige überschießende Subjektivität der Forschenden durch ihre
Einbindung in das Kritiksystem der jeweiligen Scientific Community abgemildert wird.
Zudem ist „problemlösende Erkenntnis (…) anders als auf dem Weg über die innere
Beteiligung der problemlösenden Subjekte grundsätzlich nicht zu gewinnen“
(Strübing 2008, S. 16). Als Folge davon ist die Erstellung eines starren, obligatorischen Regelwerks für qualitative Forschungsprozesse nicht möglich, vielmehr können nur Empfehlungen für das jeweilige wissenschaftliche Handeln erstellt werden.
Zu den qualitativen Forschungsmethoden zählen neben der Grounded Theory nach
Glaser, Strauss und Corbin (vgl. Strauss & Corbin 1996, S. 8) auch andere inhaltsanalytische Methoden, wie die Methode nach Mayring (vgl. Mayring 2010) oder die
Methode von Gläser und Laudel (vgl. Gläser; Laudel 2010). Mithilfe der qualitativinhaltsanalytischen Fragestellungen können aus qualitativen, empirischen und auch
theoretischen Daten iterativ (vgl. Weed 2009, S. 505) eine Theorie entwickelt und mit
deren Hilfe vorab definierte Forschungsfragen beantwortet werden (vgl. Glaser &
Strauss 2009, S. 1).
Basis der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Methode ist die Grounded Theory.
Diese gibt keine genaue Vorgehensweise vor, sondern nur ein Grundgerüst, mithilfe
dessen die Zusammenstellung der Forschungsergebnisse erfolgen können. Zunächst muss eine theoretische Sensibilisierung erfolgen und Problembewusstsein
geschaffen werden. Das kann durch Literaturanalyse geschehen oder aber wie im
vorliegenden Fall auch durch die abduktive Überführung eines Phänomens aus der
sozialen Wirklichkeit in eine wissenschaftliche Fragestellung. Das Phänomen „Nachhaltigkeitsgruppe“ wird entdeckt, genau erfasst und vorläufig bestätigt, indem systematisch Daten gesucht und analysiert werden. Entsprechend werden in den theoretischen Teilen der Arbeit Begriffe wie „Gruppe“ oder „Nachhaltigkeit“ erörtert, um ein
Verständnis dafür entwickeln zu können, was eine „Nachhaltigkeitsgruppe“ ist.
Die Fragestellung „Warum funktionieren Gruppen heute nicht mehr wie früher?“ wird
in einen wissenschaftlichen Zusammenhang gestellt. Da die Grounded Theory bezüglich der Art der verwendeten Daten keine Einschränkungen macht, können Sekundärdaten (etwa aus vorhandenen Publikationen) ebenso verwendet werden wie
Primärdaten (vgl. Böhm 1994, S. 123). Daher erfolgt zeitgleich mit den persönlichen
Erfahrungen des Autors mit der Gruppe eine intensive Suche nach Sekundärliteratur
19
aus den behandelten Bereichen – Nachhaltigkeitsforschung, Sozialpsychologie zum
Thema Gruppe sowie Erziehungswissenschaft vor allem aus den Bereichen lebensbegleitende Bildung und lebenslanges Lernen. Interdisziplinäre Querbeziehungen
werden hergestellt zu wissenschaftlichen Konzepten wie flüssiger Moderne oder
Nachhaltigkeit. Ausgangspunkt ist hierbei die Frage, ob es einen Zusammenhang
zwischen Bildung für nachhaltige Entwicklung und Engagement für nachhaltige Entwicklung gibt. Ausgehend von einem historischen Abriss über die Entwicklung der
nachhaltigen Bewegung werden die Ziele von Nachhaltigkeitsgruppen evaluiert.
Hier kommen die inhaltsanalytischen Methoden zum Tragen, indem verschiedenen
wissenschaftlichen Gebieten entstammende Dokumente anhand des zuvor bereits
entwickelten Modellkonstrukts (des Triple-I Modells) analysiert werden und so versucht wird, Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zu den bereits getroffenen Aussagen zu
erheben und so deren externe Validität zu vergrößern. Die Suche nach geeigneten
Dokumenten erfolgt nach dem Schneeballsystem (vgl. Ebster; Stalzer 2013, S. 45f).
Das ist ein heuristisches Verfahren zur Suche nach passenden Textstellen in wissenschaftlichen und anderen Dokumenten. Man geht dabei aus vom Literaturverzeichnis eines Dokuments, das für die eigene Arbeit besonders interessant und wichtig erscheint und sucht nach den dort verzeichneten Quellen. Findet man dort wiederum besonders relevante Literatur, geht man dieser weiter nach. Allerdings weist diese Methode zwei Schwachstellen auf: Die Suche ist vergangenheitsbezogen, da man
im Laufe der Recherche immer weiter zurückgeht. Dem kann durch eine gezielte Recherche zu Beginn (über wissenschaftliche Suchmaschinen wie Scopus, Scirus, The
web of Knowledge und vor allem auch Google Scholar) abgeholfen werden, wobei
auch die in vielen Maschinen angegebenen Zitationshäufigkeiten hilfreich sein können. Schwieriger ist der Umgang mit dem zweiten Problem, nämlich der Tatsache,
dass geschickte Autor/innen Zitationsnetze bilden und sich gegenseitig zitieren und
daher immer mehr an Bedeutung gewinnen. Sollte so etwas auffallen, muss gezielt
hinterfragt werden, wie sinnvoll die Aufnahme solcher Autor/innen tatsächlich ist. Als
Lösung bietet sich eine Kombination aus heuristischer und systematischer Literaturrecherche an (vgl. Ebster; Stalzer 2013, S. 45f).
Für die hier interessierenden Themen lagen zunächst nur die Erfahrungen der eigenen Gruppe sowie erste Befunde aus anderen Gruppen vor. Systematisches Codie20
ren, wie es die Inhaltsanalyse eigentlich verlangt, war daher nicht möglich. Jedoch
ermöglicht die Grounded Theory im Zuge des sogenannten „Theoretical Sampling“
(Glaser; Strauss 2009, S. 45) eine kontinuierliche Rückkoppelung bzw. einen Abgleich (vgl. Weed 2009, S. 506) zwischen den Elementen Datenerhebung (z. B. aktives Erleben in der eigenen Gruppe oder Suche nach neuer Literatur) und Theoriebildung und –abänderung. Kodierung und Analyse finden daher parallel statt (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 71), vgl. im selben Abschnitt unten. Dadurch entsteht Schritt
für Schritt eine Theorie, deren Richtung die weitere Datenerhebung bestimmt und
umgekehrt (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 45). Diese Vorgehensweise kann als iterativ (vgl. Strübing 2008, S. 30) bezeichnet werden und wird solange fortgesetzt, bis
theoretische Sättigung dadurch erreicht wird, dass keine relevanten neuen Erkenntnisse für die entwickelte Theorie mehr gefunden werden können (vgl. Hülst 2010, S.
17).
Eine abgeschlossene Theorie entsteht auf diese Weise nicht, vielmehr besteht die
Theorie nur vorläufig und wird durch die permanente Abfolge von Handlungs- und
Reflexionsphasen weiterentwickelt und revidiert (vgl. Strübing 2008, S. 14ff). Damit
wird auch deutlich, in welcher Weise inhaltsanalytische Methoden mit der Abduktion
zusammenhängen: Wesentliches Element ist es, Theorien zu entwickeln, denen
konkrete, für sich genommen subjektive Ereignisse oder Ansichten zugrunde liegen.
Letztlich sollen damit Verhaltensmuster oder auch soziale Prozesse erklärt, aber
auch mithilfe bereits existierender Theorien gerechtfertigt oder abgewandelt werden.
Ein wichtiges Element der Forschung ist dabei, dass der Untersuchungsgegenstand
nicht im Voraus festgelegt werden konnte, sondern nur aufgrund allgemeiner Problemfelder und danach als Folge der bisherigen Auswertungen. Kernelement ist, das
interessierende Phänomen in möglichst unterschiedlichen Zusammenhängen zu untersuchen. Verwendet man hierzu auch unterschiedliche Erhebungsverfahren und
unterschiedliche Datenquellen, so bezeichnet man dies als Triangulation (vgl.
Börrnert 2006, S. 50f; Denzin 2009, S. 301). Die Triangulation legt der Erforschung
der Forschungsfrage mit qualitativen Methoden mehrere Blickwinkel zugrunde (vgl.
Flick 2000, S. 309), um die Validität der Ergebnisse zu erhöhen und einen gewissen
Grad an Generalisierbarkeit zu erreichen (vgl. Avenier 2010, S. 1243). Die Triangulation kann sich richten auf die Art der eingesetzten Daten, die zugrundegelegten theo21
retischen Ansätze, die verwendeten Methoden oder die Anzahl der beteiligten Forscher/innen (vgl. Denzin 2009, S. 301). In der vorliegenden Arbeit wird eine multiple
Triangulation eingesetzt (vgl. Flick 2000, S. 12), da sowohl unterschiedliche Theorien
(informelles Lernen, Panarchie, flüssige Moderne etc.) als auch unterschiedliche Methoden (Sekundäranalyse, empirische Erhebung) als auch unterschiedliche Daten
(Literatur, Befragungsergebnisse) eingesetzt werden. Tatsächlich bestehen zwischen
den beiden letzteren erhebliche Überschneidungen (vgl. Meyen, Löblich, PfaffRüdiger, & Riesmeyer 2011, S. 65). Bei der Auswertung der im Rahmen der Arbeit
geführten Interviews schließlich arbeiteten zwei Personen diskursiv an der Codierung, um so eine Verminderung der durch den Codierer verursachten Verzerrungen
zu erreichen.
Aus der Triangulation ergeben sich viele Vergleichsmöglichkeiten, und es wird sichergestellt, dass möglichst viele Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Es geht
also nicht um statistische Repräsentativität, sondern um „konzeptuelle Repräsentativität“ (vgl. Böhm 1994, S. 125). Der Kritik der Unwissenschaftlichkeit setzt die Inhaltsanalyse hier das Argument der systematischen Analyse entgegen (vgl. Mayring
2010, S. 12). Im Begründungszusammenhang werden in der vorliegenden Arbeit daher die Definition des Begriffes sowie die Operationalisierung des theoretischen Konstrukts vorgenommen. Dabei erfolgen die Datensammlung und die Datenauswertung
parallel anhand eines mithilfe der Grounded Theory festgelegten systematischen Kodierungsvorgehens.
Als Datenmaterial werden zunächst verwendet Erfahrungen, Beobachtungen des
Forschenden sowie alle Arten von schriftlichen Unterlagen, die zur Verfügung standen (vgl. Böhm 1994, S. 123). Es handelt sich dabei um Sekundärmaterial, das
Rückschlüsse für die Beantwortung der Forschungsfragen erlaubt, das aber nicht für
den hier untersuchten Entdeckungszusammenhang erarbeitet wurde (vgl. Mayring
1990, S. 31). Im Konkreten verwendet wurden Fachliteratur, aber auch gesammelte
empirische Daten (Beobachtungsprotokolle einer Nachhaltigkeitsgruppe, Gedankenprotokolle von Mitgliedern der Gruppe, Aufzeichnungen über die Mitgliederentwicklung, regelmäßige Newsletter, Presseaussendungen) ausgewertet. Nochmals ist hier
zu betonen, dass der Entdeckungszusammenhang der vorliegenden Arbeit in
22
transdisplinärer Weise aus dem persönlichen Umfeld des Forschers erwachsen ist
(vgl. Littmann 1981, S. 64; Speidel 2003, S. 276).
Der parallel mit der Datensammlung einhergehende Prozess der Datenauswertung
stützt sich im Rahmen der Grounded Theory auf ein systematisches Kodierungsverfahren (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 71). Dadurch können die in der Datensammlung gewonnenen Informationen auf relevante Erkenntnisse reduziert und daraus
Codes, Kategorien und Konzepte abgeleitet werden (vgl. Glaser & Strauss 2009, S.
71).
In dieser Dissertation wurde für die Auswertung der gesammelten Literaturstellen auf
eine leicht modifizierte Variante des für die Grounded Theory typischen dreistufigen
Verfahrens aus offener, axialer sowie selektiver Kodierung (vgl. Strauss 1998, S. 45)
zurückgegriffen. Unterstützend zur Auswertung wurden kontinuierlich so genannte
„Memos“ angefertigt (vgl. Glaser & Holton 2011, S. 155f) , in denen sich zu den bisherigen Erkenntnissen ergebende neue Überlegungen in Stichwörtern dargestellt
werden. Im Zuge der weiteren Arbeit ergeben sich hier neue Überlegungen und
Ideen (vgl. Strauss 1998, S. 45).
Nach dem Muster des offenen Codierens (vgl. Strauss 1998, S. 57) werden aus den
Literaturstellen diejenigen Textpassagen herausgefiltert, aus denen Begriffe wie beispielsweise „Interesse“, „Nachhaltigkeit“ oder „Gestaltungskompetenz“ als Codes
definiert werden können (vgl. Strauss 1998, S. 54). Dadurch konnten die Daten grob
strukturiert und in Zusammenhang mit den Forschungsfragen gebracht werden.
Mit Hilfe der groben Datenstrukturierung werden Kategorien wie Bildung, Nachhaltigkeit, (postmoderne) Wertestruktur, Idee, Issue, Inhalt oder Initiative geschaffen. Dazu
werden Fachpublikationen aus den Bereichen der Soziologie, der Systemtheorie, der
Nachhaltigkeitswissenschaft und anderen mit einbezogen und auf Plausibilität offen
codiert (vgl. Strauss 1998, S. 63), um so die uvor schon grob gefundenen Kategorien
zu belegen und zu verdichten. Dieser Schritt führt direkt über in eine Form des so
genannten axialen Kodierens, in dessen Rahmen Zusammenhänge, Ursachen, Folgen und Voraussetzungen der einzelnen Kategorien untersucht werden (vgl.
Strauss 1998, S. 63). Diese Vorgehensweise hat zur Folge, dass die Ergebnisse der
Arbeit interdependent und rückbezüglich sind.
23
Mithilfe der gewonnen Kategorien und Codes wiederum werden die Kernkategorien
der Analyse (vgl. Flick 2009, S. 312) und die in dieser Arbeit vorgestellte Triple-ITheorie entwickelt (vgl. 5.5). Durch dieses Vorgehen wird abduktiv ein Modell entwickelt, mithilfe dessen das zentrale Thema der Arbeit (die Nachhaltigkeitsgruppe und
die im Zusammenhang mit ihr stattfindenden Bildungsprozesse) erarbeitet bzw. dargestellt wird. Dieses Modell baut auf systemwissenschaftlichen Zusammenhängen
(etwa dem Konstrukt der Panarchie, vgl. 5.2), Wert- und Einstellungskonzepten (vgl.
8) etc. auf. Schließlich wurde geprüft, ob sich aus der neuen übergeordneten Theorie
schlüssige Untertheorien entwickeln lassen, die in hierarchischer Weise voneinander
abhängen – dabei wurden die Kernvariablen Idee, Interesse und schließlich Initiative
weiter ausgearbeitet. In Anlehnung an Peirce und seinen Fallibilismus wurde das
Modell so konstruiert, dass immer wieder einzelne Teile verworfen wurden, sobald
sie sich nicht als haltbar zeigten. Im Extremfall hätte nach dieser Methode die gesamte Theorie verworfen werden müssen, wenn sie sich als unplausibel erwiesen
hätte. Allerdings trat dieser Fall nicht ein.
2.2.2 Empirische Studie
Die bislang beschriebene Vorgehensweise betrifft in erster Linie die Erarbeitung des
theoretischen Teils der Arbeit. Zusätzlich wurden ergänzend und teilweise parallel
zur Erarbeitung des Theoriegebäudes nach einem ähnlichen System empirische Daten durch Interviews erhoben. Am Abschluss der Forschungsarbeit stand das Bestreben, das Modell in induktiver Weise zu verallgemeinern (vgl. Speidel 2003, S.
276). Der abduktive Zugang der Arbeit hatte seinen Ausgangspunkt in der eigenen
Gruppe des Autors. Im empirischen Teil wird davon ausgehend untersucht, ob sich
ähnliche Befunde auch bei anderen als der eigenen Gruppe finden. Nicht angestrebt
wird dabei eine repräsentative Verallgemeinerung: Denn die Grundgesamtheit der
Untersuchung umfasst die Gesamtheit aller Nachhaltigkeitsgruppen im deutschsprachigen Raum. Allerdings resultiert aus der Schwierigkeit, das Konstrukt „Nachhaltigkeitsgruppe“ definitorisch eindeutig abzugrenzen, die Schwierigkeit, dass noch nicht
einmal festgelegt werden kann, welche Gruppen als Nachhaltigkeitsgruppen definiert
werden können. Daher kann eine geschlossene Grundgesamtheit nicht eindeutig
festgelegt werden. Doch kann diese Tatsache als zweitrangig betrachtet werden, da
die vorliegende Dissertation (ebenso wie die darin durchgeführte empirische Unter24
suchung) explorativen Charakter hat: Im Zentrum steht das Aufspüren von plausiblen
Hypothesen im Zusammenhang mit Gruppenbildung (im organisatorischen wie pädagogischen Sinn, vgl. 4.1.1) und damit in Beziehung stehenden Phänomenen.
Konkret umfasst die empirische Untersuchung eine Reihe von strukturierten Interviews
mit
Mitgliedern
der
Berliner
Nachhaltigkeitsgruppen
(http://nachhaltigesberlin.de/), einer organisierten Plattform, sowie mit der Leiterin
einer österreichischen Nachhaltigkeitsgruppe in Tirol. Die Tiroler Interviewpartnerin
wurde vom Autor persönlich um ein Gespräch gebeten, da sie seit vielen Jahren in
einer Nachhaltigkeitsgruppe engagiert ist, die ähnlich strukturiert ist wie seine eigene.
Grundidee war dabei zu überprüfen, ob ähnliche wie seine Befunde in der eigenen
Gruppe auch anderswo erhoben werden. Die Berliner Interviewkandidat/innen wurden durch einen Aufruf auf deren Seite auf Facebook gefunden: Sie meldeten sich
beim Verfasser und stellten sich für ein Interview zur Verfügung. Durch diese Auswahlweise ergeben sich vermutlich einige Verzerrungen: So gibt es nur ein österreichisches, aber sieben deutsche Interviews. Durch die Auswahltechnik in Berlin wurden zudem vermutlich eher extrovertierte und selbstbewusste Menschen angesprochen, die gerne im Rampenlicht stehen. Trotz dieser Einschränkungen geben die
Interviews Einblick in die Gegebenheiten von Nachhaltigkeitsgruppen, denn die Intention der Interviews liegt nicht auf statistischer Repräsentativität, sondern auf der
Erfassung möglichst vieler verschiedener Typen von Nachhaltigkeitsgruppen und der
dort vorliegenden Strukturen und stattfindenden Prozesse. Dies wurde durch die
Form der Erhebung gewährleistet.
25
Im Einzelnen wurden Gespräche geführt mit (vgl. Tab. 1):
Gruppe
Name InterviewpartnerIn
Ort
Datum
Deutsches Klima retten! Jour
Amanda Groschke
Berlin
12.5.2011
Ampass
14.4.2011
Fixe der Plattform für Nachhaltigkeitsgruppen,u.a.
1
GRÜNE - Gemeindegruppe
Anna Müller
Vereinigung für ökologische
Heinrich Strößenreuther
Berlin
13.5.2011
Jasmin Hunold
Berlin
12.5.2011
Paula Hildebrand
Berlin
13.5.2011
Stefan Schridde
Berlin
12.5.2011
Sophie Scholz
Berlin
12.5.2011
Roman Dashuber
Berlin
13.5.2011
Wirtschaftsforschung
Studentisches Projekt des
Rates der Sachverständigen
für Umweltfragen,
„3+x“,
„Überlebenskunst“.
Jour Fixe der Plattform für
Nachhaltigkeitsgruppen, u.a.
MURKS?
NEIN
DANKE!
Jour Fixe der Plattform für
Nachhaltigkeitsgruppen,u.a.
Fair do; Faires tun! Jour Fixe
der Plattform für Nachhaltigkeitsgruppen, social bar
Jour Fixe der Plattform für
Nachhaltigkeitsgruppen u.a.
Tab. 1: Übersicht über die durchgeführten Interviews
Die Ergebnisse dieser Interviews werden zusammengefasst analysiert und dienen
der Plausibilitätskontrolle sowie der Steigerung der externen Validität der entwickelten Theorien.
Die Interviews wurden im Wesentlichen als unstrukturierte Interviews durchgeführt
(vgl. Lehmann 2004, S. 7f). Ein Interviewleitfaden, der auf dem in den theoretischen
Teilen der Arbeit entwickelten Kategorisierungssystem basierte, war zwar vorhanden.
Er wurde jedoch nur benutzt, um eine grundsätzliche Steuerung zu ermöglichen.
Hauptsächlich erzählten die Befragten von sich aus von ihren Erfahrungen beim Zu1
Name auf Wunsch der Interviewpartnerin geändert
26
standekommen und Vorantreiben ihrer jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppen (vgl.
Schütze 1987, S. 506). Nur, wenn die Darstellung abschweifte oder die Befragten
den Faden verloren, griff der Interviewer in die Befragung ein (vgl. Gläser; Laudel 2010, S. 174). Der Leitfaden umfasst die in Tab. 2 beschriebenen Punkte:
Strukturgrößen der Gruppe
 Wie lange besteht Ihre Gruppe schon?
 Wie ist die Gruppe strukturiert (Verein, Nachbarschaftsgruppe, loser Verband etc.)?
 Gibt es eine Übersicht über die Mitgliederanzahl (am besten eine Art Statistik)?
 Wie sieht die Mitgliederstruktur aus (ständige, zeitweilige etc.) – gibt es Hauptamtliche, wenn ja,
wie viele? Wie viele Freiwillige gibt es?
Charakteristik der Gruppenmitglieder
 Wie würden Sie ein typisches Gruppenmitglied charakterisieren (oder gibt es mehrere „Typen“
von Mitgliedern)?
 Wie definieren Sie ein Gruppenmitglied?
 Warum machen die Leute bei der Gruppe mit?
 Kommen (in der Regel) zu den Themen auch neue Mitglieder/Personen von außen dazu? (Vgl.
Triple I „Issue“)
Charakteristika der Gruppe
 Verändert sich die Zusammensetzung der Gruppenmitglieder öfter oder ist das kontinuierlich?
 Gibt es eine Art „harten Kern“ der Gruppe? Wie sieht dieser aus?
 Wie wird der/die Gruppenvorsitzende bestimmt (oder ist er/sie das aus „Tradition“, quasi von
Anfang an, und es wurde nie geändert)
 Wie oft wechselt der/die GruppenchefIn?
 Gibt es regelmäßige Treffen oder finden diese bei Bedarf statt?
 Wie ist die Kommunikation innerhalb der Gruppe organisiert (regelmäßig oder bei Bedarf)?
 Kommen (in der Regel) zu den Themen auch neue Mitglieder/Personen von außen dazu?
 Wann und warum ist die Gruppe stabiler? (Was trägt dazu bei?)
 Inwiefern tragen (Nicht-) Erfolg zur (In-)Stabilität bei?
Triple I „Idee“
 Wie würden Sie das Ziel Ihrer Gruppe charakterisieren?
 Gibt es einen generellen ideellen/ideologischen Überbau („Idee“) – wenn ja, welchen?
 Inwiefern setzt sich ihre Gruppe mit dem Phänomen „Nachhaltigkeit“ auseinander?
 Welche Werte liegen Ihrer Meinung nach der Gruppe und dem Gruppenhandeln zugrunde?
 Wie definieren Sie Erfolg der Gruppe?
27
Triple I „Issue“
 Welchen Themen (Issues) widmet sich die Gruppe?
 Welche Art Anliegen wird in Ihrer Gruppe typischerweise behandelt?
 Wie lange wird ein Thema konkret verfolgt, wann wird es ad acta gelegt? (Veränderlichkeit bzw.
Kontinuität der Themen)
 Wie viele der Gruppenmitglieder widmen sich den einzelnen Themen?
 Kommen (in der Regel) zu den Themen auch neue Mitglieder/Personen von außen dazu?
 Gibt es Themen, die sich wiederholen (jährliche Feste, Kultur, Sportaktivitäten)?
Triple I „Inhalte“
 Welche fixen Inhalte, Abläufe oder ähnliches gibt es, etwa, wenn ein neues Thema startet? Gibt
es also so etwas wie Routinen, die sich wiederholen?
 Werden Erfahrungen, Kontakte, Kenntnisse etc. in irgendeiner Form dokumentiert?
 Versucht man erfolgreiche Wege zur Bewältigung/Lösung auf neue Themen umzulegen?
Mitgliederakquise und –bindung
 Welche Strategien verfolgen Sie zur Mitgliederrekrutierung/-akquirierung?
 Welche Strategien verfolgen Sie zur Mitgliederbindung („Commitment“, Motivation)?
 Wie können Sie Menschen am besten ansprechen?
 Wie kann die Gruppe ihre Mitglieder am besten halten?
 Bei wiederkehrenden Aktionen (wie Festen etc.) Gibt es einen „Fundus“ von Leuten, auf die
man zugreifen kann, die sich aber außerhalb bestimmter Aktionen nicht einbringen?
 Kommen Menschen auch von selbst auf die Gruppe zu um Themen/Probleme einzubringen?
 Werden diese dann eingebunden oder versucht man die Probleme für sie ohne ihre spezielle
Beteiligung zu lösen (oder beides)?
 Was passiert normalerweise, wenn ihre Probleme gelöst sind?
Krisen und -bewältigung
 Welche/wie viele Bestandskrisen hat es gegeben? Warum? Und wie wurden sie überwunden?
 Ist generell eine Art Konjunktur der Gruppe zu bemerken – gibt es Auf und Ab?
 Wenn ja, können Sie dieses Auf und Ab näher beschreiben?
 Wenn es eine Krise gibt, die sich lösen lässt, ist danach neuer Schwung zu bemerken?
Finanzierung
 Wie finanziert sich die Gruppe?
Tab. 2: Überblick über den Befragungsleitfaden
Die Interviews wurden auf Tonträger aufgezeichnet und schriftlich transkribiert. Da
sich nach Durchführung der Interviews auch der Fokus der vorliegenden Arbeit ein
28
wenig änderte, waren im Leitfaden insbesondere keine Fragen zu Themen wie Lernen, Kompetenzen oder Bildung enthalten. Dennoch haben die Befragten sehr vieles
über diese Themen erzählt, was auch kodiert wurde. Die Ergebnisse in diesem Bereich sind jedenfalls ganz konkret dem Grounded Theory Ansatz zuzurechnen.
Die Auswertung der Interviews erfolgte mithilfe der Inhaltsanalyse in Anlehnung an
Gläser und Laudel (vgl. Gläser; Laudel 2010, S. 197ff). Konkret in Hinblick auf Bildung und Kompetenzen wurde ein reiner Grounded Theory Ansatz verwendet Basis
für die Auswertung bilden die Transkriptionen der Interviews bzw. der Interviewleitfaden, der zur Orientierung diente. Auch hier wurde das im theoretischen Teilen der
Arbeit entwickelte Kategorisierungssystem (bzw. die erste Aufarbeitung im Interviewleitfaden) angewendet, um die Transkriptionen der Interviews zu codieren.
Eine erste Codierung wurde mithilfe einer einfachen Tabelle in MS Word vorgenommen, um zu sehen, ob das entwickelte Kategoriensystem auch tatsächlich auf
die Interviews passt. Dann wurden die Daten in das speziell für die qualitative Inhaltsanalyse konzipierte Programm MaxQDA eingegeben, um eine gezielte Auswertung zu ermöglichen. MaxQDA ist ein Softwarepaket, das die wissenschaftlichkorrekte Analyse qualitativer Daten unterstützt, indem es hilft, das Datenmaterial zu
organisieren und zu strukturieren sowie eine Codierung anhand entsprechender
Codes vorzunehmen. Das Programm unterstützt auch die Ausgabe der Codierungen
und erlaubt so ein rasches und unkompliziertes Vorgehen bei der sonst sehr aufwändigen und vor allem schwer nachvollziehbar machbaren Aufgabe der qualitativen
Inhaltsanalyse, ohne dabei auf eine bestimmte Technik der qualitativen Inhaltsanalyse (wie z. B. Grounded Theory) fixiert zu sein. Wichtig ist, dass MaxQDA die Forschenden bei ihrer Aufgabe formal unterstützt, die inhaltlichen Aufgaben jedoch
weitgehend bei den Forschenden verbleiben (vgl. MaxQDA 2013).
Insbesondere erlaubt das System im Zuge der Bearbeitung des Materials auch die
Überarbeitung und Umstrukturierung des Codesystems. Denn im Zuge der Auswertung des transkribierten Interviewmaterials wurden weitere, so genannte „In-Vivo Codierungen“ erforderlich. Dabei handelt es sich um Veränderungen bzw. Anpassungen
der Codierung, wenn sich neue Möglichkeiten oder Erfordernisse auftaten (vgl. dazu
auch die oben bereits beschriebene Methode der Grounded Theory). Insbesondere
wurden in einem zweiten bzw. Re-Codierungssvorgang Codes, denen viele Codie29
rungen zugewiesen worden waren, weiter aufgesplittet, um so eine höhere Passgenauigkeit der Codierung zu erreichen. Dazu und zur Verminderung von Verzerrungen
durch Projektion seiner eigenen Vorstellungen lud der Verfasser eine Kollegin ein,
diese Re-Codierung mit ihm diskursiv durchzuführen. Das dabei endgültig entwickelte Codesystem umfasst die in Tab. 3 dargestellten Kategorien bzw. Codierungen.
Lernprozess
Gestaltungskompetenz
Konflikte bewerten,
und erklären
Fähigkeit, Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden
und Probleme nicht-nachhaltiger Entwicklung erkennen zu
können.
darstellen
Selbsterklärend
Etwas verstehen und beurteilen
Selbsterklärend
Methoden erkennen
Selbsterklärend
Sich motivieren, aktiv zu werden
Selbsterklärend
Solidarität
zeigen
Benachteiligte
Selbsterklärend
Selbstständig planen und handeln
Selbsterklärend
Eigene und andere Leitbilder reflektieren
Selbsterklärend
Andere motivieren, aktiv zu werden
Selbsterklärend
An
Entscheidungsprozessen
partizipieren
Selbsterklärend
Gemeinsam mit anderen planen
und handeln
Selbsterklärend
Interdisziplinär Denken
Selbsterklärend
für
Vorausschauend
handeln
Denken
Integrativ Wissen aufbauen
und
Selbsterklärend
Selbsterklärend
Lernen
Panarchisches Lernen
Lernen, in dem das Problem immer wieder neu definiert wird
und auch die Lösungsstrategien verändert werden, wenn sich
bisherige Perspektiven und Strategien als nicht zielführend
erwiesen haben.
Push-Modell-Lernen
Lernen bei dem die Lehrenden der Ansicht sind zu wissen,
welche Art von Wissen die Lernenden haben sollen, Lehrende
sind den Lernenden „überlegen“.
Gemeinschaftliches Lernen
Gruppen als Orte des Lernens, Einbindung in kollektive Lernprozesse, ist dem individuellen Lernen oft überlegen, communities of practise.
Expansive Lernmotivation
Erwartung, die eigenen Interessen besser erfüllen zu können,
spielt bei Issues eine große Rolle.
30
Pull Modell Lernen
Lernen, bei dem die benötigten Lerninhalte von den Lernenden definiert werden, Lehrende als Promotoren auf Augenhöhe
Illeris Umwelt
Betrifft die externe Interaktion in Bereichen wie Partizipation,
Kommunikation und Kooperation.
Illeris Emotion
Betrifft die emotionale oder psychodynamische Dimension und
umfasst mentale Energie, Gefühle und Motivation.
Illeris Kognition
Betrifft den Lerninhalt, der seinerseits als Wissen oder Fähigkeiten umschrieben werden kann und das Verständnis und die
Fähigkeiten des/der Lernenden begründet.
Transformatives Lernen
Entwickeln völlig neuer Schemata und Lernstrukturen, schöpferische Zerstörung
Akkomodation
Lernen unter Nutzung alter Strukturen, aber unter Herausbildung neuer Schemata.
Assimilation
Lernen durch Hinzufügen eines neuen Elements zu altem
Schema (Illeris, Piaget).
Lernen III
Reflexion, Veränderung von Konstruktionen, „Lernen lernen“.
Lernen II
Interpretation von Lernen, Konstruktion von Vorstellungen und
Modellen.
Lernen I
Bestimmte Reaktion auf einen bestimmten Kontext
Instrumentelles Lernen
in behaviouristischer Weise auf Vermittlung von Inhalt fokussiertes Lernen (meist in Nachhaltigkeitskontext)
Intrinsisches Lernen
Auf Hervorbringen von selbstreflektierten, auf Treffen von
Entscheidungen in komplexen, wenig vorhersagbaren Situationen gut vorbereiteten Individuuen gerichtetes Lernen.
Nonformales Lernen
Findet zwar nicht in Bildungs- oder Ausbildungseinrichtungen
statt und führt in der Regel auch nicht zu einer Zertifizierung.
Dennoch ist es aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden strukturiert im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer und
Lernmittel.
Formales Lernen
Findet in der Regel in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung statt. Es ist aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel strukturiert und führt zur Zertifizierung, also dem Erwerb einer Art
von Zeugnis.
Informelles Lernen
Findet im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der
Freizeit statt. Es ist nicht strukturiert im Hinblick auf Lernziele,
Lerndauer oder Lernmittel. und führt in der Regel auch nicht
zu einer Zertifizierung.
Nachhaltigkeitsgruppe
Eine Gruppe, die sich einem Ziel, einem Interesse oder Inhalten widmet, die mit nachhaltiger Entwicklung im Einklang stehen.
Resilienz
Das Ausmaß, in dem das System bereit ist zu lernen und zu
experimentieren, damit neuartige Lösungen gefunden und
umgesetzt werden können.
Bildung
Ein Prozess, mit dem ein Individuum sich die Welt erschließt.
Nachhaltige Bildung
Soll zum wesentlichen Bestandteil der Allgemeinbildung werden und dem Individuum Kompetenzen vermitteln, die ihm
31
eine aktive Analyse und Bewertung nicht nachhaltiger Entwicklungsprozesse ermöglichen.
Bildung der Gruppe
Entspricht Gruppenbildung.
Cloakroom
Maximum an Gemeinschaft, das (nach Bauman) in der Postmoderne erzielbar ist, ähnelt einer Ansammlung von Theaterzuschauer/innen, die sich in der Garderobe (cloakroom) treffen, um ihre Mäntel abzugeben. Sie tun das allein oder in kleinen Gruppen, aber nur für die Dauer der jeweiligen Aufführung.
Dokumentation
Bewusstes Festhalten von Informationen.
Dynamik
Veränderung der Mitgliederzahl, der Themen, der Aktion etc.
innerhalb einer Gruppe.
Finanzierung
Finanzieller Aufwand für den Erhalt der Gruppe.
Fluktuation
Zu- und Abgang von Mitgliedern einer Gruppe.
Flüssige Moderne
Ein von Bauman beschriebener Begriff, der beschreibt, dass
sich der Aufbau einer Gesellschaft verflüssigt, bevor sich die
Struktur festigen kann.
Freiwilligkeit
Ehrenamtliche Mitarbeit in einer Gruppe.
Gruppenkohäsion
Zusammenhalt innerhalb der Gruppe.
Gruppenstruktur
Aufbau der Gruppe.
Idee
Übergeordnete (Wert-)Vorstellung, die als „Schirm“ über der
Arbeit einer Gruppe fungiert.
Issuegroup
Eine Gruppe, die zu einem bestimmten aktuellen Thema arbeitet.
Issue
Aktuell für ein/mehrere Gruppenmitglieder wichtiges Thema.
Kerngruppe
Gruppe, die eine Idee trägt und Issuegroups verbindet und
unterstützt.
Bildung einer Kerngruppe
Der Prozess, der zur Kristallisation einer Kerngruppe führt.
Kondensation um den Gruppenkern
Einzelne Mitglieder oder auch Gruppen, die sich um den
Gruppenkern bilden.
Wichtigkeit der Kerngruppe
Beschreibung der Notwendigkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit des Aufbaues einer Kerngruppe.
Kohäsion
Zusammenhalt innerhalb der Gruppe.
Kommunikation
Methoden und Möglichkeiten der Mitglieder, sich untereinander auszutauschen.
Kompetenz
Zuständigkeiten, Fertigkeiten und Fähigkeiten (der Mitglieder
einer Gruppe)
Krisen
Konflikte innerhalb der Gruppe
Scheitern
Unfähigkeit Konflikte innerhalb der Gruppe zu lösen.
Interner Wettkampf
Ermittlung der Stellung der Mitglieder innerhalb der Struktur
der Gruppe
Misstrauen
Krisen, die durch fehlendes Vertrauen entstanden sind.
Macht
Hierarchische Zusammensetzung der Gruppe und mit ihrer
Erreichung verbundene Kämpfe
32
Motivation
Anstoß, sich für ein Anliegen zu engagieren.
Panis
In Anlehnung an die römische Faustregel, Menschen zu motivieren, sich in eine Gruppe einzubringen, indem man sich ihrer
persönlichen Anliegen annimmt.
Circenses
In Anlehnung an die römische Faustregel, Menschen zu motivieren, sich in eine Gruppe einzubringen, indem man Events
organisiert.
Intrinsische Motivation
Durch aus der Aufgabe selbst erwachsende Faktoren ausgelöster Antrieb.
Extrinsische Motivation
Durch äußere Faktoren ausgelöster Antrieb.
Kreativität als Motivation
Antrieb, sich in eine Gruppe einzubringen, um sich selbst zu
verwirklichen, etwa um die eigene Kreativität zu entfalten.
Nachhaltigkeit
Lernprozess in Hinblick auf ökologische, ökonomische und
soziale Entwicklung unserer Gesellschaft.
Netzwerk
Verbindungen innerhalb der Gruppe bzw. zwischen einezelnen
Mitgliedern der Gruppe oder der gesamten Gruppe nach außen.
Organisation
Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe.
Panarchie
Konzept, mit Hilfe dessen man Veränderungszyklen in komplexen Systemen verstehen kann.
Persönliches Interesse
Persönliche Motivation, in einer Gruppe mitzuarbeiten.
Raumressource
Die Möglichkeit, Lokalitäten zu nutzen.
Rollen in der Gruppe
Rollenmuster, die innerhalb einer Gruppe eingenommen werden
Treffen
Regelmäßige Zusammenkünfte der Gruppe.
Zeitproblem
Terminliche Einschränkungen, an Treffen der Gruppe teilzunehmen.
Tab. 3: Codierungssystem der Auswertung
Bezüglich der Darstellung der Ergebnisse im Rahmen der Arbeit entschied sich der
Verfasser dafür, die Ergebnisse in die Theorieteile zu integrieren, um eine weitere
Steigerung der Komplexität der Arbeit zu vermeiden: Denn durch den nichtsequentiellen, sondern systemischen Aufbau der Arbeit, der aufgrund der vielen Interdependenzen gewählt wurde, sind auch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung untereinander vielfach verbunden. Es ist daher für den Leser/die Leserin einfacher, die jeweilig zugeordneten empirischen Ergebnisse direkt in den Theorieteil
eingebunden zu erfassen – auf die Gefahr hin, dass manche Aussagen aus den Interviews doppelt genannt werden. Zur Zitation der Empirie ist zu sagen, dass aus
praktischen Gründen nicht der gesamte Text durchnummeriert werden konnte. Daher
wird immer der/die Interviewpartner/in genannt, sodann die Seite und die Zeile im
jeweiligen Interview.
33
3 Annäherungen an den Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“
In diesem Kapitel nähert sich die Arbeit an den Begriff der Nachhaltigkeitsgruppe,
indem die beiden Wortbestandteile zunächst einzeln diskutiert und sodann in ihrer
Kombination definitorisch untersucht werden. Zur Anwendung kommen dabei verschiedene Methoden, die die jeweiligen Begriffe zu erfassen suchen: Nicht zuletzt
wird nach alltagssprachlichen Verwendungen der Wörter gesucht. Da in den nachfolgenden Kapiteln Gruppen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen und das Phänomen
Nachhaltigkeit nur mehr als Randbedingung angesehen, aber nicht mehr weiter erklärt wird, erfolgt an dieser Stelle eine eingehende Betrachtung des Begriffes Nachhaltigkeit. Bezüglich der Gruppen wird dagegen nur ein Teil der klassischen Literatur
dargestellt, von dem sich im Weiteren zeigen wird, dass er für die heutige Situation
nur bedingt Anwendung finden kann.
3.1 Der Begriff der „Nachhaltigkeit“
Zunächst wird das Konzept der Nachhaltigkeit eingehend erläutert. Der Begriff wird
seit dem Brundtlandreport von 1987 (vgl. United Nations 1987) bzw. seit der Umweltkonferenz von Rio 1992 (vgl. United Nations 1992b) im politischen, wissenschaftlichen und zunehmend auch im allgemeinen Diskurs verwendet, wobei diese Diskussion über lange Zeit durchaus kontrovers und sehr divergierend geführt wurde. Relative Einigkeit besteht über die derzeit wesentlichen Inhalte der Nachhaltigkeitsbemühungen. Hesse definiert als wesentlichste Nachhaltigkeitsprobleme „Klimawandel,
Süßwasserknappheit und -verschmutzung, Entwaldung und Wüstenbildung, Armut,
Biodiversitätsverlust
sowie
Bevölkerungswachstum
und
Migration“
(Hes-
se 2006, S. 8). Inwieweit dadurch tatsächlich alle wesentlichen Motoren der Nachhaltigkeitsdebatte erfasst sind, sei an dieser Stelle offen gelassen, jedenfalls handelt es
sich bei den angesprochenen Problemfeldern um wesentliche zu berücksichtigende
Komponenten.
Vor diesem Hintergrund kann man sich dem Begriff „Nachhaltigkeit“ von verschiedenen Seiten nähern. Aus etymologischer Sicht bedeutet der Begriff „Nachhaltigkeit“ im
Deutschen „etwas auf Dauer Angelegtes“. Dem entspricht das französische Wort für
„nachhaltig: durable“. Die englische Bezeichnung „sustainable“ hingegen ist eine
34
Kunstwortschöpfung aus den beiden Wörtern „to sustain“ (aufrechterhalten) und
„able“ (fähig). In diesem Sinne bedeutet „sustainable“ – (fähig aufrecht zu erhalten)
bzw. (imstande bestehen zu bleiben).
Ebenfalls gängig ist die Gleichsetzung der Begriffe „nachhaltig“ und „zukunftsfähig“,
wie sie insbesondere vom Rat der Sachverständigen für Umweltfragen der Deutschen Bundesregierung in der Strategie für eine nachhaltige Entwicklung verwendet
wurde (vgl. Deutsche Bundesregierung 2002, S. 4). Es fällt auf, dass die beiden Begriffe ohne definitorische Abgrenzung synonym verwendet werden.
Die nachfolgenden Abschnitte geben in Anlehnung an die existierende Literatur (vgl.
Gelbmann & Klampfl-Pernold 2010, S. 163ff; United Nations 1987) einerseits die historische Entwicklung und deren wichtgste Stufen (3.1.1 sowie 3.1.2), anderseits auch
verschiedene Begriffsauffassungen und –diskussionen sowie die heute am meisten
verbreiteten Interpretationen des Konzeptes wieder (3.1.3). Abschließend wird eine
neuere Interpretation des Begriffes Nachhaltigkeit als dynamisches Konzept beschrieben (3.1.4).
3.1.1 Die Anfänge der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatte
Da sich der Begriffsinhalt des Wortes „Nachhaltigkeit“ im Laufe der Zeit mehrfach
geändert hat bzw. die englische Wortkreation überhaupt jüngeren Datums ist, wird
nachfolgend zunächst ein kurzer historischer Überblick gegeben. Erst danach werden die für die vorliegende Arbeit essentiellen Begriffe näher erläutert. Das Wort
„nachhaltend“ wird zum ersten Mal nachweislich im Jahr 1713 von Hannß Carl von
Carlowitz verwendet, der darunter eine systematische und planvolle Bewirtschaftung
des
Waldes
durch
Einschlagen
nur
des
Zuwachses
versteht
(vgl.
von
Carlowitz 1713, S. 105). Das Konzept der Nachhaltigkeit wird also für die Forstwirtschaft entwickelt und verbreitet sich von Deutschland aus in die ganze Welt. Als
„sustained yield forestry“ (Grober 1999, S. 6) findet es Eingang in die Debatte um
Sustainable Development.
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hielt sich die rein ressourcenökonomische Interpretation von Nachhaltigkeit, also die Nutzung nur des Zuwachses nachwachsender
Ressourcen ohne Nutzung der Bestände. Erst in den letzten Jahrzehnten löste sich
35
der Begriff der Nachhaltigkeit mehr und mehr von seiner fachspezifischen Bedeutung
und wurde zu einem alle Felder der Politik verbindenden Leitkonzept.
Die moderne Umweltpolitik, die ihren Anfang in den 1960er und 1970er Jahren
nahm, wird ursprünglich im Rahmen internationaler Umweltkonferenzen eher monokausal behandelt. 1972 wird, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Ersten Ölkrise, der
begrenzte Spielraum der damaligen Umweltpolitik vom Club of Rome in den „Grenzen des Wachstums“ („The Limits of Growth) (vgl. D. L. Meadows et al. 1972) aufgezeigt. Im gleichen Jahr findet die UNO-Weltkonferenz über die menschliche Umwelt
in Stockholm statt. Sie ist die erste UNO-Weltkonferenz zum Thema Umwelt überhaupt und gilt als der eigentliche Beginn der internationalen Umweltpolitik (vgl. United Nations 1972). So wird in Stockholm zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht, dass zu einer dauerhaften Verbesserung der Lebensverhältnisse aller die
natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben müssen und dass, um dies zu erreichen, eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit nötig ist. Im Vordergrund stehen
Umweltprobleme, wobei auch die sozialen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Aspekte berücksichtigt werden müssen. Allerdings finden die Bemühungen
der Stockholm-Konferenz nur geringe Niederschläge.
„Die Umweltzerstörung ging weiter, und Probleme wie die globale Erwärmung, die
Schädigung der Ozonschicht und die Wasserverschmutzung verschärften sich,
während die Belastung der natürlichen Ressourcen immer stärker wurde“ (United
Nations 1972, S. 239).
1980 präsentiert die Brandt- (nach ihrem Vorsitzenden, dem ehemaligen deutschen
Bundeskanzler Willy Brandt) oder Nord-Süd-Kommission den „Nord-Süd-Bericht Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer“. Der Report gilt bis heute als Meilenstein der Entwicklungspolitik. Seine Strategien und Konzepten gelten als zukunftsweisend und leiten eine Wende in der Entwicklungspolitik ein: Die Nord-Süd-Kommission verlangt, die unterprivilegierten Länder des Südens in die Weltwirtschaft zu integrieren und verspricht sich davon die
notwendige Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation in den benachteiligten Ländern. Trotz des internationalen Beifalls für die visionären Vorschläge und
der Mitarbeit namhafter Persönlichkeiten wie des ehemaligen britischen Premiers
Edward Heath und des ehemaligen Ministerpräsidenten Schwedens Olof Palme
36
bleibt der Brandt-Bericht bis heute fast gänzlich unverwirklicht, und damit ist die Lage
vieler Entwicklungsländer heute schlechter als 1980 (vgl. W. Brandt 1982).
Besonders durch den Eindruck des Chemieunfalls 1976 in Seveso/Italien wird eine
Stärkung des Vorsorgeprinzips im Umweltschutz als notwendige Konsequenz erkannt: 1987 legt daher die unabhängige „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ ihren auch als Brundtland-Report bekannt gewordenen Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ („Our Common Future“) vor. Die dort getroffene Definition dient
auch heute noch als wegweisend für Definitionen von Nachhaltigkeit:
„Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets
the needs of the present generation without compromising the ability of future
generations to meet their own needs” (United Nations 1987, S. 24).
Der Brundtlandbericht (1987) definiert Nachhaltigkeit als Prinzip der Verantwortung
und der Gerechtigkeit, wobei zwei Arten von Verantwortung bzw. Gerechtigkeit unterschieden werden:

Intragenerationelle Gerechtigkeit stellt auf den verantwortungsvollen Umgang
bzw. die gerechte Verteilung von Ressourcen innerhalb der je heute lebenden
Weltbevölkerung ab. Im Mittelpunkt stehen soziale Probleme wie Armut, Unterentwicklung, Hunger, Unterdrückung, Ausbeutung von Menschen vor allem in
den Entwicklungsländern. Diese Probleme werden vor allem im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit thematisiert bzw. es wird nach Lösungsansätzen
gesucht.

Intergenerationelle Gerechtigkeit stellt ab auf den verantwortungsvollen Umgang
mit Ressourcen im Hinblick auf die Möglichkeit unserer Nachfahren, ihre Bedürfnisse daraus zu decken. Im Mittelpunkt stehen ökologische Faktoren wie die
Nutzung der natürlichen Umwelt als Lieferantin von erneuerbaren und nichterneuerbaren, energetischen und materiellen Inputs für Produktion und Konsum
bzw. als Aufnahmemedium für die festen, flüssigen, gasförmigen und energetischen Residuen aus Produktion und Konsum. Dieser Aspekt ist gemeint, wenn
Nachhaltigkeit gleichgesetzt wird mit Zukunftsfähigkeit (z. B. Dürr 2002) oder
noch plakativer Enkeltauglichkeit (vgl. Klampfl-Pernold 2001). Wiewohl beide
Begriffe wesentliche Teile der Nachhaltigkeitsdebatte abbilden, greifen sie für die
37
Diskussion der Nachhaltigkeit im umfassenden Sinn zu kurz, da sie den intragenerationellen Aspekt nicht oder nur wenig betonen.
Im Brundtlandbericht wird erstmals das Leitbild einer integrativen nachhaltigen Entwicklung konzipiert. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellt
dazu fest, dass
„(z)uvor getrennt betrachtete Problembereiche, wie z. B. Artensterben, Wüstenausbreitung, Schuldenkrise, kriegerische Konflikte, Flächenverbrauch und Armut,
(…) nun in einem Wirkungsgeflecht gesehen (werden) und verdeutlicht, dass diese
Probleme
nicht
durch
Einzelmaßnahmen
gelöst
werden
können“
(WDDB 2004, S. 121).
1992 beschließen die 179 Teilnehmerstaaten der Konferenz der Vereinten Nationen
für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro unter anderem ein Aktionsprogramm
für eine weltweite nachhaltige Entwicklung (vgl. United Nations 1992c). Es wird festgestellt, dass aus langfristiger Sicht ein wirtschaftlicher Fortschritt nur unter Einbeziehung des Umweltschutzes möglich sei. Eine neue und gerechte Partnerschaft der
Staaten unter Beteiligung der Regierungen, des Volkes und der Schlüsselelemente
der Gesellschaften sei unumgänglich. Staaten müssten internationale Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt und des Entwicklungssystems treffen. Ein uneingeschränkter internationaler Handel muss trotz nachhaltiger Umweltpolitik gewährleistet
sein. Die Deklaration besteht aus 27 Prinzipien, in denen u. a. erstmals global das
Recht auf nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development) verankert wird. Erstmals werden in der Deklaration von Rio für Umwelt und Entwicklung das Vorsorgeund das Verursacherprinzip als Leitprinzipien anerkannt (vgl. United Nations 1992c).
3.1.2 Operationalisierung der Nachhaltigkeit: Agenda 21
In Rio wird 1992 ein Dokument beschlossen, das in der Folge die Bedeutung von
Nachhaltigkeitsgruppen in der Wahrnehmung von Politik und Gesellschaft einschneidend verändern wird: Die Agenda 21 ist ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm zur nachhaltigen Entwicklung für das 21. Jahrhundert. Sie steht in
unmittelbarem Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und stellt eine Leitlinie
öffentlichen Handelns dar. Durch Integration von und Hinwendung zu Umwelt- und
Entwicklungsbelangen können eine Deckung der Grundbedürfnisse und höhere Le38
bensstandards für alle sowie bessere geschützte und bewirtschaftete Ökosysteme
erreicht werden (vgl. United Nations 1992c). Die Agenda 21 richtet sich vorrangig an
internationale Organisationen und nationale Regierungen und entwickelt auf 359 Seiten in 40 Kapiteln ein Maßnahmenpaket zur Anpassung der Energie-, Agrar- und
Handelspolitik in den Industrieländern und für Armutsbekämpfung, Bildung, Gesundheit, Bevölkerungspolitik, Trinkwasser- und Sanitärversorgung, ländliche Entwicklung
sowie Abwasser- und Abfallbeseitigung in Schwellen- (heute nennt man sie BRICS)
und Entwicklungsländern. Die Forderungen sind gegliedert in vier Abschnitte (vgl.
United Nations 1992c, S. i–ii):

Soziale und Wirtschaftliche Dimension,

Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung,

Stärkung der Rollen wichtiger Gruppen und

Möglichkeiten der Umsetzung.
Der dritte Abschnitt ist von großer Bedeutung für die vorliegende Arbeit, geht er doch
schon in seinem Titel explizit auf das ihr zugrunde liegende Phänomen der Gruppen
ein. Widmet man sich dem Inhalt genauer, erkennt man allerdings rasch, dass der
Begriff „Gruppe“ hier als Synonym für eine statistische Gruppe und nicht im in dieser
Arbeit verwendeten Sinne gebraucht wird (vgl. 3.2). Von besonderem Interesse für
das hier diskutierte Konzept ist Kapitel 27, das den Einsatz von Nachhaltigkeitsgruppen legitimiert:
Kapitel 27 befasst sich mit der „Stärkung der Rolle der nichtstaatlichen Organisationen - Partner für eine nachhaltige Entwicklung“. In ihm wird festgestellt, dass nichtstaatliche Organisationen eine „entscheidende Rolle bei der Ausformung und Umsetzung einer teilhabenden Demokratie spielen“ (United Nations 1992b, S. 288). Zu den
nichtstaatlichen Organisationen zählen formelle und informelle Organisationen wie
auch Basisgruppen. Damit ist der gesamte Rahmen möglicher Nachhaltigkeitsgruppen im engeren und weiteren Sinne abgedeckt: von etablierten Parteien oder NGO´s
wie Greenpeace oder Global 2000 als formellen Organisationen über Bürger/inneninitiativen oder ähnliches als informale Gruppen bis hin zu beispielsweise
grünen Gemeindegruppen als Basisgruppen.
Das Kapitel 27 räumt all diesen Gruppen den Anspruch ein, an der Umsetzung
nachhaltiger Entwicklung partizipativ mitwirken zu dürfen (vgl. 7.1). Daraus leitet sich
39
seit Rio 1992 eine neue Bedeutung dieser Gruppen ab: Es umgibt sie nicht mehr die
anrüchige Aura von Chaos und Anarchie, sondern sie werden als ernst zu nehmende
Partner/innen im Prozess der nachhaltigen Entwicklung akzeptiert. Daraus erwachsen folglich ein neues Selbstverständnis dieser Gruppen, aber auch neue Verantwortung und der Bedarf an neuen Strukturen.
Großes Augenmerk wird in der Agenda 21 auch auf Lösungen der globalen Probleme auf örtlicher Ebene gelegt. So wird im Kapitel 28 „Initiativen der Kommunen zur
Unterstützung der Agenda 21“ festgestellt, dass „die angesprochenen Probleme und
ihre Wurzeln in Aktivitäten auf örtlicher Ebene haben“. Deshalb ist „die Beteiligung
und Mitwirkung der Kommunen ein entscheidender Faktor bei der Verwirklichung der
Agendaziele“, weil Kommunen die wirtschaftliche, soziale und ökologische Infrastruktur errichten, verwalten und unterhalten bzw. den Planungsverlauf überwachen und
damit an der Umsetzung der nationalen und regionalen Umweltpolitik mitwirken (vgl.
United Nations 1992b, S. 291). Aus diesem Ansatz heraus wurde deshalb jede
Kommune der 179 Unterzeichnerländer aufgerufen, eine eigene „lokale Agenda“ zu
erarbeiten. Diese „Lokale Agenda 21“ hatte über die Jahre nur mittelmäßigen Erfolg,
weshalb anlässlich des Weltgipfels in Johannesburg 2002 die nächsten 10 Jahre eine verstärkte Umsetzung der „Agenda 21“ – Ziele durch „local action 21“-Kampagnen
beschlossen wurde (vgl. United Nations 2002). Diese beiden Dokumente bilden die
wesentliche Grundlage für das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, wie es heute
im wissenschaftlichen und politischen Diskurs verwendet wird.
3.1.3 Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Ausgehend von der Deklaration von Rio aus dem Jahr 1992 und der Agenda 21 entwickelt die vom Deutschen Bundestag eingerichtete Enquete-Kommission „Schutz
des Menschen und der Umwelt“ 1998 ein „Drei-Säulen-Modell“ einer nachhaltigen
Entwicklung. Das Modell bildet eine Alternative zu der einseitig betriebenen Nachhaltigkeitsdiskussion des Umweltaspektes (vgl. Deutscher Bundestag 1998, S. 16).
Die Enquete-Kommission definiert Nachhaltigkeit als
„Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz. Diese drei Säulen der
Nachhaltigkeit stehen miteinander in Wechselwirkung und bedürfen langfristig ei40
ner ausgewogenen Koordination. Zentrales Ziel des Nachhaltigkeitsanliegens ist
die Sicherstellung und Verbesserung ökologischer, ökonomischer und sozialer
Leistungsfähigkeiten. Diese bedingen einander und können nicht teiloptimiert werden, ohne Entwicklungsprozesse als Ganzes in Frage zu stellen“ (Deutscher Bundestag 1998, S. 19)
Ökologisch nachhaltige Entwicklung orientiert sich am Gedanken, keinen Raubbau
an der Natur zu betreiben, und veranlasst die Gesellschaft eine Lebensweise zu
wählen, die die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie
diese sich regenerieren. Die Definition der ökologischen Nachhaltigkeit orientiert sich
somit an der im Brundtland-Report getroffenen Definition des Nachhaltigkeitsbegriffes (vgl. United Nations 1987, S. 24). Um eine ökonomisch nachhaltige Entwicklung
zu erreichen, darf eine Gesellschaft wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben,
weil dies zwangsläufig zu Einbußen der nachkommenden Generationen führen würde. Um eine sozial nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen ein Staat oder eine
Gesellschaft so organisiert sein, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können.
Von 1998 an fand das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung immer größere Akzeptanz, wobei man sich aus internationaler Sicht immer mehr auf den Akzent der Entwicklungsproblematik konzentrierte. Das Drei-Säulen-Modell fand
beispielweise auch in der Abschlusserklärung des „Weltgipfels von Johannesburg
2002“ seinen Niederschlag: “We agreed that the protection of the environment, and
social and economic development are fundamental to Sustainable Development,
based on the Rio Principles“ (United Nations 2002, S. 8). Im Folgenden werden die
gängigen drei Säulen der Nachhaltigkeit näher erforscht.
3.1.3.1 Ökonomische Nachhaltigkeit
Die erste der drei Säulen des Drei-Säulen-Modells betrifft die so genannte „Ökonomische Nachhaltigkeit“. Diese beschreibt den sorgfältigen Umgang mit ökonomischen Mitteln unserer Gesellschaft in Verbindung mit ökologischer und sozialer Umsicht. In Anlehnung an die Brundtland-Definition von nachhaltiger Entwicklung wird
die ökonomische Nachhaltigkeit damit beschrieben, dass die gegenwärtige Gesell41
schaft wirtschaftlich so leben soll, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten nachfolgender
Generationen auf lange Zeit stabil sind und keine dauerhaften Einbußen in ihrer ökonomischen Lebensqualität erleiden müssen (vgl. United Nations 1987, S. 24). Kennzeichen eines ökonomisch stabilen Systems sind ein hohes Bruttoinlandprodukt, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, ein ausgeglichener Staatshaushalt und ein positiver Zugang zur Einhaltung von menschenwürdigen Produktionsbedingungen auch
bei Beschaffung in Entwicklungsländern („Fair trade“) (vgl. Luks 2002, S. 16).
Die gesellschaftstheoretische Basis der ökonomischen Nachhaltigkeit ist im Übergang von der „festen Moderne“ hin zu einer flüssigen Gesellschaft fundiert (vgl.
6.2.1). Diese bringt eine Abkehr vom „Fordismus“ und damit von festen Strukturen
mit sich. Der Staat wendet sich als Sozialstaat vom Menschen ab und überlässt der
Wirtschaft den Schutz Schwächerer und die Aufgaben der Absicherung des Menschen bei Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit. Im Gegenzug wächst die Verpflichtung großer, meist multinationaler Unternehmen bzw. Konzerne, wegen ihres wachsenden Einflusses über ihr eigenes wirtschaftliches Wohlergehen hinaus Verantwortung für ihre Anspruchsgruppen (Mitarbeiter/innen, Zuliefer/innen, Kund/innen) zu
übernehmen (vgl. Wood, Logsdon, & Lewellyn 2006, S. 76; Wood & Logsdon 2002,
S. 76), und zwar vor allem dann, wenn die jeweiligen staatlichen Regulierungssysteme schwach sind (vgl. Moon, Crane, & Matten 2005, S. 13).
Damit umfasst die ökonomische Säule des Drei-Säulen-Modells
„einerseits die Umsetzung gesellschaftlicher und ökologischer Anforderungen in
unternehmerisches Handeln zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen auf den
Märkten und andererseits die Möglichkeiten von Unternehmen, einen Beitrag zur
Schaffung von Arbeitsplätzen, angemessenem Wohlstand und menschenwürdigen
Arbeitsverhältnissen
für
alle
Menschen
dieser
Welt
zu
leisten“
(Balderjahn 2004, S. 21).
Daher steht die ökonomische Nachhaltigkeit in direktem Zusammenhang mit sozialer
Nachhaltigkeit in Bereichen wie hoher Beschäftigungsgrad, Preisstabilität, geringe
Inflation, hoher Lebensstandard, hoher Human Development Index HDI, Einhaltung
des Generationsvertrages, Pensionssicherung, hohes Bildungsniveau, Ausbildung im
Lehrlingsbereich, flächendeckende Grundversorgung.
42
Es bestehen jedoch auch Interdependenzen zwischen der ökonomischen und der
ökologischen Nachhaltigkeit, wie etwa der sorgsame Umgang mit Bodenschätzen
und der Klimaschutz. So befasst sich die ökologische Ökonomie mit dem sorgfältigen
Umgang mit natürlichen Ressourcen in Bezug auf deren Knappheit (vgl. Luks 2002,
S. 56). Sie geht davon aus, dass
„die Belastung der natürlichen Lebensgrundlagen durch die Übernutzung der natürlichen Ressourcen und die Freisetzung von Schadstoffen eine Ausmaß angenommen hat, das nicht dauerhaft aufrecht zu erhalten ist“ (Rogall 2004b, S. 43).
Dieses Fazit beinhaltet die Erkenntnis, dass „viele Ressourcen für menschliche Zivilisation existentiell und nicht durch technische Produkte substituierbar sind, zB Klimagleichgewicht, Ozonschicht, Artenvielfalt“ (Rogall 2004b, S. 43). Um ein dauerhaftes
menschenwürdiges Leben für die Menschheit zu garantieren, setzt dies ein Umdenken voraus. Als Ziel für eine nachhaltige oder zukunftsfähige Entwicklung wird eine
weitere ökonomische Entwicklung nur im Rahmen der Verträglichkeit des natürlichen
Umweltraumes für sinnvoll erachtet. Das heißt, dass die Wirtschaft als Teil eines begrenzten globalen ökologischen Gesamtsystems deren Resilienz (vgl. Das Modell
der adaptiven Schleifen 5.2.1) nicht überstrapazieren darf.
Allerdings sind der Ressourcenverbrauch und die heutigen Einträge von (Schad-)
Stoffen in die natürliche Umwelt von einer ökonomisch nachhaltigen Entwicklung weit
entfernt (vgl. Deutscher Bundestag 2002, S. 35; ZFES 1998, S. 148), deshalb wird,
um eine zukunftsfähige Entwicklung des Menschen zu garantieren, eine Reduzierung
der Stoffeinträge und des Ressourcenverbrauches zwischen 80% und 99% gefordert
(vgl. Rogall 2004a, S. 34). Nicht erneuerbare Ressourcen müssen, sofern ihre Verwendung nicht vermieden werden kann, im Rahmen des Recyclings wiederverwertet
werden, um eine Steigerung der Ressourcenproduktivität von bis zum Faktor 50 zu
erreichen (vgl. Schmidt-Bleek 1994, S. 17ff; von Weizsäcker, Lovins, & Lovins 1997,
S. 270ff).
Damit wird wirtschaftliche Nachhaltigkeit zum wesentlichen Motor der Gesamtnachhaltigkeit, die weit über die heute oft beschworene kontinuierliche Steigerung des
Bruttoinlandsproduktes hinausgeht. Und auch, wenn die wirtschaftliche Nachhaltigkeit nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Aktivitäten von Nachhaltigkeitsgruppen
steht, so ist sie dennoch aus mehrfacher Sicht für diese von Bedeutung: Denn ers43
tens stellt sie eine wichtige Restriktion bei der Konzeption von Programmen und Aktionen dar – die Budgets von Gemeinden, Ländern und Staaten dürfen im Sinne
ökonomischer Nachhaltigkeit nicht ausgehöhlt werden. Die Prinzipien der Sparsamkeit, Effizienz, Effektivität und Verhältnismäßigkeit müssen bei der Konzeption von
Programmen mit bedacht werden. Diese Kriterien spielen denn auch zweitens bei
den Nachhaltigkeitsgruppen selbst eine Rolle, da sie nur unter Bedachtnahme darauf
ihr langfristiges Überleben sicherstellen können.
3.1.3.2 Ökologische Nachhaltigkeit
Das ökonomische Handeln des Menschen hat lange Zeit wenig Rücksicht darauf genommen, ob und in welcher Weise dabei in das ökologische Gleichgewicht der Erde
eingegriffen wurde. Der Bogen der Beispiele dafür spannt sich vom Auslaugen von
Böden seit der Jungsteinzeit über das rücksichtslose Abholzen durch die Phönizier
bis hin zu den ölverseuchten oder gekippten Gewässern und smogbelasteten Städten der Gegenwart. Im Gegensatz zum Raubbau an der Natur lässt sich ökologische
Nachhaltigkeit beschreiben als eine Entwicklung, in der der Mensch versucht, im
Einklang mit der Natur zu leben. Die Basis für entsprechende Vorgehensweisen wurden in den 1990er Jahren von Pearce und Turner (vgl. Pearce & K. Turner 1990) und
Daly (vgl. Daly 1991, S. 32ff) beschrieben und im deutschen Sprachraum unter anderem durch den Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) weiterentwickelt
(vgl. SRU 2002, S. 67f).
Ebenso wie die ökonomische und auch die soziale Nachhaltigkeit ist die ökologische
Nachhaltigkeit ihrerseits nicht eindimensional, sondern umfasst diverse Einflussfaktoren, die in vielen Studien und Instrumenten zur Messung der Nachhaltigkeit erfasst
werden. Momentan als bekanntestes Instrument der Messung der ökologischen
Nachhaltigkeit wird der „ökologische Fußabdruck“ gehandelt, der versucht, alle ökologischen Auswirkungen des menschlichen Handelns zu erfassen (Wackernagel; Beyers 2010), der jedoch wegen seiner Simplifikationen und vor allem der Datenaggregation durchaus auch heftiger Kritik unterliegt (vgl. Posch 2003, S. 82).
Als derzeit bekanntestes Instrument der Messung der umfassenden Nachhaltigkeit
von Organisationen (z. B. Unternehmen) gilt das Reporting Framework der Global
Reporting Initiative (vgl. GRI 2006). Dem Framework entsprechend umfasst die öko44
logische Dimension von Nachhaltigkeit die Fragen der Auswirkungen menschlichen
Handelns auf lebende und nicht lebende Natursysteme, einschließlich der Ökosysteme, des Bodens, der Luft und des Wassers. Dazu gehören im Wesentlichen Aspekte wie der Verbrauch an stofflichen Ressourcen (Rohstoffen), Energie oder Wasser und Output von an die Umwelt abgegebenen Rückständen aus Produktion und
Konsum wie Emissionen, Abwasser, Abfall. Daraus ergeben sich weiter Auswirkungen auf die Biodiversität oder das Klima (vgl. GRI 2013, S.9).
Doch auch hier gehen die Rückkoppelungen und Auswirkungen über Teilaspekte der
ökologischen Nachhaltigkeit weit hinaus zu den anderen Säulen der Nachhaltigkeit:
So bedingt wirtschaftliches Handeln jedenfalls die Inanspruchnahme der Umweltmedien (Wasser, Boden, Luft), allerdings können durch entsprechende technische und
organisatorische Maßnahmen die Folgen dieser Inanspruchnahme gemildert werden.
Die zugrundeliegenden Konzepte beruhen auf dem sparsamen Umgang mit Ressourcen (Sparen, Vermeide), dem Umstieg von nicht-regenerierbaren oder gefährlichen Ressourcen auf weniger knappe bzw. belastende (umweltfreundliche Substitution) oder der Wiedernutzung bereits verwendeter Materialien (Recycling) (vgl. UBA
2007, S. 16).
Auch Interdependenzen mit den sozialen Komponenten der Nachhaltigkeit sind zu
beobachten. So stellt sich hier etwa die Frage, ob in den Entwicklungsländern Menschen von vornherein an der Nutzung bestimmter Rohstoffe gehindert werden sollen,
die in den Industrienationen bereits als ökologisch knapp erkannt worden sind. Vom
Standpunkt der Verteilungsgerechtigkeit erscheint dies unfair, da argumentiert wird,
die Industrienationen hätten sich auf Kosten der übrigen Länder Reichtum und Wohlfahrt aufgebaut und wollten dies den übrigen Staaten nicht gönnen. Diese Argumentationen führen auch immer wieder zum Scheitern von Bemühungen wie etwa der
letzten Klimakonferenzen (vgl. United Nations 2009).
Insgesamt wird die Frage der ökologischen Nachhaltigkeit heftig diskutiert, da viele
Wissenschaftler/innen der Meinung sind, dass die ökologische Nachhaltigkeit die
Priorität über die anderen Formen der Nachhaltigkeit habe. Diesem Aspekt wird in
Abschnitt 3.1.3.4 nachgegangen. Zuvor wird aber mit der sozialen Nachhaltigkeit die
dritte Säule der Nachhaltigkeit dargestellt.
45
3.1.3.3 Soziale Nachhaltigkeit
Soziale Nachhaltigkeit berücksichtigt gesellschaftliche und soziale Aspekte in der
Nachhaltigkeitsforschung und ist die wissenschaftlich am heftigsten umstrittene Säule im Drei-Säulen-Modell. Während die ökonomische und die ökologische Nachhaltigkeit relativ klar beschrieben und damit leichter messbar sind, sind die sozialen/gesellschaftlichen Aspekte unklarer und quantitativ nicht messbar. Insgesamt
scheint ungeklärt zu sein, was das „Soziale“ kennzeichnet und welchen Dynamiken
und Wandlungen es unterliegt (vgl. Empacher & Wehling 2002, S. 13). Allerdings ist
klar, „(s)ocial equity is one of the principal values underlying Sustainable Development, with people and their quality of life being recognized as a central issue“
(UNCSD 2001, S. 20).
Ein anderer Eindruck entsteht, folgt man zunächst den Umweltwissenschaftler/innen:
Ihnen zufolge scheint die Verfolgung ökologischer Rahmenbedingungen (z. B. Nachhaltigkeitsgrenzen bezüglich des Schadstoffausstoßes oder des Verbrauchs von
Ressourcen) bereits die Grundlage einer sozial gerechten, lebenswerten und auch
arbeitsmarktpolitisch heilen Welt zu versprechen. Umgekehrt werden traditionell bedingte sozio-kulturelle Unterschiede im Umgang mit Mangel völlig außer Acht gelassen und die Modernisierung traditioneller Gesellschaften nach westlichem Vorbild
unhinterfragt empfohlen (vgl. Tjimes & Luij 1995, S. 328). Somit ist ohne integrierte
soziale Dimension Nachhaltigkeit nicht machbar.
Daher streben seit einigen Jahren die Wissenschaft und besonders die Politik vermehrt nach einer definitorischen und vor allem konzeptionellen Verankerung des
Konzeptes sozialer Nachhaltigkeit (vgl. Empacher & Wehling 2002, S. 20; HBS 2000,
S. 14; Meyerhoff & Schwarze 2007, S. 8).
Mutlak und Schwarze (2007) konstatieren ein erhebliches Defizit für eine geschlossene Theorie sozialer Nachhaltigkeit. Als Basis für die Entwicklung einer solchen
Theorie sehen sie den sozialwissenschaftlichen Strukturfunktionalismus, das Grundbedürfnis-Konzept und das Konzept des Sozialkapitals (vgl. Empacher & Wehling
2002; Mutlak & Schwarze 2007, S. 15).
Allerdings werden soziale Aspekte der Nachhaltigkeit meist in Form relativ unstrukturiert wirkender Indikatorenansätze behandelt (vgl. Littig & Grießler 2004, S. 68). So
46
wird als Kenngröße für soziale Nachhaltigkeit (für quantitativ-statistische Untersuchungen und mathematische Modellierungen) oft der HDI (Human Development Index) verwendet, der von pakistanischen, indischen und einem britischen Ökonomen
eigens entwickelt wurde, um die geringe Aussagekraft eindimensionaler Messinstrumente (z. B. das Bruttoinlandsprodukt) wettzumachen. Zu einer umfassenden Abbildung sozialer Nachhaltigkeit ist der HDI wegen der vereinfachten Darstellung nicht
geeignet (vgl. Nuscheler 2004, S. 190). Denn es handelt sich um einen aus drei Teilindikatoren bestehenden Indikator, in dem jeweils zu einem Drittel die Lebenserwartung bei der Geburt, die reale Kaufkraft je EinwohnerIn sowie die Bildung (gemessen
an Alphabetisierungsquote der Erwachsenen und Brutto-Schuleinschreibungsrate)
gemessen werden. Die Lebenserwartung dient als Indikator für Gesundheitsvorsorge, Ernährung und Hygiene. Die Bildungsindikatoren und die reale Kaufkraft sollen
den Lebensstandard messen. Das erscheint grob vereinfachend und wird einem
komplexen Konstrukt wie der sozialen Nachhaltigkeit nicht gerecht.
Etwas differenzierter gehen Zertifizierungs- und Bewertungskonzepte für nachhaltiges Unternehmenshandeln an das Problem der sozialen Nachhaltigkeit heran: Je
nach Ausrichtung (eher global oder auf lokaler Ebene, auf die Bedürfnisse der [mit-]
arbeitenden Menschen gerichtet oder eher auf das Unternehmensumfeld) werden
hier verschiedene Faktoren bzw. Indikatoren aufgelistet und mehr oder weniger operationalisiert, also praktisch handhabbar gemacht. Stellvertretend für die große Zahl
von Indikatorsets zur Messung der sozialen Nachhaltigkeit wird hier auf das bereits
erwähnte Sustainability Reporting Framework der Global Reporting Initiative zurückgegriffen (vgl. GRI 2013). Es verfügt über einen umfassenden Satz von Indikatoren
zur sozialen Nachhaltigkeit. Neben jeweils einer Kategorie zur ökonomischen (neun
Indikatoren) und ökologischen Performance (34 Indikatoren) enthält der Indikatorsatz
der GRI vier Kategorien mit gesellschaftsbezogenen Leistungsindikatoren. Dazu gehören Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung (16 Indikatoren zu Beschäftigung allgemein, ArbeitgeberIn/Arbeitnehmer/innenverhältnis, Arbeitsschutz,
Aus- und Weiterbildung sowie Vielfalt und Chancengleichheit), Produktverantwortung
(neun Indikatoren zu Kundengesundheit und –sicherheit, Produktkennzeichnung
oder Werbung), Menschenrechte (zwölf Indikatoren zu Beschaffungspraktiken,
Gleichbehandlung, Vereinigungsfreiheit, Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Schutz der
indigenen Bevölkerung), Gesellschaft (elf Indikatoren zu Gemeinwesen, Korruption,
47
Politik und Lobbying, wettbewerbswidrigem Verhalten und Einhaltung der Gesetze)
(vgl. GRI 2013, S. 22ff.).
Doch nicht nur auf Ebene der Unternehmen, auch auf der Ebene der Gesellschaft
selbst gibt es Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit. Angestrebt und gelernt wird eine
nachhaltigere Lebensweise, indem man mit den natürlichen Ressourcen sparsamer
umgeht und dort verzichtet, wo es wenig weh tut. Diese Haltung spiegelt sich im so
genannten
LOHAS
(„Lifestyle
of
Health
and
Sustainability“,
(Wen-
zel; Kirig 2009, S. 19). Mehrere Studien belegen, dass die Bereitschaft, für „nachhaltigere“ Produkte höhere Preise zu zahlen, außerhalb der expliziten LOHASZielgruppe nach wie vor eher gering ist (vgl. Sehrer, Kropp, Brunner, Engel, & Ader
2005, S. 7).
„Nur umweltorientierte Innovatoren sind in der Lage, höhere Preise für ökologieorientierte Produkte durchsetzen, wobei die Markenprofilierung für die Kund/innen
von außerordentlicher Bedeutung im Hinblick auf den zu zahlenden Preis ist“
(Gelbmann; Klampfl-Pernold; Moser 2009, S. 112).
Konkrete Ansätze zur Erfassung oder Messung des „Ausmaßes der Nachhaltigkeit“
eines solchen Verhaltens existieren allerdings bislang nicht, schon gar nicht im Hinblick darauf, inwieweit sich LOHAS oder LOVOS mehr (oder weniger) als andere in
Nachhaltigkeitsgruppen engagieren (vgl. auch 9.2).
Für Nachhaltigkeitsgruppen ist die Frage der sozialen Nachhaltigkeit aus dreifacher
Sicht von Interesse.

Erstens haben sich soziale bzw. gesellschaftliche Themen in den letzten Jahren
massiv zu Kernthemen und Kerninteressen der Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt, wie etwa Genderfragen, Diversität und Fragen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund oder die Betreuung von Kindern bzw. älteren
Menschen. Ein wesentlicher Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit betrifft alle Formen der Bildung und umfasst Aspekte wie die schulische und berufliche Ausbildung, den gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Kultur, die Förderung der
Selbstentwicklung oder die Bereitstellung und Förderung von Möglichkeiten zu
lebensbegleitendem Lernen.
48

Zweitens sind gemessen an den Vorgaben der Agenda 21 Nachhaltigkeitsgruppen selbst ein Instrument zur Umsetzung sozialer Nachhaltigkeit, da sie konkrete
Umsetzungen der Forderung nach Zivilgesellschaft und Partizipation darstellen.

Drittens betrifft die Frage der sozialen Nachhaltigkeit Nachhaltigkeitsgruppen auf
der Metaebene, denn nur wenn sie es schaffen, auf Dauer zu bestehen, können
sie als Nachhaltigkeitsgruppen im engeren Sinne bezeichnet werden.
Das Drei-Säulen-Modell gilt heute als der am weitesten verbreitete Versuch, Nachhaltigkeit handhabbar zu machen, allerdings zieht es auch durchaus heftige Kritik auf
sich.
3.1.3.4
Kritik am Drei-Säulen-Modell
Die Kritik am Drei-Säulen-Konzept ist vielfältig und entzündet sich an vielen Punkten.
Der wesentliche Kritikpunkt vor allem im Bereich der deutschsprachigen Nachhaltigkeitsforschung besteht in der Diskussion um starke und schwache Nachhaltigkeit.
Damit beschreibt man die Schwierigkeit, den Sachwert der Natur zu erfassen. Als
schwache Nachhaltigkeit wird der Gedanke bezeichnet, dass sich Naturkapital mit
Sachkapital aufwiegen lässt, während die starke Nachhaltigkeit die Natur und die
Umwelt als unersetzbar darstellt (vgl. Meyer-Abich 2001, S. 294ff).
Die schwache Nachhaltigkeit geht davon aus, dass in der Natur keine Ressourcenknappheit besteht, solange die schwindenden Ressourcen durch Substitute (Ersatzgüter) ersetzt werden können – etwa Kupfer in Übertragungsleitungen durch Glasfasern, die nicht nur ökologisch nicht knapp, sondern sogar leistungsfähiger sind. Starke Nachhaltigkeit beruht auf der Vorstellung, alles Wirtschaften und folglich auch die
Wohlfahrt im klassischen Sinne stehen unter dem Vorbehalt der ökologischen Tragfähigkeit, da die Natur nur einen bestimmten, nicht erweiterbaren Spielraum lässt,
innerhalb dessen sich die Entwicklung vollziehen kann (vgl. Ott, Muraca, & Baatz
2011, S. 14ff). Steuerbar ist daher nur, wie die Menschen den ihr verbliebenen Spielraum am besten nutzen. Die Politik hat daher den
„Spielraum, die Fahrrinne vorzugeben, die das Schiff der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beachten muss. (…) Das Schiff kann sich innerhalb der gegebenen Grenzen frei bewegen, aber darf die Fahrrinne nicht verlassen“
(UBA 2002, S. 3).
49
Im Modell der starken Nachhaltigkeit besteht demzufolge ein Primat der ökologischen Komponente. Dazu ist zu bemerken, dass diese Aussagen wohl für die Industrienationen zutreffen mögen, im Hinblick auf eine Nord-Süd-Verteilungsgerechtigkeit
aber schon aus ethischen Gründen mehr als fragwürdig sind.
Im Gegensatz zum Streit um schwache und starke Nachhaltigkeit sind die Mehrsäulenmodelle der Ansicht, dass das Dreisäulenmodell zu kurz greife. Dementsprechend
werden weitere Säulen der Nachhaltigkeit definiert, wie etwa eine kulturelle (vgl.
Heintel 2007, S. 65ff) oder eine institutionell-politische Dimension (vgl. Jörissen,
Brandt, Kopfmüller, & Paetau 1999, S. 149ff). Dazu ist zu sagen – ähnlich wie als
Kritik schon am Drei-Säulen-Modell geübt wird–, dass eine Integration zu vieler Aspekte in den Nachhaltigkeitsbegriff zu einer Überfrachtung bzw. Verwässerung des
Begriffes führen kann (vgl. Grunwald & Kopfmüller 2006, S. 53). In der vorliegenden
Arbeit wird daher auf das klassische Drei-Säulen-Modell zurückgegriffen, eingedenk
der Tatsache, dass keine Säule isoliert von den anderen betrachtet werden kann.
3.1.4 Nachhaltigkeit als dynamischer Prozess in der Zielbildung
Eine wesentliche Erweiterung erfährt die Debatte der Nachhaltigkeit schließlich in der
Frage, ob es sich bei Nachhaltigkeit um ein substanzielles oder um ein prozedurales
Phänomen handelt. Oft wird übersehen, dass bereits der Brundtland–Report dezidiert von Nachhaltigkeit nicht als einem „fixed state of harmony“ spricht, sondern
von einem „process of change in which the exploitation of resources, the direction of
investments, the orientation of technological development, and institutional change
are made consistent with future as well as present needs” (WCED 1987, S. 9). Daraus wird deutlich, dass Nachhaltigkeit nicht einen Zustand, sondern eine Entwicklungsgröße darstellt; dass korrekter Weise also immer von „nachhaltiger Entwicklung“ gesprochen werden muss. Mit anderen Worten beruht nachhaltige Entwicklung
im weitesten Sinne auf dem Konzept der dynamischen Stabilität.
Zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen benötigt man jedenfalls ein verbessertes
Verständnis der Zusammenhänge von Natur und Gesellschaft. Denn Nachhaltigkeitsthemen sind komplex und können daher nicht mit einer einfachen Theorie beschrieben werden, auch wenn zumindest teilweise scheinbar einfache Technologien zur
Bewältigung von Teilproblemen zur Verfügung stehen (z. B. Rauchgaswäsche mithil50
fe von Kalkmilch). Letztlich liegt die Herausforderung nachhaltiger Entwicklung darin,
Aktionen zu vermeiden, die mehr kosten, als sie wert sind, wenn man alle negativen
sozialen und ökologischen Auswirkungen in Rechnung stellt (vgl. D. H. Meadows et
al. 2004, S.255).
Die Konsequenz daraus ist, dass Nachhaltigkeit als evolutionärer Prozess angesehen werden muss, in dem das Management von Systemen dadurch verbessert wird,
dass Verständnis und Wissen perfektioniert werden. In Analogie zu Darwins Entwicklung der Arten ist dieser Prozess nicht-deterministisch und hat keinen vorgegebenen
Endpunkt (vgl. Cary 1998, S. 12). Dieses Konzept macht Nachhaltigkeit zu einem
dynamischen Ziel, das ständig verbessert wird, wenn unser Verständnis der zugrunde liegenden Systeme besser wird (vgl. Gelbmann & Klampfl-Pernold 2010, S. 163f).
Nachhaltige Entwicklung muss dann als unendlicher, stetig besser werdender Prozess der Entwicklung von Natur, Gesellschaft und Wirtschaft (vgl. Hjorth & Bagheri
2006, S. 76) gesehen werden, der weder von fixen Zielen, noch von spezifischen
Mitteln zur Zielerreichung definiert wird, sondern durch einen Ansatz zur aktiven
Herbeiführung von Veränderung (vgl. Mog 2004, S. 2140). Die Notwendigkeit von
Veränderung kann diagnostiziert werden, indem man Entwicklungen nachspürt und
einen Lernprozess durchläuft, in dem man ein beforschtes System und seine Umwelt
näher betrachtet. Einen idealen Punkt zur Messung und Analyse der (Gesamt-)
Nachhaltigkeit gibt es nicht. Daher behilft man sich mit der Vorgabe angestrebter
Idealziele, denen man sich zu nähern hofft, ohne sie jemals erreichen zu können.
3.1.5 Nachhaltigkeit als Fähigkeit
Einen völlig neuartigen Weg der Beschreibung von Nachhaltigkeit wählt Gelbmann
(vgl. Gelbmann; Baumgartner 2012). Sie geht davon weg, Nachhaltigkeit als Zustand
zu betrachten, der – wenn auch dynamisch veränderlich – die Zielvorgabe in einem
Prozess ist. Vielmehr besinnt sie sich auf die Wurzeln des Nachhaltigkeitsbegriffes.
Etymologisch bedeutet schon der Begriff „sustain-ability“, dass eine Person/eine
(Welt)Gesellschaft imstande ist, irgendetwas aufrechtzuerhalten. Auch der Brundtlandreport spricht explizit davon, dass die Menschen die Fähigkeit haben, Entwicklung nachhaltig zu machen (vgl. United Nations 1987, S. 24). Foster kommt der Defi-
51
nition von Nachhaltigkeit als Fähigkeit in seiner Definition von „Deep Sustainability“
sehr nahe:
“Sustainability is not a specifiable target state, but the continuous exploratory pursuit, through open-ended learning, of ways to ensure that life goes on … Deep
sustainability really consists in the life-effort of men and women whose education
has equipped them with enough knowledge, sensitivity, emotional range and moral
imagination to act together as a genuinely learning community in modern conditions” (Foster 2008, S. 145).
In diesem Ansatz spielt daher das Lernen eine wesentliche Rolle. Betrachtet man
jedoch Nachhaltigkeit als Fähigkeit, dann ist die gute Nachricht, dass diese erlernt
werden kann, und die schlechte, dass sie erlernt werden muss.
3.1.6 Ein geeigneter Ansatz für die Erfassung von Nachhaltigkeitsgruppen
und empirische Befunde
Nachhaltigkeit wird in dieser Arbeit nicht im Sinne des Begriffes „nachhaltig“ ist gleich
„dauerhaft, lang andauernd“ verwendet. Vielmehr geht diese Arbeit von der
Brundtlanddefinition aus und bezieht sich auf inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit. Weiters wird Nachhaltigkeit hier als Entwicklungs- und nicht als Zustandsgröße angesehen: Das erhöht die Messbarkeit des Konzeptes, da Veränderungen gemessen werden, aber nicht Zustände normativ beurteilt werden müssen. In weiterer
Folge liegt der Arbeit die Operationalisierung des Konzeptes in der Agenda 21 (United Nations 1992a) zu Grunde, die die Wichtigkeit von Nichtregierungsgruppen für
die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung betont (vgl. United Nations 1992a, S. 288f)
(vgl. 3.3.5). Schließlich basiert die Arbeit auf dem Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung, wonach nachhaltige Entwicklung ökonomisch effizient, sozial verantwortungsbewusst und ökologisch verträglich vonstatten gehen muss (vgl. Deutscher Bundestag 1998, S. 18). Dabei ist es nicht nötig, starke und schwache Nachhaltigkeit zu differenzieren, da sich Nachhaltigkeitsgruppen in der Regel nicht simultan mit Fragen befassen, bei denen etwa Umwelt- und soziale Anliegen in Konflikt
geraten.
Nachhaltigkeit im in dieser Arbeit verwendeten Sinne lässt sich an drei wesentlichen
Prinzipien festmachen: am Prinzip der Miteinbeziehung möglichst aller gesellschaftli52
chen
Gruppen
(Partizipation),
an
der
mehrmaligen
Nutzung
aller
(nicht-
erneuerbaren) Ressourcen (Kreislaufführung, Recycling) sowie am Prinzip der Verantwortung (vgl. Balderjahn 2004, S. 4ff). Insbesondere dem Prinzip der Verantwortung kommt besondere Bedeutung zu, und sie wird auch für verschiedene Gruppen
der Gesellschaft eigens definiert: etwa als unternehmerische Verantwortung gegenüber
der
Gesellschaft
–
Corporate
Social
Responsibility
(vgl.
Bas-
sen; Jastram; Meyer 2005, S. 231) oder eben auch als Verantwortung der Zivilgesellschaft für das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft.
Das sehen auch die im Rahmen der vorliegenden Arbeit befragten Interviewpartner/innen so: Verantwortung wird massiv in den Vordergrund der Aussagen gerückt,
da nach Meinung der meisten Befragten
„die Entscheidung, die wir heute treffen, die Entscheidungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen beeinflussen. Dazu ist für mich der Begriff der Verantwortung
wichtig. Der Begriff des Generationenvertrages steht in unmittelbarem Zusammenhang und steht auch im Zusammenhang mit Generationsgerechtigkeit“
(Amanda S. 6 22-24).2
in diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff der „Enkeltauglichkeit“. Einige der
Interviewpartner/innen umreißen ihr Betätigungsfeld genauer und meinen,
„dass ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeit darin besteht, dass ich darauf
schau, dass die Umwelt in Takt bleibt. Für mich gehört da auch der Bereich Soziales dazu. Dass ich darauf schau, wie geht es den Menschen und der Umwelt“ (Anna S. 6 19-22).
Nur ein Befragter legt sich fest, dass für ihn in erster Linie Umweltaspekte die Nachhaltigkeitsgruppe ausmachen.
In Bezug auf alle potenzielle Aspekte der Nachhaltigkeit spielen Bildungsprozesse
eine große Rolle: Erlernt werden müssen sowohl die Kompetenzen, mit der Umwelt
möglichst schonend umzugehen, als auch Verantwortung für sich selbst und die
Mitmenschen zu übernehmen als auch die Fähigkeit, in produktiver Weise an der
2
Amanda, S. 6, Zeile 22-24, im Folgenden werden alle Zitationen entsprechend durchgeführt.
53
Gemeinschaft teilzunehmen. Dies erfordert die Bereitschaft sich in Gruppen einzubringen. Daher wird in der Folge diesem Begriff nachgegangen.
3.2 Annäherungen an den Begriff „Gruppe“
Nähert man sich zunächst laienhaft über Wikipedia dem Begriff „Gruppe“, so stößt
man sofort auf viele Arten von Gruppen: Neben technischen Fachbegriffen wie funktionellen Gruppen von Elementen, Baugruppen aus technisch zusammengehörigen
Teilen oder mathematischen Gruppen von abstrakten Mengen finden sich auf soziale
Sachverhalte hinweisende Begriffe wie politische, militärische, Bevölkerungs-, Feuerwehr- oder Musikgruppen (Wikipedia 2010). Im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit sind solche Gruppenbegriffe allerdings nicht zielführend. In diesem Kapitel
werden diejenigen Begriffe im Zusammenhang mit Gruppen erläutert, die als grundlegend zu verstehen sind. Auf weitere Gruppenphänomene und Theorien, die im Zusammenhang mit Gruppen eine Rolle spielen, wird in den nachfolgenden Kapiteln
eingegangen.
Nach Canetti lassen sich Gruppen als geschlossene Masse definieren (vgl. Canetti
1990, S. 11). Während jedoch bei Canetti die geschlossene Masse auf Wachstum
verzichtet und ihr Hauptaugenmerk auf Bestand legt, geht die vorliegende Betrachtung davon aus, dass es ein Bestreben geben muss, die Gruppe im Sinne einer
nachhaltigen Entwicklung zu erweitern. Gruppen im Sinne der vorliegenden Arbeit
bestehen in jedem Fall aus mehreren Menschen bzw. Mitgliedern, insofern ist es
operational von „Sozialen Gruppen“ zu sprechen.
Die Definitionen des Begriffes „Gruppe“ sind vielfältig und lassen keine trennscharfe
Abgrenzung zu. Grob lassen sich verschiedene Arten von Gruppenkonzepten unterscheiden (vgl. Prisching 1992, S. 71).

Statistische Gruppen, Kategorien oder künstliche Aggregate, die ein gemeinsames Merkmal verbindet (Linkshänder, Menschen mit Blutgruppe Null oder Fussballfans).

Unorganisierte Aggregate sind Gruppen, deren Mitglieder zeitweilig gemeinsame
Interessen oder Erlebnisse (Zuhörerschaft, Menge, Öffentlichkeit) haben, aber
keine Struktur und eingeschränkte Kontakte aufweisen.
54

Gesellschaftliche Gruppen umfassen Subkulturen und größere Verwandtschaftsgruppen. Diese bilden durch besondere, vom allgemeinen Verhalten unterschiedene Beziehungsmuster eine eigene Gruppe.

Strukturierte soziale Einheiten oder Kollektive wie Gemeinschaften, Familien,
aber auch die ganze Gesellschaft sind organisiert, weisen eine feste Gliederung
auf, verfolgen ein gemeinsames Ziel und haben ein Wir-Bewusstsein.

Bewusst gestaltete soziale Einheiten, wie etwa Organisationen und Teilorganisationen, Arbeitsgruppen und Teams, Interessengruppen und Freundegruppen als
eigene Gruppe.
Für die vorliegende Arbeit von Interesse sind jedoch nur die beiden letzen Kategorien
sowie mit Einschränkungen die unorganisierten Aggregate. (Witte 2005) unterscheidet die beiden letzteren weiter in natürliche Gruppen (Ehe, Arbeitsgruppen), kurzfristig zusammengestellte Gruppen (Projektgruppen, Trainingsgruppen) sowie QuasiGruppen mit eingeschränkter Kommunikation und Interaktion (wie Wettbewerbe,
Talk-Runden etc.).
Einen Schritt weiter gehen die Sozialpsychologen Tajfel und Turner. Für sie ist eine
Gruppe
“a collection of individuals who perceive themselves to be members of the same
social category, share some emotional involvement in this common definition of
themselves, and achieve some degree of social consensus about the evaluation of
their group and of their membership in it” (Tajfel; Turner 1986, S. 15).
Eine Gruppe wird demnach von sich selber und von anderen als eine soziale Einheit
wahrgenommen. Hier wird das „Wir-Gefühl“ als konstituierendes Element einer
Gruppe angesehen; jedes Individuum kann gleichzeitig Mitglied in mehreren sozialen
Gruppen sein (vgl. Tajfel & J. C. Turner 1986, S.16).
Noch differenzierter beschreibt Schäfers eine soziale Gruppe. Neben dem
Zusammengehörigkeits- bzw. „Wir-Gefühl“ benötigt für ihn eine Gruppe
„eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern (Gruppenmitglieder), die zur Erreichung
eines gemeinsamen Ziels (Gruppenziel) über längere Zeit in einem relativ kontinu-
55
ierlichen
Kommunikations-
und
Interaktionsprozess
stehen“
(Schä-
fers 2002, S. 20).
Außer auf die Gruppenidentität geht Schäfers auch auf strukturelle und prozessuale
Konstrukte ein wie gemeinsame Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein
gruppenspezifisches Rollendifferential zur Erreichung des Gruppenziels.
„Zur Erreichung des Gruppenziels und zur Stabilisierung der Gruppenidentität ist
ein System gemeinsamer Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein
gruppenspezifisches Rollendifferenzial erforderlich“ (Schäfers 2002, S. 20).
In ähnlicher Weise sieht dies Weinert (vgl. Weinert 2004, S. 392). Ihm zufolge besteht eine Gruppe „aus einer begrenzten Anzahl von Mitgliedern, die

miteinander über eine gewisse Zeitspanne hin interagieren;

einander bewusst und gewahr sind;

sich als Gruppe verstehen und wahrnehmen;

in Verhalten und Arbeitsleistung wechselseitig voneinander abhängig sind;

ein gemeinsames Ziel oder einen gemeinsamen Zweck für ihre Existenz haben;

konkrete Rollen haben.“
Alle genannten Aspekte fassen Comelli und von Rosenstiel zu den konstituierenden
Merkmalen einer Gruppe zusammen (vgl. Comelli; von Rosenstiel 2011, S. 157): Einer Gruppe gehören zumindest zwei Personen an, die interagieren und ein gewisses
Wir-Gefühl entwickeln. Die Lebensdauer einer Gruppe kann begrenzt oder unbegrenzt sein. Innerhalb der Gruppe sind bestimmte Aufbau- und Ablaufstrukturen, insbesondere Spielregeln bzw. Gruppennormen, vorhanden. Entsprechend übernehmen die Akteur/innen bestimmte Rollen. Ausgehend von gemeinsamen Wertvorstellungen und gemeinsamen Interessen richtet die Gruppe ihr Handeln an gemeinsamen Zielen aus.
Allerdings liegt dieser Dissertation die Annahme zugrunde, dass Nachhaltigkeitsgruppen sich nicht wie Gruppen steuern lassen, die über einen längeren Zeitraum
hinweg bestehen, sondern eher als eine Abfolgen von mehreren keineren Projekten
zu sehen sind, in denen Leute allerdings wiederum nicht wie in einem Team zusammenarbeiten, sondern eher informell. Daher spielen einige der in der Gruppenliteratur
56
als wesentlich erachteten Themen nur eine geringe oder gar keine Rolle oder unterscheiden sich nicht von anderen Gruppen. Diese Themen werden nachfolgend kurz
und überblicksartig dargestellt, während das Hauptaugenmerk in der vorliegenden
Arbeit auf die Faktoren gelegt wird, die im Besonderen für Nachhaltigkeitsgruppen
gelten.
3.2.1 Arten von Gruppen
In der Literatur finden sich grundlegende Einteilungen von Gruppen, die zum Teil
miteinander kongruent sind, sich teilweise aber nicht decken. Die bekanntesten von
ihnen werden nachfolgend beschrieben.
Als Primärgruppen bezeichnet Cooley (1956) Gruppen
“characterised by intimate face to face association and cooperation. The primary
group are also a differentiated and competitive unit socialized by sympathy and
disciplined by a common spirit” (Cooley 1956, S. 23ff).
Typische Primärgruppen sind demnach die Familie, eine Spielgruppe von Kindern
oder Nachbarschaftsgruppen (so sie stabil sind). Primärgruppen weisen wenig Spezialisierung auf, sind sehr beständig, haben eine geringe Mitgliederzahl (3 bis 9).
Demgegenüber sind sekundäre Gruppen eher unpersönlich, eher instrumentell und
vor allem beträchtlich weniger intensiv.
Ähnlich, aber nicht gleich, gestaltet sich der Unterschied zwischen einer Eigen- und
einer Fremdgruppe (engl. In- and Out-group). Er besteht darin, dass Akteur/innen
den Eigengruppen gegenüber ein Zugehörigkeitsgefühl (Wir-Gefühl) entwickeln, das
in Vertrautheit, Sympathie und Zusammengehörigkeit besteht. Positive Eigenschaften der Eigengruppe werden in der Regel betont, negative Eigenschaften marginalisiert. Innerhalb der eigenen Gruppe nimmt man sich eher als Individuum und speziell
wahr, während Fremdgruppen (die Ausländer, die Kommunisten) eher als homogen
gesehen werden (vgl. Aronson, Wilson, & Akert 2008, S. 432). Dem Konzept der
Fremdgruppen ähnlich sind so genannte positive Bezugsgruppen, denen man (noch)
nicht angehört, aber gerne angehören will bzw. negative Bezugsgruppen, von denen
man sich besonders gerne distanzieren möchte (vgl. Comelli; von Rosenstiel 2011, S. 160).
57
Unabhängig von den bereits genannten Eigenschaften lassen sich informelle und
formale (auch formelle) Gruppen unterscheiden. Informelle Gruppen bilden sich in
der Regel spontan und verfügen nicht über formale Strukturen oder über fixierte Ziele. Typische informelle Gruppen der Postmoderne sind so genannte Flashmobs, die
sich nach Aufrufen etwa über Facebook spontan treffen. Demgegenüber sind formale
Gruppen organisiert (oft z. B. als Vereine). Sie haben festgelegte Ziele und Rollen,
die in der Satzung oder Geschäftsordnung festgelegt sind. Eine Mitgliedschaft in einer formalen Gruppe wird in der Regel exogen bestimmt und auch beendet (vgl.
Comelli; von Rosenstiel 2011, S. 170).
Formal oder informell bilden können sich Teams. Darunter versteht man eine spezielle Form der Gruppe bzw. einen Zusammenschluss von zwei oder mehreren Personen, die dynamisch, interdependent und adaptiv interagieren, um ein gemeinsames
und für die Gruppe wichtiges Ziel zu erreichen. Nach Kasper/Mayrhofer ist Team
zwar auch eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe ist ein Team. Synonyme wie Kollegium, Komitee oder Gremium ersetzen oft den Begriff „Team“. Gruppen können von
Teams anhand folgender Kriterien unterschieden werden:

Ein Team besteht in der Regel aus einer Kleingruppe, bei der alle Mitglieder unmittelbar kommunizieren. Teams arbeiten mittel- oder sogar langfristig als Arbeitsgruppe; als zielorientierte Gemeinschaft.

Die Teammitglieder interagieren kooperativ und übernehmen kollektive Verantwortung. Gegenüber einer Gruppe grenzt sich ein Team durch eine hierarchieübergreifende kleine funktionsgegliederte Arbeitsgruppe. Ein ausgeprägter Gemeinschaftsgeist und eine starke Gruppenkohäsion.
Eine Ursache für Teambildung findet sich nach Wiendieck in den Demokratisierungstendenzen und im gesellschaftlichen Wertewandel von Organisationen. Diese führten
zu einer Legitimationskrise hierarchisch-direktiver Strukturen und begünstigen den
Aufbau partizipativer Organisationsformen. So müssen Teams vor allem bei zunehmender Aufgabenkomplexität gebildet werden, weil Informationsverarbeitung, Steuern und Verantwortung nicht mehr problemlos von Einzelpersonen gehandhabt werden können. Eine möglichst unterschiedliche Qualifikation der einzelnen Teammitglieder ist dabei von Vorteil, um sich gegenseitig optimal zu ergänzen. In der Regel
werden den Teammitgliedern daher spezifische Rollen oder Funktionen im Hinblick
58
auf ihr Handeln zugeschrieben. Die qualitative Verantwortung für die optimale Zusammensetzung der benötigten Ressourcen in einem Team trägt nach Wiendieck
eine vorgesetzte Stelle. Um den Beitrag des/der Einzelnen erkennen zu können,
müssen die Wünsche und Ambitionen der einzelnen Mitglieder des Teams berücksichtigt werden. Somit bezieht sich Teambildung auf das Kollektiv der Mitglieder und
ist gleichzeitig auf lange Sicht ausgerichtet. Dann entwickelt das Team eine TeamIdentität, die sich von den individuellen Identitäten der Mitglieder unterscheidet.
Zudem arbeiten Teams aufgaben- und zielorientiert (vgl. Klein & Pötschke 2004, S.
7ff) und haben definierte Kommunikationswege innerhalb des Teams und nach außen hin (vgl. Mabey & Caird 1999, S. 7ff). Die Arbeit des Teams schlägt sich in sechs
Team-Dimensionen nieder (vgl. C. V. Haug 2009, S.13–15): der Erlebnisdimension
(Gemeinschaft Gleichsinnter), Aufgaben-Dimension (Anwendung von Spezialwissen
auf eine bestimmte Aufgabe), Image-Dimension („Dabeisein-Dürfen“), KrisenDimension (Entschlossenheit in Krisenzeiten), Prozess-Dimension (Kommunikation,
Schnittstelleninteraktion) und Ergebnis-Dimension (Erreichen eines gemeinsamen
Ziels, Erfüllen einer gemeinsamen Aufgabe).
Die Teambildung kann mindestens mittel- bis langfristig als ein Lebenszyklus gesehen werden, wobei die einzelnen Mitglieder die Verantwortung tragen. Die Teambildung ist nie abgeschlossen, sondern ein wiederkehrender Prozess, in dem eine klare
und einzigartige Teamidentität entwickelt wird. Kennzeichen von Teams ist in aller
Regel, dass die Mitgliedschaft im Team in aller Regel zeitlich beschränkt ist (vgl. Salas, Dickinson, & Tannenbaum 1992, S. 4). Diese zeitliche Begrenztheit zeigt sich
darin, dass Teams in ihrer Entwicklung Phasen durchlaufen. Eines der bekanntesten
Teamentwicklungsmodelle entwickelte Tuckman, der fünf Gruppenphasen unterscheidet (Tuckman 1965):

Im Forming finden die Teammitglieder langsam zueinander und lernen sich kennen.

Im Storming ergeben sich erste Konflikte und Rivalitäten, die für ein zielführendes Funktionieren der Gruppe überwunden werden müssen.

Im Norming entwickelt das Team eine Teamkultur inklusive Umgangsformen,
Normen und Kommunikationsweisen
59

Im Performing erweist sich das Team als am effektivsten und ideenreichsten, hier
werden die meisten Probleme gelöst

Im Transforming zieht das Team Bilanz und versucht Schlüsse für weitere
Teamarbeiten zu finden.
Neben der Mitgliedschaftsdauer ist auch die Größe von Teams beschränkt, die zur
Erreichung der Teamziele mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und den daraus entstehenden gegenseitigen Abhängigkeiten beitragen. Denn ab einer Anzahl von mehr als
sieben Teammitgliedern treten zu viele Trittbrettfahrer/innen auf. Dieser Aspekt wird
im nachfolgenden Kapitel diskutiert.
3.2.2 Gruppengröße
Für die Leistungsfähigkeit und positive Atmosphäre in der Gruppe spielt die Anzahl
der Akteur/innen eine große Rolle. Viele Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit
großen, mittelgroßen und kleinen Gruppen (vgl. M. Olson 2008).
In kleinen Gruppen mit Mitgliedern, die verschieden starkes Interesse an einem Kollektivgut (z. B. einem gemeinsam aufgeführten Theaterstück oder an der Verkehrsberuhigung entlang einer Durchzugsstraße) haben, ist es am wahrscheinlichsten,
dass ebendieses Kollektivgut zur Verfügung gestellt wird. Denn
„je größer das Interesse irgendeines einzelnen Mitgliedes am Kollektivgut, um so
größer die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Mitglied einen so bedeutenden Anteil
am Gesamtvorteil, den das Kollektivgut stiftet, erhalten wird, daß es vorteilhaft ist,
für die Bereitstellung des Gutes zu sorgen, sogar dann, wenn es die gesamten
Kosten selbst tragen muss“ (Olson 2008, S. 33).
Je größer die Gruppe, desto weniger ist sie imstande, die „optimale Menge eines
Kollektivgutes“ zur Verfügung zu stellen, da der Anreiz sinkt, sich selbst aktiv zu beteiligen, wenn man vom Engagement anderer profitieren kann (vgl. M. Olson 2008,
S.33).
Dies sieht auch Sader: „Mit steigender Gruppengröße sinkt naheliegenderweise die
mögliche aktive Beteiligungszeit des/r einzelnen. (…) Das bedeutet, dass bei größeren Gruppen die Teilnehmer/innen

eigene Ideen und Anregungen nicht angemessen einbringen können
60

die Gruppe im geringeren Maße als ihre eigene Gruppe erleben

weniger eigene Verantwortung für Geschehen und Unterlassungen der Gruppe
erleben

sich möglicherweise weniger anstrengen, weil das Resultat der Arbeit des/r einzelnen nicht so deutlich sichtbar ist.
Es ist plausibel und empirisch nachweisbar, dass die Anzahl der Schweiger/innen mit
der Anzahl der Gruppenmitglieder wächst, die organisatorischen Anteile an der Arbeitszeit ebenfalls mit der Gruppengröße wachsen, der erlebte Zusammenhalt der
Gruppe mit der Gruppengröße abnimmt“ (Sader 2008, S. 62).
Auch Simmel stellt fest:
„Jede Gesamtheit, die mehr ist als ein bloßes Nebeneinander gegebener Individuen, hat eine Unbestimmtheit ihrer Grenzen und Macht, die leicht dazu verlockt, allerhand Leistungen von ihr zu erwarten, die eigentlich dem einzelnen Mitgliede oblägen; man schiebt sie auf die Gesellschaft. (…) Der in den grade fraglichen Beziehungen durchsichtigen, aber eben deshalb auch klar begrenzten Macht des Individuums steht die immer etwas mystische Kraft der Gesamtheit gegenüber, von
der man deshalb leicht nicht nur das erwartet, was das Individuum nicht leisten
kann, sondern auch das, was es nicht leisten möchte“ (Simmel 1983, S. 66f).
Die Möglichkeit, Pflichten und Verantwortung auf das unpersönliche Gebilde einer
Großgruppe abzuwälzen, fehlt in Dyaden (2-er Gruppen) (vgl. Prisching 1992, S. 76).
Kleine Gruppen (z. B. 3-er Gruppen) sind konfliktanfälliger, zu große Gruppen (über
zehn Mitglieder) zerfallen häufig in Untergruppen. Sader geht daher von einer optimalen Gruppengröße von fünf Teilnehmer/innen aus, was wiederum zu der oben definiert optimalen Größe auch eines Teams passt (vgl. Sader 2008, S. 63). Verschiedene Autor/innen setzen die quantitative Grenze zwischen 10 und 30 Mitglieder.
Speziell kleine Gruppen wie die eben definierten sind durch spezifische Charakteristika geprägt. Sie befriedigen durch ihre Funktion Bedürfnisse oder haben gemeinsame Ziele, deren Erreichung oder Verfehlung für jedes Mitglied relevant ist. Die Ergebnisse des Gruppenhandelns sind interdependent. In vielen Fällen ist eine kleine
Gruppe handlungs- und vor allem überlebensfähiger als eine große (vgl. M. Olson
2008, S.3). Auch Teams sind somit als kleine Gruppen anzusehen, die eben nur auf
61
begrenzte Zeit und mit einem bestimmten Ziel angelegt sind. Gerade die Festlegung
auf Ziele lässt oft auch so etwas wie eine Gruppenidentität entstehen, wie sie im
Nachfolgenden beschrieben wird.
3.2.3 Gruppenidentität und „Wir-Gefühl“
Eine zentrale Idee des soziologischen Gruppenkonzepts ist es, dass Gruppen eine
eigene Identität haben. Ausgehend von den „minimal-group“-Experimenten in den
1970er Jahren (Billig; Tajfel 1973; Tajfel 1970; Tajfel et al. 1971) haben Tajfel und
Turner 1986 ihre Theorie der sozialen Identität entwickelt als Beschreibung psychologischer Prozesse, welche den Ursprung von Gruppenprozessen bilden (vgl. Tajfel
& J. C. Turner 1986). Nach Tajfel ist die soziale Identität Bestandteil des Selbstkonzeptes eines Individuums,
„der sich aus seinem Wissen um seine Mitgliedschaft in sozialen Gruppen und aus
dem Wert und der emotionalen Bedeutung ableitet, mit der diese Mitgliedschaft
besetzt ist“ (Tajfel 1982, S. 102).
Gruppenidentität entsteht nicht aus dem Gleichklang psychischer Systeme, sondern
ist in Anlehnung an Luhmann als kommunikatives Konstrukt zu verstehen (vgl. Fuhse
2001, S. 6).
In der Systemtheorie Luhmanns sind Identitäten Anknüpfungspunkte für soziale
Strukturen und damit Voraussetzung für Kommunikation und für Systembildung.
„Es werden Identitäten projektiert, an denen man Erwartungen festmachen kann,
und durch solche Zuweisung an identisch Bleibendes werden Erwartungen sachlich geordnet. So richtet man Zusammenhänge und Unterscheidungen ein. (…)
Die Identität ist mithin (…) ein punktualisierter, hochselektiver Ordnungsaspekt
von Welt“ (Luhmann 2008, S. 426).
Die Gesamtidentität beschreibt die Individualität des einzelnen über seine jeweiligen
Erfahrungen.
„Die Tatsache, dass sich jede Identität durch den oder im Hinblick auf den gesellschaftlichen Prozess bildet und sein individueller Ausdruck ist – oder vielmehr
Ausdruck der für sie typisch organisierten Verhaltensweisen, die sie in ihren jeweiligen Strukturen erfasst –, ist sehr leicht mit der Tatsache zu vereinbaren, dass je62
de einzelne Identität ihre eigene spezifische Individualität, ihre eigenen einzigartigen Merkmale hat, weil jede einzelne Identität innerhalb dieses Prozesses, während sie seine organisierten Verhaltensstrukturen spiegelt, ihre eigene und einzigartige Position innerhalb seiner formt und somit in seiner organisierten Struktur einen anderen Aspekt dieses ganzen gesellschaftlichen Verhaltensmusters spiegelt
als den, der sich in der organisierten Struktur irgendeiner anderen Identität innerhalb dieses Prozesses spiegelt“ (Mead 2008, S. 245).
Gruppenmitglieder, die sich stark mit ihrer Gruppe identifizieren, sind geneigt, mehr
mit den Gruppeninteressen konform zu gehen und sich stärker für die Gruppe zu engagieren (vgl. Polzer, Milton, & Swann 2002, S. 296–302).
Im Hinblick auf diese Identifikation mit der Gruppe unterscheiden Prentice et al. (vgl.
Prentice, Miller, & Lightdale 1994, S. 484f) „Common-Bonds-Groups“, die vor allem
auf persönlichen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern beruhen, und
„Common Identity-Groups“, bei denen eine generalisierte Gruppenidentität im Vordergrund steht, die die Gruppe stabilisiert, wenn es zu personellen Veränderungen
kommt (vgl. Prentice et al. 1994, S. 491). Die Gruppenidentität ist gekennzeichnet
durch eine Abgrenzung der Gruppe von ihrer Umwelt (oftmals im negativen Ausschlussprinzip) sowie die Entwicklung einer Gruppenkommunikation und der dieser
zugrunde liegenden Gruppenkultur (vgl. Fuhse 2001, S. 5).
Schließlich wird die soziale Identität der Gruppe durch Fragen determiniert, wie:

„Wer ist die Gruppe im Unterschied zu anderen Gruppen?

Wie erkennen sich die Gruppenmitglieder, wie zeichnen sie sich aus?

Wer sind ihre Akteur/innen?

Welches sind Subgruppen?

Welche Gruppenmitglieder oder Subgruppen verfügen über welche Ressourcen?“ (Liebert 2003, S. 62).
Zentral für die Herausbildung einer Gruppenidentität sind aber auch Fragen nach
einer (gemeinsamen) Vergangenheit, die die Gemeinsamkeiten herausarbeiten und
Unterschiede zu anderen Gruppen deutlich machen. Die Frage nach den Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart und Zukunft schließlich führt zu Überle63
gungen darüber, wo die Gruppe heute steht und welche Ziele und Entwicklungen für
die Zukunft wünschenswert bzw. zu vermeiden sind (vgl. Liebert 2003, S. 63).
Schließlich stellt Neidhardt die persönlichen Aspekte der einzelnen Gruppenmitglieder in den Vordergrund der Betrachtung. Er stellt ab auf Diffusheit, Unmittelbarkeit
und face-to-face-Konstellation der Beziehung (vgl. Neidhardt 1979, S. 642ff). Die
Gruppe muss in erster Linie die „individuellen Gefühle, Wahrnehmungen und Motivationen ihrer Mitglieder“ (Neidhardt 1979, S. 645) integrieren können, wozu wiederum
individuelle und kollektive Lernprozesse vonnöten sind. Im Einzelnen gehören zu
diesen Lernprozessen

die Individualisierung von sozialer Wahrnehmung durch den/die EinzelneN

das Erlernen von Scham- und Taktgefühl

das Abwägen von persönlichen und nicht-funktionalen Überlegungen und Handlungen, die der Entscheidung über Aufnahme und Positionsverteilung von neuen
Mitgliedern vorangehen

das Umgehen mit Gefühlen wie Vertrauen und Sympathie als Steuerungsmechanismen

das Erlernen von Ausgleichsmechanismen, um die Gruppenbalance zu erhalten

die soziale Differenzierung und Integration durch Führung

das Erlernen des Umgangs mit der Gruppenöffentlichkeit (vgl. Neidhardt 1979,
S. 653ff).
Neben diesen lernbedingten Faktoren beeinflussen aber auch ökonomische Faktoren
das Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören. Comelli und von Rosenstiel (vgl. 2011, S.
161ff) beschreiben das Zugehörigkeitsbedürfnis zu einer Gruppe mit der Differenz
zwischen Input und Output, den die Gruppenmitglieder erhalten: Das einzelne Mitglied hat subjektiv das Gefühl, in die Gruppe zu investieren bzw. Leistungen zu erbringen und erhält dafür einen ebenfalls subjektiven Nutzen (Output) wie etwa Erfolgserlebnisse, Anerkennung oder Wertschätzung. Solange der Output den Input
übersteigt bzw. das Input-Output-Verhältnis besser ist als das erwartete InputOutput-Verhältnis in einer anderen Gruppe, wird die Mitgliedschaft aufrecht erhalten.
64
3.2.4 Rollen in der Gruppe
Die eben beschriebene Gruppenidentität bestimmt den Umgang innerhalb einer
Gruppe und damit wiederum die Rollen der Gruppenmitglieder. Denn Rollen unterstützen die Mitglieder dabei, die soziale Ordnung zu definieren und zu bestätigen.
Die Rolle des Mitgliedes innerhalb einer Gruppe wird durch den Rang bestimmt.
Mead ist der Auffassung, dass man kooperatives soziales Handeln erst dann ausbilden kann, wenn man lernt, sich selbst in die Rolle einer anderen Person hinein zu
versetzen (vgl. Mead 2008, S. 254). So lernt bereits das Kind mit Hilfe seiner Spiele
und der Imitation bestimmter sozialer Rollen der Erwachsenen, also durch ein „rôle
taking“, das letztlich in seine Sozialisation mündet. Die Sozialisation in Gruppen erfolgt durch soziale Interaktionen (vgl. Mead 2008, S. 150).
Die aus sozialen Interaktionen folgenden Rollendefinitionen sind sehr unterschiedlich
(vgl. Hare 1994, S.434; Kirsten & Robertiello 1977, S.161; Parsons 1951, S.26; Sennett 1977, S.89; Zimmerman & Rappaport 1988, S.209) und beschränken sich auf
eine Kategorisierung von Rollenstereotypen bzw. Klischées (vgl. Paulhus & C. L.
Martin 1988; Sader 2008, S.81). So besetzen bei Schindler die Führer/innen die Alpha-Rolle, während Spezialist/innen die Beta-Rolle besetzen. Die Gruppe der Arbeiter/innen wird als Gamma-Rolle beschrieben (vgl. Schindler 1957, S. 308ff). Neben
dem/r ChefIn, dem/r MitläuferIn, dem/r AußenseiterIn, dem/r DenkerIn, dem/r Braven,
dem Clown, dem/r MeckererIn oder grauer Eminenz nimmt der Sündenbock eine
Sonderrolle (Omega-Rolle) ein. Nach Stahl ist er in jeder Gruppe vertreten und ist für
eine Gruppe unabdingbar, weil er, oft freiwillig, für die Gruppe die Opferrolle einnimmt (vgl. Stahl 2002, S. 325f). Eine teambezogene und oft verwendete Rollendefinition stammt schließlich von Belbin (vgl.Tab. 4)
Charakteristika
Stärke
Schwächen
Macher
bekämpft Ineffizienz &
Trägheit, übt Druck aus
dynamisch,
angespannt,
aufgeschlossen
ungeduldig,
unaufmerksam,
provokativ
Umsetzer
hat hohe Arbeitsleistung
und Selbstdisziplin,
realisiert Ideen
diszipliniert,
konservativ,
berechenbar
unflexibel,
wenig kreativ
Perfektionist
stellt Ergebniserreichung
sicher, vermeidet Fehler
gewissenhaft,
pünktlich
überängstlich, delegiert ungern
handlungsorientiert
Teamrolle
65
kommunikativ, extrovertiert,
begeistert
verliert schnell das
Interesse,
oft zu optimistisch
Koordinator,
Integrator
fördert Entscheidungsprozesse, selbstsicher
vertrauenswürdig,
diplomatisch
kann als manipulierend empfunden werden
Teamarbeiter,
Mitspieler
verbessert Kommunikation, mindert Spannungen
kooperativ,
diplomatisch
unentschlossen in
kritischen Situationen
Beobachter
nüchtern, diskret, gute
Urteilsfähigkeit
strategisch,
kritisch,
scharfsinnig
wenig motivierend,
mangelnde Inspiration
Neuerer, Erfinder
phantasievoll, kreativ,
bringt neue Ideen ein
individuell, unorthodoxes Denken
ignoriert praktische
Aspekte
Spezialist
bearbeitet Aufgabe intensiv, antriebsstark
leicht zerstreut,
fachkompetent
selbstbezogen,
verliert sich in
techn. Details
sachorientiert
knüpft Kontakte, Netzwerker, greift Ideen auf
kommunikationsorientiert
Wegbereiter,
Weichensteller
Tab. 4: Beschreibung von Teamrollen nach Belbin (überarbeitet nach Strobel 2003, S. 18f).
Diese und ähnliche Klassifikationen erscheinen auf den ersten Blick plausibel, sind
aber bei genauerem Hinsehen wissenschaftlich nicht haltbar. Daher verfolgen Polzer
et al. (vgl. Polzer et al. 2002, S. 296f) einen anderen Zugang. Sie sehen die Rollen
der Gruppe als Folge der Heterogenität aller individuellen Merkmale innerhalb einer
Gruppe (Geschlecht, Alter, etc.), die sie als Diversität bezeichnen und der sie einen
in erster Linie negativen Effekt auf die Gruppenleistung zuschreiben. Sie beschreiben
auch Effekte, die durch eine positive Korrelation von Selbst- und Fremdwahrnehmung hervorgerufen werden (vgl. Polzer et al. 2002, S. 300).
Noch weiter geht Goffman, der die Ansicht vertritt, „dass die Rolle, die ein Einzelner
spielt, auf die Rollen abgestimmt (ist), die andere spielen“ (Vorwort, Goffman 2008).
Allerdings steht nicht die Authentizität der Gruppenmitglieder im Vordergrund, sondern eine „oberflächliche Übereinstimmung, die den Anstrich von Einigkeit hat“
(Goffman 2008, S. 13). Von einem Gruppenmitglied wird erwartet, dass es lernt, seine unmittelbaren tieferen Gefühle zu unterdrücken, um sich an einen Aspekt einer
Situation so anzupassen, dass es hoffen kann, dass die anderen Gruppenmitglieder
dies zumindest vorübergehend akzeptieren können:
„Alle Gruppenmitglieder tragen gemeinsam zu einer umfassenden Bestimmung
der Situation bei, die weniger auf echter Übereinstimmung basiert, als darauf,
66
wessen Ansprüche in welchen Fragen vorläufig anerkannt werden sollen“
(Goffman 2008, S. 13).
Gleichzeitig verpflichtet die anfängliche Projektion den/die Einzelne/n „auf das, was
er/sie zu sein behauptet, und zwingt ihn, jeden Anspruch fallenzulassen, etwas anderes zu sein“ (Goffman 2008, S. 14). Goffmans Auffassung nach sind soziale Handlungen (vgl. 8.3) Darstellungen, wie Schauspieler/innen auf der Bühne eine Rolle
darstellt. Eine Darstellung ist „die Gesamttätigkeit eines bestimmten Teilnehmers an
einer bestimmten Situation, die dazu dient, die anderen Teilnehmer zu beeinflussen“
(Goffman 2008, S. 18); und eine Rolle ist „das vorherbestimmte Handlungsmuster,
das sich während einer Darstellung entfaltet und auch bei anderen Gelegenheiten
vorgeführt oder durchgespielt werden kann“ (Goffman 2008, S. 18). Solche menschliche Handlungen sind dramaturgisch strukturiert. So erfüllen dargestellte Rollen von
der Umgebung erwartete Verhaltensweisen. Die gespielte Rolle ist eine soziale Interaktion, die wie ein Ritual die Identitäten der Teilnehmer/innen darstellt und festlegt.
67
Aus dieser Annahme definiert Weinert nicht Rollentypen, sondern Rollenarten, vgl.
Tab. 5
Aufgabenorientierte Rollen
Beziehungsorientierte Rollen
Selbstorientierte Rollen
Klären von Aufgabenanfor- Unterstützen der sozialen Be- Verfolgen
derungen
persönlicher
ziehungen durch Erhalt einer Bedürfnisse
angenehmen Atmosphäre
Hilfe für andere Mitglieder
Fördern der Gruppensolidarität
Blockieren der Gruppen
Bereitstellen von Vorschlä- Lösen von Konflikten
Suchen von Aufmerksam-
gen und Ideen
keit
Koordinieren
Bewerten
der
Qualität
von Manipulieren der Gruppe
Gruppenarbeitsprozessen
Ausrichten der Gruppe auf Harmonisieren
Sich selbst isolieren
das Ziel
Testen der Gruppenleistung
Stimulieren
der
Gruppe,
wenn Interesse nachlässt
Tab. 5: Rollenaufgaben in Gruppen (vgl. Weinert 2004, S. 405)
Daraus kann man folgern, dass in Gruppen Rollen eingenommen werden, dass stereotype Rollenbilder jedoch zu hinterfragen sind und in Abhängigkeit von den jeweiligen Anforderungen eher kontext- bzw. kontentspezifische Rollenhaltungen eingenommen werden. Die Rollen in einer Nachhaltigkeitsgruppe hängen von der speziellen Konstellation der Gruppenmitglieder zueinander ab. Sie werden in den nachfolgenden Kapiteln weitergehend geklärt.
3.2.5 Kommunikation und Interaktion in der Gruppen
Kommunikation und Interaktion in einer Gruppe laufen anders ab als Kommunkation
zwischen weniger intensiv interagierenden Menschen. Als Modell für die gruppenorientierte Interaktion hat sich die auf soziales Lernen abstellende so genannte Themenzentrierte Interaktion von Ruth Cohn etabliert (vgl. Cohn 1991), das auf den drei
Axiomen beruht: der Autonomie des Menschen unter seiner gleichzeitigen Einbettung in das universelle Ganze, der Wertschätzung des und dem Respekt vor dem
68
Menschlichen sowie der freien Entscheidung des Menschen innerhalb bestimmter,
aber verschiebbarer Grenzen (vgl. Cohn 1991, S. 120f). Dies bedingt, dass für die
Interaktion innerhalb der Gruppe drei untereinander verbundene Einflussfaktoren
ausschlaggebend sind: Im Rahmen des „Ich“ ist die jeweils agierende Person zu sehen, die von biographischen Faktoren ebenso beeinflusst wird wie von ihrer mometanen Befindlichkeit. Zweiter Faktor ist das „Es“ - das Thema (Issue) oder das konkrete Interesse, das die Gruppe verfolgt und das im Rahmen der vorliegenden Dissertation zu einem zentralen Bestimmungselement der Gruppe wird (vgl. 5.6.2), (vgl.
auch Langmaack; Braune-Krickau 2000). Dritter wesentlicher Faktor ist das „Wir“,
das über das Beziehungsgefüge der Gruppe Aussage gibt und auch Faktoren wie die
Entwicklung einer gemeinsamen Sprache enthält. Zusammengehalten wird dieses
Dreieck vom Faktor „Globe“, der Einflussfaktoren auf die Interaktion und Kooperation
in der Gruppe aus den Feldern Organisation, soziale Aspekte, Politik, Wirtschaft und
auch Ökologie beschreibt (vgl. Reiser; Lotz 1995). Aus den Axiomen und dem Dreieck der Themenzentrierten Interaktion leitet Cohn praktische Empfehlungen für Interaktionsregeln in der Gruppe ab (vgl. Cohn 1991, S. 123ff), etwa, dass nur eine
Person zur selben Zeit sprechen darf. Diese Empfehlungen sind bereits sehr auf der
Handlungsebene und spielen sicher in der praktischen Arbeit jeder Gruppe eine große Rolle, werden aber im Nachfolgenden nicht weiter thematisiert. Insgesamt erscheinen die Prämissen, auf denen die Themenzentrierte Interaktion basiert (WirGefühl, gemeinsame Sprache, Loyalität) von abnehmender Relevanz in tatsächlichen Gruppen und Nachhaltigkeitsgruppen im Speziellen zu sein, wie in den nachfolgenden Kapiteln gezeigt wird.
3.3 Definition der „Nachhaltigkeitsgruppe“
Der Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ ist im täglichen Sprachgebrauch nicht gängig,
daher ist auch nicht offensichtlich, was darunter zu verstehen ist. Führt man eine Recherche über Google durch, so wird deutlich, dass der Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ in verschiedenen Variationen verwendet wird (vgl. 3.3.2). Geht man dem Begriffsinhalt weiter nach, so muss man zunächst die Sinnhaftigkeit des Begriffes
„Nachhaltigkeitsgruppe“ hinterfragen.
69
Die Einführung eines „Bindestrich-Begriffes“ wie „Nachhaltigkeits-Gruppe“ erfordert
zweierlei: erstens, dass genügend Merkmale den neuen Begriff „NachhaltigkeitsGruppe“ von den Oberbegriffen Nachhaltigkeit und vor allem Gruppe unterscheiden,
zweitens aber, dass es genügend Gemeinsamkeiten gibt, die die Schaffung einer
neuen Kategorie möglich machen. So ist es Aufgabe dieser Arbeit, den Beweis zu
führen, dass die Differenzierung von Nachhaltigkeitsgruppen und anderen Gruppen
Sinn macht. In der Literatur finden sich nicht sehr viele Hinweise auf Nachhaltigkeitsgruppen. Eine genaue Untersuchung verschiedener Typen von ökologieorientierten
Gruppen findet sich bei Kempton et al. (vgl. Kempton et al. 2001). Ihre Ergebnisse
helfen teilweise bei der externen Validierung der in der vorliegenden Arbeit getroffenen Aussagen.
Jedenfalls haben sich schon seit jeher Menschen in Gruppen für Anliegen engagiert,
die auf Nachhaltigkeit im Sinne von Dauerhaftigkeit bzw. längerer Zeitdauer, aber
auch auf die eine oder andere Säule der Nachhaltigkeit im oben definierten Sinne
gerichtet waren (vgl. 3.1.3). Um konkret mit dem Begriff arbeiten zu können, ist eine
genauere Auseinandersetzung mit der Terminologie erforderlich. Nachfolgend werden daher Vorläufer von Nachhaltigkeitsgruppen thematisiert und bisherige Verwendungen des Begriffes analysiert sowie als Beispiel für die historische Entwicklung
von Nachhaltigkeitsgruppen die Entwicklungen der deutschen und österreichischen
Grünbewegungen dargestellt. Auf dieser Basis wird dann der Begriff der Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt, wie der vorliegenden Arbeit zugrundeliegt.
3.3.1 Vorläufer von Nachhaltigkeitsgruppen
In allen Epochen der Geschichte finden sich Menschen, die sich zu einer Gruppe
zusammenfinden, aus deren Verhalten sich Nachhaltigkeit im Sinne von „auf Dauerhaftigkeit angelegt“ erkennen lässt. Eine Gruppe Neandertaler, die eine Jagdgruppe
bildet, könnte man als Nachhaltigkeitsgruppe definieren, genauso wie die Sumerer,
die als Gruppe um 3200 vor Christus in Mesopotamien eine eigene Sprache und
Schrift entwickelten. Die Alten Ägypter, die nur als gewaltige Gruppe imstande waren
Pyramiden zu bauen, oder die Gruppe der Urchristen im 1. Jhdt nach Christus lassen
sich letztlich ebenso auf den Gedanken der Dauerhaftigkeit zurückführen. Für die
vorliegende Arbeit ist eine Unterteilung in dieser Art zu wenig spezifisch.
70
Aus sozialer Sicht könnte man im weitesten Sinne die mittelalterlichen Zünfte als die
ersten Nachhaltigkeitsgruppen definieren. Die Vereinigung von Handwerkern zu
Zünften diente als soziales, ökonomisches und religiöses Netz. Die ökonomische
Nachhaltigkeit lässt sich durch die Regelung der Rohstofflieferungen, Produktpreise,
Absatzmengen und Beschäftigtenzahlen beschreiben. Durch die Vorschreibung der
Produktionsmethoden wurde einerseits Überproduktion vermieden, aber anderseits
gleichzeitig die Einführung neuerer, produktiverer und gelegentlich weniger gesundheitsgefährdender Produktionstechniken verhindert. Der soziale Aspekt einer nachhaltigen Entwicklung wurde durch die Regelung der Löhne bis hin zur Witwenversorgung abgedeckt (vgl. August Georg Markgraf von Baden 1769, S. 61ff). Der Aspekt
der ökologischen Nachhaltigkeit fand keine Beachtung.
In ähnlicher Weise wurden ausgehend von der Knappschaft, dem Zusammenschluss
der in einem Bergwerk oder Revier beschäftigten Bergleute, bereits um 1300 zur gegenseitigen Unterstützung Knappschaftskassen (in Österreich: Bruderladen) gebildet
(z. B. Kuttenberger Bergordnung von 1300) (vgl. Majer 1989, S. 51f). Die Bruderlade
kann somit als Vorläuferin der Sozialversicherung bezeichnet werden und damit auch
als Vorläuferin einer wichtigen Säule für den Zusammenhalt in unserer modernen
Gesellschaft. Sie bildete die Grundlage für Krankenbehandlung, Sterbegeld und Invaliditätsvorsorge sowie eine solidarische Gemeinschaftshilfe, die für die gefahrvolle
Tätigkeit der Bergmänner unerlässlich war. Auch im Hinblick auf die Bruderladen
standen daher soziale und ökonomische Aspekte im Vordergrund.
Aufbauend auf den Gebräuchen und Unterlagen der Steinmetzbruderschaft (vgl.
Binder 1988, S. 14), stand die „göttliche Kunst“ der Freimaurerei seit 1723 unter den
fünf Grundidealen der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität.
Diese lieferten die Grundlage für die Verbreitung der Ideen der Aufklärung und damit
einen Beitrag zur Bildung einer neuen Öffentlichkeit bzw. zu einer Art Vorläufer der
Zivilgesellschaft (vgl. im Hof 1993, S. 126f), wie sie auch heute noch die Basis für
Nachhaltigkeitsgruppen im hier verwendeten Sinne bildet.
Ein weiterer Impuls erfolgte 1863, als Henry Dunant auf Grund der Eindrücke der
Schlacht bei Solferino die Internationale Rotkreuzbewegung gründete (vgl. H. Haug
et al. 1995, S.27f). Sie hat eine ausschließlich humanitäre Aufgabe unter den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Neutralität, Menschlichkeit, Freiwilligkeit, Einheit, Unab71
hängigkeit für den Schutz des Lebens und die Würde der Opfer von Kriegen und innerstaatlichen Konflikten. Das Rote Kreuz unterstützt aber auch nationale Gesellschaften bei Hilfsmissionen nach nicht kriegsbedingten Notsituationen wie Naturkatastrophen
und
Epidemien
und
zählt
zu
seinen
regelmäßigen
Aufgaben
Blutspendewesen, Rettungsdienst, Altenpflege sowie Sozialarbeit. Bei all diesen Tätigkeiten handelt es sich wiederum um Aufgaben im Dienste der sozialen Nachhaltigkeit (vgl. ICRC 2010).
Eine neuere Bewegung dieser Art ist die Hospizbewegung. Unter Hospiz versteht
man nicht nur ein ganzheitliches Konzept, sondern eine ganze Bewegung, die sich
mit der Sterbe- und Trauerhilfe beschäftigt. Das Interesse der Hospizbewegung gilt
der Betreuung von Sterbenden und deren Angehörigen unter Einbeziehung eines
interdisziplinären Teams, welches sich auch auf freiwillige Helfer/innen stützt. Im
Vordergrund stehen die Schmerzfreiheit und ein menschenwürdiges Sterben und
nicht Heilung oder lebensverlängernde Maßnahmen (vgl. Student 1999, S. 44f).
Geht man davon aus, dass zur Erfüllung einer nachhaltigen Entwicklung alle drei Aspekte des Drei-Säulen-Modells erfasst werden sollen, relativiert der Mangel an ökologischer Nachhaltigkeit die Beschreibung aller bisherigen Gruppen als Nachhaltigkeitsgruppen. Allerdings wurden ökologische Probleme in Zeiten der Mangelwirtschaft nicht als relevant erkannt, da gemäß Maslow vor allem die Befriedigung der
Grundbedürfnisse im Vordergrund stand (vgl. 8.4.3). Die Vorherrschaft der sozialen
Säule der Nachhaltigkeit galt, von wenigen Einzelfällen abgesehen (etwa den Bestrebungen von von Carlowitz oder Hartig, vgl. 3.1.1), bis herauf in das 20. Jahrhundert. Beginnend in den 1960er Jahren werden Umwelt- oder eben Nachhaltigkeitsgruppen gegründet, die sich für die biologische Vielfalt, nachhaltige Nutzung der
Ressourcen, für Umweltschutz und gegen schädliches Konsumverhalten, Atomkraft,
Gentechnik, globale Erwärmung, Pestizide usw. einsetzten. Hierbei handelt es sich
also eigentlich nicht mehr um Vorläufer, sondern bereits um Nachhaltigkeitsgruppen
im engeren Sinne. Diesen ist insbesondere Kapitel 3.3.5.2 gewidmet.
3.3.2 Suche nach bisherigen Begriffsverwendungen
Recherchiert man über Google den Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“, so merkt man,
dass der Terminus immer wieder verwendet wird, etwa um meist nicht näher be72
schriebene Gruppen bei Ämtern, Regierungen und interessanterweise vor allem
Schulen zu bezeichnen, die sich mit „Nachhaltigkeit“ als Arbeitsthema auseinandersetzen. So wird etwa die Nachhaltigkeitsgruppe des weltweit tätigen Unternehmens
Procter & Gamble in der Dokumentation zum Leadershipforum 2006 des Rates der
Sachverständigen beschrieben als „aufgehängt beim CEO im Bereich External Relations, weltweit 10 Mitarbeiter, die im Bereich Nachhaltigkeit tätig sind, wobei jeder
verschiedene Aufgaben hat“ (Rat für nachhaltige Entwicklung 2006, S. 7). Nachhaltigkeitsgruppen werden auch erfasst als Gruppen, die sich für ein Projekt für die Erhaltung der sozialen Handlungsfähigkeit einsetzen (vgl. CIPRA 2010).
Eine Suche über Google Scholar nach wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit
dem Thema Nachhaltigkeitsgruppen ergibt genau acht Treffer, wobei hier der Begriff
„Nachhaltigkeitsgruppe“ meist für in Unternehmen eingesetzte Workgroups angewandt wird. Ein interessantes Ergebnis ist der Hinweis auf eine Vereinigung von Berliner Nachhaltigkeitsgruppen, die sich seit dem Jahr 2008 regelmäßig treffen. Diesen
wird im Rahmen der empirischen Recherche weiter nachgegangen. Die Suche nach
dem Wort „Sustainability Group“ bleibt auf den ersten zehn Ergebnisseiten erfolglos
insofern, als sich durchgehend nur Hinweise auf den Dow Jones Sustainability Group
Index, einen speziellen Unterindex des DOW Jones Index finden. Der Begriff scheint
also vor allem in der Praxis verwendet zu werden, um Gruppen zu beschreiben, die
sich mit Fragestellungen aus dem Themenkreis „Nachhaltige Entwicklung“ auseinandersetzen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff fehlt bislang
– aus wissenschaftlicher bzw. vor allem erziehungswissenschaftlicher Sicht ist das
Grund genug, eine wissenschaftliche Analyse des Begriffes in Angriff zu nehmen.
3.3.3 Historische Wurzeln „nachhaltigen Engagements“: Die Geschichte der
Grünbewegung
Die unterschiedlichen Zugänge innerhalb der grünen Bewegung, der Formierungsprozess und seine relevanten Akteur/innen sind Ausgangspunkt für die vorliegende
Arbeit. Es steht die Frage nach dem Gemeinsamen im Mittelpunkt und die Gründe
für den Zusammenschluss solch unterschiedlicher Gruppen. Zum besseren Verständnis der Entstehung von Nachhaltigkeitsgruppen ist neben der Betrachtung aus
politik- und sozialwissenschaftlicher Sicht (vgl. Klotzsch; Stöss 1986; Raschke 1993;
73
van Hüllen 1990), die in den folgenden Kapiteln unternommen wird, auch die Entstehung der Gruppe im historischem Kontext interessant.
3.3.3.1 Entstehung der Grünbewegung in Deutschland
Mit der nachfolgenden Darstellung der Entwicklung der Grünbewegung wird die Entstehung einer „Nachhaltigkeitsgruppe“ im Großen illustriert. Dabei werden zum Teil
bewusst die in den nachfolgenden Kapiteln entwickelten theoretischen Konzepte vorausgedacht, um die in der historischen Ableitung logisch erscheinenden Kontexte
besser erfassen zu können. Im Zentrum der Betrachtungen steht nicht die grüne Partei als solche, sondern der soziokulturelle und ideelle Entwicklungsprozess, das
Wachsen aus den verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen ab den späten
60er Jahren und das Kontrahieren nach diversen Querelen und Unstimmigkeiten. Es
gibt einige Parallelen zwischen der Entstehung der grünen Bewegung in Deutschland
und Österreich, und die deutsche Entwicklung setzte sich einige Jahre später, doch
aus der Sicht der Wahlen zunächst erfolgreicher, in Österreich fort. Daher ist es legitim die Betrachtungen der Situation des Umbruches und Wandels in Deutschland
(vgl. Archiv für Sozialgeschichte 2004; Doering-Manteuffel 1999; Jarausch 2008;
Wirsching 2006) zu beginnen und mit der Situation in Österreich zu beenden. Die
Grünen vertreten in ihrem Grundsatzprogramm die Idee, „basisdemokratisch, gewaltfrei, ökologisch, solidarisch, feministisch, selbstbestimmt“ zu sein, sehen also viele
Aspekte, die heute unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ diskutiert werden, als ihr
Aufgabengebiet bzw. als Grundwerte an (vgl. Die GRÜNEN 2001, S. 6ff).
Die
Geschichte
der
Grünbewegung
beginnt
mit
verschiedensten
Bür-
ger/inneninitiativen und Persönlichkeiten, die diese gründeten, wieder verließen, sich
gegen sie wendeten, eine andere Gruppe bildeten oder die politische Bühne wieder
verließen. Auf einzelne Anliegen gerichtete „Issue-Gruppen“ (etwa die Aktivist/innen
gegen das Atomkraftwerk in Zwentendorf) gehören dazu ebenso wie Menschen, die
die Geschichte der Grünen über mehrere Jahre/Jahrzehnte begleiteten. Allgemein
rekrutierten sich die Grünen aus den verschiedensten Lagern. Hervorgehend aus
außerparlamentarischen Bewegungen mit Schwerpunkten in Umwelt-, Friedens-,
Menschenrechts- und Frauenpolitik, die sich von den etablierten Parteien nicht vertreten fühlten, kann die Bewegung als Ausprägung neuer Mittel und sichtbarer Beweis politischer Partizipation gesehen werden, die auch auf dem Wertwandel inner74
halb der Gesellschaft gründet. Die Geschichte der Grünen ist die Geschichte außerparlamentarischer Bewegungen mit verschiedensten Themen. Aus den Hauptakteur/innen verschiedener Initiativen bildete sich ein Gruppenkern, um den sich in
Deutschland das Bündnis 90/die Grünen und in Österreich „Die Grünen“ entwickelten.
Manche, die sich zunächst nur für eine Initiative engagierten, wuchsen in den Kern
der Grünbewegung hinein, andere wandten sich nach längerem Engagement ab.
Anpassungsschleifen (vgl. 5.2.1) kennzeichnen die Entwicklung der Grünbewegung:
Über lange Zeit werden gemeinsam Potential, Ressourcen und Beziehungen aufgebaut, einzelne Ereignisse bringen den Zyklus zum Kollabieren, einzelne Menschen
scheiden aus der Bewegung aus, andere treten auf und bauen aus den „Trümmern“
neue, im Regelfall gestärkte Gruppierungen auf (vgl. 5.2.3). Heterogene Einstellungen und ein breites Spektrum an Themen kennzeichnen die Grünbewegung.
Seit jeher wurde diese Pluralität nicht nur von außen, sondern auch innerhalb wahrgenommen. Die ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen Jutta Ditfurth beschreibt
die Zusammensetzung der 1004 Delegierten, die sich am 12. und 13. Jänner 1980 in
der Karlruhe Stadthalle zu ihrem Gründungsparteitag zusammenfinden:
"Bäuerliche Bauplatzbesetzer vom Kaiserstuhl begegneten radikalen Feministinnen aus Köln. Militante Brokdorfdemonstranten aus Hamburg und Hessen diskutierten mit christlichen Pazifisten aus Bayern oder mit Vogelschützern aus Niedersachsen. Punks mit Schlipsträgern. Kommunisten mit Anthroposophen" (Ditfurth 2000, S. 325).
Wahrscheinlich auch beeindruckt durch den untypischen Stil und den damals unüblichen Ablauf bundesdeutscher Grün-Parteitage beurteilen die Medien den Gründungskongress wenig schmeichelhaft (vgl. Leicht R./ Süddeutsche Zeitung vom 15.
Jänner 1980). Nicht zuletzt die ideologische und habituelle Vielfalt der Kongressteilnehmer/innen hinterließ den Eindruck eines "zweitägigen Satzungs-Tohuwabohu"
(SPIEGEL 1980, S. 26) und deshalb sagte der Spiegel der neu gegründeten Partei
wenig Dauerhaftigkeit voraus, weil sie "gar zu bunt (sei), (…) als dass sie auf längere
Sicht Bestand haben dürfte" (SPIEGEL 1980, S. 26). Im Sinne eines länger dauernden Bestandes schien die Grünbewegung zum damaligen Zeitpunkt wenig nachhaltig
75
zu sein (zumal der Begriff der Nachhaltigkeit zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in
der heutigen Begrifflichkeit verwendet wurde).
Tatsächlich waren die verschiedenen Entwicklungen von der Bürger/innen- und Basisinitiativen bis zum Gründungskongress der Grünen in Karlsruhe nicht geradlinig
und keinesfalls voraussehbar verlaufen (vgl. Nishida 2005, S. 44ff, vgl. dazu auch S.
377). In den 1960er Jahren entstand in den USA, Frankreich und Deutschland eine
soziale Bewegung (vgl. Kempton et al. 2001, S. 557), die 1968 in der größten Protestmobilmachung in der Nachkriegsgeschichte gipfelte. Neue politische Akteur/innen
betraten die politische Bühne, das Repräsentationsmonopol des bestehenden Parteiensystems wurde von außerparlamentarischen Gruppen und Bewegungen in Frage gestellt, wobei die Bewegungen zwar je eine eigene Selbstwahrnehmung und
Selbstkonstitution aufweisen,
„ihre Wertbezüge, Aktionsformen, Mobilisierungsstrategien und Erfolge zeigen
aber Gemeinsamkeiten, die jenseits nationaler Besonderheiten allgemeine Eigenschaften der Bewegung deutlich werden lassen“ (Gilcher-Holtey 2008, S. 15).
Mit anderen Worten begann sich zu dieser Zeit eine grundlegende gemeinsame Idee
(vgl. 5.6.1) herauszubilden, die die Basis für die gemeinsame Weiterentwicklung der
Grünbewegung bildete. 1968 als Studentenbewegung beginnend (vgl. Frei 2008)
festigte sich die Alternativbewegung in den bundesdeutschen Groß- und Universitätsstädten (vgl. Huber 1980). In den 1970er Jahren wurden überall Bürger/inneninitiativen gegründet, in welchen sich bis dahin meist unpolitische Aktivist/innen der Aufdeckung konkreter Missstände und der Verfolgung regionaler und
lokaler Interessen zum Erhalt der persönlichen Lebensqualität verschrieben (vgl.
Mayer-Tasch 1985, S. 233).
Die Bevölkerung wurde durch ein breites Netzwerk an Medien über die „alternative
Wahrheit“ informiert und so eine Gegenöffentlichkeit als Ausgleich zur herrschenden
Allgemeinmeinung geschaffen; so zum Beispiel die TAZ, die Tageszeitung, als bundesweites Organ der Linken (vgl. Flieger 1998; Magenau 2007). Die ökologisch orientierten Bürger/inneninitiativen fanden sich im Bundesverband Bürgerinitiativen
Umweltschutz (BBU) zusammen, der wiederum mit dem 1975 gegründeten Bund für
Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) zusammenarbeitete. Durch die Vernetzungen und Verschmelzungen konnten die unterschiedlichen Gruppen und Orga76
nisationen nicht mehr voneinander unterschieden werden. Bestanden zuvor parallel
nebeneinander Netzwerke aus ursprünglichen Bürger/inneninitiativen, einzelnen Aktivist/innen, die in spezifischen Gruppen der „Neuen Sozialen Bewegung“ verankert
waren oder aber auch auf eigene Faust agierten, ideologischen Produkten der 68erBewegung wie der Hamburger Kommunistische Bund (KB) (vgl. Koenen 2002;
Kühn 2005) oder aus der Alternativbewegung hervorgegangenen „Spontis“ wie Joseph Fischer und Daniel Cohn-Bendit (vgl. Kraushaar 2004), so begannen alle diese
Gruppierungen sich aufeinanderzu zu entwickeln bzw. ihre Gemeinsamkeiten auszuloten. Es wird deutlich, dass sich hier eine Art von „Gruppenkern“, eine gemeinsame
Idee formierte, um den sich die übrigen Gruppierungen, trotz verschiedener Interessen und Themen (Issues) zu bewegen begannen (vgl. 5.6.2). Der Transformationsprozess der Grünen weicht daher von der Entwicklung etablierter Parteien stark ab.
Im Bereich des Gruppenkerns etablierten sich Aktivisten wie Rudi Dutschke, der in
der zweiten Hälfte der 70er Jahre Interesse für die ökologischen Belange entwickelte
und Mitglied der Bremer Grünen wurde; oder der Künstler Joseph Beuys. Er hatte
wesentlichen Einfluss auf die Begründung der Grünen Idee in Deutschland und könnte sogar als deren Gründervater bezeichnet werden. Joseph Beuys gründete 1967
die Deutsche Studenten Partei (DSP). In der vom zweiten Vorsitzenden Johannes
Stüttgen 1967 verfassten Charta werden wesentliche Grundsätze der späteren
Grünbewegung vorweg genommen. 1976 wendet sich Beuys endgültig der Politik zu
und kandidiert als Spitzenkandidat der „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“, einer nationalkonservativern Partei mit stark rechtem Gedankengut, die sich
der herrschenden ökologischen Strömung anschloss. Sie verstand sich als „Deutschlands erste Umweltschutzpartei“ (Ermen 2007, S. 120). Als endgültiger Durchbruch
der Grün-Bewegung in Deutschland kann die Bewegung um den Bau des Atomkraftwerkes Brokdorf angesehen werden. Im November 1976 fanden gegen den Bau
des AKW Demonstrationen statt, die zu einem Baustopp führten. 1979 stieß Petra
Kelly neu zum Gruppenkern. Sie trat aus der SPD aus und bemängelt in einem offenen Brief an Kanzler Helmut Schmidt die „unehrliche und gefährliche Atompolitik“ der
SPD. Gemeinsam mit anderen Grünen Listen gründeten die „Aktionsgemeinschaft
Unabhängiger Deutscher“ (AUD) (vgl. Stöss 1980) um August Haußleiter und Joseph
Beuys und der „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz“ um Petra Kelly im
März 1979 für die bevorstehende Europawahl die politische Vereinigung „Sonstige
77
Politische Vereinigungen DIE GRÜNEN“ (SVP). 1983 zogen die Grünen mit 27 Abgeordneten in den Deutschen Bundestag ein (vgl. Der Bundeswahlleiter 1983). 1985
wurde Joschka Fischer in Hessen Umweltminister einer rot-grünen Koalition. 1990
fusionierten die Grünen mit der 1989 gegründeten „Grüne Partei der DDR“, 1993
vereinigten sich Bündnis 90 und Die Grünen zu „Bündnis 90/Die Grünen“ und errangen bei der Bundestagswahl 1994 mit 7,3 Prozent 49 Mandate im Bundestag.1998
und 2002 kam es zu einer rot-grünen Regierungskoalition auf Bundesebene mit Jürgen Trittin als Bundesumweltminister und Joschka Fischer als Bundesaußenminister.
Bei der Bundestagswahl 2005 verloren die Grünen Stimmen und die Regierungsbeteiligung (vgl. Der Bundeswahlleiter 2005). Seit der Bundestagswahl 2013 sind die
Grünen mit 63 Abgeordneten im Deutschen Bundestag neben der Linksfraktion
kleinste Oppositionspartei.
3.3.3.2 Die Geschichte der „Grünen“ in Österreich
Die Geschichte der österreichischen Grünen ist die Geschichte einer Handvoll Akteur/innen, die aus verschiedenen Lagern und Denkrichtungen kommen. Der Gründung
der
österreichischen
Grünen
1986
gingen
verschiedene
Bür-
ger/inneninitiativen voraus: Gegen die Rodung des Sternwarteparkes, gegen das
AKW Zwentendorf 1978 und gegen die Errichtung des KW Hainburg 1984. Beide
Initiativen kamen nicht aus dem linksalternativen Lager, sondern wurden auch von
Bürgerlichen, Katholik/innen, ÖVP-Wähler/innen und sogar von Freiheitlichen unterstützt. Aber auch in anderen Bundesländern etablierten sich grüne Bürger/innenbewegungen, die in der Folge zu grünorientierten Listen führten (vgl.
Pruckner 2005, S. 23). Ganz reibungslos ging die Entwicklung der GRÜN-Bewegung
nicht vonstatten. So spaltete sich in der Folge die „Alternative Liste Österreichs“ ALÖ
in die gemäßigtere „Bürgerinitiative Parlament“ und in die radikalere „GrünAlternative Sammlung“ GRAS. Bei der Bundespräsidentenwahl 1986 konnte Freda
Meisner-Blau mit 5,5% einen Achtungserfolg erzielen und im gleichen Jahr mit der
von ihr gegründeten „Grüne Alternative – Liste Freda Meisner-Blau“ mit 4,82% bzw.
acht Abgeordneten in den Nationalrat einziehen. Dennoch kam es immer wieder zu
innerparteilichen Reibereien.
1987 fand in Klagenfurt der Gründungsparteitag der „Grünen Alternativen“ statt (vgl.
Pruckner 2005, S. 40). Ausgehend von einer Protestpartei hat sich die Partei in der
78
österreichischen Politiklandschaft etabliert. 1994 erreichten die Grünen bei den Landtagswahlen in Tirol 10,68% und stellten mit Eva Lichtenberger die erste grüne Landesrätin in Österreich (vgl. Land Tirol 1994). Sie wurde mit den Umweltagenden betraut. 2003 zog Rudi Anschober als Landesrat in die oberösterreichische Landesregierung ein (vgl. Anschober 2004). Die GRÜNEN erreichten 2006 bei den österreichischen Nationalratswahlen bei den städtischen Wähler/innen einen Stimmenanteil
von 16%, 19% bei Jungwähler/innen und 12% bei Wählerinnen gegenüber 8% bei
den Männern (vgl. Der Standard vom 2. 10. 2006, S. 8). Bei den Nationalratswahlen
2013 konnten die GRÜNEN 12,4% bzw. 24 Mandate erringen (vgl. BMI 2013).
Die Wählerschaft der Grünen lässt sich relativ scharf eingrenzen. Aktivist/innen rekrutierten sich ursprünglich aus den meist linken etablierten Parteien. Und auch heute haben Mitglieder und Wähler/innen der deutschen (und wohl auch der österreichischen) Grünen eine relativ homogene Wertebasis gemein – sie teilen eine gemeinsame Idee: 25% aller Wahlberechtigten mit „postmateriellem“ Hintergrund nach dem
Inglehart-Index (Vgl. 9.1.1) fühlen ihre persönlichen Interessen am ehesten durch die
Grünen vertreten (vgl. Bürklin & Klein 1998). „Sowohl Postmaterialismus als auch
hohe formale Bildung stehen (…) in einem deutlichen Zusammenhang zur Wahl der
Grünen“ (vgl. Klein & Arzheimer 1997, S. 670). Die Grünen sprechen vor allem ein
jüngeres, weibliches und urbanes Publikum an. Insgesamt bilden die Grünen damit
eine große Nachhaltigkeitsgruppierung mit vielen kleinen Untergruppen auf lokaler
und regionaler Ebne, die als die Ur-Gruppen im Nachhaltigkeitsbereich gelten können. Einer genaueren Fassung des Begriffes geht das folgende Kapitel nach.
3.3.4 Definition des Begriffes „Nachhaltigkeitsgruppen“
Nachhaltigkeitsgruppen lassen sich ebensowenig wie umweltorientierte Gruppierungen anhand genau definierbarer Charakteristika fassen –
„(t)he environmental sector includes groups with moderate goals working on specific resource management issues and radical groups advocating fundamental
changes in production and consumption patterns. Groups that have been in existence for over one hundred years find themselves in competition with neighborhood
activists with little or no prior involvement in politics or social movements. Not sur-
79
prisingly,
organizational
structure
is
similarly
diverse“
(An-
drews; Edwards 2005, S. 215).
Es muss davon ausgegangen werden, dass jede Gruppe, die sich selbst als Nachhaltigkeitsgruppe sieht bzw. von außen als solche wahrgenommen wird (vgl. Tajfel
1982, S. 102) auch als Nachhaltigkeitsgruppe zu bezeichnen ist. Dass sich die Gruppe selbst als Nachhaltigkeitsgruppe begreift, ist jedenfalls eine notwendige Bedingung, sie ist jedoch nicht hinreichend im Sinne der vorliegenden Arbeit (vgl. Kempton
et al. 2001, S. 561).
Es bedarf also weiterer Einschränkungen: Im Prinzip beschäftigt sich jede beliebige
Gruppe in irgendeiner Weise mit nachhaltiger Entwicklung im weitesten Sinne – und
sei es nur durch Förderung der Anzahl und der Dauer der Gruppenzugehörigkeit der
eigenen Mitglieder. Man könnte daher jede Gruppe, die auf Dauer angelegt ist, als
„nachhaltige“ Gruppe bezeichnen. Auch diese Auffassung ist aus der Sicht der vorliegenden Arbeit zu weit. Denn diese Definition konzentriert sich auf die Eigenschaften und Merkmale der Gruppe und nicht auf deren Ideen, Interessen und Inhalte (vgl.
5.5).
Genau darauf fokussiert der hier verfolgte Ansatz: Eine Nachhaltigkeitsgruppe verfolgt per definitionem ein Ziel, ein Interesse oder widmet sich Inhalten, die mit der
Idee nachhaltiger Entwicklung in Einklang stehen. Damit wären neben ausschließlich
auf ökologische Anliegen ausgerichteten Gruppen auch Organisationen wie das Rote
Kreuz oder die Hospizbewegung als Nachhaltigkeitsgruppen zu bezeichnen, die rein
auf soziale Anliegen gerichtet sind.
Hier erfolgt die letzte und wesentliche Einschränkung, die für die vorliegende Arbeit
vorgenommen wird: Aus der Sicht von Nachhaltigkeitsgruppen ist die ökologische
Nachhaltigkeit ein zentrales Thema (vgl. Kempton et al. 2001, S. 561). Sehr viele
dieser Gruppierungen sind aus den Umweltaktivist/innen der 70er und 80er Jahre
des letzten Jahrhunderts hervorgegangen. Daher sind ihnen Umweltschutz und Verbesserung der ökologischen Situation nach wie vor ein Anliegen. Hieraus entstehen
die wesentlichen Themen bzw. die Kerninteressen von Nachhaltigkeitsgruppen. Der
Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ wird allerdings nicht für Gruppen verwendet, die sich
nur einer oder maximal zwei Säulen der Nachhaltigkeit widmen, sondern auf jene
Gruppen beschränkt, die sich explizit und intensiv mit der Verfolgung der Anliegen
80
von nachhaltiger Entwicklung in Übereinstimmung mit dem Drei-Säulen-Modell bzw.
der Brundtland-Definition auseinandersetzen, vgl. dazu die in 3.1.6 referierten Aussagen der Interviewpartner/innen der in der vorliegenden Arbeit durchgeführten empirischen Studie: Auch sie sehen in der Regel soziale und ökologischen Belange als
wichtig an; die ökonomischen Aspekte werden hier meist außen vorgelassen.
Doch nicht nur die verfolgten Inhalte bestimmen das Wesen von Nachhaltigkeitsgruppen, auch die Art und Weise, in der gearbeitet wird. Die Arbeitsweisen von
Nachhaltigkeitsgruppen lassen sich dabei mit Desai und Saud (vgl. Desai & Said
2001, S. 74) unterteilen in „Informieren/Bilden“, „eine Lobby bilden“, „Mobilisieren“,
„Unterstützen“ oder „Unruhe stiften/Zelebrieren“. Daraus ergeben sich die Positionen
AntagonistIn, UnterstützerIn, ReformerIn oder AlternativeR. Eine ähnliche Unterscheidung trifft Kuhn, der je nach Instrumentarium, mithilfe dessen die Nachhaltigkeitsgruppen versuchen, ihre Anliegen umzusetzen, unterscheidet in Themenanwälte, Dienstleister und epistemische Gruppen (vgl. Kuhn 2005, S. 86).
Neben den Inhalten und der Arbeitsweise bestimmen formale Charakteristika das
Erscheinungsbild von Nachhaltigkeitsgruppen. Nachhaltigkeitsgruppen weisen meist
formalen Charakter auf, da meist konkrete Ziele verfolgt werden, oft eine Formalisierung etwa in Form eines Vereins oder einer politischen Partei vorliegt und gewisse
Regeln der Zusammenarbeit definiert sind. Aus der Sicht der Gruppentheorie sind
Nachhaltigkeitsgruppen damit in der Regel sekundäre, auf Dauer angelegte und eher
kleine Gruppen. Daher weisen sie nicht die Charakteristika von Teams auf, da sie auf
Dauer angelegt sind und nicht nach Beendigung einer Aufgabe wieder aufgelöst
werden. Die beiden letzten Charakteristika gelten nur teilweise für rein auf einen Anlass bezogene Gruppen („Issue-Gruppen“, vgl. 5.6.2): Diese können sich durchaus
spontan bilden, um ein bestimmtes Thema zu bearbeiten und sich danach wieder
aufzulösen. Sie können daher durchaus Teamcharakteristika aufweisen. Diese
Teams arbeiten in der Regel auch sehr wenig formalisiert. Allerdings sind
Issuegroups meist nicht auf dauerhaften Bestand ausgerichtet und weisen daher eines der oben beschriebenen notwendigen Charakteristika einer Nachhaltigkeitsgruppe nicht auf. Sie werden daher in der vorliegenden Arbeit nur insoweit mitbehandelt,
als sie als Untergruppen von Nachhaltigkeitsgruppen gesehen werden. (vgl.
Gane 2001, S. 268ff)
81
3.3.5 Mögliche reale Typen von Nachhaltigkeitsgruppen
Wie eben dargestellt, kann man Gruppen als Nachhaltigkeitsgruppen definieren,
wenn sie sich mit einem sozialen, ökologischen und ökonomischen Anliegen auseinandersetzen. Geschieht dies nur auf Zeit, und fühlen sie sich einer übergeordneten
Gruppe zugehörig, werden sie im Weiteren Issue-Gruppen genannt (vgl. 3.3.4.). Anderseits gibt es Non Governmental Organizations (NGOs), die über eine reine Gruppe zu einer Form der permanenten Organisation angewachsen sind. Zwischen diesen beiden Extremen liegen dann Nachhaltigkeitsgruppen im weitesten Sinne, die
sich aus (gemeinde)politischen Gruppierungen, Bürgerinitiativen, die sich im Zeitablauf verselbständigen, Agenda 21-Gruppen und ähnlichen rekrutieren.
Mehrere Jahrzehnte lang wurden Nachhaltigkeitsgruppen unter dem Begriff „Neue
soziale Bewegung“ subsumiert (vgl. Dalton; Kuecheler 1990; Roth; Rucht 2008). Darunter versteht man
„ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes
Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mittels öffentliche Proteste herbeiführen, verhindern oder
rückgängig machen“ (Neidhardt; Rucht 1991, S. 450).
Darunter fasste man unterschiedliche Initiativen wie die Umwelt-, die Anti-AKW-, die
Frauen- und die Dritte-Welt-Bewegung mit Hausbesetzer/innen oder Friedensaktivist/innen zusammen (vgl. Raschke 1991). Mit der Nachhaltigkeitstagung 1992 in Rio
änderte sich die Einstellung gegenüber diesen an Nachhaltigkeitsanliegen orientierten Gruppen. Sie wurden nicht mehr als störend oder illegitim empfunden, sondern
ihre ganz spezielle Leistung wurde fortan besser gewürdigt. Im Nachfolgenden werden zwei wesentliche Unterformen von Nachhaltigkeitsgruppen kurz dargestellt.
3.3.5.1 Lokale Agenda 21 Gruppen
Eine Form der Nachhaltigkeitsgruppe auf Gemeinde- oder zumindest regionaler
Ebene sind die so genannten Lokale Agenda 21 Gruppen. Die Agenda 21 ist eines
der Abschlussdokumente der UN Nachhaltigkeitstagung 1992 in Rio de Janeiro (vgl.
3.1.2). Zur deren operativer Umsetzung wurden in vielen Regionen bewusst Initiativen in Gang gesetzt, die auf unmittelbare Demokratie setzen und versuchen, die
Meinung der aktiven Bevölkerung als Informationsquelle heranzuziehen. An dieser
82
Stelle interessieren vor allem Struktur- und Prozessmerkmale von Lokale Agenda 21
Gruppen. Empirische Befunde hierzu sind allerdings rar. Soziale, persönliche und
demokratische Kompetenzsteigerung wurden kaum wissenschaftlich-repräsentativ
überprüft (vgl. Gansen, Anton, & Hoffmann 2001, S. 19–23)
Der Erfolg von Lokale Agenda 21 Gruppen hängt vor allem ab vom Willen bzw. der
Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger/innen, bürgerschaftliches Engagement zuzulassen. LA21-Gruppen werden oft politisch marginalisiert und vom kulturellen, politischen und institutionellen Umfeld beeinflusst (vgl. Coenen, Huitema, &
O’Toole 1998, S. 317). Essentielles Kennzeichen von Lokale Agenda 21 Gruppen ist
die geringe Bereitschaft der Bevölkerung sich einzubringen. Es scheint so zu sein,
dass die Menschen nicht bereit sind, sich für andere zu engagieren, denn maximal
1% der Bevölkerung ist willens, sich auf diese Gruppen einzulassen, meist viel weniger (vgl. Wolf 2005, S. 223).
Dazu kommt, dass die Auswahl der Teilnehmer/innen selbstselektiv ist, es kommen
also nur diejenigen, die wirklich selber wollen, nicht unbedingt die, die am besten
geeignet und/oder kompetentesten sind. In aller Regel finden sich neben den „üblichen Verdächtigen“, also Initiator/innen von Bürgerinitiativen oder ähnlichem, nur
Menschen, die ein eigenes, persönliches Anliegen verfolgen wollen, sich für konkrete
„Issues“ einsetzen, die „sich sichtbar auf ihre aktuelle Lebenssituation auswirkten“
(Geißel 2007, S. 33). Wenn ihre Anliegen erreicht sind bzw. ihre Anliegen in der
Gruppe keine Beachtung mehr finden, ist die Bereitschaft gering, sich weiter zu engagieren (vgl. 5.6.2)
Insgesamt nehmen an konkreten Projekten mit geringer Komplexität und übersichtlichen Lösungsanforderungen eher Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten teil, weil die persönliche Betroffenheit größer ist (vgl. Geißel 2007, S. 33).
An abstrakten und komplexen Projekten nehmen überwiegend Menschen aus der
„gebildeten Bewegungselite“ teil (Geißel 2007, S. 492). Die Persönlichkeitsstruktur
der Akteur/innen ist damit ein wesentliches Einflusskriterium auf den Erfolg von Lokale Agenda 21 Gruppen (vgl. Coenen et al. 1998, S. 317):
„‚Soft skills’ wie die Fähigkeit zum Zuhören oder zur Kommunikation sowie die
Lernbereitschaft bei allen Akteuren erwiesen sich ebenso als günstige Faktoren
wie Offenheit, Fairness und Transparenz. Große Macht- und Ressourcenunter83
schiede machten Kommunikation und Kooperation dagegen unwahrscheinlich.
Diese Ergebnisse (…) gelten für alle sozialen Kommunikationsprozesse“ (Geißel 2007, S. 34).
Ein weiteres wichtiges Kennzeichen von Lokale Agenda 21 Gruppen ist eine hohe
Kompatibilität der Wert- und der persönlichen Zielstruktur der einzelnen Akteur/innen
– sie sehen sich also im weitesten Sinne einem gemeinsamen Ideal verpflichtet, was
die Prozesse innerhalb der Gruppe vereinfacht und ihre Wirksamkeit nach außen
erhöht.
Gemeindezentrierte Initiativen unterscheiden sich wesentlich von nationalen und internationalen NGOs. Ihr Aktionsradius beschränkt sich auf lokale Aktivitäten, sie tendieren dazu, ohne groß angelegte strategische Konzepte und eher ad-hoc vorzugehen. Die Sprache der Agenda 21 Aktivist/innen ist eher umgangssprachlich und einfach (vgl. Geißel 2007, S. 32).
Als weitere Kennzeichen von Lokale Agenda 21 Gruppen werden genannt
„die Entwicklung und Stabilisierung der Gruppe, die Etablierung neuer Beziehungen zwischen den lokalen ‚Authorities’ und der ‚Community’, Weiterbildung und
Beratung, Wissensvernetzung, Steigerung des öffentlichen Bewusstseins oder
Empowerment“ (Geißel 2006, S.58).
Doch auch wenn Lokale Agenda 21 Gruppen in der Theorie gut erfasst sind, haben
sie in der Praxis nicht die Bedeutung erlangt, die ihnen in der Agenda 21 beigemessen wurde.
3.3.5.2 Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organizations NGOs)
In den letzten Jahrzehnten haben nicht-staatliche Institutionen vermehrt an Bedeutung gewonnen, in denen sich Individuen freiwillig zur Wahrnehmung „gleicher
oder/und komplementärer Interessen (ökonomischer, politischer, sozio-kultureller
Art)“ (Brunken 1977, S. 4) zusammenschließen, die sie für von den Regierungen als
nicht oder zu wenig beachtet ansehen.
NGOs werden im deutschen Sprachgebrauch auch als Dritter Sektor bezeichnet (vgl.
Horn 2007, S. 39); man spricht auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen (vgl.
Kuhn 2005, S. 79). Sie setzen sich in der Regel für soziale (Menschenrechte, Ent84
wicklungshilfe, Sozialhilfe) und/oder ökologische Anliegen auf nationalem oder internationalem Niveau ein. Der Gründung von NGO´s geht oft die Überlegung voraus,
dass „zahlreiche Interessen nur im geordneten und dauernden Zusammenwirken
befriedigt werden können bzw. besser befriedigt werden können als durch individuelles Handeln“ (Habscheid 1962, S. 29). Daneben ist die Steigerung des Selbstbewusstseins und der Kompetenzen der Bevölkerung („Empowerment“) ein wesentliches Ziel von NGOs.
Es gibt verschiedene Merkmale, die für die meisten NGOs kennzeichnend sind. So
verfolgen die darin organisierten Bürger/innen gleiche Interessen im Hinblick auf ein
gemeinsames Ziel bzw. Ideal. Der Anspruch der NGOs ist es dabei, engagierte,
kompetente Menschen außerhalb des politischen Regimes, quasi in der „Zivilgesellschaft“ zu vertreten. Im Gegensatz zu den meisten kleineren Initiativen auf lokaler
Ebene werden NGOs meistens national oder gar international tätig. Zusammenfassend stellt Willetts fest, dass „jede nicht gewinnorientierte, gewaltfreie, organisierte
Gruppe von Menschen, die keine Regierungsfunktion anstrebt“ als NGO bezeichnet
werden kann (vgl. Willetts 1996, S. 6) und Lador-Lederer meint dazu, dass „NGOs
nicht staatlich, nicht gewinnorientiert, nicht uninational sind“ (kursiv im Original) (vgl.
Lador-Lederer 1963, S. 60). NGOs können relativ klein und auf sehr enge Themen
ausgerichtet sein. Vielfach aber sind sie sehr groß und oft international vernetzt. Bekannte NGOs sind in einer willkürlichen Auswahl:

der WWF World Wide Fund For Nature, 1961 in der Schweiz gegründet. Er will
der weltweiten Naturzerstörung Einhalt gebieten und eine Zukunft gestalten, in
der Mensch und Natur in Harmonie leben. Der WWF hat das Ziel, die biologische
Vielfalt der Erde zu bewahren, die naturverträgliche Nutzung erneuerbarer Ressourcen voranzutreiben, und Umweltverschmutzung und die Verschwendung von
Naturgütern zu verhindern (vgl. WWF 2010).

Greenpeace, 1971 in Vancouver gegründet. Greenpeace setzt sich besonders
gegen Kernwaffentests und Walfang ein. Daneben kämpft Greenpeace gegen
Überfischung, die globale Erwärmung, die Zerstörung der Urwälder und die Gentechnik (vgl. Greenpeace 2010).

Global 2000, 1982 in Wien gegründet. Global 2000 ist eine österreichische Organisation mit Kampagnenschwerpunkten in den Bereichen Atomenergie, Ener85
gie, Gentechnik, globale Erwärmung, Pestizide, Regenwald und Verkehr (vgl.
Global 2000 2010).
Im Vergleich zu lokalen Nachhaltigkeitsgruppen verfügen nationale und internationale NGOs über größere finanzielle Ressourcen und auch über mehr Medienpräsenz
(vgl. Kempton et al. 2001, S. 559). Das verleiht ihnen in den Augen der Bevölkerung
mehr Gewicht und mehr Akzeptanz. Man traut ihnen fachliche Kompetenz und effektives Handeln zu.
Meist prägen wegen des geringen Formalisierungsgrades einzelne Personen und
deren Umfeld den zivilgesellschaftlichen Raum (vgl. Kuhn 2005, S. 86). Doch NGOs
weisen in der Regel feste Strukturen auf und sind mithin eher formalisiert als Bürger/inneninitiativen oder Lokale Agenda 21 Gruppen. Daher sind sie Unternehmen
ähnlicher als anderen Nachhaltigkeitsgruppen. Die meisten NGOs verfügen über ein
durchdachtes Ziel- und Strategiesystem und werden nach betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen geführt. NGOs entwickeln, ähnlich wie Unternehmen, eine eigene Organisationskultur. Die von den NGOs gesprochene Sprache ist durch ein hohes Niveau und die Verwendung vieler spezifischer Fachtermini gekennzeichnet. Im Gegensatz zu Unternehmen verfügen sie aber über demokratisch gewählte Vorstände
und sind in aller Regel nicht gewinnorientiert. Haupteinnahmequellen sind neben den
Mitgliedsbeiträgen vor allem auch Spenden, die Erlöse aus dem Verkauf von Waren
und Dienstleistungen sowie staatliche Zuwendungen. Einnahmeüberschüsse werden
zur Erreichung ihrer sozialen und/oder ökologischen Ziele verwendet. Zu bestimmten
Anlässen können auch als Organisationen aufgestellte NGOs wieder Teil sozialer
Bewegungen werden, etwa bei Nachhaltigkeitskongressen oder am Rande von weltpolitischen Treffen.
In NGOs arbeiten viele freiwillige Mitarbeiter/innen, als operative Helfer/innen im
Rahmen einzelner Initiativen oder auch als ehrenamtliche Vorstände, die für zentrale
Strukturentscheidungen verantwortlich sind. Insgesamt wird deren Bedeutung in der
Alltagspraxis von Nonprofitorganisationen manchmal durchaus überschätzt (vgl. Bode & Frantz 2008, S. 172). Daneben arbeiten oft auch geschulte hauptamtliche Mitarbeiter/innen mit. Diese müssen in der Regel über spezielle Kompetenzen verfügen
wie Fachkompetenz und praktische Erfahrung, eine gefestigte Persönlichkeit und
Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen (vgl. Frantz 2005, S. 225). Inte86
ressantes Merkmal von insititutionalisierten NGOs ist es auch, dass „partizipatorische
Verfahren der Meinungs- und Entscheidungsfindung zurück(gefahren) und (…) damit
eine (temporäre) Verletzung zivilgesellschaftlich gewachsener Grundsätze in Kauf
(genommen wird)“ (Bode; Frantz 2008, S. 174, 177). Da auch vermehrt Spezialist/innen für bestimmte Tätigkeiten benötigt werden, muss man teilweise auf Expert/innen zurückgreifen, die sich nicht oder nur teilweise mit den Idealen bzw. Zielen
der NGOs identifizieren (vgl. Bode & Frantz 2008, S. 178). Dieses Merkmal unterscheidet NGOs grundlegend von anderen Nachhaltigkeitsgruppen. Dennoch leben
die NGOs, die meist keine hohen Gehälter und keine langfristigen Perspektiven (z. B.
durch befristete Verträge) bieten können, in erster Linie vom Commitment und der
intrinsischen Motivation der Mitarbeiter/innen (vgl. Bode & Frantz 2008, S. 179).
NGOs sprengen den in der vorliegenden Arbeit betrachteten Rahmen beinahe und
werden nur am Rande in die Betrachtung mit einbezogen, und zwar vor allem im
Hinblick auf freiwillige Mitarbeiter/innen.
3.3.6 Im
Rahmen
der
empirischen
Erhebung
identifizierte
Nachhaltig-
keitsgruppen
3.3.6.1 Identifizierte Arten von Nachhaltigkeitsgruppen
Im Rahmen der empirischen Untersuchung in dieser Arbeit wurden acht Interviews
durchgeführt, die eine ganze Reihe von Typen von Nachhaltigkeitsgruppen zu Tage
gefördert haben. So konnte in Tirol eine „typische“ (Grüne) Gemeinderatsgruppe
identifiziert werden, die durch eine demokratische Wahl legitimiert ist. Allerdings gehören nur zwei der Gruppenmitglieder tatsächlich dem Gemeinderat an; die übrigen
Gruppenmitglieder üben unterstützende Tätigkeiten aus. Rund um diesen parteinahen Gruppenkern gibt es immer wieder kurzfristig themenbezogene Anlassgruppen,
in die sich Menschen einbringen, die sich von ihrem Engagement einen persönlichen
Nutzen erwarten. Nach Beendigung des Engagements für den jeweiligen Anlass verlassen sie die Gruppe wieder (Anna).
Weit breiter gestreut ist das Spektrum der in Berlin identifizierten Gruppen. Hier haben sich einige der Befragten schon während ihrer Studienzeit für studentische Initiativen engagiert; meist in Form einer Beteiligung an der Organisation von Vortragsreihen, wobei an der Organisation meist mehrere Personen beteiligt waren (Roman,
87
Heinrich, Sophie). In manchen Fällen wurden auch so genannte Stammtische organisiert, bei denen teilweise Impulsreferate stattgefunden haben, teilweise aber die
Treffen auch ohne besonderen Inhalt vonstatten gingen, was meist aber nach einiger
Zeit zu einer Auflösung der Gruppen geführt hat (Heinrich).
Sodann fand sich ein vom Deutschen Rat der Sachverständigen für Umweltfragen,
also nicht bottom-up, sondern top-down initiiertes Projekt, in dessen Rahmen an
mehreren Orten in Deutschland über einige Zeit Freiwillige daran arbeiteten, Konzepte zu entwickeln, wie Nachhaltigkeit lebbar gemacht werden kann, und für den Rat
der Sachverständigen neue innovative Veranstaltungskonzepte zur Nachhaltigkeitskommunikation für Student/innen zu schaffen. Dabei ging es nicht nur um
Unterrichstformate, sondern um verschiedene Arten von Events für Nachhaltigkeitskommunikation. In einer Reihe von selbst-initiierten Workshops, Onlinekonferenzen,
gemeinsamen webbasierten Diskussionsforen und Plattformen sowie einer großen
Konferenz arbeiteten vor allem Student/innen in dieser Gruppe mit. Diese Gruppe ist
keine typische Nachhaltigkeitgruppe in dem Sinne, dass sie auf Dauer angelegt war,
denn nach Abarbeitung des Auftrages hat sie sich aufgelöst (Jasmin).
Ein davon völlig unterschiedliches Projekt sind die so genannten „Social Bars“ (Sophie), eine Initiative, bei der es um das Thema Social Media und Zivilgesellschaft
geht, konkret um die Fage: Was bedeutet die Entwicklung von Social Media für zivilgesellschaftliche Organisationen? Dabei geht es neben dem Erlernen der Anwendung neuer Medien vor allem um die Wandlung von Organisationsstrukturen zu offeneren und transparenteren Strukturen und damit darum, in die Organisation einen
Kulturwandel hineinzubringen. „Social Bar“ will die Organisationen dabei in einem
offenen Dialog begleiten und fördern. Damit kann man „Social Bar“ auch als „Meta
Nachhaltigkeitsgruppe“ bezeichnen, die andere Nachhaltigkeitsgruppen in ihrem Wirken unterstützen will. Der Austausch erfolgt aber auf einer relativ informellen Basis;
es gibt zwar monatliche Veranstaltungen, die Teilnahme erfolgt aber ohne Verpflichtung oder Mitgliedschaft, und sehr vieles wird auch online kommuniziert. Bei den
„Social Bars“ handelt es sich um eine Mischung aus bottom-up und top-down gegründeten Gruppen. Denn nachdem sich die erste „Social Bar“ in Berlin gegründet
hatte, wurde das Konzept nach deren Vorbild auf andere deutsche und europäische
Städte mit mehr oder weniger großem Erfolg übertragen. Die Intitiative zur Übertra88
gung ging immer von lokalen Akteur/innen in den jeweiligen Städten aus, doch wurde
von seiten der „Social Bar“ versucht, das Konzept relativ durchgängig einzuführen
(Sophie).
Es gibt auch weitere Initiativen, die von NGOs getrieben werden, im Rahmen der
durchgeführten Untersuchung wurde aber keine explizite NGO identifiziert, die sich
selbst als Nachhaltigkeitsgruppe bezeichnet. Zu nennen ist ein Projekt der internationalen NGO „Ashoka“, in dessen Rahmen im mit Migrationsproblemen kämpfenden
Berliner Stadtteil Neukölln Jugendliche angeregt werden, sich für politische Anliegen
zu interessieren (Amanda). Bei guten Projektideen wird hier sogar finanzielle Unterstützung geboten. Eine weitere interessante Initiative ist das Projekt „Arbeiterkind“, in
dessen Rahmen junge Menschen aus einfachen Verhältnissen von Studierenden
oder jungen Absolvent/innen dabei unterstützt werden, einen höheren Bildungsweg
einzuschlagen, und zwar nicht nur finanziell, sondern vor allem durch gezieltes Coaching (Amanda).
Nur bottom up funktioniert die Initiative „3+x“ (Sophie), die sich aus dem gemeinsamen Engagement von drei befreundeten jungen Menschen entwickelt hat. „3+x“ steht
programmatisch dafür, dass basierend auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit immer
wieder kleine und größere Aktionen durchgeführt werden. Das können einerseits
Vorträge oder Diskussionsforen zu verschiedenen Themen sein, aber durchaus auch
Protestaktionen, Flashmobs oder Ähnliches. „3+x“ steht aber auch dafür, dass die
drei ursprünglichen Gruppenmitglieder immer wieder mit einem oder mehreren anderen zusammenarbeiten, um ein neues Projekt auf die Beine zu stellen, bei dem auch
immer wieder unterschiedliche Menschen beteiligt sind. Damit erhält diese Gruppierung einen sehr dynamischen Charakter, wobei das Dreierteam die wesentliche Konstante ist, um die die anderen Personen und Aktivitäten angeordnet sind. Die Impulse zu den Aktivitäten gehen in der Regel von den drei Kernpersonen aus (Paula).
Auf Dauer angelegt ist auch eine Gruppierung von Studierenden der Umweltpsychologie, die eine Reihe von Verantaltungen und Projekten organisieren, etwa eine Initiative zum Energiesparen, innerhalb derer sich Studierende bemühten für Privatpersonen und –haushalte aus bildungsfernen Schichten Energiesparkonzepte auszuarbeiten (Roman). Ein weiteres Projekt dieser Gruppierung war es, auf dem Dach der
Freien Universität Berlin eine durch „crowdfunding“ (also durch bei der Bevölkerung
89
gesammelte Kleinanleihen) finanzierte Photovoltaikanlage zu errichten. Dazu wurden
Mikrodarlehen (ab 250 Euro) von Privatpersonen aufgenommen, die ihr Geld über
einen Zeitraum von 20 Jahren investiert lassen und danach mit einem Profit rechnen
dürfen. Mit dem so lukrierten Geld wurde in Kooperation mit einem Solarinvestitionsunternehmen die fünfzehntgrößte Photovoltaikanlage in Berlin errichtet. Während der
„heißen“ Phase des Projektes arbeiteten daran viele Interessierte mit, die sich nach
erfolgreicher
Umsetzung
wieder
verliefen.
Geblieben
ist
der
Kern
der
Umweltpsychologiestudierenden (Roman).
Eine umfangreiche Nachhaltigkeitsgruppe in Berlin arbeitet auf der Metaebene: Der
„Jour fixe der Berliner Nachhaltigkeitsgruppen“ (mittlerweile umbenannt in „Jour fixe
der Berliner Nachhaltigkeitsinitiativen“, Paula, Sophie, Roman) ist eine Plattform, die
es sich zum Ziel gesetzt hat, verschiedene Nachhaltigkeitsgruppen im Raum Berlin
miteinander zu vernetzen und Synergien zu entdecken. Der „Jour fixe“ ist als
Facebookplattform organisiert und verfügt über eine eigene Homepage, doch trifft
man sich einmal im Monat auch persönlich, um sich auszutauschen. Bei den Treffen
stellen sich jeweils einzelne Initiativen kurz vor, dann gibt es eine kurze Runde, in der
die Anwesenden Neues aus ihren jeweiligen Initiativen und Gruppen berichten. Organisiert wird der „Jour fixe“ von einem Kernteam von vier Personen, die die Koordination des Programms und der Termine übernehmen. An den einzelnen Treffen
nehmen immer wieder unterschiedliche Personen und auch unterschiedliche Gruppierungen teil; es herrscht starke Fluktuation. Manche kommen öfter, andere nehmen
nur einmal teil, um die Gelegenheit zu nützen, für irgendeine Aktion Werbung zu machen. Damit ändert der Jour fixe immer wieder sein Gesicht, je nachdem, welche
Personen gerade mitmachen.
3.3.6.2 Beschriebene Rollenbilder in den Nachhaltigkeitsgruppen
Die von den Interviewpartner/innen beschriebenen Rollenbilder decken sich zu einem großen Teil mit den theoretischen Beschreibungen von Rollen in einer Gruppe,
allerdings werden teilweise sehr kreative Bezeichnungen für die einzelnen Rollen
verwendet. In der politischen Gruppierung ist sich die Interviewpartnerin sehr klar
über ihre Rolle als Gruppenleiterin:
90
„Die politische Arbeit wird hauptsächlich von dem gemacht, der politisch in der Öffentlichkeit steht. In diesem Fall von mir. Ich bringe die Information ein und schlage vor, was man machen könnte“ (Anna S. 3 35-36).
Doch sie sieht auch andere Rollen, insbesondere die des Querulanten/der Querulantin, die immer dagegen sind und nicht wirklich konstruktiv mitarbeiten (Störer/innen
werden im Übrigen auch von anderen Interviewpartner/innen definiert), und die Rolle
der Mitläufer/innen, die
„die einfach so mitmachen, die sagen ich bin einfach nur so dabei. Die machen
nicht viel, aber sie unterstützen die Gruppe indem sie sagen ich bin einfach da“
(Anna S. 4 40-41).
Mitläufer/innen werden auch in dem vom Rat der Sachverständigen initiierten Projekt
identifiziert, wenn sie auch nicht so genannt werden. Die Interviewpartnerin beschreibt sie als
„zwei oder drei Leute, von denen ich denke, dass sie sich relativ passiv im Hintergrund gehalten haben, aber das Schöne war halt, wenn ich die dann angesprochen habe: Habt ihr gerade Kapazität? Könnt ihr was machen? Die haben dann
auch was gemacht“ (Jasmin S. 3 28-30).
Sich selbst bezeichnet die Interviewpartnerin als Koordinatorin der Gruppe.
Sehr interessante Definitionen trifft ein anderer Interviewpartner: Er unterscheidet
den Chef, der sich eher heraushält, und das von ihm so genannte Dreibein aus
„Außenminister, /innenminister und Qualitätsminister. Es gibt also einen, der für
die Außenbeziehungen zuständig ist, einen, der dafür zuständig ist, dass drinnen
alles gut läuft, und einen dritten, der dafür sorgt, dass die Qualität stimmt“ (Stefan
S. 5 26-28).
3.4 Zwischenfazit über den Begriff der Nachhaltigkeitsgruppe
Bislang wurde der Begriff Nachhaltigkeitsgruppe nur selten und meist eher in Unternehmen oder Parteien verwendet. Daher ist für die vorliegende Dissertation eine nähere Klärung des Begriffes nötig. Nachhaltigkeit wird hier verstanden im Kontext des
so genannten Drei-Säulen-Modells, das eine gleichberechtigte Gewichtung von sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten erlaubt. Als Gruppe sieht die vor91
liegende Arbeit vor allem kleinere Gruppierungen, selten größere Gruppen bzw. Organisationen an, in denen jedenfalls face-to-face Kontakt besteht und die sich über
einen längeren Zeitraum hinweg um Nachhaltigkeitsthemen annehmen. In diesen
Gruppen finden bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsanliegen geplante oder ungeplante, formale, non-formale oder informelle Bildungsprozesse statt, die ein wesentliches Kernthema dieser Arbeit bilden. Diesen Bildungsprozessen wird im folgenden
Kapitel nachgegangen.
92
4 Nachhaltige Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen
Aus dem bislang Dargelegten folgt, dass es in dieser Arbeit insbesondere um die
Bildung von/in nachhaltigen Gruppen zur Bildung von nachhaltigen Gruppen geht.
Menschen brauchen Unterstützung, um das Wissen und die persönlichen und sozialen Kompetenzen zu erlernen, mit denen sie Nachhaltigkeitsprobleme in ihrem persönlichen Umfeld sowohl privat als auch beruflich in Angriff nehmen können (vgl. W.
Scott & Gough 2003, S.3). Damit sind die Entstehung und der Fortbestand von
Nachhaltigkeitsgruppen definiert als pädagogische Fragestellung, in der es um (neue
Zugänge zu) Wissen, lebensbegleitendes Lernen, Kompetenzen und (nachhaltige)
Bildung geht.
Den Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung auf allen Bildungsebenen zu verankern
ist eine der Aufgaben der UNESCO Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung
2005 – 2014“ (vgl. UNESCO 2013): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung soll
zum wesentlichen Bestandteil der Allgemeinbildung werden und dem Individuum
Kompetenzen vermitteln, die ihm eine aktive Analyse und Bewertung nicht nachhaltiger Entwicklungsprozesse ermöglichen sowie es befähigen „sich an Kriterien der
Nachhaltigkeit im eigenen Leben zu orientieren und nachhaltige Entwicklungsprozesse gemeinsam mit anderen lokal wie global in Gang zu setzen“ (de Haan et
al. 2007, S. 12). Damit ist ein wichtiger Hinweis für das Lernen in (nachhaltigkeitsorientierten) Gruppen gegeben.
Lernen ist im Alltagsverständnis ein Prozess, mithilfe dessen Wissen bzw. die mit
dem Wissen gleichgesetzte Bildung erworben wird. Überproportional anwachsende
Wissensbestände und ständig zunehmende Dynamik kennzeichnen unsere Welt. Es
reicht daher nicht aus, Wissen im Zuge der Schul- bzw. Ausbildung einmal zu erwerben, sondern dieses muss permanent erweitert werden. Man kann daher lebensbegleitendes Lernen als unverzichtbares Element beim Aufbau von Wissen für eine
nachhaltige Zukunft auffassen (vgl. Fien & Lopez Ospina 2004, S. 38). Neue Definitionen stellen Wissen in engen Zusammenhang von praktischer Anwendung und
Nachhaltigkeit. Dabei verliert der Begriff des Wissens (im engeren Sinne) im Diskurs
an Bedeutung, da rund um die Allgemeingültigkeit des Wissensbegriffes viele Probleme und Bedeutungsunklarheiten auftauchen (vgl. W. Scott & Gough 2003, S.25).
93
Insgesamt ist der Begriff Wissen eher statisch zu sehen, als Ergebnis eines Prozesses, während der Erfolg der Nachhaltigkeitsgruppe auf dynamischen Vorgängen beruht. Daher wird im Folgenden dem Begriff „Wissen“ nicht weiter nachgegangen. Anstelle von Wissen wird von den (ebenfalls zu diskutierenden) Begriffen der Kompetenzen und Bildung gesprochen.
4.1 Diskussion grundlegender Begriffe der „Bildung“
In diesem Kapitel wird ausgehend vom Begriff der Bildung das Spannugnsverhältnis
der im öffentlichen Diskurs immer wieder beanspruchten Begriffe Bildung, Lernen
und Kompetenzen aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet wird.
4.1.1 Der Begriff der „Bildung“
Der Begriff der Bildung wird zumindest ebenso uneinheitlich diskutiert wie der der
Nachhaltigkeit. Aufgabe dieses Abschnittes ist es daher, aus der Vielzahl der Bildungsbegriffe jenen auszuwählen, der im Hinblick auf die Bildung von Nachhaltigkeitsgruppen (im doppelten Wortsinn) anwendbar ist.
Prinzipiell kann man dem Begriff der Bildung eine prozessorientierte und eine zustandsorientierte Bedeutung zuweisen. Die zustandsorientierte Begriffsauffassung
(gebildet sein) stellt ab auf die Beschreibung eines Bildungsideals, das angestrebt
wird (etwa das Humboldtsche) (vgl. Menze 1965). Das zustandsorientierte geht auch
großteils konform mit dem materiellen Bildungsverständnis, das als Wissensinhalte
vor allem stofflich-enzyklopädisches Wissen versteht und in dessen Rahmen Lernen
durch Selektion und Verinnerlichung von Wissensinhalten erfolgt (vgl. Becker 1992,
S. 23). Auch das so genannte formale Bildungsverständnis, gerichtet auf die „Ausstattung des Menschen mit all dem, was er zum Umgang mit den Dingen braucht"
(Becker 1992, S. 13), bezieht sich eher auf einen Zustand, in dem das Individuum
erlernt hat, mit der Welt zurecht zu kommen, da stofflich-enzyklopädische lediglich
durch humanistische Selektionsmechanismen ersetzt werden (vgl. Becker 1992, S.
23): „Bildung ist die Brücke zwischen Mensch und Sache" (Becker 1992, S. 13).
Der zustandsorientierte Zugang ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit von geringerer Bedeutung als der prozessorientierte Zugang, der Bildung als dynamischen Prozess sieht, innerhalb dessen der Mensch sein ganzes Leben lang seine „geistigen,
94
kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen
Kompetenzen erweitert“ (Weber; Senn; Fischer 2006, S. 9). Ihm zugrunde liegt ein
kognitiv-strukturelles Wissensverständnis, das den Begriff der „Bildung“ selbst für
weniger zentral erachtet als das Lernen: einen „Prozeß, mit dem ein Individuum sich
die Welt erschließt“ (Becker 1992, S. 23). Die früher beschworene abgeschlossene
Bildung wird ersetzt durch einen Prozess, der den Menschen ein Leben lang begleitet: Gebildet sind diejenigen, die sich darüber klar sind, dass sie auf den meisten
Gebieten ungebildet sind, und die zugleich die Fähigkeit entwickelt haben, immer
wieder Neues zu lernen und sich immer neuen Herausforderungen in einer sich
ständig wandelnden Welt stellen können. „Den Anforderungen des Wechsels gewachsen zu sein, ist das eigentliche Ziel von Bildung heute" (Becker 1992, S. 21). In
Bildungsprozessen kommt es zu strukturellen Veränderungen, innerhalb derer das
Wissen verändert bzw. erweitert wird. Es können auch neue Handlungsweisen, veränderte Perspektiven eingenommen und Sinnzusammenhänge neu interpretiert werden: „In Bildungsprozessen finden Umstrukturierungen statt, auf deren Basis Lernprozesse möglich sind“ (Mikula 2008, S. 66). Meyer-Drawe stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Lernen kein linearer Prozess ist, in dem Wissensbausteine zusammengefügt werden, sondern hier ein leitendes Vorwissen einerseits und neue
Ansichten, Einsichten und Handlungsweisen anderseits in Konflikt geraten (vgl.
Mayer-Drawe 1982, S. 34). Lernen wird so zum dynamischen Sachverhalt, in dem
Umlernen als Wandel der Einstellung und des Erfahrungshorizontes an Bedeutung
gewinnt (vgl. Buck 1989, S. 47).
Im Zentrum dieses Prozesses steht das Lernen des Lernens (vgl. dazu die Ausführungen über Batesons Lernkategorien in 4.2.1), das Erwerben einer Reflexionsfähigkeit, die eher als Dimension der Persönlichkeitsentwicklung zu sehen ist (vgl. Kron
1989, S. 64) und die gerade im Kontext von Nachhaltigkeit besonders wesentlich
wird. Bildungsprozesse lassen sich dann definieren als „höherstufige Transformationsprozesse, in denen sich das Selbst- und Weltbild grundlegend ändert und in denen die eigenen Kategorien des Lernens einer Reflexion unterzogen werden“
(Mikula 2008, S. 66). Darauf basierend umfasst der prozessorientierte Bildungsbegriff im Einzelnen die Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen, die Bereitschaft zur
Veränderung und Anpassung an immer neue und sich wandelnde Bedingungen des
Umfeldes, die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und sich erreichbare Ziele zu
95
setzen sowie die Fähigkeit reflektiert kritisch und autonom zu handeln (vgl. dazu unten 5.3).
Damit ist Bildung auch zum politischen Begriff geworden, der etwa in Artikel 26 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte angesprochen wird („Jeder hat das
Recht auf Bildung"). Das Recht auf Bildung wird im Programm „Bildung für alle“ von
der UNESCO koordiniert (vgl. UNESCO 2013). Die UNESCO definiert dabei:
„Bildung ist eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Lebensqualität, für
die Überwindung von Armut, für die Erreichung der Chancengleichheit der Geschlechter, die Verringerung der Kindersterblichkeit und des Bevölkerungswachstums, nachhaltige Entwicklung, und letztendlich für Frieden und Demokratie“ (Editorial UNESCO 2013).
Jemand, der in diesem Sinne gebildet ist, verfügt nicht (nur) über eine große Menge
an statischem „Wissen“, sondern kann auch auf Werte wie Toleranz, Solidarität und
Verständnis zurückgreifen: Dann wird Bildung zu einer Sache, die „übrig bleibt, wenn
man alles vergessen hat, was man gelernt hat“ (Heisenberg 1973, S. 106)
Allerdings wird Bildung heute oft ganz anders verstanden (vgl. Sterling 2001) und ist
mehr auf Konkurrenzkampf und Konsum als auf fürsorgliches Bewahren und erweitertes Verändern ausgerichtet. Die Fixierung auf Wachstum, Individualismus und
Konsumzwang wird unreflektiert übernommen und weiter vermittelt, was durch den
zunehmenden Einfluss der Privatwirtschaft auf die (Aus-)Bildung verstärkt wird. Dadurch wird Bildung mit ökonomischen Werten belegt. Das spiegelt sich in der großen
Menge an Tests, Qualitätsprüfungen, genauer Definition von Lernzielen und Wettbewerb ebenso wie in der Desillusion und im steigenden Stress, die damit einhergehen.
Wir haben unser Gefühl für „authentische“ Bildung verloren und damit auch das Gespür für gegenseitige Fürsorge, Gemeinschaft, Engagement und lohnenswerte Ziele
(vgl. Sterling 2001).
Ein ganzheitlicher Bildungsbegriff, wie er oben beschrieben wurde, stellt große Anforderungen an das Lernen. Im Rahmen des so genannten Delors-Berichtes (vgl.
Delors et al. 1996) werden die für umfassende Bildung nötigen Lernformen wie folgt
beschrieben (vgl. Dewe & P. Weber 2007, S.66):
96

learning to know: Bereitstellung von auf das Individuum abgestellten Lerntechniken

learning to do: Bereitstellung von im Berufsleben erforderlichen Fertigkeiten, die
lebenslanges Lernen erfordern

learning to be: Bereitstellung von Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung

learning to live together: Bereitstellung von Kompetenzen, die das friedliche Zusammenleben auf der Erde ermöglichen.
Die prozessual orientierten Lern- und Bildungsprozesse stellen in der Tat auch eine
interessante Parallele zu den modernen Auffassungen der Nachhaltigkeit (vgl.
3.1.5) und der Resilienz (vgl. 5.2.1) dar (vgl. von Felden 2008, S. 56).
4.1.2 Zum Verhältnis von Lernen, Bildung und Kompetenz
Ein
Ziel
des
Lernens
ist
die
(Heraus-)Bildung
von
Kompetenzen
(vgl.
Klime; Harting 2007, S. 12). Der unmittelbare Zusammenhang von Lernen und Bildung lässt sich feststellen, indem man Lernen als Kompetenzerwerb und Bildung als
Erweiterung der Kompetenzen betrachtet. Allerdings besteht um den Begriff der
Kompetenz zumindest ebensoviel Unklarheit wie um den Begriff des Wissens - oder
den der Nachhaltigkeit selbst: „Kompetenz hat offenbar irgendwie zu tun mit Zuständigkeit und mit Fähigkeit und mit Bereitschaft und damit, dass Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft sich in Deckung befinden“ (Marquard 1981, S. 24). Dennoch ist
der Kompetenzbegriff keineswegs
„frei verfügbar, er entstammt vielmehr unterschiedlichen Theorietraditionen, die
zunächst einmal rekonstruiert und kritisch im Hinblick auf ihre Kompatibilität mit
der aktuellen weiterbildungspolitischen Begriffsverwendung analysiert werden
müssen“ (Vonken 2005, S. 15).
Daher muss zunächst Kompetenz im Sinne von für etwas „zuständig, befugt“ sein (ist
gleich Arbeitsaufteilung) getrennt werden von „sachverständig, handlungsfähig“ sein.
Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht ist ersteres von geringerer Bedeutung, vielmehr umfassen Kompetenzen „Fähigkeits- und Fertigkeitsbündel für geplante und
weitgehend überschaubare Arbeitszusammenhänge, die gegenüber dem Subjekt
und seiner konkreten betrieblich-gesellschaftlichen Handlungssituationen verselb97
ständigt sind“ (Ludwig 2002, S. 2). In diesem Zusammenhang zu erwähnen sind die
vier aus der Praxis der beruflichen Bildung bekannten Kompetenzbereiche Methoden-, Sach-, Selbst- und soziale Kompetenz, die integriert die Aktions- oder Handlungskompetenz ausmachen (vgl. Erpenbeck; von Rosenstiel 2003, S. XVI).
In diesem Sinne beschreibt Weinert Kompetenz als
„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten
und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen
motivationalen, volitionalen (…) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um
die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll
nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27f).
Grundsätzlich bezieht sich das Konzept der Kompetenz also im weitesten Sinne auf
eine individuell oder interindividuell verfügbare Sammlung von Voraussetzungen für
erfolgreiches Handeln in bedeutsamen Aufgabenbereichen (vgl. Weinert 1999, S. 5).
Es kann sich beziehen auf alle Handlungsfähigkeiten, ererbte, bereichsspezifische
Voraussetzungen für den Erwerb primärer Fertigkeiten (wie Sprache), erlernte, anwendungsspezifische Fähigkeiten, individuelle Bedürfnisse nach Effektivität, eine
subjektive soziale Selbstevaluation und schließlich auch das gesamte Set kognitiver,
motivationaler und sozialer Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln (Handlungskompetenz) (vgl. Weinert 1999, S. 3).
„Wer kompetent zu handeln vermag, verfügt nicht nur über träges Wissen, sondern ist nachweislich in der Lage, reale Anforderungssituationen zu bewältigen.
Und dies nicht nur einmalig oder gar zufällig, sondern auf der Basis eines latenten
Merkmals, das gewissermaßen garantiert, dass der kompetent Handelnde in immer
neuen
Situationen
adäquate
Handlungen
‚generieren‘
kann“
(Klieme; Hartig 2007, S. 14).
Damit erlaubt das Konzept „Kompetenzentwicklung“ eine Verknüpfung
„von Alltagslernen und institutionalisierter Weiterbildung, von Erfahrungswissen
und wissenschaftlichem Wissen, von Kennen und Können, von Bedarfen und Bedürfnissen mit den bekannten Unterbegriffen personale, soziale, methodische und
fachliche Kompetenz –, gelegentlich ergänzt durch (Selbst-)Lernkompetenz“
(Nuissl; Schliersmann; Siebert 2002, S. 5).
98
Letzteres deckt sich mit der allgemeinen, auch von Rychen & Salganik vorgeschlagenen Ansicht, dass Individuen für erfolgreiche Interaktion mit ihrem Umfeld sowohl
physische (wie Informationstechniken) als auch sozio-kulturelle Werkzeuge (wie den
Gebrauch der Sprache) benötigen und für ihre eigenen Zwecke umsetzen können
müssen. Zudem aber müssen sie in einer interdependenten Welt mit heterogenen
Gruppen von Individuen zurande kommen. Schließlich müssen die Individuen die
Verantwortung für das Handeln in ihrem Leben übernehmen und selbstständig handeln können (vgl. Rychen; Salganik 2003, S. 5), vgl. zum Konzept des Handelns
auch 8.3. Diese drei Kategorien von Kompetenzen – Anwendung von Mitteln und
Medien, Interaktion in heterogenen Gruppen und autonome Handlungsfähigkeit –
spielen auch im Konzept der Schlüsselkompetenzen der OECD eine wichtige Rolle.
Die OECD definiert als Schlüsselkompetenzen jene, die wertvolle Ergebnisse für Gesellschaft und Menschen erbringen, bei der Erfüllung von Anforderungen unter verschiedenen Rahmenbedingungen unterstützen und für jedermann notwendig sind
(vgl. OECD 2005, S. 5).
In modernen Konzepten wird die Handlungskompetenz auch mit dem Begriff der Gestaltungskompetenz umschrieben und meint dann ein „Nach-vorne-Weisen des Vermögens, in aktiver Teilhabe die Zukunft von Sozietäten im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu modifizieren und zu modellieren“ (de Haan; Harenberg 1999, S. 62). Im
Zentrum der Gestaltungskompetenz steht die „Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger
Entwicklungen, des Setzens individueller Ziele, der Antizipation von Entwicklungen,
der Gestaltung von Veränderungsprozessen sowie Kooperation und Partizipation“
(Rost 2005, S. 15). All diese Fähigkeiten sind zentral für das Lernen für Nachhaltigkeit, welches im Anschluss an das nachfolgende Kapitel über Lernen als Basis des
Kompetenzerwerbs näher dargestellt wird (vgl. 4.3.)
4.2 Lernen als Grundlage nachhaltiger Bildung
Lernen im landläufigen Sinne bedeutet den Erwerb von Wissen, wobei man trivial
immer noch annimmt, Wissen könne „angehäuft“ werden. Doch ist Lernen mehr als
die bloße Akkumulation von Tatsachen. Lernen kann als ein Prozess angesehen
werden, innerhalb dessen die Aneignung von Welt vonstatten geht. Diese Aneignung
in und durch Lernprozesse zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus:
99

„Aneignungsverhältnisse sind unabgeschlossen

Aneignung wird im Wechselspiel zwischen individuellen und sozialen Bezügen
gestaltet

Aneignung ist ein aktiver Prozess, der die Entdeckung, Erprobung erweiterter
Verhaltensrepertoires und neuer Fähigkeiten zum Ziel hat

Aneignung erfolgt in vieldimensionalen situativen Prozessen und kontextuellen
Bezügen und ermöglicht die Entwicklung situationsübergreifender Kompetenzen

In Aneignungsprozessen versuchen Menschen Ereignisse, Situationen und
Handlungsanforderungen zu strukturieren und dadurch ihrem Handeln eine
Sinnperspektive zu geben

Aneignungsergebnisse sind nicht vorhersehbar“ (Egger 2008, S. 30).
Betrachtet man den Prozess des Lernens als Prozess der Aneignung, liegt der Betrachtungsschwerpunkt nicht mehr auf dem ergebnis von Input-Vorgängen, sondern
wird zur subjektiven „Konstruktionsleistung, die durch zentrale Prozessmerkmale zu
charakterisieren sind:

Lernen ist ein aktiver Konstruktionsprozess: Wissen kann nur durch selbstständige und eigenaktive Beteiligung der Lernenden am Lernprozess erworben werden.

Lernen ist ein konstruktiver Prozess: Jede Erfahrung wird in bereits bestehende
Wissensstrukturen eingebaut und auf der Basis individueller Erfahrungen neu interpretiert.

Lernen ist ein emotionaler Prozess: Jede Lernerfahrung wird von emotionalen
und motivationalen Stimmungen und Atmosphären begleitet.

Lernen ist ein selbstgesteuerter Prozess: Bei jede Lernen übernehmen die Lernenden selbst die Steuerungs- und Kontrollprozesse.

Lernen ist ein sozialer Prozess: Lernen ist ein interaktives Geschehen und die
Lernwelt ist immer eine intersubjektive, die durch spezielle Deutungsmuster und
soziokulturelle Einflüsse Geprägt wird.
100
Lernen ist ein situativer Prozess: Wissen weist stets kontextuelle Bezüge auf“
(Mikula 2008, S. 61; vgl. Reinmann-Rottmeier; Mandl 2001, S. 601ff).
Es gibt eine Fülle von Lerntheorien, allerdings kommen nur wenige für diese Arbeit
tatsächlich als Ausgangspunkt in Betracht. So sind die Lerntheorien, die auf Konditionierung (wie die Pawlow (vgl. Pawlow 1927) oder Skinner (vgl. Skinner 1991)) beruhen, oder instruktionalistische Lerntheorien (wie die Stimulus-Response-Theorien
der Behaviouristen (vgl. Lyons 1980)) viel zu passiv, um das für Nachhaltigkeitsbelange nötige aktive Handeln erfassen zu können. Demgegenüber erscheinen die Ansätze der Kognitionswissenschaft mit ihren Computersimulationen wiederum zu theoretisch für den hier benötigten wissenschaftlichen Hintergrund. Auch die Theorien
des Kognitivismus eignen sich nur bedingt: Während das Modellernen (vgl. Bandura 1976) eher als zu mechanistisch für die geforderten flexiblem Lernprozesse angesehen wird, geht die Arbeit im Weiteren von der Idee des „Lernens durch Einsicht“
aus (vgl. 4.2.1). Für die vorliegende Anwendung am geeignetsten erscheinen demnach das bereits erwähnte Lernen durch Einsicht und davon ausgehend die
konstruktivistischen Lerntheorien insbesondere abgeleitet von den Erkenntnissen
von Piaget und ihm folgend Illeris bzw. auf dem Modell von Bateson. Auf diesen
Theorien baut das vorliegende Kapitel auf. Ausgehend von Köhlers Lernvariablen
werden die von Illeris erarbeiteten Lerndimensionen dargestellt, die den Rahmen
aufspannen, innerhalb dessen aus konstruktivistischer Sicht verschiedene Formen
des Lernens vonstatten gehen, wie sie Piaget, Illeris oder auch Bateson beschreiben.
Sie werden daher im Anschluss an die Dimensionen thematisiert und verglichen.
4.2.1 Dimensionen des Lernens
Nach Köhler (1963) erfolgt „Lernen durch Einsicht“ und steht damit im Gegensatz
zum behavioristischen Denken, dass sich jedes Verhalten von Tieren in seine Einzelteile zerlegen lässt und sich Denkmodelle allein durch die Beschreibung von „Versuch und Irrtum“ erklären lassen (vgl. Köhler 1963, S. 137).
Köhler befasste sich mit der Frage, wie sich die Beziehung zwischen Menschen und
Umwelt aufbaut und wie in diesem Zusammenhang Lernvorgänge vor sich gehen.
Meist bedeutet Lernen, dass etwas Neues mit etwas schon Vorhandenem verbunden
wird (vgl. Illeris 2010, S. 49). Damit wird Lernen zu einem emergenten Prozess, des101
sen Summe mehr ist als die Summe seiner Teile (vgl. 5.1.4.2): Lernen wird zu einem
systemischen Vorgang. Nach Köhler müssen sowohl das Verhalten als auch die dahinter liegenden aktivierenden und kognitiven Prozesse als in ein System eingebettet
betrachtet werden, wobei es einen dauernden aktiven Austausch zwischen dem System und der Umwelt gibt. Der Begriff „Umwelt“ beinhaltet in diesem Zusammenhang
sowohl die physische Umwelt als auch die soziale Umgebung (vgl. Köhler; Pratt 1963, S. 49). Lernen findet „irgendwo“ statt (Physischer Kontext), beginnt
beim Individuum (persönlicher Kontext) und bezieht andere mit ein (soziokultureller
Kontext) (vgl. Folke u. a. 2003, S. 36f). Es basiert demnach auf zwei wesentlichen
Variablen:

auf situativen Kontext-Faktoren, die von der Außenwelt abhängen, und zwar von
anderen Menschen einerseits und sonstigen Umweltfaktoren anderseits sowie

auf inneren Variablen des Gehirnes und der Persönlichkeit, mithin auf den kognitiven Fähigkeiten, dem Vorwissen, dem Interesse, dem Involvement des Individuums.
Illeris unterscheidet demgegenüber drei Dimensionen des Lernens, die größtenteils
diesen inneren Variablen zuzurechnen sind, nur bei der sozialen Dimension gibt es
eine Überschneidung zwischen Kontext- und inneren Variablen:

Die kognitive Dimension betrifft den Lerninhalt, der seinerseits als Wissen oder
Fähigkeiten umschrieben werden kann und das Verständnis und die Fähigkeiten
des/der Lernenden begründet. Das Bestreben des/der Lernenden ist es Bedeutung und Fähigkeit zu konstruieren, mit Hilfe derer die Herausforderungen des
täglichen Lebens bewältigt und gleichzeitig eine ganzheitliche persönliche Funktionalität aufgebaut werden können (vgl. Illeris 2003, S. 399).
Die emotionale oder psychodynamische Dimension umfasst mentale Energie, Gefühle und Motivation. Ihre wesentliche Funktion besteht darin, das mentale Gleichgewicht des/der Lernenden sicherzustellen und dadurch zugleich ein persönliches
Empfindungsvermögen zu entwickeln. Diese beiden Dimensionen werden immer
durch Impulse von Interaktionsprozessen in Gang gesetzt, beeinflussen sich gegenseitig und bilden gemeinsam den persönlichkeitsinternen Prozess
102

des Erwerbs und der Erarbeitung neuer Kenntnisse und/oder Fähigkeiten (vgl.
Illeris 2003, S. 399).

Die soziale Dimension des Lernens betrifft die externe Interaktion in Bereichen
wie Partizipation, Kommunikation und Kooperation. Sie dient der Integration der
Person in Gemeinschaften und die Gesellschaft und begründet dadurch die Sozialität des Menschen. Doch bedarf die gesellschaftliche Integration der beiden
anderen Dimensionen (vgl. Illeris 2003, S. 399).
Abb. 2: Drei Dimensionen des Lernens (bearbeitet nach Illeris 2010, S. 37)
Damit spielt sich jede Form des Lernens in einem als Dreieck aufgespannten Spannungsfeld der Entwicklung von Funktionalität, Empfindsamkeit und Sozialität ab (vgl.
Abb. 2).
103
Lernen findet zudem immer im Kontext einer bestimmten Gesellschaft statt, die den
Rahmen für Lernmöglichkeiten schafft, was in der Grafik durch einen Kreis angedeutet wird (vgl. Illeris 2003, S. 400). Holzkamp ist darüberhinaus der Ansicht, dass der
persönliche Kontext als Auslöser für Lernen von hervorragender Bedeutung ist und
dass „intentionales, d.h. absichtliches und geplantes Lernen nur dann zustande
kommt,
wenn
das
Lernsubjekt
selbst
entsprechende
Gründe
dafür
hat“
(Holzkamp 2004, S. 29). Geht man von diesen verschiedenen Dimensionen des Lernens aus, so bedingt dies, dass der/die Lernende selbst aktiv mentale Strukturen
konstruiert, die im Gehirn als Schemata oder mentale Muster angelegt sind. Ihnen ist
das folgende Kapitel gewidmet.
4.2.2 Kategorisierung von Lernformen
Unter dem Begriff Schema versteht man in diesem Zusammenhang organisierte
Verhaltensmuster und internalisierte Denkmuster (vgl. Mönks; Knoers 1996, S. 151),
die „zunächst als Abstraktion und als kategorisierende Zusammenfassung von Handlungsweisen gebraucht werden“ (Oerter; Montada 1998, S. 548) und die im Wesentlichen durch Interaktion mit der Umwelt konstruiert werden. Wissen wird damit zur
Konstruktion eines/einer aktiv Lernenden. Aus kognitiver Sicht werden Schemata
auch als Gedächtnis, aus emotionaler und sozialer Sicht als Neigungen bezeichnet
(vgl. Illeris 2003, S. 400). „Diese Schemata kann man als die Grundstrukturen des
Denkprozesses bezeichnen" (Mönks; Knoers 1996, S. 151).
Die Schemata dienen daher im Wesentlichen dazu, mit den Anforderungen der Umgebung besser umgehen und sich anpassen zu können. Vorhandensein und Aufbau
von Schemata manifestieren sich in verschiedenen Arten des Lernens, die in verschiedenen Kontexten aktiviert werden, verschiedene Lernresultate implizieren und
mehr oder weniger Energie benötigen (vgl. Illeris 2003, S. 402).
104
"Die Tendenz zur Adaption kann umschrieben werden als die angeborene Tendenz
eines jeden Organismus, sich an seine Umgebung anzupassen. Diese Adaptionstendenz besteht aus zwei Komponenten bzw. zwei komplementären Prozessen: Assimilation und Akkommodation" (Mönks; Knoers 1996, S. 149), vgl. Abb. 3.
Sie wird im nachfolgenden Unterkapitel beschrieben, ehe im Anschluss eine weitere
Form der Kategorisierung von Lerntypen durch Bateson präsentiert wird.
4.2.2.1 Die Lernmodelle von Jean Piaget (1975) und Knud Illeris (2010)
Die Grundlage für eine Unterscheidung von Assimilation und Akkomodation (vgl.
Abb. 3) legte Piaget (vgl. Piaget 1975), die Begriffe sind auch grundlegend für die
Erkenntnistheorie des Radikalen Konstruktivismus (vgl. von Glasersfeld 1997).
ASSIMILATION
Intern
Extern
1. Angeborenes Schema:
Greifen und Saugen
2. Handlungen in Übereinstimmung
mit vorhandenem Schema
Veränderung des vorhandenen Schemas
4. Neue Wissensstruktur (Schema) sorgt von nun an dafür,
dass mit dem Ball als „Springding“ verfahren wird
3. Umgang mit Ball
als“Saugding“: neue Informationen, da der Ball
fällt und zurückspringt
dadurch
AKKOMODATION
Abb. 3: Assimilation und Akkomodation (Mönks; Knoers 1996, S. 152)
Assimilation bedeutet, dass Umwelterfahrungen mithilfe bereits vorhandener kognitiver Strukturen (der Schemata) bewältigt werden können. Dabei wird eine Information
so verändert, dass sie in ein vorhandenes Schema eingefügt werden kann (vgl.
Zimbardo 1992, S. 66). Denn „assimilieren heißt, das Objekt je nach der eigenen
Handlung und dem eigenen Gesichtspunkt, also in Funktion eines ‚Schemas‘ zu mo105
difizieren" (Piaget 1975, S. 348). Findet der umgekehrte Vorgang statt und wird ein
Schema an eine Situation oder einen Gegenstand angepasst, so bezeichnet Piaget
dies
als
Akkomodation
(vgl.
Oerter; Montada 1998, S. 548).
Auslöser
einer
Akkomodation ist nach Maturana/Varela eine Perturbation, eine wahrgenommene
Störung,
die
durch
einen
äußeren
Reiz
verursacht
wird
(vgl.
Matura-
na; Varela 1987, S. 108). Bei der Akkomodation werden „die Schemata selbst verändert, um der Information angemessen zu sein oder um nicht zu anderen Schemata
oder der Gesamtstruktur in Widerstand zu stehen" (Zimbardo 1992, S. 66). Ziel der
Akkomodation ist die Annäherung an einen Gleichgewichtszustand, den Piaget als
Äquilibrium bezeichnet (vgl. Piaget 1975, S. 207):
„Der Impuls zur Differenzierung bestehender Strukturen, zu ihrer inneren Koordination oder Integration, also zum Aufbau immer komplexerer Strukturen erfolgt
aus der Erfahrung eines ‚Ungleichgewichtes‘, das sind fehlschlagende Assimilationsversuche, Widersprüche zwischen verschiedenen Assimilationsversuchen,
kognitive Konflikte" (Oerter; Montada 1998, S. 553f).
Illeris baut auf Piagets Ansätzen auf, ergänzt diese aber um zwei weitere Stufen:
Durch kumulatives Lernen werden die ersten Elemente eines neuen Schemas etabliert, zu dem Einflüsse der Umgebung in Beziehung gesetzt werden können. Es findet dann statt, wenn die Lernenden zuvor noch kein entsprechendes Schema ausgebildet hatten (vgl. Illeris 2010, S. 50). Insbesondere findet es im Rahmen der
Schulbildung statt, wenn etwa mathematische Formeln eintrainiert werden. Außerhalb der Schule findet es sich vor allem bei der Entwicklung motorischer Fähigkeiten
wie Radfahren. Im späteren Leben wird kumulatives Lernen nur mehr in speziellen
Fällen angewendet, etwa beim Auswendiglernen einer Telefonnummer (vgl.
Illeris 2010, S. 50). Die Ergebnisse kumulativen Lernens können nur in der ursprünglichen Lernsituation ähnlichen Situationen wieder abgerufen und benützt werden,
denn kumulatives Lernen ähnelt einer Dressur, bei der durch einen speziellen Impuls
oder Reiz eine gewollte Reaktion hervorgerufen wird (vgl. Illeris 2010, S. 51), bzw.
den bereits oben als für Nachhaltigkeitsprobleme ausgeschlossenen Lernformen der
Konditionierung und des Instruktionalismus (vgl. 4.2). Daher ist kumulatives Lernen
als Strategie in einer durch flüssige Strukturen und hohe Flexibilität gekennzeichne-
106
ten Welt wenig geeignet. „Die größte Bedeutung dieser Lernform liegt darin, dass sie
den Beginn von etwas anderem markiert“ (Illeris 2010, S. 51).
Die Assimilation hingegen stellt Illeris in einen erweiterten Zusammenhang.
Assimilatives Lernen bzw. Lernen durch Hinzufügung ist seiner Auffassung nach die
am häufigsten auftretende Form des Lernens. Dabei wird ein neues Element als Hinzufügung mit einem bereits vorhandenen Schema oder Muster verbunden (vgl. Illeris
2003, S. 402). Durch die Verknüpfung mit bzw. durch „Weiterentwicklung der verschiedenen, durch früheres Lernen erworbenen Schemata“ wird der bestehende Erfahrungs- und Fertigkeitsschatz ausbaut (vgl. Illeris 2010, S. 51). Als Ergebnis dieser
Art des Lernens entstehen
„Kenntnisse und Fähigkeiten, die relativ leicht auf der Lernsituation ähnliche Bereiche übertragen werden können. (…) Assimilatives Lernen bezieht sich also auf
eine kontinuierliche Entwicklung, die neue Erkenntnisse integriert und stabilisiert“
(Illeris 2010, S. 52).
Es ist an bestimmte mentale Schemata geknüpft und nicht dafür geeignet, mit sich
schnell ändernden Gegebenheiten zurande zu kommen. Denn manchmal lassen sich
Probleme oder Erfordernisse nicht mithilfe bereits vorhandener Schemata lösen.
Wenn diese Probleme oder Erfordernisse aber wichtig genug sind, werden andere
Lösungswege eingeschlagen.
Einer dieser Wege ist das ebenfalls von Piaget beschriebene akkomodative Lernen
(Dazu und zum Folgenden Illeris 2010, S. 52). Dabei geht es darum, (zumindest Teile) bereits vorhandene(r) Schemata zu verändern oder gar zu zerstören und neu aufzubauen, um mit der neuen Situation umgehen zu können. Man gibt also zugleich
etwas Althergebrachtes auf und schafft etwas entscheidend Neues oder Unterschiedliches. Dieser Prozess kann als anstrengend und schmerzvoll empfunden
werden und bedarf jedenfalls psychischer Energie (vgl. Illeris 2003, S. 402). Das Ergebnis dieses Lernprozesses sind neue Schemata, die wiederum in verschiedenen
Kontexten angewandt werden können. Hier findet eine Rückkopplung in das
assimilative Lernen statt. Denn akkomodativem Lernen liegen sehr individuelle Verhaltensweisen und Auffassungen zugrunde, weswegen die Ergebnisse sogar bei
scheinbar eindeutig logischen Problemen (wie etwa in der Mathematik) unterschiedlich sein können. Da die neuen Schemata individuell geprägt sind, beeinflussen sie
107
auch die Art und Weise, in der das Individuum in Zukunft assimilativ lernt (vgl.
Illeris 2010, S. 53). Akkomodation kann mit einem gewissen „Heureka“-Effekt sehr
plötzlich eintreten; es können aber auch länger dauernde Prozesse vonstatten gehen. Im Prinzip ähnelt das akkomodative Lernen damit abduktiv-wissenschaftlichen
Prozessen (vgl. 2.2).
Doch es gibt Situationen, in denen das Individuum auch mit akkomodativem Lernen
nicht das Auslangen finden kann. Für diese Fälle wurde eine Reihe von Lernkonzepten entwickelt, die zwar von der wissenschaftlichen Verortung her durchaus unterschiedlich sind wie transformatives (vgl. Mezirow 1991), expansives Lernen (vgl.
Holzkamp 1995; Engeström 1999), transitives (vgl. Alheit 1993) oder signifikantes
Lernen (vgl. Rogers 2012). Ihnen allen ist aber ein Aspekt gemeinsam: Hier werden
kognitive, emotionale und soziale Dimensionen von bereits erlernten Schemata verändert, um in als krisenhaft empfundenen Situationen adäquat reagieren zu können.
Diese Situationen erfordern, dass sich das Individuum selbst verändert, um weiterzukommen (vgl. Illeris 2010, S. 57). Von dieser Art des Lernens kann zudem die ganze
Persönlichkeit betroffen sein, und nicht bloß das „Wissen“ erweitert werden. Daher
kann dieser Prozess, ähnlich der schöpferischen Zerstörung bei Schumpeter (vgl.
5.2.1), durchaus als unangenehm empfunden werden.
4.2.2.2 Lernebenen bei Gregory Bateson (1982)
In anderer Weise als Piaget und ihm folgend Illeris definiert Bateson Lernkategorien
bzw. -ebenen in Anlehnung an die Theorie der logischen Typen von Whitehead und
Russell (vgl. Bateson 1981, S. 363). Demnach gibt es Zusammenhänge zwischen
Lernsituationen, die in so genannten Lernebenen repräsentiert sind. Dabei bezieht
sich eine Lernebene immer auf den Lernkontext der darunterliegenden Ebene (vgl.
Bateson 1981, S. 362ff). Bateson bestimmt vier Kategorien bzw. Ebenen des Lernens:

Lernen Null ist die unterste Form, die primitivste Art des Lernens. Sie kommt
beim Menschen nur näherungsweise als stereotype Reaktion auf einen Reiz vor,
etwa als Lernen „von der Werkssirene, daß es zwölf Uhr ist“ (Bateson 1981, S. 368). Lernen 0 ähnelt dem kumulativen Lernen, wie es Illeris beschreibt.
108

Lernen I (Eins) findet auf einer komplexeren, übergeordneten Ebene statt: Typisch dafür sind das klassische und operante Konditionieren des Behaviorismus,
bei denen das Individuum lernt, auf einen Reiz in neuartiger Weise zu reagieren
(vgl. Bateson 1981, S. 371). Lernen I enthält Elemente des kumulativen Lernens,
ähnelt aber dem assimilierenden Lernen nach Piaget bzw. Illeris.

Lernen II (Zwei, auch Deutero-Lernen) ist wiederum auf einer höheren Aggregationsebene angesiedelt und ist eine Interpretation von Lernen (vgl. Bateson
1981, S. 380ff). Es hat zu tun mit der Konstruktion bzw. der Assimilation von
Vorstellungen, Modellen bzw. Schemata, wie sie Piaget definiert. Es beinhaltet
aber auch schon wesentliche Elemente der Akkomodation.

Lernen III (Drei) ist nochmals eine Ebene abstrakter. Hier werden eigene Konstruktionen infrage gestellt, Konstruktionen werden modifiziert und teilweise auch
massiv verändert (vgl. Bateson 1981, S. 392ff). Die Vorgänge auf dieser Ebene
bezeichnen Piaget und im Besonderen Illeris als akkomodativ und vor allem
transformativ.
Gemeinsam ist all diesen Lernkategorisierungen, dass sie die Basis für Nachhaltigkeitslernen bilden, wie in den nachfolgenden Kapiteln dargestellt wird.
4.3 Lernen für Nachhaltigkeit und nachhaltiges Lernen
Aus den grundlegenden Erkenntnissen über das Lernen lassen sich Hinweise für das
Lernen für Nachhaltigkeit ableiten. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung definiert
als Ergebnis der Lernprozesse die so genannte Gestaltungskompetenz als Fähigkeit,
„Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden und Probleme nicht nachhaltiger
Entwicklung erkennen zu können. Das heißt, aus Gegenwartsanalysen und Zukunftsstudien Schlussfolgerungen über ökologische, ökonomische und soziale
Entwicklungen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit ziehen und darauf basierende Entscheidungen treffen, verstehen und individuell, gemeinschaftlich und politisch umsetzen zu können, mit denen sich nachhaltige Entwicklungsprozesse verwirklichen lassen“ (de Haan et al. 2007, S. 12).
Sie unterscheiden hier zehn Teilkompetenzen der nachhaltigen Bildung:
1. „Weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen
109
2. Vorausschauend denken und handeln
3. Interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln
4. Gemeinsam mit anderen planen und handeln können
5. An Entscheidungsprozessen partizipieren können
6. Andere motivieren können, aktiv zu werden
7. Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren können
8. Selbstständig planen und handeln können
9. Empathie und Solidarität für Benachteiligte zeigen können
10. Sich motivieren können, aktiv zu werden“ (De Haan et al. 2007, S.12).
Hier wird die Nachhaltigkeitskompetenz also in Teilkompetenzen zerlegt, deren Verhältnis zueinander bzw. deren Wechselwirkungen von de Haan et al. ebensowenig
hinterfragt werden, wie Rost (2008) dies in einer ähnlichen Aufzählung tut. Er definiert die Aspekte der für nachhaltige Bildung erforderlichen Gestaltungskompetenz in
Anlehnung an die Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz nach De Haan 2007
und ebenso an die oben dargestellten sieben Facetten des Kompetenzbegriffes von
Weinert 1999 als

Wissen aufbauen, Methoden erkennen

Etwas verstehen und beurteilen

Fähigkeit zu Empathie und Solidarität

Konflikte bewerten, darstellen, erklären

Erfahrung haben und zum Perspektivenwechsel befähigt sein

Aktiv werden: Handeln, Planen, Partizipieren, Entscheiden

Sich und andere motivieren (vgl. Rost 2008, S. 61f).
Um den durch die vielen Aufzählungen verwirrenden und wenig handhabbaren Begriff des Nachhaltigen Lernens praktisch handhabbar zu machen, weist ihm Sterling
daher (vgl. Sterling 2008, S.65) vier Deskriptoren zu:

“sustaining” (aufrecht erhaltend) - Nachhaltiges Lernen hilft, Menschen, Gemeinschaften und Ökosysteme aufrechtzuerhalten

verteidigungsfähig – Nachhaltiges Lernen basiert auf ethischen Grundprinzipien,
Integrität, Gerechtigkeit, und Respekt.

gesund – Nachhaltiges Lernen entwickelt sich als emergentes System mit funktionierenden Beziehungen, die ihm beim Überleben helfen.
110

dauerhaft – Nachhaltiges Lernen bewährt sich in der Praxis so gut, dass es dauerhaft angewendet wird.
Ein grundlegendes Prinzip kennzeichnet aber jedenfalls alle Formen nachhaltigen
Lernens: die Flexibilität. Diese Flexibilität muss im Prinzip sogar soweit gehen, dass
zum Zweck des Lernens geschaffene Gemeinschaften auch dann am Leben erhalten
werden, wenn ihre Mitglieder schon lange vom Lernen im engeren Sinne zum Anwenden der erworbenen Kompetenzen übergegangen sind
(vgl. Sloep et
al. 2011, S. 217). Die ehemaligen Lerngemeinschaften weisen mit der Zeit die Charakteristika von gewollt losen, sich selbst organisierenden Praktikergemeinschaften
auf, auf die der Begriff „Netzwerk“ besser zutrifft (vgl. Wiley & E. K. Edwards 2002).
Denn in aller Regel setzen sich letztere aus mehreren, einander überlappenden Gemeinschaften zusammen, die ständig einer Veränderung unterworfen sind und mehr
oder weniger die Kennzeichen von Lern- und von Praktikergemeinschaften aufweisen (vgl. Sloep et al. 2011, S. 217). Diese Gemeinschaften treffen unter bestimmten
Umständen aufeinander, denen im nächsten Kapitel nachgegangen wird.
4.4 Umstände des Lernens: Tragfähige Konzepte für nachhaltiges
Lernen
Nachhaltigkeitsorientiertes Verhalten bzw. die daraus erwachsenden Lernprozesse,
können von einer breiten Basis verschiedener Theorien wie Pädagogik, Psychologie,
Soziologie,
Kulturwissenschaften
aus
interpretiert
werden
(vgl.
Ballantyne; Uzzell 1999, S. 3). Bildung für eine nachhaltige Entwicklung wird oft als
Prozess des Erwerbs von Wissen, Werten und Theorien verstanden, die in Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung stehen. Doch sie geht darüber hinaus, denn
sie will auch die Denkweisen der Lernenden im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung
ändern und ihre Bereitschaft steigern, sich aktiv einzubringen.
In ihrer theoretischen Konzeption bezeichnen Ballantyne und Packer Nachhaltigkeitslernen als sinnstiftenden Prozess, der mehrere Bereiche umfasst (Ballantyne; Packer 2005, S. 9) :

Die Ausweitung und Vertiefung des individuellen Wissens um Nachhaltigkeitsbelange,

Gesteigertes Bewusstsein, Engagement und Sorge für Nachhaltigkeitsthemen,
111

Die Entwicklung von zunächst zumindest Absichten, individuelle Handlungen zu
setzen, die die Umwelt postiv beeinflussen, bzw. negative Handlungen zu unterlassen.

Änderungen hin zu einem nachhaltigeren Lebensstil.
Um dauerhaften, bedeutsamen und effektiven Wandel in Bezug auf Nachhaltigkeitsideen zu erzielen, schlagen sie die Anwendung einer ganzen Reihe von Strategien
vor, wie man das Wissen, die Einstellungen, Werte und Verhaltensorientierung der
Lernenden in einem ganzheitlichen Ansatz ansprechen kann (vgl. dazu 8). Denn je
attraktiver, interessanter und vergnüglicher ein Thema oder eine Aufgabe sind, desto
eher führen sie zu mehr Aufmerksamkeit, größerer Konzentration und Lernbereitschaft (vgl. Ballantyne; Packer 2005, S. 9). Lernprozesse sind auch massiv biographisch beeinflusst, denn „sie beziehen sich auf kulturell und historisch bedingte Inhalte und Probleme. Lernbedingungen sind wichtiger als Lernmechanismen. Gefühle
und Interessen spielen in ihnen eine bedeutende Rolle“ (Schulze 2005, S. 44).
Die derzeit meist praktizierten Lernformen bilden diese Sicht der Bildung allerdings
nur teilweise ab (vgl. Fien, Maclean, & Park 2009; Lotz-Sisitka 2006; Tilbury 2011, S.
23). Die Pädagogik befasste sich über einen langen Zeitraum in erster Linie mit vordefinierten Orten, in denen strukturierte Lernprozesse stattfinden: Schule, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Kurse etc. Heute aber stellen viele Autor/innen das formale, an Bildungseinrichtungen und Curricula gebundene Lernen infrage, indem sie beginnen, eine Lernauffassung zu hinterfragen, die davon ausgeht, dass man jemanden dazu bringen könnte, das zu lernen, was gelernt werden soll (vgl. Linde 2008, S.
74ff).
Dieses Kapitel zeigt mögliche Veränderungen konventioneller Lernschemata auf.
Diese Veränderungen betreffen weniger den lernproess als sloches, sondern die
„Umstände“ des Lernens – ähnlich wie im grammatischen Adverbiale – und damit
Fragen, wo gelernt wird, wer bestimmt, was gelernt wird sowie welche Motive und
welche Zwecke dem Lernen zugrunde liegen.
4.4.1 Orte des Lernens: Formelles, non-formales und informelles Lernen
Lernprozesse können zunächst unterschieden werden nach dem Ort, an dem sie
stattfinden. Die Orte des Lernens geben
112
„substanziell Auskunft über das Wechselspiel (gesellschaftlichen) Strukturen und
der Formung von (subjektiven) Aneignungsprozessen. Lernorte können diesbezüglich als kollektive Formationsprozesse gesehen werden, die explizit Erfahrungszusammenhänge gestalten“ (Egger 2008, S. 22).
Lernen in dieser Form erfolgt daher an vielen Orten oft unbewusst und wird oft nicht
einmal als solches erkannt – man spricht dann von „informalem“ Lernen (vgl.
Overwien 2005). Die Europäische Kommission unterscheidet formales, non-formales
und informelles Lernen wie folgt (vgl. Europäische Kommission 2001, S. 9, 33ff).

Formales Lernen findet in der Regel in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung statt. Es ist aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden im Hinblick auf
Lernziele, Lerndauer und Lernmittel strukturiert und führt zur Zertifizierung, also
dem Erwerb einer Art von Zeugnis.

Non-formales Lernen findet zwar nicht in Bildungs- oder Ausbildungseinrichtungen statt und führt in der Regel auch nicht zu einer Zertifizierung. Dennoch ist es
aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden strukturiert im Hinblick auf auf
Lernziele, Lerndauer und Lernmittel.

Informelles Lernen findet im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der
Freizeit statt. Es ist nicht strukturiert im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer oder
Lernmittel und führt in der Regel auch nicht zu einer Zertifizierung. Obwohl informelles Lernen zielgerichtet sein kann, ist es jedoch meist nichtintentional (inzidentell oder beiläufig).3 Dohmen (vgl. Dohmen 2001, S. 18ff) differenziert informelles und inzidentelles (implizites) Lernen noch weiter danach, dass letzteres
ein unbewusstes Nebenprodukt anderer Tätigkeiten sei. Dieser Unterscheidung
wird hier nicht gefolgt.
Die Begriffserklärung macht deutlich, dass nicht die Lernprozesse selbst im Zentrum
dieser Unterscheidung stehen, sondern die mehr oder minder formellen Lernumgebungen (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 10ff). Die meisten Menschen unternehmen
3
Eine
Auflistung
von
Definitionen
informellen
Lernens
findet
sich
bei
(Blings 2008, S. 67ff).
113
im Rahmen ihres Alltagslebens eine Vielzahl unstrukturierter Lernaktivitäten und erwerben beabsichtigt oder nebenbei Wissen, Verständnis und Kompetenzen: im gesellschaftlichen Umgang mit anderen, bei der Ausübung von Freizeitinteressen, bei
der Arbeit, bei Hausarbeit und Beschäftigung mit der Familie oder bei Aktivitäten, die
sich mit Kultur, Religion oder Politik befassen (vgl. McGivney 2006, S. 11).
Im anglo-amerikanischen Raum hat sich für diese Form des Lernens auch der Begriff
des “Free-Choice Learning” etabliert, um auf die informellen Orte hinzuweisen, an
denen diese Form des Lernens stattfindet (vgl. Ballantyne; Packer 2005, S. 3). Falk
und Dierking sind der Meinung, Free-Choice Learning sei überhaupt die häufigste Art
des Lernens, für das sich Menschen engagieren, weil es freiwillig, selbstbestimmt
und von individuellen Bedürfnissen und Interessen angeleitet erfolge. Daher sei auch
erklärlich, dass es außerhalb der Strukturen von Schulen, Universitäten oder Arbeitsplätzen erfolge (vgl. Falk & Dierking 2002, S. 9).
In ähnlicher Weise hat sich auch die Diskussion um das informelle Lernen im deutschen Sprachraum entwickelt: Definiert man Lernen als Wandel oder Weiterentwicklung der Fähigkeiten oder des Verständnisses eines Menschen, müssen diese informellen Lernaktivitäten in Alltagssituationen unbedingt mit betrachtet werden (vgl.
McGivney 2006, S. 19). Denn gerade im Rahmen solcher Aktivitäten können explizite
Lernbedürfnisse und Lerninteressen erkannt werden (vgl. Düx, Sass, Prein, & Tully
2008, S. 124). Dies wiederum ist nur möglich, wenn sich die Individuen in einem Klima von Kooperation und gegenseitigem Vertrauen bewegen können.
Wesensmerkmal des informellen Lernens ist (vgl. dazu und im Folgenden Livingstone, 1999, S. 68f und Overwien, 2009, S. 24ff), dass es sich außerhalb Bildungseinrichtungen, Lehrgängen oder Workshops quasi beiläufig („inzidentell“) abspielt, auch
nicht von diesen finanziert wird und dass es ohne die Einbeziehung von speziell mit
der Vermittlung von Wissen betrauten Lehrenden stattfindet. Auch Ballantyne und
Packer betonen, dass die Bedürfnisse und Interessen der Lernenden hier von größerer Bedeutung sind als die Vorstellungen und Bedürfnisse einer externen Autorität
(vgl. Ballantyne & Packer 2005, S. 3): Die (allein oder in Gruppen) Lernenden bestimmen selbstständig über Ziele, Inhalt, Mittel, Prozesse und Dauer des Wissenserwerbs sowie die Bewertung der Ergebnisse und der Anwendungen.
114
Informelle Lernprozesse finden durch innere (intrinsisch) oder äußere (extrinsisch)
Faktoren ausgelöst mehr oder minder zufällig statt. Falk und Dierking hingegen betonen, dass Free-Choice Learning per definitionem intrinsisch und daher stärker und
konstanter sei (vgl. Falk & Dierking 2002, S. 40). Insbesondere Erfahrungen, die das
Individuum macht, können zum Lernen beitragen: Erfahrungen können in Reflexionen eingebunden werden und so zu Erkenntnis führen. Dazu müssen die Handlungen aber in den Kontext von Problemen, Herausforderungen und Ungewissheiten
eingebunden sein, über die der/die Lernende reflektieren kann, um aus den Ergebnissen dieser Reflexion zu lernen (vgl. Dehnbostel 2000, S. 103f). Dadurch kommt es
zu einem induktiven Prozess der Reflexion und (Re-)Aktion (vgl. Marsick & Volpe
1999, S. 90). Das informelle Erfahrungslernen bedarf aber wiederum einer Stärkung
der (Selbst-)Reflexionsfähigkeit der Individuen (vgl. Marsick & Volpe 1999, S. 91).
Diese Stärkung der Reflexionsfähigkeit ist dem Empowerment (vgl. 7.2) zuzurechnen, dadurch wird es möglich, dass auch inzidentelles Lernen in gewisser Weise
zielgerichtet ablaufen (vgl. Marsick & Watkins 1990, S. 28f).
Das informelle Lernen unterscheidet sich von Alltagswahrnehmungen und allgemeiner Sozialisation dadurch, dass die Lernenden es bewusst als Wissenserwerb erleben (vgl. Livingstone 1999, S. 68f). Es kann unterstützt werden, indem die Aufmerksamkeit der Individuen bewusst auf die Lernprozesse gelenkt wird, das Umfeld auf
Gelegenheiten für Lernen geprüft und Zeit und Raum zum Lernen geschaffen werden. Durch diese Eingriffe kann jedoch informelles Lernen rasch in formelles Lernen
übergehen (vgl. Overwien 2009, S. 27).
4.4.2 „Promotoren“ des Lernens: Selbst- und fremdgesteuertes Lernen
Eine zweite Unterscheidungsmöglichkeit von Lernprozessen bezieht sich auf die
Frage, ob Lernen selbst- oder fremdgesteuert erfolgen soll. In den letzten Jahren ist
ein intensiver Diskurs um die Frage entbrannt, wer bestimmt bzw. bestimmen kann,
welche Lerninhalte von den Lernenden in welcher Form gelernt werden (sollen) – mit
anderen Worten, wer die Promotoren des Lernens sind.
Kritiker/innen fragen hier vor allem,
115
„ob mit dieser Konjunktur des Lernbegriffs die Lernenden tatsächlich stärker in den
Mittelpunkt gerückt werden (oder ob nicht …) vielmehr (…) das Lehrhandeln in
das Lernhandeln ‚hinein projiziert‘ (wird)“ (Faulstich; Ludwig 2008, S. 10ff).
In dieser Denktradition belehrt sich einE „guteR“ LernendeR selbst, macht den/die
„traditionelleN“ Lehrenden überflüssig und macht den/die „neuen“ LehrendeN
zum/zur InitiatorIn und ArrangeurIn selbstbestimmten Lernens (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 10). Bildung würde in diesem Szenario der persönlichen Entfaltung
durch Aneignung von Wissen dienen und wäre „Voraussetzung des Erkennens und
des
Verwirklichens
der
eigenen
Lebensinteressen
der
Individuen“
(Fauls-
tich; Ludwig 2008, S. 10f).
Dazu aber bedarf es eines neuen Zugangs zum Lernen, und dies impliziert eine Abkehr von traditionellen Lernparadigmata, in denen Lernen als abhängige Variable
gesteuert und gestaltet werden kann: Um den Bedürfnissen der lebensbegleitend
Lernenden zu entsprechen, müssen zunächst die Lernkontexte neu gestaltet werden:
Sie dürfen nur ein Minimum an Hemmnissen und Zwängen im Hinblick darauf aufweisen, wer teilnimmt und welche Tätigkeit ausgeführt wird. Zugleich benötigen sie
Flexibilität im Hinblick darauf, welche Instrumente eingesetzt werden (oder nicht.)
Genau dieser Zugang ist erst teilweise umgesetzt. Mehrere Autor/innen versuchen,
die Dichotomie grundlegend verschiedener Zugänge zum Lernen und Lehren zu
strukturieren: So sind Sloep et al der Meinung, dass sich das System der Wissensvermittlung (vor allem in Universitäten und Weiterbildungseinrichtungen) gegenwärtig
an einer Art „Push-Modell“ orientiert. Diese Einrichtungen meinen zu erkennen, welches Wissen und welche Ausbildung notwendig sind, und stellen diese zur Verfügung. Propagiert man aber ein nachfrageorientiertes „Pull-Modell“, muss man konventionelle Zugänge zu Wissen hinterfragen und dabei auch die traditionellen Grenzen von Ausbildungseinrichtungen überschreiten hin zu lebensbegleitendem Lernen
(vgl. Sloep et al. 2011, S. 218). Dieses bedarf einer Verschiebung von einem Fokus
auf das Unterrichten als Übertragung von meist universitärem disziplinärem Wissen
hin zu einem Lernen, das der Erfahrung der Lernenden und praktikergeneriertem
Wissen mehr Bedeutung beimisst (vgl. Edwards 1997, S. 6), vgl. dazu auch Tab. 6.
116
Lernen als
Transformation (Angebot)
Adaption (Nachfrage)
Reflexiver Umgang
Wie verändert sich das Wissensangebot im Prozess der
Lernhandlung und wie wirkt
dies auf die "Wissensdarbietung" zurück?
Welchen Bedarf an reflexivem
Wissen produziert das Praxisfeld
des Lernenden und wie verändern
sich seine Begründungsstrukturen?
Um- Nach welchen Kriterien wählen
Lernende aus und welche
Formen des angebotenen
Wissens werden in das Vorwissen integriert?
Wie wird Wissen aus der biographischen Perspektive des/der
Lernenden und seiner/seines Praxisfeldes heraus neu konstituiert
und zum Common Sense?
Strategischer
gang
Perspektive
Wissensangebot wirkt auf Le- Lebens- und Berufspraxis des
bensund
Berufspraxis Lernenden bestimmt Wissensandes/der Lernenden
gebot
Tab. 6: Übersicht über Formen lebensbegleitenden Lernens nach (Dewe; Weber 2007, S. 29) in
Anlehnung an (Wexler 1981)
Daraus lässt sich folgern, dass es starke Parallelen zwischen Wissensvermittlung
und dem bereits in 2.1 beschriebenen neuen Zugang zur Wissensgenerierung gibt:
Ebenso wie es Mode-1 und Mode-2 Forschung gibt, gibt es auch eine Art von „Mode1“ und „Mode-2“ Teaching. Ersteres ist lehrendenzentriert und stellt auf die „Genialität und Unfehlbarkeit“ des/der Lehrenden ab, letzteres ist lernendenzentriert, beachtet deren Bedürfnisse und bezieht vor allen deren Erfahrungen und Kenntnisse als
Grundlagen in das Lernkonzept mit ein. Im gleichen Maße verliert auch die Vermittlung von disziplinärem Wissen an Bedeutung, so wie in der Mode-2 Forschung interund transdisziplinäre Bezüge wichtig werden. In Nachhaltigkeitsgruppen findet Lernen eher in diesem Mode-2-Lernkontext statt (Edwards 1997, S. 9), vgl. Tab. 7
Vom
Zum
Weitergeben von Wissen
Durchdringen zur Wurzel der Themen
Unterrichten v. Einstellungen und Werten
Fördern einer Klarstellung von Werten
Betrachten der Menschen als Problem
Betrachten der Menschen als Motoren des
Wandels
Senden von Nachrichten
Führen von Dialogen & (Ver-)Handlungen
Verhalten als Experte/-in: formal & autori- Handeln als PartnerIn: informell & gleichwertig
117
tär
Erwecken von Aufmerksamkeit
Verändern der mentalen Modelle, die Entscheidungen & Handeln beeinflussen
Ändern von Verhalten
Konzentrieren auf strukturellen & institutionellen Wandel
Tab. 7: Veränderungen des Lernens, bearbeitet nach (Tilbury 2011, S. 25)
4.4.3 Motive des Lernens: Interessengetriebenes, expansives Lernen
Eine dritte Möglichkeit der Unterscheidung von Lernprozessen bezieht sich auf die
dem Lernen zugrunde liegenden Motive. Lernen, das im eigenen Lebensinteresse
begründet ist, steht im Zentrum des Werks von Holzkamp:
„Lernsprünge, wie wir sie verstehen, vollziehen damit nicht sich als Annäherungen
an einen irgendeinen außengesetzten Endzustand, sondern werden von mir als
Lernsubjekt vollzogen, indem ich während des Versuchs der Überwindung einer
bestimmten Lernproblematik (…) ‚gute Gründe‘ habe, ein ‚prinzipiell‘ höheres Niveau
lernenden
Gegenstandszusammenhanges
zu
realisieren“
(Holzkamp 1995, S. 245).
Als „expansives Lernen“ bezeichnet er eine Erweiterung subjektiver Erfahrungs- und
Lebensmöglichkeiten (vgl. Holzkamp 1995, S. 217), die er von einem von außen gesteuerten Lernen abgrenzt. Expansives Lernen erfordert einen Übergang von außengesteuertem Verhalten zu eigengesteuertem Handeln, von einem „Black-BoxSchema“ zu einer neuen Form sozialen Handelns (vgl. 8.3) und von einem kausalanalytischen Bedingtheitsdiskurs zu einem „hermeneutischen Begründungsdiskurs,
der auf Verstehen abzielt“ (Faulstich; Ludwig 2008, S. 12ff). Holzkamp unterscheidet
defensive und expansive Lernmotivationen: Erstere wollen durch Lernen eine Gefährdung/Verschlechterung der Lebensqualität verhindern und finden sich laut
Holzkamp oft im schulischen/universitären Kontext (Angst vor einer negativen Sanktion in Form einer schlechten Note). Bei letzteren richtet sich die Anstrengung
des/der Lernenden auf das Erlangen von Handlungsfähigkeiten, über die er/sie momentan nicht verfügt, auf „subjektive Ausweitung der gesellschaftlichen Verhältnisse“
(Egger 2008, S. 25),
von
denen
der/die
Lernende
sich
eine
Verbesse-
rung/Erweiterung der Lebensqualität verspricht (vgl. Holzkamp 1995, S. 190).
„Expansivität wird also vom Subjektstandpunkt aus im Interesse der lernenden Per118
son gesehen und nicht in der Außenperspektive als aufgezwungenes Lernen. Das
Individuum wird zum ‚Intentionalitätszentrum‘“ (Mikula 2008, S. 67).
Die Hauptmotivation für Lernen in dieser expansiven Sicht liegt auf dem so genannten „intentionalen Lernen“ als einer Form sozialen Handelns, die dann zur Anwendung kommt, wenn alltägliche Handlungsroutinen scheitern und eine Diskrepanz
zwischen dem offenbar wird, was man kann, und dem, was man können möchte/müsste, um ein bestimmtes Problem zu bewältigen (vgl. Faulstich & Ludwig 2008,
S. 21ff). Hier offenbart sich auch die Relevanz dieses Ansatzes im Hinblick auf
Nachhaltigkeitsgruppen: Der/Die Lernende setzt Lernhandlungen, weil er/sie erwartet, durch das Lernen die eigenen Interessen besser erfüllen zu können.
„Alle Handlungen – also auch Lernhandlungen – sind kognitive und zugleich emotionale Einheiten psychischer Aktivität. Von der emotionalen Befindlichkeit des
Subjekts hängt es letztlich ab, ob Erfahrungen als Diskrepanz wahrgenommen
oder unter Bekanntes subsumiert werden. Ob eine Lernhandlung ausgegliedert
wird, hängt somit vom Bedeutungs- und Begründungszusammenhang des Subjekts ab, der die sachlich-gegenständliche Seite seiner emotionalen Befindlichkeit
darstellt“ (Faulstich 2005, S. 539).
Interessant ist hier der Aspekt, „dass ich von meinem Standpunkt aus nicht begründet gegen meine eigenen Interessen (wie ich sie wahrnehme) handeln kann“
(Holzkamp 1995, S. 26). Das liefert einen ersten Hinweis darauf, warum Mitglieder
der Nachhaltigkeitsgruppe sich in erster Linie für die Erreichung der eigenen Interessen einsetzen, nicht so sehr für die Interessen anderer (vgl. Faulstich & Ludwig 2008,
S. 24ff).
4.4.4 Zwecke des Lernens: Instrumentelles und intrinsisches Lernen
Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit von Lernprozessen, nach deren Zweck,
findet vor allem in den Diskursen über nachhaltige Bildung Anwendung. Sterling (vgl.
Sterling 2010, S. 515) unterscheidet zwischen einer instrumentellen und einer intrinsischen Sichtweise nachhaltiger Bildung. Die instrumentelle Sicht setzt den Zweck in
den Mittelpunkt, Wissen für eine nachhaltige Entwicklung in den Köpfen der Menschen zu verankern. „Wirkung“ und „Effekt“ sind dabei die wesentlichen Ziele, die
zentrale Frage hierbei ist, welchem Zweck das Lernen dient. Diese instrumentelle
119
Perspektive des Nachhaltigkeitslernens ist also in behavioristischer Weise auf die
Vermittlung von Inhalt fokussiert. Sterling selbst vergleicht sie mit Bateson’s Lernen I
(vgl. 4.2.2).
Demgegenüber betont die intrinsische Sichtweise den Prozess des Lernens (vgl. Tilbury 2011, S. 7), also die Qualität des Lernens und Lehrens, und befasst sich vor
allem mit der Frage, was Bildung sei. „Lernen bedeutet hier vorwiegend ein Einfinden
in einen äußeren Rahmen von Bedingungen und Zielen und nicht ein Bearbeiten der
augenblicklich erreichbaren subjektiven Handlungsfähigkeiten und den möglich biografisch bedeutsamen Zielen“ (Egger 2008, S. 27). Es geht auch darum, kritische
Fragen zu stellen, seine eigenen Werte zu hinterfragen, sich nachhaltigere und positivere Zukunftsszenarien vorzustellen, systematisch zu denken, durch angewandtes
Lernen auf Probleme zu reagieren und zu lernen, den Grat zwischen Tradition und
Innovation zu beschreiten – ein typisch konstruktivistischer Ansatz (vgl. Tilbury 2011,
S. 8). Letztlich sollen durch intrinsisches Lernen selbstreflektierte und auf das Treffen
von Entscheidungen in komplexen und wenig vorhersagbaren Situationen gut vorbereitete Individuen hervorgebracht werden. Die UNESCO anerkennt, dass eine Nachhaltige Entwicklung eine Verschiebung der mentalen Modelle erfordert, die unser
Denken strukturieren und unsere Entscheidungen und Handlungen beeinflussen (vgl.
UNESCO 2009). Dieser Ansatz nimmt daher Bezug auf Bateson’s Lernen II (vgl. 4.1.
sowie Sterling 2010, S. 516). Tab. 8 stellt die wesentlichen Merkmale der beiden Ansätze gegenüber.
Position
Behavioristisch/ instrumentell
Konstruktivistisch/ informell
Ontologie
Realistisch
Idealistisch
Epistemologie
objektivistisch/ positivistisch
konstruktivistisch/ interpretativ
Wissensbegriff
Universal
Kontextbezogen
Lerntheorie
Unterrichtend/ instruktiv
Konstruktivistisch
Funktion der Umwelt-/ Mindern, abschwächen
Nachhaltigkeitsbildung
Entwickeln, vorantreiben
Hauptmotivation
Wirkungen (auf die Umwelt)
Lernerfahrungen (des Individuums)
Zentraler Ansatzpunkt
Erwerb von Wissen, Werten, Schaffung von Bedeutung
Fähigkeiten
120
Sucht nach
Verhaltenswandel
Aufbau von Potentialen und
Selbstentwicklung
Reflektiert
Instrumentelle Werte
Intrinsische Werte
Pädagogischer Ansatz
Wissensübertragung/instruktivistisch
Transaktion/Transformation/konstruktivi
stisch
Beabsichtigte Änderung
Integration (Umweltverantwor- Autonomie (das Individuum
tung)
als Entscheidungsträger)
Intrinsische Probleme
Objektivismus, kritische Refle- Relativismus, Zielorientiertheit
xion kann fehlen
kann fehlen
Tab. 8: Fundamentale Orientierungen, die die Nachhaltigkeitsbildung beeinflussen (Quelle:
Sterling 2004, S. 53).
Grundsätzlich sieht Sterling bei beiden Extremen der Nachhaltigkeitsbildung mögliche Probleme: Instrumentelle Nachhaltigkeitsbildung kann zu sehr auf Vermittlung
von Methoden und Kompetenzen fixiert sein und damit kritische Reflexion vermissen
lassen. Intrinsische Nachhaltigkeitsbildung kann die Reflexion zu sehr in den Vordergrund stellen und, angesichts der Dringlichkeit ökologischer Probleme, zu wenig
konkretes Anwendungswissen vermitteln. Ideal ist daher eine Mischung aus beiden
eben referierten Positionen. All diese Erkenntnisse fließen ein in das nächste Unterkapitel, in dem Gruppen als mögliche Orte dargestellt werden, an denen Lernprozesse stattfinden können.
4.5 Gruppen als Orte des Lernens
Auch wenn die Bedachtnahme auf persönliche Faktoren eine Grundvoraussetzung
des lebenslangen Lernens ist, so sind Lernprozesse des Individuums doch eingebunden in kollektive Lernprozesse (vgl. Schulze 2005, S. 44). Bei der Schaffung eines geeigneten Lernumfeldes spielen Lernkameraden/Mitlernende eine wichtige Rolle. Obwohl man sich bewusst sein muss, dass nicht für jedes Individuum dieselbe
Form von kollektivem Lernen geeignet ist (vgl. Sloep et al. 2008, S. 14), gibt es doch
sogar Belege dafür, dass gemeinschaftliches Lernen dem individuellen überlegen ist,
vor allem dann, wenn es in einem sozialen Umfeld stattfindet, das den reflektierenden
Dialog
und
die
Zusammenarbeit
fördert
(vgl.
Chap-
man; Ramondt; Smiley 2005, S. 22 und die dort zitierte Literatur).
121
Dies bedeutet allerdings nicht, dass regelmäßige oder gar ständige face-to-faceKontakte möglich oder sogar erwünscht sind. Im Gegenteil sind Sloep et al. der
Ansicht, dass Lerngemeinschaften oder -gruppen recht offen angelegt sein sollen,
„with a minimum of constraints as to who participates and what business is conducted and a maximum of flexibility as to the tools used and not used” (Sloep et
al. 2008, S. 14). Sie beziehen diese Aussage vor allem auf Gruppen, die sich aus
ursprünglich „echten“ Lerngemeinschaften (z. B. einer Gruppe von Teilnehmer/innen
an einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Seminarreihe) entwickeln.
Wenn diese die neu erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in ihrer Alltagspraxis
umsetzen und so zu Praktiker/innen werden, bleiben sie innerhalb der ehemaligen
„Gruppe“ oftmals lose miteinander verbunden, um sich auszutauschen und so weiterhin voneinander zu lernen. Man spricht in diesem Fall von sogenannten „Communities of Practice“ (vgl. 6.4.3), die durchaus netzwerkartige Beschaffenheit aufweisen
(vgl. Sloep et al. 2008, S. 15). Auch wenn diese Form des Gruppenlernens in der
Regel eher durch Selbstorganisation entsteht, so können zwischen der Struktur der
Gruppe bzw. des Netzwerks und deren/dessen Wachstum und Dauerhaftigkeit
durchaus Wechselwirkungen bestehen. So werden in Bezug auf manche speziellen
Anliegen „ad hoc transient groups“ entstehen, die sich nach Beendigung des Anliegens wieder auflösen (vgl. Andriessen 2006; Berlanga et al. 2008; Sloep 2009). Die
Kommunikation geraden zwischen den Mitgliedern solcher Gruppen erfolgt in den
letzten Jahren aber zunehmend virtuell. Das folgende Unterkapitel baut auf den bisher beschriebenen Parametern des Lernens auf und versucht eine erste Annäherung
an das lernen, wie es in Nachhaltigkeitsgruppen stattfindet.
4.6 Lernen in der Nachhaltigkeitsgruppe
In diesem Unterkapitel werden viele Aspekte des Lernens und der Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen angerissen, die in den nachfolgenden Kapiteln vertieft und interdisziplinär mit Wissen aus anderen Disziplinen ergänzt und vernetzt werden. Es handelt sich daher bei den Aussagen meist um rudimentäre Zusammenfassungen.
Grundlegender Ausgangspunkt ist die Aussage der OECD, dass “Sustainable Development and social cohesion depend critically on the competencies of all of our population – with competences understood to cover knowledge, skills, attitudes and val122
ues” (OECD 2001, S. 2). Daher ist es zielführend auf allen gesellschaftlichen Ebenen
den Erwerb von Kompetenzen durch Individuen und Gruppen von Menschen voranzutreiben. Auf Ebene der (lokalen) Gemeinschaft weist jede gemeinschaftliche Aktion
insofern eine starke Bildungsdimension auf, als die daran beteiligten Menschen in
einen fortgesetzten Prozess eingebunden sind, in dem Fertigkeiten entwickelt, Wissen erworben und Erfahrungen reflektiert werden. Doch Lernen ist in der Regel nicht
das vorrangige Motiv für Menschen, sich in irgendwelchen Aktionen bzw. Aktivitäten
zu engagieren (vgl. 4.4.3), sondern das vorrangige Ziel ist die jeweilige Aktion oder
Aktivität selbst bzw. der dadurch angestrebte Zweck. Wir lernen also oft nicht um des
Lernens willen, sondern ganz beiläufig, wenn wir einen ganz anderen Zweck verfolgen (vgl. McGivney 2006, S. 13).
Elsdon et al. (Elsdon; Reynolds; Stewart 1995, S. 47ff) zeigen, dass in fast allen
Freiwilligenorganisationen auf lokaler Ebene neben ihrem eigentlichen Zweck eine
erstaunliche Menge und Intensität an Lernaktivitäten und Einstellungsänderungen
ablaufen. Diese Art von Lernen bezeichnen sie als „nicht-vorsätzlich“ und nicht durch
Regeln festgelegt. Ebenso wie Lernen eine wesentliche Dimension der Aktivität vieler
Freiwilligen- und Gemeindegruppen darstellt, sondern nebenher erfolgt und oft ein
Nebenprodukt anderer Aktionen ist, (vgl. McGivney 2006, S. 13) sind die meisten
Arten von Nachhaltigkeitsgruppen nicht bewusst dafür angelegt, Bildung zu vermitteln, sondern Lernen ist ein Nebeneffekt. Wenige Ausnahmen bestätigen in diesem
Fall die Regel – so dienen etwa die zu den Nachhaltigkeitsgruppen zählenden Urban
Gardening Initiativen oft dazu, den Mitgliedern Kompetenzen im Bereich Gartenbau
zu vermitteln (z. B. die Berliner Prinzessinnengärten).
In ihrer Publikation für die UNESCO meint Tilbury (vgl. Tilbury 2011, S. 20), dass Bildung für Nachhaltige Entwicklung die Aufmerksamkeit auf zwei wichtige und oft miteinander in Beziehung stehende Prozesse lenke: Zusammenarbeit und Dialog. Im
Mittelpunkt von Bildung für nachhaltige Entwicklung stünden daher häufig Kooperationsprozesse, die darauf gerichtet sind, Fähigkeiten zu maximieren und das Lernengagement im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung zu vergrößern. Schließlich könne
Bildung für Nachhaltige Entwicklung über Prozesse, die Zusammenarbeit und Dialog
fördern, auch dazu beitragen, die persönliche Beteiligung der Menschen an nachhal-
123
tiger Entwicklung und ihre Problemlösungsfähigkeiten zu stärken (vgl. Tilbury 2011, S. 20) und sie damit zu lebensbegleitendem Lernen anregen,
Die Implikationen zur Teilnahme an lebensbegleitenden Lernprozessen können auf
verschiedenen Ebenen analysiert werden (vgl. Sloep et al. 2011, S. 208). Auf der
Mikroebene des Individuums betrachtet man Parameter wie Motivation, Wahrnehmung und Intention (vgl. 8.4). In diese integriert man Determinanten des unmittelbaren Lebensumfeldes wie Familie oder soziales Netzwerk, um die Barrieren oder Neigungen zur Teilnahme an Lernaktivitäten bestimmen zu können. Lernen beginnt also
beim Individuum (persönlicher Kontext), bezieht andere mit ein (soziokultureller Kontext) und findet „irgendwo“ statt (Physischer Kontext) (vgl. Folke et al. 2002, S. 36f).
Diese Aspekte werden durch Engagement in einer Nachhaltigkeitsgruppe abgebildet:
Menschen entwickeln ein Interesse an einer bestimmten Sache (persönlicher Kontext), versuchen sich die Hilfe anderer (eventuell bereits erfahrener) Menschen bei
der Erfüllung dieses Interesse zu sichern (soziokultureller Hintergrund), vgl. 5.5. Den
„Ort“ für die Erfüllung ihres Interesses finden sie in der jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppe.
“So führen Greenpeace Aktivisten aus, wie Themen generiert werden, indem sie
zunächst von Einzelnen bearbeitet werden und anschließend in der Gruppe gemeinsam diskutiert werden, um dann in Aktionen zu münden“ (Düx et
al. 2008, S. 124).
Das erfordert aber die Vermittlung von Bildung in Form des Dialogs mit den Lernenden: Aktions- oder handlungsorientierte Bildung – ob sie nun in einem formalen Setting oder informell abläuft - konfrontiert die Menschen mit den tatsächlichen Gegebenheiten ihres Umfeldes, ermöglicht ihnen die Bewertung der Ereignisse in ihrer
Umgebung und hilft ihnen, eine Neuorientierung zu verlangen und sich selbst dafür
zu engagieren (vgl. Fagan 1996, S. 137). Neben dem Erwerb der Fähigkeiten und
Kompetenzen zu (auf Nachhaltigkeitsziele gerichtetem) geplantem Handeln muss
den Menschen aber auch die dazu nötige Macht zugestanden werden. Die Vermittlung von Kompetenzen und Macht wird im Zusammenhang mit dem Empowerment
diskutiert (vgl. 7.2). Nur unter diesen Bedingungen ist ein dauerhaftes Bestehen von
Nachhaltigkeitsgruppen möglich.
124
Dieses erfordert aber noch eine weitere Voraussetzung: Wie wir über die Gesellschaft, Umwelt und Wandel denken, beeinflusst den ökologischen und gesellschaftlichen Wandel und umgekehrt (vgl. 6 und 9). Jedoch bedeutet das nicht zwangsweise
eine direkte Kausalität im Hinblick auf unser Handeln: Denn unser Wissen über Zusammenhänge ist oft unvollständig oder fehlerhaft und wird durch Kultur, Institutionen oder unsere Sozialisierung beeinflusst (vgl. Scott; Gough 2003, S. 44ff). In der
Praxis entstammen die Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe verschiedenen sozialen, politischen etc. Hintergründen und haben im Laufe ihrer Sozialisation auch
durchaus unterschiedliche Schemata entwickelt. Daher bringen sie verschiedenste
Ansätze, Interessen und Kompetenzen in die Nachhaltigkeitsgruppe ein. Die Gruppe
lebt davon, dass sie Kompetenzen erwirbt und erweitert. Die verbindende Klammer
ist jedoch die gemeinsame Idee – eine (wenn vielleicht auch etwas diffuse) Vorstellung von Nachhaltigkeit (vgl. 5.6.1). Sie ermöglicht es, die verschiedenen „Kompetenzen“, die die einzelnen Individuen einbringen, zueinander in Verbindung zu setzen, sie systemisch und systematisch (vgl. 5.1) zu „vernetzen“ und so Lernprozesse
zu initiieren. Auch wenn jemand geht, bleiben die Kompetenzen (zumindest zum Teil)
unter dem Schirm der Idee erhalten. Doch nicht nur der Hintergrund bzw. der Ausgangspunkt des Lernens ist individuell unterschiedlich, auch die Ergebnisse der in
der Gruppe ablaufenden (informellen) Lernprozesse: Wo die Mitglieder der Gruppe
herkommen, welchen Bildungs- und sozialen Hintergrund sie haben und welche Motive sie treiben, beeinflusst die Art und Weise, in der die Individuen neue Erfahrungen
an ihre Schemata assimilieren. Doch assimilatives Lernen bildet nur die Grundlage,
auf der das Arbeiten der Gruppe funktionieren kann. In einer instabilen, flüssigen
Gesellschaft (vgl. 6) reicht dies nicht aus, sondern andere Formen des Lernens müssen ergänzend dazu treten. Im Rahmen akkomodativer Lernprozesse entwickeln daher die Gruppenmitglieder neue Schemata oder beginnen, wenn die Rahmenbedingungen völlig neue Schemata erfordern, sich selbst zu verändern und transformativ
zu lernen (vgl. 4.2.2).
Die organisatorische Konstante in der Nachhaltigkeitsgruppe ist der Gruppenkern,
also diejenigen Menschen, die tatsächlich länger in der Gruppe verbleiben und die
Idee über einen längeren Zeitraum hinweg mit Leben erfüllen (vgl. 5.5): Menschen,
die die Gruppe verlassen, hinterlassen ihre Vorstellungen und Werte, aber auch ihre
Fertigkeiten und Fähigkeiten sowohl im Kern der Nachhaltigkeitsgruppe selbst als
125
auch potenziell in den Gruppenkernen der Issue Gruppen (vgl. Kempton et
al. 2001, S. 565), vgl. 5.6.2. Es werden sowohl formale (z. B. das Know-How, wie
man einen Antrag im Gemeinderat stellt, eine Vortragsreihe organisiert, eine bürgerfinanzierte Photovoltaikanlage auf die Beine stellt etc.), als auch inhaltliche Kompetenzen wie Ideale und Werte weitergegeben. Diese dienen der Gruppe als Grundlage
ihres Tuns.
Da die meisten Menschen innerhalb einer bestimmten Denkweise sozialisiert sind,
die es ihnen erschwert, sich für andere Denkweisen zu öffnen, muss das Lernen in
Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen notwendigerweise interdisziplinär ausgerichtet sein
(vgl. 2.1). Auch sind Nachhaltigkeitsthemen von großer Unsicherheit gekennzeichnet.
Diese wiederum kann man nur teilweise aufheben, indem man Annahmen trifft und
„Modelle“ entwickelt. Dadurch aber riskiert man, wesentliche Zusammenhänge zu
übersehen. Umso wichtiger ist es, verschiedene Denkperspektiven einzubringen (vgl.
Scott; Gough 2003, S. 32). Dies kann in einer Nachhaltigkeitsgruppe durch die oben
beschriebenen Zusammenhänge besser gewährleistet werden als durch eineN EinzelneN.
Zusammenfassend kann man mit Sterling die folgenden Charakteristika von Lernen
in Nachhaltigkeitsgruppen sehen (vgl. Sterling 2008, S. 65).

Nachhaltigkeitsgruppen leisten durch ihre Arbeit einen Beitrag dazu, Gemeinschaften und Ökosysteme aufrechtzuerhalten, denn sie setzen sich mit genau
diesen Themen auseinander und bringen sich darin ein.

Die Grundidee der Nachhaltigkeitsgruppen ist es, ethisch korrekt, integer und vor
allem im Hinblick auf die Partizipation im gesellschaftlichen System zu arbeiten
und umgekehrt in basisdemokratischer Weise alle Interessierten an der Gruppe
teilhaben zu lassen. Dies spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie in einer
Nachhaltigkeitsgruppe (informell) gelernt wird.

Nachhaltiges Lernen entwickelt sich als emergentes System. Es ist auch eine
grundlegende Eigenschaft von (Nachhaltigkeits-)Gruppen, dass innerhalb eines
emergenten Systems mit funktionierenden Beziehungen, die ihm beim Überleben
helfen, gelernt und gearbeitet wird: Dass es Beziehungen zwischen Menschen
gibt und ein “Mehrwert” über diese Beziehungen hinaus entsteht, der auch dann
126
bestehen bleibt, wenn einzelne Akteur/innen oder auch Themen sich ändern, die
aber auch den einzelnen Akteur/innen Nutzen (im Sinne von neu erworbenen
Fertigkeiten, Kompetenzen oder Einsichten) über die Dauer ihres Engagements
für die Gruppe hinaus bringen.

Nachhaltigkeitsgruppen sind von ihrem Selbstverständnis her auf Dauer angelegt. Nachhaltigkeitsgruppen bleiben bestehen, auch wenn sich Themen und
Mitglieder ändern. Lernen wird daher in Nachhaltigkeitsgruppen ebenfalls dauerhaft stattfinden.
4.7 Empirische Befunde über Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen
In diesem abschließenden Kapitel über das „Lernen an sich“ in Nachhaltigkeitsgruppen, werden die Aussagen der Interviewpartner/innen der empirischen Untersuchung
in Zusammenhang mit den Lerntheorien gesetzt. Die Methodik der Arbeit ist so konzipiert, dass im Interviewkonzept für die empirische Untersuchung Fragen zum Thema Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen nicht enthalten sind. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Interviewpartner/innen sich zu diesem Thema spontan äußern sollten,
um einen klassischen Grounded Theory Zugang zu ermöglichen. Daher enthalten die
Aussagen, die im Nachfolgenden kodiert werden, keine direkten Erklärungen über
das Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen; vielmehr erschließen sich die Zugänge der
Interviewpartner/innen zum Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen auf einer Meta-Ebene.
Man kann also aus Aussagen zu anderen Themen entnehmen, wie die Interviewpartner/innen das Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen sehen.
4.7.1 Zu den Dimensionen des Lernens
In der theoretischen Ausarbeitung werden Dimensionen des Lernens definiert, die
einerseits situative, von der Umwelt abhängige Faktoren betreffen, anderseits persönlichkeitsbedingte Variablen. Illeris unterteilt in soziale, kognitive und emotionale
Faktoren. Die Interviewpartner/innen machen im Wesentlichen Aussagen zu den drei
Dimensionen.
Bei den situativen Faktoren werden vor allem andere Menschen betreffende, sowohl
förderliche wie auch nachteilige Faktoren identifiziert. So meint eine Interviewpartnerin, dass das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen oft scheitert
127
„einfach aus Zeit- und Ressourcenmanagement und auch an den fehlenden beruflichen und privaten, familiären Strukturen, um zu arbeiten und die die nötige Sicherheit und Ordnung bringen, um die unruhigen inneren Fragen und Stimmen zur
Ruhe kommen lassen“ (Paula S. 4 24-27).
Praktischere Probleme identifiziert ein anderer Interviewpartner zum Projekt der
Energieeffizienausbildung für Haushalte:
„Da wurden Mails nicht weitergeleitet, weil der Administrator nicht will, man kann
Sachen zum Beispiel kann man ganze Computer nicht in den Energiesparmodus
stellen, weil der Administrator nicht will, dass das geändert wird; never change a
running system. Da haben wir bald gemerkt, wie schwierig so was sein kann. Im
Konkreten hat sich gezeigt, dass das Ganze doch etwas zu groß war, etwas zu
ambitioniert, aber war auch sehr lehrreich“ (Roman S. 2 11-16).
Und eine weitere Interviewpartnerin fragt:
„(W)ie will man Wissensmanagement machen, wenn die Menschen nur hie und da
ihre email lesen, ihre Aufgaben nur sporadisch erledigen, zu den Veranstaltungen
nicht kommen, zu den Organisationstreffen nicht kommen und sich dann hinterher
beschweren, dass sie nicht informiert wird? Ich habe in den letzten drei jahren
sehr viel über schwankende Veranstaltungsformen und Organisationen gelernt.
Das bringt harte Erfahrungen im Umgang mit Menschen innerhalb einer Organisation“ (Sophie S. 2 10-16).
Dem setzt eine andere Interviewpartnerin gegenüber, dass ihre Arbeitspartner/innen
„alles Leute (seien), die ich bedingungslos und loyal in ihrer Schrägheit und Klugheit schätzen gelernt habe. So wie wir oft auch aneinander geraten sind. Die leben
gar nicht alle in Berlin. Es sind alles relativ zufällige Begegnungen; auf einer Konferenz mal oder bei einer Performance. Das ist ganz komisch. Es war oft nur einen
Blick, ein Wort oder einen Spruch und ich habe mir gedacht: Wir sollten uns mal
weitersprechen“ (Paula S. 4 36-41)
und weiter:
„3+x war für mich die intensivste Phase, weil es für mich so eine Kollektivität gab.
Mit den beiden habe ich 6 Jahre lang zusammengearbeitet und das war auch sehr
128
schön, weil mich beide kein einziges Mal enttäuscht haben, und das habe ich nie
wieder erlebt. Das war großartig und auf einer Qualitätsebene, wo ich beiden
100%ig vertraut habe“ (Paula S. 6 25-29).
Doch sieht ein Befragter Grenzen für das Engagement auch in den beschränkten
Ressourcen der Engagierten:
„Es gab Wochen, da bin ich auch drei Mal in der Woche in Nachhaltigkeitsgruppen
drin und habe diskutiert, was man noch alles machen kann. Montags Uni-Solar,
mittwochs Sparkampagne und dann donnerstags noch einmal über die Themenreihe reden. Das war dann auch viel, viel, viel zu viel“ (Roman S. 7 37-40).
Und er setzt fort:
„Ein anderer Aspekt ist auch die neue Gestaltung des Studiums. Früher hatten die
Studenten mehr Freiheiten, heute sind sie wesentlich mehr eingeengt. Sie fragen
sich, ich kann in meiner eingeschränkten Freizeit kaum Sport einbringen, wie soll
ich da Zeit für Ehrenamtliches haben? Die Aktiven, die es heute gibt sind Studenten, die nach dem alten Studienplan studieren, teilweise auch solche, die an ihrer
Diss arbeiten, Leute, die vielleicht auch schon mit der Uni fertig sind und sich noch
einem Projekt verpflichtet fühlen oder es sind Leute, die kurz vor dem Bachelor
stehen und damit mehr Freiräume haben oder die im Master stehen und damit
mehr Freiräume haben“ (Roman S. 6 22-30).
Einschränkungen dieser Art, zu denen auch berufliche Verpflichtungen wie Arbeitsortwechsel oder Familiengründungen zählen, sind eher als direkte Umfeldfaktoren zu
werten. Dazu gehören nach Meinung der Interviewpartner/innen Aspekte wie das
Finden von Räumen, der Zugang zu Medienkanälen und deren Finanzierung sowie
überhaupt die Finanzierung, die teilweise als eher mühsam empfunden wird: Teilweise werden kleinere Projekte wie das Jugendprojekt in Kreuzberg von Stiftungen oder
der Bundesregierung mit kleineren Geldbeträgen unterstützt. Die studierendenbasierte Nachhaltigkeitsgruppe des Rates der Sachverständigen unterstützte über eineinhalb Jahre lang nur die Koordinatorin mit einem Betrag von 500 Euro und stellte
10.000 Euro für die sonstige Finanzierung bereit. Der „ÜberLebensKunstKlub“ wurde
hingegen voll von staatlichen Einrichtungen finanziert, was sich aber offenbar wieder
negativ auf die Motivation auswirkte, und die Nachhaltigkeit bzw. Dauerhaftigkeit die129
ser Initiative wurde von mehreren Interviewpartner/innen eher skeptisch eingeschätzt
(wie man mittlerweile weiß zu Recht, denn nach zwei Jahren sind von der Initiative in
Berlin keine Spuren mehr vorhanden). Mit Ausnahme der Kuratorin hier gab es in
keiner der untersuchten Nachhaltigkeitsgruppen hauptamtlich tätige Mitarbeiter/innen. Doch gibt es Unterstützung in finanzieller und nicht-finanzieller Form für
viele der Gruppen. Die studentischen Initiativen an den Universitäten werden meist
von Instituten unterstützt, indem Räume zur Verfügung gestellt werden, auch nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen (wie GEPA ®)4 unterstützen die Initiativen etwa
mit kleinen Geschenken für Vortragende. Auch andere Initiativen bekommen gratis
Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt (wie die Social Bar oder der Jour fixe der
Nachhaltigkeitsgruppen) oder können Kommunikationsmöglichkeiten (Annoncen,
Ankündigungen in Printmedien etc.) nutzen. Nur ein verschwindend kleiner Teil hebt
Mitgliedsbeiträge ein, die dann nicht sehr hoch sind. Allerdings ist es für manche Projekte in den Gruppen nötig, einen Verein zu gründen, entweder um Fördergelder zu
erhalten oder, wie beim Solarprojekt an der Freien Universität, überhaupt als Vertragspartner auftreten zu können.
Die Interviewpartner/innen sprechen aber auch die intrapersonellen Faktoren des
Lernens an. Im Hinblick auf die kognitive Dimension, den Transfer von Wissen, meint
ein Interviewpartner:
„Wenn es eher so einen Stammtischcharakter hat, dann reicht das aus meiner
Sicht das Nurbiertrinken nicht aus, da muss etwas Inhaltliches dazu“ (Heinrich S. 2
8-10).
Und die Tiroler Interviewpartnerin ergänzt:
„Neue Leute kann man nur halten, indem man sie beschäftigt, indem man ihnen
Aufgaben und Möglichkeiten gibt, sich selber einzubringen. Mit der Frage: Was ist
denn Thema, was ist dir wichtig was möchtest du tun?“ (Anna S. 9 34-36).
Im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsgruppe des Rates der Sachverständigen meint
eine andere Interviewpartnerin:
4 Das ist eine Fairtrade-Handelsgesellschaft
130
„So gab es viele unterschiedliche Faktoren, die das Projekt erfahrungsreich gemacht haben. (…) Wir wussten, dass wir sehr wohl Prozessverluste hatten und
damit auch mit der Arbeit nicht 100%-ig zufrieden waren“ (Jasmin S. 2 23, S. 7
13).
Das entspricht dem Austausch von Know-How, der in diesem Fall offenbar nicht zur
vollsten Zufriedenheit der Beteiligten geklappt hat. Doch die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen sind meist bestrebt sich zu verbessern und zu lernen, wie ein Kommentar einer anderen Interviewpartnerin belegt:
„Wir haben dann angefangen, unsere Kommunikation, unsere Homepage zu
verbessern, einen Newsletter zu machen“ (Paula S. 1 28-29).
Doch sie ist sich auch im Klaren,
„dass es sehr zeitaufwändig, organisations- und kommunikationsaufwändig ist“
(Paula S. 5 35).
Denn, wie eine andere Interviewpartnerin ergänzt, die Menschen, die neu zu einer
Nachhaltigkeitsgruppe stoßen oder eine (wie im konkreten Fall eine Social bar) neu
gründen wollen, müssen sehr vieles lernen:
„Die müssen nicht nur lernen, wie man Facebook benutzt und wie man twittert,
sondern es geht auch um die Wandlung von Organisationsstrukturen“ (Sophie S. 1
26-28).
Ein anderer Interviewpartner erzählt über das Kreislaufwirtschaftsprojekt im Berliner
Ausländerbezirk Zehlendorf:
„(W)ir haben uns die Kernaufgabe vorgenommen, kann man eine autarke Kreislaufwirtschaft in einer solchen Region in Verbindung mit dem Land hochziehen“
(Stefan S. 1 27-29).
was die Vermittlung von großen Mengen an entsprechendem Know-How voraussetzt, ebenso wie das Energiesparprojekt der Berliner Umweltpsychlogiestudierenden, die nicht nur selbst Wissen über Energiesparen erwerben müssen, sondern
auch noch Möglichkeiten und Wege entwickeln, wie dieses Wissen effektiv an die
Zielgruppe „Migrant/innen“ weitergegeben werden kann. Doch nicht nur die Zielgruppen lernen im Rahmen der Aktivitäten von Nachhaltigkeitsgruppen, auch die Trä131
ger/innen der Gruppen selbst lernen viel, wie eine Interviewpartnerin auf den Punkt
bringt:
“Ich habe in den letzten drei Jahren sehr viel über schwankende Veranstaltungsformen und Organisationen gelernt. Das bringt harte Erfahrungen im Umgang mit
Menschen innerhalb einer Organisation“ (Sophie S. 2 13).
Damit ist auch schon die emotionale Dimension des Lernens in Nachhaltigkeitsgruppen angesprochen, die Energie, Gefühle und Motivation umfasst. Diese Dimension
halten die Interviewpartner/innen für besonders wichtig, wie eine Interviewpartnerin
direkt auf den Punkt bringt:
„Auf jeden Fall muss es auch Spaß machen“ (Sophie S. 4 32).
Von Spaß sprechen auch andere Interviewpartner/innen, sehen dabei aber auch
noch andere Akzente:
„Mir liegt daran, mit anderen Menschen Spaß zu haben, mit anderen Menschen
etwas auf die Beine zu stellen und mit ihnen etwas verändern zu wollen. (…) Das
macht Spaß, weil dann da immer wieder neue Projekte, die sich vorstellen kommen, da ergeben sich Synergien“ (Amanda S. 1 35-41).
Hier geht es um den Spaß, den die Initiatorin empfindet, ihren Idealismus, aber auch
um den Spaß, den andere beim Umsetzen des Kochtütenprojektes haben sollen.
Dies betont auch ein anderer Interviewpartner:
„Man muss immer mehr darauf schauen, dass ein Unterhaltungswert dabei ist,
was man tut, weil das Bindungsenergie erzeugt. Wir machen gemeinsame Freizeitgestaltung“ (Stefan S. 6 19-21).
Und ein dritter Interviewpartner folgert
„Der erfolgreichste Trick war, sie relativ schnell mit einer Aufgabe zu beglücken.
Also eine sehr einfache Aufgabe geben, dass sie das Gefühl hatten, sie sind dabei
und tun was“ (Heinrich S. 1 36-38).
Das reflektiert wiederum der erste Interviewpartner:
„Das ist nicht Führen durch Anweisung, sondern da müssen Faszination und Vision oder Utopie, da müssen die Leute sehen: ah! Wir haben die gleiche Idee, denselben Traum, an dem wir arbeiten, und wie bringe ich mich da gerade ein. (…) Es
132
muss etwas dabei sein, wo die Leute sagen: Das ist nicht nur der Sache geschuldet, sondern dem Unterhaltungswert einer Veranstaltung“ (Stefan S. 3 23-27).
Zentral ist hier allerdings nicht das „Wir-Gefühl“ bzw. die Kohäsion, sondern eher das
Gefühl, sich für eine gute Sache einzusetzen:
„Wir waren alle unheimlich stolz darauf, dass wir gegenseitig uns irgendwie gestützt haben und dass die Leute auch dabeigeblieben sind“ (Jasmin S. 7 14-15).
Eine andere Interviewpartnerin bestärkt diesen Eindruck:
„Wichtig ist, gesegnet zu sein mit Ideen und Neugier und das zusammen zu ziehen für einen Moment, dass es Sinn macht, eine Aktion zu machen“ (Paula S. 1618).
Doch sie ist sich auch bewusst, dass negative Emotionen ein Engagement zum Erliegen bringen können:
„Das habe ich am Anfang moderiert und losgestoßen, aber ich habe mich später
nicht mehr so wohlgefühlt und nicht mehr gelernt dabei. Und habe mich auch gar
nicht mehr darauf gefreut, dahin zu gehen. Es wurde zu einer Pflicht und deshalb
bin ich dann rausgegangen“ (Paula S. 6 19-22).
Zwischen der emotionalen und der sozialen Ebene des Lernens angesiedelt sind
Befunde zu Konflikten in den Gruppen, denn
„wenn Menschen mit verschiedenen Meinungen aufeinander treffen, gibt es eine
Krise. Diese Krisen sind vorprogrammiert“ (Anna S. 10 16-17).
Allerdings gehen die Meinungen zu Nutzen und Gefahren von Konflikten durchaus
auseinander: Eine Interviewpartnerin ist der Meinung,
„es gab zu wenig Konflikte. Ich habe das Gefühl, dass wir oftmals allzu sehr in der
Wohlfühl-Soße waren, obwohl wir wussten, dass einiges falsch läuft und alle unzufrieden sind mit dem Widersinn ihrer eigenen Handlungen, mit dem Wissen, um
das richtige Tun im Falschen und überfordert sind mit dem alltäglichen Entscheidungen mit den alltäglichen Fragen“ (Paula S. 7 3-7).
und eine andere meint sogar:
133
„In der Krise entstehen oft versteckte Beleidigungen. Es ist dann wichtig, dass
man Eitelkeiten, Beleidigungen, die oft durch Missverständnisse entstanden, sind
anspricht. Dann kommt wieder eine neue Dynamik in die Gruppe, weil man dann
beginnt, die Tagesordnung umzustellen oder etwas anders zu machen als vorher.
In jeder Krise besteht die Chance, neu zu beginnen und damit neuen Schwung zu
erhalten“ (Anna S. 11 10-12).
Doch die meisten empfinden die Konflikte als belastend:
„Anfangs wo wir uns gegenseitig kennengelernt haben. Das hat letztendlich zu total viel Misstrauen geführt. (…) Konflikte haben Vorrang, wenn die auftauchen und
die kann man nicht hintenan stellen. Das war ein teures Treffen, weil wir aus ganz
Deutschland kamen und (…) man hat genau gemerkt, dass es keine Chance gab.
Wir mussten unsere Missverständnisse aufarbeiten“ (Jasmin S. 2 12-13, S. 5 2223, S. 5 24-25).
Doch nicht nur Konflikte können auftreten, die Interviewpartner/innen geben auch
Befunde darüber ab, dass sich die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen
„gegenseitig aus dem Motivationsloch herausholten. Weil wir gegenseitig gemerkt
haben, ob es jemanden gut ging und nicht mehr so aktiv war. Dann wurden Mails
geschrieben und gegenseitig ausgetauscht, wie geht es dir denn und so. Das hat
sich mit der Zeit so ergeben, dass es von unterschiedlichen Leuten ausging. Ich
hatte auch schon einmal ein Motivationsloch und dann kamen meine Projektkolleg/innen und sagten: ‚Mensch so ein tolles Projekt und so und das hat unheimlich
gut getan. (…) Wo ich auch keine Angst haben muss, dass die mich im Stich lassen, wenn sie plötzlich auch viel zu tun haben. So gab es viele unterschiedliche
Faktoren, die das Projekt erfahrungsreich gemacht haben“ (Jasmin S. 6 6-12, S. 2
22-24).
Der Kontakt in den Nachhaltigkeitsgruppen läuft zu einem großen Teil virtuell ab,
doch auch dabei ist es wichtig,
„dass man den persönlichen Kontakt pflegt. Das heißt auch, dass man Persönliches einbringt, dass man am Anfang eines Telefonates auch über persönliche
Dinge quatscht“ (Jasmin S. 5 13-15),
da
134
„es wichtig ist, dass man sich gegenseitig wertschätzt“ (Jasmin S. 5 11).
Die virtuelle Kommunikation bringt jedoch viele Vorteile, denn etwa
„(w)enn man neue Mitarbeiter hat, muss der die Möglichkeit haben, Fragen zu
stellen und dass diese relativ flott und nett beantwortet werden“ (Sophie S.4 3032).
wozu die Kommunikation über Internet, etwa zeitversetzt über emails und Foren,
durchaus Vorteile bietet. So beschreibt eine Interviewpartnerin den Einstieg in die
Social Bar:
„Die wesentlichen Informationen findet er auf der Homepage. Dann soll er sich an
Info@socialbar wenden. Dann bekommt er die erste socialinfo mail. Dann erfolgt
ein Telefonat. Er bekommt eine Emailadresse und eine Wiki-Seite eingerichtet, mit
der er dann arbeiten kann“ (Sophie S. 6 8-11).
Auch beim Jour fixe der Nachhaltigkeitsgruppen läuft ein großer Teil der Kommunikation über email und auch facebook. Aber auch zufällige Bekanntschaften von Kongressen werden eingeladen oder mögliche Teilnehmer/innen während der Treffen
vorgeschlagen. Hier, wie in den meisten Gruppen, zeigt sich, dass Kommunikation
und Kontakte meist sehr informell erfolgen. Dazu erzählt eine Interviewpartnerin:
„Es gab keinen Gruppenvertrag zwischen den Initiativen. Den haben wir irgendwann gemacht, aber das war erst nach Monaten, als klar war, wir brauchen so
was. Oder wir hätten so was schon vorher gebraucht. Am Anfang war alles informell zwischen einzelnen Leuten“ (Jasmin S. 3 16-19).
„Auch erfolgreiche Veranstaltungen tragen zum Zusammenhalt bei und wenn die
Menschen kommen, sich wohl fühlen und sagen: Das ist eine tolle Veranstaltung,
dann sagen sich die Mitarbeiter: Wow das ist eine gute Veranstaltung und ich trag
es mit“ (Stefan S. 4 32-35).
4.7.2 Zu den Lernformen
Die empirische Untersuchung zeigt, dass in Nachhaltigkeitsgruppen Lernen in ähnlicher Form vonstatten geht wie in anderen Lernkontexten. Die wesentliche Lernform
ist das assimilative Lernen, also das Anpassen von (neuen) Kontexten an schon vorhandene Schemata, bzw. das Lernen II nach Bateson. Bekannte Schemata überträgt
135
etwa die Interviewpartnerin aus der Tiroler Gemeindegruppe auf neue Kontexte, indem sie beschreibt, wie Anfragen aus Issuegroups unterstützt werden, indem man
ihnen hilft
„zum Beispiel Podiumsdiskussionen zu starten oder Unterschriften leisten, Medienarbeit zu unterstützen, Plakate und Transparente bezahlen. (…) Wir würden sie
mit Geld und Erfahrung unterstützen; auch in der Medienarbeit“ (Anna S. 7 17-19).
Ähnlich ist die Erfahrung des Umweltpsychologen, der aus seinem Erfahrungsund Wissenshintergrund das Projekt zum umweltverträglichen Handeln aufgesetzt
hat und
„da eine Kampagne initiiert für zwei Fachbereiche, die wollten wir miteinander vergleichen und die bekommen eine Intervention und die andern nicht. Ein typisches
experimentalpsychologisches Design, um zu schauen, ob das geht“ (Roman S. 2
7-10).
Und innerhalb einer dritten Issuegroup hat die Gruppe
„ ‚Repair Berlin‘ (…) Toolkits gebastelt. Mit genauer Bastelanleitung ‚Wie mache
ich eine Aktion?‘. Und gehen den Fragen nach: Welche Gegenstände, welche
Leute? Wie kommuniziere ich, worauf muss ich aufpassen? Sie nutzen damit diesen Open Source Spirit, um das weiterzugeben“ (Paula S. 5 4-7).
In diesem Fall finden sogar mehrere assimilative Lernvorgänge zugleich statt: Die
Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppe wenden ihr vorhandenes Wissen an, um ihr
Wissen weiterzugeben, und die Zielgruppe lernt Dinge zu reparieren.
Auch der Befragte mit Erfahrungen von Studierendenstammtischen meint, dass man
auf vorhandenen Schemata aufbauen kann:
„Wenn man dann eine Unifete mit 3000 Mann organisiert hat, und danach hat Revue passieren lassen, was war gut, was ist schiefgelaufen? Und dann wussten wir
beim nächsten Mal, wenn die Leute da noch da waren, was passiert. Man musste
es aber nicht immer neu erfinden, weil das Wissen ja in den einzelnen Personen
gespeichert war. Es hat zwar Zettel gegeben, die ein Praktikant angefertigt hat,
das waren so To-Do-Listen, die man dann hervorgeholt hat, aber eigentliche Do-
136
kumentationen gab es keine. Im Wesentlichen wurde das Wissen von Personen
zu Personen weitergegeben“ (Heinrich S. 6 19-28).
Auch die Berliner Ashoka Initiative dockt an bereits erprobten Schemata an, um immer wieder neue Themengruppen (Issuegoups) bei der Erarbeitung von Themen wie
Drogenkonsum, Umgang mit Immigrant/innen etc. zu unterstützen.
Weitere Interviewpartner/innen berichten, dass man sich sowohl bemüht, die eigenen
Formate (also auch wieder Schemata) auf andere regionale oder inhaltliche Kontexte
zu übertragen (z. B. als räumliche Erweiterung in Orte wie Brüssel oder Bonn, Nutzung von Wikis, um Informationen zu verbreiten), als auch von anderen Organisationen wie NGOs oder Stiftungen zu lernen, wie diese erfolgreiche Formate entwerfen:
„Wir können dabei einen doppelten Nutzen ziehen: Wir können einerseits lernen,
wie man Veranstaltungen organisiert und holen uns den Input selber, und noch
dazu: Wir haben auch noch die Möglichkeit zu netzwerken. Also laden wir uns die
Leute ein“ (Roman S. 1 12-15).
Doch manche der Versuche, auf bekannten Schemata aufzubauen, scheitern auch,
wie eine Interviewpartnerin erklärt:
„Wir haben ziemlich viel auch darüber reflektiert. Es gibt über unsere Arbeit auch
viele Erfahrungsberichte. Darin wird darüber reflektiert, warum unsere Arbeit
schlussendlich nicht so erfolgreich war wie wir uns anfangs erhofften oder wie es
hätte sein sollen. Wir hatten ein Arbeitspapier. Das war in Ordnung. Wir waren
aber schließlich nicht so gut wie wir hätten sein können“ (Jasmin S. 1 42 –S. 2 2).
Später führt sie weiter aus:
„Es ist uns auch nicht gelungen, die Einzelergebnisse zu integrieren und auf ein
anderes Abstraktionsniveau und bringen. Die Aufgabenstellung war so schwierig,
dass wir am Anfang gar nicht wussten, wie schwierig die Aufgabe sein würde. Wir
haben viel gelernt damit. Es ist sehr schwierig, in Papier zu schreiben, wenn man
fast nur virtuell zusammenarbeitet“ (Jasmin S. 2 7-11).
Schließlich ist sie sich bewusst:
137
„Wir hätten schon von Anfang an mit Dropbox arbeiten sollen. Das hatte niemand
vorgeschlagen. Das ist viel praktischer als eine Plattform, auf die man alles hochladen muss“ (Jasmin S. 2 33-34).
Und abschließend folgert sie:
„So gab es viele unterschiedliche Faktoren, die das Projekt erfahrungsreich gemacht haben. Man kann nicht sagen, dass es schief gegangen ist, aber wir wissen, dass sehr viel mehr dringesteckt hätte, wenn man betrachtet, welches Datenmaterial wir zur Verfügung gehabt hätten. Das ist so wie wenn man Statistiker
ist und viele Daten hat und die Interpretation schlussendlich nicht mehr schafft“
(Jasmin S. 2 24-27).
Für diese umfangreichen und komplexen Arbeiten wären daher modifizierte Schemata hilfreich gewesen. Für diese Fälle kommt eher die Lernform der Akkomodation von
Schemata bzw. Lernen III nach Bateson in Frage, für die im Rahmen der empirischen Untersuchung ebenfalls einige Belege gefunden wurden. Das kann sogar ureigene Aufgabe einer Nachhaltigkeitsgruppe sein, wie im Fall der Gruppe des Rates
der Sachverständigen:
„Im Wesentlichen ging es darum neue, innovative Veranstaltungsformate zu entwickeln; für Studenten, die zur Nachhaltigkeitskommunikation beitragen können.
Nicht nur Unterrichtformate, sondern jede Art von Event. Wir sollten also überlegen, wie man Events gestalten kann“ (Jasmin S. 1 24-27).
Und wiederum in Art einer Akkomodation resümiert sie über ihre Gruppe:
„Also den letzten Schritt. Ich glaube, das ist uns nicht ausreichend genug gelungen. Aber wir haben ja, als Teil unserer Ergebnisse, den Reflexionsbericht, aus
der Erfahrung mit ehrenamtlichen Gruppen, die fast nur über moderne Medien zusammenarbeiten und was man dabei beachten muss“ (Jasmin S. 2 27-30).
Hier regt sie also eine Veränderung der Schemata bezüglich Zusammenarbeit ehrenamtlicher, quasi-virtueller Gruppen an.
Über eine mögliche Akkomodation berichtet ein anderer Interviewpartner:
„Wenn aber die Psychologen dazugekommen wären und die Naturwissenschaftler
und die Bautechniker und noch andere, dann hätten wir gemerkt, dazu gibt es ins138
gesamt noch ein solches Thema und dann wäre tatsächlich so ein Niveausprung
passiert. Dann wäre aus der Initiative Umwelt in die BWL eine Initiative Umwelt in
der Universität Mannheim entstanden. Dann hätte es einfach einen Themensprung gegeben, mit einer Veränderung der Institution an sich auch“ (Heinrich S. 4
29-33).
Doch auch die Gruppen an sich nehmen sich teilweise vor, bei Dritten eine
Akkomodation zu bewirken, etwa mit dem Kochtütenprojekt:
„Wir stellen eine Kochtüte mit Fairtrade und Bioprodukten zusammen und bieten
diese gemeinsam mit einem Kochrezept an. Wir haben dazu mit Medien zusammengearbeitet, haben Interviews gegeben, haben das durch Facebook auch ins
Netz gestellt, (um) Menschen in ihrem Werden und ihrem Sein zu unterstützen“
(Amanda S. 2 20-23).
In größerem Stile fand eine solche Akkomodation beim Photovoltaikprojekt an der
Freien Universität Berlin statt, das selbst aus eine Akkomodation des urspünglichen
Nachhaltigkeitsgruppenkonzeptes entstanden ist:
„Irgendwann haben dann einige gesagt, das ist uns zu wenig, wenn wir nur diese
Vorlesungsreihen machen, ist ganz schön und gut, aber uns ist das zu verkopft
und wir wollen mehr Bezug zur Praxis haben. Daraus sind dann so Sachen entstanden wie das Uni-Solarprojekt, eine darlehensfinanzierte Photovoltaik-Anlage“
(Roman S. 1 30-33).
Das Projekt selbst wurde dann mit der innovativen Idee des Crowd-Funding ins Leben gerufen, indem die Menschen ganz kleine private Darlehen gaben, um eine
Photovoltaikanlage zu finanzieren. Hier hob man sich ganz bewusst von konventionellen Schemata der Umsetzung solcher Großprojekte ab.
4.7.3 Zu den Gestaltungskompetenzen
Als Gestaltungskompetenzen für Nachhaltigkeit wurden Fähigkeiten definiert, mithilfe
derer das Individuum aus der Ggenwart Hinweise für zukünftiges Handeln ableiten
kann. Für alle genannten Gestaltungskompetenzen finden sich in den Interviews Belege, wenn auch nur wenige für die Bereiche „interdisziplinär Denken“ und „solidarisch Handeln“. Hier kann man nur den Schluss ziehen, dass beide Kompetenzen
139
von den Interviewpartner/innen so weit verinnerlicht und als selbstverständlich angesehen werden, dass sie darüber nicht weiter erzählen. Doch zu den anderen Gestaltungskompetenzen lassen sich viele Befunde ableiten: Integrativ Wissen baut etwa
die Arbeitsgruppe des Rates der Sachverständigen auf, die sich nach der Erledigung
der eigentlichen Aufgabe (Entwickeln von Veranstaltungsformaten für junge Menschen) umgewandelt hat in ein größeres Netzwerk, damit man weiterhin die Verbindungen nutzen kann, in Form einer Art „Community of Pratice“. Auch das bewusste
Differenzieren von Fragestellungen, mit denen die Nachhaltigkeitsgruppe „3+x“ im
Laufe ihrer diversen Themen an unterschiedliche Organisationen herantritt, ist ein
Vorgang, in dem integrativ das Wissen aufgebaut wird, wie man unterschiedliche Akteure anspricht. Einer der Interviewpartner reflektiert allgemein über Kompetenzen,
die erworben werden müssen: über den
„Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften. Auf ein Thema fokussiert,
mit einem entsprechenden Entwicklungsfahrplan, wo jeder für sich entscheiden
kann, wo er einsteigen will und daran mitwirken will“ (Stefan S. 3 16-18).
Und eine Interviewpartnerin meint:
„Es freut mich, dass es immer wieder Menschen gibt, die meine Interessen teilen,
weil das Wissen nur wächst, wenn es geteilt wird“ (Paula S. 6 6-7).
Das hängt wiederum eng mit einer weiteren Gestaltungskompetenz, dem Motivieren
anderer, zusammen, etwa indem man ihnen bei Bedarf eine „Bühne“ zur Verfügung
stellt, wie dies die Grüne Gemeindegruppe tut. Denn
„(g)erade im politischen Bereich ist es sehr schwierig, Menschen zu motivieren,
weil die Politik zur Zeit ein sehr schlechtes Renommé hat. Es war schon in den
letzten Jahren sehr schwierig und wurde immer schwieriger, Leute für politische
Arbeit zu motivieren“ (Anna S. 9 27-30).
Mehrere Befragte sind sich einig, dass es immer etwas Neues geben muss: neue
Projekte (Anna), neue Impulse (Stefan), „geile Ideen“ bei denen es um handfeste
Dinge geht, wie beim Photovoltaikprojekt (Roman). Dabei erfahren die Mitglieder des
Guppenkernes, wie sie als Initiator/innen, Moderator/innen oder Enabler fungieren
können (Paula). Wesentliches Element der Motivation anderer ist es ihnen Erfolgserlebnisse zu vermitteln (Roman, Sophie). Dazu gehört auch, sich – auch in rein virtu140
ellem Kontakt - auf eine persönliche Ebene zu begeben, um eine Art von Vertrautheit
zu schaffen (Jasmin) oder sich einmal in kleiner Runde zu treffen, um persönlichen
Kontakt zu schaffen (Anna).
Der persönliche Kontakt führt allerdings auch zu Konflikten, weswegen eine wesentliche Gestaltungskompetenz die Bewertung, Darstellung und Erklärung von Konflikten betrifft. Hier liefert die empirische Untersuchung eine ganze Reihe von Ergebnissen: Die Interviewpartner/innen sind sich einig, dass Krisen und Missverständnisse
vor allem am Beginn von Initiativen entstehen, wenn es verabsäumt wird, für gegenseitiges Verständnis und Verstehen zu sorgen (Anna, Jasmin, Stefan). Doch können
Konflikte auch hochgehen, wenn eine Initiative die Richtung ändert (Heinrich) oder
wenn zwischen Mitgliedern und Außenstehenden die Kommunikation nicht gut funktioniert (Jasmin). Jedenfalls sind sich mehrere Inteviewpartner/innen einig, dass Konflikten ein großes Veränderungs- und Verbesserungspotenzial innewohnt:
„Ich nutze Krisen, weil ich meine, dass Krisen ein wunderbarer Hort sind, um Bindungsenergien auszulösen. Im Streit festigen sich Bindungen“ (Stefan S. 6 29-30).
Das allerdings, auch hier sind sich die Interviewpartner/innen einig, braucht Zeit.
Wenn diese nicht vorhanden ist, läuft die Initiative Gefahr zu scheitern (Sophie).
Dies erfordert aber weitere Gestaltungskompetenzen in Form der Bereitschaft zu
Partizipation auch, aber nicht nur an Entscheidungsprozessen. Diese Bereitschaft
und Fähigkeit zu partizipieren und partizipieren zu lassen, hat auch viel mit Macht zu
tun:
„Ein wesentlicher Teil, warum die Menschen mitmachen und sich einbringen, ist
die Mächtigkeit. Die Erkenntnis der Machtlosigkeit wollen die Menschen nicht
mehr ertragen, sondern wollen etwas aktiv dagegen tun“ (Anna S. 6 42 – S. 7 2).
Ein Interviewpartner stellt fest, dass im Hinblick auf Studierendenprojekte
„die Studenten früher viel mehr Freiheiten hatten. Heute sind sie wesentlich mehr
eingeengt“ (Roman S. 6 22-23).
Um einer Einengung zu entgehen, hat sich eine Interviewpartnerin entschieden, in
ihrer Partei
141
„Sachen nur noch mit zu unterstützen mit meinen Fähigkeiten, da muss ich gar
nicht kämpfen“ (Amanda S. 1 38).
Vielmehr ist für sie Spaß wiederum ein ganz wichtiger Motor, ebenso wie der
Wunsch „die Welt ein kleines Stück mit zu verändern zu wollen“ und so zu partizipieren an einem großen Ganzen, denn „(e)s gibt auch junge Menschen, die interessiert
sind, mitzuhelfen und mitzuarbeiten“ (Amanda S. 2 41-42).
Partizipation bedeutet aber nicht, dass neben der Verantwortung auch die gesamte
Arbeit bei einer Person konzentriert bleibt:
“Ich habe mir dann gesagt: Gut, ich habe zwar die Koordination übernommen,
aber ich habe nie zugesagt, dass ich die hauptsächliche Arbeit alleine übernehme“
(Jasmin S. 3 32-33).
In diesem Fall hat die Gruppe auf die stummen Hilferufe der Koordinatorin reagiert
und sich weiter eingebracht. Doch auch andere Interviewpartner/innen sehen es so,
dass die Führung nicht bei einer einzelnen Person liegt, sondern dass ohne Hierarchie in Netzwerken geführt werden muss, nicht
„durch Anweisung, sondern da müssen Faszination und Vision oder Utopie“ (Stefan S. 3 23).
mit im Spiel sein, damit sich die Menschen einbringen.
Ein wesentliches Element dafür ist, dass die Gruppenintiator/innen bzw. Gruppenkernmitglieder bereit sind, Ressourcen (Räume, Know-How) zur Verfügung zu stellen
(Roman, Anna).
Eng mit der des Partizipieren-Könnens verbunden sind die Kompetenzen, Situationen einzuschätzen und verstehen zu können sowie vorausschauend denken und
handeln und zu können.
„Eine Gruppe ist ja kein statischer Zustand, sondern die Gruppe verändert sich
laufend. Die verändert sich mit den Mitgliedern, die verändert sich mit den Gegebenheiten, die verändert sich mit den Interessen und daraus entsteht ein dauernder Gruppenbildungsprozess“ (Anna S. 10 21-23).
Eine andere Interviewpartnerin sieht das in ähnlicher Weise:
142
„Auch bei den anderen Gruppen gibt es so eine Art Sinuskurve. Da gibt es so ein
Auf und ein Ab. Da gibt es ein Projekt, das man antreiben muss und an die Öffentlichkeit bringen muss. Am Anfang brauchen Projekte sehr viel Zeit und da hat man
dann nicht mehr so viel Zeit für andere Dinge“ (Amanda S. 5 2-4).
Als Antrieb sehen die meisten Interviewpartner/innen auch hier persönliche Motive:
„Gruppenmitglieder, das sind meistens Leute, die sich für irgendwas engagieren
wollen; für einen Bereich. Sie kommen aus eigenem Interesse. Wenn sie selber
Schwierigkeiten haben mit der Stadt oder so, dann kommen die meisten her und
wollen irgendwas“ (Anna S. 2 17-20).
Allerdings gehen die Meinungen auseinander, wenn es um die Bedeutung der Ehrenamtlichkeit und der externen (finaziellen) Unterstützung geht: Während eine Befragte meint,
„wenn es um Konstanz und Hauptamtliche geht. Die Arbeit lässt sich nicht leisten,
ohne dass man den Schritt in die Hauptamtlichkeit geht“ (Sophie S. 6 3-4),
meint eine andere, Professionalisierung berge eine Gefahr in sich:
„Wenn man größer werden will, muss man um Unterstützungen ansuchen, und ab
diesem Zeitpunkt ist man abhängig. Und wenn dann einmal die Unterstützung
ausbleibt, kann es sein, dass, im schlimmsten Fall, das ganze Projekt stirbt“
(Amanda S. 4 23-25).
Mit der Professionalisierung einher geht auch immer eine Formalisierung der Projekte, etwa über Gruppenverträge (Jasmin) oder eine formale Definition eines Kernteams (Stefan). Auch damit sind Änderungen verbunden. Schließlich gehört zu diesem Kompetenzbereich auch noch die Frage, wie und wo erworbenes Wissen „gespeichert“ wird, etwa in den handelnden Personen (Heinrich) oder in Protokollen
(Jasmin). In der Weitergabe von Wissen und Kompetenzen spiegeln sich vorausschauendes Denken und Handeln im Besonderen, weil es um die Frage geht, mithilfe welcher Aktionen welche Art von Wissen und Kompetenz transportiert werden
kann. Es braucht in jeder Nachhaltigkeitsgruppe jemanden, der
„den Finger drauf (hat) und (weiß), was gut läuft und was nicht so gut läuft und
was zu tun ist“ (Heinrich S. 6 29-30).
143
Wenn die richtigen Aktionen gesetzt werden, können sich etwa
„die Leute innerhalb dieses enthemmten Rahmens besser kennen lernen; wie im
Kindergarten“ (Amanda S. 3 24-25).
In größerem Rahmen machte dies ein Interviewpartner, der als Vorsitzender der
Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung tätig war und konsequent genug
war, die Auflösung des Vereines anzuregen, als daraus ein institutionalisiertes Konzept (das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung) hervorgegagnen und der
Vereinszweck erfüllt war (Heinrich). Die Zusamenhänge des Scheiterns erkennt auch
auch ein weiterer Interviewpartner ganz klar:
„Viele Nachhaltigkeitsgruppen scheitern daran, dass festgestellt wird, das ist irgendwie wichtig, aber es ist halt nur noch moralisch wichtig und es ist nicht wichtig, weil etwas passieren soll. Woran ich mit wirke, damit es passiert“ (Stefan S. 4
35-37).
Und eine Interviewpartnerin meint zu ihrem Konzept:
„Die Übernahme unseres Konzeptes bedarf sehr viel Betreuung. Es geht dabei
sehr viel um Qualitätsstandards, wenn man eine solche Marke aufbauen will“ (Sophie S. 1 34-36).
Vorausschauend Denken bedeutet zugleich, selbstständig denken und handeln zu
können. Zu diesem Punkt konnten sehr viele Textsegmente kodiert werden, denn
alle Interviewpartner/innen beschreiben, welche Aktionen sie selbständig ins Leben
gerufen haben. Diese Kompetenz reicht von der Fähigkeit, Veranstaltungen und Ereignisse planen und umsetzen zu können, z. B. Wahl der Kommunikationsmedien
über den Aufbau von Netzwerken und die Wahl von Kontakten bis hin zur Ergebnissicherung in Protokollen (Amanda, Heinrich, Roman). Doch auch die Fähigkeit, kreativ eigene Ideen zu entwickeln und die passenden Themen auszuwählen, gehört hier
dazu. Das kann von kleinen, einzelnen Aktionen (etwa einer Interviewaktion zum
Thema Nachhaltigkeit im Rahmen einer Tagung, Amanda) über die Entwicklung von
Umsetzungsplänen (etwa das Energiekonzept an der Freien Universität Berlin, Roman) hin zu umfassenderen Konzepten (etwa der Entwicklung von Umfragekonzepten und Interviewleitfäden, Jasmin) bis hin zur Schaffung vollkommen neuer Formate
(etwa dem Jour fixe der Nachhaltigkeitsgruppen oder der Social bar, Paula und So144
phie) gehen. Schließlich umfasst das selbstständige Planen und Handeln auch die
Reflexion des eigenen Tuns, damit in irgendeiner Form das erworbene Wissen auch
für Nachfolgende erhalten bleibt:
„Vorschläge kommen eher von den neuen Mitgliedern. Und ich lasse diese Ideen
in meine Arbeit einfließen, weil ich sehr froh über diesen Austausch bin, weil dadurch neue Ideen und Gedanken einfließen“ (Anna S. 3 38-39).
Eine andere Interviewpartnerin erzählt:
„Wir haben ziemlich viel auch darüber reflektiert. Es gibt über unsere Arbeit auch
viele Erfahrungsberichte. Darin wird darüber reflektiert, warum unsere Arbeit
schlussendlich nicht so erfolgreich war wie wir uns anfangs erhofften oder wie es
hätte sein sollen“ (Jasmin S. 1 42-44).
Ein dritter schließlich resümiert:
„Ich habe das ganz lange, ganz viel gemacht. Ich war als Vorstand eine sehr treibende Kraft und die Initiative war schon sehr mein Projekt“ (Roman S. 4 31-32).
Um sich als treibende Kraft einsetzen zu können, bedarf es weiterhin der Kompetenz
sich selbst motivieren zu können. Die Interviewpartner/innen sind dazu offensichtlich
in der Lage, sind sich aber schon darüber im Klaren, dass einerseits Spaß und Vergnügen, anderseits aber auch das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung eine Rolle
spielen:
„Mir liegt daran, mit anderen Menschen Spaß zu haben, mit anderen Menschen
etwas auf die Beine zu stellen und mit ihnen etwas verändern zu wollen“ (Amanda
S. 1 36-37).
Umgekehrt ist es ein Kriterium für einen Ausstieg, wenn man sich nicht wohlfühlt und
nichts mehr lernt:
„Und habe mich auch gar nicht mehr darauf gefreut, dahin zu gehen. Es wurde zu
einer Pflicht und deshalb bin ich dann rausgegangen“ (Paula S. 3 10-12).
Auch andere Interviewpartner/innen stellen fest, dass die Stimmung und das Wohlfühlen wesentlich auf ihre Motivation wirken (Sophie). Wichtig sind den Interviewpartner/innen auch persönliche Interessen, die sie einbringen:
145
„(Es) waren dann auch nur 5, 6 Leute und das war für mich irgendwie ein langweiliger Abend. Da passierte nichts. Wenn ich nur einmal im Monat hingehe bringt es
mir nicht genügend. Es gab auch keine guten Themen“ (Heinrich S. 5 16-19).
Zur Selbstmotivation kann es auch gehören, „viel auf die Beine (zu) stellen“ (Amanda
S. 1 36) oder „Leute zusammenzubringen“ (Roman S. 3 13), wobei das
Eingebundensein in die Gestaltung eine wesentliche Rolle spielt:
„Das war etwas schade für mich, weil ich schlussendlich das Ganze koordiniert
habe, aber bei der groben Zieldefinition gar nicht dabei war. (…) Ich habe nicht
partizipiert am ganzen Konzept. Das war sehr schwierig für meine eigene Motivation auch“ (Jasmin S. 3 9-12).
Diese Interviewpartnerin macht auch eine klare Aussage zu ihrer Motivation:
„Meine Motivation war eigentlich, dass ich generell gerne an Projekten mitarbeite.
(…) (M)ir (war) schon vorher klar, dass ich bei dieser Arbeit sehr viel lernen würde,
was ich bei meiner Doktorarbeit als introvertierte Arbeitsform nicht so lerne, weil
ich ja kein Forscherteam habe“ (Jasmin S. 6 26-32).
Eine weitere konkrete Motivation zieht ein Befragter aus der Tatsache, dass er so
Netzwerke aufbauen kann, die er auch beruflich nutzen kann (Stefan). Ähnliche Anmerkungen machen auch andere Interviewpartner/innen (Sophie). Doch schließlich
sind es Wertvorstellungen, die die Interviewpartner/innen zum Handeln motivieren:
Naturschutz und soziale Gerechtigkeit (Amanda) oder
„eine tiefe Gläubigkeit (…). Man kann das als Gott bezeichnen. Ich glaube daran,
dass es Kräfte gibt, die wir noch nicht kennen. (…) Wenn man im Leben seinen
Weg richtig (was ich unter richtig versteh) geht, führt man eine wunderbares Leben“ (Stefan S. 5 21-23).
Und die Leiterin der „3+x“ Initiative bringt es auf den Punkt:
„Wenn es beglückende Momente gibt. Das sind Augenblicke, wo jemand eine gewisse Erfahrung gemacht hat, die für ihn Sinngebung war, die freudvoll war, bei
der er etwas gelernt hat. Dann war es ein Erfolg. (…) Ich habe für mich persönlich
gelernt, dass ich nicht verlieren kann. (…) Man kann immer wieder neu anfangen,
146
weil es immer eine gewisse Neugier und ein Interesse gibt“ (Paula S. 5 13-15, 2325).
Die Interviewpartner/innen sind sich, ohne explizit danach gefragt zu werden, bewusst, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit integrativ Wissen aufbauen: Als Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften, wo Kommunikation gelernt werden
muss (Stefan), als Bemühen voneinander zu lernen, wie man sich organisiert (Paula), als Lernen, wie man mit Lernmaterialien zur Vermittlung von Wissen an Dritte
umgehen kann (Paula).
Dies führt weiter zu Kompetenz erkennen zu können, welche Methoden für welchen
Zweck geeignet sind. Zu diesem Thema ließen sich im Vergleich zu allen anderen
Themen die meisten Codierungen vornehmen, da alle Interviewpartner/innen erfahrene Mitglieder und Führungspersönlichkeiten von Nachhaltigkeitsgruppen sind. Diese Methoden betreffen Fragen wie

Wie gründet man eine neue Gruppe oder Initiative und kundschaftet die ersten
Gemeinsamkeiten aus bzw. erkundet, wer welche Aufgaben übernehmen möchte oder kann? (Amanda)

Auf welche Weise werden potentielle Mitglieder angesprochen? (Amanda)

Wie werden Menschen, die ein Anliegen haben, Plattformen und Podien als Vehikel zum Transport ihrer Anliegen zur Verfügung gestellt? (Barbarba)

Wie werden Großveranstaltungen organisiert? (Heinrich)

Welches sind die richtigen, passenden Veranstaltungsformate? (Stefan, Sophie,
Roman)

Wie können neuartige Projektideen finanziert werden? (alle Interviewpartner/innen)

Welche kreativen neuen Formate könnte es geben?
„Wir haben auch inkognito versucht, die S-Bahn zu einem Wohnzimmer zu machen. Oder wir haben eine Aktion gemacht, auf der Friedrichstraße, parking day
unter dem Motto Park statt Parklatz, Parkplätze nicht selbst zu bespielen, sondern für andere bespielbar zu machen“ (Paula S. 1 41-43),
147
aber auch die Kochtüten von Amanda oder die Low Carbon Dinners von Roman).

Wie kann Projektmanagement Know How organisiert oder erworben werden?
(Jasmin)

wie können Ergebnisse gesichert werden? (Heinrich, Jasmin, Sophie)

Wie kann am besten kommuniziert werden (alle Interviewpartner/innen), wobei
hier die Wahl der Medien (sehr oft neue Medien), die Sammlung von Kontakten
bzw. der Aufbau von Netzwerken und die Kontakthäufigkeit am öftesten thematisiert werden.

Wie sieht der richtige Mix zwischen virtuellen und realen Kontakten aus? (Stefan,
Jasmin, Sophie)

und schließlich: Wie können Menschen dazu gebracht werden, ihr Engagement
aufrecht zu erhalten? (Jasmin, Paula, Stefan).
Die Interviewpartner/innen reflektieren die von ihnen definierten und eingesetzten
Methoden auch, etwa:
„Dann habe ich begonnen, die Formate zu unterteilen in einen Diskursteil und einen Aktionsteil von Formaten“ (Paula S. 1 44).
Reflexion spielt als nachhaltige Gestaltungskompetenz insgesamt eine sehr wichtige
Rolle, vor allem auch, wenn es darum geht, eigene und fremde Leitbilder zu reflektieren. In den vorliegenden Interviews machen dies alle Interviewpartner/innen, wobei
die meisten auf die Bedeutung von Umweltthemen hinweisen, die den sozialen Themen vorgehen (Amanda, Anna, Heinrich, Stefan), obwohl für sie auch soziale Themen sehr wichtig sind. Für eine Interviewpartnerin etwa ist das gemeinsame Thema
„Zivilgesellschaft, Social Media und Verwandlungsprozesse. Es geht nicht um die
Technik, sondern es geht um die Kultur; auch Bürgerbeteiligung und onlineBürgerbeteiligung“ (Sophie S. 3 16-17).
Eine andere Interviewpartnerin sieht als ihr Ziel: Der Bevölkerung Dinge aufzuzeigen
und damit „(d)en Blickwinkel für die Menschen zu erweitern“ (Anna S. 7 20-21).
148
Im Hinblick auf die Leitbilder der anderen sehen sie, dass viele Menschen sich
Nachhaltigkeitsgruppen anschließen, um Vorteile zu erlangen.
„Es kommen gerne Gruppen vorbei, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Sie
sagen sich ganz nüchtern: Da können wir vielleicht ein Geschäft daraus machen.
Sie sehen zuerst das Thema: Stärkung der lokalen Wirtschaft“ (Stefan S. 3 2-4),
ohne dass sie einen größeren Zusammenhang vor Augen haben. Vielmehr wollen
die Menschen relativ diffus „mitmachen, etwas für die Zukunft tun“ (Stefan S. 4 13).
Allerdings gibt es auch einige
„Leute, die (sich) mit Herzblut, also wirklich für den Umweltschutz und für Nachhaltigkeit einsetzen wollen. Die haben einen sehr großen Anspruch an sich selbst und
sehr selbstlos und bereit sind, viel Zeit für diese Sache zu opfern“ (Jasmin S. 6 39S. 7 1).
Doch nur mehr wenige Gruppen haben einen ideologischen Überbau:
„Die Überlegung ist dann eher zu sehen, dass sich Menschen dem Thema nicht
wegen der Nachhaltigkeit hinzugesellen, sondern eher wegen Lebensqualität. Da
sagen sich die Menschen: Ich mache da mit, weil ich etwas für meine Lebensqualität tun möchte. Die will ich sinnvoll gestalten. Und darum suche ich mir Themen,
die ich für sinnvoll erachte. (…) Es wird eher festgestellt, dass, wenn jemand ideologische Ideen einfließen lassen möchte, es schön ist, dass er mit macht, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass man sich vom Thema etwas verspricht
(Stefan S. 5 2-6, S. 4 18-21).
Die Umsetzung von Themen erfordert aber nicht nur das Engagement und Handeln
einzelner, sondern auch die Zusammenarbeit vieler. Kooperation ist Teil der Gestaltungskompetenz „Gemeinsam mit anderen planen und handeln“. Diese Kompetenz
erscheint den Interviewpartner/innen als eher schwierig, weil Menschen sich oft nicht
selbst einbringen wollen, sondern nur ihre Ideen deponieren und anderen zur Umsetzung überlassen. Wenn sie sehen, dass die Ideen nicht umsetzbar sind, verlassen
sie die Gruppe rasch wieder (Barbarba). Doch vieles hängt ab vom „Zweck und der
Dichte der Initiative“ (Heinrich S. 2. 17), wenn des Klima gut ist, kann eine Initiative
auch überleben, ohne dass Input von außen kommt, wobei es wesentlich ist, einen
„inneren Kern von 5 bis zehn Leute(n)“ (Heinrich S. 3 31) zu haben, der die anderen
149
vorantreibt. Vor allem, wenn sich die Mitglieder nicht kennen, erschwert dies die Kooperation sehr. Erst mit der Zeit erwächst eine Art Verständnis für die anderen (Jasmin). Dieses Verständnis ist für die Zusammenarbeit nicht nur intern wichtig, sondern
die Kontakte können auch genutzt werden, um andere Gruppen entstehen zu lassen,
im Sinne einer Art Netzwerk (Paula). Ideal ist, wenn wie beim Jour fixe der Nachhaltigkeitsgruppen die Menschen selbst auf eine Gruppe zukommen und mitmachen
wollen, so
„findet oft ein sehr toller Austausch statt und es entstehen gute Kooperationen“
(Roman S. 3 4).
4.7.4 Zu den Umständen des Lernens
4.7.4.1 Zu den Orten des Lernens
In den ursprüglichen Annahmen wurde in der Arbeit davon ausgegangen, dass in
Nachhaltigkeitsgruppen in erster Linie informelle Lernprozesse vonstatten gehen. Die
Interviews zeigen aber, dass auch in Nachhaltigkeitsgruppen wenige formale Lernprozesse Bedeutung haben und durchaus auch non-formale Lernprozesse stattfinden. Abgesehen von einem Befund, wo eine Interviewpartnerin für ihr Engagement in
einer Nachhaltigkeitsgruppe mit einer formalen Bildungsmaßnahme (einem PRTraining) „belohnt“ wurde, die sie auch in ihrem Arbeitsleben als erworbene Kompetenz einzusetzen hofft (Amanda), spielen formale Lernprozesse überall dort eine Rolle, wo sich Nachhaltigkeitsgruppen aus oder im Umfeld von formalen Bildungseinrichtungen etablieren. In den vorliegenden Interviews sind dies in erster Linien Universitäten, wo die Nachhaltigkeitsgruppen entweder aus Studienrichtungen hervorgehen, die Nachhaltigkeitsinhalte behandeln (z. B. die Gruppen von Roman, Sophie,
Jasmin), oder durch das Engagement von motivierten Studierenden Nachhaltigkeitsinhalte in die Studienpläne hineinreklamiert werden (z. B. Heinrich, Roman). Im letzteren Fall können die Aktivitäten dieser Gruppen dann teilweise der formalen Bildung
zugerechnet werden.
Teilweise entstehen daraus aber auch non-formale Bildungsprozesse, wo in Bildungseinrichtungen oder auch außerhalb in Vortrags- und Seminarreihen, Symposien oder Workshops Nachhaltigkeitsinhalte vermittelt werden (etwa die Energiesparworkshops von Roman, die Socialbar Kompetenzen von Sophie, die Toolkits von
150
Repair Berlin von Paula, die Nachhaltigkeitsvorträge von Heinrich, die Kochtüten von
Amanda, die Landbewirtschaftungsseminare von Stefan). Hier gibt es nochmals eine
Rückkoppelung in den formalen Bildungsbereich, weil potenzielle Teilnehmer/innen
an den Universitäten etwa durch Informationsstände oder Veranstaltungen angesprochen werden (Heinrich) oder die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen im Rahmen von (wissenschaftlichen) Kongressen wiederum Seminare und Workshops anbieten (Jasmin). Besonders Kreativworkshops werden aber auch in anderen Kontexten angeboten, was sie wiederum eher zu einem Instrument der non-formalen Bildung macht (Jasmin). Umgekehrt wünschen sich einige Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen auch die Möglichkeit, zumindest an non-formalen Bildungsprozessen
teilzunehmen, etwa für Konfliktmanagement (Anna) oder Projektmanagement (Jasmin). Eine Interviewpartnerin sieht aber auch das Problem, dass mit (non-)formaler
Bildung die angestrebten Ziele nicht erreicht werden können:
„Und so kann man weg von diesem politischen Bildungsunterricht kommen. Die
Jugendlichen sollten lernen, wie man sich für das Allgemeinwohl interessiert und
wie man sich daran beteiligen kann über Parteigrenzen hinweg“ (Amanda S. 1 3033).
Der Großteil der Nachhaltigkeitsbildung in den Nachhaltigkeitsgruppen ist aber tatsächlich dem informellen Lernen zuzurechnen. Dieses findet einerseits bewusst gesteuert durch die Interviewpartner/innen selbst statt oder wird von diesen beobachtet.
Anderseits erleben auch die Interviewpartner/innen selbst bewusst oder unbewusst
informelle Lernprozesse.
Alle Interviewpartner/innen erzählen über von ihnen initiierte oder begleitete informelle Lernprozesse. Beispiele dafür sind:

die Ashoka Jugendinitiative in Berlin Kreuzberg, die Jugenlichen Rat, Hilfe und
(finanzielle) Unterstützung bei Projekten zu Drogenproblemen, Integration etc.
gibt, die Projekte im Wesentlichen aber von den Jugendlichen selbst umsetzen
lässt (Amanda).

das Kochtütenprojekt, bei dem verschiedene Bio- und Fairtrade Lebensmittel
gemeinsam mit einem Kochrezept in einer Tasche angeboten werden, um die
Menschen so zum Reflektieren über ihre Einkaufs- und Ernährungsgewohnhei151
ten zu bringen. Dieses Projekt wurde auch in Kooperation mit Werksküchen betrieben, um Menschen am Arbeitsplatz und trotzdem in weniger formaler Umgebung besser miteinander in Kontakt zu bringen (Amanda).

der Jour fixe der Nachhaltligkeitsgruppen, wo sich unterschiedliche Gruppierungen einander präsentieren und voneinander lernen können, welche Aspekte man
im Rahmen von Nachhaltigkeitsbemühungen wie angehen kann (Roman, Amanda).

die Tiroler Gemeindegruppe, die motivierte Personen von außerhalb der Gruppe
bei diversen Issues unterstützt, indem sie hilft, Medienarbeit zu leisten oder Unterschriftenlisten zu erstellen und zu organisieren (Anna).

das Projekt im Berliner Migrant/innenbezirk Marzahn, wo „autarke Kreislaufwirtschaft (…) in Verbindung mit dem Land“ (Stefan S. 1 27-28) eingerichtet werden
sollte, als „Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften. Auf ein Thema
fokussiert, mit einem entsprechenden Entwicklungsfahrplan“ (Stefan S. 3 16-17).

das Projekt einer darlehensfinanzierten Photovoltaik-Anlage an der Freien Universität Berlin, wo Studierende sich selbst erarbeiteten, wie man ein solch großes Projekt auf die Beine stellen kann (Roman).

diverse Kochprojekte, wo bei „nachhaltigen“ Dinners Bewusstsein für Nachhaltigkeitsprobleme und Klimaschutz in Fragen der Ernährung geschaffen werden sollte (Roman).
Im Hinblick auf die Prozesse, bei denen die Interviewpartner/innen selbst in informelle Lernprozesse involviert waren, sticht vor allem das Interview mit der Koordinatorin
der Gruppe des Rates der Sachverständigen hervor, die sehr viele informelle Lernprozesse beschreibt, etwa (Jasmin)

dass am Anfang eines Projektes/einer Initiative viel Misstrauen herrscht und wie
man dieses eventuell vermindern kann,

dass man Kick-off-Veranstaltungen braucht, um Projekte rasch und zielorientiert
in Gang zu setzen,
152

dass es grundlegende Tätigkeiten gibt, bei denen die Gruppenmitglieder “Leitfaden erstellten, Leute kontaktierten, Termine vereinbarten und Interviews machten
und die danach auswerteten“ (Jasmin S. 1 39-41),

dass bei vorwiegend virtueller Tätigkeit doch auch einerseits persönliche Gesprächsinhalte und anderseits von Zeit zu Zeit face-to-face-Kontakte von Bedeutung sind,

dass Projektmanagementkenntnisse (die im Übrigen formal oder non-formal erworben werden können) sehr von Vorteil oder sogar unbedingt nötig sind,

dass persönliche Erfahrungen irgendwie dokumentiert werden sollten, um sie
auch später Eintretenden zugänglich zu machen, aber dass man nicht alles dokumentieren kann,

dass entstehende Konflikte irgendwann aufgearbeitet werden müssen, um eine
weitere produktive Arbeit zu ermöglichen.
Befunde wie dieser werden auch von anderen Interviewpartner/innen konstatiert, etwa dass man gemeinsam versucht hat, Veranstaltungsformate auszuprobieren, und
wenn sie funktionieren, macht man weiter (Heinrich). Eine anderere Interviewpartnerin formuliert, die Gruppenmitglieder hätten sich „bemüht voneinander zu lernen, wie
man sich organisiert“ (Paula S. 1 26-27). Schließlich lernen die Gruppenmitglieder
auch, sich abzugrenzen:
„Schlussendlich war es dann so, dass wir zu zwölft waren, aber doch ich alleine
die gesamte Arbeit gemacht habe“ (Sophie S. 2 31-32).
4.7.4.2 Zu den Promotoren des Lernens
Im Hinblick auf die Promotoren des Lernens fielen vor allem Unterschiede zwischen
dem lernenden- und lehrendenzentrierten Lernen auf. Grundsätzlich bestätigt sich
hier die Annahme, dass in Nachhaltigkeitsgruppen vor allem an den Bedürfnissen
der Mitglieder und vor allem an sachlichen Notwendigkeiten orientiert gelernt wird.
Allerdings finden sich gerade in Nachhaltigkeitsgruppen, die in engem Zusammenhang mit Universitäten und anderen Ausbildungseinrichtungen stehen, auch Formen
eines an den Vorgaben der „Lehrenden“ (bzw. Organisator/innen von Workshops
153
etc) orientierten Lehrprogrammes. So war etwa die Initiative des Rates der Sachverständigen damit beauftragt,
„neue, innovative Veranstaltungsformate zu entwickeln; für Studenten, die zur
Nachhaltigkeitskommunikation beitragen können. Nicht nur Unterrichtsformate,
sondern jede Art von Event. Wir sollten also überlegen, wie man Events gestalten
kann“ (Amanda S. 1 24-27).
Hier wurde also zumindest überlegt, auf welche Weise Nachhaltigkeitsinhalte am
besten vermittelt werden können, wenn auch nicht, welcher Art diese Inhalte sein
sollen. Ähnliche Ansätze lassen sich vor allem bei einer anderen Interviewpartnerin
finden, die sich als Initiatorin und Moderatorin, als „enablerin“ begreift (Paula). Ihr ist
es wichtig,
„(e)infach das Fenster zu öffnen, jemanden einzuladen zu einem Gespräch oder
den Nachbarn anzurufen und so etwas wie eine Choreographie an den Tag zu legen. Die Tür zu öffnen, etwas Musik anzumachen, so etwas wie eine Choreographie an den Tag zu legen und so kam der Name „Clubmutti“ auf“ (Paula S. 2 2122).
Ein weiterer Interviewpartner sieht sich auch in einer ähnlichen Rolle, etwa in Hinblick auf eine
„Energiesparkampagne an der Uni. Die habe ich aufgesetzt, weil ich als Umweltpsychologe das als mein Feld betrachtet habe. Wie bringt man Menschen zu umweltverträglichem Handeln“ (Roman S. 2 5-7).
Diese doch relativ starke Ausprägung im Bereich des lehrendenorientierten / PushModell / „Mode-1“ Lernens in den Interviews lässt einen Bias bei den Interviews vermuten: Dadurch dass die Interviewpartner/innen per Aufruf in Facebook gesucht
wurden, meldeten sich vor allem Gruppenleiter/innen und sehr aktive Mitglieder, aber
nicht Durchschnittsmitglieder. Diese Verzerrung fällt verständlicherweise bei den
Promotoren am meisten ins Gewicht, scheint aber ansonsten die Validität der Untersuchung nicht zu beeinträchtigen.
Doch auch bei den Promotoren finden sich viele Belege für lernendenorientiertes /
Pull-Modell / „Mode-2“ Lernen. So erzählt ein Interviewpartner:
154
„Es kommen gerne Gruppen vorbei, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Sie
sagen sich ganz nüchtern: Da können wir vielleicht ein Geschäft daraus machen.
(…) Andere kommen nur zu den Treffen, weil er beobachten will, weil er schon aktiv vor Ort ist. Er gesellt sich hinzu, um zu sehen: Was läuft da? Und andere kommen, um ein Feld zu bestellen; also um aktiv zu werden“ (Stefan S. 3 2-5).
Ein anderer Interviewparter berichtet, die
„Initiative für nachhaltige Entwicklung hat sich gegründet, weil es im Jahre 2004
drei Studentinnen bei den Sozialwissenschaften gab, denen zum Themenfeld
Nachhaltige Entwicklung das Lehrangebot viel zu schlecht bis nicht vorhanden war
und die sich gesagt haben, das organisieren wir uns selbst“ (Roman S. 1 9-12).
Zusammenfassend
charakterisiert
eine
Interviewpartnerin
diese
lernendenorientierten Ansätze folgendermaßen:
„Die meisten machten aber mit, weil sie ein persönliches, berufliches Interesse
hatten und sich aus dem Network Vorteile für eigene Initiativen erhofften“ (Sophie
S. 2 22-23).
Diese persönlichen oder beruflichen Interessen leiten über zur Untersuchung der
Motive des Lernens in Nachhaltigkeitsgruppen im anschließenden Kapitel.
4.7.4.3 Zu den Motiven des Lernens
Die klarsten Ergebnisse liefert die empirische Untersuchung zu den Motiven des Engagements und damit auch des Lernens in Nachhaltigkeitsgruppen. Beim Versuch
defensive und expansive Lernmotivationen zu unterscheiden fällt auf, dass sich de
facto nur expansive Lernmotivation finden lässt: Alle Interviewpartner/innen stimmen
darin überein, dass Menschen sich vor allem dann in Nachhaltigkeitsgruppen engagieren, wenn sie sich davon einen Nutzen erwarten (Anna), ein sehr starkes inneres
Anliegen haben (Heinrich) oder Hilfe bei zivilgesellschaftlichem Engagement suchen
(Sophie, Jasmin). Manche der Interviewpartner/innen gewähren auch Einsicht in ihre
eigene Motivationsstruktur, etwa dass sie ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten wollen (Amanda), zugleich aber auch einen handfesten materiellen Nutzen haben können (etwa ein PR-Training bezahlt bekommen, Amanda). Hier handelt es sich im Üb-
155
rigen um eine „Meta-Motivation“: Motivation zu lernen, um als Belohnung etwas lernen zu düfen).
Motivation für Lernen in der Nachhaltigkeitsgruppe geht meist Hand in Hand mit der
Motivation zu Teilnahme an der Nachhaltigkeitsgruppe (vgl. 8.4). Die Ergebnisse lassen sich nicht besonders gut auseinanderhalten, weswegen der größere Teil der
empirischen Auswertung in 8.5 zu finden ist.
4.7.4.4 Zu den Zwecken des Lernens
Zweck des Lernens in der Nachhaltigkeitsgruppe ist es, den Lernenden einen Beitrag
zum Wachstum von Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Dazu sind grundlegend zwei Zugänge möglich: das instrumentelle Nachhaltigkeitslernen als der Erwerb von Kompetenzen, die direkt auf die Steigerung von Nachhaltigkeit gerichtet sind. Dazu gehören
im Hinblick auf die Gestaltung von Nachhaltigkeitsgruppen selbst

das Projektmanagement, das bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten
hilft (Jasmin),

die Entwicklung von Informationsverarbeitungskompetenz (Jasmin) oder

das Organisieren von Veranstaltungen (Roman).
Im Hinblick auf Zwecke des instrumentellen Nachhaltigkeitslernens bzw. die Vermittlung von Kompetenzen an Dritte wurden von den Interviewpartner/innen genannt

die Unterstützung von jungen Menschen aus bildungsfernen Schichten beim Beginn bzw. während eine Studiums (Amanda)

die Entwicklung von Veranstaltungsformaten zur Nachhaltigkeitskommunikation
(Jasmin)

die Vermittlung von Möglichkeiten zum Energiesparen an Menschen aus bildungsfernen Schichten (Roman)

Organisieren von Vorträgen und Vortragsreihen zu Nachhaltigkeitsthemen (Roman, Heinrich, Sophie).
Demgegenüber steht das intrinsische Nachhaltigkeitslernen als Entwicklung der Fähigkeit, in unübersichtlichen, komplexen und vor allem oft informationsüberladenen
Situationen rasch „gute“ Entscheidungen zu treffen. Auch hierfür finden sich in den
Interviews einige Belege, wiederum in Hinblick auf Vermittlung an Dritte und als
selbstreflektiertes eigenes Lernen.
156
Im Hinblick auf Dritte finden sich folgende Hinweise:

die Ashoka-Initiative in Berlin, die bei Jugendlichen mithilfe von diesen selbst initiierter Projekte Interesse an Politik wecken will.
„Ziel ist auch, von diesem allgemeinen politischen Unterricht wegzukommen.
Die Jugendlichen sollten lernen, wie man sich für das Allgemeinwohl interessiert und wie man sich daran beteiligen kann über Parteigrenzen hinweg“
(Amanda S. 1 29-31).

Nachhaltige Kochkurse für Mitarbeiter/innen in Werksküchen.
„Auf diese Weise könnten sich die Leute innerhalb dieses enthemmten Rahmens besser kennen lernen; wie im Kindergarten. Das würde die Gruppe innerhalb und auch nach außen stärken“ (Amanda S. 3 24-26).

Die Möglichkeit zur Gestaltung von Themenveranstaltungen nach eigenen Ideen:
„Und viele haben auch die Möglichkeit wahrgenommen, da selbst mitzumachen. Die gesagt haben, ich finde dieses Thema total spannend. Wir haben
dazu immer gesagt, ihr könnt etwas vorschlagen, ihr könnt etwas durchmoderieren, das ist eine große Chance für euch, wir stellen euch die Räume zur
Verfügung und wir unterstützen euch“ (Roman S. 5 21-24).

Den Menschen Partizipationsfähigkeit zu vermitteln (gerade, wenn Neue Medien
im Spiel sind):
„Es geht nicht um die Technik, sondern es geht um die Kultur; auch Bürgerbeteiligung und online-Bürgerbeteiligung. Dabei geht es um die Themen Zivilgesellschaft, Verwaltung, große Parteien, die Intransparenz und mangelnde Partizipationfähigkeit z. B. in Stadtverwaltungen, Stiftungen, NGO´s und
so. Es geht um die Frage. Wie finden Umwandlungsprozesse statt?“ (Sophie
S. 3 17-20).
Hinweise, die eher über eigene Lernprozesse der Interviewpartner/innen berichten,
beziehen sich auf

Lernen, wie man sich am besten in Kommunikationsprozesse einbringt –
157
„Diesen Lernprozess muss man zulassen, sonst läuft man Gefahr, dass man
sehr viel Zeit investiert und Mittel investiert, aber nach 5 Jahren einen totgelaufenen Prozess hat“ (Stefan S. 3 26-27).

Lernen, wie man mit wechselnden, heterogenen Gruppen am besten arbeiten
kann: Im Vordergrund steht der Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften.
„Auf ein Thema fokussiert, mit einem entsprechenden Entwicklungsfahrplan,
wo jeder für sich entscheiden kann, wo er einsteigen will und daran mitwirken
will“ (Stefan S. 3 17-18).

Lernen, beglückende Momente zu genießen:
„Das sind Augenblicke, wo jemand eine gewisse Erfahrung gemacht hat, die
für ihn Sinngebung war, die freudvoll war, bei der er etwas gelernt hat. Dann
war es ein Erfolg“ (Paula S. 5 13-15).
Eine eindeutige Schlussfolgerung, welchem der beiden Zwecke mehr Bedeutung
zukommt, lassen diese Hinweise nicht zu. Das bestätigt die in der theoretischen Ausführung getroffene Annahme, dass beide Lern-Zwecke einigermaßen ausgewogen
sind und beide von Bedeutung für das Nachhaltigkeitslernen in Gruppen.
4.8 Zwischenfazit
Nachhaltigkeitsgruppen sind Orte, an denen formale, non-formale und informelle Bildung stattfinden. Das Lernen selbst erfolgt zwar wie jede Form des Lernens anhand
der Bildung von Zuordnung zu und Veränderung von Schemata (in dieser Dissertation wurde auf die Ansätze von Jean Piaget, Knud Illeris und auch Gregory Bateson
zurückgegriffen), doch finden diese Lernprozesse unter für Nachhaltigkeitsgruppen
spezifischen Umständen (Orten, Promotoren, Motiven, Zwecken) statt. Das Lernen in
Gruppen jedenfalls erfolgt systemisch, wie in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt wird.
158
5 Nachhaltigkeitsgruppen als panarchische Systeme
Eine wesentliche wissenschaftliche Grundlage der Gruppentheorie findet sich in der
wissenschaftlichen Beschreibung von Systemen und sozialen Netzwerken. Soziale
Netzwerke werden in der Systemtheorie oft als Systeme bezeichnet und entsprechend in dieser Arbeit zwar nicht als Äquivalente, doch als sehr eng miteinander verknüpft betrachtet. Zudem existiert eine so große Fülle von – teilweise sogar widersprüchlichen – systemtheoretischen Ansätzen, dass es schwierig ist, eine umfassende Übersicht zu geben. Daher beschränkt sich diese Arbeit nach einer grundlegenden Übersicht über allgemein gültige Aussagen der System- und Netzwerktheorie
darauf, die hier als angemessen erachtete Theorie der Panarchie im Detail darzustellen. Nachfolgend werden daher zunächst jeweils Besonderheiten von Systemen bzw.
Netzwerken, soweit sie als Grundlage für das Verständnis nötig sind, andiskutiert
und danach die gemeinsamen Charakteristika dargestellt.
5.1 Grundlagen der System- und Netzwerktheorie
In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die Grundlagen der System- und Netzwerktheorie dargelegt, die als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen in der
vorliegenden Dissertation dienen. Ausgehend von Überlegungen zum Begriff des
Systems wird die Bedeutung systemischen Denkens dargelegt, bevor System- und
Netzwewrktheorie auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht werden.
5.1.1 Der Begriff „System“
Der Begriff „System“ ist griechisch und bedeutet dem Wortsinn nach „Zusammenstellung“, „geordnetes Ganzes“. Für Systeme gibt es eine ganze Reihe von Definitionen.
Die einfachsten Definitionen greifen dabei auf die reine Wortbedeutung zurück und
beschreiben Systeme als „ein Geflecht von miteinander verbundenen Variablen“ (vgl.
Dörner 1989, S. 109). Etwas weiter geht die auch heute noch allgemein anerkannte
Definiton von Hall und Fagan, die ein System beschreibt als „eine Ansammlung von
Elementen und deren Eigenschaften, die durch Wechselbeziehungen miteinander
verbunden sind“ (vgl. Hall; Fagan 1956, S. 18). Noch einen Schritt weiter geht die
Definition von Bossel, der zusätzlich zu Systemelementen und ihren Wirkungsverknüpfungen einen Zweck bzw. eine Funktion von Systemen und eine Systemintegri159
tät erkennt (vgl. Bossel 2004, S. 35). Alle Autor/innen sind sich darüber einig, dass
Systeme komplexe Gebilde mit vielerlei Wirkungen und Rückkoppelungen sind. In
jedem Fall ist der Begriff System zu trennen von dem der Systematik, die sich auf
eine Anordnung von Teilen anhand eines bestimmten Ordnungsprinzips bezieht. Der
Begriff System wird häufig verwendent, man spricht von Wirtschaftssystemen, Verkehrssystemen, Ökosystemen, Nervensystemen oder Betriebssystemen für Computer.
Obwohl die ersten Ideen zu Systemen auf die Antike zurückgehen, entstand die Systemtheorie im eingeren Sinne erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Biologe Bertalanffy erkannte, dass monokausale Herangehensweisen und rein lineare
Beziehungen nicht imstande waren, wesentliche Zusammenhänge in Bezug auf das
Phänomen „Leben“ zu erfassen, sondern dass hier Phänomene wie die SystemUmwelt-Relation, die Fähigkeit zur Selbstregulation oder Fragen des Gleichgewichts
eine wesentliche Rolle spielen (vgl. von Bertalanffy 1968, S. 12ff). Dabei betont er
die Bedeutung der humanistischen Aspekte. Die systemtheoretischen Aspekte wurden weit verbreitet und fanden Aufnahme in Form der General Systems Theory und
der Systems Sciences. Vor allem im Bereich der General Systems Theory sind der
System-Ansatz, die System-Analyse, das System Engineering oder die System Dynamics (vgl. Forrester 1961) als Methoden bekannt (vgl. Skytnner 2002, S. 37ff).
Ebenso aus der klassischen Systemtheorie entwickelt haben sich Ansätze wie die
Kybernetik von Wiener (vgl. Wiener 1992), Bionics (vgl. Steele 1977) sowie in den
Bereich der Erkenntnistheorie vordringende Konzepte wie der „Radikale Konstruktivismus“ (vgl. von Glasersfeld 1997; Simon 2009; von Foerster 1993). Eine selbstständige Entwicklung schließlich nahm Luhmanns Systemtheorie, die speziell auf
soziale Systeme abstellt. Für Luhmann ist Kommunikation die elementare Einheit der
Selbstkonstitution von sozialen Systemen. Die elementare Einheit der Selbstbeobachtung beziehungsweise der Selbstbeschreibung sozialer Systeme hingegen ist
Handlung (vgl. Luhmann 2001, S. 240f). Luhmanns Theorie wird im Folgenden nur in
wenigen Aspekten weiter nachgegangen, da sich hier ökologische Aspekte nur
schwer integrieren lassen.
Die Zusammenhänge zwischen ökologischen Problemen und Systemdenken wurden
erstmals
im
Buch
„Die
Grenzen
des
Wachstums“
(vgl.
Mea160
dows; Meadows; Zahn 1972) aufgezeigt, das auf der „Systems Dynamics“-Methode
von Forrester (vgl. Forrester 1961) beruht. In der Folge und vor allem im Gefolge von
schwerwiegenden Umweltproblemen (verschmutzte Flüsse, von der Abfallbeseitigung ausgehende Bedrohungen, Waldsterben, Artensterben, Rohstoffverknappung
etc.) wurde deutlich, dass Interdependenzen zwischen dem menschlichen Handeln
und der Umwelt stärker in Betracht gezogen werden müssen, und zwar auf Ebene
der Forschung ebenso wie auf Ebene der Politik. Ein Nebenaspekt dieser Erkenntnisse ist, dass den Forscher/innen zunehmend bewusst wurde, dass „wichtige Probleme der realen Welt fast immer Aspekte enthalten, die die Grenzen der Einzelwissenschaften überschreiten“ (Klir 2001, S. 203).
5.1.2 Die Bedeutung des systemischen Denkens
Die Anwendung von disziplinärem, fokussiertem Wissen hat die Menschen über
Jahrtausende bei der Lösung von Problemen unterstützt, indem analytische Methoden anwandt wurden: Man zerlegte Probleme in kleine Teileinheiten, untersuchte
diese getrennt voneinander und suchte nach Rückschlüssen auf das Ganze (vgl.
Popper 1997, S. 120). Die Probleme der Gegenwart sind jedoch zunehmend interdependent, es gibt Veränderung sowohl in Richtung Ursache wie auch in Richtung Wirkung. Dadurch wird unsere Welt zunehmend vernetzter: Aus der Gesellschaft entstandene Kausalketten wirken sich auf unsere sozialen und ökonomischen Systeme
aus. Da sie nicht geeignet ist all diese Interdependenzen zu erfassen, ist die Aufsplitterung keine optimale Methode (vgl. Kofman; Senge 1993, S. 18). Viel mehr als die
Eigenschaften der Einzelteile selbst muss man die Beziehung zwischen den Systemteilen hervorheben. Lineares, mechanistisches Denken muss ergänzt werden um
nichtlineares, organisches Denken, um das Gesamtheitliche in den Vordergrund zu
stellen.
In jedem Fall stellt systemisches Denken eine spezielle Sprache und Werkzeuge für
die Lösung hartnäckiger Probleme im täglichen Leben und bei der täglichen Arbeit
zur Verfügung, die zwar einzeln betrachtet werden können, aber nicht allein. Systemisches Denken öffnet die Grenzen zwischen Naturwissenschaften und Arbeitswelt
sowie
zwischen
Naturwissenschaften
und
den
Geisteswissenschaften
(vgl.
Ackoff 1999, S. 534). Für Richmond findet Systemdenken auf sieben Denkebenen
gleichzeitig statt (vgl. Richmond 1993, S. 113f):
161

Dynamisches Denken, als Nachdenken darüber, wie sich Systeme über die Zeit
hinweg entwickeln und wie wir gerne hätten, dass sie sich entwickeln.

‘System-als-Ursache’-Denken, als Entwickeln plausibler Erkärungen dafür, wie
sich ein System im Zeitablauf im Hinblick auf vergangene Aktionen verhalten hat.

‘Wald’-Denken – als Suchen eines “rich picture” im großen Zusammenhang, ohne sich auf einzelne “Bäume” (also Ereignisse) zu beschränken.

Operationales Denken – als Versuch, den Einfluss einzelner operationaler Faktoren auf das Gesamtverhalten zu untersuchen (hier findet sich am ehesten ein
“analytischer” Zugang).

Denken in geschlossenen Zyklen – als Untersuchen von Feedback-Schleifen und
der Art und Weise, in der Ergebnisse die Ursachen beeinflussen.

quantitatives Denken – als Versuch, mathematische Beziehungen zwischen Ursachen und Wirkungen herzustellen.

wissenschaftliches Denken – als Konstruieren und Testen von Hypothesen mittels Modellen (vgl. Richmond 1994, S. 2).
Dieses weite Feld systemischer Denkweisen bedarf eines großen Feldes von Instrumenten, die uns helfen Besonderheiten einer Systemstruktur und deren Verhalten
graphisch darzustellen, mit anderen über die Erkenntnis dieser Besonderheiten auszutauschen und zu überprüfen, wie Einflüsse von außen das Verhalten des Systems
beeinflussen.
5.1.3 Abgrenzung von Netzwerken und Systemen
Im Weiteren wird in dieser Arbeit vor allem auf den Begriff des Systems fokussiert,
da sowohl Netzwerke als auch Systeme verschiedene Charakteristika und Eigenschaften gemeinsam haben, die für die Ableitung von Nachhaltigkeitsgruppen von
Bedeutung sind. Deshalb führt im Sinne der Arbeit eine genaue Unterscheidung der
beiden Begriffe zu weit. An dieser Stelle folgt jedoch eine kurze Einführung in den
Begriff des „Netzwerks“, bevor die Arbeit im Weiteren nur mehr an wenigen Stellen
von Netzwerken spricht. Zunächst können Netzwerke und Systeme nicht als ident
angesehen werden, auch wenn die Begrifflichkeiten immer wieder synonym verwendet werden. Nach Meinung der meisten Forscher/innen stellen Netzwerke eine spe162
zielle Form von Systemen dar (vgl. Häußling 2009, S. 200; White 1992, S. 147,
254f), manche bezeichnen Netzwerke als „loosley coupled systems“ (Aldrich 1979, S. 325f) oder „underorganized systems“ (Brown 1983, S. 25f). Schließlich
meinen manche, der Unterschied zwischen sozialen Netzwerken und sozialen Systemen bestehe darin, dass letztere immer wieder von Neuem mit Hilfe des Mediums
„Sinn“ eine Grenze zwischen innen und außen ziehen (vgl. Luhmann 1997, S. 60ff).
Daher sind Netzwerke im engeren Sinne keine Systeme. Sie basieren auf wechselseitigen Beziehungen und kennen in der Regel keine Außengrenze (vgl.
Fuchs 2001, S. 277).
Der Begriff Netzwerk wurde vom Sozialanthropologen Radcliff-Brown geprägt: „A
particular social relation between two persons exists only as a part of a wide network
of social relations, involving many other persons” (Radcliff-Brown 1940, S. 3). Eine
soziale Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen kommt demnach zustande,
wenn ihre Interessen in irgendeiner Weise miteinander in Beziehung stehen, übereinstimmen oder sich durch die soziale Beziehung Konfliktpotentiale verringern lassen (vgl. Radcliff-Brown 1940, S. 9). Der Begriff Beziehungsstruktur beschreibt ein
Netzwerk sozialer Beziehungen. Die Definition des von Radcliff-Brown 1940 eingeführten Begriffes „network“ war hinsichtlich seiner Differenziertheit derart durchdacht,
dass er noch heute als aktuell angesehen werden kann (vgl. Jansen 2006, S. 43).
Die traditionelle soziale Netzwerkforschung stellt sich der Aufgabe, Sozialstrukturen
zu beschreiben. Diese Strukturen
„werden als wesentliche soziale Eigenschaften begriffen und formal beschrieben.
Ziel ist es, sie für die Erklärung individuellen Handelns heranzuziehen und die
Entstehung bzw. Veränderung von Strukturen über individuelles Handeln zu erklären“ (Jansen 2006, S. 13).
Von besonderem Interesse sind die Handlungsmuster der Akteur/innen, ihr Zusammenwirken und die Beschaffenheit der Handlungsstruktur des Netzwerkes an sich.
Jansen definiert den Begriff “Netzwerk” als Menge von Knoten (Elementen) und der
Menge der zwischen ihnen verlaufenden Verbindungen, der Kanten (vgl. Jansen 2006, S. 58). Sieht man Knoten und Kanten als die konstituierenden Elemente
des Netzwerks an, so kann sich die Netzwerkanalyse bei der Modellierung sozialer
163
Strukturen auf die Sozialbeziehungen zwischen den Knoten konzentrieren (vgl.
Fuhse 2003, S. 2).
Eine Sozialbeziehung zwischen zwei Knoten und der sie verbindenden Kante bezeichnet man als Dyade. Simmel analysiert die strukturellen Eigenschaften von Dyaden (Zweiergruppen) und Triaden (Dreiergruppen) und deren Wechselwirkung, die
daraus resultierenden Formen der Vergesellschaftung (vgl. Simmel 1968, S. 93;
Wellman; Berkowitz 1988, S. 22f).
Netzwerke entstehen durch das Zusammenspiel mehrerer Dyaden und sind gekennzeichnet durch Verweisungsstrukturen der Dyaden untereinander: So kennt zum Beispiel ein Umweltaktivist einen Lokalpolitiker, aber nicht den in einer bestimmten Sache zuständigen Behördenvertreter. Der Lokalpolitiker kennt diesen Behördenvertreter. Daher hat man einen Verweis von der Dyade „Umweltaktivist–Lokalpolitiker“ zur
Dyade „Lokalpolitiker-Behördenvertreter“, ohne dass dadurch ein geschlossenes
Gebilde entstünde. So verweisen Adressen auf weitere Adressen, die wiederum auf
andere Adressen (und zurück) verweisen (vgl. Luhmann 1995, S. 215ff; Tacke 2000, S. 291ff). Damit entsteht ein Gebilde, das durch seine Beziehungen mehr
ist, als die Menge der ursprünglichen Knoten (vgl. Esser 2002, S. 421).
Das Instrumentarium zur Analyse von Netzwerken stellt die so genannte Netzwerkanalyse zur Verfügung, die über ein breites Repertoire an Konzepten und Verfahren
zur Beschreibung und Analyse sozialer Beziehungen, Gruppen und Netzwerke verfügt. Insgesamt hat sich die Netzwerkanalyse aus unterschiedlichen Disziplinen entwickelt und weist daher weder eine einheitliche Tradition, noch einen einheitlichen
Erklärungsansatz auf. Vielmehr ist das Denken in sozialen Strukturen ein wissenschaftliches Paradigma, das an existierenden Theorien anknüpft und für die Erklärung und Analyse konkreter sozialer Problemstellungen geeignet ist (vgl. Barnes 1972, S. 2f).
Soziale Netzwerkanalyse untersucht im Wesentlichen, wie Strukturen entstehen, sich
entwickeln und welche Auswirkungen sie für das menschliche Verhalten haben (vgl.
Freeman 1992). Wasserman stellt zusammenfassend für die bisher beschriebenen
Erkenntnisse die folgenden vier Überlegungen auf (vgl. Wasserman 1994, S. 4).
164

Akteur/innen und ihre Handlungen sind interdependent, nicht autonome und unabhängige Einheiten,

Verbindungen zwischen den Akteur/innen sind Kanäle für den materiellen oder
immateriellen Fluss von Ressourcen,

Netzwerkmodelle, die auf Individuen abstellen, betrachten die strukturelle Netzwerkumgebung als förderlich oder hinderlich für individuelles Handeln,

Netzwerkmodelle betrachten soziale, ökonomische, politische etc. Netzwerkstrukturen als dauerhafte Beziehungsmuster zwischen den Akteur/innen.
Die Netzwerkanalyse eignet sich um Relationen verschiedener Art zu untersuchen
etwa Ressourcenaustausch (Geld, Material, Personal), Informationsaustausch, Mitgliedschaftsbeziehungen
(Parteien, Gremien,
Vorstände), Innovationsprozesse
(Team, Kooperationen), affektive Beziehungen (Freunde, Ratgeber) und Gruppen/Cliquen (Eliten). Diese unvollständige Aufzählung zeigt, dass sich die Netzwerkanalyse sowohl a priori für die Analyse von Gruppen eignet als auch a posteriori für
die Untersuchung von Fragestellungen, die innerhalb von Gruppen eine Rolle spielen
können (vgl. Götzenbrucker 2008, S. 6).
Jansen (vgl. Jansen 2006, S. 31ff) illustriert die Fragestellungen, mit denen sich die
Netzwerkforschung auseinandersetzt. In Bezug auf Nachhaltigkeitsgruppen sind dabei von Interesse:

der Einfluss von interpersonellen Netzwerken für Meinungsbildung und öffentliche Kommunikation,

der Zusammenhang zwischen Netzwerken und sozialer Mobilität,

politische Entscheidungsprozesse in Gemeinden.
Im Gegensatz zu den Behavioristen, die das Handeln deterministisch, von Naturgesetzen abhängig sehen, wendet sich also das Denken in sozialen Strukturen dem
von Beziehungen zwischen einzelnen sozialen Elementen (z. B. Personen) abhängigen Handeln zu. Versucht wird, diese Elemente anhand innerer Antriebskräfte zu
definieren, die das Verhalten willentlich und zweckgebunden auf angestrebte Ziele
ausrichten. Da der Ansatz nicht nur die wechselseitige Beziehung zwischen jeweils
zwei Netzwerkmitgliedern betrachtet, interessiert vor allem, in welcher Weise Bezie165
hungen zwischen verschiedenen Mitgliedern des Netzwerks deren Verhalten beeinflussen (vgl. Wellman 1988, S. 20). Diese Gedankengänge liegen der Arbeit im Weiteren implizit zugrunde.
5.1.4 Grundlegende Charakteristika von Systemen
Das Naheverhältnis zwischen den Begriffen Netzwerk und System ist festgelegt mit
der Definition jeder Dyade eines Netzwerkes als „ein autopoietisches System mit
emergenten Struktureigenschaften“ (Fuhse 2003, S. 6). Beiden Begriffen sind verschiedene Eigenschaften gemein, die sie zu einer Grundlage der Beschreibung von
Gruppenbeziehungen werden lassen. Systeme weisen immer eine Struktur auf, die
Ordnung der Systemelemente weist verschiedene Eigenschaften auf. So können
Systeme offen oder geschlossen sein. Das Besondere an all diesen Ansätzen ist,
dass man erkannt hat, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile und
dass neben der Komplexität und Übersummativität (Emergenz), Selbstreferenz und
Autopoiesis Phänomene von großer Bedeutung sind. Übersummativität und Autopoiesis werden in den beiden folgenden Unterkapiteln dargestellt.
5.1.4.1 Autopoiesis
Der Begriff “Autopoiesis“ ist eine Kombination der griechischen Begriffe „autos“
(selbst) und „poiein“ (machen) (Jaeger; Scheringer 1998, S. 191). Der Begriff wurde
von den Neurobiologen Maturana und Varela geprägt und beschreibt die Tatsache,
dass es Systeme gibt, die sich selbst reproduzieren. Grundeigenschaften
autopoietischer Systeme sind Selbstherstellung und Selbsterhaltung.
"Die eigentümliche Charakteristik eines autopoietischen Systems ist, dass es sich
sozusagen an seinen eigenen Schnürsenkeln emporzieht und sich mittels seiner
eigenen Dynamik als unterschiedlich vom umliegenden Milieu konstituiert“ (Maturana; Varela 1987, S. 54).
Autopoietische Systeme sind also Systeme, die die Elemente, aus denen sie bestehen, mit Hilfe der Elemente, aus denen sie bestehen, selbst reproduzieren können
(vgl. Willke 1991, S. 43).
166
Allerdings können nicht alle autopoietischen Systeme gleichgesetzt werden, denn es
gibt es auch unter diesen Systemen verschiedene Klassen, insbesondere durch den
ihnen innwohnenden Sinn:
"Zum Beispiel sind soziale Systeme und psychische Systeme gleich insofern, als
sie Systeme sind. Es mag aber auch Gleichheiten geben, die nur für Teilbereiche
einer Vergleichsebene gelten. Zum Beispiel lassen sich psychische und soziale
Systeme, nicht aber Maschinen und Organismen durch Sinngebrauch charakterisieren" (Luhmann 2008, S. 18).
Da im Gegensatz zu den sozialen Systemen Organismen nicht mit „Sinn“ arbeiten,
kann die Autopoiesis, wie sie Maturana und Varela (vgl. Maturana; Varela 1987) beschreiben, nicht ohne Modifikation auf soziale Systeme angewandt werden. Vielmehr
ist es eben der Sinn, der
„erscheint in der Form eines Überschusses von Verweisungen auf weitere Möglichkeiten des Erlebens und Handelns. Etwas steht im Blickpunkt, im Zentrum der
Intention, und anderes wird marginal angedeutet als Horizont für ein Und-so-weiter
des Erlebens und Handelns. Jede Sinnintention ist selbstreferentiell insofern, als
sie ihre eigene Wiederaktualisierbarkeit mit vorsieht, in ihrer Verweisungsstruktur
also sich selbst als eine unter vielen Möglichkeiten weiteren Erlebens und Handelns wieder aufnimmt" (Luhmann 2008, S. 95).
Sinn ermöglicht daher die Reproduktion von Elementen sozialer Systeme, denn er
zeigt einerseits neue Möglichkeiten auf, stellt aber anderseits eine Auswahl aus diesen dar. Für soziale Netzwerke bedeutet autopoietisch, dass Themen und Handlungsmuster entwickelt werden, die als Strukturformen („Klischees“) für jede neuerliche Interaktion oder Kommunikation dienen. Auf diese Weise reproduziert sich das
Netzwerk immer wieder von Neuem (vgl. Fuhse 2003, S. 5ff). Auch Giddens beschreibt in seiner Strukturationstheorie das Verhältnis zwischen Handlung und Struktur (vgl. Giddens 1984). Ihm ist dabei sowohl die Betrachtung des Individuums als
auch die Betrachtung der Gesellschaft wichtig. Er erkennt eine autopoietische Dualität zwischen Handeln und Struktur; sie bedingen sich gegenseitig. Strukturen sind
damit sowohl Ausgangsprodukt als auch Endprodukt sozialen Handelns (vgl.
Giddens 1997, S. 77ff).
167
5.1.4.2 Emergenz
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts beschreibt der Philosoph von Ehrenfels Phänomene der Gestaltqualität. Er stellt fest, dass die Wahrnehmung Qualitäten enthalte,
die sich nicht aus der Anordnung einfacher Sinnesqualitäten ergeben (vgl. Ehrenfels 1890). So ist die Melodie eines Musikstückes mehr als die Summe seiner Töne.
Von den Beobachtungen v. Ehrenfels´ ausgehend gründeten Wertheimer, Koffka und
Köhler mit der „Berliner Schule der Gestaltpsychologie“ eine neue psychologische
Richtung. Die Gestaltpsychologie schließt aus der Analyse des Ganzen auf die Konstitution seiner Einzelteile.
„Es gibt Zusammenhänge, bei denen nicht, was im Ganzen geschieht, sich daraus
herleitet, wie die einzelnen Stücke sind und sich zusammensetzen, sondern umgekehrt, wo - im prägnanten Fall - sich das, was an einem Teil dieses Ganzen geschieht, bestimmt von inneren Strukturgesetzen dieses seines Ganzen“ (Wertheimer 1925, S. 103).
Damit lässt sich die Gestalt als übersummativ und transponierbar (z. B.
Transponierbarkeit eines Musikstückes in eine andere Tonart) beschreiben.
In Bezug auf Systeme und Netzwerke zeigt sich, dass auch hier die Summe der Eigenschaften der Teile (die Summe der Netzwerke der Einzelakteur/innen) nicht die
Eigenschaften des Ganzen (eines Systems „Gesellschaft“) ergibt. Denn die systemischen Eigenschaften sind nicht bei einem einzelnen Systemteil vorhanden, sondern
ergeben sich durch die prozesshaften Beziehungen der Teile.
Der Gedanke der „Emergenz“ bezieht sich daher auf die zusätzlichen, neuen Eigenschaften, die das Netzwerk durch die Herausbildung der Kanten bzw. ein System
durch Herausbildung seiner Strukturen entwickelt und beschreibt das Aristoteles´sche Prinzip: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Das bedeutet,
dass aus individuellen Handlungen kollektive Effekte entstehen, die eine eigene,
nicht unbedingt angestrebte Qualität aufweisen (vgl. Giddens 1984, S. 58).
Die Human Relation Bewegung in der Industriesoziologie beschreibt die Emergenz
der
menschlichen
Dimension
in
Unternehmen.
In
Abkehr
vom
Tayloris-
mus/Fordismus wird der Mensch im Unternehmen nicht mehr als im Arbeitsablauf
isoliert funktionierendes Wesen betrachtet, sondern als Teil einer Gruppe, dessen
168
Arbeitsleistung nicht nur mithilfe finanzieller Anreize, sondern in erster Linie durch
soziale Faktoren gesteigert werden kann (vgl. Roethlisberger; Dickson 1966). Im Anschluss an die so genannten Hawthorne Studien (vgl. Mayo 1930, 1933) untersuchte
Homans die Auswirkung von Interaktionen, Normen, Aktivitäten und Emotionen auf
Kleingruppen. Er erklärte die soziale Ordnung innerhalb einer Kleingruppe als Folge
der sozialen Beziehungen und der daraus erwachsenden Aktivitäten und Emotionen,
die ihrerseits eine Wechselwirkung aufweisen. Diese begünstigen das Entstehen von
Normen und Regeln, die zum Entstehen von Hierarchien führen. Es gibt also eine
positive Korrelation zwischen der Interaktionsintensität und der Hierarchie einer
Kleingruppe (vgl. Homans & Gruner 1960, S. 113ff). Diese Aussage kann zur Beschreibung von Nachhaltigkeitsgruppen genutzt werden.
5.1.5 Übertragung des Systemdenkens auf Gruppenkonzepte
Eine Alltagsbeobachtung zeigt, dass Gruppen nicht mehr so stabil sind wie früher,
weil sich Mitglieder nicht mehr so lange binden wollen. Der Gruppenbegriff verliert
seit den 1960er Jahren kontinuierlich an Bedeutung. Es kommt zu einer Dynamisierung des Begriffes mithilfe des Begriffes „Netzwerk“, der „eine bessere Konzeption
und Analyse der Verflechtung zwischenmenschlicher Beziehungen ermöglicht“
(Fuhse 2006, S. 245). Überlegungen zum Thema „Netzwerk“ erlauben eine Neuformulierung des Gruppenkonzeptes, das nunmehr als Spezialfall von Netzwerken zu
sehen ist: Gruppen zeichnen sich durch Konzentration auf eine innere Kerngruppe
mit großer Kohäsion aus, wohingegen sich Mitglieder an der Gruppenperipherie nicht
mehr eindeutig vom Umsystem abgrenzen lassen. Über die Stärke der Bindungen,
die innerhalb einer modernen Gruppe bestehen, herrscht Uneinigkeit: Für den Soziologen Ganovetter sind moderne institutionelle Netzwerke durch „die Stärke schwacher Bindungen“ gekennzeichnet. Das heißt, dass einerseits flüssige Formen von
Gemeinsamkeit dem Menschen nützlicher sind als langfristige Verbindungen, aber
andererseits starke soziale Bindungen wie Loyalität ihre Bedeutung verloren haben
(vgl. Ganovetter 1993, S. 1360ff).
169
5.2 Das Panarchiekonzept: Veränderungen in komplexen Systemen
und Netzwerken erfassen
Wesentliches Merkmal komplexer Systeme ist, dass sie nicht statisch sind, sondern
sich permanent verändern. Mit ihrem Panarchiemodell stellen Holling et al. ein Konzept zur Verfügung, mit Hilfe dessen man Veränderungszyklen in komplexen Systemen verstehen und ein „framework to understand the cycles of change in complex
systems and to gauge if, when and how they can be influenced“ schaffen kann
(Holling; Gunderson; Gunderson 2001, S. VII). Das Wort Panarchie beschreibt lebende Systeme, die gleichzeitig sowohl persistent sind (stabil im Sinne von „to
persist“: durchhalten) als auch sich verändern. Um die Quelle und die Rolle zu verstehen, die der Wandel von Systemen mit sich bringt, wird das Panarchiemodell dieser Arbeit im Weiteren zugrundegelegt, wobei zunächst auf die grundlegenden Begriffe der adaptiven Schleifen und der Resilienz eingegangen wird.
5.2.1 Das Modell der adaptiven Schleifen und Resilienz
Das Modell der adaptiven Schleifen wurde als Gedankenwerkzeug aus vergleichenden Studien über die Dynamik von Ökosystemen abgeleitet, um deren Komplexität
und Dynamik zu durchdringen. Bereits Schopenhauer erkannte die Wichtigkeit der
„richtigen Schätzung des Unbestandes und Wechsels der Dinge. Weil eben jeder
Zustand für die Zeit seiner Dauer, notwendig und daher mit vollstem Rechte vorhanden ist; so sieht jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag aus, als ob nun endlich er
recht behalten wollte, für alle Ewigkeit. Aber keiner behält es, und der Wechsel allein ist das Beständige“ (Schopenhauer 1960, S. 561).
Mit Hilfe der adaptiven Schleifen bzw. des daraus entwickelten Konzeptes der Panarchie gelingt es, die bislang eher statische Betrachtung von Systemen um eine dynamische Komponente zu erweitern.
Im Zentrum der Betrachtung stehen nicht Bestand und Kontinuität, sondern Auflösung und Neuorganisation: Lange, stabile Perioden der Sammlung und Nutzung von
Ressourcen und kürzere, auf den ersten Blick „zerstörerische“ Perioden der Restrukturierung, die aber in sich die Möglichkeit zur Einführung von Neuerungen bergen,
sind miteinander in so genannten „adaptiven Schleifen“ verbunden. Diese Betrach170
tungsweise bildet die Grundlage, um komplexe Systeme von Zellen über Ökosysteme bis hin zu Gesellschaften verstehen zu können (vgl. Holling 2001, S. 394).
Adaptive Schleifen sehen Veränderungen und Umorganisationen als Teil eines periodischen Prozesses. Dieser findet auf einer Ebene eines hierarchisch strukturierten
Systems statt, ohne dadurch gleich zwingend das gesamte System zu gefährden.
Erfolgsperioden tragen in sich den Samen zukünftigen Niedergangs, weil sie zulassen, dass Anspannung und Starrheit sich ansammelt (vgl. Holling 2001, S. 395). Organisationen und Institutionen schaffen es oft nicht, sich an diesen langsamen Wandel anzupassen, entweder, weil er für sie unsichtbar ist oder weil er so komplex und
umstritten ist, dass man sich auf keine vernünftige Aktion einigen kann.
Drei wichtige Merkmale bestimmen den Entwicklungsverlauf einer adaptiven Schleife
(vgl. Holling, Gunderson, & Peterson 2002, S. 4). Potenzial, Connectedness und Resilienz. Die beiden ersteren dieser Begriffe lassen sich relativ leicht fassen: Das Potenzial ist ein Maß für das „Kapital“ oder den „Reichtum“ eines Systems, also die darin angesammelten Fähigkeiten. Es beschreibt die Anzahl alternativer Möglichkeiten,
die dem System zur Verfügung stehen. Demgegenüber bestimmt die Connectedness
den Grad, in dem ein System sein eigenes Schicksal bestimmen kann und nicht zufällig von außen bestimmt werden kann. Letztlich ist sie ein Maß dafür, wie komplex
und vielschichtig die Verbindungen zwischen den einzelnen Systemelementen sind.
Schwieriger zu fassen ist das Konzept der (sozio-ökologischen) Resilienz, das
manchmal auch als eigenständiges Konzept aufgefasst wird und in der Debatte um
Nachhaltigkeit vor allem im Zuge der Klimawandelsanpassung an Bedeutung gewinnt: „Resilience ist the capacity of a system to absorb disturbance and reorganize
while undergoing change so as to still retain essentially the same function, structure,
identity, and feedbacks“ (Walker et al. 2004).
Grundsätzlich versteht man unter Resilienz die Fähigkeit des Systems Störungen zu
ertragen, ohne sich in seinen wesentlichen Charakteristika zu verändern. Unter Störungstoleranz eines Systems versteht man
„das Höchstmaß an Störung, das vom System absorbiert werden kann, ohne dass
sich die Struktur ändert, indem Variablen und Prozesse verändert werden, die das
Verhalten des Systems kontrollieren“ (Gößling-Reisemann 2008, S. 369)
171
und seine Fähigkeit zur Erholung nach Störungen. Resilienz ist zu unterschieden von
Resistenz als der Fähigkeit, Störungen auszuhalten ohne sich zu verändern.
Hohe Resilienz bedeutet aber auch, dass das System zur Selbstorganisation fähig ist
und daher keine steuernden Eingriffe (von innen oder außen) benötigt, betrifft also
die Störungstoleranz eines Systems in Krisen. Die Resilienz steigt mit der funktionellen Diversität des Systems, da das Ausfallen einzelner Systemelemente nicht unbedingt auf alle anderen durchschlägt (vgl. Holling 2001, S. 403). Umgekehrt sinkt die
Resilienz mit zunehmender Systemkomplexität, weil einzelne Verbindungen instabil
werden und das Versagen eines kleinen Systemelements auf alle anderen durchschlagen kann.
Resilienz weist vier wesentliche Merkmale auf: Als Spielraum bezeichnet man das
Ausmaß, in dem ein System verändert werden kann, bevor es seine Fähigkeit verliert
in den Ausgangszustand zurückzukehren (wie ein Gummiband, das gedehnt wird).
Als Resistenz bezeichnet man die Leichtigkeit (oder Schwierigkeit), mit der ein System verändert werden kann. Die Unsicherheit betrachtet die Frage, wie nahe das
System einer Schwelle ist, an der es „kippt“. Das letzte Merkmal ist die Panarchie,
eine Wechselwirkung mit anderen Systemen, die im nächsten Abschnitt näher betrachtet wird (vgl. Walker et al. 2004).
Letztlich beschreibt die Resilienz das Ausmaß, in dem das System bereit ist zu lernen und zu experimentieren, damit neuartige Lösungen gefunden und umgesetzt
werden können. Wenn neue Herausforderungen auftauchen, müssen Systeme flexible Lern- und Anpassungsprozesse in Gang setzen können. Um Resilienz zu operationalisieren, also konkret fass- und handhabbar zu machen, muss sie in einem je
spezifischen Kontext gesehen werden: Es geht immer um die Resilienz einer Sache/eines Systems im Hinblick auf eine/ein andere/anderes (vgl. B. Walker et al.
2002).
In Abb. 4 sind die Zusammenhänge zwischen Potenzial, Connectedness und Resilienz zu sehen.
Vier ausgeprägte Phasen kennzeichnen die adaptive Schleife, deren jeweilige Entwicklungsgeschwindigkeit durch Pfeile symbolisiert wird (vgl. Holling 2001, S. 396):
172
K
Potential

r
Ω
Abb. 4: Modell einer Adaptiven Schleife (Holling 2001, S. 396)
(r) steht für die Wachstumsphase bzw. Zugewinnphase („exploitation“), diese geht
über in die Phase der Erhaltung („conservation“, K). In diesen Phasen verlaufen die
Entwicklungen, die wenig dynamisch, sehr langsam und gut vorhersehbar ist. Wenn
das Potenzial und die Connectedness eines Systems zunehmen, verursachen langsame Veränderungen eine erhöhte Anfälligkeit des Systems für externen Einwirkungen (eine verringerte Resilienz). Das kann zum Zusammenbrechen des Systems führen, was eine schnelle Auflösungsphase („release“, Ω) zur Folge hat, die rasch in die
Reorganisierungsphase () übergeht. Diese wiederum kann langsam oder schnell
verlaufen. Sowohl in der Ω- als auch in der -Phase nimmt die Resilienz zu – destruktive Zustände sind durch ein hohes Maß an Störungstoleranz gekennzeichnet.
Im Anschluss folgt wieder die (r) Phase, die entweder der vorhergehenden (r) Phase
ähnelt oder sich grundlegend von ihr unterscheidet. Denn als Konsequenz der regelmäßigen Wiederkehr und damit der Flüchtigkeit der verschiedenen Abschnitte von
Zerstörung (Ω) und Neugestaltung ()hat das System die Möglichkeit, sich immer
wieder neu zu organisieren und neu zu gestalten. Diese Neugestaltung erlaubt den
bestehenden Milieugruppen ein neues System zu organisieren mit der Möglichkeit,
vollkommen fremdartige, neue Anfänge zu berücksichtigen (vgl. dazu Schumpeters
173
„Schöpferische Zerstörung“, Schumpeter 1997, S. 157). In der Phase () stehen damit viele neue Optionen und damit Innovationen offen (vgl. Walker et al. 2004).
Die wichtigsten Stufen im Prozess der Entwicklung sind kreatives Herausfinden neuer Möglichkeiten, Testen der Sinnhaftigkeit neuer Möglichkeiten und das Aufrechterhalten der wichtigsten Möglichkeiten. Von besonderer Bedeutung für die Dynamik
des Systems sind der Übergang von K zu Ω (release), der den akuten Zusammenbruch eines überkomplexen und daher störungsanfälligen Systems beschreibt, sowie
der sich langsam vollziehende Übergang von  zu r (recovery) als Kraft der Veränderung und Impulsgeber in verschiedenen Entwicklungsstadien, der den langsamen
Wiederbeginn einer neuen Wachstumsphase kennzeichnet.
Damit ist dargelegt, dass Systeme einer bestimmten Dynamik unterliegen. Das erkennen auch andere Autor/innen. So beschreibt Kruse die Sicht des Change Managements: Die Notwendigkeit von Veränderungen bewirkt Irritationen, die zu echter
Verunsicherung und Energieverlusten auf verschiedenen Ebenen führen kann, wenn
die Akteure sich nicht von alten Mustern lösen können und bestrebt sind, zu einem
vor der Störung gewohnten Zustand zurückzukehren.
„Sind sie jedoch bereit, sich auf neue Muster und Prozesse einzulassen, wird aus
der Irritation Instabilität – ein Zustand flexibler Anpassungsfähigkeit. Einer Organisation, die sich auf Instabilität einlassen kann, öffnet sich die Chance, aus Veränderungsprozessen immer wieder gestärkt hervorzugehen“ (vgl. Kruse 2002, S. 3).
Auch nach Radcliff-Brown kann sich die Mitgliederzahl eines Netzwerkes ändern,
aber die Grundstruktur bleibt in der Regel erhalten (vgl. Radcliff-Brown 1940, S. 4).
5.2.2 Interdependente adaptive Schleifen: Panarchie
In einem nächsten Schritt werden mehrere adaptive Schleifen zu einer Panarchie
zusammengefügt. Das Konzept der Panarchie beschreibt lebende Systeme, die
gleichzeitig sowohl stabil sind als auch sich verändern. Im Panarchiemodell verändern schnelle und langsame, kleine und große Ereignisse und Prozesse Menschen
und ihre Gesellschaften dadurch, dass diese auf eine transformative Art lernen oder
zumindest die Möglichkeit erhalten zu lernen (vgl. Holling 2001, S. 394f). Eine Panarchie verkörpert einen Satz in einander verschachtelter adaptiver Schleifen.
174
Im Prinzip handelt es sich bei einer Panarchie daher um ein hierarchisches System,
jedoch in einer völlig anderen als der gängigen Auffassung des „Von-oben-nachunten“. Daher wurde der neue Begriff der Panarchie entwickelt, um der dynamischen
Natur von Systemen gerecht zu werden, die lokal und temporal ineinander verschachtelt sind (vgl. Holling et al. 2002, S. 63f). Der Name Panarchie bezieht sich auf
den griechischen Gott der Natur Pan. Der gehörnte und behaarte Gott mit dem Pferdefuß repräsentiert die allgegenwärtige spirituelle Kraft der Natur und hat eine Persönlichkeit und Rolle, die ihn in den Hymnen des Orpheus als geißbeinig, begeisternd, Liebhaber der Ekstase, zwischen den Sternen tanzend sieht (vgl. Hughes
1986, S. 8). Zusätzlich zu seiner kreativen hat Pan auch eine destabilisierende Rolle,
die sich in dem Wort „Panik“ wiederfindet. Seine Eigenschaften schwingen auch in
den vier Phasen der adaptiven Schleifen mit.
In der hierarchischen Struktur einer Panarchie interagieren natürliche (z. B. Wälder,
Seen, Meere) und menschliche (z. B. Verwaltungsstrukturen, Kultur) und kombinierte
Mensch-Umwelt-Systeme (z. B. Umweltkontrolleinrichtungen) (vgl. L. H. Gunderson
et al. 1995, S.519ff). Das Funktionieren der einzelnen adaptiven Schleifen und deren
Kommunikation untereinander bestimmen, ob ein System auf Dauer funktionieren
kann (vgl. Holling 2001, S. 396). In einer Panarchie sind mehrere adaptive Schleifen
ineinander verschachtelt, unter denen es schnelle, kleine (z. B. das Wachstum eines
Blattes, eine Immobilien Bank in den USA) ebenso gibt wie langsame, große (das
Waldgebiet, in dem sich das Blatt befindet; die Weltwirtschaft). Die schnellen Ebenen
erfinden, experimentieren und testen, die langsamen festigen und erhalten die bisher
erfolgreichen Experimente. Veränderungen betreffen wirtschaftliche, ökologische und
soziale Belange und finden sich schnell entfaltend oder langsam wechselnd statt,
aber auch schrittweise und episodisch und auf verschiedenen Systemebenen (z. B.
lokal oder global) (vgl. Holling et al. 2002, S. 73).
Das Panarchiemodell beschreibt den evolutionären Charakter komplexer adaptiver
Systeme. Stabilität erlangen Panarchien durch das bereits oben angesprochene
Phänomen der Resilienz. Holling selbst definiert Stabilität als die Fähigkeit eines
Systems, zu einem definierten Ausgangszustand zurückzukehren. Je schneller und
und mit je weniger Ausschlägen dies geschieht, desto stabiler ist das System (vgl.
Holling 1973, S. 17). Dieser Begriff von „Stabilität“ deckt sich nicht mit dem in dieser
175
Arbeit verwendeten Begriff der „dynamischen Stabilität“, der Rekurs nimmt auf die
Fähigkeit des Systems, Änderungen zu widerstehen, ohne dabei die grundlegenden
Systemeigenschaften aufzugeben. Dynamische Stabilität ist daher weitgehend mit
der Resilienz, wie Holling sie definiert, gleichzusetzen.
5.2.3 Rückkoppelungen zwischen adaptiven Schleifen
Es gibt viele mögliche Verbindungen zwischen den verschiedenen Entwicklungsphasen verschiedener Panarchiestufen. Zwei Verbindungen sind für die Beschreibung
der nachhaltigen Entwicklung besonders wichtig; diese Verbindungen werden als
Revolt und Remember bezeichnet (vgl. Holling et al. 2002, S. 74ff), vgl. Abb. 5. Denn
in den Übergangsphasen K-Ω und r- werden große und langsame Einheiten anfällig
für Veränderungen, die in den schnellen, kleinen Einheiten stattfinden. Erfolgsperioden tragen in sich den Samen zukünftigen Niedergangs, denn sie lassen Anspannung und Starrheit aufkommen, statt sich mit den ihnen untergeordneten Einheiten
langsam weiterzuentwickeln, entweder, weil deren Wandel für sie unsichtbar ist oder
weil er so komplex und umstritten ist, dass man sich auf keine vernünftige Aktion einigen kann.
Abb. 5: Panarchie-Modell (Holling 2001, S. 396)
176
Mit dem Begriff „revolt“ bezeichnet man das Zusammentreffen einer instabilen Phase
in einem untergeordneten System mit einer Phase hoher Komplexität in einer übergeordneten Ebene. Das Kollabieren der untergeordneten Ebene kann in diesem Fall
die übergeordnete(n) Ebene(n) mitreißen und so zu einem großen Kollaps führen
(wie etwa im Falle eines kleinräumigen Brandes, der einen ganzen Forst vernichtet,
oder im Zusammenbrechen einiger Immobilienbanken, die die Weltwirtschaft in die
Krise gerissen haben (vgl. Holling et al. 2002, S. 75; Holling 2001, S. 398).
Mit dem Begriff „remember“ bezeichnet man die Tatsache, dass trotz Zusammenbrechens einer untergeordneten Ebene nicht unbedingt die ganze Panarchie zusammenbrechen muss, wenn übergeordnete Ebenen einigermaßen stabil sind. Denn in
diesen ist Potential (also Kompetenzen, Erfahrungen, Know-How) gespeichert, das
zur Neuerschaffung und Wiederingangsetzung der untergeordneten Ebene beitragen
kann. So kommen Tiere und Pflanzensamen in das zerstörte Waldgebiet und etablieren erneut Vegetation; die Weltwirtschaftskrise kann mithilfe politischer und gesellschaftlicher Allianzen wieder in Gang gesetzt werden (vgl. Holling et al. 2002, S. 75;
Holling 2001, S. 398). Panarchie vereint somit die Aspekte der Kreativität und Bewahrung. Die Wechselwirkung zwischen den Schleifen innerhalb der Panarchie verbindet das kreative Lernen neuer Lösungen mit der Dauerhaftigkeit bereits erprobter
Lösungen. Die Verbindung der beiden Begriffe stellt also keinen Widerspruch in sich
dar, sondern präsentiert eine logische Partnerschaft (vgl. Holling 2001, S. 399).
5.3 Lernen in Systemen und im Panarchiemodell
Die der Systemtheorie nahestehende konstruktivistische Lerntheorie geht davon aus,
dass Menschen die sie umgebende „Wirklichkeit“ nur mittelbar durch Konstruktion
von Schemata ihres eigenen kognitiven Systems erfahren können. Diese Auffassung
spiegelt sich unmittelbar in den Arbeiten von Piaget oder Illeris (vgl. 4.2.2). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Autopoiese: Die bereits im selbstorganisiert arbeitenden kognitiven System angelegten Schemata bestimmen, in welcher Weise ein
von außen herangetragener Reiz eine Veränderung auslösen kann. Insofern kann
keinesfalls ein deterministischer Zusammenhang zwischen Reiz und Reaktion hergestellt werden (vgl. Faulstich 2005, S. 529ff). Die Wirkung externer Reize auf den
menschlichen Organismus wird in erster Linie bestimmt durch die drei Merkmale Vo177
raussicht, Kommunikation und Technologie. Sie machen menschliche Systeme einzigartig. Kommunizieren können zwar bis zu einem gewissen Grad auch Tiere;
Technologie und Voraussicht sind aber reine menschliche Charakteristika (vgl.
Holling 2001, S. 396). Durch Voraussicht und ein geplantes und zielgerichtetes Vorgehen kann den Konsequenzen der adaptiven Schleife (insbesondere zur Verhinderung eines Zusammenbruchs K-Ω) entgegengewirkt werden bzw. können die kreativen Kräfte in der Phase -r besser genützt werden. Durch die Fähigkeit zur Kommunikation können Entwicklungen beschleunigt werden, weil das Mitteilen von Ideen
und Neuerungen schneller funktioniert als in biologischen Systemen (vgl. Holling
2001, S. 401). Technologie eröffnet den Menschen die Möglichkeit, die Steigung r-K
und damit das Potenzial und die Connectedness proaktiv zu beeinflussen. Das ist in
keinem anderen System möglich. Insgesamt scheint es folglich so zu sein, dass die
Voraussicht den Zyklus der adaptiven Schleifen abschwächt, wohingegen Technologie und Kommunikation eher zu seiner Beschleunigung beitragen (vgl. Holling 2001,
S. 401).
Alle drei stehen in besonderem Zusammenhang mit der Resilienz. Resilienz ist daher
eine Art von Fähigkeit des Systems, sich so zu verändern, dass es trotz einer Störung nicht zugrunde geht, sondern sich anpasst (vgl. Holling et al. 2002, S. 28).
Treibt man diese Interpretation noch weiter, so kann man annehmen, dass „die Störung“ nicht unbedingt negativen Charakter haben muss, sondern einem Wandel entspricht, der das System zur kontinuierlichen Weiterentwicklung und Verbesserung
anregt. Resilienz bedarf also des Wandels, um sich weiterzuentwickeln. Damit besteht hier wiederum ein enger Konnex mit einer Fähigkeit, die vor allem den Menschen kennzeichnet: dem Lernen. Lernen besteht in diesem Zusammenhang insbesondere darin, Anpassungsfähigkeit zu erwerben. Unter Anpassungsfähigkeit
(adaptability oder adaptive capacity) versteht man in einem komplexen sozioökonomischen System die Fähigkeit von einzelnen Menschen und Gruppen, Resilienz absichtsvoll so zu steuern, dass das System nicht in einen unerwünschten Zustand gerät oder aus einem solchen befreit werden kann (vgl. Walker et al. 2004). Damit betrifft Anpassungsfähigkeit einen Aspekt der Resilienz: die Flexibilität zu lernen, zu
experimentieren, neuartige Lösungen anzuwenden und damit letztlich ein breites
178
Spektrum von generalisierten Antworten auf ein ebenso breites Spektrum möglicher,
kritischer Herausforderungen zu entwickeln (vgl. B. Walker et al. 2002).
Kruse sieht als grundlegend für den Phasenübergang in dynamischen Systemen die
kreative Störung, denn seiner Ansicht nach sind stabile Zustände selbsterhaltend
(vgl. Kruse 2002, S. 4). Sie bewirken damit eine so genannte Pfadabhängigkeit (vgl.
Kemp; Rip; Schot 2001, S. 271ff). Pfadabhängigkeiten werden begründet durch die
Regeln und Regelsysteme, Netzwerke und gegenseitige Abhängigkeiten, in welche
die Akteure und Organisationen innerhalb eines Systems eingebettet sind, sowie
durch die Langlebigkeit einiger (Unter-)Systeme, welche wiederum bedingt werden
durch die Lebensdauer einzelner Komponenten (z. B. Maschinenlebensdauer, Nutzungsdauer von Kraftwerken etc.) (vgl. Geels 2004, S. 910f). Um diese Pfadabhängigkeit zu überwinden bedarf es nicht der Funktionsoptimierung (best practice), sondern massiver Prozessmusterwechsel (next practice) und damit um einen Übergang
von dem, was Kruse (vgl. Kruse 2002, S. 4) „triviales Lernen“ nennt (entsprechend
der Assimilation oder dem Lernen I, vgl. 4.2.2), hin zu einem „nichttrivialen Lernen“
bzw. zur Akkomodation oder gar Transformation (vgl. 4.2.2). Doch „(n)ichttriviales
Lernen, das Aufbrechen liebgewordener Muster fällt dem Gehirn nicht leicht“ (Kruse 2002, S. 4).
Die Lernprozesse in Zusammenhang mit der Anpassungsfähigkeit steht in engem
Zusammenhang mit der im Deutschen nicht adäquat wiedergebbaren „adaptive
flexibility“. Adaptive Flexibility spielt eine Schlüsselrolle bei der Problemlösung, da sie
die Anwendung einer großen Vielfalt von Strategien in Abhängigkeit von den Anforderungen der Aufgabe fördert. In Bezug auf ein Problem werden laufend wechselnde
Perspektiven eingenommen, das Problem wird immer wieder neu definiert und auch
die Lösungsstrategien werden verändert, wenn sich bisherige Perspektiven und Strategien als nicht zielführend erwiesen haben (vgl. Georgsdottir, Todd, & Getz 2003, S.
182). Daraus folgt aber, dass auch Normen und Werte (vgl. 8.1) im System nicht immer gleich bleiben, sondern emergente Merkmale der Kommunikation und der Lernprozesse im System sind (vgl. Tognetti 1999, S. 689f). In der Tat besteht der Lernprozess aus Anpassungsreaktionen auf Unsicherheit. Diese neue Sicht auf das Lernen soll zur Wahrnehmung, Anpassung an und Entwicklung von Antworten auf Her-
179
ausforderungen führen, die aus dem Umfeld erwachsen. Dazu werden im
panarchischen System drei sehr unterschiedliche Arten des Lernens betrachtet:

inkremental, r-K, in sehr kleinen Schritten ansteigend,

abrupt, Ω- und

transformativ, (-r) also sich umformend, damit ähnlich wie auch Illeris (vgl.
Illeris 2010) und andere (vgl. 4.2).
Damit steht die Prozessorientierung im Vordergrund dieser Konzepte und folglich
wiederum der in dieser Arbeit vertretene prozessorientierte Ansatz der Nachhaltigkeit: Im Zentrum davon steht in Bezug auf Lernen der Übergang von der Frage “Was
wollen wir erreichen?” zu “Wie wollen wir es erreichen?” und von einem zielorientierten Ansatz zu einem prozessbasierten, multi-skalierten, von einem Ziel bzw. einer
Vision geleiteten Ansatz (vgl. Pahl-Wostl 2002). Den wesentlichen Ansatzpunkt einer
nachhaltigen Lernumgebung bildet daher die Ermutigung und Befähigung anderer für
deren eigenes Planen (vgl. Ackoff 1979).
5.4 Nachhaltigkeit als panarchisches Konstrukt
Zunächst besteht ein enger Konnex zwischen Nachhaltigkeit und Resilienz. Nachhaltigkeit als übergeordnetes Ziel beinhaltet Präferenzen und Annahmen darüber, welche Systemzustände wünschenswert sind. Der Aufbau von resilienten gewünschten
Systemkonfigurationen erfordert, dass die sozialen, ökologischen und ökonomischen
Strukturen und Prozesse eines Systems in einer Weise verändert werden, dass sich
das System nach Störungen wieder reorganisieren kann und Zustände, die einer
Reorganisation zuwiderlaufen, vermindert werden (vgl. B. Walker et al. 2002).
Da in den meisten sozio-ökologischen Systemen soziale, ökologische und ökonomische Faktoren interdependent sind, wird Resilienz zur immanenten Systemeigenschaft (vgl. Perrings 1996, S. 246). Das Gleichgewicht in einem sozioökonomischen
System hängt daher ab vom sozialen, ökologischen und ökonomischen Gleichgewicht sowie der Resilienz aller vorstellbaren systemischen Zustände. Wegen der daraus resultierenden Komplexität ist ein stabiler globaler Zustand de facto unmöglich
(vgl. Berkes & Folke 2001, S. 51). Nachhaltigkeit im Sinne der Dauerhaftigkeit erfordert daher Resilienz als die Entwicklung der Fähigkeit, mit Wandel umzugehen und
180
ihn so zu gestalten, dass Möglichkeiten für eine zukünftige Entwicklung bestehen
bleiben. Daher müssen nachhaltige Systeme resilient sein, denn sie besitzen das
Potenzial und Möglichkeiten, die im Falle einer Störung notwendigen Entwicklungen
und Anpassungen bewältigen zu können (vgl. Folke et al. 2003, S. 51). Resilienz
kann dann als Fähigkeit interpretiert werden, mit Wandel umzugehen und mit diesen
Wandlungen so umzugehen, dass zukünftige Entwicklungen möglich sind. Hier besteht eine starke Parallele zu Heinz von Foersters „Ethischem Imperativ“ (vgl. von
Foerster 2000, S. 49). Allerdings ist Resilienz nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für Nachhaltigkeit (vgl. S. R. Carpenter et al. 2001, S.766). Denn aus
Nachhaltigkeitssicht völlig unerwünschte Zustände wie gekippte Gewässer oder
Wüstenbildungen können sogar höchst resilient sein.
Weiterhin kombinieren die Beziehungen zwischen den adaptiven Schleifen einer
Panarchie Kreativität und Bewahrung, Erneuerung und Bestand, Entwicklung und
Aufrechterhaltung sowie Lernen und Kontinuität (vgl. Holling 2001, S. 402). Diese
Begriffspaare erscheinen auf dem ersten Blick gegensätzlich, müssen aber zur Erzielung nachhaltiger Entwicklung jeweils gleichzeitig umgesetzt werden. Damit wird
auch Nachhaltigkeit zu einem Sachverhalt, der sich mithilfe des Panarchiekonzeptes
darstellen lässt. Nachhaltigkeit bedeutet dann nicht, dass ein statisch-stabiler Zustand der Glückseligkeit erreicht werden muss, sondern dass die Entwicklung auf
dauerhaften Bestand angelegt ist. Holling selbst drückt dies pointiert aus, wenn er
“Sustainable Development” definiert:
„Sustainability is the capacity to create, test, and maintain adaptive capability. Development is the process of creating, testing, and maintaining opportunity. The
phrase that combines the two, ‘Sustainable Development’, therefore refers to the
goal of fostering adaptive capabilities while simultaneously creating opportunities.
It is therefore not an oxymoron, but a term that describes a logical partnership”
(Holling 2001, 399).
Die Charakteristika dieser Partnerschaft lassen sich mit vier R beschreiben, die bereits bei den Systemen besprochen wurden (vgl. Holling 2001, S. 402):

Release als Phase des Zusammenbruchs, in der Potenzial freigesetzt und
Zwänge aufgelöst werden
181

Reorganize als Phase, in der neuartige Rekombinationen des freigesetzten Potenzials und dadurch neue Möglichkeiten entstehen

Revolt als das Durchschlagen von Zusammenbrüchen auf untergeordneten Ebenen auf jeweils übergeordnete Ebenen und schließlich

Remember als Fähigkeit übergeordneter Ebenen, durch „institutionelles Wissen“
zur Reorganisation der ihnen untergeordneten Ebenen beizutragen.
Betrachtet man die vier R, so fällt auf, dass nur das letzte, Remember, auf Bewahren
und Fortschreiben gerichtet ist, während die übrigen eher auf Veränderung abzielen.
So bedeutet Nachhaltigkeit, dass in Zeiten größter Bedrohung auch die größten
Chancen zur Verfügung stehen, weil viele Zwänge entfernt wurden. Lokale Gemeinschaften entwickeln oft ungeahnte Reserven in der Wiedererholung nach Krisen (vgl.
Berkes & Folke 2001, S. 402). Das bedeutet aber auch, dass in sozio-ökologischen
Systemen nicht nur ökologische Resilienz aufgebaut und erhalten werden muss,
sondern auch soziale Flexibilität, die zur Problembewältigung, Innovation und Anpassung benötigt wird (vgl. Holling 2001, S. 404). Daraus folgt, dass das
Ingangsetzen eines sozialen Lernprozesses unter Einbindung aller Anspruchsgruppen die zielführende Strategie nachhaltiger Entwicklung ist. Das Lernen spielt dabei
die herausragende Rolle, denn durch soziales Lernen erwirbt das sozio-ökologische
System die Fähigkeit Wandel und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu erkennen und entsprechende Werte zu entwickeln (vgl. Bagheri & Hjorth 2007, S. 83f).
5.5 Hinweise aus der empirischen Untersuchung auf panarchische
Strukturen
Auch im Rahmen der empirischen Untersuchung fanden sich zunächst Hinweise auf
panarchische Elemente in den untersuchten Nachhaltigkeitsgruppen. So sah eine
der Interviewpartner/innen „Stabilität“ darin, dass
„neue, junge Gruppenmitglieder dazukommen, die den alten Kern etwas nachdenken lassen und eine neue Struktur reinbringen, weil ein verhärteter Kern immer
schlecht ist. Eine Gruppe darf nicht verhärtet sein, sondern muss offen sein, weil
sonst kommt man in eine Position, in der nichts mehr weitergeht“ (Anna S. 3 3035),
182
und beschreibt damit Resilienz genau in dem hier dargelegten Sinne.
Gleich mehrere der Interviewpartner/innen würdigen den Wert von krisenhaften Ereignissen. Zunächst wird der negative Beitrag erkannt:
„Dann implodiert der innere Kern. Es gibt den Treiber nicht mehr. Der Rest dattelt
noch vor sich hin und erinnert sich, was die Altvorderen mal gemacht haben, um
es ihnen nachzumachen, aber man ist nicht mehr mit der Passion dabei“ (Heinrich
S. 4 3-5).
Doch der positive Wert von Krisen spielt eine größere Rolle und zeigt panarchische
Muster:
„Ich nutze Krisen, weil ich meine, dass Krisen ein wunderbarer Hort sind, um Bindungsenergien auszulösen. Im Streit festigen sich Bindungen“ (Stefan S. 6 29-30)
und weiter meint er:
“Es ist gut, wenn in einem Projekt Krisen entstehen. Es ist aber die Frage, ob
Menschen dieses Potenzial erkennen. Es stellt sich die Frage, was will diese Krise
gerade reinigen“ (Stefan S. 6 37 – S. 7 1).
Auch die Zyklen der adaptiven Schleifen werden von den Interviewpartner/innen beschrieben, ohne dass ihnen das Konzept bewusst wäre:
„Nach den Wachstumsphasen der Gruppe gibt es verschiedene betriebsgrößenabhängige Organisationsfragen, die zu klären sind. Am Anfang ist das informelle
Wachstum stärker, später das formelle Wachstum stärker. Und da entstehen Umbruchsituationen, aus denen Krisen entstehen. Das gibt es Leute, die nur so lange
dabei sind, solange es informell ist. Es ist alles easy, das macht alles Spaß. Das
sind tolle Energiepartner, die bringen was rein, aber nachher entstehen Krisen, wo
man sagen muss: Dann ist das halt nicht mehr deine Heimat. Geh halt woanders
Spaß haben“ (Stefan S. 7 2-7).
Über die Konsequenzen eines Zusammenbruches sagt ein anderer Interviewpartner:
„Verändern tut sich (nach der Krise) immer was. Nach der inhaltlichen Ausrichtung; welcher Ausrichtung, Art der Zusammenarbeiten, ob es eine Verbesserung
ist, weiß man ja nicht. Manche sagen aber auch, das reicht mir jetzt, das war zu
viel des Guten“ (Heinrich S. 6 1-3).
183
Und eine andere ergänzt:
„Dann (nach der Krise) kommt wieder eine neue Dynamik in die Gruppe, weil man
dann beginnt, die Tagesordnung umzustellen oder etwas anders zu machen als
vorher. In jeder Krise besteht die Chance, neu zu beginnen“ (Anna S. 11 10-12).
5.6 Panarchie und Nachhaltigkeitsgruppe: Die „Triple-I“-Struktur
Eine Übertragung des Systemansatzes und im Speziellen des Panarchiekonzeptes
auf Nachhaltigkeitsgruppen scheint aus mehreren Perspektiven sinnvoll. Zunächst
haben ausgehend von Luhmann Systemtheoretiker vorgeschlagen, die „Gruppe“ als
vierten Typ sozialer Systeme zu definieren. Neidhardt und Tyrell schlagen vor, die
Gruppe als Systemtypus zwischen Interaktion und Gesellschaft zu positionieren;
ähnlich wie Organisation (vgl. Neidhardt 1979; Tyrell 1983, S. 75ff). Weiter lässt sich
das Panarchiekonzept anwenden, um die der Nachhaltigkeit innewohnende Dynamik
zu erfassen.
Denn eine Nachhaltigkeitsgruppe kann als panarchisches, evolutionäres System
beschrieben werden: „Attributes of biological and human entities form clumped patterns that reflect panarchical organization, create diversity, and contribute to resilience and sustainability“ (Holling 2001, S. 403). Wesentliches systemrelevantes
Kennzeichen einer Nachhaltigkeitsgruppe ist ihre Emergenz: Die Gruppe ist mehr als
die Summe ihrer Aktivitäten und/oder Mitglieder. Das ist es auch, was den Bestand
der Gruppe über einen längeren Zeitraum hinweg als sinnvoll erscheinen lässt, anstelle einer Anzahl von nicht miteinander verbundenen Projekten verschiedener Leute hintereinander.
Außerdem entwickeln sich Werte (vgl. 8.1) und Idee (vgl. 5.6.1) der Gruppe nur langsam weiter, was der Gruppe neben der Stabilität auch Identität verleiht. Diese Idee
findet ihren Niederschlag in den einzelnen Themen und Interessen, denen sich die
Gruppe im Zeitablauf widmet und die sie behandelt. Die Interessen und Themen sind
über einen gewissen Zeitraum stabil; wenn sie an Bedeutung verlieren, werden sie
jedoch durch neue abgelöst. Die konkreten Prozesse (z. B. wiederkehrende Prozesse wie die Gestaltung des jährlichen Festes) und Ereignisse (Inhalte), mit denen die
Nachhaltigkeitsgruppe konfrontiert ist, jedoch sind einem permanenten Wandel un-
184
terworfen, in dessen Rahmen diejenigen beibehalten werden, die sich als zielführend
bzw. viabel erweisen, während die übrigen verworfen werden.
Idee
= Nachhaltige Entwicklung
• verleiht der Gruppe
Stabilität
• ist festgeschrieben
und konstant
• hält die Gruppe über
die Zeit hinweg am
Leben
Interesse
Issue
Initiative/Inhalt
• umfasst die konkreten
Inhalte des Handelns
• ist das Mittel zur
Zielerreichung der
NaHaGru
= Beweggründe des Handelns
• bezieht sich auf konkrete
Interessen bestimmter
Personen
• bestimmt das Ausmaß
und den genauen Inhalt
des Engagements
Abb. 6: Das Triple-I-Modell der Nachhaltigkeitsgruppe, adaptiert (vgl. Holling 2001, S. 396)
Damit sind die drei Ebenen von Nachhaltigkeitsgruppen festgelegt: Ausgehend von
der gemeinsamen Vision bzw. Idee „Nachhaltige Entwicklung“ werden einzelne
Themen (Issues) definiert und auf der Handlungsebene in konkrete Inhalte umgesetzt. Letztlich trägt die Erfüllung der Inhalte zur Erreichung der Interessen bzw. Bewältigung der Issues und damit zur Realisierung der Idee bzw. Vision bei. Die jeweils
übergeordnete
Idee-Ebene
sorgt
nach
dem
„Kollabieren“
eines
Issue-
Anpassungszyklus im Sinne der „Remember-Schleife“ dafür, dass weiterhin neue
Issue-Gruppen als neue Anpassungsschleifen entstehen können. Eine panarchische
Auffassung des Nachhaltigkeitsgruppenmodells erlaubt auch die Integration bzw. die
Desintegration von Mitgliedern, die sich im Zeitablauf ebenso wie Ideen bzw. Werte,
Issues und Ereignisse (Inhalte) abwechseln, vgl. Abb. 6.
So kann die Nachhaltigkeitsgruppe überleben, auch wenn sie keinen kontinuierlichen
Inhalt und keine kontinuierlichen gemeinsamen Interessen hat: Sie wird durch die
Idee zusammengehalten und am Leben erhalten. Diese panarchische Interdependenz von grundlegender Idee, Richtung gebenden Themen und Interessen und kon185
kreten Inhalten wird in der vorliegenden Arbeit als „Triple-I-Modell“ von Nachhaltigkeitsgruppen bezeichnet. Die nachfolgenden Unterkapitel setzen sich mit den einzelnen Elementen des Modells auseinander.
5.6.1 Idee
Ein wesentliches Element zur Konstituierung einer Nachhaltigkeitsgruppe ist ein gemeinsames Ideal bzw. eine gemeinsame Idee als Leitgedanke oder geistige Vorstellung. Hier ist „Idee“ zu verstehen als Merkmal, das für die Gruppe grundlegende
Identität stiftet. In Anlehnung an Plato (427-347 v. Chr.) verharrt jede Idee als einfaches, für sich seiendes, selbständiges, vollkommenes, unkörperliches und
unräumliches Wesen unveränderlich im Wechsel der Erscheinungen. „Als lebendige
Kräfte sind die Ideen die ewigen Musterbilder, deren Abbilder die sinnlichen Einzeldinge sind“ (Kirchner; Michaelis 1911, S. 278f).
Hier ergibt sich ein Anknüpfungspunkt an die Philosophie Kants (1724-1804), demzufolge eine Idee einerseits nur im Verstand entstehen kann und sich gänzlich der Erfahrung entzieht, andererseits ein notwendiger Vernunftbegriff von der durchgängigen Einheit der Verstandesbegriffe ist, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt,
dem also „kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann“
(Kant 1998, S. 325). Da die Vernunft nach Kant sowohl theoretisch als praktisch ist,
unterscheidet er zwischen theoretischen und praktischen Gebrauch der Ideen (vgl.
Kirchner & Michaelis 1911, S. 278), die beide ihren Niederschlag in der Nachhaltigkeitsgruppe finden.
Die Idee beschreibt das langfristige Wertsystem der Gruppe, umgekehrt wird die
Gruppe wird durch die gemeinsame kontinuierliche Idee am Leben erhalten. Die Idee
der Nachhaltigkeitsgruppe ist nachhaltige Entwicklung bzw. eine nachhaltige Lebensweise im weitesten Sinne. Über allem steht die Idee der Erhaltung der Umwelt,
der sozialen Gerechtigkeit und des ökonomischen Gleichgewichtes (vgl. Kempton et
al. 2001, S. 561). Das entspricht dem Terminus der nachhaltigen Entwicklung, wie
wir sie interpretiert haben (Drei-Säulen-Modell). Die Idee ändert sich kaum. Daher ist
sie imstande, der Gruppe Identität und auch Stabilität zu verleihen und sie im Zeitablauf am Leben zu erhalten, auch wenn die behandelten Themen, die konkreten Inhalte und vor allem die handelnden Personen sich ändern. Im Grunde genommen ist die
186
die Idee ein Abbild der Emergenz der Nachhaltigkeitsgruppe. Dass die Idee einigermaßen festgeschrieben ist, heißt nicht, dass sie unveränderlich ist. Vielmehr entwickelt sich die Idee im evolutionären Sinne weiter und passt sich der Entwicklung der
Gruppe an (vgl. Tognetti 1999, S. 689f), man kann auch hier wiederum von einer Art
„dynamischer Stabilität“ sprechen (vgl. 5.2.2)
Mit der Idee gleichzusetzen ist der Begriff des „Sinnes“. Luhmann differenziert drei
Dimensionen des Sinnes. Die Sachdimension beschreibt das Thema bzw. den Issue
oder das Interesse, die Sozialdimension die Person und die Zeitdimension den Zeitpunkt bei welchem eine Kommunikation stattfindet (vgl. Luhmann 1999, S. 124). Alle
Dimensionen treten gleichzeitig auf und stellen eine Analogie dar zur so genannten
operationalen Definition von Zielen, die in Hinblick auf ihren Inhalt, ihr Ausmaß, den
Zeithorizont sowie eine verantwortliche Person beschrieben sein müssen.
Die gemeinsame Idee entspricht im weitesten Sinne einer Vision, wie sie auch die
oberste Spitze in einem Unternehmenszielsystem darstellt. Man kann also sagen,
dass die Idee das oberste Element in einer „Zielpyramide“ der Gruppe ist (vgl. Winkelmann 2008, S. 54). Eine solche Vision ist die Voraussetzung dafür, dass in der
Gruppe die gemeinsame Grundausrichtung und auch die Bereitschaft zur permanenten Veränderung entstehen, die nötig sind zum sensiblen Wahrnehmen von aktuellen
Erfordernissen und zum beweglichen Umgang mit den kleinen und größeren Herausforderungen einer zunehmend dynamischer werdenden Welt (vgl. Kruse 2002, S. 5).
Im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgruppen kann man die Idee der Nachhaltigkeitsgruppe
eben mit der Nachhaltigkeit bzw. mit nachhaltiger Entwicklung im oben definierten
Sinn (vgl. 3.1.6) festmachen: Unser Handeln muss darauf gerichtet sein, unser eigenes System weiterhin gedeihen zu lassen und nicht zu dessen Zusammenbruch beizutragen oder darauf zu bauen, dass Ressourcen von außerhalb der Systemgrenzen
den Kollaps verhindern. Konkret heißt das, es muss auf Ausgleich der Möglichkeiten
zur Befriedigung der Interessen der gegenwärtigen Generation gerichtet sein und
gleichzeitig darauf achten, nicht die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Befriedigung von deren Interessen beschneiden.
Um diese sehr abstrakte Idee zu operationalisieren, bedarf es einer Betrachtung einzelner Teilaspekte. Die Idee „Nachhaltige Entwicklung“ umfasst Aspekte wie „Umweltschutz“, „Ressourcenschonung“, „Solidarität“, „Gewaltfreiheit“, „Partizipation“,
187
„Nicht-Diskriminierung“ und ähnliche, wie sie in der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a) festgeschrieben sind. Diese Aspekte gehen aber schon in Richtung der
nächsten Stufe, der einzelnen Interessen der Gruppe (vgl.5.6.2), die sich aus den
eben erwähnten Teilaspekten ableiten lassen und die im nächsten Abschnitt beschrieben werden. Der Idee als solches selbst verpflichtet fühlen sich die Menschen
im Zentrum der Nachhaltigkeitsgruppe (vgl. Kempton et al. 2001, S. 561). Diesem
Gruppenkern ist gemeinsam, dass sie, anders als das Gros der Gruppenmitglieder,
bereit sind, sich über einen längeren Zeitraum kontinuierlich oder immer wieder zu
engagieren. Der Gruppenkern kann sehr klein sein und sich aus zwei bis vier Personen zusammensetzen, im Extremfall sogar einer einzigen Person. Er ist die treibende
Kraft hinter der Nachhaltigkeitsgruppe. Zwar können die Mitglieder des Gruppenkerns im Zeitablauf wechseln, doch kann die Nachhaltigkeitsgruppe nicht weiter bestehen, wenn sich niemand mehr findet, der bereit ist, die Aufgabe(n) der Kerngruppe wahrzunehmen.
5.6.2 Interesse und Issue
Der Begriff Interesse (von lat.: inter „zwischen, inmitten“ und esse „sein“) (vgl. Stowasser 1991) ist vielschichtig. Ursprünglich aus der Handels- und Rechtssprache
kommend bezeichnet er dort das Interesse an „Zinsen, die geschuldet, bzw. Gewinne, die erwartet wurden. Darin wurzelt der heute bereits veraltete Wortsinn von Vorteil, Eigennutz und Egoismus“ (Schiefele; Krapp 1981, S. 192). Gleichzeitig findet
der Begriff seine Bedeutung in der Pädagogik. „Die pädagogisch relevante Wortbedeutung entwickelte sich aus dem Französischen im Sinne von Anteilnahme, Vorliebe, Gerichtet sein“ (Schiefele; Krapp 1981, S. 192). Als Interesse bezeichnet man
daher auch die Anteilnahme, die eine Person einem Sachverhalt bzw. einem Thema
widmet. So ist der Begriff „Interesse“ auch eine
„Bezeichnung für die Tendenz, bestimmte Gegenstände, Ereignisse, Sachverhalte
usw. der Umwelt besonders zu beachten und ihnen gegenüber gesteigerte emotionale Anteilnahme zu zeigen, weil sie einen subjektiven Wert darstellen. Interessen werden erworben, sind relativ konstant und können Motive des Handelns werden“ (Grüner; Georg; Kahl 1982, S. 117).
188
Rheinberg definiert Interesse als besondere Motivationsform, die durch eine Ausrichtung auf einen bestimmten Gegenstand gekennzeichnet ist und als intrinsisch bezeichnet werden kann (vgl. Rheinberg 2010, S. 367), vgl. 8.4.2. Als intrinsisch motiviert können Individuen dann gesehen werden, wenn „ihr Verhalten durch aktuelle,
antizipierte
oder
gesuchte
Erlebnisse
von
Interesse
motiviert
ist“
(Sansone; Smith 2000, S. 345).
Eine Konsequenz daraus kann die Inangriffnahme einer Kampagne sein. Darunter
versteht man einen Veränderungsprozess,
„bei dem es darum geht, ohne formelle Macht, durch eine geschickte Kommunikationsstrategie und gezielte Interventionen in Auseinandersetzung mit den spezifischen
Interessen
anderer
ein
gewünschtes
Ziel
zu
erreichen“
(Eberlei 2005, S. 386).
Aus Sicht einer Gruppe erwachsen Interessen aus den jeweiligen Anliegen, die von
innen oder außen an sie herangetragen werden (vgl. Kempton et al. 2001, S. 573).
Das Interesse entspricht dann dem Ziel bzw. dem Vorteil, den sich eine Person oder
die Gruppe aus einer Sache erhofft. Das Interesse ist umso größer, je größer die
persönliche Anteilnahme ist.
Das englische Wort für „Sachverhalt“ bzw. „Thema“ ist Issue. Die beiden Begriffe Issue und Interesse stehen daher in einem direkten Zusammenhang: Das Interesse
zeigt die Intensität an, mit der sich ein Individuum oder eine Gruppe mit einem Thema beschäftigen. Daher kann man die Interessen mit den Issues gleichsetzen, mit
denen sich die Gruppe auseinandersetzt. Im Sinne der Operationalisierung nach Inhalt, Ausmaß und zeitlichem Bezug gilt: Interesse ist das Ausmaß, Issue der „Inhalt“
und der zeitliche Bezug steht fest, weil eine Issuegroup zeitlich begrenzt arbeitet.
Der Begriff der „Issue-Gruppe“ wird seit einiger Zeit verschiedentlich eingesetzt, um
Gruppen zu charakterisieren, die sich um Themen (meist mit erheblichem Problemcharakter) annehmen (vgl. Kempton et al. 2001, S. 559). Beispiele dafür sind etwa
Bürger/inneninitiativen. Eine Nachhaltigkeitsgruppe ist keine solche Issue-Gruppe,
wohl aber nehmen sich Teile bzw. einzelne Personen aus der Nachhaltigkeitsgruppe
immer wieder verschiedener, aktuelle Relevanz erlangender Issues an, und zwar
meist unter Mithilfe und Miteinbeziehung von Personen, die bislang nicht oder nicht
189
sehr nahe am Kern der Nachhaltigkeitsgruppe gestanden sind. Teilgruppen, die sich
bezüglich einzelner Issues oder Interessen zusammenfinden, bilden damit eine zweite wesentliche Struktur innerhalb der Nachhaltigkeitsgruppe. Bezogen auf einen einzelnen Issue oder ein einzelnes Interesse bilden sie eine Issuegroup .
Außerhalb des Gruppenkerns engagieren sich die Mitglieder der Gruppe also nicht
kontinuierlich oder regelmäßig, bringen sich aber bezüglich einzelner Issues ein oder
können von den Mitgliedern des Gruppenkerns aktiviert werden. Je näher die einzelnen Gruppenmitglieder dem Gruppenkern stehen, desto eher, häufiger und mehr
werden sie bereit sein, sich für einzelne Issues zu engagieren. Ähnlich argumentiert
Simmel
„dass jetzt die Intellektualität, das Erkenntnisinteresse, Kreise bildet, deren Mitglieder
aus
vielerlei
sonst
bestehenden
zusammenlegend,
ist
wie
ein
Intensiverwerden der Erscheinung, dass die relativ spät aufwachsenden Gruppenbildungen oft rationalen Charakter tragen, dass ihr Inhalt aus bewusster Überlegung und verständiger Zweckmäßigkeit heraus kreiert wird“ (Simmel 1983, S.
311).
Der Übergang zwischen Gruppenkern und Gruppenmitgliedern ganz außen verläuft
fließend. Den Rand bzw. die Systemgrenze der Gruppe bildet die gemeinsame Idee:
Nur wer die gemeinsame Idee akzeptiert, kann „in“ der Nachhaltigkeitsgruppe sein.
Eine einzelne Issuegroup besteht demgegenüber aus einem oder mehreren Mitgliedern des Gruppenkerns, gegebenenfalls aus einem oder mehreren Mitgliedern der
weiter außen liegenden Gruppe und kann sogar Personen von außerhalb der Nachhaltigkeitsgruppe umfassen. Letzteres ist dann der Fall, wenn diese zwar ein gemeinsames Interesse mit der Nachhaltigkeitsgruppe verfolgen, sich aber letztlich mit
der Idee nicht identifizieren können. Issuegroup -Mitglieder können nach Beendigung
des Issues zu Mitgliedern des Gruppenkerns oder der äußeren Gruppe werden,
müssen das aber nicht unbedingt. Vielmehr können Mitglieder der Issuegroup völlig
von der Bildfläche verschwinden, wenn sich ihr Issue erledigt hat. Sie können sich
(oft sogar nach einer längeren Pause) auch in anderen Issues engagieren.
190
5.6.3 Inhalte und Initiativen
Die Inhalte und Initiativen übersetzen die Idee im Rahmen von Issues in konkretes
Handeln und bilden so eine dritte Hierarchieebene im Zielsystem der Nachhaltigkeitsgruppe. Inhalte und Initiativen sind konkrete, operationale Ansätze zur Verfolgung der Interessen bzw. zur Bearbeitung der Issues. Sie stehen daher zu diesen in
einem Zweck-Mittel-Verhältnis, denn sie umfassen die Mittel zur Erreichung der Interessen der Nachhaltigkeitsgruppe. Die Begrifflichkeiten sind dabei ziemlich deckungsgleich: Während die Inhalte eher auf die inhaltliche Ebene abstellen („Was?“),
erfasst der Begriff „Initiative“ eher die prozessuale Ebene („Wie?“) und ist daher aus
Sicht einer dynamischen Nachhaltigkeitsauffassung essentiell.
Gemeint sind mit Inhalten und Initiativen letztlich die einzelnen Aktionen, die die
Nachhaltigkeitsgruppe startet. Das kann von der Organisation von Protestmärschen
oder –festen reichen über das Schreiben und Verteilen von Flugzetteln oder elektronischer Newsletters, das Organisieren von Vorträgen, Sammeln von Unterschriften
bis hin zum Betreiben von Homepages mit entsprechenden Inhalten.
Mit der Konkretisierung der Inhalte ist auch die Aktions- bzw. die Handlungsebene
der Nachhaltigkeitsgruppe fundiert. Die gemeinsame Erarbeitung der Inhalte ist im
weitesten Sinne der „Kitt“, der die Gruppe zusammenhält, da gemeinsames Arbeiten
Gemeinsamkeit stiftet (nicht zu verwechseln mit der durch die Idee definierten Identität) und die Kohäsion der Gruppe stärkt. Dies gilt vor allem im Hinblick auf jene Mitglieder, die für einen bestimmten Issue engagiert sind, weniger für die gesamte
Gruppe. Doch auch Gruppenmitglieder, die bei einem Issue nicht engagiert sind,
nehmen die positiven Auswirkungen des Engagements anderer wahr.
5.6.4 Panarchische Interaktion im Triple-I-Modell
Versucht man eine Beziehung zwischen den eben beschriebenen Elementen der
Nachhaltigkeitsgruppe herzustellen, bietet sich als Ausgangspunkt Fuhses Ansatz
an: „Das System erzeugt sinnhaft eine Unterscheidung zwischen System und Umwelt und nutzt diese zur Strukturierung der eigenen Operationen“ (Fuhse 2003, S. 6).
Kombiniert man diese Theorie mit der bereits entwickelten Hierarchie von Idee, Interesse und Inhalt, so wird deutlich, dass eine gemeinsame Idee - also der gemeinsame „Sinn“ - zur Herausbildung von nachhaltigkeitsbezogenen Netzwerken führt. Erst
191
gemeinsame Interessen – aus teleologischer Sicht also ein bestimmter „Zweck“ bzw.
„issue“ - führen dazu, dass kurz- bis mittelfristig systemähnliche Gebilde entstehen,
die sich durch eine mehr oder minder stabile Grenze zwischen /innen und Außen
auszeichnen.
Sich wandelnde Interessen bewirken jedoch sich im Zeitverlauf ändernde Grenzen.
Von den sich wandelnden Interessen lebt aber auch die Emergenz der Nachhaltigkeitsgruppe, da immer wieder neue Dyaden entstehen und zusätzliche Kanten in das
Netzwerk einbringen. Damit ist ein Modell hergeleitet, das bereits dem beschriebenen Muster entspricht. Nur ein kleiner Kern von Dyaden (der „Gruppenkern“) bleibt
über einen längeren Zeitraum aufrecht, während die im System näher an der Außengrenze gelegenen Knoten und die ihnen zugeordneten Kanten sich ändern können.
Zugleich ist das Triple I-Modell auch als panarchisches, evolutionäres System beschrieben: Die Werte und die Idee der Gruppe entwickeln sich nur langsam weiter,
was der Gruppe Identität und Dauerhaftigkeit verleiht. Doch die Prozesse (z. B. wiederkehrende Prozesse wie die Gestaltung des jährlichen Festes) und Ereignisse (also die konkreten Inhalte und Issues) sind einem permanenten Wandel unterworfen,
in dessen Rahmen diejenigen beibehalten werden, die sich als zielführend bzw.
viabel erweisen, während die übrigen verworfen werden.
Die jeweils übergeordnete Idee-Ebene sorgt nach dem „Kollabieren“ eines IssueAnpassungszyklus im Sinne der „Remember-Schleife“ dafür, dass weiterhin neue
Issue-Gruppen als neue Anpassungsschleifen entstehen können (vgl. 5.2.3).
Die Tatsache, dass es zu einer panarchischen „Zerstörung“ der Gruppe selbst oder
eines Teiles der Gruppe kommen kann, birgt in sich die Chance, den Eintritt der Zerstörung bewusst in Kauf zu nehmen bzw. diese „Zerstörung“ bewusst zu steuern.
Diese Zerstörung kann etwa bei einer nachhaltigkeitsorientierten politischen Gruppe
durch eine Wahl erfolgen, durch die die Karten ohne Möglichkeit zur direkten Einflussnahme durch die Gruppe neu gemischt werden. Das Wissen über panarchische
Abläufe innerhalb eines Systems wie eben der Gruppe hilft ihr dabei, den Zerfall
nicht als Versagen der alten Strukturen, sondern als Möglichkeit für eine Neuausrichtung, Neustrukturierung und somit als Chance für Erneuerung und Neubeginn zu sehen.
192
Die Auflösung und die darauf folgenden Neuorganisation bzw. die Freisetzung von
Potenzial birgt in sich die Möglichkeit, neue Issues und Inhalte in Angriff zu nehmen.
Einschränkend sind dazu aber zwei Dinge zu bemerken:

Menschliche Systeme sind dem Panarchischen Zyklus nicht hilflos ausgeliefert
und KÖNNEN gegensteuern

Man darf nicht in den Fehler verfallen, die „Schuld“ an Misserfolgen der Panarchie in die Schuhe zu schieben. Dh., wenn ein Misserfolg bzw. ein Kollabieren
der Panarchie auftreten, so müssen diese analysiert werden und externe (nicht
beeinflussbare) von internen (selbst verschuldeten) Ursachen getrennt werden
(vgl. Walker et al. 2004).
Ähnlich wie moderne demokratische Gesellschaften entwickeln Nachhaltigkeitsgruppen ihre Stabilität durch Wandel. Denn in demokratischen Gesellschaften wird der
Kollaps des übergeordneten Systems Gesellschaft dadurch verhindert, dass das untergeordnete politische System periodisch durch Wahlen zum Kollabieren gebracht
wird: Die Akteur/innen des politischen Geschehens wechseln sich ab, dennoch hat
das übergeordnete System der Gesellschaft Bestand. In ähnlicher Weise erlaubt eine
panarchische Auffassung des Nachhaltigkeitsgruppenmodells auch die Integration
bzw. die Desintegration von Mitgliedern, die sich im Zeitablauf ebenso wie Ideen
bzw. Werte, Issues und Ereignisse (Inhalte) abwechseln. Damit ist eine grundlegende Struktur eines dynamisch-stabilen Nachhaltigkeitsgruppenmodells definiert, Befunde aus der empirischen Untersuchung werden im nächsten Kapitel dargestellt.
5.6.5 Befunde für das Existieren des Triple-I-Modells in der Praxis
So gut wie alle Interviewpartner/innen lieferten – ohne von den Überlegungen zum
Triple-I-Modell zu wissen – Beschreibungen von Strukturen und Prozessen, die diesem Modell entsprechen. Zunächst sind sich alle darüber einig, dass es eine grundsätzliche Idee in ihrer Gruppe gibt, die, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen, mit Themen der Nachhaltigkeit zu tun hat (vgl. 3.1.6):
„Es muss ein Thema sein, dass zu der Nachhaltigkeitsgruppe passt“ (Amanda S. 4
1).
Ein Befragter konkretisiert eine Idee einer neuen Gruppe:
193
„Wir sind gerade dabei eine Nachhaltigkeitsinitiative hochzuziehen. Berlin Marzahn (…) eine der schwierigsten Regionen für Berlin. Ein sozialer Brennpunkt mit
hoher Arbeitslosigkeit mit hoher Durchmischung, hoher Ausländeranteil durchmischt mit weniger Türken, sondern mehr Vietnamesen und Russen. Wir haben
uns die Kernaufgabe vorgenommen, kann man eine autarke Kreislaufwirtschaft in
einer solchen Region in Verbindung mit dem Land hochziehen?“ (Stefan S. 1 2328).
Insgesamt sehen die Interviewpartner/innen die Nachhaltigkeitsgruppe als einen losen Verband,
„nicht so strukturiert wie ein Verein, aber es ist eine Gemeinschaft von Menschen.
(…) Leute, die immer wieder dazu stoßen. (…) Es gibt natürlich Strukturen. Es gibt
einen, der die Finanzen kontrolliert, aber es ist eher ein loser Verband“ (Anna S. 1
23-34).
Eine andere Interviewpartnerin meint:
„(M)an kennt sich über die Jahre, weil die Menschen treffen sich immer wieder.
Vielleicht hat das mit dieser Gruppenstruktur zu tun“ (Amanda S. 2 1-2).
Sie meint auch, dass es gerade für junge Leute uninteressant sei, einer Partei beitreten zu müssen, weil das Angebot und die Kommunikation nicht so gut passen.
Doch sieht man auch den Gruppenkern, der über einen längeren Zeitraum stabil
bleibt. Ein Beispiel dafür ist die Gruppe „3+x“, in der über mehrere Jahre Paula, Max
und Lena den Gruppenkern bildeten. Die Gruppe war sogar genau wegen Paula,
Max und Lena „3+x“ benannt, wobei das x für andere, wechselnde Gruppenmitglieder stand. Doch dieser Kern, wie auch andere, hat sich im Laufe der Zeit ebenfalls
aufgelöst, weil Lebensanforderungen und –situation sich änderten. Ein Interviewpartner erzählt in ähnlicher Weise:
„Der Kern war relativ stabil, aber ist auseinandergeflogen, als wir unsere Jobs hatten und nicht mehr Studenten waren“ (Heinrich S. 3 33-34).
Doch sieht man genauer in die Arbeit der Nachhaltigkeitsgruppen hinein, zeigt sich,
dass sie genau die Triple-I-Struktur abbilden:
194
„Eine Gruppe ist ja kein statischer Zustand, sondern die Gruppe verändert sich
laufend. Die verändert sich mit den Mitgliedern, die verändert sich mit den Gegebenheiten, die verändert sich mit den Interessen und daraus entsteht ein dauernder Gruppenbildungsprozess“ (Anna S. 10 21-23).
Bildung im hier verwendeten Sinn bezieht sich weniger auf Lernen und Kompetenzen, sondern auf die permanente Umformung, der die Gruppe durch die immer neuen Themen und Personen, die die Themen umsetzen, unterworfen ist. Die Interviewpartner/innen stellen gemeinsam fest, dass Menschen vor allem kommen um Themen behandelt zu sehen, die sie selbst betreffen:
„Die Leute, die so kommen, bleiben nicht. Wenn diese Angelegenheit erledigt ist,
die interessieren sich vielleicht für einen Teilbereich der Grünen, aber die bleiben
nicht aktiv. Sie bleiben solange ihr Interesse besteht und dann gehen sie wieder“
(Anna S. 2 24-28).
Und eine andere Interviewpartnerin ergänzt:
„Das sind eher so Satelliten“ (Paula S. 2 40),
während eine dritte meint:
„Ich glaube nicht, dass es jemals nur eine Gruppe geben kann“ (Paula S. 6 4).
Es finden sich auch Belege für die Kurzfristigkeit von Issue-Gruppen, da die Mitglieder die Gruppe verlassen, sobald ihr Anliegen im positiven oder negativen Sinne erledigt ist. Ein Interviewpartner beschreibt die Situation, wenn ein Thema abgehandelt
ist kurz und bündig:
„Wenn das Thema vorbei ist, fällt das Thema runter“ (Heinrich S. 3 38)
und präzisiert:
„Dann gibt es noch ein paar nette Leute drum rum, aber das reicht dann nicht
mehr. Und nette Leute hat man im Freundeskreis, aber nicht in einer Initiative“
(Heinrich S. 7 5-6).
(wobei Initiative in diesem Fall dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriff
Issuegroup entspricht). Wenn dann alle Mitglieder die Gruppe verlassen und nicht
einmal der Gruppenkern übrigbleibt, ist die Folge davon, dass
195
„dann (…) der innere Kern implodiert Es gibt den Treiber nicht mehr. Der Rest
dattelt noch vor sich hin und erinnert sich, was die Altvorderen mal gemacht haben, um es ihnen nachzumachen, aber man ist nicht mehr mit der Passion dabei“
(Heinrich S. 4 3-5).
Und ein weiterer Interviewpartner zieht über eine seiner Gruppen Resümé:
„Es kamen neue Leute dazu und die alten fragten sich, was die wohl wollten. Da
kamen neue hinzu, die oft nur bei Festen mithalfen, wobei man dabei nicht sicher
sein konnte, dass die beim nächsten Mal wieder dabei sein werden. Man muss für
neue highlights oder Aktivitäten immer wieder neue Leute dazu werben“ (Stefan S.
2 1-4).
Auch dies ist ein Beleg dafür, dass die Menschen in den Nachhaltigkeitsgruppen in
erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen, für die sie gerne bereit sind sich einzubringen – aber nicht länger als erforderlich. Ein Interviewpartner beschreibt von
sich aus, wie eine Triple-I-Struktur in Nachhaltigkeitsgruppen entsteht, indem
„sich die Initiativen an sich um ein Thema organisiert haben und dann gab es innerhalb dieses Themas einzelne Aktionen, Maßnahmen, Veranstaltungen und so
weiter“ (Heinrich S. 4 10-12).
Schließlich zieht einer der Interviewpartner nüchtern Resümé über die Chancen, eine
Issuegroup mehrfach einzusetzen:
„Und dass die Gruppe, die sich untereinander nett findet, noch ein Mal ein gemeinsames Thema findet, schätze ich auf unter 10 %. Wenn man aus ökologischer Sicht das Aufleben und das Sterben betrachtet, lässt sich das am einfachsten damit beschreiben, was mit Initiativen passiert“ (Heinrich S. 7 12-15).
Das Paradebeispiel für eine Nachhaltigkeitsgruppe im Sinne des Triple-I-Modells ist
jedenfalls der Jour fixe der Berliner Nachhaltigkeitsgruppen: Ein Team von etwa vier
Personen bildet über Jahre hinweg den Gruppenkern, wobei sich nur sehr selten
Fluktuationen ergeben. Dieser Gruppenkern hält mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ die
Idee der Gruppe hoch. Rund herum scharen sich verschiedene Initiativen und (Issue)
Gruppen, die teilweise auf Dauer angelegt sein sollen, teilweise aber sich nur um ein
einzelnes Thema annehmen. Der gemeinsame Nenner und die gemeinsame Platt-
196
form aller Gruppen ist neben der gemeinsamen Facebook-Plattform der zweimonatliche Jour fixe, zu dem immer
„wieder neue Gruppen dazu (kommen), die sich bzw. ihr Projekt vorstellen“
(Amanda S. 3 31-32),
um sich zu präsentieren und publik zu werden. Doch viele der Teilnehmenden besuchen den Jour fixe nur einmal oder nur sehr sporadisch. Eine echte Gruppenkohäsion entsteht nicht.
Allerdings sehen dies die Beteiligten auch nicht als Nachteil, wie eigentlich die meisten Interviewpartner/innen der Meinung sind, dass Fluktuation für die Gruppe notwendig ist. Eine Interviewpartnerin bringt dies auf den Punkt:
„Stabil heißt, dass neue, junge Gruppenmitglieder dazukommen, die den alten
Kern etwas nachdenken lassen und eine neue Struktur reinbringen, weil ein verhärteter Kern immer schlecht ist. Eine Gruppe darf nicht verhärtet sein, sondern
muss offen sein, weil sonst kommt man in eine Position, in der nichts mehr weitergeht. Wenn immer nur die gleichen Leute die gleichen Strukturen fahren, geht
nichts weiter. Jede Einzelperson muss auch innerhalb der Gruppe offen sein. Ich
muss bereit sein, mich veränderten Verhältnissen anzupassen. Die Gruppe muss
auf die äußeren Gegebenheiten immer anders reagieren“ (Anna, S. 11 12-18).
5.7 Zwischenfazit
Bereits in 3.2 wurde festgestellt, dass die klassischen Gruppenkonzepte nicht mehr
genügen, um die komplexe Struktur von Gruppen in der Postmoderne zu charakterisieren. Stattdessen eignen sich System- und Netzwerkansätze, vor allem das Panarchiekonzept (vgl. 5.2), um den Zyklus der permanenten Veränderung in Nachhaltigkeitsgruppen zu erfassen. Eine übergeordnete Idee, die von einem kleinen Gruppenkern von zwei bis drei Menschen über einen längeren Zeitraum hochgehalten wird,
dient als Klammer, um die die sich ständig ändernden Themen und Issues zu einem
gemeinsamen Ganzen zusammenzufassen, die von sich kurzfristig bildenden Issuegroups betrieben werden. Diese Issuegroups wiederum setzen einzelne Aktionen
bzw. Initiativen, um die konkrete Zielerreichung voranzutreiben. Auch wenn sich Is197
suegroups nach dem Erreichen oder Nicht-Erreichen der angestrebten Ziele auflösen, bleibt die Nachhaltigkeitsgruppe als Ganzes erhalten. In letzter Konsequenz ist
es sogar so, dass die Gruppe die Veränderung benötigt, um auf die Dauer stabil zu
bleiben, da nur so der Wandel vonstatten gehen kann, der die Anpassung der Gruppe an die jeweiligen Bedingungen ermöglicht, die von außen für die Gruppe vorgegeben werden. Im nächsten Schritt wird diese systemische Zugangsweise mit dem
postmodernen gesellschaftstheoretischen Ansatz der „flüssigen“ Moderne in Verbindung gebracht.
198
6 Gruppen in der „flüssigen“ Moderne
Der polnisch-britische Soziologe und Philosoph Zygmunt Bauman definierte einen
Übergang von der „klassischen“ oder „festen“ zu einer „fließenden“, „fluiden“ oder
„flüssigen“ Moderne. Die klassische Moderne will die Welt eindeutig machen und
Mehrdeutigkeiten ausschließen. Für die alte Industriegesellschaft ist eine enge Verbindung von funktionalen Voraussetzungen bzw. individuellen Handlungsmotiven
charakteristisch. Dadurch wird die Abwertung der unmittelbaren Befriedigung von
Bedürfnissen bzw. des Genusses im Allgemeinen erforderlich. Belohnungen müssen
aufgeschoben werden zugunsten eines vagen zukünftigen Nutzens bzw. zum Wohle
des „großen Ganzen“ (Bauman 2007b, S. 151). Die von diesen Parametern geprägte
klassische Moderne wirkt schwer bzw. solide, kondensiert und systemisch (vgl.
Bauman 2003a, S. 35). Nach Bauman ist die „feste“ Moderne gekennzeichnet durch
Ordnung und klare soziale Formen (Strukturen, Institutionen, traditionelle Verhaltensmuster). Doch unsere Gesellschaft ist übergegangen in eine „flüssige“ Moderne,
in der diese sozialen Strukturen und Beziehungen so schnell verfallen, dass sie
schon „geschmolzen“ sind, während sie entstehen“ (Bauman 2000, S. 14).
„Die Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts ist so modern wie die am Beginn des 20. Bestenfalls ist es eine andere Art der Moderne. Was sie von allen
bisherigen Formen menschlichen Zusammenlebens unterscheidet und sie gleichzeitig mit der Moderne des letzten Jahrhunderts verbindet, ist die getriebene, obsessive, durchgängige, unaufhaltsame und ewig unvollendete Modernisierung,
das überwältigende und unauslöschliche nie zu stillende Streben nach kreativer
Zerstörung“ (Bauman 2003a, S. 38).
Über bleibt eine flüssige Gesellschaftsstruktur, die den Menschen beliebige Freiheit
bietet, aber keinen sozialen Zusammenhalt. Daraus ergeben sich eine neue Leichtigkeit und Flüchtigkeit einer „increasingly mobile, slippery, shifty, evasive and fugitive
power” (Bauman 2000, S. 14).
Der Übergang zu dieser flüssigen Moderne vollzog sich ebenso langsam und fließend: Beginnend mit Großbritannien in den 1980ern geben Staaten zunehmend
Funktionen an die Kräfte des Marktes ab und reduzieren ihr gesellschaftliches Engagement auf strafrechtliche Interventionen.
199
„There is no such thing as society. There are individual men and women, and
there are families. And no government can do anything except through people,
and people must look to themselves first. (…) People have got the entitlements too
much in mind, without the obligations. There's no such thing as entitlement, unless
someone has first met an obligation" (Thatcher 1987, S. 8).
Somit wird aus dem Wohlfahrtsstaat zunehmend ein Sicherheitsstaat, der die Bürger/innen nicht vor sozialem Abstieg schützt, sondern vor Bedrohungen. „Die Zerstörung sozialer Fangnetze und staatlicher Hilfsorganisationen wird damit gerechtfertigt,
dass die Wirtschaft der Staaten mehr Flexibilität brauche“ (Sennett 2006, S. 192):
In der Folge kommt es zu einem gesellschaftlichen Wandel, der einen
„unübersehbaren Trend mit sich (bringt): die Eigenverantwortlichkeit der Menschen wird betont. Individualisierung, weniger Solidarität, geringeres Vertrauen in
traditionale Masseninstitutionen wie Gewerkschaft oder Kirche kennzeichnen die
Gegenwart“ (Lenz 2008, S. 3).
Zusätzlich wird durch den Wettbewerb die Spaltung unter den Menschen gefördert.
Wir stehen einer neuen Form der Entfremdung gegenüber, die mit der Auflösung von
Bindungen einher geht, die bisher individuelle Wahlmöglichkeiten in gemeinsamen
Projekten und Handlungen gebündelt haben (vgl. Bauman 2000). Die klaren sozialen
Formen und die Ordnung der Gesellschaft werden zu einem Netzwerk von individuellen und sehr variablen Verbindungen.
Denn die Flüssige Moderne bietet keinen Nährboden für selbstbewusste Individuen,
sondern fordert individuelle Flexibilität. Das bewirkt Verunsicherung und Ungewissheit, existenzielle Ängste und den schnellen Genuss einer Konsumgesellschaft. Daher bringt diese Entfremdung wieder Risiko und Unsicherheit mit sich, welche die
Verletzlichkeit des/der Einzelnen eher steigern, denn Individuen vereinigen sich nicht
mehr zur Verteidigung ihrer Rechte (vgl. Bauman 2001). Durch den daraus resultierenden Verfall von traditionell solidarischen Organisationen (z. B. Gewerkschaften)
(vgl. Luhmann 1995, S. 215ff; Tacke 2000, S. 291ff) werden kollektives Handeln und
gesellschaftliche Solidarität zunehmend unattraktiver.
200
6.1 Einflussfaktoren der „flüssigen“ Moderne
Die neuen Einstellungen verändern im Sinne einer Verflüssigung unseres Alltags
unser Leben radikal. Alte Konstrukte, mit deren Hilfe gesellschaftlicher Wandel bisher
beschrieben wurde, bekommen eine neue Bedeutung
„Es wäre unklug, wollte man die grundlegenden Veränderungen, die mit der ‚flüssigen Moderne‘ über die Lebensbedingungen der Menschen hereingebrochen
sind, leugnen oder ihre Bedeutung herunterspielen. Die Unzulänglichkeit systemischer Strukturen verändert in Verbindung mit der Totalverflüssigung des Alltags
diese Lebensbedingungen auf radikale Art und erfordert ein Überdenken altehrwürdiger Begriffe, mit deren Hilfe ihre Geschichte bisher erzählt werden konnte“
(Bauman 2003a, S. 15).
Das Schlagwort schlechthin der neuen, flüssigen Moderne ist Flexibilität. Flexibilität
war bislang begriffsmäßig eher positiv besetzt und bezog sich auf geistige Beweglichkeit und Intelligenz. Nunmehr bekommt der Begriff einen negativen Beigeschmack, denn propagiert wird die grenzenlose Flexibilität des Individuums: „Wer
sich festlegt, hat schon verloren“ (Prisching 2009, S. 150). Der Begriff Flexibilisierung
steht in diesem Zusammenhang für die Auflösung vormals festgefügter Strukturen
durch Reformen, welche Veränderungsprozesse in der Wirtschaft und damit auch in
der Gesellschaft bewirken und vice versa. Instabilität wird als normal angesehen, wir
erleben Zeiten, in denen soziale und kulturelle Strukturen keineswegs mehr die Stabilität, Dauerhaftigkeit und Selbstverständlichkeit aufweisen, die für frühere Zeiten
kennzeichnend waren (vgl. Soeffner; Zifonun 2008, S. 304).
„In der postmodernen Welt werden alle Unterscheidungen verflüssigt, Grenzen lösen sich auf und alles kann als sein Gegenteil erscheinen. Da alles irgendwie
auch anders, aber nie grundsätzlich oder radikal anders sein kann, verbreitet sich
Ironie als Dauerhaltung“ (Bauman 2003a, S. 38).
Neben der Flexibilität ist die Individualität ein wesentlicher Einflussfaktor der Flüssigen Moderne. Verstand man darunter bislang einen ausgeprägten Charakter und
eine gefestigte Persönlichkeit, spielt Baumann auf die exponentielle Zunahme der
Möglichkeiten an.
201
“Die moderne Gesellschaft existiert durch ihre fortlaufende Individualisierung,
ebenso wie das Handeln der Individuen zum großen Teil aus der täglichen Gestaltung und Umgestaltung der Netzwerke gegenseitiger Abhängigkeit, die wir Gesellschaft nennen, besteht“ (Bauman 2003a, S. 42).
Die Vielzahl der Möglichkeiten lässt Normen ins Wanken geraten und aufbrechen. Es
ist schwer geworden, eine passende Identität zu entwickeln, denn was gestern noch
normal war, erscheint uns heute unpassend (vgl. Bauman 2000, S. 100).
Wie Individualität hat auch der Begriff der Emanzipation eine Bedeutungsänderung
erfahren: Gemeint sind heute nicht mehr die Befreiung von gesellschaftlichen Abhängigkeiten und Zwängen, sondern die Befreiung und der Verlust von Traditionen,
Gewissheiten und Routinen (vgl. Bauman 2000, S. 34). Bei Bauman hat die „flüssige“
Gesellschaft zur Folge, dass durch den Wegfall von Ordnungen das Individuum zwar
emanzipierter denn je sein müsste. Aber de facto ist die Emanzipation geringer als
zuvor, weil die öffentliche Ordnung fehlt, innerhalb derer sich Bürger/innen entfalten
könnten. Emanzipation wird zum Privatprojekt in einer Kultur erklärt, die durch Bekenntnisshows, Fitnesskult und auf Flexibilität beruhende Ökonomie gekennzeichnet
ist.
Als Folge der Veränderung von Flexibilität, Individualität und Emanzipation haben
sich die Konzepte von Zeit und Raum verändert. Die Zeitdimension berührt das Gefühlsleben der Menschen am tiefsten (vgl. Sennett 2006, S.29).
„Bodenhaftung verliert an Bedeutung, wenn man zu jeder Zeit an jedem Ort sein
und von dort auch wieder verschwinden kann. Festhalten, das Eingebundensein in
gegenseitige Verpflichtungen kann sich sogar als definitiv schädlich erweisen,
wenn sich neue Möglichkeiten an anderen Orten auftun“ (Bauman 2000, S. 21).
Zu dieser „Disembeddedness“ trägt zweifellos auch das Internet bei. Gleichzeitig
kommt es zu einer Entkopplung des Verhältnisses zwischen Raum und Zeit. Dieses
ist nicht mehr stabil, sondern dynamisch, sprunghaft und veränderlich. Nicht zuletzt
wegen der unzähligen Möglichkeiten, die moderne Kommunikationsmittel bieten, verlieren die tatsächlichen Räume an Bedeutung und werden nur mehr konsumiert (vgl.
Bauman 2000, S. 140). Denn die Menschen teilen sich Räume wie Museen, Ferien-
202
anlagen, Sporteinrichtungen, Einkaufszentren oder Kaffeehäuser ohne dabei aber
soziale Kontakte zu knüpfen (vgl. Bauman 2000, S. 116).
Abb. 7: Reflexive Modernisierung: Fluide Gesellschaft. Adaptiert nach (Keupp 2010, S. 19)
Zusammenfassend werden die Einflussfaktoren der flüssigen Gesellschaft und deren
wesentliche Grundmuster in Abb. 7 dargestellt. Die Faktoren der Individualisierung,
Pluralisierung, der Dekonstruktion von Geschlechterrollen, des Wertwandels, des
Disembedding (der sozialen Entwurzelung), der Globalisierung und der Digitalisierung treiben die Entstehung bzw. die Intensität der fluiden Gesellschaft an. Die Folgen sind die Auflösung aller Arten von Grenzen im täglichen Leben und Handeln
des/der Einzelnen und der gesamten Gesellschaft (so ist es etwa problemlos möglich, mit Personen „am anderen Ende der Welt“ jederzeit und ohne Verzögerung in
direkten Kontakt zu treten), die Verschmelzung (Fusion) von Bereichen, die früher
eindeutig voneinander getrennt waren (etwa was heute unter dem Begriff der „WorkLife-Balance“ diskutiert wird), die Durchlässigkeit der Gesellschaft (wie etwa die Web
2.0-Applikationen, mit denen sich Menschen einem weltweiten Publikum im Internet
präsentieren) und schließlich der ständige Wechsel von Beziehungen bzw. Bezugsgruppen
(etwa
durch
ständig
wechselnde
Teams
oder
„Lebensabschnitts-
Partner/innen“).
203
6.2 Konsequenzen der „flüssigen“ Moderne
Die neuen Parameter, die das menschliche Zusammenleben kennzeichnen, haben
aber auch konkrete Auswirkungen darauf. Denn die Menschen leben ausschließlich
für den Augenblick, wollen „Wunscherfüllung ohne Wartezeit“ ohne sich einerseits für
ihre bisherigen Erfahrungen bzw. das bisher Gelernte zu interessieren und ohne sich
anderseits mit den Folgen ihres Tuns für ihre eigene und die Zukunft der Menschheit
auseinanderzusetzen. Das führt nicht nur zu einem Verlust der Nachhaltigkeit, sondern auch zu einem Verlust von Bindungen zu anderen Menschen. Der Freiwilligensurvey 2009 spricht in diesem Zusammenhang von einem „Kulturwandel von der privaten zur öffentlichen Integration“ und ergänzt:
„Die Verlagerung sozialer Beziehungen in die Öffentlichkeit kann ein Gefühl des
Verlusts inniger sozialer Verbundenheit mit sich bringen, wie es die private Vernetzung besser gewährt als die öffentliche“ (BMFSFJ 2009, S. 10).
Das Streben danach, dass alles möglichst schnell und effektiv umgesetzt werden
müsse, führt zum Verlust von Tugenden wie Geduld und Beharrlichkeit.
„Wir können das Dauerhafte nicht mehr ertragen. Wir wissen nicht mehr sinnvoll
mit der Langeweile umzugehen. Man muss sich fragen, ob der menschliche Geist
das beherrschen kann, was er geschaffen hat“ (Paul Valery zitiert nach
Bauman 2003a, S. 143).
Dieses Prinzip des “no long term" löst jedoch Vertrauen, Loyalität und gegenseitiges
Engagement auf (vgl. Sennett 1998, S. 25). Nur wenn gemeinsame oder gemeinschaftlich veranschlagte Interessen dauerhaft, transformiert oder mythisiert werden,
ist eine Gemeinschaft stabil auch für den Fall, dass ihr ursprünglicher Entstehungszweck wegfällt oder in Vergessenheit gerät. Traditionale Gemeinschaften weisen für
diesen Fall
„typischerweise vielfältige solcherart kohäsionssichernde Sanktionspotentiale und
Zwangsstrukturen auf, (…) die auf Etablierung und Stabilisierung eines klar definierten
und
geregelten
/innen-Außen-Verhältnisses
abzielen“
(Hitz-
ler; Honer; Pfadenhauer 2008, S. 17).
204
Postmoderne Gesellschaften hingegen sind durch Phänomene wie mehr persönliche
Verantwortung, Individualisierung und ein Mangel an Solidarität in Masseninstitutionen charakterisiert.
Soziale Institutionen überlassen die Definition von Identitäten der Initiative Einzelner
(vgl. Bauman 2000). Der kurze Zeithorizont moderner Institutionen behindert die
Entwicklung informellen Vertrauens und führt zu einer Zerbrechlichkeit menschlicher
Beziehungen (vgl. Bauman 2003b). Die Situation wird dadurch verschärft, dass niemand mehr das Ziel kennt, denn auch die Ziele sind beweglich geworden bzw. liegen
„himmelweit über allem Erreichbaren. (…) Vor dem, was die erhitzte Phantasie als
realisierbar
ansieht,
verblasst
jeder
Wert
der
echten
Realität“
(Prisching 2009, S. 289).
Ein Kennzeichen dieser flüssigen Moderne ist ihr netzwerkartiger Aufbau (vgl.
Bauman 2003a, S. 35). Unsere Ära wird dominiert von dem Glauben,
„lockere Netzwerke seien offener für grundlegende Umstrukturierungen als die pyramidalen Hierarchien. (…) Die Verbindung zwischen den Knotenpunkten ist loser;
man kann einen Teil entfernen, ohne andere Teile zu zerstören, zumindest in der
Theorie. Das System ist fragmentiert, hierin liegt die Gelegenheit zur Intervention.
Gerade seine Inkohärenz lädt zum entschiedenem Handeln ein“ (Sennett 2006, S. 60).
Mithin sind netzwerkartige Gliederungen weniger schwerfällig als Befehlspyramiden,
weil sie sich einfacher auflösen oder umorganisieren lassen als starre Hierarchien
(vgl. Powell & Smith-Doerr 1994, S. 381).
Ein Netzwerk individueller und wechselnder Beziehungen erhöht den Bedarf individueller Flexibilität, was wiederum zu Unsicherheit und Unklarheit beiträgt.
Gleichzeitig darf das Netzwerk aber nicht zu dicht und vor allem nicht zu eng werden,
denn “any dense and tight network of social bonds, and particularly a territorially
rooted tight network, is an obstacle to be cleared out of the way“ (Bauman 2000, S. 14). All diese Veränderungen haben Auswirkungen auf wesentliche
Parameter des menschlichen Zusammenlebens, insbesondere auf das (gemeinsame) Arbeiten und auf den Faktor Gemeinschaft insgesamt.
205
6.2.1 Veränderung der erwerbstätigen Arbeit als Motor der „flüssigen“
Moderne
Der Begriff der (erwerbstätigen) Arbeit hat eine massive Änderung erfahren (vgl.
Sennett 2006, S.25). Angewandt auf den Arbeitsmarkt kündet die neue Flexibilität
vom Ende des “job as we know it” an. Denn die Arbeitswelt verliert durch ihre Flexibilisierung Wertvorstellungen und Tugenden wie Treue, Verantwortungsbewusstsein
und Arbeitsethos ebenso wie die Fähigkeit auf sofortige Befriedigung von Wünschen
zu verzichten und Ziele langfristig zu verfolgen.
Diese Entwicklung resultiert aus den Veränderungen der Organisation der Arbeitswelt. Starre Formen der Bürokratie stehen unter Beschuss ebenso die Übel blinder
Routine. Dies löst einen Wandel der Unternehmensstruktur aus, da die Unternehmen
versuchen, flachere und flexiblere Organisationen zu entwickeln (vgl. Sennett 2006,
S.26). Seinen Betrachtungen legt Sennett die Ablöse der Fließbandproduktion durch
die Spezialisierung auf Produktions- und Zulieferunternehmen in der Automobilindustrie zu Grunde: Ausgehend vom so genannten Fordismus entsteht nun eine Arbeitsorganisation weitgehend ohne Vorgaben (vgl. Bauman 2003a, S. 36).
In den strengen hierarchisch begründeten Vorgaben des Fordismus regeln Verträge
zwischen ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn Normalarbeitsverhältnisse, feste Arbeitszeiten, tarifvertraglich festgelegte Gehälter, Kranken- und Urlaubsgeld, Kündigungsschutz, bei gleichzeitiger Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers. Im nunmehr folgenden Toyotismus werden diese Strukturen durch kleine „selbstverantwortliche Gruppen“ mit hohem Risiko abgelöst. Die Arbeitnehmer/innen passen ihren
Standort und ihre Arbeitsabläufe an die durch die Globalisierung der Wirtschaft geschaffenen Notwendigkeiten an. Sie müssen sich flexibel verhalten, offen für kurzfristige Veränderungen und weniger abhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren
sein (vgl. Sennett 2006, S.10). Die Beschleunigung und Globalisierung der Arbeitsprozesse fordern von den Arbeitnehmer/innen stetig wachsende Leistungen und die
Bereitschaft, aus beruflichen Gründen den Wohnort zu wechseln. Mit der gestiegenen
Mobilität
sinkt
die
Bereitschaft
zum
freiwilligen
Engagement
(vgl.
BMFSFJ 2009, S. 9). Gleichzeitig müssen Arbeitnehmer/innen ständig Risiken eingehen, und sie werden durch die Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse belastet.
206
„Die Betonung liegt auf der Flexibilität. Flexibilität bedeutet aber auch die Bedeutung der Arbeit selbst zu verändern und damit auch die Begriffe, die wir für sie
verwenden. So werden anstatt des negativ besetzten Begriffes ‚Kapitalismus‘ Umschreibungen wie ‚freies Unternehmertum‘ oder ‚marktwirtschaftliches System‘
verwendet“ (Sennett 2006, S. 11).
Der Ersatz der starren Bürokratien und der blinden Routine fordert von den Arbeitnehmer/innen die Akzeptanz kurzfristiger Arbeitsverträge anstatt die gerade Linie
einer Laufbahn im alten Sinne zu verfolgen (vgl. Sennett 2006, S. 11). Dies stellt einen Einschnitt in der Freiheit der Lebensplanung der Arbeitnehmer/innen dar und hat
Auswirkungen auf den Charakter. Auch hier zeigt sich im Freiwilligensurvey, dass
Menschen, die nicht über planbare Freizeit verfügen, in ihrem Engagement im Dritten
Sektor eingeschränkt werden (vgl. BMFSFJ 2009, S. 11). Der Arbeitsplatz, wie wir
ihn kennen, wird abgelöst von kurzfristigen Arbeitsverträgen, gleitenden oder gar
keinen Verträgen, befristeten Arbeitsplätzen, die sich kurzfristig verändern können
und ständig Risiken ausgesetzt sind (vgl. Sennett 1998).
6.2.2 Veränderung der Gemeinschaft als Folge der „flüssigen“ Moderne
Die durch die Veränderung der Arbeit erzwungene Flexibilität des/der Einzelnen hat
Auswirkungen auf die Gemeinschaft als Ganzes. Nach Olson (vgl. M. Olson 2008,
S.57) betont die traditionelle Theorie die „(angeblich) universale Erscheinung der
Teilnahme an freiwilligen Vereinigungen innerhalb der modernen Gesellschaften.“
Doch die Menschen müssen für ihr Fortkommen selbst Verantwortung übernehmen,
ohne die traditionelle Hilfe von Gemeinschaftsinstitutionen in Anspruch nehmen zu
können. Das lässt sie isoliert und mit ihren persönlichen Problemen vollbeschäftigt
werden (vgl. Gane 2001). Das soziale Konstrukt der Gemeinschaft und somit auch
der Gruppe erfährt damit in der flüssigen Moderne wesentliche Änderungen. Die
Gleichschaltung von Menschen ist eine Voraussetzung, damit soziale Systeme dauerhaft funktionieren. Die Entwicklung sozialer Systeme ist von der persönlichen Motivation und vom Engagement der Mitglieder abhängig. Nur wenn es gelingt, die
Grundbedingungen eines Systems mit den persönlichen Motiven seiner Elemente,
also Mitglieder, zur Übereinstimmung zu bringen, werden diese Mitglieder bereit sein,
sich den Interessen des Kollektivs (Nation, Staat) unterzuordnen. Die Flüssige Moderne mit ihrer Konsumorientierung betreibt Uniformierung und Gleichschaltung viel
207
subtiler, indem sie durch offenen oder verborgenen Zwang bestimmte Verhaltensweisen oder Problemlösungsmuster vorgibt. Dadurch werden hier den Menschen
Wahlmöglichkeiten durch fehlende Information über Handlungsalternativen vorenthalten (vgl. Bauman 2007b).
Die neuen Formen des Kapitalismus und die daraus resultierenden neuen Formen
der Arbeit nehmen Einfluss auf den Charakter der Menschen. „Charakter drückt sich
durch Treue und gegenseitige Verpflichtung aus oder durch die Verfolgung langfristiger Ziele und den Aufschub von Befriedigung um zukünftiger Zwecke willen“ (Sennett 2006, S. 31). Es ist schwierig, in einer auf Kurzfristigkeit angelegten Gesellschaft, die aus Episoden und Fragmenten besteht, eine Identität oder konsistente
Lebensgeschichte zu entwickeln, langfristige Ziele anzustreben oder dauerhafte soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten (vgl. Sennett 2006, S. 31). In dieser Situation
suchen die Menschen wenigstens relative Sicherheit, indem „die als gemeinsam veranschlagten Interessen auf (eine gewisse) Dauer gestellt, transformiert und mythisiert werden“ (Hitzler; Honer; Pfadenhauer 2008, S. 16). Damit sind zwar die Sorgen
einzelner Menschen einander ähnlich und werden in kurzfristigen Veranstaltungen
wie etwa Talk-Shows in die Öffentlichkeit gebracht. Doch dadurch, dass man sie zusammenbringt, gegenüberstellt und aufeinander bezieht, werden sie nicht leichter
handhabbar, und echte gegenseitige Hilfe ist dadurch nicht zu erwarten (vgl. Bauman
2003a, S. 47).
„Die Idee der Gemeinschaft ist gereinigt von allen Vorstellungen, die ein Gefühl
der Unterschiedlichkeit vermitteln könnten, von Konflikten über die Frage, wer wir
sind, ganz zu schweigen. So gesehen ist der Mythos der Gemeinschaft nichts anderes als ein Reinigungsritual“ (Sennett 1996, S. 34–36).
Letztlich muss jede/r selbst mit seinen/ihren Problemen fertig werden.
„Die Koordination und Bündelung individueller Beschwerden zu gemeinsamen Interessen und ihre Überführung in gemeinsames Handeln ist eine entmutigende
Aufgabe, da sich die häufigsten Probleme, mit denen die Schicksal-Individualisten
konfrontiert sind, nicht addieren lassen“ (Sennett 2006, S. 29).
So werden Distanz und oberflächliche Kooperationsbereitschaft Mittel zur Bewältigung der gegenwärtig herrschenden Bedingungen. Gruppen aller Art treffen damit
208
auf schlechte Vorbedingungen, denn ein Verhalten, das auf Loyalität und Dienstbereitschaft beruht, wird nicht gewürdigt. Die Flüchtigkeit des sozialen Umfeldes führt
zu einer „Fragilität menschlicher Bindungen“ (Bauman 2007b, S. 14), die sich in den
Werten einer flexiblen Gesellschaft niederschlägt:"Keep moving, don't commit
yourself, and don't sacrifice” (Sennett 1998, S. 25). Als Ersatz erfindet man
„Vergemeinschaftungen, die keine Gemeinschaften sind: temporäre Phänomene, die
keine Folgen haben“ (Prisching 2008, S. 37). In diese tritt der/die Einzelne in der Regel „freiwillig, absichtlich und ohne viel Aufhebens ein, und ebenso (relativ) problemund
folgenlos
tritt
er
(oder
sie)
auch
wieder
aus
ihnen
aus“
(Hitz-
ler; Honer; Pfadenhauer 2008, S. 17). Darunter fallen Events aller Art, doch die (längerfristige) Bindung an die Interessen einer Gruppe gehört nicht dazu.
6.3 Auswirkungen der „flüssigen“ Moderne auf Bildungsprozesse
Hinzu tritt, dass nicht nur die Gruppen selbst instabil sind, sondern dass auch die
Inhalte, mit denen sich die Gruppen auseinandersetzen, einer ständigen Veränderung unterzogen sind – und damit ändern sich auch die Anforderungen, denen die
Menschen in ihrem Lernen als Individuen oder Gruppen ausgesetzt sind. Denn jede
von uns gesetzte Handlung ist eine Antwort auf ein geändertes Set von Möglichkeiten, die unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten haben. Daher bedarf man in
jeder neuen Situation einer neuen Ausprägung von Fertigkeiten und Zusammensetzung von Stärken (vgl. Bauman 2005, S. 304). Die gängigen Lerntheorien fokussieren jedoch traditionellerweise auf Prozesse, in denen ein Individuum “Wissen” oder
“Kompetenzen” erwirbt, durch deren Anwendung sich sein Verhalten relativ dauerhaft
verändert. Der Erfolg einer solchen Strategie setzt aber voraus, dass die erworbene
Fähigkeit bzw. das erworbene Wissen selbst einigermaßen stabil und wohldefiniert
ist und auch dass es einen kompetenten „Lehrer“ gibt, der weiß, was gelernt werden
soll (vgl. Engeström 2001, S. 137f).
Doch genau diese Faktoren treffen in der Praxis aber oft nicht zu: Menschen und
auch Organisationen bzw. Gruppen von Menschen lernen ständig Dinge, die nicht
stabil, nicht einmal wohldefiniert oder im Vorhinein verstehbar sind (vgl.
Engeström 2001, S. 137f). Was in der Vergangenheit funktioniert hat, erhöht nicht die
Wahrscheinlichkeit für zukünftigen Erfolg. Ganz im Gegenteil müssen die in der Ver209
gangenheit erfolgreichen Methoden einer kontinuierlichen Überprüfung und Überarbeitung unterzogen werden, weil sie sich als nutzlos oder unter den je gegebenen
Umständen sogar als kontraproduktiv erweisen können. Rasches und gründliches
Vergessen von überkommener Information und langgeübten Gewohnheiten kann
dem Erfolg weit zuträglicher sein als das Einüben bereits einmal erfolgreicher Schritte und das Aufsetzen neuer Erfolgsstrategien auf dem erstarrten Bodensatz früheren
Lernens (vgl. Bauman 2005, S. 304).
Gerade in Zeiten tiefgreifender Veränderungen müssen wir neuartige Aktivitäten lernen, die es schlichtweg noch nicht gibt (vgl. Engeström 2001, S. 137f). Zu diesen
Veränderungen meint Illeris:
„Die zunehmende Veränderung der Gesellschaft, das Aufbrechen von Grenzen
und Kulturen im Rahmen der Globalisierung sowie der Zusammenbruch einer
ganzen Reihe von religiösen, ideologischen, sozialen und sonstigen Traditionen
und Vorstellungen, treiben immer mehr Menschen in die Flucht, in die Arbeitslosigkeit, in Scheidungen oder bringen andere Arten des persönlichen Verlustes mit
sich. Das erzeugt tiefe Krisen. Gleichzeitig entsteht ein v. a. ökonomisch bedingtes
Interesse an möglichst schnellen Lösungen für solch existenzielle Krisen“
(Illeris 2010, S. 56).
Damit ist die Erziehungswissenschaft gefordert, die Menschen mit dem nötigen
Rüstzeug für rasches und effektives Reagieren in Krisen auszurüsten, das nur durch
ständiges, lebensbegleitendes Lernen und Trainieren adäquat erworben werden
kann. Doch werden „Lernhandlungen (…) zunehmend aus sozialen Beziehungen
und lebensweltlich abgesicherten Interaktionszusammenhängen herausgehoben.
Demzufolge werden Bildungsräume zunehmen von einem Modus der vagierenden
Bewegung,
der
permanenten
Flexibilitätsanpassung
angetrieben“
(Eg-
ger 2008, S. 22).
Bauman erklärt, dass man sich Bildung nicht als Gebäude vorstellen dürfe, das vom
Fundament weg Geschoß um Geschoß errichtet wird, wobei die Fertigstellung des
Daches anzeigt, dass das Gebäude fertig ist. Auch möge man sich Bildung nicht wie
ein Menü vorstellen, das in einer feststehenden Reihenfolge verzehrt wird. Anstatt
dessen würden die einzelnen Gänge in zufälliger Reihenfolge serviert, je nach den
Bedürfnissen des Augenblicks. Die Bildung werde in kleinen Bissen angeboten und
210
konsumiert, von denen jeder separat gekocht und dann rasch gekaut und verdaut
werde – um dann ebenso rasch aus dem Verdauungstrakt entfernt zu werden, um
Platz für weitere Portionen zu schaffen. Es sei sogar passend, sich Bildung nach
dem Fast Food Prinzip vorzustellen – rasch zubereitet, frisch, heiß und unzeremoniell verzehrt. Schließlich möge man sich Bildung vorstellen als Produkt mit relativ kurzem, klar definiertem Ablaufdatum: Die rasche Entfernung von „Abgelaufenem“ aus
den Regalen sei ebenso wichtig wie (oder sogar wichtiger als) die Bereitstellung
neuartiger Lebensmittel in einem Sortiment (vgl. Bauman 2005, S. 315f).
Diese Aussagen sprechen gegen eine verschulte Bildung mit ihrer Vorliebe für starre
Curricula und eine vorgegebene Lernreihenfolge. Die flüssige Moderne ist so rasch
veränderlich, dass erlernte Rezepte schon versagen in dem Moment, wo man sie
verinnerlicht hat. Dennoch stehen heute Bildungseinrichtungen unter dem Zwang,
sich irgendwelchen „Kanons des Wissens“ und „Kompetenzkatalogen“ beugen zu
müssen, deren Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit zugleich aber immer heftiger bezweifelt werden darf (vgl. Egger 2008, S. 22). Letztlich wird „Flexibilität“ höher eingeschätzt als das kohärente Einhalten wissenschaftlicher Disziplinen (vgl. Bauman
2005, S. 316f). Hier gibt es eine massive Parallele zum nachhaltigen Lernen: Auch
Nachhaltigkeit ist so komplex, dass man keine „Kochrezepte“ ausstellen kann. Man
könnte so weit gehen zu behaupten: Flüssige Moderne braucht nachhaltiges Lernen.
Die Konsequenz daraus müsste eine Abkehr von Curricula sein. Viel sinnvoller erscheint es, den Menschen ein gutes Denk-, Strukturierungs-, Selektions- und Entscheidungsvermögen an die Hand zu geben, damit sie in einer unsicheren, sich
ständig wandelnden Zeit „gute“ Entscheidungen treffen können (vgl. 4.3 bzw. Sterlings intrinsisch-nachhaltige Bildung 4.4.4).
Allerdings bieten die gängigen Lerntheorien zur Lösung dieses Dilemmas wenig an
(vgl. Engeström 2001, S. 137f). Am ehesten bietet nach Baumans Auffassung
Batesons Lerntheorie (vgl. 4.2.2.2) einen Ansatzpunkt, doch auch hier muss auf das
Lernen III (tertiäres Lernen, Metanoia) zurückgegriffen werden. Lernen III geht über
das „normale“ Lernen hinaus und unternimmt eine Reflexion der Lernprozesse, die
umschrieben werden kann mit dem Begriff „Lernen lernen“: Etwas, das man
irgendwan gelernt und (zumindest eine Zeitlang) als selbstverständlich angesehen
hat, wird nunmehr reflektiert bzw. revidiert, neuen Zusammenhänge werden struktu211
riert, eine flexible Gesatltung der Lebensbedingungn ermöglicht. Dies ermöglicht ein
„aufdeckendes
Ent-Lernen
und
Verlernen
von
einengenden
Sichtweisen“
(Mikula 2008, S. 60). Die verschiedenen Möglichkeiten, die sich hierfür ergeben, illustriert Bateson Lernen folgendermaßen (Bateson 1981, S. 392):

„Das Individuum könnte lernen, bereitwilliger jene Gewohnheiten zu bilden, deren
Bildung wir Lernen II nennen.

Es könnte lernen, sich selbst die "Auswege" zu verbauen, die es ihm erlauben
würden, Lernen III zu umgehen.

Es könnte lernen, die Gewohnheiten zu ändern, die durch Lernen II erworben
wurden.

Es könnte lernen, daß es ein Geschöpf ist, das Lernen II unbewußt erreichen
kann und dies auch tut.

Es könnte lernen, sein Lernen II einzuschränken und zu steuern.

Wenn Lernen II ein Lernen der Kontexte für Lernen I ist, dann sollte Lernen III ein
Erlernen der Kontexte dieser Kontexte sein.“
Wie aus den Beispielen deutlich wird, erfordert Lernen III (Selbst-)Reflexion und
Infragestellen der eigenen Persönlichkeit. Bateson selbst hält das sogar für potenziell
gefährlich, da das Individuum sich seiner selbst nie mehr sicher ist, wenn es all sein
Tun und seine Beweggründe permanent hinterfragt. Das mag im Zeitalter der Moderne und unter der Voraussetzung noch so gewesen sein, dass das Leben einer
individuellen Person eher kurz und vor allem unberechenbar ist im Vergleich zu einer
stabilen und berechenbaren Umwelt. In einem fließend-modernen Ambiente jedoch
hat sich diese Beziehung zwischen Individuum und Umwelt ins Gegenteil verkehrt:
Eine einzelne, relative lange lebende Person kämpft um ihr Überleben in einer Welt,
die von einer Serie immer wieder neu zu bewältigender „Anfänge“ in einem fragilen
und unberechenbaren Umfeld gekennzeichnet ist. Im Lichte dieser Tatsachen trifft
Batesons Urteil über das Lernen III nicht mehr ganz zu: Wenn sich das Leben eines
Menschen in Episoden vollzieht, die jede einen eigenen Anfang und ein eigenes Ende hat, kann er nicht viel mit einer Bildung anfangen, die ihn für eine unveränderliche
Welt ausrüstet oder zumindest für eine Welt, deren Herausforderungen sich langsa212
mer verändern als das Wissen, das man braucht, um überleben zu können (vgl.
Bauman 2005, S. 315).
Bauman folgert, wir leben
„through projects and by projects, moving from one project to another, to the projects-yet-to-come, undetermined by the projects already passed through. Don’t
mind the breath-taking speed with which knowledge is changing track, old
knowledge is ageing, and new knowledge is born only to start aging right away;
the volatility of the disjointed, poorly integrated, and multi-centred liquidmodern
world makes it certain that each successive episode of a life-through-projects will
call for another set of skills and information, invalidating the skills already acquired
and the information already memorized” (Bauman 2005, S. 315).
Die Schlussfolgerung daraus lautet: Wer sich mit Information belastet, Informationen
absorbiert und behält, nach Vollständigkeit und Geschlossenheit gesammelter Informationen strebt, macht sich selbst zu einer potenziellen Deponie für zukünftigen Informationsmüll (vgl. Bauman 2005, S. 315).
Auf diesen Erkenntnissen aufbauend sucht Bauman nach einem Bildungsmodell, das
er für die flüssige Moderne für tragfähiger hält als die Ansätze von Piaget, Illeris und
anderen. Er nimmt Anleihe beim englischen Philosophen Dennett (vgl. Bauman
2005, S. 314f): Dieser argumentiert, dass die Steigerung der menschlichen Intelligenz und geistigen Fähigkeiten des Menschen nicht das Produkt von Assimilationen
und einer Speicherung von Wissen durch die Menschen sei. Vielmehr habe die Entlastung des Gehirns durch die immer weiter fortschreitende Möglichkeit der Speicherung von Information in technologischen Artefakten den Fortschritt in der menschlichen Geisteskraft bewirkt: Beginnend mit den ersten primitiven Werkzeugen in der
Steinzeit haben die Menschen es geschafft, ihr Gehirn von der Notwendigkeit zu entlasten, buchstäblich „das Rad immer wieder neu erfinden“ zu müssen, indem sie ihre
Erkenntnisse explizit aufgeschrieben oder implizit in den erfundenen Gegenständen
abgespeichert haben. In der heutigen Zeit mit den schier unendlichen Möglichkeiten,
Informationen in elektronischen Medien abzuspeichern und an quasi jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit wieder abzurufen, haben sich die Möglichkeiten
vervielfacht, das Gehirn von „unnötigem Ballast“ zu entlasten. Eine relativ kleine
Menge von Indikatoren und Hinweisen reicht dem Gehirn aus, um einen quasi un213
endlichen Vorrat an Informationen zur Verfügung zu haben. Daraus kann das Individuum eine bewältigbare und vor allem problemadäquate Menge an Informationen
aussuchen, um ein anstehendes Problem zu lösen. Nach der Erledigung der jeweiligen Aufgabe kann die Information wieder extern gespeichert (und so vom Gehirn
„vergessen“ werden), da sie bei Bedarf wieder extern abgerufen werden kann (vgl.
Dennett 1996, S. 144ff). In der flüssigen Moderne stehen mit den Möglichkeiten der
Informationstechnologie mehr Gelegenheiten als je zuvor zur Verfügung – eine ungeheure Menge an Wissen kann ausgelagert werden und nur zu einem je notwendigen Zweck abgerufen werden. Das ermöglicht jedoch nicht nur Entlastung und Flexibilität, sondern fördert auch die Instabilität und Unsicherheit.
Einen anderen Zugang als Dennett wählt der finnische Pädagoge Engeström, der die
Ansätze von Piaget, Illeris, Holzkamp und anderen weiterführt. Er fragt danach, ob
das Problem, das gelöst werden soll (das „Objekt“) bereits bekannt oder neuartig ist
und ob bereits vorhandenes Wissen übertragen oder ob neues Wissen entwickelt
werden muss. Daraus entwickelt er einen Lernraster, der vier Arten des Lernens enthält:
Reflexive Modernisierung: Fluide Gesellschaft
Wesentliche Grundmuster der Fluiden Gesellschaft:
Individualisierung
Pluralisierung
Dekonstruktion v.
Geschlechterrollen
Entgrenzung:
•Entgrenzte Normalbiographien
•Wertepluralismus
•Grenzenloser virtueller Raum
•Kultur/Natur: z.B. Gentechnik,
Schönheitschirurgie
•„Echtes“/“Konstruiertes “
Fusion:
•Arbeit-Freizeit (mobiles Büro)
•Hoch- und Popkultur
(z.B. „3 Tenöre“, Millionenshow)
•Crossover, Hybrid-Formate
•Medientechnologien
konvergieren
Durchlässigkeit:
•Größere Unmittelbarkeit:
z.B. Interaktivität, E-Commerce
•Fernwirkungen, realtime
•Öffentlichkeit/Privat
(z.B. Facebook)
•Lebensphasen („Junge Alte“)
Wechselnde Konfigurationen:
•Flexible Arbeitsorganisation
•Patchwork-Familien, befristete
Communities (z.B. FlashMobs)
•Modulare Konzepte (z.B.
Technik, Urlaub)
•Sampling-Kultur (Musik, Mode)
Wertwandel
Disembedding
Globalisierung
Digitalisierung
Neue Meta-Herausforderung: Boundary Management
Grenzen geraten in Fluss, Konstanten werden zu Variablen
Abb. 8 Vier Lerntypen nach Engeström (Engeström 2004, S. 13)
Die beiden Formen der Exploitation (im Raster unten) entsprechen im Wesentlichen
der Assimilation und Akkomodation. Im hier diskutierten Zusammenhang interessiert
214
vor allem die Exploration als Experimentieren mit neuen Lösungen, insbesondere für
Probleme, die bislang noch nicht bekannt waren (rechter oberer Quadrant in Abb. 8)
Sie werden buchstäblich gelernt, während und indem sie geschaffen werden. Es gibt
dafür keinen kompetenten Lehrer oder Lehrerin (vgl. Engeström 2001, S. 137f).
In der flüssigen Moderne treten solche Situationen eklatant häufiger auf als zuvor.
Auf Basis der Tätigkeitstheorie, die einzelne Tätigkeiten/Aktivitäten ins Zentrum der
Betrachtung stellt, entwickelt Engeström (vgl. Engeström 2001, S. 144) eine Vorgehensweise, wie vor allem Gruppen verschiedener in eine Problemsituation involvierter Individuen gemeinsam an die Lösung bzw. an die Entwicklung neuer Lösungsansätze herangehen können. Diese Vorgehensweise erinnert von der Konzeption her
stark an den hermeneutischen Zirkel (vgl. Abb. 9).
7. Etablieren der neuen
Vorgangsweise
6. Reflexion des
Prozesses
1. Erhebung des
Problems
2. Analyse von
Widersprüchen
5. Modelleinführung
4. Modellüberprüfung
3. Modellentwicklung
Abb. 9: Lernen nach Engeström (Engeström et al. 1996, S. 10f).
Ein Lernzyklus nach Engeström sieht folgendermaßen aus: In den Schritten 1 und 2
erfolgt die Analyse der gegenwärtigen Situation, indem die gegenwärtige Situation
infrage gestellt und problematische Aspekte gemeinsam analysiert werden. Auch
werden systemimmanente und historische Gründe analysiert, die den zur Diskussion
stehenden Problemen zugrunde liegen (könnten). Besonders wichtig ist Engeström,
dass die inneren Widersprüche in der Systemstruktur der Aktivität aufgefunden werden, in der es Probleme gibt. In den Schritten 3 und 4 erfolgt die Neukonzipierung
des Modells (Schritte 3,4), deren Basis die Darstellung der Systemstruktur einer Aktivität bildet, damit eine Neukonfigurierung der immanenten Inkompatibilitäten zwischen einzelnen Elementen der Aktivität möglich wird. Das erlaubt auch die Neuin215
terpretation des Zwecks einer Aktivität und gegebenenfalls einer neuen Logik der
einzelnen Abläufe. Auf dieser Basis wird die Erstellung eines neuen Ablaufmodells
für die Aktivität möglich. In Schritt 5 wird das neue Modell implementiert, wobei eine
schrittweise Konkretisierung und Modifikation unter ständiger Überprüfung und
Rückkoppelung erfolgt. Es bedarf also permanenter Reflexion – hier finden sich wieder Ansätze des Lernen III. Ergebnis ist ein neues Aktivitätsmodell, das mithilfe neuer Methoden und Ansätze die bisherigen Probleme zu lösen versucht. In den Schritten 6 und 7 erfolgen eine weitere Reflexion bzw. die Konsolidierung des Modells.
Das neu Erlernte wird eventuell auch an Dritte weitergegeben, wozu neue Regeln
gefunden und festgeschrieben werden müssen.
Dieses Modell des Lernens beinhaltet Aspekte der bereits in 2.2 beschriebenen Mode-2 Forschung bzw.des in 4.4.2 entwickelten Mode-2 Lernens, bei dem das bereits
entwickelte Vorwissen der Lernenden sowie die Orientierung auf die Lösung eines
gegenwärtigen Problems aktiv in die Lehr- und Lernsituation mit aufgenommen werden. Der/die Lehrende wird mehr zum/zur TrainerIn und zum Coach, das Wissen
wird von den lernenden Individuen selbst entwickelt. Es kommt also zu einer „ Abkehr von der Vermittlung zur Ermöglichung oder Aneignung“ (Mikula 2008, S. 60).
Man könnte mit Varela von einer Viabilität des Lernens sprechen – gelernt wird, was
in einer Problemsituation adäquat bzw. nutzbringend ist. Dadurch aber werde die
Verantwortung für die Zusammensetzung des Lernens und folglich auch für den
Lernerfolg dem/der einzelnen Lernenden zugeschoben, was sich in der fehlenden
Bereitschaft der Lernenden zeigt, im Hinblick auf ihre (Aus-)Bildung langfristige Bindungen oder Verpflichtungen einzugehen (vgl. Bauman 2005, S. 304). Weiterhin sei
die Tugend, die individuellen Interessen am besten dient, nicht das Befolgen von
Regeln, sondern Flexibilität, als Bereitschaft kurzfristig die Taktik zu verändern, Engagement und Loyalität ohne Bedauern aufzugeben und sich bietende Chancen
nach ihrer jeweiligen Verfügbarkeit zu nutzen.
6.4 Konsequenzen
der
„flüssigen“
Moderne
für
Nachhaltigkeitsgruppen
Die Konsequenzen der aus der flüssigen Moderne resultierenden Instabilitäten für
Nachhaltgkeitsgruppen sind vielfach. Nach Kruse (2002) lohnt es sich jedoch
216
“Instabilität zuzulassen, denn in einem sich ändernden Umfeld ist das Risiko der
Stabilität immer größer als das Risiko der Instabilität. Wird ein bestehendes Muster aufgebrochen, führt dies notgedrungen immer zuerst in eine krisenhafte Situation. Die Bereitschaft, sich auf den Schmerz der Veränderung einzulassen, ist eine
unverzichtbare Voraussetzung für Innovation“ (Kruse 2002, S. 4).
Dieser eher positiven Sicht stehen Bauman und Sennett eher skeptisch gegenüber.
Ihre Vorstellungen von Auswirkungen der flüssigen Moderne auf Nachhaltigkeitsgruppen werden nachfolgend beschrieben.
6.4.1 Cloakroom-Communities
Die eben beschriebenen Entwicklungen entsprechen genau dem Bild der flüssigen
Moderne, in der sich Zusammengehörigkeitsgefühl, Solidarität und gemeinsames
Erleben zwischen den Menschen auflösen. Langfristige Verbindungen, wie sie für
nachhaltige Gruppenbildung nötig sind, bedürfen starker Bindungen und großer Anstrengungen, mit anderen Kompromisse zu machen (vgl. Sennett 2006, S. 28). Das
Maximum an Gemeinschaft, das erzielbar ist, ähnelt einer Ansammlung von Theaterzuschauer/innen, die sich in der Garderobe treffen, um ihre Mäntel abzugeben. Sie
tun das allein oder in kleinen Gruppen, aber nur für die Dauer der jeweiligen Aufführung. Bauman bezeichnet sie als “cloakroom communities” oder auch “ghost communities, phantom communities, ad hoc communities, carneval communities” (Bauman 2007a, S. 111). In dieser Art von Gemeinschaft hat man ein Gefühl der Zugehörigkeit, allein deswegen, weil man dort ist, wo andere auch anwesend sind, oder weil
man Abzeichen oder sonstige Merkmale gemeinsamen Stils oder Geschmacks trägt
(„Marken“). Diese Gemeinschaften sind auch zeitlich beschränkt: Man „fällt heraus“
in dem Moment, in dem sich die Menge zerstreut. Man kann die Gemeinschaft auch
vorher verlassen, wann immer das eigene Interesse zu schwinden beginnt.
Cloakroom Communities als informelle Gruppen brauchen keine Beitritts- oder Austrittserlaubnis. Sie haben auch keine Verwaltung und sind nicht berechtigt, Auswahlkriterien für die Aufnahme zu definieren (vgl. 6.2).
Auf dieser Basis ist eine Nachhaltigkeitsgruppe schwer zu gründen, die per definitionem selbst nachhaltig im Sinne von dauerhaft sein soll. Denn in der modernen Gesellschaft stellt die Möglichkeit, einer Gemeinschaft willkürlich jederzeit beizutreten
217
und sie wieder zu verlassen, einen Vorteil dar gegenüber der unbequem festen einschränkenden und fordernden „echten Gemeinschaft“ (Bauman 2007a, S. 112). Ein
Effekt der Cloakroom-Communities ist es demnach, erfolgreich die Herausbildung
echter, umfassender und dauerhafter Gemeinschaft abzuwehren. Obwohl Menschen
in solchen Cloakroom Communities annehmen, dass sie eine neue Form der Gemeinschaft hervorbringen, ahmen sie tatsächlich Gemeinschaft nur nach (vgl.
Bauman 2000, S. 201). Und so treffen sich Menschen zu einem Event und bilden
dabei eine kurze und spontane Pseudogemeinschaft, gehen dann auseinander und
sehen sich vielleicht nie mehr wieder. Die kurze Verbundenheit der Zufallsgemeinschaft wird durch ein gemeinsames Thema (Issue) beschrieben, das meist in Form
eines Events oder Spektakels erlebt wird (vgl. Bauman 2007b, S. 112): Cloakroom
Communities brauchen ein Spektakel, das Interessen anspricht, die mehrere Personen teilen, obwohl sie sonst ganz verschieden sind. Auf diese Weise werden sie für
eine Zeitspanne zusammengebracht, in der die anderen Interessen, die sie trennen
und nicht vereinen, kurzfristig beiseite gelegt werden und sie sich einem gemeinsamen Thema (Issue) widmen (vgl. Bauman 2000, S. 200). In diesem Sinne sind zwar
Single Issuegroups möglich, die sich kurzfristig zusammentun, um etwa gegen Castor-Transporte zu protestieren, übergreifende Nachhaltigkeitsgruppen haben hingegen schlechte Karten.
Die Konsequenz ist, dass wir bei der Gestaltung unserer Lebensweise von einer
permanenten und zunehmenden Individualisierung ausgehen müssen (vgl. Bauman
2000, S. 37). Daraus ergibt sich, dass wir auch die Formen der Gemeinschaft, die für
die Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft notwendig sind wie politische Gruppen,
Freiwilligenorganisationen und eben auch Nachhaltigkeitsgruppen im engeren Sinne
nach einem neuen Muster und Prinzip strukturieren müssen. Denn auch wenn sich
viele Menschen sich an einem bestimmten Ort aufhalten, haben sie wenige Gemeinsamkeiten, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird.
6.4.2 Baumans „Schwärme“
Die für die flüssige Moderne typische Konsumgesellschaft tendiert zur Auflösung von
Gemeinschaft, weil Konsum eine äußerst einsame Tätigkeit ist. Gruppen sind charakterisiert durch Vorhandensein von Führer/innen, Hierarchie und vor allem von
Identität und Zusammenhalt. Sie werden in der flüssigen Moderne ersetzt durch ei218
nen Schwarm: „Ein Schwarm kommt ohne all jene Symbole und Strategien aus, die
eine Gruppe zu ihrer Herausbildung und Festigung braucht. Schwärme bedürfen
nicht der Selbstproduktion und Selbsterhaltung“ (Bauman 2007b, S. 160).
Schwärme
„versammeln sich bei Gelegenheit, lösen sich auf und finden bei einer anderen
Gelegenheit, angelockt von neuen, beweglichen Zielen, wieder zusammen. Der
Reiz dieser beweglichen Ziele reicht in der Regel aus, um die Schwärme zu koordinieren und jeden Befehl oder andere Mittel der Koordination ‚von oben‘ überflüssig zu machen“ (Bauman 2007b, S. 161).
Betrachtet man diese Schwärme näher, erkennt man, dass sowohl die Richtung ihres
Fluges als auch die jeweiligen Anführer/innen zufällig zustande kommen, allerdings
nur für einen einzigen Flug.
Die Nachhaltigkeit bzw. Nachhaltigkeitsgruppen betreffend, welche sich einer anhaltenden, allgemeinen und uneigennützigen Idee hingeben, ergeben sich aus diesen
Erkenntnissen verschiedene Probleme:

„Wie können Langzeitprojekte in einer kurzlebigen Gesellschaft aufrechterhalten
werden?

Wie können auf Dauerhaftigkeit ausgerichtete soziale Beziehungen nachhaltig
aufrecht erhalten werden?“ (Sennett 1998).
Die Antwort auf beide Fragen ist schwer zu geben, denn Gruppen können noch nicht
einmal dadurch zusammengehalten werden, dass man gemeinsam konsumiert:
„Die Bindungen zwischen den Verbrauchern überdauern nie den Akt selbst. Sie
halten den Schwarm für die Dauer des Fluges zusammen (d. h. bis sich das Ziel
wieder ändert), sie sind aber offenkundig an diesen einen Anlass gebunden und
ohnedies derart dünn und zerbrechlich, dass sie auf die zukünftigen Bewegungen
der Individuen keinen Einfluss haben“ (Bauman 2007b, S. 162).
Selbst der als „Fest“ angelegte Protest gegen die Errichtung einer Deponie oder gegen Atommülltransporte verkommen zum Konsumieren kurzfristigen Gemeinschaftsempfindens, bei denen man gemeinsam singt, Bier trinkt oder die Polizei beschimpft
219
um des Empfindens, des Gefühls der Selbstverwirklichung, nicht um der Selbstverwirklichung im eigentlichen Sinne willen.
Bei der Beschreibung eines Schwarmes durch Bauman (2007b) drängt sich der Vergleich
mit
einer
Bürger/inneninitiative
auf.
Ein
Schwarm
und
eine
Bür-
ger/inneninitiative versammeln sich bei Gelegenheit, lösen sich auf und finden bei
einer anderen Gelegenheit, angelockt von neuen und beweglichen Zielen, wieder
zusammen. Der Reiz dieser beweglichen Ziele reicht nach Bauman aus, um die
Schwärme zu koordinieren und jeden Befehl oder andere Mittel der Koordination
„von oben“ überflüssig zu machen (vgl. Bauman 2007a, S. 161). Der Schwarm ist,
anders als eine Gruppe, die von Vertrauen zusammengehalten wird, „die Summe
seiner (individuellen Motiven folgenden) Teile“ (Bauman 2007b, S. 161). Emergenz
und Übersummativität gibt es daher hier seiner Ansicht nach nicht mehr, ebensowenig wie Autopoiesis in dem Sinne, dass Themen oder Muster für neuerliche Interaktionen oder Kommunikation entwickelt würden (vgl.5.1.4.1). Tatsächlich verwandeln
sich Nachhaltigkeitsgruppen immer mehr in Schwärme oder Issue Gruppen, die weder Hierarchie, noch eine Ausrichtung, Wir-Gefühl oder eine gemeinsame Kultur haben.
In diesen Schwärmen macht die
„zufällige Richtung des Fluges … einige der Beteiligten, die aus eigener Motivation
dabei sind, zu ‚Anführern‘, denen die anderen ‚folgen‘. Doch diese ‚Hierarchie‘ gilt
höchstens für einen einzigen Flug – niemals länger“ (Bauman 2007b, S. 161).
Gleichzeitig weist Bauman aber auch auf die Notwendigkeit eines Gruppenkerns hin.
Diese(r) kann sich zwar immer je in Abhängigkeit vom Schwarmereignis bzw. dem
Issue verändern, doch fraglos hält der Gruppenkern die Idee am Leben. Auch aus
der Issuegroup können sich Mitglieder des Gruppenkerns rekrutieren; aus dem
Schwarm können sich Mitglieder der temporären „Hierarchie“ bilden.Wenn ein Issue
vorüber ist, können Issuegroup -Mitglieder zu Mitgliedern des Gruppenkerns oder
zumindest der losen Gruppe werden. Sie können sich nach Beendigung des sie interessierenden Issues völlig aus der Gruppe zurückziehen oder nach längerer oder
kürzerer Abwesenheit in neue Issues einbringen (vgl. 5.6.2).
220
6.4.3 Communities of Practice
Doch muss diese Auflösung fester Beziehungen in der Flüssigen Moderne nicht nur
negative Folgen haben. Vielmehr legen Wenger und ihm folgend Wenger,
McDermott und Snyder mit dem Konzept der Communities of Practice einen Ansatz
zu Social Learning Systems vor (vgl. Wenger; McDermott; Snyder 2002), der aus
den Instabilitäten der flüssigen Moderne Nutzen zieht. Communities of Practice als
Social Learning Systems basieren auf zwei Phänomenen: den Kompetenzen, die
Gemeinschaften im Zeitablauf anhäufen (etwa das nötige Wissen, um als kompetentes Mitglied ebendieser Gemeinschaft zu gelten), und den Erfahrungen, die Individuen als Mitglieder dieser Gemeinschaft laufend machen. Diese Kompetenzen und Erfahrungen können untereinander völlig deckungsgleich sein, aber auch völlig divergierend (vgl. Wenger 2000, S. 227). Auf dieser Definition aufbauend beschreiben
Wenger, McDermott und Snyder „Communities of Practice“, die am Arbeitsplatz, in
der Schule, daheim oder bei unseren Hobbies bestehen können. Nach ihrer Ansicht
handelt es sich dabei um Gruppen von Menschen, die ein Anliegen, ein Problem
oder einfach eine Leidenschaft für eine bestimmte Sache teilen und die ihre Fähigkeiten und ihre Expertise in einem Bereich dadurch vertiefen oder erweitern, dass sie
fortgesetzt darüber interagieren, ohne notwendigerweise zusammenarbeiten zu
müssen (vgl. Wenger et al. 2002, S. 4f). Die Interaktion kann direkt face-to-face, aber
auch mittels elektronischer Medien sowie synchron (z. B. Telefonat, Chat) oder
asynchron (Email, Foren) erfolgen (vgl. Winkler & Mandl 2004, S. 3). Sie besteht darin, dass die Mitglieder Zeit miteinander verbringen, Informationen, Einsichten und Rat
teilen, sich gegenseitig dabei helfen Probleme zu lösen, Situationen, Pläne und Bedürfnisse diskutieren. Themen werden gemeinsam abgewogen, Ideen erkundet und
Resonanz oder Feedback gegeben. Möglicherweise entwickeln die Communities of
Practice Werkzeuge und Instrumente oder aber einfach ein stillschweigendes Verständnis, das ihnen gemeinsam ist (vgl. Wenger et al. 2002, S. 6f). Diese Beschreibung lässt sich auch auf moderne Nachhaltigkeitsgruppen übertragen, denn typischerweise treffen sich Menschen hier in ihrer Freizeit, quasi bei einem Hobby und
teilen konkrete Anliegen (Issues) oder eine Leidenschaft bzw. eine bestimmte Idee.
Gemeinsam wird nach der Lösung von Nachhaltigkeits-Problemen gesucht, und dabei werden Ideen und Pläne für Aktionen entwickelt. Dabei entwickeln sie auch neue
221
Kompetenzen, wie etwa die Kompetenz eine Veranstaltung zu organisieren, eine
Presseaussendung zu machen oder eine Unterschriftenliste zu betreiben. Unabhängig davon, welches und wie sie gemeinsam Kompetenzen und Wissen entwickeln,
bauen sie informelle, wenn auch schwache Bindungen dadurch auf, dass das gemeinsame Lernen für sie einen Wert repräsentiert. Dieser Wert kann sich auf ein
gemeinsames Anliegen beziehen, aber auch darin bestehen, persönliche Befriedigung dadurch zu erlangen, Kolleg/innen zu kennen, die gegenseitig ihre jeweiligen
Ideen und Perspektiven verstehen oder zu einer interessanten Gruppe zu gehören.
Gruppen dieser Art entwickeln über die Zeit eine einzigartige Perspektive auf ihre
Themen und gemeinsames Wissen, gemeinsame Praktiken und Zugänge. Schließlich entstehen persönliche Beziehungen und sogar fixe Interaktionsschemata,
manchmal sogar das Gefühl einer gemeinsamen Identität (vgl. Wenger et al. 2002,
S. 6). Auch das ist typisch für Nachhaltigkeitsgruppen in der flüssigen Moderne – sie
bauen keine starken Beziehungen auf, doch bekennen sich viele dazu, dabei zu sein
und von Zeit zu Zeit ihren Beitrag zu leisten. Dabei können sie in Nachhaltigkeitsgruppen so wie in allen Communities of Practice Kernmitglieder oder nur gelegentliche Teilnehmer/innen sein.
Alle diese Eigenschaften von Communities of Practice entstehen von selbst, daher
darf man nicht der Versuchung erliegen, sie institutionalisieren und überregulieren zu
wollen. Denn ihr Gedeihen hängt in erster Linie vom freiwilligen Engagement ihrer
Mitglieder ab, und ihre Fähigkeit Wissen zu bewahren und schaffen hängt von einem
gewissen Maß an Informalität ab. Für Nachhaltigkeitsgruppen in der flüssigen Moderne bedeutet dies, dass man sie, um ihren Bestand zu sichern, gar nicht zu sehr
formalisieren darf, da sie sonst Gefahr laufen zu zerbrechen.
6.5 Empirische Befunde in Bezug auf die „flüssige Moderne“
Aspekte einer Verflüssigung der Gesellschaft finden sich in allen Interviews, die geführt wurde, unabhängig vom Grad des (partei-)politischen Engagements. Ein Interviewpartner bringt die Dinge auf den Punkt:
„Früher haben Gruppen länger gehalten“ (Stefan S. 1 13).
Und eine andere ergänzt:
222
„Die (die Gruppenmitglieder, A.d.V) wollen sich nicht so binden“ (Amanda S. 4 3536).
Und sie erklärt auch über ihr eigenes Verhalten:
„Ich habe dann öfters ausgesetzt, aber seit letztem Jahr bin ich jetzt öfters dabei
und mache auch was für die. Auch bei den anderen Gruppen gibt es so eine Art
Sinuskurve. Da gibt es so ein Auf und ein Ab. (…) Ich komme von einem Projekt
zum nächsten, aber ich bleibe bei diesen Projekten und wechsle zwischen diesen
hin und her. In nächster Zeit mache ich dann auch noch Wahlkampf und so bleibt
mir nicht mehr so viel Zeit für anderes“ (Amanda S. 5 1-7).
Das Handeln einer anderen Interviewpartnerin ist dadurch gekennzeichent, dass sie
immer wieder neue Gruppen ins Leben ruft, diese Gruppen aber verlässt, sobald diese einigermaßen ins Laufen gekommen sind. Offenbar braucht diese Interviewpartnerin genau den Antrieb, sich immer wieder neu zu (er)finden, ohne sich längerfristig
zu binden (Paula).
Aus Sicht einer der Interviewpartner/innen ist es
„(g)erade im politischen Bereich (…) sehr schwierig, Menschen zu motivieren, weil
die Politik zur Zeit ein sehr schlechtes Renommee hat. Es war schon in den letzten Jahren sehr schwierig und wurde immer schwieriger, Leute für politische Arbeit
zu motivieren. Das Hauptproblem, das politische Gruppen haben ist, dass sich
keine Menschen finden, die sich vorn beteiligen wollen. Sie sagen: Ich unterstütze
euch, aber nicht an vorderster Front“ (Anna S. 9 27-30).
Die Gründe für die mangelnde Bereitschaft sich (längerfristig) zu engagieren, werden
dabei von den Interviewparter/innen unterschiedlich gesehen. Als erstes wird die Heterogenität der Beteiligten angesprochen, die genau den Schwärmen entspricht, die
auch Bauman definiert:
„Du triffst dich bei einer Anti-Atom-Demo und fragst, was machst du sonst noch.
Aha! Aber mit deinem anderen Thema möchte ich nichts zu tun haben; liquid politics“ (Stefan S. 4 25-28).
Die meisten Interviewpartner/innen sind sich einig, dass die Menschen sich nur dann
engagieren, wenn sie selbst davon in irgendeiner Form einen Nutzen haben:
223
„Verflüssigung bedeutet dann, dass das Bildungsbürgertum zum Beteiligungsbürgertum verwandelt und die Leute sich sagen: Bringt mir das etwas, wenn ich da
mitmache? Oder: Ist es sinnvoll, meine Zeit so zu verwenden?“ (Stefan S. 4 3234).
Das führt zu einem weiteren von Baumans Konstrukten, den Cloakroom Communities, die offenbar in den Nachhaltigkeitsgruppen eine sehr große Rolle spielen. Denn
laut einer Interviewpartnerin kann Folgendes schon vorkommen:
„Ich habe teilweise nicht einmal meine eigenen Leute gekannt und schon gar nicht
die anderen. Also wir kannten uns nicht gut; teilweise gar nicht. Das war also anfangs nur eine spontan zusammengewürfelte Gruppe, das das Ganze auch ganz
schön schwierig gemacht hat“ (Jasmin S. 2 17-20).
Damit stellt sich weiter die Frage,
„wie ich genauer weiß, wie die ticken und genau verstehe in ihrer Kommunikation“
(Jasmin S. 2 21-22),
denn sonst wird die Arbeit sehr schwierig. Die Interviewpartnerin berichtet weiter:
„Da sind auch Leute dazugekommen, die sonst nichts mit dem Projekt zu tun hatten. Die fanden das einfach interessant und haben einen Tag lang mitgedacht. Also haben wir auf verschiedenen Wegen versucht, Leute zu rekrutieren“ (Jasmin S.
4 24-27).
Eine weitere Interviewpartnerin ist überzeugt:
„Es sind alles relativ zufällige Begegnungen; auf einer Konferenz mal oder bei einer Performance. Das ist ganz komisch. Es war oft nur einen Blick, ein Wort oder
einen Spruch und ich habe mir gedacht: Wir sollten uns mal weitersprechen. (…)
Ich habe genug solche Leute und ich finde die immer wieder. Wir treffen uns
schon“ (Paula S. 4 37-39, S. 5 29).
Die Schlussfolgerung der Interviewpartner/innen fallen dabei aber divergent aus:
„Diese Anonymität und dieser x, y, z- Modus erlaubt eine andere Form der Zusammenarbeit oder initiativ zu werden“ (Paula S. 6 17-18).
Neben dieser eher positiven Sicht der Veränderung gibt es auch die Sorge:
224
„Wie schaffe ich Verbindlichkeiten bei Heterogenität?“ (Stefan S. 2 2-3).
Denn einig ist man sich auch:
„Es gibt ja heutzutage keine Strafmöglichkeiten mehr. Wenn man heute jemanden
fragt: ‚Wo warst du den das letzte Mal?‘, fragt der: ‚Was soll das denn‘? Der Wert
dieser Art der Verbindlichkeit ist weg“ (Stefan S. 1 20-22).
Zu diesem Problem der geringen Bindungslust der Gruppenmitglieder tritt erschwerend ein Zeit- bzw. ein Koordinierungsproblem, mit dem alle zu kämpfen haben. Dieses tritt einerseits als Konkurrenzkampf zwischen mehreren Nachhaltigkeitsgruppen
,aber auch mit anderen Freizeitaktivitäten auf.
„In Berlin gibt es verschiedene wöchentliche Aktionen wie den Blue Monday oder
Green Thursday. Also es bekommt ein Termin einen Namen. Nach dem Motto:
He, Leute kommt zum Green Thursday. Dann ist das so etwas wie ein stehender
Event, wo man hinkommt und sich austauschen kann. Viele gehen da unregelmäßig hin“ (Stefan S. 2 21-24).
Für viele kommt es auch zum Konflikt zwischen dem Beruf und den Nachhaltigkeitsinteressen, wenn dann der Beruf und/oder die Familie sehr viel Zeit in Anspruch
nehmen oder
„in dem Moment, wo man berufstätig ist, eigentlich in seiner Stadt so gefangen ist
dass man nicht mehr wochenendweise durch die Gegend reisen kann und Leute
trifft“ (Heinrich S. 3 20-22).
Damit werden regelmäßige Treffen schwierig:
„Wir haben uns auch überlegt eine Art Plattform einzurichten, zu der wir uns einmal im Monat zusammenkommen. Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass
einmal im Monat zu oft ist“ (Amanda S. 3 21-22).
Was sich allerdings auch findet, sind Muster, die den Communities of Practice im
beschriebenen Sinne sehr ähnlich sind:
„Das ist dann auch fließend, ob wir jobmäßig zusammenarbeiten oder ob wir am
Wochenende einen Ausflug zusammen machen, ob wir uns gegenseitig Tennis
beibringen oder eine komische Aktion starten“ (Paula S. 3 3-5),
225
meint eine Interviewpartnerin, und eine andere ergänzt, dass nach Abschluss der
eigentlichen Arbeit die Gruppe sich wegentwickelt habe von
„von einer persönlichen, informellen Arbeitsgruppe zu einem etwas größeren
Netzwerk“ (Jasmin S. 4 16-17).
Doch auch bei solchen Aktivitäten wenden einige der Interviewpartner/innen wieder
Vorsicht an:
„(D)as haben wir sehr bewusst nicht gemacht, ist, dass wir eine Betriebs- oder
Funktionslogik angenommen haben: Dass wir alles auf die Karte “3+x“ setzen und
alle anderen Aktivitäten und beruflichen oder sozialen Kontakte nur darüber spielen“ (Paula S. 4 17-19).
226
7 Der Wunsch nach politischer Mitbestimmung als Motor
des Engagements in Nachhaltigkeitsgruppen
Nach Bauman ist keine einzelne Institution in der Lage, im Alleingang eine umfassende Lösung für die Nachhaltigkeitsprobleme der heutigen Zeit zu entwickeln. Seiner Meinung nach liegen dieser Tatsache die Phänomene der Globalisierung, Individualisierung und Deregulierung zugrunde (vgl. Bauman 1998, S. 315f). „Globalisierung vollzieht sich in Räumen, für die noch keine Strukturen der Kontrolle und Rechenschaft erfunden sind, geschweige denn solche, die den einzelnen Bürger ermächtigen“ (Dahrendorf 1998, S. 51). So kann z. B. die Wissenschaft naturwissenschaftliche Phänomene oder die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten erforschen,
ist aber nicht in der Lage, Konflikte zwischen einzelnen nachhaltigkeitsbezogenen
Zielen zu lösen, denn hierfür sind normative, politische Entscheidungen notwendig.
Der Markt ist als Mechanismus zu schwach, um etwa gesellschaftliche oder Umweltziele erfolgreich zu verfolgen. Nicht einmal gesetzliche Regelungen erhalten genug
Zustimmung, um nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, wie diverse Bürger/innenbefragungen in der jüngsten Zeit zeigen (etwa über Gemeindezusammenlegungen, Umweltzonen und ähnliches): Jede/r ist sich selbst der/die Nächste, gemeinschaftliche oder gar gesellschaftliche Interessen sind bedeutungslos.
Die Ursachen dieser Entwicklung liegen in der voranschreitenden Individualisierung,
deren Wurzeln liegen wiederum im zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehenden
Industriekapitalismus. Waren im 18. und 19. Jahrhundert die traditionellen Rechte
und Pflichten in der Tradition von Familie, Gemeinde und Glaubensgemeinschaften
verwurzelt, so verschob sich mit der zunehmenden Industriekapitalisierung diese
Tradition zu Gunsten ökonomischer Gewinnmaximierung. Die Menschen zogen sich
immer mehr in die Privatheit und aus dem bürgerlichen Engagement zurück. Der
Rückzug aus der Eigeninitiative der Bürger/innen wurde auch durch die Etablierung
des Wohlfahrtstaates unterstützt (vgl. Vorländer 2001, S. 19) – auf Wohlfahrt bestand
plötzlich Anspruch, es bedurfte nicht mehr des eigenen Engagements. Im Gefolge
dieser Entwicklungen war in den meisten europäischen indirekten Demokratien Bürger/innenbeteiligung jenseits der Wege, an Wahlen teilzunehmen oder einer politischen Partei beizutreten, wenig ausgeprägt.
227
Diese Situation hat sich jedoch in den letzten Jahren grundlegend geändert. Neue
politische Konzepte setzen auf Deregulierung. Sie fordern vom Individuum wieder
mehr an (Eigen-)Initiative und wollen den Bürger/innen eine Form der Bildung vermitteln, die das Engagement für den Staat und das Verständnis für Demokratie stärkt:
„Indem Menschen in den gesellschaftlichen Verhältnissen leben, bestimmen sie diese ja aktiv selbst mit. So kann eine gesellschaftliche-politische Teilhabe auch als
Lerngrund interpretiert werden“ (Mikula 2008, S. 70). Denn Bildung vermag einen
doppelten Beitrag für die verstärkte Wahrnehmung der Demokratie zu leisten: Einerseits soll sie dazu befähigen, „aktiv und selbstbestimmt am öffentlichen Leben teilzunehmen und Gegebenheiten kritisch zu hinterfragen“ (Editorial UNESCO 2013), anderseits sollen nach dem Wunsch der UNESCO für die Umsetzung ihrer Bildungsziele auch die so genannte Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft einbezogen werden
(vgl. UNESCO 2013). Damit sind aus gesellschaftlicher Sicht die zwei Phänomene
angesprochen, die Bauman als Deregulierung beschreibt. In einer positiven Sichtweise kann man hier sprechen von Empowerment als einer Form der intrinsischen,
nachhaltigen Bildung (vgl. 4.3) und von Governance als einer neuen, weniger hierarchischen Form des Managements von Staaten anstelle eines hoheitlichen Regierens. Grundlage für beide Phänomene ist die Bereitschaft einerseits der Regierenden, die Bevölkerung in die Führung des Staates mit einzubinden, anderseits die Bereitschaft und Fähigkeit der Bevölkerung, dies zu tun. Damit bedarf es der Partizipation als Grundlage für Empowerment und Governance.
Mit Nachhaltigkeitsgruppen sind die Begriffe der Partizipation, des Empowerment
und der Governance in mehrfacher Weise verbunden. Zum Einen sind Nachhaltigkeitsgruppen wie insbesondere die Lokale Agenda 21 Gruppen (vgl. 3.3.5.1) eine
direkte Folge von Absichten zur Stärkung der Partizipation wie der Agenda 21 und
damit auch eine unmittelbare Antwort auf Nachhaltigkeitsbemühungen. Zum Anderen
richten sich der Arbeitsinhalt von Nachhaltigkeitsgruppen bzw. ihre „Idee“ auf die
Stärkung nachhaltiger Entwicklung im weitesten Sinne, die eben Partizipation, Empowerment und Governance mit einschließt. Schließlich sollen Nachhaltigkeitsgruppen per definitionem selbst auf Nachhaltigkeit im Sinne von Dauerhaftigkeit gerichtet
sein, wozu es der Mitwirkung der Gruppenmitglieder und ihrer Fähigkeiten bedarf.
Um diese Interdependenzen besser klären zu können, werden die Begriffe der Partizipation, des Empowerment und der Governance im Nachfolgenden näher erläutert.
228
7.1 Partizipation
Der erste Schritt zur Änderung der politischen Systeme im Hinblick auf das Bedürfnis
nach aktiver Teilhabe am politischen Geschehen erfolgte mit dem Aufkommen der
Studentenbewegung und des Civil Rights Movements bzw. in den 1970ern und
1980ern mit dem Entstehen der ersten ökologisch motivierten Bürer/inneninitiativen
(vgl. Webler & Renn 1995, S. 18), die sich in gewaltigen Demonstrationen, Boykotten
oder Besetzungen artikulierten. Die öffentlichen Forderungen brachten die Regierungen dazu, Möglichkeiten zur Partizipation zu schaffen, vom besseren Zugang zu Informationen bis zur Einbindung der Bevölkerung in die (öffentliche) Entscheidungsfindung (vgl. Webler & Renn 1995, S. 19). Die in der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a), einem der auf der Umweltkonferenz von Rio 1992 verfassten Abschlussdokumente, verankerte Forderung nach Partizipation ist demnach auch eines
der wesentlichen Ergebnisse dieser Konferenz. Hier wurde erstmals erkannt, dass
eine nachhaltige Entwicklung nur mit breiter Beteiligung aller gesellschaftlichen
Gruppen erreicht werden kann. Als Form der gesellschaftlichen Kooperation ist Partizipation in den ersten Anfängen auf sehr kleine Kreise beschränkt und soll eine möglichst umfassende Mitsprache aller Bürger/innen garantieren.
Die lokale Agenda 21 versucht, diesen Ansatz auf lokaler und regionaler Ebene zu
etablieren, um gemeinsam mit der Bevölkerung einen Weg zu finden, wie sich eine
Gemeinde oder Region zukunftsfähig entwickeln kann. Bürger/innenbeteiligung auf
der lokalen Ebene kann beitragen, „to provide a healthy political life within the large
sphere
of
relative
autonomy
that
democratic
countries
will
still
posses”
(Dahl 1994, S. 33). Damit ist die Bedeutung von Nachhaltigkeitsgruppen festgelegt.
Im Nachfolgenden wird Patizipation als Grundlage des Engagements in Nachhaltigkeitsgruppen untersucht und diskutiert.
7.1.1 Formen der Partizipation
Die Literatur kennt viele Formen der Partizipation, von der einfachen Bürger/inneninformation bis hin zur Einbindung der Bürger/innen in die Entscheidungsfindung, und fast ebensoviele Klassifikationsschemata. Eine der ersten Klassifikationen stammt von Arnstein, die eine Typologie von acht Sprossen einer Leiter auf insgesamt drei Ebenen entwickelt (vgl. Abb. 10): Die unterste Ebene umfasst die Stufen
229
der Manipulation und der Therapie, die beide eigentlich mehr Bauernfängerei als
Partizipation im engeren Sinne implizieren. Auf der zweiten Ebene finden sich Alibistrategien: Information, Beratung und Beschwichtigung, die allesamt ebenfalls keine
direkte Einflussnahme ermöglichen. Erst auf der obersten Ebene werden Bürger/innen in zunehmendem Maße im Sinne einer „echten“ Partizipation in die Entscheidungsbildung eingebunden (Arnstein 1969, S. 216f).
9 Selbststeuerung
Geht über Partizipation hinaus
8 Delegieren v. Entscheidungsmacht
7 Einräumen von
Kontrollbefugnissen/
Durchführungsmacht
Partizipation
6 Kooperation
Partnerschaften
5 Gemeinsam
Beraten und Entscheiden
4 Anhören, Erörtern
Vorstufen der
Partizipation
3 Informieren
2 Anweisen: Befrieden, Erziehen, Therapieren
Nicht-Partizipation
1 Instrumentalisieren: Desinformieren, Manipulieren
Abb. 10: Leiter der Bürger/innenpartizipation (in Anlehnung an Arnstein 1969, S. 216f)
Eine ähnliche diskrete Einteilung entwickeln Bass, Dalai-Clayton und Pretty die eine
sechsstufige Typologie vorschlagen. Wiederum reichen die Möglichkeiten zur
Partizipation von „participants listening only” zu “participants being consulted” zu
“participants being involved in decision-making on the policy, strategy or its components”. Auf jeder Ebene kann sich die Partizipation auf einzelne Akteur/innen, größere Interessengruppen oder die Regierung beziehen (vgl. Bass, Dalai-Clayton, &
Pretty 1995, S. 46).
Im Gegensatz zu Arnstein entwickeln von Alemann/Strünck (vgl. von Aleman &
Strünck 1999, S. 24) dichotome Dimensionen der Partizipation. Sie definieren die
folgenden Gegensatzpaare:
230

repräsentativ vs. plebiszitär

indirekt vs. direkt/unmittelbar

parlamentarisch vs. außerparlamentarisch

verfasst/formell vs. nicht-verfasst/informell

konventionell vs. unkonventionell
Einen weiteren Schritt geht Alemann, der politische Partizipationsformen anhand der
Dimensionen direkt bzw. indirekt und verfassungsmäßig verankert bzw. nichtverankert in einen Vierfelder-Raster einteilt (von Aleman; Strünck 1999, S. 24,), vgl.
Abb. 11.
verfasst
nichtverfasst
Abb.
11:
direkt
indirekt
Volksbegehren,
Volksentscheid,
Referendum
Wahlen,
Parteimitgliedschaft,
Anhörungen, Beiräte
Protest,
BürgerInneninitiativen
Vierfelder-Raster
politischer
Verbände,
BürgerInnenforen,
Planungszellen
Partizipationsformen
(vgl.
von
Ale-
man; Strünck 1999, S. 24).
Ziel der Partizipation ist jedenfalls die Dezentralisierung staatlicher Aufgaben durch
lokale Gemeinschaften, die eine direkte Demokratie und eine stärkere politische Bildung fördern (vgl. Rieger 2004, S. 433). Grundlage für eine gemeinwohlorientierte
Politik sind daher bürgerliches Engagement und damit verbunden die Stärkung der
Zivilgesellschaft sowie die Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Bürgertugenden.
7.1.2 Zivilgesellschaft und Zivilität als Motoren der Partizipation
Wesentliche Basis hierfür ist die partizipative Demokratie, die in Österreich in vielfältigen Formen auf allen politischen Ebenen existiert - von den Gemeinden über die
Länder bis hin zum Bund. Sie alle laden die Bürger/innen zum Mitdenken und Mitre231
den ein, denn die Politik hat erkannt, dass durch Partizipation die Bedürfnisse der
Bevölkerung besser erkannt werden können und man ihnen entsprechend begegnen
kann. Gleichzeitig versucht man, die Menschen zu mobilisieren, sich für die eigene
Umgebung und Bedürfnisse einzusetzen. Für dieses Engagement für die eigene
Umwelt im weitesten Sinne hat sich der Begriff der Zivilgesellschaft etabliert.
Als Begründer der Partizipation gilt Barber, für den
„die Zivilgesellschaft, der bürgerliche Raum, (…) die Mitte zwischen Politik und
privatem Sektor (besetzt). (…) In diesem Bereich sind wir „öffentliche“ Wesen, wie
eine Regierung haben wir einen Sinn für öffentliche Aufgaben und Achtung vor der
Ausübung eines Gewaltmonopols, (…) aber anders als der Privatsektor strebt (die
Zivilgesellschaft) Gemeinsamkeit und konsensuelle (…) Handlungsweisen an. Die
Zivilgesellschaft ist somit öffentlich-politisch, ohne Zwangscharakter zu haben; sie
ist freiwillig-voluntaristisch ohne privatisiert zu sein“ (Barber 2000, S. 28).
Der Begriff der Zivilgesellschaft hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Der
dieser
Arbeit
zugrundeliegende
„enge
Begriff
von
Zivilgesellschaft“
(Kocka 2003, S. 32) beschreibt einen
„Raum gesellschaftlicher Selbstorganisation zwischen Staat, Markt und Privatsphäre, ein Bereich der Vereine, Zirkel, Netzwerke und Non-Governmental
Organizations , von denen angenommen und erwartet wird, dass er ein Raum öffentlicher Diskussion, Konflikte und Verständigung, eine Sphäre der Selbständigkeit von Individuen und Gruppen, ein Bereich der Dynamik und Innovation und ein
Ort der Anstrengung für das Gemeinwohl sein kann, so unterschiedlich dieses in
einer pluralen Gesellschaft auch verstanden wird" (Kocka 2000, S. 21).
Demnach sind Nachhaltigkeitsgruppen aller Art eindeutig Teil der Zivilgesellschaft.
Weiter versteht ähnlich wie Kocka auch Habermas unter Zivilgesellschaft
„nicht-ökonomische und nicht-staatliche Zusammenschlüsse und Assoziationen
auf freiwilliger Basis, welche die Kommunikationsstrukturen der Öffentlichkeit in
der
Gesellschaftskomponente
der
Lebenswelt
verankern“
(Haber-
mas 1992, S. 443).
Die Zivilgesellschaft besteht ihm zufolge aus mehr oder minder spontanen Vereinigungen, Organisationen und Bewegungen,
232
„welche die Resonanz, die die gesellschaftlichen Problemlagen in den privaten
Lebensbereichen finden, aufnehmen, kondensieren und laut verstärkend an die
politische Öffentlichkeit weiterleiten“ (Habermas 1992, S. 443).
Auch das trifft auf Nachhaltigkeitsgruppen eindeutig zu. Ebenso unmittelbar auf
Nachhaltigkeitsgruppen anwenden kann man Thierrys Beschreibung der „Zivilgesellschaft“ als „vorstaatliche oder vom Staat unabhängige Sphäre, in der Interaktionen in
und zwischen gesellschaftlichen Assoziationen stattfinden oder – das ist wichtig –
zumindest stattfinden können“ (Thierry 1992, S. 70).
Die Zivilgesellschaft steht also strukturell innerhalb der Gesellschaft zwischen Staat,
Wirtschaft und Privatsphäre. In dieser Auffassung lässt sich die Instititution einer
Nachhaltigkeitsgruppe problemlos im Bereich zwischen Markt und Staat integrieren.
Neben dieser institutionellen Ebene der Zivilgesellschaft wird mit dem Begriff auch
eine prozessuale Ebene erfasst (vgl. Priller 2010, S. 14): Er steht hier für eine Entwicklung der Gesellschaft, in der sich der/die Einzelne bewusst, aktiv und eigenverantwortlich für die Anliegen der Allgemeinheit einsetzt und über die eigenen Anliegen
hinausgehend in Verbindung mit Gleichgesinnten für eine gerechte Verteilung sozialer und kultureller Güter einsetzt und kämpft. Der Begrif „Zivilität“ bildet die Grundlage
für die Moralvorstellung von Initiativen selbstständig agierender Bürger/innen, die die
Akteur/innen und Promotor/innen der Zivilgesellschaft sind. Versteht man darunter
zunächst Anstand, Höflichkeit, Artigkeit (vgl. Meyer 1909, S. 967), so umfasst der
Begriff schon bald Grundwerte wie zivile Orientierung und ethische Ausrichtung, insbesondere Respekt, Gewaltfreiheit, Toleranz und Sensibilität für die Anliegen anderer (vgl. Priller 2010, S. 14). Diese Haltung ist eine Grundvoraussetzung für das Zustandekommen von Nachhaltigkeitsgruppen, in denen per definitionem engagierte
und motivierte Menschen im Sinne einer gemeinsamen Idee von Nachhaltigkeit operieren.
Ausgehend von Elias kann Zivilität als Maß für den sozialen Wandel einer Gesellschaft angesehen werden. Zivilität im gesellschaftlichen oder bürgerschaftlichen
Handeln zeugt von Mäßigung, Zurückhaltung, Rücksicht und Selbstbeherrschung in
einem friedlichen, toleranten und differenzierten Umgang miteinander (vgl. Elias
1997, S. 365f). Mitglieder einer „zivilisierten“ Gesellschaft pflegen eine in Denken und
Tun gewaltfreie Konfliktlösung und halten auch Dritte dazu an (vgl. Priller 2010, S.
233
14). All diese Elemente bilden die Grundlage für die „zivile Behandlung anderer und
Respekt vor ihren Gefühlen“ (Misztal 2001, S. 72). Allerdings scheint Zivilität innerhalb moderner Gesellschaft eher ab- als zuzunehmen:
„Dass es ohne Zivilität keine Sicherheit geben kann, keine Moral, kein Recht und
keine Politik, weiß man. Doch dieses Wissen gehört vor allem im pädagogischen
Bereich zu den ignorierten und missverstandenen Selbstverständlichkeiten“ (Reichenbach 2007, S. 327).
Auch Sennett sieht Zivilität eher negativ als
„ein Verhalten, das die Menschen voneinander schützt, ohne gleichzeitig das gemeinsame Vergnügen geteilter Gemeinsamkeit einzuschränken. Das Wesen der
Zivilität ist die Maske. Masken ermöglichen soziale Offenheit in Reinform, frei von
Macht, Gebrechen und privaten Gefühlen ihrer Träger. Das Ziel der Zivilität ist es,
andere nicht mit der eigenen Person, nicht mit den eigenen Problemen zu belasten“ (Sennett 1992, S. 264)
Löst man sich von diesen negativen Betrachtungen, so kann man durchaus Zusammenhänge zwischen Zivilität und Nachhaltigkeitsgruppen herstellen: Wenn einem
Individuum
„das
Wohl
der
ganzen
Gesellschaft
am
Herzen
liegt“
(Straus 2000, S. 230) und es seine „Vorstellung selbständig agierender Bürger mit
der Vorstellung von Eigenverantwortung der Angehörigen eines Gemeinwesens für
dessen Gestaltung" (Wendt 1998, S. 129) in einer Gruppe einbringt, so stehen die
Entwicklung und der Alltag dieser Gruppe in einem unmittelbaren Zusammenhang
mit den Entstehungsbedingungen von Zivilität und Bürgerschaftlichkeit innerhalb der
Gruppe:
„The evidence (…) is unambiguous: Civic context matters for the way institutions
work. By far the most important factor in explaining good government is the degree
to which social and political life in a region approximates the ideal of a civic community” (Putnam; Leonardi; Nanetti 1993, S. 120).
Zivilität und Zivilgesellschaft stehen daher begrifflich beide in engem Kontext zu
Nachhaltigkeitsgruppen bzw. bilden die gesellschaftspolitische Voraussetzung dafür,
dass sich Nachhaltigkeitsgruppen entwickeln und zum Wohlergehen der Gesellschaft
beitragen können.
234
7.1.3 Machtbedürfnis als Motor der Partizipation
Eines der wesentlichen Motive für Menschen, sich in Nachhaltigkeitsgruppen zu engagieren, ist (über die Teilnahme an Wahlen hinaus) das politische Geschehen insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeitsanliegen mitzubestimmen und damit ein
gewisses Maß an Macht auszuüben. Für Foucault hängen Macht und Wissen sehr
eng zusammen, es gibt keine Machtbeziehung, ohne „dass sich ein entsprechendes
Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen
voraussetzt und konstituiert“ (Foucault 1994b, S. 39). Dabei hat Macht nicht nur einen negativen, auf Unterdrückung gerichteten Beigeschmack, sondern auch einen
positiven Aspekt, weil durch Macht erst Dinge möglich werden. Je mehr Menschen
Macht ausüben, desto breiter wird das Spektrum des in eine Entscheidung einfließenden „Wissens“, also der miteinbezogenen Aspekte und Themen. Entscheidungen
finden dadurch dann nicht mehr als Auswahl zwischen zwei Extremen statt, sondern
als Auswahl aus allen zwischen den Extremen befindlichen Möglichkeiten, wobei situationsspezifische Gegebenheiten berücksichtigt werden.
Weiters unterscheidet Foucault zwischen disziplinärem und pastoralem Wissen bzw.
entsprechend disziplinärer und pastoraler Macht. Disziplinäre Macht gibt es vor allem
im Bereich der Wissenschaft bzw. in den zwischen Wissenschaftler/innen stattfindenden gleichsam „standardisierten“ Prozessen. Aus diesen ergeben sich disziplinäre Schubladen oder Klischees, anhand derer die einzelnen Individuen klassifiziert
werden („der Studierende“, „der Politiker“ etc.). Die dargestellten Rollen erfüllen von
der Umgebung erwartete Verhaltensweisen, durch die ritualhaft die Identitäten der
Teilnehmenden definiert werden (vgl. Goffman 2008) (vgl. auch 3.2.4). Disziplinäres
Lernen meint auch, dass Disziplin vermittelt wird, sich der/die Einzelne also in bestimmte Formen, Rollen oder Denkweisen pressen lässt.
Im Gegensatz dazu steht nach Foucault die „pastorale“ als seelsorgerische Macht,
die das „Selbst“ definiert als Objekt, das Wissen erwerben kann oder will, selbstbestimmt und sich selbst (weiter)entwickelt und verbessert. „In gewisser Hinsicht
kann man den modernen Staat als eine Individualisierungs-Matrix oder eine neue
Form der Pastoralmacht ansehen“ (Foucault 1994a, S. 249). Denn hier wird das Individuum nicht mehr durch den Staat diszipliniert oder Regeln unterworfen, sondern ist
aufgefordert, sich selbst zu disziplinieren. In letzter Konsequenz wollen die Regie235
rungen die Menschen dazu erziehen, sich selbst zu regieren: Macht wird mehr durch
Verführung ausgeübt denn durch Zwang (vgl. Edwards 1997, S. 9). Hier findet sich
eine interessante Parallele zu Nachhaltigkeitsgruppen, denn auch diese lassen sich
nicht durch Regulative steuern, sondern durch eine Strategie des „Brot und Spiele“
(vgl. 8.5).
7.2 Empowerment
Empowerment bezieht sich auf den Prozess bzw. den darauf folgenden Zustand, in
dem Individuen oder Gruppen für sich selbst ein Machtpotential entdecken und einfordern (vgl. Zimmerman; Rappaport 1988). Obwohl sich Chamberlin in ihrer „working definition of empowerment“ in erster Linie auf Menschen mit psychischen Störungen bezieht, konstatiert sie selbst essentielle Parallelen zu "oppressed and
disadvantaged people, including racial and ethnic minorities, women, gays and
lesbians, and people with disabilities” (Chamberlin 1997, S. 44ff), mithin genau zu
jenen, denen sich die Aktivitäten von Nachhaltigkeitsgruppen widmen.
Gemäß der eben zitierten working definition von Chamberlin gehört es zum Empowerment (Chamberlin 1997, S. 44ff), über Entscheidungsmacht zu verfügen, da niemand sich dauerhaft für irgendwelche Anliegen engagieren kann, ohne in Bezug
darauf wichtige Entscheidungen selbst zu treffen. Weiter erfordert Empowerment Zugang zu Informationen und Ressourcen, um die verschiedenen Konsequenzen alternativer Handlungsmöglichkeiten abschätzen zu können. Echtes Empowerment beruht auch darauf, dass das Individuum ein breites Spektrum an Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung hat und nicht nur aus ein oder zwei vorausgewählten Alternativen
die Wahl treffen kann. Schließlich muss Durchsetzungsvermögen erlernt und trainiert
werden, um zu den eigenen Visionen zu stehen und für sich selbst einzustehen. Neben dem Durchsetzungsvermögen müssen auch andere Kompetenzen erlernt werden, etwa kritisches Denken, sachlicher Umgang mit Emotionen, Beachten von
Rechten und Pflichten und die Tatsache, dass der eigene, individuelle Einsatz eine
Veränderung bewirken kann und dass auch andere überzeugt werden müssen, dass
die eigenen Handlungen etwas bewirken können. Schließlich muss das Individuum
lernen den Rückhalt der Gruppe zu akzeptieren. Auch wenn Wir- Gefühl in Gruppen
der modernen Gesellschaft kaum oder selten existent ist, kann man doch versuchen,
236
es zu stärken oder zu trainieren oder zumindest Personen, die ein bestimmtes Anliegen haben, das Gefühl vermitteln, dass sie in der Nachhaltigkeitsgruppe gut aufgehoben sind. Zusammenfassend müssen Fähigkeiten erlernt und trainiert werden, die
man selbst für wichtig hält und die andere in Bezug auf die aktive Teilhabe am öffentlichen Leben für wichtig halten, um so die Barrieren des Nicht-Könnens (vgl. 8.5) zu
überwinden (vgl. Gaye & Diallo 1997, S. 12).
Betrachtet man diese Elemente genauer, so zeigt sich Empowerment im engsten
Sinne als Fähigkeit, Macht auszuüben (vgl. Friedmann 1996, S. 164), während im
weiteren Sinne die Voraussetzungen dafür genannt werden: Zurverfügungstellen von
Information und Ressourcen sowie die Bereitstellung von Wahlmöglichkeiten. Im weitesten Sinne zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen Empowerment und lebensbegleitendem Lernen, da für die Ausübung von Macht eine Vielzahl von Fähigkeiten und Kompetenzen erlernt und trainiert werden müssen (vgl. Friedmann 1996,
S. 164). Überträgt man diese Punkte auf Nachhaltigkeitsgruppen, so zeigt sich, dass
sie alle zu den wesentlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen und Florieren von Nachhaltigkeitsgruppen gehören.
Folgt man Chamberlins Argumentation weiter, so kann man schließen, dass ähnlich
wie Nachhaltigkeit auch Empowerment ein iterativer, sich selbst entwickelnder und
verstärkender Prozess ist und sich nicht auf einen Endzustand des „VollkommenEmpowered-Seins“ bezieht:
„Effecting change in one’s life and one’s community, empowerment is about more
than a “feeling” or a “sense;” we see such feelings as precursors to action. When a
person brings about actual change, he or she increases feelings of mastery and
control. This, in turn, leads to further and more effective change. Again we emphasize that this is not merely personal change, but has a group dimension” (Chamberlin 1997, S. 45f).
Damit ist eine eindeutige Verbindung zwischen nachhaltiger Entwicklung und dynamischer Stabilität auf der einen Seite und zwischen Partizipation und Empowerment
auf der anderen Seite hergestellt, der weit über die Forderungen der Agenda 21 (vgl.
United Nations 1992a, Kapitel 3, Präambel) hinausgeht (vgl. Buckland 1998, S. 237).
Nachhaltigkeitsgruppen bewegen sich in diesem Spannungsfeld, wobei Probleme im
Hinblick auf die Partizipationsbereitschaft der Mitglieder insbesondere dann auftreten
237
können, wenn Individuen sich aus rationalem Eigeninteresse an einer Issue-Gruppe
beteiligen und sich und ihre Leistung einbringen und Trittbrettfahrer dieselben Nutzen
aus den Aktivitäten der aktiv Mitarbeitenden ziehen wie diese selbst (vgl. Olson 1965).
7.3 Governance
Partizipation und Empowerment sind die Voraussetzungen dafür, dass in der flüssigen Moderne der Staat sich zunehmend von seiner Rolle als Wohlfahrtsstaat zurückziehen kann (vgl. 6): Außer dem Markt überlässt der Staat die Entscheidungs- und
Leistungskompetenz vor allem der gesellschaftlichen Selbststeuerung. Ziel ist das
„Management von Interdependenzen“ (Benz 2004, S. 17). Der Staat wandelt sich
von einem direkten in einen kooperativen Akteur, indem er seinen Schwerpunkt auf
Kooperation mit Akteur/innen aus der Gesellschaft legt und sich auf die Rolle eines
Koordination leistenden Partners beschränkt. Willke spricht in diesem Zusammenhang von einer „dezentralisierten Gesellschaftssteuerung“ (Willke 1987, S. 3f). Dieser Wandel des Staats- und Verwaltungsverständnisses wird in der wissenschaftlichen und praktischen Diskussion mit dem Begriff „Governance“ bezeichnet.
„Governance bezeichnet eine veränderte Sichtweise des Regierens, der Strukturen und Prozesse des ‚Politikmachens’, der Politikformulierung und -umsetzung.
Neue Formen der Kooperation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, der horizontalen Koordination und Integration, von Vertrauen und Legitimität
geraten zunehmend in das Aufmerksamkeitsfeld der Forschung und gelten als
Chance
für
die
Gewinnung
politischer
Gestaltungsspielräume“
(Jann; Wegrich 2004, S. 196).
Governance zeigt sich in „netzwerkartige(n) Strukturen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure“ (Benz 2004, S. 18), in denen diese als gleichberechtigte
Partner/innen gesellschaftliche Steuerungsleistungen erbringen. Partizipation als
Versuch einer Bürger/innengesellschaft, möglichst viele Bürger/innen an politischen
Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen, und Empowerment durch den „aktivierenden Staat“ als Förderung der Selbstkompetenz der Bürger/innen durch den Staat
drängen sich als stehende Begriffe auf: “Der aktivierende Staat ist der Staat, der die
Bürgerinnen und Bürger dazu bringt teilzuhaben. Wer zu schwach ist, von den Mög238
lichkeiten zur Partizipation Gebrauch zu machen, der oder die wird aktiviert“
(Baer 2002, S. 170).
Governance unterstützt Kommunen und Regionen in ihrem globalen Wettbewerb,
indem sie durch die politisch-strategischen Steuerung einen Schwerpunkt auf die
Partizipation der Bürger/innen legt. Governance verringert somit die Relevanz hierarchischer Strukturen und fördert die Dezentralisierung. „Vor diesem Hintergrund könnte und sollte sich staatliche Politik (auch und gerade innerhalb der Konzeption eines
aktivierenden Staates) darauf richten und darauf beschränken, die ’Gelegenheitsstrukturen’ für eine intensivere Ausschöpfung des politisch-gesellschaftlichen Teilhabe-,
Mitwirkungs-
und
Gestaltungspotenzials
zu
verstärken“
(Woll-
mann 2002, S. 111).
Einen wesentlichen Beitrag für das Gelingen einer partizipativen und auf Empowerment gerichteten Zusammenarbeit leistet ein funktionierender und regelmäßiger Informationsaustausch zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft während der Vorbereitung und Umsetzung politischer Entscheidungen (vgl. Bang & Sorensen 1998, S.
25).
„Governance supplies that private actors are involved in decision-making in order
to provide common goods and that nonhierarchical means of guidance are employed. (…) Where there is governance, private actors may be independently engaged in self-regulation, or a regulatory task may have been delegated to them by
a public authority, or they may be regulating jointly with a public actor. The interaction may occur across levels (vertically) or across arenas (horizontally)” (WindhoffHeritier; Heritier 2002, S. 3).
7.4 Empirische Befunde aus den Bereichen Partizipation, Empowerment, Governance
Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführte Untersuchung ergab wenige
Hinweise auf Partizipation, Governance und Empowerment, denn die Interviewpartner/innen machten eigentlich wenige Aussagen oder konkreten Angaben zum Stellenwert ihres Handelns im politischen Gefüge. Insbesondere „Macht“ oder die vielzitierten „die da oben“ war für die Interviewpartner/innen kaum ein Thema.
239
Die beiden Interviewpartnerinnen, die sich (auch) innerhalb von Parteien betätigen
(Anna, Amanda), sprachen über Machtbedürfnisse der Handelnden innerhalb der
Partei bzw. ihrer jeweiligen Gruppe, doch hat dies nur bedingt mit Partizipation im
staatlichen Gefüge zu tun. Eine dritte Interviewpartnerin (Jasmin) kooperierte mit
dem Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, und sie stellte fest, dass der Erfolg
ihrer Nachhaltigkeitsgruppe massiv vom Interesse und Engagement ihrer Ansprechpartnerin bei diesem Gremium abhing. Ähnliche Befunde waren überall dort zu finden, wo Nachhaltigkeitsgruppen sich nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Impuls
von NGOs oder öffentlicher Verwaltung initiiert hatten, etwa bei der Ashoka Initiative
zur Förderung politischen Engagements von Jugendlichen (Amanda).
Diese Ashoka Initiative war im Übrigen auch eine der Initiativen, die im Rahmen der
empirischen Untersuchung identifiziert werden konnten, die konkret das Empowerment einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zum Ziel hatten. Zu diesen Initiativen
gehört auch das Projekt zur Diversität im Berliner Stadtteil Marzahn (Stefan), das das
Ziel hatte, eine nachhaltige Lebensweise in diesem von starker ethnischer Durchmischung gekennzeichneten Bezirk zu verankern. Auch das (gescheiterte) Projekt von
Studierenden
zur
Vermittlung
eines
besseren
Umgangs
mit
Energie
in
Migrant/innenhaushalten (Roman) ließe sich in diese Kategorie einordnen. Ansonsten könnten die verschiedenen studentischen Vortragsreihenprojekte eventuell noch
als Empowerment durchgehen, wenn man davon absieht, dass hier keine benachteiligte Gruppe Zielgruppe der Aktion war.
Versucht man eine Einordnung in das Vierfelder-Raster von Alemann und Strünck
(vgl. 7.1.1), so zeigt sich, dass die meisten der im Rahmen dieser Arbeit erfassten
Nachhaltigkeitsgruppen zu den nicht-verfassten, indirekten Aktivitäten zählen. Denn
weder wurden (verfasste) Bürger/inneninitiativen erfasst, noch eine große Anzahl an
formalen Aktivitäten, etwa im Rahmen von Parteien. Es handelte sich in den meisten
Fällen um das Selbst-Engagement und die Eigeninitiative von Bürger/innen.
In allen hier identifizierten Nachhaltigkeitsgruppen war daher auch die pastorale
Macht des Staates zu finden, der froh darüber ist, wenn seine Bürger/innen Probleme selbst in die Hand nehem und eigenverantwortlich Aktionen setzen, um mit diesen Problemen umzugehen.
240
8 Individuelle
Gründe
für
das
Engagement
in
Nachhaltigkeitsgruppen
Neben den gesellschaftlich motivierten gibt es viele individuelle Gründe für Menschen, sich in Nachhaltigkeitsgruppen zu engagieren. Individuelle und gesellschaftliche Beweggründe hängen dabei eng zusammen. Insbesondere fungieren Werte als
Brücke zwischen gesellschaftsbezogenem und individuellem Handeln, da sie einerseits gesellschaftlich geprägt sind, aber anderseits die Grundlage des individuellen
Handelns bilden: Werte ebenso wie Einstellungen und Meinungen sind persönliche
Eigenschaften von Menschen. Sie dienen „als das entscheidende Fundament für das
sinnvoll koordinierte, aufeinander abgestimmte und wechselseitig berechenbare soziale Handeln“ (Hillmann 1986, S. 55). Dies allerdings bedingt, dass der Wertbegriff
normativen Charakter hat und Werte im Alltag als allgemein verbindlich und damit als
Maßstab für das Handeln gesehen werden. Dieser objektivierte Wertbegriff dient
dann als „Kriterium zur Auswahl der Objekte, die wir anstreben sollen“
(Lautmann 1969, S. 105).
Werte, Einstellungen und Meinungen hängen voneinander in hierarchischer Weise
ab und werden über unterschiedlich lange Zeitdauern hinweg konstant gehalten:
Werte leiten das Handeln des Individuums, sie schlagen sich in der Idee der Nachhaltigkeitsgruppe nieder und bilden die Grundlage für die Herausbildung von Einstellungen der Personen, die sich (potentiell oder auch tatsächlich) in der Nachhaltigkeitsgruppe engagieren. Diese Einstellungen bilden ihrerseits wiederum die Basis für
sich relativ rasch ändernde Meinungen. Während Werte stabil sind und sich oft nur
über Generationen verändern (vgl. Inglehart 1971), verändern sich Einstellungen innerhalb kürzerer Frist. Am instabilsten sind Meinungen, weil sie oft spontane, emotionale und unreflektierte Äußerungen und damit auch situationsbedingt sind (vgl.
Kmieciak 1976, S. 187). Die Einstellungen sind aber die Motoren („Motivatoren“) des
Handelns. Sie sind eine Art Brücke oder Bindeglied zwischen kulturell bedingten und
sich wandelnden Werten einerseits und der persönlichen Handlungsmotivation andererseits. Letzteres spiegelt sich oft in der Bereitschaft, sich für eine bestimmte Sache
im Rahmen einer Issuegroup zu engagieren.
241
Zusammen bilden Werte, Einstellungen und Meinungen das Grundgerüst für das soziale Handeln der Menschen, wobei die Werte meist in einer Hierarchie zueinander
stehen. Im Nachfolgenden werden Werte, Einstellungen und (soziales) Handeln auf
ihre Relevanz für die Gestaltung von Nachhaltigkeitsgruppen untersucht. Dabei wird
immer wieder auf das eigentlich soziologisch begründete Konstrukt der Normen zurückgegriffen, das persönlichen Werten, Einstellungen und Meinungen zugrunde
liegt.
8.1 Werte als Ausgangspunkt für das Engagement
Die Definitionen des Begriffes „Wert“ und die Bezüge zu verwandten Begriffen sind
vielfältig. Kluckhohn definiert einen Wert als „eine Vorstellung des Wünschbaren, die
die Wahl verfügbarer Formen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflusst“ (vgl. Kluckhohn 1951, S. 395). Werte geben für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft
Ziele vor. Diese Wertorientierungen wirken als Regulativ und als Richtschnur für
Verhaltens- und Orientierungsmuster des eigenen und gesellschaftlichen Handelns.
Trivial unterscheidet man z. B. moralische Werte wie Gerechtigkeit, religiöse Werte
wie Frömmigkeit, politische Werte wie Freiheit, theoretische Werte wie Wahrheit, soziale Werte wie Liebe oder materielle Werte wie Besitz.
Im Gegensatz zu Einstellungen oder gar Meinungen haben Werte einen hohen Abstraktionsgrad. Sie beschreiben kein konkretes Verhalten in bestimmten Situationen,
sondern allgemeine Verhaltensweisen und Idealzustände und stellen letztlich ein
„kulturelles Strukturmerkmal” dar (Maletzke 1996, S. 80). Betrachtet man in der Folge
Werte als eher „abstrakte Ideale“, die sich nicht auf soziale Objekte, sondern auf
Handlungen und Zustände beziehen (vgl. Goncarova 2003, S. 70), erhält man eine
handlungsorientierte Komponente, durch die „Handlungen und Urteile beeinflusst
(werden),
und
zwar
über
spezifische
Objekte
und
Situationen
hinaus”
(Rokeach 1973, S. 160). Diese handlungsorientierte Komponente spiegelt sich
letzlich auch in den Einstellungen des Individuums. Im Gegensatz zu sozialen Normen, die ein bestimmtes Verhalten in konkreten Situationen vorschreiben und daher
allgemein akzeptiert werden (vgl. Rokeach 1973, S. 19), sind Werte jedoch persönlicher Natur.
242
Denn ein handelndes Subjekt muss in der Lage sein, aus individuellen Handlungsoptionen die für es passende auszuwählen und Entscheidungen zu treffen, denen Prioritäten zugewiesen werden müssen. Parsons und Shils betonen die Wichtigkeit von
Entscheidungen innerhalb der persönlichen Wertestruktur und sehen diese als "a
primacy to one alternative over the other in a particular type of situation“ (Parsons; Shils 1962, S. 78). Um daher eine Handlung zu setzen oder ein Ziel zu verfolgen (vgl. Kluckhohn & Strodtbeck 1973; vgl Kluckhohn 1951, S. 396), bedarf es einer
nach Prioritäten gereihten Rangordnung von Werten: eines Wertesystems (vgl.
Rokeach 1973, S. 5ff; Schwartz & Bilsky 1987, S. 551). Liegt ein solches nicht vor,
werden Entscheidungen nicht oder nur fehlerhaft, ohne erkennbares Muster und
nicht nachvollziehbar getroffen (vgl. Eckstein 1988, S. 790). Schließlich sind Werte
auch als eine Art von Filtern zu sehen, mithilfe derer wir unser Verhalten organisieren, weil sie uns helfen die Außenwelt zu vereinfachen. Eine Veränderung der Filter
kann zu einer Veränderung unserer subjektiven Welt führen, wie sie sich im Wertwandel widerspiegelt (vgl. Herdin 2005), vgl. dazu auch 9.1.
Diese konstruktivistische Sicht spiegelt sich auch in Meads Überlegungen zur reflexiven Intelligenz: Die Entscheidungsfähigkeit innerhalb eines hierarchisch strukturierten Wertesystems ist demnach ein wesentlicher Teil der kulturellen Identität. „Reflexive Intelligenz“ (Mead 2008, S. 131) des sozial handelnden Subjekts ist die Voraussetzung dafür, Werte, Normen und Regeln einer Gruppe zu beurteilen, diese nach
eigenen Prioritäten auszuwählen und zu vertreten.
„Die Organisation der Identität ist einfach die Organisation einer Reihe von Haltungen des individuellen Organismus gegenüber seiner gesellschaftlichen Umwelt
– und gegenüber sich selbst aus der Sicht dieser Umwelt oder als einem funktionierenden Element im gesellschaftlichen Erfahrungs- und Verhaltensprozess, der
diese Umwelt ausmacht“ (Mead 2008, S. 131).
Die Fähigkeit, individuelle Werte aus einem hierarchisch strukturierten System auszuwählen, beschreibt aber auch die Entwicklung persönlicher Identität. Hier ergibt
sich ein Anknüpfungspunkt zur Integration der flüssigen Moderne nach Bauman:
Denn in der flüssigen Moderne hat die persönliche Identität mehr Gewicht, da es eine
„differentiated plurality of values, norms, interests, goals and membership“ (Parsons; Platt 1973, S. 171) gibt, die eine Entscheidung nach persönlichen Einstellun243
gen und Bedürfnissen erfordert „so that the personality is not torn by irresolvable
conflicts“ (Parsons; Platt 1973, S. 171). Die flüssige Moderne ist hier ein geeignetes
Konstrukt der Erklärung, dass Menschen ihre Meinung, ihre Interessen und ihre Loyalitäten ständig ändern und damit auch die Mitgliedschaft in Gruppierungen aller Art
(inklusive der Nachhaltigkeitsgruppen) nicht permanent zu sehen ist.
8.2 Einstellungen als Determinanten des Engagements
Mithilfe unseres Wertsystems bewerten wir in unserem täglichen Leben permanent
verschiedene Objekte. Das können dingliche Gegenstände wie eine bestimmte Person oder eine Automarke sein, aber auch abstrakte Dinge wie Faschismus oder eben
Nachhaltigkeit können im Zentrum unserer Bewertungen stehen. Einstellungen strukturieren die Umwelt und lenken unser Handeln, richten es auf Ziele und den Erwerb
von Belohnungen bzw. die Abwehr von negativen Sanktionen aus (vgl. Bohner 2002,
S. 267ff).
Eine einheitliche Definition der Einstellung ist schwer möglich, da der Begriff von verschiedenen Autor/innen unterschiedlich belegt worden ist. Eine der ältesten Definitionen von Einstellungen liefert Allport. Ihm zufolge ist eine Einstellung
„ein mentaler und neuraler Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung strukturiert ist und einen steuernden oder dynamischen Einfluss auf die Reaktionen eines
Individuums gegenüber allen Objekten und Situationen hat, mit denen dieses Individuum eine Beziehung eingeht“ (Allport 1935, S. 810).
Ähnlich abstrakt bezeichnet Bem Einstellungen als Selbstbeschreibung der Affinitäten und Aversionen eines Individuums gegenüber einigen identifizierbaren Aspekten
seiner Umwelt (vgl. Bem 1974, S. 25). Auch Campell beschreibt die soziale Einstellung eines Individuums als „Syndrom der Reaktionskonsistenz“ gegenüber sozialen
Objekten (vgl. Campbell 1950, S. 31).
Sucht man nach konkreteren Ansatzpunkten, so kann man als Einstellung eine psychische Tendenz bezeichnen, "die dadurch zum Ausdruck kommt, dass man ein bestimmtes Objekt mit einem gewissen Grad von Zuneigung oder Ablehnung bewertet"
(Eagly; Chaiken 1993, S. 1). Ähnliche und zum Teil nicht überschneidungsfreie Konstrukte sind Selbstwertgefühle oder Vorurteile (vgl. Smith & Mackie 2000, S. 247).
Der Begriff „Einstellung“ stammt aus der Sozialpsychologie und muss von Konstruk244
ten wie Bedürfnis oder Motiv ebenso abgegrenzt werden wie von Persönlichkeitsmerkmalen und dem ebenfalls sozialpsychologischen Konstrukt der Werte (vgl.
Kluckhohn 1951, S. 388), vgl. 8.1. Doch im Gegensatz zu Werten, die ein Idealziel
anstreben,
„situationsübergreifend“
und
„objektunspezifisch“
sind
(Kmieciak 1976, S. 150), haben Einstellungen keinen so hohen Abstraktionsgrad,
sondern verfolgen unmittelbare und konkrete Ziele und sind „situations- und objektbezogen“ (Kmieciak 1976, S. 152).
Aus pädagogischer Sicht bedeutsam ist, dass Einstellungen nicht angeboren sind,
sondern erlernt werden: Eine Person hat direkten Kontakt mit Objekten und Situationen in ihrer Umgebung oder nimmt Werturteile anderer Menschen an. Daraus entwickelt sie Präferenzen und Aversionen. Sobald die Präferenzen und Aversionen fixiert
und somit neue Schemata festgelegt sind, sind Einstellungen entstanden. Diese umfassen „die summarische Gesamtbewertung einer Person, einer sozialen Gruppe,
eines Objektes, einer Situation oder einer Idee“ (Ajzen 2001, S. 27ff). Sherif & Sherif
sehen Einstellungen als Menge derjenigen Kategorien, die ein Individuum zur Bewertung einer bestimmten Art sozialer Reize verwendet. Ihnen zufolge können sich Einstellungen auf Objekte, Personen, Werte, Gruppen oder Ideen beziehen. Das Individuum lernt Einstellungen, indem es entsprechende Erfahrungen mit bestimmten
Klassen von Reizen macht und für bestimmte Untermengen dieser Klassen unterschiedliche positive oder negative affektive Beziehungen entwickelt (vgl. Sherif &
Sherif 1969, S. 11). Einstellung ist folglich ein
„seelischer und nervlicher Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung organisiert einen richtenden oder dynamischen Einfluss auf die Reaktionen des Individuums gegenüber allen Situationen und Objekten ausübt, mit denen es verbunden
ist“ (Allport 1935, S. 810).
Daher ist unter einer Einstellung eine gelernte und relativ dauerhafte Bereitschaft zu
verstehen, gegenüber einem Einstellungsobjekt (einer Person, Situation oder einem
Gegenstand) konstant positiv oder negativ zu reagieren (vgl. Fishbein 1965, S. 107;
Hammann & Erichson 2000, S. 335).
Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der Einstellung führt zu ein-,
zwei- und dreidimensionalen Definitionsansätzen. Fishbein und Ajzen sehen Einstellungen eindimensional als „Ausmaß des Affektes für oder gegen ein Objekt“
245
(Fishbein; Ajzen 1975, S. 11), Bohner und Wänke als „a summary evaluation of an
object of thought“ (Bohner; Wänke 2002, S. 5). Zweidimensionale Definitionen sehen
Einstellungen
„als komplexes Konstrukt, das aus einer kognitiven und affektiven Komponente
zusammengesetzt ist. Von diesen Komponenten wird angenommen, dass sie in
gleicher Weise für Verhaltensintentionen oder tatsächliches Verhalten verantwortlich sind“ (Bagozzi; Burnkrant 1978, S. 296).
Die kognitive Komponente beinhaltet Denkprozesse wie persönliche Überzeugungen, Meinungen, Vorstellungen. Die affektive Komponente beschreibt Gefühle und
Bewertungen wie Zustimmung/Ablehnung oder positives/negatives Empfinden gegenüber einem Objekt oder Subjekt. Einstellungen haben damit engen Bezug zu sozialen Werten und Normen: Denn Individuen formen ihre Einstellungen oftmals im
Zusammenhang mit den Werten und Normen der Gruppe aus, der sie angehören
oder angehören möchten (vgl. Stroebe 1980, S. 142). Der motivationale Aspekt von
Einstellungen findet seinen Ausdruck in der instrumentellen oder AnpassungsFunktion (vgl. Smith & Mackie 2000, S. 250ff). Einstellungen übernehmen die Aufgabe, die Erreichung von wünschenswerten Zielen voranzutreiben und das Eintreten
unerwünschter Ergebnisse (etwa Bestrafung) hintanzuhalten.
Neben kognitiven und affektiven umfasst das Dreikomponentenmodell der Einstellung schließlich auch konative Komponenten. Menschen haben eine relativ stabile
Tendenz, auf bestimmte Einstellungsobjekte mit bestimmten Verhaltensweisen zu
reagieren (vgl. Eagly & Chaiken 1993, S. 10). Der konative oder behaviorale Aspekt
des Drei-Komponenten-Modells der Einstellung bezieht sich auf das Verhalten des
Menschen gegenüber dem Einstellungsobjekt mit der Absicht der Unsicherheitsreduktion im Hinblick auf Wohlbefinden bzw. Unwohlsein. Diese Einstellungen sind
oftmals bewusst und daher explizit, oft aber auch mit vorgefassten Meinungen und
oft unbewussten Gefühlen verbunden, daher implizit, und damit Auslöser von Vorurteilen (vgl. Katz; Stotland 1959; Rosenberg; Hovland 1960).
Urteile auf mehreren Bewertungsdimensionen machen daher die Wissens- oder
Ökonmoniefunktion von Einstellungen aus (vgl. Smith & Mackie 2000, S. 250ff). In
der Regel sind Einstellungen daher durch die beiden Pole negativ-positiv gekennzeichnet. Diese Bewertungen sind das Resultat subjektiver Bewertungsprozesse
246
(vgl. Dawes et al. 1980). So helfen Einstellungen Menschen bei der Orientierung,
indem neue Informationen nicht permanent komplett neu bewertet werden müssen,
sondern die Bewertung anhand vorhandener Schemata (eben der Einstellungen)
vorgenommen werden kann. Die hier stattfindenden Lernvorgänge sind also
assimilativer Natur. Kössler fasst dies zusammen, indem er meint, „,Bildung bewirke
Identität“ (Kössler 1989, S. 56), denn durch sie werde ein System gesellschaftlich
wünschenswerter Einstellungen mittels Vermittlung und Erwerb von Wissen dadurch
erzeugt, dass Menschen im Kontext ihrer biographisch-gesellschaftlichen Welt (vgl.
dazu auch Mikula 2009) eine Auswahl treffen, diese bewerten und auf dieser Basis
ihre persönliche (Ein-)Stellung definieren.
Dies ist auch Teil der Wertausdrucksfunktion von Einstellungen (vgl. Smith & Mackie
2000, S. 250): Das Individuum lernt, seine soziale Identität zu finden und festzulegen. Indem es eine bestimmte Einstellung entwickelt und nach außen demonstriert,
ordnet es sich einer bestimmten Gruppe zu und distanziert sich zugleich von anderen. Dadurch wird die eigene soziale Identität gefördert als Möglichkeit, „sich anzupassen, sein Selbst zu bewahren, die eigenen Wertvorstellungen zu verwirklichen
und seine Umwelt zu verstehen“ (Triandis 1975, S. 35). Menschen entwickeln in ihren Einstellungen ein Persönlichkeitsprofil bzw. Lebens- und Handlungsorientierung,
die in ihrer Alltagswelt direkten Einfluss auf das soziale Handeln haben und in der
Folge stabilisierend auf das gesellschaftliche Leben wirken (vgl. Krech, Crutchfield, &
Ballachev 1962, S. 137). Einstellungen können diesen Überlegungen zufolge als eine
Art Prädiktor für soziales Handeln gesehen werden (vgl. Benninghaus 1973, S. 671;
Cohen 1966, S. 60; Wicker 1969, S. 135, 161).
Die Funktion der Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls schließlich betrifft in Anlehnung an Freud den Abwehrmechanismus der Projektion: Man schreibt dabei einem oder mehreren anderen Eigenschaften zu, die man selbst als verachtenswert
oder zumindest nicht als wünschenswert betrachtet, um sich selbst überlegen fühlen
zu können (vgl. Bierhoff 2006, S. 335).
Zumindest einige der eben beschriebenen Funktionen treiben auch die Mitgliedschaft
in einer Nachhaltigkeitsgruppe: Die Einstellung gegenüber der Nachhaltigkeitsgruppe
hilft dem Individuum Identität zu erhalten. Die Idee der Nachhaltigkeitsgruppe (eben
die Nachhaltigkeit) übernimmt dabei die Wertfunktion und auch die Funktion, das
247
Handeln auf wünschenswerte Ziele auszurichten. Allerdings wird die grundsätzlich
positive Beziehung, die im Rahmen des so genannten Konsistenztheorems zwischen
Einstellung und Handeln gesehen wird, durchaus auch kritisch wahrgenommen (vgl.
Opp 2002; Schnell; Hill; Esser 2005).
Man muss sich aber bewusst sein, dass Einstellungen zwar mittelfristig fixiert sind,
aber weder absolut, noch permanent sein müssen, sondern sich im Zeitablauf sehr
wohl verändern können. Denn bei den Einstellungen handelt es sich um ein dynamisches Konzept: Sie verändern sich durch den Umgang mit einem Einstellungsgegenstand ebenso wie durch die Interaktion mit der Umwelt (vgl. Kelman 1980).In jedem
Fall beeinflussen die Werte das so genannte soziale Handeln.
8.3 Soziales Handeln
Die Diskussion von Werten und Einstellungen ist im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsgruppen wesentlich, da diese beiden Konstrukte die Basis für das Handeln der
Individuen im Gruppenkontext bilden, jeweils aber nicht mit dem Handeln selbst
gleichzusetzen sind. Für eine tiefer gehende Betrachtung des Begriffes „soziales
Handeln“ bedarf es einer Abgrenzung und gleichzeitig einer Beschreibung der Beziehung „sozialen Handelns“ zu anderen Begriffen wie Tun, Verhalten, Handeln oder
sozialer Beziehung (vgl. Abb. 12).
Beziehung
Soziales Handeln
+ dauerhafter gegenseitiger
Sinngehalt
Handeln
+ soziale Interaktion
Verhalten
+ subjektive Sinnzuschreibung
Abb. 12: Verhältnis der Begrifflichkeiten Verhalten, Handeln, Beziehung
Die Vorstufe des Handelns ist das Verhalten. Es spielt in der naturwissenschaftlich
orientierten Psycholgie eine wesentliche Rolle: „Verhalten meint die von außen beobachtbaren Aktivitäten organismischer Individuen in seiner gesetzmäßigen Abhängigkeit von (ebenfalls von außen angebbaren) Umweltbedingungen“ (Faulstich; Ludwig 2008, S. 17ff). Für Lewin ist das Verhalten direkte Resultierende aus
248
dem Zusammenspiel eines Individuums und der Umwelt, in der es sich befindet (vgl.
Lewin 2007, S. 79). Das Individuum verbindet im Rahmen seines Verhaltens mit seinem Tun keinen subjektiv gemeinten Sinn: Das Verhalten kann einem Reflex oder
einer Reaktion entspringen (vgl. Ondracek 2006, S. 20).
Das Verhalten bildet die Grundlage des Handelns, das als „Zentralkonzept der ‚Subjektwissenschaft‘“ angesehen werden kann (Faulstich; Ludwig 2008, S. 17ff), wobei
die Abgrenzung „sinnhaften Handelns gegen ein bloß reaktives, mit einem subjektiv
gemeinten Sinn nicht verbundenes Sichverhalten (…) durchaus flüssig (ist)" (Weber 1972, S. 2). Weber beschreibt „Handeln“ als „ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden)“ (Weber 1972, S. 1),
mit dem der oder die Handelnden einen subjektiven Sinn verbinden. Im Gegensatz
zum objektiven Sinn, der eine allgemeine Akzeptanz erfährt, unterliegt die Beurteilung des subjektiven Sinns der subjektiven Beurteilung des oder der jeweilig Handelnden. Allerdings ist dieser subjektive Sinn dem/der Handelnden oft nicht bewusst,
was die eingangs erwähnten Probleme der Abggrenzung zum bloßen Verhalten hervorruft.
Handeln lässt sich weiterhin beschreiben als ein Tun, bei dem der/die Handelnde
eine sinnvolle Beziehung vom Jetzt zu einem späteren Zustand setzt, und als „tätiges
Verhalten von Menschen, das sich auf Objekte richtet“ (Bahrdt 1997, S. 31). Ein Mitglied in einer Nachhaltigkeitsgruppe richtet absichtlich sein Interesse etwa auf Aktionen, die zur Verminderung der Feinstaubbelastung führen sollen.
Das Handeln der Menschen resultiert aus der Tatsache, dass es für Menschen immer Spielräume gibt, innerhalb derer sich ihre Aktionen bewegen können, denn im
Gegensatz zu Tieren interpretieren und konstruieren Menschen ihre Welt (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 18).
„Handeln im Vollsinn des Begriffs ist demnach die Lebenstätigkeit des Menschen,
soweit er sich bewusst, ‚intentional‘ geplant o.ä., d.h. subjekthaft-aktiv auf ein Ziel
bezieht, dabei ‚frei‘ und ‚begründet‘ sich für sein Tun und Lassen entscheidet, also
auch für dessen Resultate und Konsequenzen verantwortlich ist. Damit ist nicht
gemeint, dass jedes empirisch vorfindbare Handeln ‚durch und durch‘ frei, begründet, damit ‚rational‘ etc. ist, sondern dass allein auf menschliches Handeln die
249
Frage nach dessen Begründetheit, Verantwortlichkeit etc. sinnvoll beziehbar ist“
(Holzkamp 1995, S. 381).
Hier wiederum schließt sich der Kreis zu den Identitätsdebatten, die in Bezug auf
Gruppenidentitäten bereits in 3.2.3 begonnen wurden, bzw. zu George Meads symbolischen Interaktionismus: Das Individuum hat Interesse daran, sich selbst als Einheit aufzufassen, sowohl in Bezug auf seine eigene Biographie als auch durch die
Abgrenzung zu anderen Individuen. „Identität ist ein Projekt, das zum Ziel hat, ein
individuell gewünschtes oder notwendiges ‚Gefühl von Identität’ (sense of identity) zu
erzeugen“ (Keupp 2010, S. 34). Grundlegende Voraussetzung dafür wiederum sind
soziale Anerkennung und Zugehörigkeit, wie sie etwa in einer Nachhaltigkeitsgruppe
gefunden werden können.
Die im Vorangegangenen beschriebenen Konstrukte wie subjektiver Sinn, Interpretation und Konstruktion der Welt sowie persönliche Identität begründen zusammen das
Konzept der Handlungsfähigkeit des Individuums. Aus diesem erwächst die Möglichkeit der Definition auch von Bildung in einer Weise, die nicht mehr strikt vorgibt, welche Art von „Wissen“ erworben werden soll, sondern die „die sich bildende Person,
die gesellschaftliche Beschränkungen reflektiert, manchmal überwindet und gewahr
sein muss, sich neuen Widerständen zu stellen“ ins Zentrum der Überlegungen rückt
(vgl. Faulstich & J. Ludwig 2008, S.17ff).
Im Gegensatz zum reinen Handeln, bei dem sich der/die Handelnde nicht an anderen Individuen orientiert, sondern nur „für sich selbst“ handelt, beziehen sich soziale
Handlungen auf andere Menschen.
„‚Soziales Handeln‘ aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von
dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. Sinn ist hier entweder a) der
tatsächlich ) in einem historisch gegebenen Fall von einem Handelnden oder )
durchschnittlich und annähernd in einer gegebenen Masse von Fällen von den
Handelnden oder b) in einem begrifflich konstruierten reinen Typus von dem oder
den
als
Typus
gedachten
Handelnden
subjektiv
gemeinte
Sinn“
(We-
ber 1976, S. 8).
Weber unterscheidet vier Motivationen sozialen Handelns:
250
„1. zweckrational: durch Erwartungen des Verhaltens von Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und unter Benutzung dieser Erwartungen als
»Bedingungen« oder als »Mittel« für rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigne Zwecke, – 2. wertrational: durch bewußten Glauben an den – ethischen,
ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom
Erfolg, – 3. affektuell, insbesondere emotional: durch aktuelle Affekte und Gefühlslagen, – 4. traditional: durch eingelebte Gewohnheit“ (Weber 1972, S. 13).
Arbeitet etwa das Mitglied der Nachhaltigkeitsgruppe mit anderen Menschen zur Lösung eines Nachhaltigkeitsproblems zusammen, wird aus der allgemeinen Handlung
eine soziale Handlung, weil sein Handeln „seinem von dem oder den Handelnden
gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem
Ablauf orientiert ist“ (Weber 1972, S. 1). Je nachdem, ob das Mitglied der Nachhaltigkeitsgruppe nun mitarbeitet, weil es sich davon einen gewünschten Erfolg erwartet,
weil es an die Idee der Gruppe glaubt, weil es sich gern in der Gesellschaft der anderen Mitglieder befindet oder schon sein längerer Zeit Mitglied der Gruppe ist, liegt
eine zweckrationale, wertrationale, emotionale oder traditionale Motivation vor. Soziales Handeln bezieht sich also nicht nur auf das landläufig gute oder uneigennützige Handeln, sondern auf ein zu anderen Menschen in Beziehung stehendes bewusstes, vielfältig motiviertes Tun, selbst wenn die jeweils anderen Menschen sich nicht
bewusst sind, dass jemand in Bezug auf sie sozial handelt.
Beruht das soziale Handeln auf einem dauerhaften und gegenseitigen Sinngehalt,
begründet dies eine soziale Beziehung. „Soziale Beziehung soll ein seinem Sinngehalt
nach
aufeinander
gegenseitig
eingestelltes
und
dadurch
orientiertes
Sichverhalten mehrerer heißen“ (Weber 1972, S. 13). Nach Weber haben Menschen
(auch wenn sie sich nicht persönlich kennen) eine soziale Beziehung, wenn die Beziehung dauerhaft und gegenseitig auf einander bezogen ist (vgl. M. Weber 1972, S.
14). Bahrt hingegen wirft die Frage auf, ob schon einmaliges aufeinander bezogenes
Handeln von zwei Individuen als soziale Beziehung zu betrachten ist, wenn auch nur
kurzfristiger Natur. Diese Vorstellung lehnt Weber ab, auch wenn er einräumt, dass
sich soziale Beziehungen dem Sinn nach verändern können und nicht enden, wenn
die Handelnden eine Zeit lang nicht miteinander in Kontakt stehen (vgl. M. Weber
251
1972, S. 13). Im Gegensatz zu Weber, der einen deutlichen Unterschied zwischen
sozialem Handeln und sozialen Beziehungen konstatiert, stellt Esser die beiden Begriffe auf dasselbe Niveau, denn er sieht soziale Beziehungen als
„wechselseitig aufeinander bezogene Orientierungen und Akte, soziale Kontakte,
Interaktionen, Kommunikationen, soziale Beziehungen oder Transaktionen aller
Art, die man zusammenfassend auch als soziales Handeln“ bezeichnet (Esser 2001, S. 1).
Für ihn stehen beide Konstrukte als begründend für soziale Systeme wie Gesellschaften (oder auch Nachhaltigkeitsgruppen). Hier wiederum macht Weber eine Unterscheidung, denn er bezeichnet Vereine, wie sie Nachhaltigkeitsgruppen oft sind,
als geschlossene soziale Beziehungen (vgl. M. Weber 1972, S. 20ff).
Die Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe haben demnach soziale Beziehungen,
auch wenn sie nicht dauerhaft und regelmäßig Kontakt miteinander haben. Diese
Beziehungen können im Lauf der Zeit Änderungen kleineren Ausmaßes unterliegen,
wenn etwa der langjährige Kassier der langjährigen Vorsitzenden in dieser Rolle folgt
und sich dadurch auch die Beziehungen zu den anderen Mitgliedern ändern. Größere Ausmaße haben Veränderungen der sozialen Beziehungen, wenn, wie in der modernen Nachhaltigkeitsgruppe üblich, die Akteur/innen in rascher Folge wechseln.
Daher ist die Frage, ob es sich bei Nachhaltigkeitsgruppen um geschlossene soziale
Beziehungen handelt, nur im Einzelfall konkret klärbar.
Weber stellt Voraussetzungen, Abläufe und Folgen des Zusammenlebens und
Zusammenarbeitens von handelnden Menschen in einen Zusammenhang mit dem
Sinn und den Strukturen ihres sozialen Handelns im Rahmen eines Werte- und Normensystems (vgl. M. Weber 1972, S. 1), vgl. 8.1. Kooperatives Handeln muss sich
demnach an Regeln orientieren, und um in einem sozialen System erfolgreich bestehen zu können, muss das Individuum mit diesen Regeln und Normen umgehen können. Die Norm ist dabei als „Konkretisierung von Werten“ anzusehen (vgl. Borgwardt
2003, S. 25): Im Zuge des Prozesses der Zusammenarbeit entwickeln sich Regeln
und Gewohnheiten, die als ungeschriebene Gesetze das Verhalten bestimmen und
die im Zuge der Zusammenarbeit eingehalten werden müssen. Damit ist der Kreis
zwischen Werten, Einstellungen und Handeln wiederum geschlossen.
252
Einen ähnlich stringenten Zusammenhang von Einstellungen, subjektiven Normen
oder Werten und Verhalten postulieren Fishbein und Ajzen bzw. Ajzen. Die Theorie
des geplanten Verhaltens von Ajzen basiert auf der zuvor von ihm gemeinsam mit
Fishbein aufgestellten Theorie des überlegten Handelns (vgl. Ajzen; Fishbein 1980).
Die diesem zugrundeliegenden Konzepte sind die Verhaltensabsicht, die Einstellung
und die subjektive Norm. Wenn Menschen ein vorgeschlagenes Verhalten als positiv
bewerten (Einstellungskomponente) und der Meinung sind, dass dies auch für sie
bedeutsame andere tun (subjektive Norm), werden sie dieses Verhalten an den Tag
legen. Wenn die Menschen also der Meinung sind, es werde von wichtigen anderen
Personen für sinnvoll erachtet, sich in einer Nachhaltigkeitsgruppe zu engagieren, so
werden sie das ebenfalls tun.
Ajzens Theory of Planned Behaviour (vgl. Ajzen 1991) ergänzt diese Komponenten
um die so genannten Kontrollüberzeugungen über unsere Fähigkeiten, Wissen, Fertigkeiten, Ressourcen und Gelegenheiten unser Verhalten in die Tat umzusetzen.
Wenn eine Umweltinterpretation daher bestimmte Einstellungen oder Verhalten beeinflussen will, wird sie daher oftmals bewusst genau diejenigen Verhaltens-, Norm
und
Kontrollüberzeugungen
infrage
stellen,
auf
denen
Einstellungen
und
Verhaltenweisen basieren. Zudem werden Verhaltens-, normative und Kontrollüberzeugungen in den Vordergrund gestellt, die die angestrebten Ergebnisse erzielen
können (vgl. Ballantyne; Packer 2005, S. 4). Alle zusammen bilden die Basis für
(post)moderne Lebensstile, die wiederum das Engagement von Menschen in Nachhaltigkeitsgruppen beeinflussen (vgl. 9).
8.4 Die Rolle der Motivation
Das Engagement und Interesse für Nachhaltigkeitsanliegen kann aus passivem Interesse – quasi als Beifall für das Handeln anderer – entstehen oder in Form aktiven
Handelns im eigenen Lebensbereich oder darüber hinaus in Form von Engagement
für nachhaltigkeitsrelevante Angelegenheiten, die auch andere Menschen betreffen
wie soziales Engagement, Aktivität in Umweltgruppen etc. (vgl. Rogall 2004b, S.
27ff). Dieses Engagement entspringt in erster Linie der Motivation sich für eine
Nachhaltigkeitsgruppe zu interessieren. Das Konstrukt der Motvation wird in den folgenden Unterkapiteln näher untersucht.
253
8.4.1 Das Spannungsfeld Motiv – Motivation - Handeln
Ausgangspunkt der Suche nach den Motiven einer Gruppe sind die Fragen nach
dem Handeln der Gruppenmitglieder und deren Zielen. Die Motive sind dabei die leitenden Hinter- und Beweggründe des Handelns, welche mit dem konkreten Ziel nicht
ident sein müssen. Das Wort Motiv (genauso wie Motivation) leitet sich vom lateinischen „motus esse“ ab, was soviel heißt wie „bewegt werden“. Konkret bedeutet also
ein Motiv etwas, wodurch die Menschen bewegt werden, in einer gewissen Weise zu
handeln. Heckhausen versteht darunter „sehr abstrakte Inhaltsklassen von wertgeladenen – und im positiven Falle angestrebten – Folgen eigenen Handelns“, etwa Leistung, sozialer Anschluss, Macht und Aggressivität (vgl. H. Heckhausen 2003, S.16).
Das Handeln orientiert sich in der Regel an den stärkeren Motiven (Gewöhnungen,
Einstellungen oder Werthaltungen), während schwächere Motive nicht zum Zug
kommen, wenn sie mit ersteren nicht vereinbar sind. Motive wirken daher spezialisierend und sind entweder emotional oder intellektuell-kognitiv beeinflusst. Allerdings
liegen nur den wenigsten Handlungen einzelne Motive zugrunde, vielmehr handelt es
sich meist um Bündel von Motiven (vgl. Häcker 2009). Aus den Motiven erwächst die
Motivation einer Person als Menge der Prozesse, die Handeln in Gang setzen und
ihm die Richtung weisen. Motivation erklärt – neben reinen Reiz-ReaktionsMechanismen -, warum sich ein Individuum in einer bestimmten Situation in einer
bestimmten Weise verhält (vgl. Häcker 2009).
Heckhausen sieht Motivation als
„Sammelbezeichnung für vielerlei Prozesse und Effekte, deren gemeinsamer Kern
darin besteht, dass ein Lebewesen sein Verhalten um der erwarteten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Energieaufwand steuert“ (Heckhausen 2003, S. 10).
Laut Heckhausen umfasst Motivation die Ausrichtung des Verhaltens an Zielen, die
Aufnahme und Beendigung eines bestimmten Verhaltens, die Wiederaufnahme eines
Verhaltens, nachdem dieses unterbrochen wurde, die Veränderung einer Verhaltensweise und den Konflikt zwischen Zielen, die nur durch konkurrierende Verhaltensweisen gleichzeitig erreicht werden können, und dessen Bewältigung (vgl. H.
Heckhausen 2003, S.10). Er schließt demnach die physiologischen Grundbedürfnisse (Hunger, Durst, Sexualität) aus den so genannten Handlungsmotiven aus, da letz254
tere nicht angeboren, nicht zyklisch und nicht für die Aufrechterhaltung des Organismus entscheidend sind. Motive umfassen nach der modernen Ansicht diejenigen
Formen von Handlungszielen bzw. -folgen, die mit dauerhaften Wertungsdispositionen einhergehen und zu charakteristischen, relativ konstanten Persönlichkeitsdispositionen führen (vgl. H. Heckhausen 2003, S.9)
Motivationsprozesse werden als Ergebnis des Zusammenwirkens von Person und
Situation gesehen: Die gegenwärtige, persönliche Situation eines Menschen hängt
von ihren Ressourcen (wie der verfügbaren Zeit oder den finanziellen Mitteln, bisherigen Erfahrungen, Vorbildung und Sozialisation, subjektiver Zumessung von Wertigkeit oder Bedeutung etc.) ab. Die situationsspezifischen Faktoren bilden in Wechselwirkung mit den Motiven einer Person „Anreize“. Diese wiederum lösen „Motivationen“ aus, von denen einige zu Intentionen, also Handlungsabsichten führen (vgl. H.
Heckhausen 2003, S.16). So kann es dazu kommen, dass zwei Personen bei Vorliegen desselben Motives in derselben Situation ebenso unterschiedlich reagieren wie
ein und dieselbe Person in unterschiedlichen Situationen. Zur Erklärung dieser Phänomene dienen die so genannten Motivationstheorien. Anreize und Motivationstheorien im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgruppen werden nachfolgend dargestellt.
8.4.2 Anreize zur praktischen Mitarbeit in Nachhaltigkeitsgruppen
Motivation entsteht durch Anreize zum Handeln, die entweder vom Individuum selbst
getragen werden oder aus seinem Umfeld kommen. Erste Hinweise auf die Motivation der einzelnen Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen lassen sich aus Untersuchungen zur Freiwilligenarbeit ableiten (vgl. Münzel 2004, S. 10). So erwarten sich
die Erbringer/innen freiwilliger, unbezahlter Leistungen einen persönlichen Zusatznutzen aus ihrer Arbeit, der zumindest darin bestehen soll, dass man für die eigenen
Leistungen entsprechend „gewürdigt“ und der finanzielle Gegenwert der erbrachten
Leistungen wertgeschätzt wird. Im Extremfall bedarf es sogar staatlicher Anreize wie
Steuererleichterungen oder Bildungsgutschriften, um Menschen zu Freiwilligenarbeit
zu motivieren (vgl. Münzel 2004, S. 10).
Diese Motivation sich zu engagieren kann auch als Form des Empowerment (vgl.
7.2) angesehen werden. Empowerment kann dann als Folge positiv bewerteter Erfahrungen bei der Aufgabenerfüllung entstehen. Die Aufgabe wiederum steht in Zu255
sammenhang mit Aktivitäten und dem Zweck Anliegen („Issues“, vgl. 5.6.2) zu bewältigen, die mit wesentlichen persönlichen Interessen zusammenhängen (vgl. Gelbmann; Peskoller 2009).
Im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgruppen bedarf diese Ausführung noch einer genaueren Analyse. Zum einen spielen die Anreize eine große Rolle, die entweder eben in
den persönlichen Motiven oder Werten liegen und dann „intrinsisch“ sind (vgl. Myers
2004, S. 330f). Emotionales Engagement kann ein starker Motor sein, der hinführt zu
Nachhaltigkeitsbildung und Nachhaltigkeitszielen (vgl. Ballantyne & Packer 2005, S.
11). Gerade die Teilnahme an einer an kurzfristigen Nachhaltigkeitszielen orientierten Issuegroup entspringt häufig einer erheblichen intrinsischen Motivation. Ein typisches Beispiel für intrinsische Motivation ist das Engagement in einer Issuegroup, die
Verkehrsberuhigung entlang einer vielbefahrenen Straße zum Ziel hat, über die die
eigenen Kinder zur Schule müssen. Zum anderen können aber auch extrinsische
Anreize eine bedeutende Rolle spielen und der Befriedigung indirekter oder instrumenteller Bedürfnissen dienen (vgl. Frey; Osterloh 2002). Für das Individuum sind
sie von Bedeutung, weil es sich davon eine bestimmte Belohnung erwartet oder die
Vermeidung einer Bestrafung erhofft (vgl. Myers 2004, S. 330f). In Nachhaltigkeitsgruppen kann extrinsische Motivation aufgebaut werden, indem man auf eine intensive Kultur des Beifalles und Lobes für freiwilliges Engagement setzt. Oder man
nimmt Anleihe bei Baumans „Cloakroom communities“: Wenn sich Menschen nicht
über einen längeren Zeitraum in einer Nachhaltigkeitsgruppe engagieren wollen,
kann man sie motivieren, indem man ihnen regelmäßig Events wie Parties, kulturelle
oder wissenschaftliche Veranstaltungen bietet, die sie immer wieder anziehen und so
einerseits durch Erfüllung eines Bildungsauftrages zur Nachhaltigkeit der Gruppe
beitragen, anderseits aber die Dauerhaftigkeit und Beständigkeit der Gruppe selbst
erhöhen.
Aus dem eben Dargelegten lässt sich eine Analogie zum römischen „Panem et Circenses“ ableiten. Mit diesem spöttisch gemeinten Spruch bezichtigt Juvenal, der römische Satiriker des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, seine Mitbürger/innen,
jegliches Interesse an der Politik verloren zu haben und sich nur mehr für einen vollen Magen und möglichst blutrünstige Spiele zu interessieren (vgl. Decimus Iunius
Iuvenalis Satura X). Bei der Interpretation dieses Textes ist jedoch zu bedenken,
256
dass Juvenal seine Texte und das politische Desinteresse seiner Mitbürger/innen
bewusst überzeichnete (vgl. Weeber 2012, S. 186). In der modernen Rezeption wird
Juvenals Bild oft auf unsere gegenwärtige Gesellschaft umgelegt, als seien die Menschen dekadentes, hedonistisches und interessenloses Stimmvieh, das sich mit
Wahlgeschenken und einer entsprechenden Eventkultur kaufen lässt. Sieht man jedoch genauer hin, so zeichnet Juvenal nicht ein Bild einer degenerierten, arbeitsscheuen und dem Vergnügen frönenden Gesellschaft, vielmehr war die Grundversorgung mit Brot die einzige Sozialleistung, die der römische Staat je aufbrachte, und
die beschworenen Spiele waren das Einzige, was ein wenig Glanz und Ablenkung in
das triste Leben der kleinen Leute im alten Rom brachte (vgl. Weeber 2012, S. 201).
In Anlehnung an diese Interpretation ist der Spruch nicht so negativ und manipulativ
zu sehen, wie er heute meistens zitiert wird. Daher kann man ihn auf die Notwendigkeiten der Motivation von Menschen zum Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen
verwenden:
Wenn Nachhaltigkeitsgruppen den Menschen Brot zur Verfügung stellen, so ist damit
gemeint, dass sich Nachhaltigkeitsgruppen um die Interessen und Bedürfnisse der
Menschen annehmen. Dies kann entweder geschehen, indem sich Mitglieder der
Nachhaltigkeitsgruppe aktiv um die von Externen hereingebrachten Themen (Issues,
vgl. 5.6.2) annehmen oder – vermutlich häufiger – dadurch, dass sie den Externen
helfen, für bestimmte Themen eigene Issuegroups ins Leben zu rufen und diese Issuegroups dabei unterstützen, ihre Anliegen umzusetzen. Die Spiele bestehen, wie
oben bereits dargestellt, aus der Bereitstellung von Vergnügungs-, Kultur- und Bildungsangeboten. Dieses Angebot ist ebenfalls nicht negativ zu sehen, da es ja gezielt dazu genutzt werden kann, Nachhaltigkeitsbildung zu vermitteln, wenn auch auf
sehr informelle Art und Weise. Ideal ist, wenn sich die beiden Arten der Anreize,
„Brot“ und „Spiele“, verbinden lassen, etwa in Form von Protestfesten für oder gegen
geplante Aktionen (z. B. ein Protestfest gegen die Errichtung einer Deponie), Flashmobs (etwa der von Grazer Studierenden organisierte Flashmob zum Thema Reuse) oder Vernissagen von Kunstwerken, die von Langzeitarbeitslosen angefertigt
wurden.
257
8.4.3 Motivationstheoretische
Erklärungsansätze
für
Engagement
in
Nachhaltigkeitsgruppen
Motivationstheorien versuchen, das „Warum?“ des menschlichen Handelns zu erklären. Grundsätzlich unterschieden werden die so genannten „klassischen Motivationstheorien“, die sich mit der Frage des „Wodurch (wird jemand motiviert)?“ befassen,
sowie die instrumentellen Motivationstheorien, die einen etwas anderen Blickwinkel
anlegen und danach fragen, wie ein Individuum seine Wahl aus den vorhandenen
Alternativen trifft. Die Vertreter/innen der ersten Gruppe sind weithin bekannt; dazu
zählen
Herzberg
mit
seiner
Zwei-Faktoren-Theorie
(vgl.
Herz-
berg; Mausner; Snydermann 1959), Maslow’s Bedürfnispyramide (vgl. Maslow 1943)
oder Alderfer mit seiner ERG-Theorie, die im Wesentlichen eine Weiterentwicklung
von Maslow ist (vgl. Alderfer 1972). Zu den instrumentellen Theorien zählen die (vgl.
Valenz-Instrumentalitäts-)Erwartungstheorie (oder VIE-Theorie) von Vroom (vgl.
Vroom 1964), die Zieltheorie von Locke (vgl. Locke 1976) oder das erweiterte kognitive Motivationsmodell von Heckhausen (vgl. Heckhausen 2003). Im Folgenden werden Maslows Bedürfnispyramide und Heckhausens Motivationsmodell auf ihren Erkenntniswert für die Beschreibung der Motivation zur Teilnahme an Nachhaltigkeitsgruppen untersucht. Sodann wird die Motivation von Menschen in der flüssigen Moderne als für die Erklärungsansatz der Teilnahme an Nachhaltigkeitsgruppen analysiert
8.4.3.1 Abraham Maslows „Bedürfnispyramide“ (1943)
Auf einem bereits älteren, doch in der praktischen Anwendung nach wie vor sehr populären Ansatz kann man auf Maslows fünfstufiger Bedürfnispyramide zur Erklärung
der Teilnahme von Menschen an Nachhaltigkeitsgruppen aufbauen (vgl. Maslow 1943). Sie orientiert sich an Mangelzuständen, die der Mensch abzubauen trachtet - beginnend bei physiologischen Bedürfnissen (Essen, Schlaf, Freiheit) über
Sicherheitsbedürfnisse (Stabilität, Ordnung) weiter über Bedürfnisse nach sozialen
Beziehungen (Familie, Freundeskreis) nach sozialer Anerkennung (Respekt, Lob).
Die ersten vier Stufen der Pyramide bezeichnet Maslow als Defizitbedürfnisse, die
fünfte und höchste Stufe umfasst Wachstumsbedürfnisse wie das Streben nach
Selbstverwirklichung (vgl. Maslow 1981).
258
Maslows Ansicht, dass die hierarchisch niedrigsten unbefriedigten Bedürfnisse das
Verhalten antreiben und nach ihrer Befriedigung nicht mehr verhaltensrelevant sind,
hat sich mittlerweile als unhaltbar erwiesen, da verschiedene Bedürfnishierarchien
gleichzeitig relevant sein können. Insgesamt wird es tendenziell so sein, dass lebenserhaltende Bedürfnisse und Sicherheitsbedürfnis im Wesentlichen gestillt sein
müssen, damit das Individuum Zeit und Interesse für ideelle Bedürfnisse wie die Befriedigung von sozialen und psychischen Interessen aufwenden kann. Für die Selbstverwirklichung gilt, dass sie nie abschließend befriedigt sein wird (vgl. Maslow 1981).
Neben der Abkehr von Maslows Ansicht, dass Bedürfnisse streng hierarchisch gegliedert seien, meinen Kritiker weiter, dass er bedeutsame Phänomene menschlichen Verhaltens in seinen Überlegungen nicht berücksichtigt habe. Neugierde, Lust
an der Herausforderung bei Sport und Spiel oder Interesse am Lernen sind keine
Motive, die auf Beseitigung eines Mangelzustandes drängen (vgl. Berlyne 1966),
sondern ganz im Gegenteil sogar Spannungen herstellen (vgl. Kretch, Crutchfield,
Livson, Wilson, & Parducci 1985, S. 26ff). Sieht man Maslows Modell aber unter der
einschränkenden Bedingung von Allports ideografischer Betrachtungsweise, die Motive und Handlungsweisen entkoppelt und Menschen flexibel zwischen Systemkonfigurationen wechseln lässt (vgl. H. Heckhausen 2003, S.71), so liefert es doch Hinweise auf die Motivation von Menschen, an Nachhaltigkeitsgruppen teilzunehmen.
Zunächst lassen sich auf allen Ebenen von Maslows Modell Motive für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen anknüpfen. Auf der Ebene der physiologischen
Grundbedürfnisse können Aspekte wie das Streben nach einer intakten Umwelt und
damit einer Sicherung des Trinkwassers sowie der Nahrungsmittelversorgung, eine
stabile Wirtschaft mit einem konstanten Wirtschaftswachstum und geringer Inflation,
Erhaltung der Mobilität und der Lebensqualität eine Rolle spielen. Zu den Sicherheitsbedürfnissen als Motiv für Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen zählen Angst
vor durch Umweltbelastung hervorgerufenen Krankheiten, Schutz vor Gefahren z. B.
infolge des Klimawandels sowie Schutz vor Verlust der Arbeit und Absicherung der
Vorsorge im Alter, aber auch starke Verteidigungskräfte zur Sicherung der Grenzen,
Verbrechensbekämpfung und Erhalt der Öffentlichen Ordnung. Auf der Stufe der sozialen Bedürfnisse können Motive wie das Streben nach einer weniger unpersönlichen Gesellschaft, mehr Mitbestimmung am Arbeitsplatz oder politische Mitbestim259
mung, soziale Kontakte, Geselligkeit, Freundeskreis, gegenseitiger Austausch, Meetings und Events etc. Einfluss auf das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen haben.
Anerkennungsmotive, die zum Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen führen können, sind Einfluss auf Entscheidungen, Prestige, Geltung oder Lobbying. Auf der
höchsten von Maslows Ebenen betätigen sich Menschen in Nachhaltigkeitsgruppen,
um sich selbst zu verwirklichen, etwa um ihre Kreativität, ihren Enthusiasmus und
ihren Altruismus entfalten zu können, schöne Dinge wie Natur oder Kunst genießen
zu können oder sich für die freie Meinungsäußerung einzusetzen.
8.4.3.2 Heinz Heckhausens erweitertes kognitives Motivationsmodell (EKM, 1980)
Das EKM wird in der vorliegenden Arbeit vor allem deshalb näher beschrieben, weil
es sich sehr gut zur Erklärung der unmittelbaren Leistungs- (und auch Lern-) Motivation eignet (vgl. H. Heckhausen & Rheinberg 1980). Das Modell besteht aus vier
grundsätzlichen Komponenten: der Situation, den Handlungsoptionen, den erwarteten Ergebnissen der Handlung sowie den Folgen der Handlung, die in einer beobachtbaren,
strikten
Abfolge
vonstatten
gehen
(vgl.
Heckhau-
sen; Heckhausen 2010, S. 2). In einer Situation wird ein bestimmtes Ergebnis erwartet (Situations-Ergebnis-Erwartung). Aus der Situation heraus bietet sich aber auch
eine Handlungsoption an, von der erwartet wird, dass sie mit einer bestimmten
Wahrscheinlichkeit zu einem bestimmten Ergebnis führt (Handlungs-ErgebnisErwartung) (vgl. Heckhausen; Heckhausen 2010, S. 5). Allerdings ist nicht nur das
Ergebnis von Bedeutung, sondern auch die Folgen, die daraus entstehen mögen,
und deren subjektive Wichtigkeit für das Individuum (Ergebnis‐Folgen‐Erwartung).
Person
Bedürfnisse,
Motive Ziele
H-E-Erwartung
E-F-Erwartung
Handlung
Ergebnis
Folgen
intrinsisch
intrinsisch
extrinsisch
Situation
Gelegenheiten,
mögliche Anreize
S-E-Erwartung
Abb. 13: Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell in handlungstheoretischer Darstellung
(nach Heckhausen; Heckhausen 2010, S. 5).
260
Für die Motivation zu handeln ergeben sich daraus mehrere Konsequenzen (vgl.
Abb. 13): Ist die Situations-Ergebnis-Erwartung so niedrig, dass eine Situation auch
ohne eigenes Handeln erwünschte Ergebnisse zeitigt, so ist die Handlungsmotivation
des Individuums niedrig. Tritt zugleich eine hohe Handlungs-Ergebnis-Erwartung auf,
dass eine bestimmte eigene Handlung zum gewünschten Ergebnis führt, ist die
Handlungsmotivation hingegen sehr hoch. Sie wird noch weiter vergrößert, wenn die
Ergebnis-Folge-Erwartung hoch ist, also positive Folgen aus dem Handlungsergebnis erwartet werden (vgl. Heckhausen; Heckhausen 2010, S. 2).
Handlung und Ergebnis sind in diesem Zusammenhang als intrinsisch anzusehen, da
sie ihren Ursprung im Individuum selbst haben. Die Folgen wiederum sind extrinsisch,
da
sie
externe
Belohnung
versprechen
(vgl.
Heckhau-
sen; Heckhausen 2010, S. 2). Das EKM stellt nur einen Ausschnitt eines vollständigen Handlungsmodells dar, das die Motivation beschreibt, die ein Individuum dazu
führt, in einer bestimmten Weise zu handeln – es „lernt“ gewissermaßen in jeder beliebigen Situation, welche Handlungen wann wie Sinn ergeben. Beeinflusst werden
diese Entscheidungen durch die Motivation, Interessenlage, verfügbaren Kompetenzen und die Bedürfnisse der Person selbst ebenso wie durch situative Faktoren wie
externe
Anreize
oder
Handlungsmöglichkeiten
(vgl.
Heckhau-
sen; Heckhausen 2010, S. 3ff).
Für Nachhaltigkeitsgruppen lässt sich dieses Modell am besten anhand eines Beispiels verdeutlichen: In einem Ort existiert etwa eine gefährliche, vielbefahrene Straße, die von den Schulkindern täglich überquert werden muss. Die Eltern erwarten,
dass keine Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit ihrer Kinder gesetzt werden,
wenn sie sich nicht extra dafür einsetzen (Situations-Ergebnis-Erwartung). Daher
werden sie Handlungen setzen, von denen sie erwarten, dass sie für eine Entschärfung der Gefahr sorgen werden (z. B. Unterschriften für eine Geschwindigkeitsbegrenzung sammeln, einen Schülerlotsen engagieren etc.), die im Vergleich zur Situations-Ergebnis-Erwartung bei weitem größere Handlungs-Ergebnis-Erwartung löst
also eine Handlung aus. Beides ist intrinsch motiviert: Es geht um die Interessen
bzw. die Gesundheit der eigenen Kinder. Die Eltern können sich auch noch weitere
Folgen erwarten, etwa, dass die Medien berichten oder man von den anderen Eltern
Applaus bekommt. Dies ist als Ergebnis-Folge-Erwartung zu werten – eine positive
261
Ergebnis-Folge-Erwartung vergrößert die Motivation zu handeln weiter. Ähnliches
ließe sich konstruieren für die Erweiterung des Öffentlichen Personen Nahverkehrs,
für die Einrichtung einer kommunalen Förderung für Photovoltaik oder andere nachhaltigkeitsrelevante Belange.
8.4.3.3 Motivation in der flüssigen Moderne
Geht man allerdings davon aus, dass in (post-)modernen Gesellschhaften die materiellen Bedürfnisse der Menschen im Wesentlichen befriedigt sind, muss man weitere
Faktoren zur Beurteilung der Motivation zur Teilnahme an Nachhaltigkeitsgruppen
heranziehen. Diese Erkenntnis ist im Wesentlichen nicht neu, schon 1960 formuliert
der Deutsche Ausschuss für Erziehungs- und Bildungswesen:
„Je mehr eine Gesellschaft in Bewegung gerät und je mehr in einem Umbruch die
überkommenen Daseinsformen erschüttert werden, desto mehr wird jeder einzelne und jede soziale Gruppe genötigt, aus eigener Kraft und nach eigener Einsicht
die neue Gestalt des Lebens suchen, die es dem Menschen möglich macht, sich
in einer gewandelten Welt als Mensch zu behaupten“ (DAEBW 1960, S. 14).
In manchen Zusammenhängen können Themen aus dem sozioökonomischen Umfeld des Individuums aus werte- und motivationspsychologischer Sicht in den Vordergrund treten (vgl. Gabriel, Kunz, Roßteutscher, & van Deth 2002, S. 218ff), und
es entsteht ein so genanntes Issue (vgl. 5.6.2). Der englische Begriff „issue“ meint im
konkreten Zusammenhang ein Thema oder Interesse, das für jemanden einen Mangelzustand auslöst, sodass er/sie sich beginnt für das Thema zu engagieren, um den
Mangel zu beseitigen. Je dringlicher diese Interessen empfunden werden, desto eher
werden die Menschen sich in einer Issuegroup engagieren. Der Aufbau dieses Engagements läuft über mehrere Stufen: Zuerst muss ein Thema überhaupt als Problem erkannt und sodann in ein persönlich relevantes Issue umgewandelt werden.
Danach werden bestimmte Handlungsstrategien und -taktiken erarbeitet und eine
ausreichende Zahl von Mitstreiter/innen aktiviert. Danach werden die Strategien umgesetzt und die Reaktion auf diese Umsetzung abgewartet, um schließlich die Dynamik und Bedeutung des Issues zu steigern (vgl. Perkins; Brown; Taylor 1996).
Das Issue bleibt so lange wesentlicher Motor des Handelns, bis ein anderer Mangel
als bedeutsamer empfunden wird, und so lange wird sich das Individuum auch be262
mühen, die durch das Issue ausgelösten Mangelzustände zu vermindern. Während
das Individuum mit der Arbeit an einem Issue beschäftigt ist, sucht es die Koalition
mit Gleichgesinnten in gruppenähnlichen Strukturen, um Unterstützung bei der Erreichung seines Anliegens zu bekommen. Auf diese Weise kann sogar eine Art „WirGefühl“ auftreten, welches sich aber nach dem Issue wieder verläuft.
Je traditioneller die Themen und Inhalte, die derartigen Issue-Gruppen zugrundeliegen, desto traditioneller sind die Motivation und die Persönlichkeitsstruktur der Mitglieder und desto eher lassen sich diese auf Gruppen im herkömmlichen Sinne ein.
Die Proponenten und Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen sind allerdings typischerweise nicht traditonellen Themen und Inhalten verhaftet. Das ist der Grund, warum klassische Gruppenmuster dort eher selten zu finden sind. Denn in der postmodernen Gesellschaft werden Menschen permanent mit Informationen „bombardiert“.
Das Gehirn ist darauf ausgelegt, den Informationsüberfluss zu selektieren, Dinge
aufzunehmen und andere zu ignorieren. Ein wichtiger Filter dabei ist das Interesse:
Individuen lernen lieber und bewusster, wenn das Lernen in Zusammenhang mit ihrem
persönlichen,
themenspezifischen
Interessen
steht
(vgl.
Folke
et
al. 2003, S. 40). Wenn die Hauptmotivation für die Teilnahme an einer Issuegroup
allerdings die Erreichung eines persönlichen Interesses ist, kann daraus auch ein
Hindernis für die Teilnahme erwachsen in Fällen, in denen so genannte „Trittbrettfahrer/innen“ dieselben Nutzen aus dem Engagement anderer ziehen wie aktive Teilnehmer/innen.
Aus diesen Erkenntnissen lassen sich Rückschlüsse auf die Motivationsstruktur der
Gruppenmitglieder ableiten: Durch die Abkehr von den alten Strukturen und Werten
wie Solidarität und Treue gibt es keine mittel- oder längerfristigen Bindungen mehr.
Die Gruppe entwickelt keine Identität oder „Wir-Gefühl“ und wird nur mehr durch die
Idee zusammengehalten. Die Idee ist unverbindlicher und vager als die Identität.
Durch die fehlende Identität der Gruppe ist die Vorstellung, man könnte die Gruppe
als Ganzes motivieren, nicht haltbar. Vielmehr kann man nur an der Motivation der
einzelnen Mitglieder arbeiten, damit sie Leistung für die Gruppe bzw. in der Gruppe
erbringen.
263
8.5 Leistungsmotivation und -barrieren in Nachhaltigkeitsgruppen
Die momentane Bereitschaft sich zu engagieren und dadurch neu zu lernen lässt
sich folglich erklären aus dem Motiv, eine Leistung zu erbringen, dem sachbezogenen Anreiz, dem Bedürfnis nach Zustimmung und nach Anerkennung sowie der Stimulation (vgl. Heckhausen 2003, S. 6). In diesem Zusammenhang muss das Verhältnis zwischen Motivation und Leistung von Gruppen näher hinterfragt werden. In
der Literatur finden sich zu diesem Thema mehrere Standpunkte:

Der nach einem französischen Agraringenieur bezeichnete Ringelmann-Effekt
(Soziale Faulheit) beschreibt die Tatsache, dass Menschen in der Gruppe eine
geringere Gesamtleistung bringen, als die gemessenen Einzelleistungen erwarten lassen würden. Allerdings gilt dies nicht für physische Leistungen und die
Fehlerhäufigkeit bei intellektuellen Aufgaben. Der Leistungsverlust in Gruppen
wird begründet mit mangelnder Zurechenbarkeit der individuellen Beträge und
den Koordinationsverlust und Mangel an den gleichzeitigen Bemühungen (vgl.
Ingham et al. 1974, S. 371ff; Kravitz; Martin 1986, S. 936ff; Witte 2005).

Der Begriff der Übersummativität beschreibt die Auffassung, dass es innerhalb
einer Gruppe zu positiven Synergieeffekten kommt und somit das Gesamtergebnis der Gruppe die Summe der Einzelergebnisse der Gruppenteilnehmer/innen
übersteigt. Besonders in Gruppenarbeiten in Arbeitskontexten wird nachdrücklich
auf den positiven Einfluss der Gruppe auf die einzelnen Gruppenteilnehmer/innen hingewiesen, und zwar insbesondere hinsichtlich sachlicher Leistungsfähigkeit
(vgl.
Hackman; Morris 1975;
Hertel 2000;
Her-
tel; Kerr; Messé 2000; Warnecke 1997; Witte 2005).

Die Hypothese von der Unabhängigkeit motivations- und leistungssteigernder Effekte innerhalb einer Gruppe lehnt die oben beschriebenen Thesen ab (vgl.
Harkins; Szymanski 1989; Shepperd 1993). Nach dieser Hypothese führt bei intrinsisch motivierten Akteur/innen die Gruppengröße weder zur Leistungssteigerung, noch zum Leistungsverlust, sondern unterschiedliche situative Anreize bewirken eine Steigerung oder Verminderung der Motivation und damit der Leistung.
264
Die drei eben beschriebenen Thesen gehen davon aus, dass es in Gruppen einen
unmittelbaren Zusammenhang zwischen Motivation und Leistung gibt. Betrachtet
wird letztendlich nur die Motivation im Zusammenhang mit der daraus resultierenden
Leistung. Mittlerweile gibt es auch Evidenzen für ein Auseinandertreten zwischen
Motivation und Leistung. So haben Studien nachgewiesen, dass es bei Motivationsverlust zu positiven Auswirkungen kommen kann. Es kommt also zu einem inversen
Verhältnis zwischen Motivation und Leistung; ein Paradoxon. So wurden in Gruppen
mit bedeutsamen Aufgaben, aber mit weniger motivierten Teilnehmer/innen bessere
Leistungen
erzielt,
als
unter
individuellen
Arbeitsbedingungen
(vgl.
Brickner; Harkins; Ostrom 1986; Harkins; Petty 1982). Unter gewissen Voraussetzungen können also in bestimmten Gruppen trotz Motivationsverlust höhere Leistungen auftreten als bei einer Gruppe mit hoch motivierten Teilnehmer/innen.
Es fällt auf, dass die vier beschriebenen Positionen sich ausschließen. Damit bleibt
unklar, wie die Arbeit in der Nachhaltigkeitsgruppe zu gestalten ist, um ein maxiales
Maß an Leistung und damit eine ideale Bewältigung komplexer Themen- und Aufgabenstellungen garantieren zu können. Eine „One fits all“-Lösung wird daher unmöglich.
Zu berücksichtigen sind allerdings bei der Leistungsmotivation und -fähigkeit von Individuen und Gruppen Leistungshemmnisse oder –barrieren. Die Transition Initiative
United States identifiziert „sieben Aber“, warum „transitions towns“ als eine mögliche
Form von Nachhaltigkeitsgruppen meinen, nicht gelingen zu können:

“but we’ve got no funding…”

“but they won’t let us…”

“but there are already green groups in this town, I don’t want to step on their
toes…”

“but no one in this town cares about the environment anyway…”

“but surely it’s too late to do anything…”

“but I don't have the right qualifications…”

“but I don't have the energy for doing that!” (vgl. dazu Gray 2013, S. 12).
Untersucht man diese „aber“ näher so fällt auf, dass sie sich in Anlehnung an Barrieren charakterisieren lassen, wie sie auch aus der Innovationsforschung bekannt sind
(vgl. Gelbmann & Vorbach 2007, S. 120):
265
Eher dem Bereich der Partizipation zuzuordnen sind die Barrieren des Nicht-Dürfens
(vgl. 7.1), die aus Ge- und Verboten erwachsen. Diese Barrieren werden von den
politischen Entscheidungsträgern verursacht und sind demnach – mit dem entsprechenden, von der Agenda 21 eigentlich geforderten politischen Willen (vgl. 3.1.2) –
durch positives Commitment der politisch Mächtigen behebbar. Behebbar ist auch
die Barriere des Nicht-Wissens, die eher eine Barrerie des Nicht-Informiert-Seins bildet und auf ein Informationsdefizit der Bürger/innen zurückzuführen ist. Bei Nachhaltigkeitsgruppen bedeutet das konkret, dass sie bezüglich ökologisch und/oder sozial
relevanter Sachverhalte über zu wenige, verzerrte oder falsche Informationen verfügen. Von Seiten der politisch Verantwortlichen kann dieser Leistungsbarriere mithilfe
politisch gewollter, gezielter und sinnvoller Information entgegengewirkt werden.
Wenn gezielte Opposition befürchtet wird, werden die Verantwortlichen aber gerade
versuchen, sich um eine offene und aufrichtige Kommunikation herumzudrücken (vgl.
7.1.1).
Doch prinzipiell sind beide Barrieren leicht zu beheben; ihr Ursprung liegt nicht in den
handelnden Gruppen, sondern außerhalb begründet. Die beiden übrigen Barrieren
haben ihren Ursprung hingegen in den handelnden Personen und Gruppen: Die Barriere des Nicht-Könnens erwächst aus fehlendem Wissen und Know-How. Man kann
versuchen ihr entgegenzuwirken durch formale Bildungsprozesse bzw. die Vermittlung von Methodenkompetenz, etwa in Form von Schulungen, Zukunftswerkstätten,
Worldcafes, LA21-Workshops, Rhetorikseminare, Kommunikationstrainings etc.
Doch auch im Rahmen informeller und non-formaler Bildungsprozesse gibt es Möglichkeiten, die Barriere des Nicht-Könnens abzubauen (vgl. 4.4.1).
Am schwierigsten umzugehen ist mit der Barriere des Nicht-Wollens. Sie entsteht
dadurch, dass die Menschen keine Motivation haben sich einzubringen, entweder
aus Trägheit oder aus dem Gefühl einer persönlichen Ohnmacht heraus (vgl. Valentino; Gregorowicz; Groenendyk 2007). Diese Barriere ist extrem schwer behebbar.
Man kann einerseits mit bestimmten Weiterbildungsangeboten wie Selbstreflexion
oder Motivationstrainings versuchen, diese Barrieren zu überwinden. In vielen Fällen
aber muss man die Leute „austricksen“ oder sie „animieren“, indem man ihnen ausreichend positive Anreize im Rahmen einer Strategie des “panem et circenses“ zur
Verfügung stellt (vgl. 8.4.2)
266
Den Barrieren des Nicht-Könnens und zum Teil auch die Barrieren des Nicht-Wollens
kann daher mithilfe des Empowerment (Vgl. 7.2) begegnet werden, das eng mit dem
Konzept der Partizipation in Verbindung steht: Obwohl beide Konzepte sehr vage
und schlecht definiert sind (vgl. McArthur 1995), besteht letztlich Einigkeit darüber,
dass Partizipation einerseits ein integraler Bestandteil des Empowerments ebenso ist
wie die Ursache und die Wirkung des Empowerments (vgl. Zimmerman 1990) Empowerment ist damit gleichbedeutend mit “Macht geben” und bezieht dabei auf das
Zugestehen von politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Macht an Individuen oder Gruppen (vgl. Barker 2003; Zippay 1995, S. 74).
Nachgewiesen ist allerdings (vgl. Witte 2005, S. 23), dass Anleitungen die Leistungsfähigkeit der Gruppe erhöhen können. Dazu zählen neben traditionellen Anleitungen
wie Geschäftsordnungen oder Routinen so genannte sozialpsychologische Formen
wie Moderations- (Delphimethode), Diskurs- (z. B. Brainstorming) und Gruppenentwicklungstechniken (z. B. Themenzentrierte Interaktion). Dies führt wiederum zurück
zur nachhaltigen Bildung bzw. deren instrinsischen Formen, die bereits in 4.4.4 erörter wurden.
8.6 Empirische Belege für individuelle Beweggründe zum Engagement in einer Nachhaltigkeitsgruppe
Es finden sich in den Interviews wenige Belege für die Wertstruktur der Interviewpartner/innen und auch nicht für deren Einstellungen. Das hat seinen Grund vermutlich darin, dass die ausgewählten Interviewpartner/innen allein durch ihre Auswahl
schlossen, dass ihre Wert- und Einstellungsstruktur als gegeben angesehen und
nicht weiter hinterfragt wird. Befunde lassen sich nur aus der Art und dem Ziel ihrer
Tätigkeiten ableiten.
Im Hinblick auf Werte ist allen Interviewpartner/innen der Schutz der natürlichen
Umwelt ein wichtiges Anliegen, wenn auch nicht alle dies ganz so explizit aussprechen wie der Interviewpartner, der sagt:
„Alle, die an dem Thema Umwelt arbeiten, sind für mich Nachhaltigkeitsinitiativen.
Die diese 3-Säulen Theorie so stark im Vordergrund haben, sind Schwätzer, die
gehören nicht dazu“ (Heinrich S. 6 8-10).
267
Den meisten Interviewpartner/innen sind im Gegensatz dazu soziale Gerechtigkeit
und soziales Gleichgewicht sehr wohl wichtige Werte, wie sich in den Projekten zur
Verstärkung der Partizipation in den Berliner Bezirken Kreuzberg (Amanda) und
Marzahn (Stefan) zeigt. Auch die Verbindung von Umwelt und sozialen Themen wird
immer wieder zum Thema, wie bei der Unterstützung von benachteiligten Personen
bei der effizienten Verwendung von Energie (Roman) oder bei den Kochstammtischen, bei denen bewusst nachhaltigkeitsorientiert gekocht wird (Roman). Demokratie und Partizipation scheinen den meisten fundamental wichtig zu sein, wenn auch
nicht unbedingt in der jeweils eigenen Gruppe (so stellt die Leiterin der „3+x“ Initiative
explizit fest, dass die bearbeiteten Ideen in erster Linie von ihr selbst stammen, Paula). Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Wertstruktur der Interviewpartner/innen sich in der Idee der jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppe, in der sie aktiv sind,
spiegelt.
Untersucht man die Motive, die die Interviewpartner/innen bewegen, sich in Nachhaltigkeitsgruppen zu engagieren, so findet man durchaus unterschiedliche, obwohl sich
die Interviewpartner/innen im Rahmen der Interviews über ihre Motive eigentlich
kaum direkt äußern. Von Webers vier Motivationen des sozialen Handelns spielen
vor allem die wertrationale und die zweckrationale eine größere Rolle. Alle Interviewpartner/innen sind von den Werten getrieben, die eben auch schon im Hinblick auf
die der jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppe zugrundeliegende Idee dargestellt wurden.
Ethische Motive im weitesten Sinne – ökologische, soziale, emazipatorische, antidiskriminative, auf Partizipation gerichtete etc. – bewegen alle Interviewpartner/innen.
Da es sich bei allen Interviewpartner/innen um Mitglieder der jeweiligen Gruppenkerne handelt, ist die zweckrationale Motivation bei ihnen selbst nicht so stark ausgeprägt, es gibt darauf nur einzelne Hinweise: „Im Rahmen dieser Betreuung bekomme
ich ein PR-Training bezahlt, welches mir dann auch in anderen Bereichen zu Nutze
kommt“ (Amanda S. 3 17-18). Doch erwähnen einige zweckrationale Motive anderer,
etwa, dass
„Leute, die so (wegen eines speziellen Problems, A.d.V.) kommen, nicht bleiben.
Wenn diese Angelegenheit erledigt ist, die interessieren sich vielleicht für einen
268
Teilbereich der Grünen, aber die bleiben nicht aktiv. Sie bleiben solange ihr Interesse besteht und dann gehen sie wieder“ (Anna S. 2 25-28).
Ein anderer Interviewpartner meint:
„Wenn einer oder eine an einem Issue mitmacht, kann man nicht davon ausgehen,
dass der oder die beim nächsten Mal wieder mitmacht. Früher hatte man eine feste Mannschaft zum Kleben oder Zettel verteilen. Heute ist einer notwendig, der jedes Mal neu einberuft“ (Stefan S. 1 16-18).
Und ein dritter sagt: „Man muss aber wirklich sagen, dass sich Leute aus der Initiative nur noch damit befasst haben und als das fertig war, waren die dann auch alle
weg“ (Roman S. 2 2-39). Zusammenfassend meint eine Interviewpartnerin:
„Gruppenmitglieder, das sind meistens Leute, die sich für irgendwas engagieren
wollen kommen; für einen Bereich. Sie kommen aus eigenem Interesse. Wenn sie
selber Schwierigkeiten haben mit der Stadt oder so, dann kommen die meisten
her und wollen irgendwas, wobei das Mitglieder sind, die nicht lange dabei sind“
(Anna S. 2 17-20).
Sehr wenige bzw. keine Belege wurden aus den Interviews für traditionale Motive
gefunden, diese laufen einem dynamischen Nachhaltigkeitsverständnis ja wie oben
in 8.4.3.3 dargelegt eher zuwider.
Nicht ganz so einig sind sich die Befragten im Hinblick auf affektuelle Motivation, insbesondere die Frage, inwieweit sozio-emotionale Motive (Gruppenkontakt, Freundschaften etc.) eine Rolle spielen. Ein Befragter meint etwa, in manchen Gruppen hätte man ein
„paar nette Leute drum rum, aber das reicht dann nicht mehr. Und nette Leute hat
man im Freundeskreis, aber nicht in einer Initiative“ (Heinrich S. 7 16-17).
Eine andere Interviewpartnerin meint über die Mitglieder ihrer Gruppen (sie hat davon im Laufe der Zeit mehrere geleitet):
“Ich treffe auch immer wieder neue Menschen, die mit einem eine Weile parallel
laufen und man sich die Bälle zuspielt. (…) Ich habe auch gerade darüber nachgedacht wie die sich rekrutieren. Das sind alles Leute, die ich bedingungslos und
269
loyal in ihrer Schrägheit und Klugheit schätzen gelernt habe“ (Paula S. 3 2-4, S. 4
35-36).
Doch Berichte über echte, lang dauernde Freundschaften gibt es in den Interviews
nicht. Einzige Ausnahme ist jene Interviewpartnerin, die ihren späteren Lebenspartner im Zuge des Engagements für ihre Nachhaltigkeitsgruppe kennengelernt hat.
Doch dies war vermutlich eher ein Nebeneffekt des Engagements. Sucht man nach
Anreizen für Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen, so findet man in den Interviews
wenige Hinweise darauf, dass die Interviewpartner/innen das „Brot-und-Spiele“Prinzip gezielt einsetzen, um Menschen in ihre jeweiligen Gruppen zu ziehen. Doch
scheint sich die Kombination von themenzentrierten Aktionen einerseits und kreativen oder eventartigen Ereignissen anderseits für die Betreiber/innen von Nachhaltigkeitsgruppen quasi „von selbst“ zu ergeben. Als Beispiele zu nennen sind hierfür das
Low Carbon Dinner Project (Roman), das im nächsten Absatz näher beschrieben
wird, Flashmobs, von denen die „3+x“ Gründerin erzählt (Paula), Protestfeste, die
von der Grünen Gemeindegruppe durchgeführt werden anstelle von Demonstrationen (Anna) oder alle Aktionen im Rahmen der Berliner Nachhaltigkeitsgruppe „ÜberLebensKunstClub“, wo Nachhaltigkeit erlebt wurde bei diversen gestaltenden Aktivitäten wie Fahnenmalen, beim Theaterspielen, in Podiumsdiskussionen und ähnlichen Ereignissen (Paula). In all diesen Aktivitäten wurde den Menschen Gelegenheit
gegeben, ihre Nachhaltigkeitsbedürfnisse auf einer kognitiven und einer emotionalen
Ebene auszuleben.
Diese Anreize lassen sich auch direkt umlegen in Maslows Bedürfnispyramide. Auf
der Stufe der Grundbedürfnisse setzt eine Gruppe an, die zur Zeit der Interviews
noch völlig neu war, das Low Carbon Dinner Project. Der Interviewpartner erzählt:
„(I)ch habe 15 Aktive eingeladen, Nachhaltigkeitsengagierte, die ich am Rande
kenne, die ich irgendwie interessant und spannend fand. Ich habe für die gekocht
und ein low carbon Menü mit drei Gängen gemacht, regional, saisonal, bio und
vegetarisch“ (Roman S. 3 25-27).
Hier wird neben der Ebene der Grundbedürfnisse aber auch bereits ein Sicherheitsbedürfnis mit angesprochen: der Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen.
Diese spielt in mehreren Initiativen eine Rolle, etwa im Photovoltaikprojekt auf dem
270
Dach der Freien Universität Berlin (Roman) oder in der Unterstützung von unterprivilegierten Menschen beim effizienten Umgang mit Energie durch Studierende der
Umweltpsychologie (Roman).
Wie oben im selben Abschnitt bereits erwähnt, scheinen eigene soziale Bedürfnisse
wie das Bedürfnis nach Gesellschaft oder Freundschaft eine relativ geringe Rolle zu
spielen. Doch sind es andere Motive, wie etwa die Unterstützung beim Aufbau von
auf Neuen Medien basierenden Kommunikationstechniken für NGOs, die als soziale
Motive gewertet werden können. Ein Interviewpartner sagt dies auch explizit:
„Erstens bin ich sehr viel für das Gemeinwohl tätig“ (Stefan S. 2 37-38).
Anerkennungsbedürfnisse sind für die Interviewpartner/innen weniger von Bedeutung, aber überragende Bedeutung kommt den Selbstverwirklichungsbedürfnissen
zu, wo sich ein großer Teil der Motivation abspielen dürfte: Die Gemeindegruppenleiterin hat sich in eine alteingesessene Gruppe von Männern hineingekämpft (Anna),
eine Berliner Interviewpartnerin hat im Laufe der Jahre gleich mehrere Gruppen gegründet, um sie dann zu verlassen, sobald diese Gruppen einigermaßen im Laufen
waren (Paula), eine dritte hat sich in einer Gruppe von unbezahlten, freiwilligen Mitgliedern abgekämpft und dafür sogar ihre Dissertation vernachlässigt (Jasmin).
Auch für das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell Heckhausens finden sich einige
Anhaltspunkte, die in erster Linie wieder die Menschen betreffen, die sich kurzfristig
vor allem in Issuegroups engagieren.
„Gruppenmitglieder, das sind meistens Leute, die sich für irgendwas engagieren
wollen kommen; für einen Bereich. Sie kommen aus eigenem Interesse. Wenn sie
selber Schwierigkeiten haben mit der Stadt oder so, dann kommen die meisten
her und wollen irgendwas, wobei das Mitglieder sind, die nicht lange dabei sind.
(…) Die Leute sind bereit etwas zu tun, wenn das bedeutet, dass es ihm auch etwas bringt“ (Anna S. 10 9-10, S. 2 17-20).
Ein anderer Interviewpartner meint:
„Es kommen gerne Gruppen vorbei, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Sie
sagen sich ganz nüchtern: Da können wir vielleicht ein Geschäft daraus machen“
(Stefan S. 3 2-3).
271
Und eine dritte Interviewpartnerin zieht die folgende Bilanz:
„Die meisten machten aber mit, weil sie ein persönliches, berufliches Interesse
hatten und sich aus dem Network Vorteile für eigene Initiativen erhofften“ (Sophie
S. 2 22-23).
In all diesen Fällen ist offenbar die Handlungs-Ergebnis-Erwartung höher als die Situations-Ergebnis-Erwartung, und eine positive Ergebnis-Folgen-Erwartung liegt vor.
Diese Beschäftigung mit Issues, wie sie in der Interpretation Heckhausens schon
angesprochen wird, trifft noch mehr auf die Umlegung in die Flüssige Moderne zu:
Die Menschen, die nur kommen, um ihre eigenen Interessen zu wahren, haben wenig bis kein Interesse an Gruppenkohäsion und Wir-Gefühl, sondern verschwinden
nach Umsetzung ihrer Interessen. Ein Interviewpartner bringt dies auf den Punkt:
„Man muss für neue highlights oder Aktivitäten immer wieder neue Leute dazu werben“ (Stefan S. 2 3-4).
8.7 Zwischenfazit
Werte dienen als Verbindungsglieder zwischen gesellschaftsbezogenem und individuellem Handeln, da sie normativen Charakter haben und als Basis für die Entwicklung von persönlichen Einstellungen dienen, die wiederum gemeinsam mit den Werten und den kurzfristigen Meinungen der Mitglieder die Idee der Nachhaltigkeitsgruppe bilden. Außerdem beeinflussen die Einstellungen das soziale Handeln des Individuums, also auch sein Engagement in einer Nachhaltigkeitsgruppe.
272
9 Lebensstile
in
Postmoderne
als
Basis
für
das
Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen
In diesem Kapitel wird argumentiert, dass mithilfe von Lebenstilforschung Aussagen
über die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen und ihre Eigenschaften gemacht
werden können. Als Ausgangsbasis dient in 9.1 zunächst der Wertwandel, der die
Veränderung von Lebensstilen grundlegend antreibt. Dazu werden einige Ansätze
vor- und einander gegenübergestellt. Sodann werden in 9.2 Lebensstilkonzepte und
die diesen sehr ähnlichen Milieustudien präsentiert und auf ihre Funktion für Nachhaltigkeitsgruppen untersucht.
9.1 Wertwandel als Basis der Typisierung von Lebensstilen
Als Basis für die nachfolgenden Ausführungen werden nach grundlegenden Aussagen zum Thema Wertwandel die Ansätze von Klages diskutiert und sodann die Hinweise in der empirischen Untersuchung aufgezeigt.
9.1.1 Grundlegende Theorien des Wertwandels
Wie im vorhergehenden Kapitel dargelegt, stellen Werte eine langfristige Orientierungsgrundlage
für
das
menschliche
Handeln
dar
(vgl.
Clark; Dutt 1991;
Inglehart 1989). Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass persönliche Werte eine
hohe Änderungsresistenz aufweisen (vgl. van Deth; Scarbrough 1995), vgl. 8.1. So
beschreibt Inglehart in seiner Generationstheorie, dass gesellschaftliche Wertorientierungen schon in frühen Sozialisationsphasen erworben werden und weitgehend
stabil bleiben (vgl. Inglehart 1971, 1977, 1989). Das Ausmaß der intra-individuellen
Stabilität von Werthaltungen einer einzelnen Person stellt daher einen wesentlichen
Einflussfaktor der Veränderung des gesellschaftlichen Wertsystems dar. Dieses wiederum verändert sich permanent und muss sich auch verändern, damit längerfristig
das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft verankert werden
kann.
Zu einem ähnlichen Schluss gelangt man auch, wenn man unter Zugrundelegung
eines sehr weiten Ansatzes für informelles Lernen argumentiert: Sich in informellen
Lernsituationen wandelnde Gefühle und Emotionen gegenüber ökologischen oder
273
gesellschaftlichen Themen können zur Änderung von Einstellungen oder Werthaltungen sowie zu steigender Empathie oder Motivation führen (vgl. HooperGrennhill 2004). Letztlich können daraus geändertes Verhalten oder zumindest Verhaltensabsichten resultieren, wie Engagement in Freiwilligenprogrammen oder
Spenden an Umweltorganisationen.
Wissenschaftliche Arbeiten zum gesellschaftlichen Wertwandel datieren dessen Beginn in den 1950er Jahren beginnend und besonders augenscheinlich in den 1968er
Jahren mit den Student/innenunruhen. Hier erkennen Noelle-Neumann und Petersen
eine zunehmende Abkehr von ideellen Werten wie Kirche, Religion oder dem Glauben an die bestehenden Autoritätsverhältnisse, vor allem bei jungen Menschen (vgl.
Noelle-Naumann & Petersen 2001, S. 16). Auch Inglehart konstatiert ab den 1970er
Jahren in den wohlhabend-materialistischen Gesellschaften eine „stille Revolution“
(vgl. Inglehart 1971), in deren Rahmen die Menschen sich vom Erwerb materieller
Werte abwenden und nach postmateriellen Werten streben. Diese umfassen „übergeordnete“ Werte wie Gesundheit, Glück, aber auch Tier- oder Umweltschutz. Nach
Ingleharts Meinung bringt das in der Bevölkerung eine höhere Bereitschaft, sich für
persönliche
und
allgemeine Anliegen
sowie
für
Freiheit einzusetzen
(vgl.
Inglehart 1998).
Inglehart geht davon aus, dass Menschen ihre Prioritäten aus der Erkenntnis eines
Mangels entwickeln und denjenigen Dingen, die relativ knapp sind, den größten subjektiven Wert beimessen (Mangelhypothese). Gleichzeitig stellt er fest, dass der
Mensch jene Wertvorstellungen weiter trägt, die er in seiner Jugend als wichtig erfahren hat (Sozialisationshypothese) (vgl. Inglehart 1989, S. 92).
Die Arbeiten von Inglehart weisen Parallelen mit denen von Maslow auf (vgl. 8.4.3.1),
denn bei beiden wenden sich die Menschen mit steigendem Wohlstand und damit
einer besseren Absicherung der Lebensgrundlagen, von materiellen ausgehend, zunehmend ideellen Bedürfnissen zu. Inglehart differenziert allerdings mit der Unterteilung in „materialistisch“ und „postmaterialistisch“ eine direkte Abwendung von materiellen Grundsätzen und Hinwendung zu ideellen. Je nach ideologischer Einstellung
wird der Wertewandel als positiv oder negativ beurteilt, denn der „Wertewandel gilt
als unbestreitbar, umstritten ist allerdings die moralisch-normative Bewertung der
,neuen‘ Werte“ (Roßteutscher 2004, S. 408). Mittlerweile weiß man, dass Ingleharts
274
Ansatz keinen Automatismus beschreibt, sondern eine generelle Tendenz bezüglich
Werten. Unterstellt man jedoch eine grundsätzliche Gültigkeit der wesentlichen Prämissen der beiden Modelle, so lassen sich für die vorliegende Arbeit mehrere
Schlüsse ziehen:
Ändern sich die Wertvorstellungen der Menschen, ändern sich auch ihre Gründe,
sich in Gruppen einzubringen. Daher verlieren traditionelle Gruppen an Bedeutung,
während Gruppen aufkommen, die sich den neuen, postmateriellen Werten widmen
wie Bürger/inneninitiativen. Diese weisen aber eine andere Struktur auf als klassische Gruppen (vgl. Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ 2002, S. 9). Nach Worms werden Vereinigungen oft auch als
„Reaktion auf neu entstehende soziale Bedürfnisse gegründet. Sie lassen diese
Bedürfnisse als Problembereiche sichtbar werden und verleihen ihnen so lange
Konsistenz, bis sie vom politischen System als politische Aufgabe aufgegriffen und
in
der
Errichtung
neuer
sozialer
Dienstleistungen
verarbeitet
werden“
(Worms 2001, S. 337).
Allerdings konstatiert Münzel, dass sich auch die Freiwilligenarbeit im Wandel befinde, da die Menschen sich nicht mehr in großen Organisationen wie Kirchen oder Parteien zuhause fühlen und auch ein langdauerndes Eingebundensein in einen lokalen
Verein oder eine Kirchengemeinschaft (vor allem) den jungen Menschen nicht mehr
ausreicht.
„Geringe Formalisierung, Partizipation und zeitlich beschränkte Einsätze sind gefragt. (…) Solidarität gründet heute nicht mehr auf traditionellen Bindungen, sondern sie entsteht immer wieder neu aufgrund von situativen, freiwillig eingegangenen Verpflichtungen der Individuen. Die Menschen fühlen sich zu selbstbestimmten, autonomen Organisationsformen mit geringer Formalisierung hingezogen“
(Münzel 2004, S. 19).
Für diese Orientierung an der unmittelbaren Betroffenheit prägt Münzel den Begriff
„solidarischer Individualismus“ (Münzel 2004, S. 19).
275
9.1.2 Helmut Klages‘ Charakterisierung von Menschentypen (1985)
Während Ingleharts empirische Analyse zunehmend auf Kritik stößt, nimmt die Zustimmung
zur
Theorie
von
Klages
zu
(vgl.
Bauer-Kaase; Kaase 1998;
Bürklin; Klein; Ruß 1996; Klages 1992). Dieser bezeichnet den Abfall der Gesellschaft von seit Jahrhunderten geltenden Wertvorstellungen als Wertwandlungsschub
(vgl. Klages 1985, S. 123) und meint Inglehart verkenne den wahren Charakter des
Wertewandels: Klages lehnt die einseitige Sicht vom Wandel von ‚alten’ materialistischen zu ‚neuen’ postmaterialistischen Werten ab und beschreibt die Gleichzeitigkeit
mehrerer unabhängiger Prozesse:
Zunächst ändert sich nach Klages die Wertstruktur „schlagwortartig durch die Formel
‚Von Unterordnungs- und Fügsamkeitswerten zu Selbstentfaltungswerten’“ (Klages 2002, S. 31). Nach Klages ist das Vordringen dieser modernen Selbstentfaltungswerte in allen entwickelten Ländern erkennbar und ein zentrales Element des
Wertewandels. Die postmoderne „Orientierung auf Selbstentfaltung“ bildet die Grundlage für persönliches Engagement. In Anknüpfung an Maslows Selbstverwirklichungsmotive kann man vermuten, dass sich Menschen typisch postmodernen Werten wie der Nachhaltigkeit zuwenden und sich deshalb in Nachhaltigkeitsgruppen
engagieren. Traditionelle Werte sind keine geeignete Basis dafür.
Klages meint sogar, dass eine hedonistische Einstellung das persönliche Engagement mehr fördere als die persönliche Einstellung zu „traditionellen“ Werten (vgl.
Klages 1985, S. 17ff). Er schränkt aber gleichzeitig ein, dass die „hedonistische“ Lebenseinstellung in der Bevölkerung keinen solch hohen Stellenwert hat, wie es nach
dem herrschenden „Zeitgeist“ den Anschein hat (vgl. Gensicke 2000a, S. 84). Denn
nach Klages‘ Ansicht hat sich in der Gesellschaft die Vorstellung etabliert, dass die
Wohlstandsentwicklung die Menschen korrumpiert habe und sie „verantwortungsscheue, nicht nur am Allgemeinwohl, sondern auch am Mitmenschen uninteressierte
Egoisten mit ‚Vollkaskomentalität’“ werden habe lassen (vgl. Klages 2001, S. 7). In
der Bevölkerung herrsche die Meinung, dass auf „traditionelle Werte wie ‚Moral‘,
‚Pflichtbewusstsein‘, ‚Recht und Ordnung‘“ zu wenig Wert gelegt werde, sich eine
Egoistengesellschaft entwickle, in der der Mensch durch Schwarzarbeit, Sozialhilfeschwindel, Steuerhinterziehung, Vetternwirtschaft, Subventionsbetrug und Korruption
nur auf seinen eigenen Vorteil schaue und so kriminelle Absahnerqualitäten entwick276
le (vgl. Klages 2001, S. 7). Klages relativiert dieses Eigenbild der Gesellschaft und
stellt fest, dass im persönlich gestalteten Kleingruppenbereich diejenigen Werte einen gleichbleibend hohen Stellenwert haben, die das Bedürfnis nach Sicherheit und
Berechenbarkeit befriedigen (vgl. Gensicke 1998; Klages 1998).
In Übereinstimmung mit dieser Vorstellung haben verschiedene Untersuchungen ergeben, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung über 14 Jahren sich freiwillig und
ehrenamtlich engagiert (vgl. Braun; Klages 2001; Pichot 2000; von Rosenblad 2000).
Genau dieses freiwillige Engagement wiederum ist aber die Voraussetzung für das
Zustandekommen von Nachhaltigkeitsgruppen. Allerdings vertritt Klages die Meinung, dass das große in der Gesellschaft vorhandene Potenzial an Menschen, die
bei geeigneter Motivation bereit sind, sich zu engagieren, vor allem durch Freude an
der Arbeit und Spaß motiviert wird. Als Spaß bezeichnet er
„das Erlebnis aktiven und erfolgreichen Handelns in Verbindung mit Selbsterweiterungserfahrungen, nicht etwa nur Zerstreuung und Vergnügungen, wie sie Freizeitparks und Medienangebote bereithalten“ (Klages 2001, S. 8).
Das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen ist demnach auch von einer Fun- und
Erlebniskomponente geprägt.
Schließlich stellt Klages fest, dass in der entwickelten Welt die Verantwortung für die
Wohlfahrt der Menschen zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft neu verteilt
wird. Nach der Übernahme der Verantwortung durch den Staat am Beginn des 20.
Jahrhunderts wird diese nunmehr zwischen Gesellschaft und die Wirtschaft aufgeteilt.
„Der Staat, der sich bisher für immer mehr Dinge verantwortlich sah, soll die Aufgabe eines aktivierenden Befähigers („Enablers“) übernehmen, das heißt, in der
Gesellschaft Eigenkräfte wecken und fördern und auf diesem Wege zu einer günstigen Gesamtentwicklung beitragen“ (Klages 2001, S. 7).
Dies unterstützt die Bildung einer Bürger/innen- oder Zivilgesellschaft, die von den
Menschen Eigeninitiative und Eigenverantwortung fordert (vgl. dazu und zum Folgenden 7.1.2 und 7.3). Das deckt sich mit der Forderung nach Integration besonderer Gruppen nach der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a). Daraus lässt sich erklären, warum Einrichtungen wie NGOs und andere Nachhaltigkeitsgruppen immer
277
mehr an Bedeutung gewinnen. Insgesamt werden partizipative Aspekte und damit
das Engagement des/der Einzelnen immer wichtiger. Auch hier findet sich wieder ein
Anhaltspunkt für Nachhaltigkeitsgruppen.5
Für die Analyse potenzieller Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen von überragender
Bedeutung ist aber Klages‘ Unterscheidung von fünf von verschiedenen Fähigkeiten
und Neigungen geprägten Typen von Menschen. Er beschreibt die Entwicklung dieser Gruppen zwischen 1987 und 1999 anhand der „trendsensiblen Altersgruppe der
18- bis 30-jährigen“ (Klages 2001, S. 11)6.Klages unterscheidet folgende Typen: der
„ordnungsliebende Konventionalist (9%), auch „Traditionalist“, der bei den jungen
Menschen schon länger eine geringe Rolle spielt, der „perspektivenlose Resignierte“
(10%), als Verlierer des Wertewandels, der sich nicht weiterentwickelt, der
nonkonforme Idealist (18%), der in den 60er Jahren ein Hoch erfuhr und seitdem an
Bedeutung verloren hat, und der hedonistische Materialist (27%), der bis in die Mitte
der 90er Jahre an Bedeutung gewann, aber seit dieser Zeit einen Niedergang erlebt
(vgl. Gensicke 2000b; Klages 2001, S.11). In Klages Studien mit einem Wert von 34
% den größten Anteil der Bevölkerung repräsentieren die „aktiven Realisten“
(Franz; Herbert 1987, S. 40ff).
„Menschen, die dieser Gruppe angehören, sind in der Lage, auf verschiedenartigste Herausforderungen ‚pragmatisch‘ zu reagieren, gleichzeitig aber auch mit starker Erfolgsorientierung ein hohes Niveau an ‚rationaler’ Eigenaktivität und Eigenverantwortung zu erreichen. Sie sind auf eine konstruktiv-kritikfähige und flexible
Weise institutionsorientiert und haben verhältnismäßig wenige Schwierigkeiten,
sich in einer vom schnellen Wandel geprägten Gesellschaft zielbewusst und mit
hoher Selbstsicherheit zu bewegen. Mit allen diesen Eigenschaften nähern sie
sich am ehesten dem Sollprofil menschlicher Handlungsfähigkeiten unter den Bedingungen moderner Gesellschaften an“ (Klages 2001, S. 8).
5 Klages stellt auch eine Wertesynthese fest und meint damit eine Vereinigung gegensätzlicher (z. B. moderner
und traditioneller) Werte (Klages 1985, 1988). Roßteutscher kritisiert die Wertsynthese-Theorie und geht in ihrer
Entgegnung von der Annahme aus, „dass das Wertesystem der Individuen bei weitem nicht so streng und eindeutig geordnet ist, wie von der „klassischen“ Wertetheorie postuliert (Roßteutscher 2004, S. 410). Sie beschreibt
die allgemeine Akzeptanz, das Nebeneinander „unterschiedlicher Werte – ergänzender aber auch widersprüchlicher Natur – als gleich wichtig zu betrachten“ (Roßteutscher 2004, S. 410) und stellt fest, dass die Bildung einer
eindeutigen Wertehierarchie wünschenswert wäre, aber „nicht unter allen Umständen und nicht für alle Menschen
gleichermaßen möglich ist“ (Roßteutscher 2004, S. 410) Hier wird keinem der Ansätze weiter gefolgt.
6 Die Prozentangaben geben den Stand 1999 an; die Trends dürften sich bis heute im Wesentlichen fortgesetzt
haben.
278
Damit beschreibt er typische Merkmale nicht nur einer modernen, sondern vor allem
einer postmodernen Welt. Erste Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Ursachen für die Entstehung des Persönlichkeitstyps aktiver Realisten nicht genetischer
Natur sind, sondern im Bereich der Sozialisation und im familiären Bereich liegen,
also durch Internalisierungsprozesse (vgl. Geulen 2007; Schafer 1968, S. 9) beeinflussbar sind (vgl. Battegay 1996, S. 277; Buber 1965; Mentzos 1996).
„Bei aktiven Realisten spielt (…) die Erfahrung elterlicher geistiger und kultureller
Anregung die wichtigere Rolle sowie die Übertragung eigenständig zu bewältigender Aufgaben, verbunden mit anspornenden Lob durch Eltern und Bezugspersonen“ (Klages 2001, S. 12).
Neben emotionaler und sozialer Vertrauensfähigkeit ist auch ein Bedürfnis nach produktiver Arbeit - entstanden als Prozess der Primärsozialisation im Elternhaus - Teil
der Persönlichkeitsstruktur des aktiven Realisten (vgl. McClelland 1982, S. 290ff).
Auf Grund ihrer Untersuchungen (vgl. Roßteutscher 1997, S. 191f, 366f) kann sich
Roßteutscher der überragenden Bedeutung des „Realisten“ nicht anschließen, sondern erkennt ihn als durchschnittlichen Typen. Diese „Durchschnittlichkeit per se bestätigt weder Parsons These von der Handlungsunfähigkeit der Wertsynthese, noch
belegt sie die Überlegenheit des Realisten (vgl. Roßteutscher 2004, S. 418).
Für die vorliegende Arbeit ist davon auszugehen, dass es zu einer Dynamisierung
der Wertestruktur kommt und sich die Werte in rascherer Abfolge ändern als bisher.
Dadurch werden Verschiebungen der Ordnungen und Regeln bewirkt, die die berufliche und private Lebensgestaltung der Menschen beeinflussen. Wenn sich die Werte
ändern und nicht mehr so stabil sind wie früher, also die Werte ebenso wie die Gesellschaft fließen, muss der Mensch auf die sich verändernden Umständen flexibel
reagieren und seine privaten und beruflichen Netzwerke danach ausrichten: Die erhöhte Flexibilität bewirkt sich dauernd wandelnde Gegebenheiten im beruflichen Bereich, wie sie die flüssige Gesellschaft kennzeichnen: Menschen wechseln häufiger
ihren Arbeitsplatz, werden bedenkenloser entlassen, das Unternehmen fühlt sich den
Arbeitnehmer/innen nicht auf Dauer verpflichtet, das gegenseitige Vertrauen sinkt,
Werte wie Firmentreue und Loyalität haben in der Unternehmensstrategie keinen
Platz mehr.
279
Die Änderungen in der beruflichen Situation wirken sich auch privat aus. Geringe fehlende Loyalität und Treue finden ihren Niederschlag in der privaten Lebensgestaltung. Menschen sind nicht mehr bereit, sich längerfristig an eine Gruppe zu binden.
Sie setzen sich für persönliche Anliegen ein und bilden Initiativen (vgl. Pfau-Effinger
& Schmidt 2002, S.80). Wenn die Initiativen, erfolgreich oder nicht, abgeschlossen
sind, löst sich die Initiative auf. Dies untermauert die Grundannahmen in Bezug auf
die flüssige Gesellschaft (vgl. 6.4).
Geht man von den Überlegungen von Klages bezüglich Eigenverantwortung und aktiver Realisten aus, dann sind genau sie diejenigen, die sich in einer Nachhaltigkeitsgruppe engagieren. Doch sind sie nicht auf der Suche nach langfristigen sozialen
Kontakten, sondern sie wollen sich selbst, ihre Ideen und ihre Fähigkeiten einbringen, um von ihnen selbst definierte Ziele zu erreichen. Sie sind auch nicht willens,
sich einer/m „Anführer/in“ anzuschließen, sondern wollen möglichst selbstbestimmt
innerhalb der Gruppe agieren. Gerade für diese Struktur ist es zielführend, die Arbeit
der Nachhaltigkeitsgruppe in Hinblick auf die „Idee“ in mehrere „Teilpakete“, also Issues zu zerlegen, die mehreren, kleinen Gruppen übertragen und von diesen relativ
autonom abgearbeitet werden können. Besonders wichtig ist es dabei, einerseits die
Fähigkeiten
und
Kompetenzen
des/der
Einzelnen
zu
würdigen
und
miteinzubeziehen, denn diese Menschen sind in erster Linie intrinsisch motiviert. Anderseits gehört zu dieser intrinischen Motivation in Kombination mit dem Zeitmangel
der Individuen auch, dass das verfolgte Issue ihnen persönlich in gewisser Weise
von Nutzen ist, da sie ihr Engagement nur dann vor sich und Dritten rechtfertigen
können.
9.1.3 Hinweise auf Wertwandel in der empirischen Untersuchung
Hinweise auf einen Wertwandel, wie ihn Inglehart beschreibt, finden sich in der empirischen Untersuchung, wenn auch nur versteckt. So engagieren sich nur zwei der
acht Interviewpartner/innen im Rahmen von etablierten Parteien für ihr Nachhaltigkeitsanliegen, und von diesen beiden tut dies auch nur eine ständig und ohne auch
für andere/in anderen Gruppen zu arbeiten: Die Tiroler Interviewpartnerin ist ausschließlich in ihrer Grünen Gemeindegruppe tätig, eine Berliner Interviewpartnerin
arbeitet auch für die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), reflektiert diese Arbeit aber durchaus kritisch:
280
„In der Masse zusammen kann man das subsumieren, deshalb habe ich mich entschieden, in der SPD Sachen nur noch zu mit zu unterstützen, die ich mit meinen
Fähigkeiten unterstützen kann. Den Rest, wo ich die Welt verändern kann, mache
ich dann woanders“ (Amanda S. 1 37-39).
Offensichtlich ist die Bevorzugung offener, wenig formalisierter Formate durch beinahe alle Interviewpartner/innen, wobei aber auch deutlich wird, dass sie selbst durchaus willens sind, sich über einen längeren Zeitraum zu engagieren. So organisiert
einer der Interviewpartner einmal im Monat den „Jour fixe der Berliner Nachhaltigkeitsgruppen“, stellt aber fest:
„Es gibt Leute, die kommen nur hin einmal vielleicht im Jahr und dann vielleicht
gar nicht mehr und es gibt Leute die wirklich sehr aktiv teilnehmen“ (Roman S. 4
9-10).
Auch andere Interviewpartner/innen stellen fest, dass es in den Gruppen sehr viel
Fluktuation gibt. Die angebotenen Formate sind mit der „Social Bar“, den „3+x“ Initiativen etc. sehr informal, es gibt keine fixen Mitgliedschaften, sondern die Teilnahme
ist punktuell und auch nur für ein einziges Mal möglich. Ein Interviewpartner bemerkt
dazu:
„So haben wir verschiedene Ansichten hinsichtlich der Gestaltung der Gruppe. Es
gibt manchen, der glaubt es wäre sinnvoll, einen Verein zu gründen. Ich glaube
aber, damit beschädigen wir den Prozess, weil ein Verein mit weniger als 40 Menschen eine Lachnummer ist. Außerdem wirkt eine Formalisierung eher abschreckend. Das wird eher als Pfründesicherung angesehen“ (Stefan S. 3 9-12).
Insgesamt weisen alle acht befragten Personen typische Merkmale von aktiven Realisten im Sinne von Klages auf: Ihre Aussagen charakterisieren sie als zwar idealistisch und sozial-orientiert, aber durchaus auch als pragmatisch und auf den Erfolg
ihrer jeweiligen Konzepte für Nachhaltigkeitsgruppen bedacht – dafür sind sie sogar
bereit, neben ihrer eigentlichen beruflichen oder Studientätigkeit ein erhebliches Maß
an Zeit aufzubringen. Dennoch merken mehrere der Interviewpartner/innen an, dass
berufliche Änderungen zu Änderungen in ihrer Tätigkeit für Nachhaltigkeitsgruppen
geführt haben. So waren drei der Interviewpartner/innen schon explizit während ihrer
Studienzeit für Nachhaltigkeitsgruppen tätig und haben meist Vortragsserien und
281
Diskussionsreihen mitorganisiert. Mit dem Studienabschluss haben sich hier Betätigungsfelder und Interessen geändert, auch weil (teilweise mehrfach) der Arbeitsort
gewechselt wurde. Eine der Interviewpartner/innen merkt jedoch auch an, dass sich
die erste von ihr mitorganisierte Nachhaltigkeitsgruppe „3+x“ durch persönliche Veränderungen massiv verändert hat, als bei 2 der „3+x“ private Veränderungen eingetreten sind:
„Die gehören nicht zur Combo, weil sie schlicht und einfach zwei oder drei Kinder
bekommen haben, geheiratet haben, straight Karriere gemacht haben“ (Paula S. 2
36-37).
9.2 Lebensstile und Milieus als Motoren von Nachhaltigkeitsgruppen
Die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen rekrutieren sich häufig aus relativ klar abgrenzbaren sozialen Einheiten. Da man heute von Schichten nicht mehr sprechen
kann, werden im Folgenden Lebensstile und Milieus thematisiert, bevor auf die relativ
klar umrissenen Konzepte der LOHAS und LOVOS näher eingegangen wird.
9.2.1 Grundlegendes über Lebensstile und Milieus
Aktiv nachhaltiges Handeln kann sich in Form nachhaltiger Lebensstile (vgl.
Reusswig 1994, S. 39) äußern, denn Lebensstilunterschiede bestimmen viel deutlicher die Gewohnheiten als Schichtunterschiede (vgl. Reusswig 1994, S. 40f). Lebensstile sind
“gruppenspezifische Formen alltäglicher Lebensführung und -deutung von Individuen im ökonomischen, politischen und kulturellen Kontext einer Lebensweise.
Sie vermitteln zwischen objektiver sozialer Lage und subjektiver Lebenswelt. Soziale Distinktion und individuelle Identität sind in Lebensstilen verklammert“
(Reusswig 1994, S. 127).
Lebensstile sind demnach relativ stabile und unmittelbar handlungsorientierte relative
Muster, die nicht hauptsächlich tradiert, sondern bewusst individuell gewählt werden.
Neben der expressiven Note ist die relativ klare Abgrenzung der Lebensstile untereinander von Bedeutung (vgl. Lange 2005, S. 4). Nicht eindeutig allerdings ist die Ab-
282
grenzung der Lebensstile zu den Milieus, denn während Brand darin „Lebensstilgemeinschaften“ versteht (vgl. K.-W. Brand 2002, S.190), fasst Ueltzhoeffer sie auf als
„soziale Gruppen, also Menschen, deren Wertorientierungen, Lebensauffassungen und Lebensweisen ähnlich sind“ und die „nicht ein einziges oder einige wenige subjektive Merkmale des Konsums, Geschmacks oder Lebensstils (isolieren)“
(Uelthhöffer 1999, S. 630).
Der Unterschied zwischen Milieus und Lebensstilen besteht vor allem darin, dass
erstere in der Regel zweidimensional konstruiert sind und die „Schichtzugehörigkeit“
als relativ konstante Größe gegenüberstellen der „Ausrichtung“ von konservativ (bewahren) über modern (verbrauchen, genießen) bis postmodern (Selbsterfüllung finden). Dabei werden tendenziell die konservativen Milieus schwächer und eine Drift
hin in Richtung der moderneren Milieus findet statt (vgl. Vester 2009, S. 38). Wichtig
für die Abgrenzung von Milieus sind nach Siebert die Begriffe Inklusion und Distinktion: „Inklusion verweist auf die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppierung und damit auf die soziale Identität. Distinktion meist Unterscheidung, Abgrenzung von anderen Gruppen (vgl. Siebert 2011, S. 23). Abstrahiert man von den Feinheiten der Unterscheidung (vgl. Tab. 9), bleiben Lebensstile und soziokulturelle Milieus ein möglicher Ansatzpunkt für die Erklärung des Umweltverhaltens bzw. die Differenz zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten (vgl. Lange 2005, S. 5) ebenso wie
für das Lernen insgesamt und damit auch das Nachhaltigkeitslernen, da
„Lernbiographien und Lernstile milieuspezifisch beeinflusst sind. Milieus unterscheiden sich hinsichtlich der Lerninteressen und Lernmotive (und) hinsichtlich der
‚generativen Themen‘ (…) (A)uch informelles und selbstgesteuertes Lernen ist in
verschiedenen Milieus unterschiedlich geprägt“ (Siebert 2011, S. 24).
Siebert weist auch darauf hin, dass zwischen Milieuangehörigkeit und Lernstilen Unterschiede bestehen, die jedoch noch einer genaueren Erforschung bedürfen (vgl.
Siebert 2011, S. 133).
Jahr
Autor
Richter
1990
Thema
Umweltbewusste
nicht-umweltbewusste Lebensstile
Dimensionen







Umwelt
Arbeit
Wirtschaft
Erziehung
Leistungsbewusstsein
Religion
Ehe und Familie
Typenbildung






Leistungsorientierte Materialisten (17%)
Technokratischer Mainstream (17%)
Zuversichtliche Konformisten (16%)
Alternative (11%)
Traditionelle Wertorientierte (22%)
Naturbezogene Traditionalisten (17%)
283
Littig
1995
Götz/Schultz
Empacher/
2000
Schubert
2000
Schuster
2003
SIGMA
2006
SINUS
2013
Tab.
Umweltbewusstsein
 Umweltbewusste Einstelund Umweltverhalten
lungen
 Umweltrhetorik
 Tatsächl. Umweltverhalten
Umweltbezogene
Haushaltskommunikationsstile







Einstellung zum Konsum
Orientierungen
Soziale Situation
Kinder-/Familienzyklus
Haushaltsorganisation
Partnerschaft
Regionalbezug
Theoretischer
Entwurf einer allgemeinen Typologie von
ökologischen
Lebensstilen















Umweltbewusster Lebensstil
Umweltbewusster Normalverbraucher
Umweltbewusste Maulhelden
Umweltbewusste Nonkonformisten
Nicht-Umweltorientierte
Durchorganisierte Ökofamilien
Kinderlose Berufsorientierte
Junge Desinteressierte
Alltagskreative
Konsumgenervte
Ländlich-Traditionelle
Schlecht gestellt Überforderte
Unauffällige Familien
Aktive Senior/innen
Privilegierte
Utilitärer Lebensstilpol:
Idealtypische Abbildung
der pluralen ökologie Lebensstilgrundtyp geringe ökologische
orientierten
LebensstilSensibilisierung
wirklichkeit anhand einer

Lebensstilgrundtyp BasiskonsumentIn
metakategorialen Untertraditionell
scheidung zw. einem

Lebensstilgrundtyp BasiskonsumentIn
utilitären und einem suffitechnomorph
zienten Lebensstilpol
Suffizienter Lebensstilpol:
 Lebensstilgrundtyp ökologische
Suffizienzorientierung
Identifikation natur-  Wertorientierung
 Pragmatische Naturfreunde
schutzbezogener
 Konsumorientierung
 Unabhängige Städter/innen
Lebensstiltypen
 Alltagsästhetische Vor Gesundheitsbewusste Unabhängige
lieben
 Besorgte Naturfreunde
 Körperbild
 Häusliche Ruheständler/innen
 Naturschutzeinstellung
 Erlebnisorientierte Materialisten
 Naturbilder
 Sicherheitsorientierte
Identifikation
ver-  Schichtzugehörigkeit
 Traditionelles Arbeitermilieu (4,2%)
schiedener Milieus
(Einkommen, Status,
 Traditionell bürgerlliches Milieu (10,7%)
Bildung)
 Etabliertes Mileu (9,6%)
 Wertorientierung (Tradi-  Aufstiegsorientiertes Milieu (17,7%)
tionell, modern, postmo-  Konsum-materialisitisches Milieu (11,4%)
dern)
 Hedonistisches Milieu (10,7%)
 Modernes Arbeitermilieu (8,4%)
 Modern bürgerliches Milieu (12,7%)
 Postmodernes Milieu (6,3%)
 Liberal-intellektuelles Milieu (7,6%)
Lebensweltanalyse
 Wertorientierungen und
 Traditionelles Milieu (15 %)
der Gesellschaft
Alltagsroutinen (Traditi Hedonistisches Milieu (15 %)
on, Individualisierung,
 Bürgerliche Mitte (14 %)
Neuorientierung
 Konservativ-etabliertes Milieu (10 %)
 Lebensweisen (Einkom-  Prekäres Milieu (9 %)
men, Status,Bildung)
 Adaptiv-pragmatisches Milieu (9 %)
 Sozialökologisches Milieu (7 %)
 Liberal-intellektuelles Milieu (7 %)
 Milieu der Performer (7 %)
 Expeditives Milieu (6 %)
9:
Lebensstile
und
Milieueinteilungen
ziert und erweitert nach Degenhard 2006, 31ff, vgl. auch Ascheberg 2006),
(modifivgl.
weiter
http://www.sinus-institut.de/de/loesungen/sinus-milieus.html
284
Für die Gestaltung von Nachhaltigkeitsgruppen besonders interessant ist die Frage,
aus welchen Lebensstilen und Milieus überhaupt sich Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen rekrutieren und welchen Lernstilen sie anhängen. Noch weiter führt die Idee,
dass man durch ein spezielles „Marketing“, also eine Konzipierung von Gruppenstruktur, -programm und –aktivitäten gezielt Mitglieder bestimmter Lebensstile und
Milieus ansprechen kann (vgl. Lange 2005, S. 3). In Bezug auf Nachhaltigkeitsgruppen kann man hier allerdings weniger von Zielgruppen, man müsste vielmehr von
„Quellgruppen“ für Mitglieder sprechen.
Auf eine konkretere Darstellung der älteren Lebensstiltypologisierungen bzw. der
bereits sieben Jahre alten Sigma Milieus wird hier verzichtet.
Abb. 14: Die Sinus-Milieus (VuMA 2013, Anhang Xll)
Betrachtet man die Sinus Milieus genauer (vgl. Abb. 14Tab. 9), so erkennt man die
Parameter, anhand derer die horizontale Einstufung vorgenommen wird als

Tradition:
o Festhalten: Traditionsverwurzelung
o Bewahren: Modernisierte Tradition

Modernisierung/Individualisierung:
o Haben und Genießen: Lebensstandard, Status, Besitz
285
o Sein und Verändern: Selbstverwirklichung, Authentizität, Emanzipation

Neuorientierung:
o Machen und Erleben: Multioptionalität, Beschleunigung, Pragmatismus
o Grenze überwinden: Exploration, Refokussierung, neue Synthesen
Sucht man in diesen Parametern nach Ansatzpunkten zur Identifikation potentieller
Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe, so wird man am ehesten in den horizontalen
Bereichen „Sein und Verändern“, „Machen und Erleben“ und „Grenzen überwinden“
sowie in den vertikalen Bereichen der mittleren Mittel- bis Oberschicht fündig. Damit
erweisen sich die folgenden Milieus als potentielle Zuordnungsbereiche für Mitglieder
von Nachhaltigkeitsgruppen (vgl. VuMA 2013, Anhang XlV):

Liberal-intellektuelles Milieu: Aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung
und postmateriellen Wurzeln, starker Wunsch nach Selbstbestimmung

Milieu der Performer: Effizienz-orientierte Leistungselite, denkt global, hohe ITKompetenz, sieht sich als stilistische Avantgarde

Expeditives Milieu: Unkonventionelle, kreative Avantgarde, individualistisch, sehr
mobil, digital vernetzt, sucht nach neuen Grenzen und neuen Lösungen

Adaptiv-pragmatisches Milieu: Zielstrebige, junge Mitte der Gesellschaft mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nutzenkalkül

Sozialökologisches Milieu: Idealistisch, konsumkritisch, globalisierungsskeptisch,
besitzt ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen
Insbesondere das sozialökologische Milieu kommt als „Quelle“ potenzieller Mitgliedern von Nachhaltigkeitsgruppen in Betracht. Allerdings wird es einen einzig richtignachhaltigen Lebensstil nicht geben, vielmehr sind pluralistische Lebensentwürfe
entsprechend zu würdigen und durch entsprechende Bildungs-, Beratungs- und Erlebnisangebote gezielt in den Köpfen der Menschen zu verankern:
„Betrachtet man Nachhaltigkeit weniger als Inhalt, sondern vielmehr als gesellschaftlichen Veränderungsprozess, stellt sich zuallererst die Frage, wie die erfolgreiche Verbreitung nachhaltiger Lebensstile mit der bestehenden Pluralität von
Lebensentwürfen zusammenpasst, wird doch damit eine Homogenisierung der
286
Gesellschaft
im
Sinne
der
Nachhaltigkeit
angestrebt“
(Mert; Seebacher 2008, S. 47).
9.2.2 LOHAS und LOVOS als nachhaltigkeitsorientierte Lebensstile
Effektiv und effizient umsetzen lässt sich das eben beschriebene Konzept, indem
man mit den natürlichen Ressourcen sparsamer umgeht und dort verzichtet, wo es
wenig weh tut. Diese Haltung spiegelt sich im so genannten LOHAS (vgl. „Lifestyle of
Health and Sustainability“, Wenzel; Kirig 2009) wider. Das Akronym steht stellvertretend für eine ganze Subkultur von Menschen, die Wert auf gesunde Ernährung und
ökologisch produzierte Lebensmittel legen. Demografie und Charakteristik der
LOHAS sind nur schwer festzulegen. Zwischen 5% bis über 30 % (vgl. Nielsen
2008a) der Bevölkerung sind LOHAS im engeren oder weiteren Sinne. Frauen sind
dem LOHAS-Lebensstil eher zugeneigt als Männer. LOHAS sind mittleren bis höheren Alters und verfügen über ein überdurchschnittliches Einkommen. In ihrer Lebenseinstellung bilden Dinge wie Genuss und Gesundheit, Naturverbundenheit und
technisches Interesse, Umwelt- und Sozialbewusstsein oder Modebewusstsein und
gadget-Bewusstsein keine Gegensätze, sondern ergänzen sich vielmehr in für
LOHAS reizvoller Weise (vgl. Reichart 2007, S. 4–6).
Abwertend werden sie auch als "Öko-Bohème" bezeichnet. Die LOHAS sind vorwiegend Mitglieder der gehobeneren Gesellschaftsschicht und können sich daher eine
gesunde Lebensführung und eine entsprechende Gesundheitsvorsorge leisten. Ihre
gehobene Position in den auf Individualität und Veränderung ausgerichteten Milieus
der postmodernen Mittel- und Oberschicht erlaubt ihnen einen auf persönliche Entfaltung ausgerichteten Lebensstil. „Eine hinreichend gefüllte Geldbörse versetzt in die
Lage, Eier von ‚glücklichen Hühnern‘ und Blätter von ‚glücklichen Salatköpfen‘ zu
verschmausen“ (Gelbmann; Klampfl-Pernold; Moser 2009, S. 46). LOHAS interessieren sich für Gesundheit und „grüne“ Anliegen im Allgemeinen. Ein besonderes Kennzeichen der LOHAS ist ihre hohe Konsumorientierung. Aus diesem Grund meinen
Kritiker, die LOHAS seien nur eine milieuspezifische Ausprägung des postmodernen
Konsumismus. Laut Verbraucheranalyse kann man ca. 6 % der Deutschen (und wohl
auch der Österreicher/innen) als „Kern-Lohas“ bezeichnen, aber insgesamt zählen
36 % der Bevölkerung zu diesem Lebensstil (vgl. Axel Springer Verlag 2009). Bei
den Themen, die für LOHAS relevant sind, stehen dabei fairer Handel, biologische
287
Landwirtschaft, Gesundheit und Ernährung, aber auch etwa nachhaltiges Investment
im Vordergrund (vgl. Schmitt 2005): LOHAS sind Kapitalist/innen.
Im Gegensatz dazu sind auch den LOVOS («Lifestyles of Voluntary Simplicity»)
Nachhaltigkeit und Gesundheit zwar auch sehr wichtig, doch lehnen sie die konsumorientierte Welt der LOHAS ab. Sie kritisieren sowohl die Überbewertung des Materiellen als auch die Schnelllebigkeit und stellen jenseits des Materialismus den Menschen ins Zentrum. Doch auch sie sind letztlich zu den materialistisch Orientierten zu
zählen. Die für sie relevanten Themen sind Eigenproduktion (etwa auch von Elektrizität), Energiesparen und Religion/Esoterik. Sie nutzen gerne die Neuen Medien, um
Plattformen zu bilden, auf denen sie sich austauschen und halten nichts von
„Mainstream-Medien“ wie dem Fernsehen.
LOHAS (und implizit auch LOVOS) ist zum Modebegriff der Trendforscher und Thema zahlreicher Studien geworden (vgl. Burda 2007; Rössler; Brenken 2009; Wenzel; Kirig; Rauch 2008).
„Sie gelten als ökologisch orientiert, gebildet, kaufkräftig, kritisch und meinungsbildend: die LOHAS. (…) Als neue soziokulturelle Bewegung sind sie immer häufiger
Anlass für Berichterstattung und bildreiche Vermutungen. Gesicherte Kenntnisse
gab es bislang jedoch kaum“ (Nielsen 2008, S. 1).
Die LOHAS selbst sehen sich als Beginn einer Veränderung, mit dem Blickpunkt auf
„Ausrichtung
der
Lebensweise
auf
Gesundheit
und
Nachhaltigkeit“
(LOHAS 2010, S. 1) und stellen den neuen Schwerpunkt an den Anfang ihrer Überlegungen:
„Neue Werte, neues Bewusstsein, die Bedürfnisse der Menschen richten sich
nach /innen, eine Umkehr der Lebensweise nach Selbstkenntnis, nach Stressfreiheit und Entschleunigung, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Beständigkeit. Dies alles mündet in eine Nachfrage von wirtschaftlich, gesundheitlich und ökonomisch
sinnvollen Produkten und Dienstleistungen“ (LOHAS 2010, S. 1).
Es gibt verschiedene Blickrichtungen auf die Definition der LOHAS. Während
Aburdene die Gruppe der LOHAS als wichtigen Wirtschaftsfaktor sieht (vgl.
Aburdene 2007, S. 92), beschreiben Ray und Anderson auf Basis einer Umfrage von
etwa 100.000 US-Bürger/innen die „Kulturellen Kreativen“ als Menschen, die mittels
288
neuer Gedanken eine kulturelle Veränderung der Gesellschaft erreichen wollen –
und damit als typische LOHAS (vgl. Ray & Anderson 2000, S. 39). Die „Kulturellen
Kreativen“ unterteilen sich in zwei Gruppen: In die Kerngruppe, die sich auf ökologische und persönlichkeitsorientierte (Selbstverwirklichung, Spiritualität, Psychologie,
Esoterik etc.) Wertvorstellungen orientiert und eine zweite Gruppe, die sich auf sozioökologische Themen konzentriert (vgl. Ray & Anderson 2000, S. 10). Diese Unterteilung ist insofern bemerkenswert, als ja auch die Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppen in Kern- und sonstige Mitglieder unterteilt wurden (5.6.4). Und noch ein weiterer
Aspekt spricht nach Ray und Anderson dafür, dass LOHAS eine gute potenzielle
Quellgruppe für Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe sind: LOHAS werden vorangetrieben von Authentizität als Übereinstimmung von Denken und Tun, Einstellung
und dem daraus resultierenden Handeln (vgl. Ray & Anderson 2000, S. 8).
9.2.3 Analyse der im Rahmen der empirischen Untersuchung befragten
Personen
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden in den acht Interviews acht Personen befragt, die eine oder mehrere Nachhaltigkeitsgruppen initiiert und/oder über
einen längeren Zeitraum in einer führenden Position begleitet haben. Sieben dieser
acht Personen, und zwar alle in Berlin befragten Personen, waren angehende oder
bereits fertig ausgebildete Akademiker/innen. Lediglich die in Österreich befragte
Frau ist Zahnarzthelferin und verfügt nicht über einen akademischen Hintergrund.
Auch wenn dieses Ergebnis durch die Auswahl der Interviewpartner/innen über die
selbst ernannte Plattform der Nachhaltigkeitsgruppen möglicherweise etwas verzerrt
ist, so weist es dennoch eine eindeutige Tendenz auf, dass sich in Nachhaltigkeitsgruppen vor allem Personen mit höherem Ausbildungsniveau betätigen.
Auch bezüglich des Alter der Interviewpartner/innen zeigt sich eine Übereinstimmung
mit den theoretischen Befunden: Sechs waren um dreißig Jahre alt, eine Interviewpartnerin Mitte vierzig, nur ein Interviewpartner war zum Zeitpunkt des Interviews bereits über fünfzig Jahre alt. Es engagieren sich, nach den Ergebnissen der Interviews, tendenziell jüngere, wenn auch nicht unbedingt sehr junge Menschen in
Nachhaltigkeitsgruppen.
289
Zwar wurde im Rahmen der Interviews nicht direkt nach der politischen Einstellungen
und den persönlichen Werten der Interviewpartner/innen gefragt, aus den Antworten
zeigt sich aber, dass die meisten eher einem eher „linken“, sozial-liberal orientierten
Spektrum angehören. Eine Interviewpartnerin bezeichnet sich selbst als „Grüne“, eine spricht explizit von ihrer Arbeit für die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Auch dieser Befund ist konsistent mit den Befunden der theoretischen Arbeit.
Betrachtet man die Sinus-Milieus näher, so lassen sich die meisten Interviewpartner/innen gut in die identifizierten Milieus einpassen: So scheint einer der Interviewpartner aus dem Milieu der Performer zu stammen, mit dem Hintergrund eines Betriebswirtschaftsstudiums, hoher Kompetenz im IT-Bereich und einer starken Effizienzorientierung (Heinrich). Eine der Interviewpartner/innen stammt aus dem Expeditiven Milieu: Sie strebt immer wieder danach, neue, unkonventionelle Projekte in
Gang zu setzten, nutzt dazu intensiv neue Medien. Sobald ihre neuen Projekte ins
Laufen gekommen sind, ist sie nicht mehr interessiert und sucht nach neuen Herausforderungen (Paula). Die jüngste Interviewpartnerin gehört eher dem adaptivpragmatischen Milieu an: Sie sieht ihr Engagement für eine Nachhaltigkeitsgruppe
als Ausbildungszusatz und Möglichkeit entsprechende Kontakte zu knüpfen, auch
wenn sie angibt, dass sie nur eine Praktikumsstelle hat und sie zeitliche Probleme
hat, diese Arbeit neben ihrer Promotion voranzutreiben (Jasmin). Die übrigen Interviewpartner/innen gehören im Wesentlichen dem Sozialökologischen Milieu an. Sie
sind ausgeprägt idealistisch und ihre wesentliche Motivation ist ihr sozialökologisches Gewissen und auch die Konsumkritik. Auch wenn daher eigentlich keine/r der
Interviewpartner/innen explizit der LOHAS-Kerngruppe zugerechnet werden kann,
wohl aber der sozial-ökologischen Gruppe.
290
10 Schlussfolgerungen
Die vorliegende Dissertation unternimmt den Versuch zu erklären, warum Gruppen
im Allgemeinen und Nachhaltigkeitsgruppen im Speziellen in der heutigen Zeit nicht
mehr so stabil sind, wie dies Gruppen noch vor wenigen Jahrzehnten gewesen sind.
Dazu wurden verschiedene Ansatzpunkte dargestellt und diskutiert. In diesem Kapitel erfolgt nun die Zusammenschau der Ergebnisse in Rahmen der Diskussion. Das
Fazit bzw. ein Ausblick auf zukünftige weiter notwendige Forschungsarbeiten beschließt die vorliegende Dissertation.
10.1 Diskussion: Die Gruppe atmet
Nachhaltigkeit ist Thema, das uns alle angeht, und kann nicht von einzelnen Personen umgesetzt werden (wiewohl jede/r Einzelne etwas zu Nachhaltigkeit beitragen
kann). Bereits am Beginn der Nachhaltigkeitsdebatte wurde in der Agenda 21 (vgl.
United Nations 1992a) die besondere Bedeutung des Engagements in Gruppen herausgestrichen, die Nachhaltigkeitsanliegen aufgreifen und nachhaltige Entwicklung
vorantreiben.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit deuten jedoch darauf hin, dass wie andere
soziale Phänomene auch Gruppen im beginnenden dritten Jahrtausend einer massiven Veränderung unterliegen: Die „lebenslange“ Mitgliedschaft, wie sie früher üblich
war, spielt keine Rolle mehr. Vielmehr tendieren Menschen dazu, sich Gruppen für
einen bestimmten Zeitraum anzuschließen, in dem sie die Mitgliedschaft in der
Gruppe für sich selbst als nützlich und zielbringend erachten, um die Gruppe sofort
wieder zu verlassen, sobald sie sich keinen Nutzen mehr von der Gruppe erwarten:
„Commitment is an obstacle to be cleared out of the way“ (Bauman 2000, S. 14).
Damit verliert die Struktur der „Gruppe“ an Stabilität.
Dieser Befund scheint auf den ersten Blick negativ, da Mechanismen zur Steuerung
und Entwicklung von Gruppen obsolet werden, die seit langen Jahren eingeübt und
eingespielt waren. Jedoch macht nicht nur das soziale Phänomen „Gruppe“ diese
Wandlung durch, sondern die natürlichen, technologischen, wirtschaftlichen und
auch gesellschaftlichen Determinanten der Welt, wie wir sie wahrnehmen, unterlie-
291
gen einer zunehmenden Dynamik, der man mit den bisher gültigen statischen Strukturen nicht mehr beikommen kann.
Dieser Befund stimmt auch mit den Ergebnissen der Arbeit zum Thema Motivation
und Handeln überein, da Menschen beginnen, sich für Anliegen und auch für andere
Menschen (nur) dann zu interessieren, wenn sie selbst einen Mangelzustand empfinden (vgl. Gabriel et al. 2002, S. 218ff), vgl. 8.4.3.3. Diese Anliegen oder Issues
treiben das Handeln der Menschen und führen sogar dazu, dass sich die Individuen
„Mitstreiter/innen“ in in gruppenartigen Strukturen suchen, doch nach Erreichung
oder Nicht-Erreichung der jeweiligen Ziele verlieren diese Strukturen sofort an Bedeutung und die Menschen suchen sich neue Betätigungsfelder. Damit erfahren
auch Werte wie Solidarität oder Treue eine Dynamisierung, und auch die Motivation
der einzelnen Gruppenmitgllieder erweist sich als hochdynamisch.
Daraus ergibt sich, dass die Dynamisierung auch der sozialen Strukturen nötig wird,
mithin das, was Bauman abschätzig als Verflüssigung anprangert. Wenn die Anforderungen und Herausforderungen sich immer schneller ändern, müssen auch die
Strukturen flexibel beschaffen sein. Doch das ist nicht unbedingt negativ. Nach Kruse
(vgl. Kruse 2002, S. 6) ist Störung eine notwendige Voraussetzung für das Gelingen
von Veränderung, auch im Sinne von kreativer Zerstörung (vgl. Schumpeter 1997),
vgl. 5.2.1. Damit bestimmt langsame Evolution eines Systems (einer Institution, einer
Organisation oder Gruppe) aber bereits dessen Niedergang, weil die kontinuierliche
Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg Stabilität vorgaukelt und die Notwendigkeit des Wandels von Strukturen verdeckt (vgl. Holling 2001, S. 395).
Dementsprechend wird die Struktur der Nachhaltigkeitsgruppe in der vorliegenden
Arbeit panarchisch über adaptive Schleifen in der so genannten Triple-I-Struktur definiert (vgl. 5.6): Oberstes, nur über einen längeren Zeitraum veränderliches Element
darin ist die Idee als grundsätzliche gemeinsame Vorstellung davon, was die Gruppe
antreibt und was für sie wünschenswert ist. Die nächstuntere Ebene nehmen die
Themen oder Issues ein, mit denen sich die Nachhaltligkeitsgruppe auseinandersetzt. Diese werden über einen gewissen Zeitraum hin verfolgt bis die jeweilig gesetzten Ziele erreicht werden oder eben nicht. Auf der untersten Ebene spielen sich
konkrete Inhalte, also Aktionen und Handlungen, ab, die dazu dienen, die Issues
umzusetzen und so die Idee zu realisieren. Wenn nun ein Issue beendet ist oder eine
292
Initiative umgesetzt und die dort involvierten Mitglieder die Gruppe (wieder) verlassen, so kann dies zum Zusammenbrechen der jeweils übergeordneten Ebene führen,
wenn sich diese nah an einer (Zusammenbruch-)Schwelle befindet („Revolt“). So
kann das jähe Ende einer Initiative z. B. durch Ausscheiden eines zentralen Mitgliedes ein ganzes Issue zu Fall bringen, wenn sich dieses bereits in einer prekären Situation befunden hat, etwa in einem Konflikt. In seltenen Fällen kann das Kollabieren
eines Issue sogar die Idee und damit die Nachhaltigkeitsgruppe als Ganzes zu Fall
bringen, wenn die Idee unter den Mitgliedern der Gruppe umstritten und damit einer
(Zusammenbruch-)Schwelle nahe ist. Meist aber wird es so sein, dass die Idee relativ beständig ist und der gesamten panarchisch organisierten Gruppe Stabilität verleiht, auch wenn Issues und Initiativen wegbrechen (im Sinne eines „Remember“).
Damit ist diese Darstellung der Nachhaltigkeitsgruppe ideal, wenn sich im Zeitablauf
Aktionen, Themen und langfristig sogar die Idee ändern. Diese Expansion und Kontraktion der einzelnen Gruppenebenen sowohl was die Mitgliederzahl als auch was
die Anzahl und die Intensität einzelner (Themen-)Gruppen betrifft, wird mit dem Begriff „Die Gruppe atmet“ umschrieben. Damit dieses Schema langfristig funktionieren
kann, bedarf es des Erwerbs entsprechender Handlungskompetenzen durch die
Bürger/innen ebenso wie einer Flexibilisierung der staatlichen Lenkungsstrukturen.
Beidem wird durch das so genannte Empowerment entsprochen, in dessen Rahmen
die direkte Mitwirkung an demokratischen Institutionen forciert wird. Ebenso vorangetrieben werden muss ein transparenter Zugang zu Informationen und Bereitstellung
von Möglichkeiten, persönliche und soziale Kompetenzen zu erwerben, vgl. 7.2.
Mit den in den letzten Absätzen beschriebenen Vorgaben umzugehen, erfordert die
Resilienz der betroffenen Systeme – wie der Nachhaltigkeitsgruppen - in dem Sinne,
dass die Systeme nach der als Störung empfundenen Änderung sich selbst
(re)organisieren. Im Fall der Nachhaltigkeitsgruppe heißt dies, dass sich die Gruppe
nach dem Ende eines Issues und/oder nachdem Ausscheiden eines oder mehrerer
Mitglieder wieder neuen Aufgaben zuwendet, neue Mitglieder akquiriert und von
neuem tätig wird. Nur wenn sie sich ändern, können sie dieselben bleiben.
In letzter Konsequenz wird die Resillienz der Nachhaltigkeitsgruppe zu einem Maß
für ihre Fähigkeit und Bereitschaft zu lernen und sich an Herausforderungen und an
neue Gegebenheiten anzupassen und damit zu einem Ansatzpunkt für lebensbeglei293
tendes Lernen: In Anlehnung an Heinz von Foerster’s ethischen Imperativ „Handle
stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst“ (vgl. von Foerster 2000, S. 49),
vgl. 5.4 entspricht dies der Vorstellung, dass Bildung beiträgt zu Vermehrung der
Möglichkeiten des Erkennens und zur Aneignung von Welt (vgl. Egger 2008).
Damit ist die Nachhaltigkeitsgruppe definiert als ein möglicher Ort, an dem lebensbegleitend Lernen stattfinden kann. Damit dieses Lernen allerdings fruchtbringend sein
kann, gilt unter den gegebenen Bedingungen der zunehmenden Dynamisierung und
Flexibilisierung der „Welt“, dass Beharrungstendenzen und so genannte Pfadabhängigkeiten überwunden werden müssen. Die Literatur zu Pfadabhängigkeiten ist mannigfaltig (vgl. 5.3 und die dort zitierte Literatur), doch befasst sich kaum eine der Publikationen als Nachhaltigkeitsbarriere mit den für eine grundlegende Änderung von
eingeschlagenen Pfaden und Abweichung von eingeübten Schemata notwendigen
Lernprozessen.
Die damit für den nachhaltigen Bestand von Nachhaltigkeitsgruppen nötigen Lernprozesse beruhen daher auf einer Anpassung der gebildeten Schemata, mithin auf
einer
Akkomodation
im
Sinne
von
Piaget
oder
Illeris
(vgl.
Piaget 1975;
Illeris 2010, S. 50), vgl. 4.2.2.1 bzw. dem Lernen 2 bei Bateson (vgl. Bateson 1981, S. 380ff), vgl. 4.2.2.2. Letzlich wird vielfach eine völlige Abkehr von tradierten Schemata nötig sein und daher transformatives Lernen im Sinne von Piaget oder
Illeris oder Lernen 3 nach Bateson erfordern. Auch expansives Lernen, wie es
Holzkamp beschreibt, ist in diesen Situationen ratsam (vgl. Holzkamp 1995, S. 245),
vgl. 4.4.3. Hinweise lassen sich hier aber auch aus dem Lernen in der adaptiven
Schleife ziehen (vgl. 5.3): Nur der Übergang r nach K vollzieht sich langsam und kontinuierlich, sodass mit denselben Schemata Wissen akkumuliert bzw. assimiliert werden kann. Je komplexer die Organisation bzw. die Struktur der Gruppe wird, desto
weniger reicht einfaches, triviales Lernen aus. Im Rahmen der Exploitation werden
bekannte Lösungen schrittweise ausgebaut. Wenn sich das System einer Schwelle
nähert bzw. diese gar überschreitet, versagen klassische Lernmechanismen: In der
Phase des Zusammenbruchs kommt es zu „schöpferischer Zerstörung“ (Ω nach ) –
alte Schemata brechen zusammen, hier ist die radikalste Innovation und zugleich der
stärkste Lerneffekt möglich, wobei mithilfe des transformativen Lernens völlig neue
Schemata entwickelt werden müssen. Exploration findet statt, indem man sich mit
294
völlig neuen Situationen und Lösungswegen auseinandersetzen muss. Sobald der
Zusammenbruch überwunden ist und eine neue einigermaßen stabile Wachstumsphase begonnen hat, können wieder Akkomodation und Assimilation greifen, insgesamt werden die Lernprozesse wieder einfacher, und Exploitation als Übertragung
bekannter Lösungswege auf neue Anforderungen kann stattfinden. Die eben beschriebenen Zusammenhänge werden schematisch in Abb. 15 beschrieben.
Handlungsstrategie
Steuerung
Systemzustand
Regelung
stabil
Versuch
und Irrtum
Selbstorganisation
instabil
Ω-
instabil
-r
einfach
komplex
stabil
r-K
Organisation
Funktionsweise
einfach
UrsacheWirkung
komplex
Soll-IstAbgleich
Suchbewegung
MusterWechsel
Management von Stabilität Management von Instabilität
EXPLOITATION
EXPLORATION
Assimilation =
Lernen 1
„Triviales
Lernen“
Lernen 3
Akkomodation =
Lernen 2
„Nichttriviales“ =
Transformatives
Lernen
„Triviales
Lernen“
Abb. 15: Zusammenschau von für Nachhaltigkeitsgruppen relevanten Lerntypen
Damit dies möglich wird, müssen die Menschen jedoch auch über die Fähigkeit zur
Selbstreflexion und zum Entscheiden in komplexen, unübersichtlichen und durch das
Vorhandensein einer Flut von Informationen gekennzeichneten Situationen fähig
sein. Diese Kompetenzen erwerben sie durch so genannte intrinsische Nachhaltigkeitsbildung (vgl. Chamberlin 1997, S. 44ff), vgl. 4.4.4
Deren Ziel ist es, selbstreflektierte Individuen hervorzubringen, die in der Lage sind,
die eigenen Werte durch systematisches Denken zu hinterfragen, in komplexen Entscheidungssituationen problemlösend zu agieren und die positiv in die Zukunft blicken (vgl. Tilbury 2011, S. 8). Um dieses Vorgaben letztlich in Nachhaltigkeitsgrup295
pen positiv umzusetzen, müssen diese in einer Weise gemanaget werden, die Instabilität bewusst in Kauf nimmt und den Wandel zum Erfolgsfaktor der Gruppe werden
lässt. In Anlehnung an Konzepte aus dem so genannten Change Management:(vgl.
Kruse 2002, S. 31) ist es dazu nötig

Störungen als Anreize zur Veränderung zu akzeptieren

aktiv danach zu trachten, vorhandene pfadabhängige Schemata aufzubrechen

die Instabilitätstoleranz der Betroffenen (hier also der Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppe) zu erhöhen; diese bezeichnet man auch als persönliche Resilienz:
den dynamischen Prozess der positiven Anpassung im Zusammenhang mit einer
signifikanten Widrigkeit (vgl. Luthar; Cicchetti; Becker 2007, S. 543),

einen sowohl für die Mitglieder als auch von außen transparenten Prozess zu
schaffen, sodass weder gruppenintern, noch gruppenextern der Anschein entsteht, dass die Gruppe versagt, wenn mehrere Mitglieder sie verlassen,

vorhandenes Wissen und vorhandene Kompetenzen zu vernetzen,

eine offene, wertschätzende, aber trotzdem konstruktiv-kritische Kommunikationskultur zu etablieren,

darauf zu achten, dass für die Gruppenmitglieder persönliche Nutzen aus dem
Engagement in der Gruppe erwachsen.
Die Schlussfolgerungen aus diesen Anforderungen implizieren, dass an der Steigerung der Resilienz sowohl der gesamten Nachhaltigkeitsgruppe als auch an der der
einzelnen Mitglieder gearbeitet werden muss. Die Schlussfolgerungen implizieren
aber auch, dass den Mitgliedern speziell zugeschnittene Angebote unterbreitet werden müssen, die einerseits die direkten Bedürfnisse und Interessen adressieren, anderseits den Mitgliedern über einen kurzen Zeitraum zu kollektiven Erlebnissen verhelfen. Zielführend ist daher die Anwendung einer „panem et circenses“ Strategie.
10.2 Fazit und Ausblick
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, eine neue Art der Gruppe zu definieren, die sich über einen längeren Zeitraum hin mit Nachhaltigkeitsanliegen im Sinne
des Drei-Säulen-Modells der Nachhaltgkeit befassen. Nachhaltigkeit wird dabei aller296
dings nicht als zu erreichendes Ziel angesehen, sondern als dynamischer Sachverhalt, der die Arbeit und die Zusammensetzung der Gruppe permanent beeinflusst.
Dies erfordert, dass sich sowohl die Aufgaben und Inhalte, als auch die Zusammensetzung der Gruppe ständig ändern können, ohne dass die Gruppe zugrundegeht.
Als Ansatzpunkt für diese Anforderungen dient ein Konzept aus der Systemforschung, das Panarchiekonzept, dass die Möglichkeit beschreibt, wie mehrere, einander hierarchisch unter- und übergeordnete Systeme miteinander interagieren und
jeweils teilweise Krisen und Kontraktionen erleben können, in die die anderen Teilsysteme sogar teilweise mit hineingezogen werden können, doch insgesamt bleibt
das Gesamtsystem erhalten, wenn auch möglicherweise in Teilen massiv verändert.
Nachhaltigkeitsgruppen auf dieser Basis werden in der vorliegenden Arbeit als das
Tripel-I-Modell bezeichnet und dargestellt. Ausgehend von einer langfristigen Idee
als Oberziel werden konkrete Themen (Issues) und Interessen als mittelfristige Ziele
bearbeitet, die mithilfe der Inhalte oder Initiativen als kurzfristigen Handlungszielen
umgesetzt werden. Mithilfe des Triple-I-Modells können die drei Ebenen der Nachhaltigkeitsgruppe beschrieben und analysiert werden im Hinblick auf die Inhalte, mit
denen sich Nachhaltigkeitsgruppen befassen. Gesondert erfasst werden muss aber
die zugrundeliegende Motivationsstruktur der Menschen. Denn angetrieben werden
die Menschen dabei von ihren Werten und Einstellungen, vor allem aber von ihren
konkreten persönlichen Interessen und den Erfolgen, die sie sich von ihrem Engagement erwarten.
Allerdings prallen in der Arbeit sehr positive und sehr negative Menschenbilder aufeinander. Bauman und Sennett beschreiben ein sehr negatives Menschenbild, das
die Menschen wenn nicht als unwillig und faul, dann doch als Getriebene darstellt.
Demgegenüber gehen Theorien wie Partizipation, selbstbestimmtes Lernen usw. von
einem sehr positiven Menschenbild aus. Die Schwierigkeit besteht jetzt darin, diese
Menschenbilder miteinander zu vereinen bzw. sie in Beziehung zu bringen. Doch
eröffnet genau diese Diskrepanz in einer dynamischen, instabilen Situation die Möglichkeit der Weiterentwicklung und Anpassung an sich wandelnde Verhältnisse. Denn
durch die ständigen Expansion und Kontraktion der Gruppe werden Adaptions- und
Lernprozesse angeregt.
297
Es gilt daher, die Instabilität als Chance aufzufassen, in einem dynamischen Feld
langfristig Erfolg zu haben. Kruse bringt dies auf dem Punkt, indem er meint: „Stabilität macht handlungsfähig, Instabilität macht kreativ. (…) Vorgefertigte Konzepte gibt
es im Management von Instabilität nicht. Die Lösung kann nur über eine Moderation
der Intelligenz aller Beteiligten entstehen. Es gilt, die Vernetzung des Expertenwissens und aktives Querdenken (…) zu fördern“ (vgl. Kruse 2002, S. 6).
Damit ist einer der wesentlichen Inhalte der Arbeit angesprochen: die Frage, welche
Rolle Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen einnimmt und vice versa welchen Beitrag
Nachhaltigkeitsgruppen zu einer lebenslangen oder lebensbegleitenden Bildung leisten können. Hier ist festzuhalten, dass Nachhaltigkeitsgruppen offenbar ein geeigneter Ort für diese Form des Lernens sind, da Menschen hier weniger auf formaler als
auf non-formaler und informeller Basis Wissen erwerben, das sie im Rahmen des
jeweiligen Interesses, aber auch darüberhinaus einsetzen können – das Lernen erfolgt daher zugleich zweckorientiert und wird meist von den Lernenden selbst initiert
und gesteuert. Erworben werden dabei nachhaltigkeitsspezifisches Wissen, doch vor
allem so genannte Handlungskompetenzen, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsbildung essentiell sind, wie etwa die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen oder in unübersichtlichen Situationen und bei widersprüchlichen oder einem Übermaß von Informationen, dennoch eine zukunftsfähige Entscheidung treffen zu können.
Das Triple-I-Modell als Beschreibungsmodell ist allerdings nicht in der Lage, Aussagen darüber zu machen, welche konkreten Instrumente für die Wissensvermittlung
und die Steuerung der Nachhaltigkeitsgruppe vonnöten sind. Hier sind weiterführende Forschungsarbeiten nötig, die etwa eine Längsschnittanalyse einer einzelnen
oder mehrerer Gruppen beinhalten. Dies ist nur eine der Limitationen der Studie:
Denn der rein qualitative Zugang, der dem Anspruch der Erschließung eines neuen
Forschungsgebietes gerecht wird, erlaubt nur eine teilweise Verallgemeinerung der
Daten, hier wäre eine quantitativ-repräsentative Untersuchung notwendig, um repräsentative Daten zu erheben, etwa unter in den in einer Region erhebbaren Nachhaltigkeitsgruppen (wieder mit dem Problem, dass hier die Grundgesamtheit schwer
definierbar ist). Damit wird eine weitere Einschränkung der Studie sichtbar: Wenn
nicht einmal klar ist, welche Gruppierungen nun tatsächlich als Nachhaltigkeitsgruppen bezeichnet werden können, ist erst recht unklar, ob die Ergebnisse der vorlie298
genden Arbeit auf „alle“ Nachhaltigkeitsgruppen übertragbar sind. Entsprechend
ergibt sich der zukünftige Forschungsbedarf als Ausbau der verfügbaren Datenbasis
und dementsprechend Identifikation und Strukturierung verschiedener Arten von
Nachhaltigkeitsgruppen. Schließlich sollten für die Praxis konkretere Hinweise zur
Steuerung der Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt werden.
Damit legt die vorliegende Arbeit zwar ein konsistentes Konzept der Nachhaltigkeitsgruppen vor, sieht sich aber selbst nur als Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von
weiteren Forschungsaufgaben, die für die zukünftige Entwicklung der Nachhaltigkeitsbildung, auch über das Ende der UN-Dekade der Nachhaltigen Bildung hinaus,
notwendig sein werden.
299
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340
Abkürzungsverzeichnis
3+x
Abb.
Abs.
AKW
ALÖ
Ashoka
AUD
BBU
BMFSFJ
BMI
BRICS
BUND
bzw.
CEO
CEO
CIPRA
CIPRA
d. h.
DAEBW
DOW Jones
Index
DSP
etc.
et al.
f
ff
GEPA
Global 2000
GRAS
GRI
GRÜNE
HDI
ICRC
IT
Kap.
KB
KW
LA 21
Projekt, welches basierend auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit immer wieder kleine und größere Aktionen durchgeführt
Abbildung
Absatz
Atomkraftwerk
Alternative Liste Österreichs
Projekt, in dessen Rahmen im mit Migrationsproblemen kämpfenden
Berliner Stadtteil Neukölln Jugendliche angeregt werden, sich für politische Anliegen zu interessieren.
Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Deutschland
Österreichisches Bundesministerium für Inneres
Schwellenländer: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland
beziehungsweise
Chief Executive Officer
Geschäftsführer
Commission Internationale pour la Protection des Alpes
Internationale Alpenschutzkommission
das heißt
Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen
Amerikanischer Aktienindex
Deutsche Studenten Partei
et cetera
und andere
folgend
fortfolgend
Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH.
Österreichische Organisation mit Kampagnenschwerpunkten in den
Bereichen Atomenergie, Energie, Gentechnik, globale Erwärmung, Pestizide, Regenwald und Verkehr
Grün-Alternative Sammlung
Global Reporting Initiative
Die Grünen – Die Grüne Alternative in Österreich, Bündnis 90/Die Grünen in Deutschland
Human Development Index - Index für menschliche Entwicklung
International Committee of the Red Cross, Internationale Rotkreuz- und
Rothalbmond-Bewegung
Informationstechnik
Kapitel
Hamburger Kommunistische Bund
Kraftwerk
entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm zur nachhaltigen
regionalen Entwicklung für das 21. Jahrhundert
341
LOHAS
LOVOS
MaxQDAâ
MS Wordâ
NGO
NGO
OECD
OECD
S.
Social Bars
SPD
SRU
SVP
Tab.
u. a.
UBA
UN
UN
UNCSD
UNCSD
UNESCO
UNESCO
v. a.
vgl.
WCED
WCED
WWF
z. B.
ZFES
Lifestyles of Health and Sustainability - Lebensstil der Gesundheit und
Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellt
Lifestyle of Voluntary Simplicity - Lebensstil der freiwilligen Einfachheit
Software tool zur computergestützten qualitativen Daten- und Textanalyse
Textverarbeitungsprogramm der Firma Microsoft
Non Governmental Organization
Nicht-Regierungs-Organisation
Organisation for Economic Co-operation and Development
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Seite
Eine Initiative, bei der es um das Thema Social Media und Zivilgesellschaft geht
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Rat der Sachverständigen für Umweltfragen
Sonstige Politische Vereinigungen DIE GRÜNEN
Tabelle
und andere
Umweltbundesamt
United Nation
Vereinte Nationen
United Nations Commission on Sustainable Development
Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung,
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
Offizielle Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur
vor allem
vergleiche
World Commission on Environment and Development
Weltkommission für Umwelt und Entwicklung
World Wide Fund For Nature - Organisation, mit dem Ziel, die biologische Vielfalt der Erde zu bewahren, die naturverträgliche Nutzung erneuerbarer Ressourcen voranzutreiben, und Umweltverschmutzung und
die Verschwendung von Naturgütern zu verhindern
zum Beispiel
Zukunftskommission der Friedrich Ebert Stiftung
342
Anhang
Stellvertretend für alle anderen Interviews wird hier die Transkription des Interviews
mit Roman Dashuber abgedruckt, geführt am 12.5.2011 in Berlin, Beginn 18.17 Uhr,
Ende 19.39 Uhr. Die Transkription erfasst auch sprachliche Besonderheiten. Als typisch ausgewählt wurde dieses Interview, weil darin viele Nachhaltigkeitsgruppen
Erwähnung finden und sehr viele Codezuweisungen vorgenommen werden konnten.
Anton: Danke, dass Du dich bereit erklärt hast, an dem Interview teilzunehmen. Ich arbeite an meiner Doktorarbeit über Nachhaltigkeitsgruppen in der Flüssigen Moderne. Dies ist ein Begriff nach Zygmunt Baumann, der
beschreibt, dass sich Gruppen nicht mehr herkömmlich bilden, sondern, dass Menschen nur noch bereit sind,
sich zu treffen, wenn eigene Interessen befriedigt werden. Ich habe mich mit dieser Theorie beschäftigt und
dieses Phänomen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsgruppen bearbeitet. Welche Beziehung hast du zu
Nachhaltigkeitsgruppen bzw. hast Du eine solche initiiert oder bei einer mitgearbeitet?
Roman: Ich war lange in der Initiative für nachhaltige Entwicklung aktiv. Das ist eine Hochschulgruppe in Berlin,
die sich aus Studenten von allen Hochschulen zusammensetzt, einschließlich Potsdam. Also ist das ein offen
Hochschulgruppe. In der bin ich aber mittlerweile nur mehr sehr gering aktiv. Ich habe mich ganz bewusst dazu
entschieden. Ich bin jetzt seit einem Jahren mit dem Studium fertig, habe einen Beruf angefangen und deshalb
habe ich das als Zäsur definiert und das mein äußerst aktiver Engagement damit aufhört. Diese Initiative für
nachhaltige Entwicklung hat sich gegründet, weil im Jahre 2004 für drei Studentinnen bei den Sozialwissenschaften gab, denen zum Themenfels Nachhaltige Entwicklung das Lehrangebot viel zu schlecht bis nicht vorhanden war und die sich gesagt haben, das organisieren wir uns selbst. Wir können dabei einen doppelten
Nutzen ziehen: Wie könne einerseits lernen, wie man Veranstaltungen organisiert und holen und den Input selber und noch dazu: wie haben auch noch die Möglichkeit zu netzwerken. Also laden wir uns die Leute, ein. Danach, nach dem Vortrag kommt man mit den Leuten ins Gespräch und geht noch ein biertrinken und so weiter.
Diese Themenreihe geht jetzt in das 14 Semester und das habe ich lange Jahre mit organisiert. Das war so das
Herzstück der Initiative für nachhaltige Entwicklung. Die Initiative ist mir ihren Mitgliedern immer stark geschwankt. Und wie das für so eine studentische Gruppe charakteristisch ist, schwankt natürlich die Anzahl der
Aktiven immer wieder. Also die Leute werden mit dem Studium fertig und spätestens dann, scheiden die meisten aus der Gruppe aus. Deshalb war das immer geprägt von einer starken Fluktuation, auch während der drei
Jahre, wo ich da dabei war. Zwei Jahre war ich dabei im Vorstand der Initiative. Das habe ich immer als so ein
Charakteristikum der Gruppe wahrgenommen. Die Initiative für nachhaltige Entwicklung hat zur Zeit ungefähr 12
Aktive, die wirklich etwas machen und periphere noch einmal 10 Leute, die so assoziiert sind und insgesamt
über die Jahre waren das bis zu 70 Leute, die sich dort mal eingebracht haben. Zu meiner Hochzeit waren wir
mal 20 Aktive. Ich habe Psychologie studiert mit dem Schwerpunkt Umweltpsychologie. Das sah man gestern
(bei dem Jour Fixe der Nachhaltigkeitsplattform). Das war ein Kuriosum, Melanie, Jasmin, Max und ich da waren. Dazu Julia, die eingeladen hat ist auch eine Umweltpsychologin. Da gibt es in Berlin eigentlich ziemlich
viele, wo es in Deutschland eigentlich relativ wenige gibt. Irgendwann haben dann einige gesagt, das ist uns zu
wenig, wenn wir nur diese Vorlesungsreihen machen ist ganz schön und gut, aber uns ist das zu verkopft und
wir wollen mehr Bezug zur Praxis haben. Daraus sind dann so Sachen entstanden wie das Uni-Solarprojekt,
eine darlehensfinanzierte Photovoltaik-Anlage. Mit der Idee des Crowdfounding haben wir Gelder eingesammelt.
343
Man konnte ganz kleine Darlehen zeichnen, mit denen dann diese Anlage finanziert wurde. Das ging los bei 250
Euro. Das ist sehr ungewöhnlich, weil, wenn man in Photovoltaik-Projekte einsteigt, dann fängt man bei 5000
Euro an. Wir haben aber gesagt, das geht so nicht, weil man so nicht Studenten ansprechen. Die Idee war immer, wie machen an der Uni unsere Energiewende selber. Wir haben dann ein Unternehmen gefunden, Solardach Invest, die sind ein Unternehmen der solidarischen Ökonomie, die sagten, wir finden das toll und
unterstützenswert, deshalb machen wir das mit euch. Das Projekt ist sehr, sehr gut gelaufen. Wir haben insgesamt 100.000 Euro eingesammelt an Darlehen. Dann wurde noch einmal ein Kredit aufgenommen von Seiten
der Solardach Invest. Damit hatte man ein Volumen von 300.000 Euro und es wurde eine sehr, sehr große Anlage. Wie waren etwas überrumpelt davon, was das Projekt eigentlich losgetreten hat. Während des Baues war
das die 15. größte Anlage in Berlin. Das ist natürlich ein Projekt mit dem die Initiative sehr bekannt wurde. Wir
wurden dann viel rumgereicht. Die sagten, die Studenten, die machen was, ganz toll. Man muss aber wirklich
sagen, dass sich Leute aus der Initiative nur noch damit befasst haben und als das fertig war, waren die dann
auch alle weg. Das Projekt war vorbei, das Teil ist jetzt gebaut und mittlerweile machen die Leute wieder ganz
andere Sachen. Ich habe noch ein anderes Projekt gemacht. Eine Energiesparkampagne an der Uni. Die habe
ich aufgesetzt, weil ich als Umweltpsychologe, das als mein Feld betrachtet habe. Wie bringt man Menschen zu
umweltverträglichem Handeln. Wie hilft man ihnen beim Energiesparen. Ich habe da eine Kampagne initiiert für
zwei Fachbereiche, die wollten wir miteinander vergleichen und die bekommen eine Intervention und die andern
nicht. Ein typisches experimentalpsychologisches Design, um zu schauen, ob das geht. Das hat nicht so wahnsinnig gut funktioniert, weil klar wurde, an wie vielen strukturellen Problemen das scheitern kann. Da wurde
Mails nicht weitergeleitet, weil der Administrator nicht will, man kann Sachen zum Beispiel kann man ganze
Computer nicht in den Energiesparmodus stellen, weil der Administrator nicht will, dass das geändert wird; never change a running system. Da haben wir bald gemerkt, wie schwierig so was sein kann. Im konkreten hat
sich gezeigt, dass das Ganze doch etwas zu groß war, etwas zu ambitioniert, aber war auch sehr lehrreich. Es
gab noch weitere Projekte. Als diese Themenreihe ist dann später in eine Buchpublikation gemündet. Das heißt
auch: Einstieg in ein Nachhaltige Entwicklung. Wurde dann auch bei einem kleinen Verlag herausgegeben und
wir haben darüber hinaus noch Themenreihen zu ganz spezifischen Themen gemacht; zum Beispiel zu Biodiversität in Kooperation mit dem Naturkundemuseum, mit dem Ökowerk mit Exkursionen und dergleichen. Wir
haben auch Jahrestage mit großen Podiumsdiskussionen organisiert, auch mit anderen Kooperationspartnern
mit anderen Studenteninitiativen, vor allem an den Unis. Es gibt den technischen Umweltschutz an der technischen Universität. Mit denen haben wir mal kooperiert. Dann gab es ein Energieseminar, die bieten immer Kurse an, auch interdisziplinär, wo Leute Solarkühlschränke bauen. Dann haben wir auch mal etwas über Energieversorgung in der Zukunft gemacht. Das sind also so sie Projekte der Initiative für nachhaltige Entwicklung. Ich
staune immer selbst darüber, dass über die selbst 7 Jahren immer etwas passiert ist. Als ich dann aufgehört
habe, hing sehr viel an mir. Ich habe dann irgendwann mal gesagt, ich kann jetzt nicht mehr, ich will jetzt auch
nicht mehr und ich hatte noch dazu einen Job und es fehlte mir einfach die Kapazität und habe es denen auch
ein bisschen vor die Füße geworfen und habe gesagt, nun mach mal und erstaunlicher Weise , es hat funktioniert. Ich hatte dann lange Zeit die Befürchtung, dass das Herzstück dieser Initiative, diese Themenreihe, dass
das sterben würde und erstaunlicher Weise, einige, die auch mit mir noch aktiv waren, haben dann eine gewissen Ehrgeiz entwickelt und das dann auch selbst in die Hand genommen. Jetzt läuft diese Themenreihe wieder
und sie sind wieder neue Kooperationen eingegangen und es hat sich in einer gewissen Art und Weise aufs
Neue blüht das auf. Aber trotzdem muss man sagen, dass es derzeit nicht die Größe hat, wie sie es damals
hatte. Die Initiative für nachhaltige Entwicklung ist dann ziemlich früh wurden wir eingeladen, bei diesem Jour
Fixe mitzumachen, den mit auszurichten, zuerst hat das ein guter Freund von mir gemacht, der auch bei der
344
Initiative war, der ist aber mittlerweile nach Brüssel gegangen und hat das so peu a peu an mich übergeben
oder hat mich gebeten, das zu machen und ds fiel dann gerade so in die Zeit, als ich mit dem Studium zu Ende
kam und als ich den neuen Job begann, dann musste ich auch für mich eine Entscheidung machen. Ich kann ja
nicht beides machen. Ich kann nicht auf der einen Seite eine Jour Fixe organisieren im Ehrenamt und dann noch
bei der Initiative mit machen und er Jour fixe schien mir auch, wo ich im Beruf stehe viel stärker anschlussfähig
zu sein. Das Studium ist vorbei, damit ist auch die Hochschulgruppe auch vorbei. Und so bin ich zum Jour Fixe
gekommen, da bin ich jetzt seit eineinhalb Jahren im Organisationsteam und bin immer stärker hineingerutscht.
Ich bin jedes Mal überrascht und jedes Mal begeistert, wenn ich sehe, wie gut dieser jour Fixe funktioniert. Wie
viel Leute uns ansprechen und bei uns etwas präsentieren wollen. Das wir dazu beinahe gar nichts tun müssen.
Und mittlerweile ich viele Initiativen kenne und mir dazu viele Synergien einfallen. Den sollte man da einladen,
dort sollten die sich kennenlernen. So findet oft ein sehr toller Austausch statt und es entstehen gute Kooperationen. Einen ganz großen Wert sehe ich darin, dass die Leute sehr inspiriert wieder hinaus gehen. Sie lernen
also sehr unterschiedliche Leute kennen, es werden Emailadressen und Telefonnummern ausgetauscht. Deshalb organisiere ich das sehr gerne, wenn es manchmal auch sehr anstrengend ist und mir manchmal die Muße
fehlt, nach der anstrengenden Büroarbeit sich hinter den Verteiler zu klemmen und Emails rauszuschicken. Mein
Engagement für das Ehrenamt fällt mir oft auch sehr schwer. Das sind so die Initiativen, in denen ich aktiv war
oder noch immer bin. Es gibt gerade noch ein eigenes Projekt, das ich selbst ins Leben gerufen habe. Ich habe
im März das erste Mal ein low carbon network dinner organisiert. Das habe ich ein bisschen meiner Arbeit geschuldet, aber auch dem Jour Fixe geschuldet. Die Idee, Leute zusammenzubringen, finde ich sehr einleuchtend, das ist sehr inspirierend und motivierend, auch für mich. Das ist so die Erfahrung aus dem Jour Fixe. Ich
arbeite bei Thema 1, das ist ein Klimaschutz-Projektentwickler und war machen viele Workshop-Formate und
eines davon sind so Dinner, Networkdinner. Wir haben zum Beispiel ein Projekt, das heißt green music dinner.
Wir laden dazu Leute aus der Musikbranche ein, dazu Vertreter von Politik, NGOs, Wissenschaft, um zu ermöglichen, dass sie über Projekte sprechen, dass sie sich austauschen und vor allem, Vertreter aus der Musikbranche auf das Thema Klimaschutz aufmerksam zu machen. Das ist wichtig, nehmt eine Vorreiterrolle ein. Ihr habt
eine immense Strahlkraft, macht mal. Und denen werden dann die Vertreter der NGOs und die Wissenschaftler
zur Seite gestellt, weil die sich ja sonst nie kennenlernen würden. Das machen wir unter network dinners. Das
ist ein Galadinner. Das letzte war im Kempinsky in Hamburg, das davor war im Hotel de Rome in Berlin. Es ist
also sehr highclass. Was ich mache ist die Idee eines Dinners. Ich habe gekocht, weil ich gerne koche und ich
habe 15 Aktive eingeladen, Nachhaltigkeitsengagierte, die ich am Rande kenne, die ich irgendwie interessant
und spannend fand. Ich habe für die gekocht und ein low carbon Menü mit drei Gängen gemacht, regional, saisonal, bio und vegetarisch. Das ist ein bisschen so mein eigenes Projekt. Das gab es bisher einmal. Es wird
aber eine Fortsetzung geben. Das habe ich mit den Mädels von Glas und Bild gemacht. Glas und Bild ist mit
Andrea Nienaus, die Nachhaltigkeitskommunikation macht. Die haben einen Projektraum gegründet, der auch
so ein bisschen ihr Büro ist, aber auch zugleich ein Seminarraum, den man mieten kann und dort haben wir das
gemacht. Die sind sehr offen für solche Formate. Sie haben vor 2 Wochen dort auch ein Buch vorgestellt, über
urban gardening, das gerade erschienen ist. Dazu fand dann auch eine Diskussionsveranstaltung statt. Ich
würde dieses Format noch weiter fortsetzen. Dazu bin ich mit den Prinzessinnengärten im Gespräch.
Anton: Wir bildest du eine Gruppe?
Roman: soll ich es an einem speziellen Beispiel erklären?
Anton: Ja.
Roman: Also So eine Format wie das low carbon network dinner ist sehr einfach. Das ist auch sehr einfach zu
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bewältigen. Das ist nicht viel Aufwand und dafür lassen sich relativ einfach Leute mobilisieren. Es viel schwieriger, wenn man so was wie diese Themenreihe macht. Das ist sehr vielfältig.
Anton: Wie kam gestern Dorian zu euch?
Roman: Ja. Das ist eigentlich ganz lustig. Der wurde mir vorgeschlagen. Uns wurde ein Mal ein Projekt präsentiert. Maurice hat einmal die Nachhaltigkeitsampel präsentiert. Das ist eine Suchmaschine für Nachhaltigkeitsinformationen. Das war damals ein Forschungsprojekt der Uni und hat das damals im Nachhaltigkeits Jour fixe
präsentiert und hat jemanden kennen gelernt, der sich mit Nachhaltigkeitsprodukte beschäftigt. Das funktioniert
so, dass man zum Beispiel dieses Bier einscannt und dann bekomme ich Informationen darüber, nicht über das
Produkt, sondern über die Firma, die dieses Produkt herstellt, wenn diese gerankt sind. Also würde dann schreiben, zum Beispiel, dass die Firma, die dieses Bier herstellt im Ranking der good companies auf Platz 2 von 100
steht. Die haben sich da kennen gelernt. Beim Jour Fixe gibt es verschiedene Leute. Es gibt Leute, die kommen
nur hin einmal vielleicht im Jahr und dann vielleicht gar nicht mehr und es gibt Leute die wirklich sehr aktiv teilnehmen und Maurice ist einer davon. Er kommt dann zu mir und sagt, dass es sehr nett wäre, wenn wir den
oder den einladen würden. Und so komme ich dann auf solche Leute wie Dorian. Also werden uns die aktiv
vorgeschlagen. Leute schreiben uns an oder über Facebook werden uns Sachen geschickt. Man trifft Leute
zufällig auf einem Kongress wieder und sagen, he hast du schon mal darüber nachgedacht oder auch im Jour
Fixe, da sagt jemand, ja den kenne ich, den sollten wir einmal einladen. Ich sage den Bescheid, der sollte euch
einmal schreiben. Und das ist ganz erstaunlich, wir müssen nur ganz wenig Eigeninitiative machen. Speziell
beim Jour Fixe kommen die Leute zu uns. Wir laden also so gut wie keinen mehr ein, weil, also die vier, alle 2
Monate, die bekommen wir immer.
Frage: Darf man ohne Einladung auch zum Jour Fixe gehen?
Roman: Also. Teilnehmen darf jeder. Es dürfen alle da hin kommen. Wenn jemand etwas vorstellen möchte,
dann müssen wir das einplanen. Also wenn es sagt, ganz kurz irgendwie und wir haben noch Zeit, dann kann er
präsentieren, aber kurz. Wenn es zu lange dauert, unterbrechen wir ihn und sagen, du kannst das beim nächsten Mal vorstellen, aber jetzt nicht. Also gibt es schon eine gewisse Agenda, die wir verfolgen. Wir haben uns
schon vorgenommen, diese Agenda sehr stringend durch zu moderieren. Es ist aber interessant, dass das Jour
Fixe ein ganz anderer Stiefel ist, als die Themenreihe. Also bei der Themenreihe, die Initiative trifft sich einmal
im Monat.
Frage: Wie viele Leute kamen da?
Roman: Also das hat sehr geschwankt. Wir hatten Treffen mit drei Leuten bis Treffen mit 25 Leuten.
Frage: Waren die Macher der Initiative immer die gleichen?
Roman: Das sich immer stark abgewechselt. Ich habe das ganz lange ganz, viel gemacht. Ich war als Vorstand
eine sehr treibende Kraft und die Initiative war schon sehr mein Projekt, aber mit mir waren fünf, sechs Leute,
die ganz viel gemacht haben. Später wurde ich dann ersetzt durch Ben, Laura, Adriana und Klaus, die sich das
irgendwie aufgeteilt haben. Die legen da gerade so viel Herzblut rein. Das ist echt toll, zu beobachten. Erstaunlich ist das besonders bei Adriana und Laura, weil die schon so aktiv waren, als ich schon dort war und da aber
gar nichts gemacht haben und jetzt auf einmal so Gas geben. Das ist ganz eigenartig.
Anton: Mitglieder dazubekommen ist die eine Sache, aber die Mitglieder so zu sagen bei der Stange zu halten
eine andere. Wie macht ihr das? Was habt ihr dazu unternommen?
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Roman: Es gibt dazu keinen speziellen Modus. Die Leute kommen meisten zu uns, weil sie von uns gehört
haben oder weil sie einmal bei einem Vortrag der Initiative waren. Die Initiative hat inzwischen einen Verteiler
von 700 Leuten, der sich über die Jahre gesammelt hat und dadurch entsteht eine Bekanntheit. Es kommen
dann immer wieder Reaktionen von Leuten, ich würde gerne einmal zu einem Treffen kommen, es klingt total
spannend, was ihr da macht. Und daraus kamen immer wieder neue Leute dazu. Teile sind dann abgefallen,
Teile sind geblieben sehr aktiv geblieben. Das Ganze ist hochkomplex, man kann überhaupt keine Regeln daraus machen. Warum sie zu uns gekommen sind, warum sie geblieben sind, weiß ich nicht. Also…wie bringt
man Menschen dazu, aktiv zu bleiben? Ich weiß es nicht. Ich kann dafür überhaupt keine Formel nennen. Man
muss dazu sagen, so was wie eine Themenreiht ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Da muss man 12 Vorträge
organisieren, 12 externe Referenten, sie müssen alle kommen, sie kriegen nichts bezahlt, man muss die ganze
Werbung dafür alleine machen. Wir haben auch keine Kohle, aus der wir das Ganze bezahlen hätten können.
Das SOWI-Institut hat einmal angeboten, dass wir bei denen die Plakate machen dürfen. Später gab es Mitgliedsbeiträge, mit denen wir die Sache finanziert haben, aber sonst lief das Ganze immer über da Institut, die
das Ganze betreut haben.
Anton: Warum kommen die Menschen zu euch?
Roman: Also speziell bei der Initiative würde ich sagen, weil wir gut Vorträge organisiert haben. Also bei der
Themenreihe war es expliziert, wir hatten gute Referenten und sehr tolle Diskussionen darin und es gab dazu
immer danach die Möglichkeit, mit den Referenten zu diskutieren. Das war für viele Leute einfach spannend.
Das wurde uns auch immer wieder so zugetragen. Das war ein Grund, dass viele Leute dahin gekommen sind.
Und viele haben auch die Möglichkeit wahrgenommen, da selbst mitzumachen. Die gesagt haben, ich finde
dieses Thema total spannend. Wir haben dazu immer gesagt, ihr könnte etwas vorschlagen, ihr könnte etwas
durch moderieren, das ist eine große Chance für euch, wir stellen euch die Räume zur Verfügung und wir unterstützen euch. Wenn es keine totaler Blödsinn ist, können wir das schon machen. Das hat so funktioniert. Es
kamen also immer wieder Leute auf uns zu. Akive Mitgliederwerbung haben wir so nie gemacht, weil dazu immer die Kapazitäten gefehlt haben.
Frage: Sind die dann auch geblieben oder sind die dann gegangen nachdem ihr Thema abgehandelt war?
Roman: Teils, teils! Es gab viele, die haben wirklich nur einen Vortrag organisiert und waren danach gleich wieder weg, es gab viele, die sind mal nur zu einem Treffen gekommen und waren dann auch wieder weg und es
gab einige, die geblieben sind. Die weiter gemacht haben.
Frage: Wie lässt sich das auf das vorher beschriebene Solarprojekt anwenden?
Roman: Also beim Solarprojekt war das eine sehr kleine Gruppe. Das Ganze Projekt hat zweieinhalb Jahre
gedauert. Also von der Idee bis zur Inbetriebnahme der Anlage. Ich bin auch erst später dazu gekommen. Und
da sind auch Leute, die von Anfang an dabei waren wieder weggefallen. Weil ihr Studium vorbei war, weil irgendetwas anderes wichtiger war, ein Auslandssemsester, bei studentischen Initiativer ist es halt immer sehr
schwierig.
Frage: Warum haben die Leute dabei mit gemacht?
Roman: Ich glaube, weil die die Idee so geil fanden. Also wir machen, wir bauen eine Photovoltaik-Anlage. Das
ist etwas sehr, sehr handfestes. Du kannst ganz klar kommunizieren, wir machen die Energiewende an der Uni
selber und es war ganz klar, auf was dieses Projekt zuläuft. Entweder wir bauen die Anlage oder wir bauen sie
halt nicht. Bei der Themenreihe die läuft halt ewig so weiter und da gibt es irgendwie auch kein Ende, aber das
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war dort sehr, sehr klar. Und man muss dazu sagen, wir haben das damals an der freien Uni gemacht und wir
hatten sehr, sehr großes Glück, weil es gab dort einen Umweltbeauftragten, der uns sehr wohlgesonnen war
und immer noch ist. Mit dem habe ich damals diese Energiesparkampagne gemacht und der hat für uns an der
Uni den Weg freigemacht. Nachdem dieses erste Projekt so erfolgreich war, gab es ein zweites Projekt: UniSolar-Projekt 2 und die wollten das halt an den anderen Unis machen, aber das war mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden. An der Humboldt und an der Technischen Uni war das Projekt nicht durchführbar. Das war
eine Gruppe von bis zu 15 Mitgliedern und die haben sich an diesem Projekt schlicht und ergreifend die Zähne
ausgebissen, obwohl das andere Projekt unglaublich erfolgreich war. Durch eine Verzögerungstaktik wurden die
so mürbe gemacht, dass sie zum Schluss das Handtuch geworfen haben. Es also sehr schwierig, Gründe zu
benennen, warum das eine Projekt funktioniert hat und das andere nicht.
Anton: Wenn die Menschen zu euch kommen, dann wissen sie, dass es um Nachhaltigkeit geht. Es gibt also ein
Überthema Nachhaltigkeit und darunter werden verschiedene Themen gestartet?
Roman: Genau. Also es ist wirklich die Initiative für Nachhaltige Entwicklung, die gesagt habt, wir sind die Initiative und ihr könnt unter unserem Dach Projekte machen, wie ihr wollt. Es gab auch immer wieder die Idee, dass
man eine Zeitschrift macht und heraus gibt, aber daraus wurde nichts, das ist versandet. Ein andere Aspekt ist
auch die neue Gestaltung des Studiums. Früher hatten die Studenten mehr Freiheiten, heute sind sie wesentlich
mehr eingeengt. Sie fragen sich, ich kann in meiner eingeschränkten Freizeit kaum Sport einbringen, wie soll ich
da Zeit für Ehrenamtliches haben? Die aktiven, die es heute gibt sind Studenten, die nach dem alten Studienplan studieren, teilweise auch solche, die an ihrer Diss arbeiten, Leute, die vielleicht auch schon mit der Uni
fertig sind und sich noch einem Projekt verpflichtet fühlen oder es sind Leute, die kurz vor dem Bachelor stehen
und damit mehr Freiräume haben oder die im Mast stehen und damit mehr Freiräume haben. Ich würde sagen,
das ist ein wichtiger Faktor. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum es vor ein paar Jahren noch viel mehr
Aktive gab als heute. Ich muss aber auch sagen, dass auch ich von dem Ehrenamt aufgefressen wurde. Ich
wäre viel früher fertig geworden, wenn ich die Zeit für mein Studium aufgewendet hätte, aber es hat mit auch
viel gebracht, viel mehr als das Studium.
Anton: Eine andere Frage, die mich beschäftigt sind Krisen. Wenn Menschen zusammen kommen, entstehen
auch Konflikte oder Krisen. Hat es bei euch Krisen gegeben?
Roman: Ja. Das gab es schon immer wieder. Ich überlege gerade, um ein gutes Beispiel zu nennen. Ein ganz
großes Thema war immer die Themenreihe als das Herzstück der Initiative für Nachhaltige Entwicklung und
damit verbunden der Druck, jedes Semester ein vollständiges Program abzuliefern, also mindestens 8 Termine
zu machen. Man muss sagen, man braucht dazu realistischer Weise mindestens 5 bis 6 Leute sonst schafft
man das nicht. Im letzten Jahr als ich dabei war, war die Basis sehr schlecht und das führte dann auch meinerseits dazu, dass wir durch den Emailverteiler Ansagen verteilten wie, he Leute, wenn es nichts wird, dann machen wir nur zwei Vorträge oder wir lassen es ganz sein. Ich mache ein gewisses Pensum, dass sind jetzt zwei
Vorträge, aber mehr kann ich nicht machen, darüber hinaus organisiere ich nichts. Das war dann so mein
Druckmittel und wenn wir uns monatlich getroffen haben, haben wir auch einen Appell an die anderen geschickt.
Und das hat schon gezeigt, dass regelmäßige Treffen, dass immer ein Mal im Monat stattfand und das war auch
schon institutionalisiert, früher haben wir uns nur sporadisch getroffen und so hat sich gezeigt, dass man sich
bei regelmäßigen Treffen besser motivieren kann und wirklich verpflichten. Das hat dann schon immer funktioniert. Aber meistens war der Konflikt eher eine Klage, oh schon wieder und warum klappt das denn jetzt nicht.
Aber zu starken Reibereien ist es nicht gekommen.
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Anton. Deine Drohung, es zu lassen, hat genützt?
Roman: Das ist glaube ich so eine Sache. Ich glaube, wenn man sich wieder persönlich getroffen hat, das dazu
beigetragen hat, sich wieder gegenseitig zu motivieren. Das hat dann schon funktioniert. Es ist noch keine Themenreihe ausgefallen, obwohl es bei der 12. und 13. danach ausgesehen hat. Das war sehr erstaunlich.
Anton: Und warum?
Roman: Ich glaube, ein wesentlicher Beitrag war, dass sich die Leute sehr stark mit der Themenreihe identifiziert haben und gesagt haben, he Leute die Themenreihe darf nicht sterben. Also, dass Studenten eine Ringvorlesung organisieren, war für Berlin einmalig und das seit 14 Semestern. Die Reihe läuft, man findet immer wieder Vortragende, es gehen einem nicht die Themen aus, es funktioniert also die ganze Zeit. Viele haben sich als
Teil der Reihe begriffen. Manchmal musste man die Leute auch rütteln und anschreiben mit, he Leute es ist kurz
vor knapp. Es ist noch zwei Wochen hin. Jetzt müssen wir es machen. Als ich dann ging war die Gruppe sehr
klein und es fanden nur mehr 6 Vorträge pro Semester statt. Aber jetzt ist es wieder in eine neue Phase gegangen und die hatten gerade vor 2 Wochen wieder einen Vortrag, eine Kooperation mit einer anderen Initiative und
es waren 120 Leute da. Es bedarf also eine starke Identifikation mit dieser Reihe auf die man sehr stolz sein
kann. Eine ähnliche Motivation würde ich auch benennen für den Jour Fixe. Dadurch, dass ich jetzt arbeite, bin
ich nur mir Klimathemen beschäftigt, den ganzen Tag und dann soll ich auch noch diesen Jour Fixe organisieren
und da habe ich manchmal die Schnauze bis oben hin voll. Dann denke ich mir, ich mag nicht und dann gehe
ich doch hin und finde es dann wieder voll geil und denke mir super. Ich bin dann immer wieder total überrascht
und ich habe nach spätestens nach 5 Minuten die allerbeste Laune, ich bin wieder total voll motiviert, finde immer wieder interessante Leute und denke mir immer wieder woow so tolle Leute und bin wahnsinnig motiviert
und denke mir, dem musst mal die Adresse geben, dem diese Handynummer oder Mailadresse. Ich kann also
keine neuen Projekte mehr zu machen, weil ich mit meiner Arbeit und dem Jour fixe total voll bin. So motivieren
wir uns auch gegenseitig.
Frage: Ein heftiges Maß an intrinsischer Motivation?
Roman: Ja. Aber die auch dann wieder einschläft. Eine Bekannte von mir, auch eine Umweltpsychologin hat
dazu eine Studie gemacht wie stark sich Umweltengagierte in ihrem Engagement auch ausbrennen. Ich habe
die Ergebnisse noch nicht gelesen, aber ich denke mir, da bin ich auch so drin und muss mich mehr zurücknehmen. Es gab Wochen, da bin ich auch drei Mal in der Woche in Nachhaltigkeitsgruppen drin und habe diskutiert, was man noch alles machen kann. Montags Uni-Solar, mittwochs Sparkampagne und dann donnerstags
noch einmal über die Themenreihe reden. Das war dann auch viel, viel, viel zu viel.
Anton: Mir ist gestern beim Jour fixe aufgefallen, dass es in dieser Gruppe verschiedene Rollen gibt. Besonders
ist mir Uwe aufgefallen.
Roman: Ich glaube, da muss man unterscheiden. Uwe hat eine Rolle, weil es schon sehr lange dabei ist. Vor
allem jene, die schon lange dabei sind, wissen wie der Laden läuft. Gestern waren beim Jour Fixe zwei Drittel
neue Leute da und ein Drittel Leute, die schon öfter gekommen sind. Die neuen spielen keine Rolle in dem Sinn,
wie ich es den Rolle verstehe.
Anton: Allgemein zu Finanzierung zum Beispiel beim Solarprojekt. Wie seid ihr das angegangen?
Roman: Also wir haben viel über Spenden finanziert. Wir haben Jürgen Trittin als Schirmherr angesprochen und
haben gesagt, er kann wohl mal 500 Euro geben. Das hat er dann auch gemacht. Dann hatten wir als Koopera-
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tionspartner die freie Uni Berlin, bei denen haben wir was gedruckt. Dann gab es noch den Deutschen Naturschutzring, die haben auch noch etwas Geld dazu gegeben. So hatten wir etwas Geld, um den Graphiker zu
bezahlen, die webside, die Flyer und die Plakate. Die Finanzierung des Jour Fixe kostet eigentlich nicht viel.
Berlin 21 zahlt uns das Flyer-Drucken. Die Siebdruckwerkstätte ist gratis. Die Initiative für Nachhaltige Entwicklung findet am Institut für Sozialwissenschaften statt, weil das meine Professorin so protegiert hat. Da kriegen
wir immer wieder so einen Raum, obwohl das manchmal auch schön schwierig war, wir haben Partnerschaften
mit der GEPA, die uns für die Referenten immer Schokolade und Kaffee schenken, da müssen wir jedes Jahr
wieder neu anfragen und die Initiative hat Mitglieder mit minimalem Beitrag von 6 Euro bis 24 Euro. So sammelt
sich das zusammen. Wir mussten das dann irgendwann als Verein organisieren, weil das Solarprojekt so nicht
durchführbar gewesen wäre. Wir brauchten dazu eine rechtliche Form. Deshalb haben wir für das Solarprojekt
einen Verein gegründet, das unheimlich mühselig war.
Anton: Danke!!
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