Vollständige Publikation
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Nachhaltigkeitsgruppen als Orte der Bildung und des Lernens in einer flüssigen Gesellschaft Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Geisteswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Anton W. Peskoller in in Erstbegutachterin: Ao. Univ.-Prof. Dr. Regina Mikula Zweitbegutachter: Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz Januar 2014 Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Ampass, am 3. Jänner 2014 Seite ii Vorwort Never underestimate the power of a few committed people to change the world. Indeed, it is the only thing that ever has. Margaret Mead Die gesellschaftlichen Motive für die Auseinandersetzung mit dem Thema „Nachhaltigkeitsgruppen“ liegen auf der Hand und können täglich in den Medien wahrgenommen werden: Klimawandel, Feinstaubbelastung, drohender Sozialkollaps im Bereich der Pflege, Hunger- und Humanitätskatastrophen z. B. in Afrika oder Mittelost, eine massive Verschärfung des Nord-Süd (oder West-Ost)-Konfliktes und ähnliche sind nur die Spitze des Eisberges an Problemen, die durch eine nicht-nachhaltige Lebensweise herbeigeführt werden. Will man eine nachhaltige Entwicklung in Gang setzen, braucht man Menschen, die sich für dieses Ziel engagieren. Nachhaltige Entwicklung ihrerseits verlangt aber nach einem interaktiven Prozess: Sie erfordert die Kooperation von Engagierten, Spezialist/innen verschiedener Bereiche und auch von Betroffenen. Damit ist die Bildung von Gruppen, die sich mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen, als Keimzelle für viele Formen nachhaltiger Entwicklung anzusehen und schon aus diesem Grund von Interesse. Für mich liegt aber auch ein massives persönliches Interesse in dieser Arbeit. Als „Bauernsohn“ habe ich schon als Kind erlebt, in welchem Ausmaß das Wohlergehen der Menschen von Natur und Umwelt abhängig ist. Seit mehreren Jahren bin ich als Grüngemeinderat in der kleinen Tiroler Gemeinde Ampass tätig. Die Gruppierung wurde mit viel Elan vor den Gemeinderatswahlen im Jahr 2004 ins Leben gerufen, um sich mit den ökologischen und sozialen Problemen der Gemeinde und ihrer Bürger/innen auseinanderzusetzen. Mittlerweile sind jedoch einige „Erosionserscheinungen“ aufgetreten, die Gruppe ist nicht mehr so homogen wie früher. Daneben habe ich mich außerhalb meiner Gemeinderatsarbeit in Bürger/inneninitiativen (etwa zur Verhinderung einer Bodenaushubdeponie in einem Naturgebiet oder zur besseren Einbindung unserer Gemeinde in das Öffentliche Nahverkehrsnetz) engagiert. Ich bin auch als Leiter und Moderator einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe zum Bau des Brenner-Basistunnels tätig gewesen. Schließlich bin ich (auf eher formaler Ebene) Mitglied der Grünbezirksgruppe von InnsbruckLand. Als Kraftwerkstechniker und ehemaliger Leiter eines Kraftwerkes kenne ich aber auch die andere Seite – das Konfrontiert-Sein mit Ängsten und Sorgen der Bevölkerung, die aus der eigenen, subjektiven Sicht ungerechtfertigt erscheinen. Seite iii Die pädagogischen Interessen an diesem Thema schließlich sind vielfältig. In unserer eigenen Gemeindegruppe haben wir bereits viele Wege beschritten, um die Sicherung des Fortbestandes unserer Gruppe umzusetzen. Dazu setzen wir einerseits eine Facebookplattform ein, die Informationen für verschiedene Interessengruppen bietet, aber auch als Anlaufstelle dient. Den monatlichen Newsletter, unseren Grünletter, der über die neuesten Informationen unterrichtet, mussten wir mangels Autor/innen einstellen. Jährlich finden ein „Grünfest“ und ein „Weihnachtsmeeting“ statt, mit denen ich die Erfahrung gemacht habe, dass sie den Zusammenhalt der Gruppe besonders stärken. Schließlich habe ich in Kooperation mit der Uni Graz auch eine bezirksweite „Zukunftswerkstätte“ organisiert. Diese pädagogischen, zum Teil auf Nutzung neuer Medien basierenden Instrumente bedürfen aber einer näheren wissenschaftlichen Untersuchung und Erweiterung im Hinblick auf ihre Wirksamkeit als Einzelinstrumente ebenso wie auf positive und negative Interdependenzen. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Menschen bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben: Frau Univ.-Prof. Dr. Regina Mikula, die die Betreuung der Arbeit in einer für mich sehr schwierigen Situation übernommen hat und die mir sehr viele wertvolle Hinweise bezüglich der pädagogischen Ausrichtung und der Finalisierung des Textes gegeben hat. Herrn Univ.-Prof. Dr. Rudolf Egger, der sich freundlicherweise bereit erklärt hat, die Zweitbetreuung zu übernehmen. Frau Dr. Ulrike Gelbmann für ausgedehnte Diskussionen vor allem zur Frage der Nachhaltigkeitsforschung sowie für die Energie, Geduld und kreative Stimulierung, mit der sie mich zur Fertigstellung dieser Arbeit getrieben hat. Meinen Interviewpartner/innen in Tirol und in Berlin, die sich bereit erklärt haben, mit mir auch über leidvolle Erfahrungen mit ihren Gruppen zu sprechen. Meinem Freund Hermann Gassler, der sich der mühevollen Aufgabe des Korrekturlesens unterzogen und mir wertvolle Hinweise gegeben hat. Meinen Freunden und meiner Familie, vor allem meiner Frau Gitti und meinem Sohn Simon, die nicht nur oft auf mich verzichten mussten, sondern auch nie den Glauben an die Fertigstellung dieser Arbeit verloren haben. Ihnen möchte ich diese Arbeit widmen. Anton Peskoller Seite iv Inhaltsverzeichnis 1 2 3 Einleitung ......................................................................................................................................... 1 1.1 Problemstellung und Eingrenzung des Themas...................................................................... 2 1.2 Zielsetzung der Arbeit – Forschungsfragen ............................................................................ 6 1.3 Vorgehensweise der Arbeit ..................................................................................................... 8 Wissenschaftstheoretische Anschlüsse ........................................................................................ 13 2.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung ................................................................................ 13 2.2 Gewählte Forschungsmethode.............................................................................................. 17 2.2.1 Theoretische Arbeit ....................................................................................................... 17 2.2.2 Empirische Studie .......................................................................................................... 24 Annäherungen an den Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ ................................................................ 34 Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ ............................................................................................. 34 3.1 3.1.1 Die Anfänge der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatte .................................................. 35 3.1.2 Operationalisierung der Nachhaltigkeit: Agenda 21 ...................................................... 38 3.1.3 Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit .................................................................. 40 3.1.3.1 Ökonomische Nachhaltigkeit ................................................................................. 41 3.1.3.2 Ökologische Nachhaltigkeit ................................................................................... 44 3.1.3.3 Soziale Nachhaltigkeit ........................................................................................... 46 3.1.3.4 Kritik am Drei-Säulen-Modell ................................................................................. 49 3.1.4 Nachhaltigkeit als dynamischer Prozess in der Zielbildung .......................................... 50 3.1.5 Nachhaltigkeit als Fähigkeit ........................................................................................... 51 3.1.6 Ein geeigneter Ansatz für die Erfassung von Nachhaltigkeitsgruppen ............................ und empirische Befunde ................................................................................................ 52 Annäherungen an den Begriff „Gruppe“ ................................................................................ 54 3.2 3.2.1 Arten von Gruppen ........................................................................................................ 57 3.2.2 Gruppengröße ............................................................................................................... 60 3.2.3 Gruppenidentität und „Wir-Gefühl“ ................................................................................ 62 3.2.4 Rollen in der Gruppe ..................................................................................................... 65 3.2.5 Kommunikation und Interaktion in der Gruppen ............................................................ 68 Definition der „Nachhaltigkeitsgruppe“ .................................................................................. 69 3.3 3.3.1 Vorläufer von Nachhaltigkeitsgruppen .......................................................................... 70 3.3.2 Suche nach bisherigen Begriffsverwendungen ............................................................. 72 3.3.3 Historische Wurzeln „nachhaltigen Engagements“: Die Geschichte der .......................... Grünbewegung .............................................................................................................. 73 3.3.3.1 Entstehung der Grünbewegung in Deutschland .................................................... 74 3.3.3.2 Die Geschichte der „Grünen“ in Österreich ........................................................... 78 3.3.4 Definition des Begriffes „Nachhaltigkeitsgruppen“ ........................................................ 79 3.3.5 Mögliche reale Typen von Nachhaltigkeitsgruppen....................................................... 82 3.3.5.1 Lokale Agenda 21 Gruppen ................................................................................... 82 3.3.5.2 Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organizations NGOs).......... 84 3.3.6 Seite v Im Rahmen der empirischen Erhebung identifizierte Nachhaltigkeitsgruppen ............. 87 3.3.6.1 Identifizierte Arten von Nachhaltigkeitsgruppen .................................................... 87 3.3.6.2 Beschriebene Rollenbilder in den Nachhaltigkeitsgruppen ................................... 90 3.4 4 Zwischenfazit über den Begriff der Nachhaltigkeitsgruppe ................................................... 91 Nachhaltige Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen ............................................................................ 93 Diskussion grundlegender Begriffe der „Bildung“ .................................................................. 94 4.1 4.1.1 Der Begriff der „Bildung“ ................................................................................................ 94 4.1.2 Zum Verhältnis von Lernen, Bildung und Kompetenz ................................................... 97 4.2 Lernen als Grundlage nachhaltiger Bildung .......................................................................... 99 4.2.1 Dimensionen des Lernens ........................................................................................... 101 4.2.2 Kategorisierung von Lernformen ................................................................................. 104 4.2.2.1 Die Lernmodelle von Jean Piaget (1975) und Knud Illeris (2010) ....................... 105 4.2.2.2 Lernebenen bei Gregory Bateson (1982) ............................................................ 108 4.3 Lernen für Nachhaltigkeit und nachhaltiges Lernen ............................................................ 109 4.4 Umstände des Lernens: Tragfähige Konzepte für nachhaltiges Lernen ............................. 111 4.4.1 Orte des Lernens: Formelles, non-formales und informelles Lernen .......................... 112 4.4.2 „Promotoren“ des Lernens: Selbst- und fremdgesteuertes Lernen ............................. 115 4.4.3 Motive des Lernens: Interessengetriebenes, expansives Lernen ............................... 118 4.4.4 Zwecke des Lernens: Instrumentelles und intrinsisches Lernen ................................. 119 4.5 Gruppen als Orte des Lernens ............................................................................................ 121 4.6 Lernen in der Nachhaltigkeitsgruppe ................................................................................... 122 4.7 Empirische Befunde über Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen ............................................. 127 4.7.1 Zu den Dimensionen des Lernens............................................................................... 127 4.7.2 Zu den Lernformen ...................................................................................................... 135 4.7.3 Zu den Gestaltungskompetenzen................................................................................ 139 4.7.4 Zu den Umständen des Lernens ................................................................................. 150 4.7.4.1 Zu den Orten des Lernens ................................................................................... 150 4.7.4.2 Zu den Promotoren des Lernens ......................................................................... 153 4.7.4.3 Zu den Motiven des Lernens ............................................................................... 155 4.7.4.4 Zu den Zwecken des Lernens ............................................................................. 156 4.8 5 Zwischenfazit ....................................................................................................................... 158 Nachhaltigkeitsgruppen als panarchische Systeme .................................................................... 159 5.1 Grundlagen der System- und Netzwerktheorie ................................................................... 159 5.1.1 Der Begriff „System“ .................................................................................................... 159 5.1.2 Die Bedeutung des systemischen Denkens ................................................................ 161 5.1.3 Abgrenzung von Netzwerken und Systemen .............................................................. 162 5.1.4 Grundlegende Charakteristika von Systemen ............................................................. 166 5.1.4.1 Autopoiesis .......................................................................................................... 166 5.1.4.2 Emergenz ............................................................................................................ 168 5.1.5 5.2 Seite vi Übertragung des Systemdenkens auf Gruppenkonzepte ........................................... 169 Das Panarchiekonzept: Veränderungen in komplexen Systemen und .................................... Netzwerken erfassen ........................................................................................................... 170 5.2.1 Das Modell der adaptiven Schleifen und Resilienz ..................................................... 170 5.2.2 Interdependente adaptive Schleifen: Panarchie .......................................................... 174 5.2.3 Rückkoppelungen zwischen adaptiven Schleifen ....................................................... 176 5.3 Lernen in Systemen und im Panarchiemodell ..................................................................... 177 5.4 Nachhaltigkeit als panarchisches Konstrukt ........................................................................ 180 5.5 Hinweise aus der empirischen Untersuchung auf panarchische Strukturen ....................... 182 5.6 Panarchie und Nachhaltigkeitsgruppe: Die „Triple-I“-Struktur............................................. 184 5.6.1 Idee .............................................................................................................................. 186 5.6.2 Interesse und Issue ..................................................................................................... 188 5.6.3 Inhalte und Initiativen ................................................................................................... 191 5.6.4 Panarchische Interaktion im Triple-I-Modell ................................................................ 191 5.6.5 Befunde für das Existieren des Triple-I-Modells in der Praxis .................................... 193 5.7 6 Gruppen in der „flüssigen“ Moderne ............................................................................................ 199 6.1 Einflussfaktoren der „flüssigen“ Moderne ............................................................................ 201 6.2 Konsequenzen der „flüssigen“ Moderne ............................................................................. 204 6.2.1 Veränderung der erwerbstätigen Arbeit als Motor der „flüssigen“ Moderne ............... 206 6.2.2 Veränderung der Gemeinschaft als Folge der „flüssigen“ Moderne ........................... 207 6.3 Auswirkungen der „flüssigen“ Moderne auf Bildungsprozesse ........................................... 209 6.4 Konsequenzen der „flüssigen“ Moderne für Nachhaltigkeitsgruppen ................................. 216 6.4.1 Cloakroom-Communities ............................................................................................. 217 6.4.2 Baumans „Schwärme“ ................................................................................................. 218 6.4.3 Communities of Practice .............................................................................................. 221 6.5 7 Empirische Befunde in Bezug auf die „flüssige Moderne“ .................................................. 222 Der Wunsch nach politischer Mitbestimmung als Motor des Engagements ..................................... in Nachhaltigkeitsgruppen ........................................................................................................... 227 7.1 8 Zwischenfazit ....................................................................................................................... 197 Partizipation ......................................................................................................................... 229 7.1.1 Formen der Partizipation ............................................................................................. 229 7.1.2 Zivilgesellschaft und Zivilität als Motoren der Partizipation ......................................... 231 7.1.3 Machtbedürfnis als Motor der Partizipation ................................................................. 235 7.2 Empowerment...................................................................................................................... 236 7.3 Governance ......................................................................................................................... 238 7.4 Empirische Befunde aus den Bereichen Partizipation, Empowerment, Governance ......... 239 Individuelle Gründe für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen ......................................... 241 8.1 Werte als Ausgangspunkt für das Engagement .................................................................. 242 8.2 Einstellungen als Determinanten des Engagements .......................................................... 244 8.3 Soziales Handeln ................................................................................................................. 248 8.4 Die Rolle der Motivation ...................................................................................................... 253 8.4.1 Das Spannungsfeld Motiv – Motivation - Handeln ...................................................... 254 8.4.2 Anreize zur praktischen Mitarbeit in Nachhaltigkeitsgruppen ..................................... 255 Seite vii 8.4.3 Motivationstheoretische Erklärungsansätze für Engagement in ...................................... Nachhaltigkeitsgruppen ............................................................................................... 258 8.4.3.1 Abraham Maslows „Bedürfnispyramide“ (1943) .................................................. 258 8.4.3.2 Heinz Heckhausens erweitertes kognitives Motivationsmodell (EKM, 1980)...... 260 8.4.3.3 Motivation in der flüssigen Moderne .................................................................... 262 8.5 Leistungsmotivation und -barrieren in Nachhaltigkeitsgruppen .......................................... 264 8.6 Empirische Belege für individuelle Beweggründe zum Engagement ....................................... in einer Nachhaltigkeitsgruppe ............................................................................................ 267 8.7 Zwischenfazit ....................................................................................................................... 272 9 Lebensstile in Postmoderne als Basis für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen ............ 273 9.1 Wertwandel als Basis der Typisierung von Lebensstilen .................................................... 273 9.1.1 Grundlegende Theorien des Wertwandels .................................................................. 273 9.1.2 Helmut Klages‘ Charakterisierung von Menschentypen (1985) .................................. 276 9.1.3 Hinweise auf Wertwandel in der empirischen Untersuchung ...................................... 280 9.2 Lebensstile und Milieus als Motoren von Nachhaltigkeitsgruppen...................................... 282 9.2.1 Grundlegendes über Lebensstile und Milieus ............................................................. 282 9.2.2 LOHAS und LOVOS als nachhaltigkeitsorientierte Lebensstile .................................. 287 9.2.3 Analyse der im Rahmen der empirischen Untersuchung befragten Personen ........... 289 10 Schlussfolgerungen ................................................................................................................. 291 10.1 Diskussion: Die Gruppe atmet ......................................................................................... 291 10.2 Fazit und Ausblick............................................................................................................ 296 11 Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 300 Abkürzungsverzeichnis....…………………………………………………………………………………….341 Anhang……………………………………………………………………………………………………........343 Seite viii Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Zusammenhänge in der Gliederung der Arbeit ......................................................................... 12 Abb. 2: Drei Dimensionen des Lernens .............................................................................................. 103 Abb. 3: Assimilation und Akkomodation ............................................................................................. 105 Abb. 4: Modell einer Adaptiven Schleife ............................................................................................. 173 Abb. 5: Panarchie-Modell ................................................................................................................... 176 Abb. 6: Das Triple-I-Modell der Nachhaltigkeitsgruppe ....................................................................... 185 Abb. 7: Reflexive Modernisierung: Fluide Gesellschaft ....................................................................... 203 Abb. 8 Vier Lerntypen nach Engeström .............................................................................................. 214 Abb. 9: Lernen nach Engeström .......................................................................................................... 215 Abb. 10: Leiter der Bürger/innenpartizipation ...................................................................................... 230 Abb. 11: Vierfelder-Raster politischer Partizipationsformen................................................................ 231 Abb. 12: Verhältnis der Begrifflichkeiten Verhalten, Handeln, Beziehung .......................................... 248 Abb. 13: Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell in handlungstheoretischer Darstellung. .......... 260 Abb. 14: Die Sinus-Milieus .................................................................................................................. 285 Abb. 15: Zusammenschau von für Nachhaltigkeitsgruppen relevanten Lerntypen............................. 295 Seite ix Tabellenverzeichnis Tab. 1: Übersicht über die durchgeführten Interviews .......................................................................... 26 Tab. 2: Überblick über den Befragungsleitfaden ................................................................................... 28 Tab. 3: Codierungssystem der Auswertung .......................................................................................... 33 Tab. 4: Beschreibung von Teamrollen nach Belbin. ............................................................................. 66 Tab. 5: Rollenaufgaben in Gruppen ..................................................................................................... 68 Tab. 6: Übersicht über Formen lebensbegleitenden Lernens ............................................................. 117 Tab. 7: Veränderungen des Lernens ................................................................................................... 118 Tab. 8: Fundamentale Orientierungen, die die Nachhaltigkeitsbildung beeinflussen ......................... 121 Tab. 9: Lebensstile und Milieueinteilungen ......................................................................................... 284 Seite x 1 Einleitung Der Begriff Nachhaltigkeit wird seit einigen Jahren in inflationärer Weise verwendet, so dass er manchmal geradezu inhaltsleer wirkt. Hinterfragt man das Konzept genauer, zeigt sich, dass es nach wie vor an konkreten praktischen Umsetzungen mangelt. Das für sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung notwendige Engagement in der Bevölkerung ist allerdings weder durch gesetzliche Regelungen, noch durch Marktmechanismen allein erreichbar (vgl. Gelbmann 2010, S. 4). Zudem versuchen in den letzten Jahren die Regierenden immer mehr, ihre eigenen Bemühungen zur Bereitstellung so genannter öffentlicher Güter zurückzuschrauben und gesellschaftliche Verantwortung an Dritte zu übertragen (vgl. Knill & Lehmkul 2001, S. 93). Mit diesem als „Governance“ bezeichneten Phänomen versucht man neue Formen der Kooperation zwischen Regierenden und Dritten auf gleicher Augenhöhe zu schaffen (vgl. Jann & Wegrich 2010, S. 181). Das Modell der Governance bedarf zu seinem Erfolg aber des Engagements motivierter Menschen einzeln oder als Akteur/innen in Gruppen und Organisationen, und zwar auch über die Grenzen bezahlter Arbeit hinaus. Der Freiwilligensurvey 2009 des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend belegt, dass in Deutschland mehr als ein Drittel aller Bürger/innen freiwillig Aufgaben, Arbeiten oder Funktionen im so genannten Dritten Sektor (der Zivilgesellschaft) übernimmt (vgl. BMFSFJ 2009, S. 5). Das größte Engagement findet sich im Bereich Sport und Bewegung; Engagement für Nachhaltigkeitsanliegen werden nicht explizit abgefragt, finden sich aber in den Bereichen Umweltschutz, Politik und im lokalen Bürger/innenengagement und werden von je weniger als 3 % der Bevölkerung wahrgenommen (vgl. BMFSFJ 2009, S. 5). Auf allen Ebenen bemühen sich daher Institutionen wie NGOs (Non Governmental Organizations) die Forderungen derjenigen Konzepte auf regionaler Ebene umzusetzen, die das Thema „Nachhaltige Entwicklung“ begründet haben: Brundtlandreport (vgl. United Nations 1987) und Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a; WCED 1987). Der dort postulierte politische und gesellschaftliche Wandel hin zu Eigenverantwortlichkeit der Menschen geht allerdings einher mit einer massiven Individualisierung, geringerer Solidarität sowie geringerem Vertrauen in traditionale Masseninstitutionen 1 wie Gewerkschaft oder Kirche. In der „flüssigen“ Moderne (vgl. Bauman 2003a vgl. dazu 6.) streben die Menschen nach „Wunscherfüllung ohne Wartezeit“ ohne sich mit den Folgen ihres Tuns für ihre eigene und die Zukunft der Menschheit auseinanderzusetzen. Das führt zu einem Verlust an Nachhaltigkeit und auch zu einem Verlust von Bindungen zu anderen Menschen. Ein Netzwerk individueller und wechselnder Beziehungen entsteht, das den Bedarf individueller Flexibilität erhöht und zu Unsicherheit und Unklarheit beiträgt. Dieses Netzwerk darf nicht zu dicht und vor allem nicht zu eng werden, denn das wird als hinderlich empfunden (vgl. Bauman 2000, S. 14). All diese Veränderungen haben Auswirkungen auf das menschliche Zusammenleben und besonders auf den Faktor Gemeinschaft. Aus Sicht einer Nachhaltigkeitsgruppe interessiert daher, wie man Menschen dazu motivieren kann, sich für Nachhaltigkeitsanliegen zu interessieren und zu engagieren und welche Bildungsprozesse damit in Zusammenhang stehen. Aus diesen Gegebenheiten lässt sich die Problemstellung der vorliegenden Arbeit ableiten. 1.1 Problemstellung und Eingrenzung des Themas Im Zentrum des Interesses dieser Arbeit steht die Frage nach den inneren Eigenschaften und von außen wirkenden Einflussfaktoren einer Nachhaltigkeitsgruppe. Diese stellt sich aus erziehungswissenschaftlicher Sicht als eine Struktur dar, in der lebenslanges bzw. lebensbegleitendes Lernen stattfindet. Um diese Form des Lernes zu ermöglichen, ist die Vermittlung von Bildung in Form des Dialogs mit den Lernenden erforderlich: In der so genannten handlungsorientierten Bildung werden die Menschen mit den tatsächlichen Gegebenheiten ihres Umfeldes konfrontiert. Dies erlaubt ihnen die Bewertung der Ereignisse in ihrer Umgebung und hilft ihnen, eine Neuorientierung zu verlangen und sich selbst dafür zu engagieren (vgl. G. Fagan 1996, S.137). Die adäquaten Bildungsformen bestehen in „Aktion“ als zielgerichtetem, geplantem Handeln und „Empowerment“, das den Menschen einerseits die Fähigkeiten zum Handeln vermittelt und ihnen anderseits die Macht zum Handeln zugesteht. Nur unter diesen Bedingungen ist ein dauerhaftes Bestehen von Nachhaltigkeitsgruppen möglich, und beide Begriffe werden in der vorliegenden Arbeit hinterfragt (vgl. 7.2 und 8.3). 2 Damit sind sowohl die Entstehung als auch der Fortbestand von Nachhaltigkeitsgruppen definiert als Aufgaben lebenslanger bzw. lebensbegleitender, „nachhaltiger Bildung“. Was den Fortbestand von Nachhaltigkeitsgruppen anbelangt, so bestehen wesentliche Unterschiede im Hinblick auf dessen Dauer: Man kann über einen längeren Zeitraum hinweg oder auf einzelne Anlassfälle beschränkt nachhaltig agieren, etwa durch zeitweiliges Engagement in Bürger/inneninitiativen, wenn eine hohe persönliche Betroffenheit vorherrscht. Denn laut Freiwilligensurvey 2009 gibt es zwar mehr freiwillig engagierte Menschen als noch zehn Jahre zuvor (Steigerung um ca. 2 %), doch wenden diese vor allem im für Nachhaltigkeitsgruppen interessanten sozialen und ökologischen Bereich weniger Zeit für ihr Engagement auf: Das lässt darauf schließen, dass hier eine bessere Verteilung der Aufgaben und Arbeit stattgefunden hat. Die Motivation zu nachhaltigem Handeln und das konkrete Engagement für nachhaltige Entwicklung stehen demnach in einem direkten positiven Zusammenhang. Jedoch scheint plausibel, dass das Engagement einzelner für nachhaltige Entwicklung zu kurz greift. Daher finden sich in der Regel mehrere Personen zusammen, um Nachhaltigkeitsanliegen gemeinsam zu verfolgen. Mit anderen Worten bilden sich Gruppen, Netzwerke und Organisationen, die sich mit Fragen der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Das Hauptaugenmerk richtet die vorliegende Arbeit auf diejenigen, die ihre Arbeit, ihr Engagement und ihre Kreativität für nachhaltige Entwicklung aufwenden – mithin diejenigen Personen, die sich aktiv und intensiv für nachhaltige Entwicklung engagieren. Zentral sind dabei Personen, die ihr Engagement in eine auf Dauer angelegte Gruppierung einbringen bzw. die sich im Rahmen einer auf Dauer angelegten Gruppierung für einen einzelnen Anlass (engl. issue) engagieren. Der Fokus der voliegenden Arbeit liegt damit auf Lernvorgängen und ihren Umständen in Gruppen, die sich aus politischen oder auch rein sozioökologischen Motiven mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen, sowie auf deren Teilgruppierungen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf issue-basierte Gruppen wie Bür- ger/inneninitiativen etc. gelegt, die sich für die Erreichung eines bestimmten Zieles an Nachhaltigkeitsgruppen anschließen oder aus diesen entwickeln. Zugleich mit der Frage nach dem Arbeitsinhalt „Nachhaltigkeit“ muss auf der Metaebene die Frage der immanenten „Nachhaltigkeit“, also der Lebensdauer dieser 3 Gruppen untersucht werden, als Frage danach, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen diese Nachhaltigkeitsgruppen ihrerseits dauerhaft und zukunftsfähig sind (oder eben nicht). Definiert man Nachhaltigkeit nicht als (zukünftigen) Zustand der „Glückseligkeit“, sondern als Entwicklung und als Prozess des (lebenslangen) Lernens (vgl. 3.1.4 und 3.1.5), dann muss sich die Nachhaltigkeitsgruppe als Struktur „entwickeln“ und „lernen“: Sie muss sich ständig mit neuen Anforderungen auseinandersetzen, sich anpassen oder sogar Veränderungen vorweg nehmen. Denn geht man davon aus, dass bedingt durch die wachsende „Flüchtigkeit“ des sozialen Umfeldes, die Ausbreitung von Luxus und Komfort, die zunehmende Fragilität menschlicher Bindungen (vgl. Bauman 2007a, S. 14), Wertewandel, Lebensstiländerungen etc. die Menschen immer weniger dazu tendieren, sich „lebenslang“, oder zumindest über einen längeren Zeitraum hinweg, einer oder mehreren Gruppen fix anzuschließen, kann man folgende Überlegungen entwickeln: 1. Die Vorstellung, eine große Gruppe mit starkem Wir-Gefühl entwickeln zu können, ist obsolet. 2. Das Engagement für eine Gruppe bzw. für deren Mitglieder wird abgelöst durch das Engagement für Themen und Interessen. 3. Im Zentrum der Nachhaltigkeitsgruppe stehen nicht langfristige gemeinsame Ziele, enge zwischenmenschliche Beziehungen oder soziale Nähe, sondern die Konzentration auf wechselnde, mehreren Personen eigene Interessen, die ihrerseits im Zeitablauf einem Wandel unterliegen. Auch die damit einhergehenden Lernprozesse sind kurzfristig angelegt und stellen nicht auf ein ausgeklügeltes langfristiges Bildungskonzept ab: Bildung kann nur „häppchenweise“ vermittelt werden. Unter diesen Voraussetzungen kann die „herkömmliche“ soziologische und psychologische Literatur bezüglich „Gruppen“ für die Entwicklung eines Konzeptes „Nachhaltigkeitsgruppe“ nur bedingt angewendet werden. Vielmehr ist ein neues, resilienzorientiertes (vgl. 5.2.1) Modell einer Gruppe zu entwickeln und daraufhin zu untersuchen, welche modernen Bildungskonzepte ihm zugrunde gelegt werden können. Erst durch ihre Wandlungsfähigkeit (Adaptability) und die Fähigkeit, Störungen zu ertragen ohne zugrunde zu gehen (Resilienz) wird die Gruppe stabil (vgl. L. H. Gunderson et al. 2001). Diese Stabilität ist aber dynamisch zu sehen: „Die Gruppe atmet“. 4 Nähert man sich dem untersuchten Phänomen der Nachhaltigkeitsgruppe weiter, so zeigt sich, dass Gruppen, die sich für Anliegen nachhaltiger Entwicklung engagieren, manchmal zu einem einzigen Zweck gegründet werden können (z. B. Bürger/inneninitiativen für oder gegen bestimmte Projekte). Solche Gruppen agieren „issue-based“ bzw. anlassbezogen. Ihr Bestehen endet mit der Erreichung bzw. NichtErreichung des angestrebten Zieles. Wie oben bereits angedeutet, kann Wissen in diesen Fällen nur streng anlassbezogen und inkremental vermittelt werden bzw. gehen hier informale Bildungsprozesse vonstatten, während geplante (non-)formale Bildung in der Regel nicht angenommen wird. Macht man auf einer „Metaebene“ auch die nachhaltige Entwicklung der Gruppe selbst zum konstituierenden Merkmal einer Nachhaltigkeitsgruppe, so sind issuebasierte Gruppen keine Nachhaltigkeitsgruppen im engeren Sinne, denn die nachhaltige Entwicklung einer Gruppe basiert auf deren „Zukunfts- und Überlebensfähigkeit“. Diese hängt wiederum von der Bedürfnisbefriedigung der Mitglieder durch die Mitgliedschaft, von der Motivationsstruktur und anderen Faktoren ab. Daher bedarf es eines übergeordneten gemeinsamen Elements, das die Gruppe auf Dauer zusammenhält, auch wenn die Akteur/innen und Themen („Issues“ bzw. „Interessen“) wechseln (vgl. 5.5). Dieses übergeordnete Element ist die gemeinsame Idee, die gemeinsame Vorstellung von „Nachhaltiger Entwicklung“. Typische Nachhaltigkeitsgruppen in diesem Sinne sind daher politische Gruppierungen, NGOs und ähnliches. Issuegroup s entwickeln sich oft unter Anbindung an dauerhafte Nachhaltigkeitsgruppen, wobei der Impuls zur Gründung einer Issuegroup von innerhalb oder außerhalb der Nachhaltigkeitsgruppe kommen kann. Issuegroup s bilden daher den dynamischen Aspekt der Nachhaltigkeitsgruppe, der für deren nachhaltige Entwicklung sorgt. Zentrale Elemente einer Nachhaltigkeitsgruppe sind daher eine gemeinsame Idee (also eine grundsätzliche Vorstellung davon, was Nachhaltigkeit alles umfassen kann) und ein kleines Kernteam von längerfristig engagierten Personen, das im Zentrum der Gruppe steht, als deren zentraler Knoten arbeitet und auch als Verbindungsknoten zu anderen Netzwerken dient („linking team“). Gemeinsam bilden die eben dargestellten Elemente die Basis für das System, das in der vorliegenden Arbeit untersucht wird. 5 1.2 Zielsetzung der Arbeit – Forschungsfragen Am Ende der UN-Dekade der nachhaltigen Bildung 2015-2014 (vgl. Editorial UNESCO 2013) interessiert daher, warum Menschen sich in Gruppen einbringen, um sich für nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Der Begriff „Bildung“ spielt in diesem Zusammenhang eine doppelte Rolle: als Bildung im organisatorischen bzw. institutionellen Sinne, bezogen auf Schlagwörter wie Zustandekommen, Fortbestehen, Kohäsion etc. einer Gruppe. als Bildung im klassisch erziehungswissenschaftlichen Sinne, bezogen auf Schlagwörter wie Lernen, Weiterbilden, Kompetenzen etc. Beiden Aspekten der „Bildung“ wohnen mehrere Gemeinsamkeiten inne: Beide weisen sowohl zustandsbezogene wie auch prozesshafte Charakteristika auf, sind aber in einer postmodernen Gesellschaft dynamisch, partizipativ und systemisch verwoben zu sehen. Alle beiden Aspekte haben mit Phänomenen wie Motivation oder Interesse genauso zu tun wie mit Werten und Einstellungen. Alle beide spielen eine große Rolle in einer postmodernen, auf Individualisierung und Selbstverwirklichung ausgerichteten Gesellschaft. Letztlich haben sie alle beide zu tun mit der Frage, ob es in einer komplexen, unsicheren Umwelt für das Individuum besser ist, angepasst oder reflektiert und potentiell widerständig zu agieren. Zur Bildung von angepassten oder nicht-angepassten Menschen können wiederum entsprechende Bildungsstrategien beitragen. Erstes zentrales Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit ist es demnach zu erforschen, welches die konstituierenden Merkmale einer Nachhaltigkeitsgruppe sind. Stimmt die oben angestellte Überlegung, dass im Zentrum der Nachhaltigkeitsgruppe nicht langfristige gemeinsame Ziele, enge zwischenmenschliche Beziehungen oder soziale Nähe stehen, sondern die Konzentration auf wechselnde, mehreren Personen eigene Interessen, so verlieren Merkmale wie „Wir-Gefühl“, Kohäsion, regelmäßige Interaktion bzw. Kommunikation an Bedeutung: Auch wenn man großen Aufwand treibt, kann man diese Merkmale nicht mehr länger zu konstitutiven Merkmalen der Gruppe machen. Vielmehr müssen andere Merkmale und vor allem neue Bildungskonzepte für Nachhaltigkeitsgruppen an deren Stelle treten, denen diese Arbeit 6 nachgeht. Zu den konstituierenden Elementen der Nachhaltigkeitsgruppe und den Erkenntnisobjekten der vorliegenden Arbeit gehören unter anderem Faktoren wie Motive, sich in einer Nachhaltigkeitsgruppe zu engagieren, Handlungen, die in der Nachhaltigkeitsgruppe stattfinden, und vor allem die Lernprozesse, die geplant oder ungeplant in der Nachhaltigkeitsgruppe vonstatten gehen. Um diesen Themen auf den Grund gehen zu können, bedarf es aber weiterhin einer Analyse der Elemente, die die Bildung von und die Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen determinieren, mithin einer Analyse der Einflussfaktoren und Umständen von Nachhaltigkeitsgruppen, etwa im Systemkontext oder in einer sich wandelnden Gesellschaft. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, wie Bildung im doppelten oben beschriebenen Wortsinn das soziale Phänomen „Nachhaltigkeitsgruppe“ prägt. Erforscht werden Merkmale von und Einflussfaktoren auf die Bildung von und in Nachhaltigkeitsgruppen. Daraus ergeben sich unmittelbar die folgenden Forschungsfragen bzw. Erkenntnisziele, die mithilfe theoriegeleiteter Recherchen und empirischer Untersuchung beantwortet werden: Was sind Nachhaltigkeits-Gruppen (in Ermangelung einer anerkannten, einigermaßen eindeutigen Definition)? Wie kann man die Gruppenstruktur einer Nachhaltigkeitsgruppe unter Miteinbeziehung eines dynamischen Konzeptes der Nachhaltigkeit abbilden? Wie kann mithilfe von neuen Ansätzen vor allem der Systemforschung das Konzept einer Nachhaltigkeitsgruppe sinnvoll abgebildet werden? Wie sieht die Zielhierarchie einer Nachhaltigkeitsgruppe aus, ausgehend von einer langfristigen Vision (Idee) bis hin zu kurzfristigen Handlungszielen (Inhalten)? Welchen Einfluss hat (der Diskurs über) eine postmoderne Gesellschaft auf die Eigenschaften einer Nachhaltigkeitsgruppe bzw. die daran Beteiligten? Wie passt das Konzept der Nachhaltigkeitsgruppe in der Nachhaltigkeit nah verwandte Konzepte wie Empowerment und Partizipation? 7 Welche individuellen Werte, Einstellungen und Motive haben Menschen, sich für nachhaltige Entwicklung zu interessieren und in Nachhaltigkeits-Gruppen einzubringen? und (quasi als Klammer um alle bisherigen Fragen): Welche Rolle spielen Bildungsprozesse (im pädagogischen Sinne) bei all diesen Phänomenen? o Welche Bedeutung hat Lernen als Herausbildung neuen Wissens? o In welchem Kontext steht dazu die nachhaltige/Nachhaltigkeitsbildung o Unter welchen Umständen findet Lernen in Nachhaltigkeitsgrupen statt? 1.3 Vorgehensweise der Arbeit Die vorliegende Arbeit gliedert sich im Anschluss an die Einleitung in vier wesentliche Teile (vgl. Abb. 1). Im ersten dieser Teile wird in Kapitel 2 die methodische Grundlage der Arbeit dargestellt, die sich in die wissenschaftstheoretische Einordnung (vgl. 2.1) und die Darstellung der gewählten Methode untergliedert (vgl. 2.2). Im Rahmen der wissenschaftstheoretischen Einleitung wird begründet, warum sich diese Arbeit sowohl einem inter- als auch einem transdisziplinären Zugang verpflichtet fühlt und die Arbeit mit Praktiker/innen als wesentlich erachtet. Die Methodendarstellung umfasst einserseits das Vorgehen bei der Erstellung der theoretischen Teile (vgl. 2.2.1) und andereseits die genaue Beschreibung der für die empirische Arbeit angewandten Methoden (vgl. 2.2.2.) Den Hauptteil der Arbeit bilden die Kapitel 3 bis 9. In ihnen wird mithilfe abduktiver Zugänge ein theoretisches Grundgerüst aufgebaut, und dieses Theoriegerüst anhand der empirischen Darstellung validiert bzw. plausibel gemacht. Diese Variante der verschränkten Darstellung von Theorie und Empirie wurde gewählt, da die Arbeit keiner linearen Ablauflogik folgt. Vielmehr ist Kapitel 3 für die Arbeit zentral, während sich die Kapitel 4 bis 9 um diesen zentralen Kern in systemischer Form gruppieren (vgl. Abb. 1). Sie unterliegen keiner zwingenden Reihenfolge, sondern sind interdependent. Es existieren viele gegenseitige Abhängigkeiten, welche Querverweise bedingen. 8 In Kapitel 3 werden die beiden grundlegenden Begriffe „Nachhaltigkeit“ (vgl.3.1; historische Entwicklung, politische und wissenschaftliche Konzepte der Nachhaltigkeit) und „Gruppe“ (vgl. 3.2; Arten von Gruppen, Gruppengröße, Identität von Gruppen, Gruppenrollen) zuerst unabhängig voneinander erörtert und dann zueinander in Beziehung gesetzt. Dazu werden die historischen Wurzeln nachhaltigen Engagements in Gruppierungen verschiedener Art dargestellt (vgl. 3.3.3). Aufbauend auf den bisherigen Ausführungen erfolgt die genaue Festsetzung des Begriffes „Nachhaltigkeitsgruppe“ im Sinne der vorliegenden Arbeit. Die Beschreibung einiger ausgewählter Arten von Nachhaltigkeitsgruppen in diesem Sinne (Lokale Agenda 21 Gruppen, Non Governmental Organizations (vgl. 3.3.5) sowie die Ergebnisse der empirischen Erhebung (vgl. 3.3.6) runden das Kapitel ab. Kapitel 4 beschreibt den erziehungswissenschaftlichen Zugang der Arbeit. Verschiedene Konzepte des „Lernens“ (v.a. die Konzepte von Piaget und ihm folgend Illeris, vgl. 4.2.2.1 sowie das Lernen nach Bateson, vgl. 4.2.2.2) werden als Basis nachhaltiger Bildung ebenso dargestellt wie die erworbenen (Handlungs)Kompetenzen als Ergebnis von Lernprozessen, wie sie vor allem im Rahmen der Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung bzw. nachhaltiger Bildung (vgl. 4.3) eine Rolle spielen. Diese bzw. ihre Interdependenzen werden im nächsten Schritt diskutiert. Breiter Raum wird den Umständen des Lernens für Nachhaltige Bildung gewidmet (vgl. 4.4.). Hier werden tragfähige Konzepte nachhaltigen Lernens dargestellt und in ihrer Eignung zur Darstellung der Lernprozesse in Nachhaltigkeitsgruppen untersucht. Im Einzelnen geht es um Orte, an denen Lernen stattfindet (formal, non-formal, informell), um Promotoren des Lernens (und die Frage nach selbst- oder fremdgesteuertem Lernen), um Motive des Lernens (und die Frage, welche Interessen dem Lernen zugrundeliegen) sowie um Zwecke des Lernens (und die Frage, ob Lernen auf die Vermittlung von kognitiven Inhalten oder auf die Vermittlung persönlicher Kompetenzen gerichtet sein soll). Die umfassende Analyse der Ergebnisse der empirischen Arbeit beschließt das Kapitel. Kapitel 5 setzt sich mit dem systemwissenschaftlichen Zugang der Arbeit auseinander. Zuerst erfolgt eine allgemeine Einleitung hinsichtlich Systemen und Netzwerken (vgl. 5.1), in der die beiden Begriffe abgegrenzt und grundlegende Termini der Systemtheorie wie Emergenz und Autopoiesis dargestellt werden, bevor systemische 9 Elemente von Nachhaltigkeitsgruppen diskutiert werden. Im Hinblick auf die dynamischen Eigenschaften von Nachhaltigkeitsgruppen besonders geeignet erscheint der spezielle Ansatz der Panarchy Theory (vgl. 5.2), die in ihren theoretischen Grundlagen dargestellt und sodann auf ihre Konsequenzen für Nachhaltigkeit und Lernen untersucht wird. Die Panarchy Theory berücksichtigt, dass Systeme nicht statisch sind, sondern wachsen und Potenzial akkumulieren und sodann unter Einfluss von Schocks kollabieren können. Zudem postuliert sie einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung von kleineren und größeren Systemen, die sich gegenseitig in ihrer Entwicklung beeinflussen können. Einen wesentlichen Einfluss hat in diesem Zusammenhang die Frage der Resilienz, die als eine Art „dynamischer Stabilität“ des Systems zu betrachten ist. Das Panarchiemodell wird sodann sowohl im Zusammenhang mit Lernen als auch mit Nachhaltigkeit als den beiden zentralen Konstrukten dieser Arbeit untersucht. Schließlich wird auf dieser Basis das so genannte „Triple-IModell“ von Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt, das eines der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit ist. Wiederum werden am Ende des Kapitels die empirischen Erkenntnisse direkt mit eingearbeitet. Kapitel 6 untersucht den Einfluss postmoderner Gesellschaftsstrukturen auf Nachhaltigkeitsgruppen, wobei wiederum Rückkoppelungen sowohl ins Kapitel 4, als auch in Kapitel 3 erfolgen. Im Zentrum stehen hier die Ansätze von Bauman zur „flüssigen Moderne“ und von Sennett zur „Korrosion des Charakters“ bzw. zum „flexiblen Menschen“. Diese Ansätze werden über ihre Einflussfaktoren dargestellt sowie auf Konsequenzen für die gesellschaftliche Entwicklung allgemein und für Bildungsprozesse im Speziellen untersucht, bevor die Ergebnisse wiederum auf Nachhaltigkeitsgruppen umgelegt werden. Zentral sind hier die Begriffe der „Cloakroom Communities“ und der „Schwärme“ sowie als sehr konkrete Ausprägungsform die „Communities of Practice“. Für diese Konzepte liefert wiederum der Abschluss des Kapitels auch empirische Ergebnisse. Kapitel 7 setzt den soziologischen Zugang von Kapitel 6 fort, wendet sich aber von den eher pessimistischen Prämissen von Baumans und Sennetts Theorie ab und den optimistischen der Partizipation als Teilhabe der Allgemeinheit am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess sowie des Empowerment als Zurverfügungstellung von Macht und Wissen zu. Beide Konzepte werden dargestellt und dis10 kutiert. Ein wesentlicher Aspekt ist „Governance“ als Übertragung von Gemeinwohlverantwortung an die Bürger/innen. Die Konsequenz davon wiederum ist die Herausbildung der Zivilgesellschaft. Dieser sind auch Nachhaltigkeitsgruppen zuzurechnen, da Nachhaltigkeit, wie eingangs begründet wird, jedenfalls ein politisches Konzept ist. Auch dafür finden sich Hinweise und Belege in der empirischen Arbeit, wie am Ende des Kapitels dargelegt wird. Kapitel 8 schließlich wendet sich dem einzelnen Individuum und seinen Motiven für das Engagement in der Nachhaltigkeitsgruppe zu. Zentrale Elemente sind hier die Untersuchung der Werte des/der Einzelnen, die die Basis für seine/ihre Einstellungen bilden, aus welchen wiederum das soziale Handeln der Individuen resultiert. Resultierend aus dem Handeln befasst sich Kapitel 8 mit der Motivation bzw. den Anreizstrukturen in Nachhaltigkeitsgruppen. Das Kapitel liefert verschiedene motivationstheoretische Erklärungsansätze, die das soziale Handeln in Nachhaltigkeitsgruppen erklären und auch empirische Belege dafür liefern. Kapitel 9 untersucht schließlich postmoderne Lebensstile als Basis für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen. Ausgehend von verschiedenen Wertwandelskonzepten werden Lebensstile und Milieus thematisiert, aus denen typischerweise die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen stammen, wobei konkret auf die Typen der LOHAS und LOVOS als Beispiele nachhaltigkeitsorientierter Lebensstile eingegagnen wird, bevor die zugehörige Empirie dargestellt wird. Nach diesem umfassenden Konglomerat von Aspekten von Nachhaltigkeitsgruppen ist eine umfassende Diskussion der Ergebnisse in Kapitel 10, um die gewonnenen Erkenntnisse auf den Punkt zu bringen, ebenso erforderlich wie ein Fazit und ein Ausblick auf weiter zu erledigende Forschungsarbeiten. Die Gliederung ist in Abb. 1 schematisch dargestellt. 11 1 1.1 1.2 1.3 Einleitung Problemstellung und Eingrenzung d. Themas Zielsetzung der Arbeit – Forschungsfrage Gang der Arbeit 2 Wissenschaftstheoretische Anschlüsse 2.1 Epistemologischer Zugang 2.2 Gewählte Methodik Methodische Basis Theoretisches Grundgerüst 4 Nachhaltige Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen 4.1 Lernen als Basis nachhaltiger Bildung 4.2 Kompetenz als Ergebnis von Lernvorgängen 4.3 Nachhaltige Bildung/Bildung f. Nachhaltigkeit 4.4 Lernformen für Nachhaltige Bildung 4.5 Lernen in der NaHaGru 8 Individuell bedingte Beweggründe für Engagement in NaHaGru 8.1 Werte als Ausgangspunkt 8.2 Einstellung 8.3 Soziales Handeln 8.5 Motivation zur Teilnahme an NaHaGru 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 5 Nachhaltigkeitsgruppen als panarchische Systeme 5.1 Grundlagen der System- & Netzwerktheorie 5.2 Erfassen von Veränderungen in komplexen Systemen & Netzwerken: Panarchiekonzept 5.3 Panarchie und Nachhaltigkeitsgruppe: Die „Triple-I“-Struktur Ableitung des Begriffes Nachhaltigkeitsgruppe Nachhaltigkeit Gruppe Ableitung Begriff NaHaGru Historische Wurzeln nachhaltigen Engagements Definition von „NaHaGru“ in dieser Arbeit 9 Postmoderne Lebensstile als Basis f. Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen 9.1 Wertwandel 9.2 Lebensstile und Milieus 6 Gruppen in der Flüssigen Moderne 6.1 Einflussfaktoren der Flüssigen Moderne 6.2 Konsequenzen der Flüssigen Moderne 6.3 Auswirkungen der Flüssigen Moderne f. NaHaGru 7 Gesellschaftlich bedingte Beweggründe für Engagement in NaHaGru 7.1 Partizipation 7.2 Empowerment 7.3 Governance Praktische Arbeit: Empirische Studie zu Nachhaltigkeitsgruppen Wissenschaftliche Erkenntnisse 10 Schlussfolgerungen 10.1 Diskussion 10.2 Fazit und Ausblick Abb. 1: Zusammenhänge in der Gliederung der Arbeit 12 2 Wissenschaftstheoretische Anschlüsse In Kapitel 2 erfolgt einerseits eine Einordnung der Dissertation in den wissenschaftstheoretischen Kontext, anderseits wird die gewählte Forschungsmethodik sowohl für den theoretischen Zugang als auch für die empirische Forschungsarbeit dargelegt. 2.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung Die Notwendigkeit, drängende Probleme zu lösen, bedarf vor allem im Bereich der nachhaltigen Entwicklung (z. B. in Bezug auf Umwelt, Energie, Gesundheit usw.) einer engen Kooperation und Integration über Disziplingrenzen hinweg (vgl. Jahn 2005, S. 34). Integration bedeutet in diesem Zusammenhang die Abkehr von der bloßen Ansammlung von additivem und hochgradig fragmentiertem Wissen. Gefragt ist vielmehr der Aufbau von in sich kohärentem und handlungsbezogen qualifiziertem Wissen „im Hinblick auf die Verhinderung, Linderung und Lösung sozialer Probleme anzuwenden“ (Obrecht 2003, S. 164 siehe auch S. 126). Ein solcher Zugang bedarf per se einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie, da für alle an der Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen Beteiligten gilt, dass sie sich ihr Weltbild quasi „erfinden“ und auf die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Weltbilder Bedacht genommen werden muss (vgl. von Foerster 1985, S. 40). Dieser konstruktivistische Zugang ist aus Sicht des Verfassers für die vorliegende Arbeit geeignet, da er erlaubt, ein konkretes Problem aus dem Erleben der Menschen in einem wissenschaftlichen Kontext zu untersuchen, ohne dass dabei ein Allgemeingültigkeitsanspruch erhoben würde. Aus diesem Grund zielt die angewandte Forschungsmethode stark auf inter- und transdisziplinäre Integration ab. Disziplinen sind Wissensstrukturen mit spezifischen Denkmustern und Modellvorstellungen, die historisch gewachsen sind. Disziplinen fassen Wissen zusammen, das sich jeweils auf bestimmte Gegenstände und Themen, auf bestimmte Methoden der Wissensgewinnung, auf Mittel zur Erzielung von Ergebnissen oder auf Probleme und Personen bezieht (vgl. Gutmann 2005, S. 70). Bei einem interdisziplinär angelegten Forschungsansatz bildet das disziplinenübergreifende Verständnis der zusammenarbeitenden Disziplinen einen zentralen Ansatzpunkt, ebenso wie die wechselseitige Berücksichtigung von Konzep- 13 ten und Methoden verschiedener Disziplinen (vgl. Gelbmann & Klampfl-Pernold 2010, S. 162). Nach Heckhausen (1987) bedeutet interdisziplinäre Forschung, „dass einige Wissenschaftler/innen, die verschiedenen Fächern angehören, zusammen an einem Problem arbeiten, das so allgemein, alltagsnah oder fachfremd betitelt ist, dass noch kein Vertreter der beteiligten Fächer bereits das Problem unter den Aspekten seiner eigenen Fachlichkeit eingegrenzt und definiert hätte“ (Heckhausen 1987, S. 129). Reale, praktische Probleme müssten dabei unter verschiedenen disziplinären Blickwinkeln beleuchtet werden (vgl. Heckhausen 1987, S. 129). Schaller hingegen fasst Interdisziplinarität allgemeiner und sieht den Grundkonsens darin, „dass unter Interdisziplinarität Unternehmungen verstanden werden, die innerhalb der Wissenschaft stattfinden“ (Schaller 2004, S. 36). Besteht also nicht einmal eine definitorische Klarheit darüber, was Interdisziplinarität ist, so erscheint es nicht verwunderlich, dass die Abgrenzung zwischen Inter- und Transdisziplinarität noch unklarer ist. Der Übergang von der Inter- zur Transdisziplinarität scheint fließend zu verlaufen (vgl. Schaller 2004, S. 36). So sieht Mittelstraß in seinen frühen Abgrenzungsversuchen Transdisziplinarität als eine Art „fortgeschrittener“, „wirklicher“ Interdisziplinarität (vgl. Mittelstraß 2003, S. 26). In seinen weitergehenden Definitionsansätzen wendet sich Mittelstraß jedoch von dieser Meinung ab und definiert den Transdisziplinaritätsbegriff als eigenständiges Konzept. Transdisziplinarität wird zu einem „Forschungs- und Wissenschaftsprinzip, das dort wirksam wird, wo eine allein fachliche oder disziplinäre Definition von Problemlagen und Problemlösungen nicht möglich ist bzw. über derartige Definitionen hinausgeführt wird“ (Mittelstraß 2005, S. 18f). Allerdings will er nicht die Disziplinen abschaffen, da er in der Transdisziplinarität zwar ein integratives, aber kein holistisches Konzept sieht, das im Zeitlauf entstandene allzu große Spezialisierungen aufhebt, aber nicht versucht, alle Disziplinen auf „die eine“ Disziplin zurückzuführen (vgl. Mittelstraß 2001, S. 94f). In seinen späteren Werken stellt sich für Mittelstraß Transdisziplinarität dar 14 „sowohl als eine Forschungs- und Arbeitsform der Wissenschaft (…), wo es darum geht, außerwissenschaftliche Probleme, z. B. (…) Umwelt-, Energie- und Gesundheitsprobleme, zu lösen, als auch als ein innerwissenschaftliches, die Ordnung des wissenschaftlichen Wissens und der wissenschaftlichen Forschung selbst betreffendes Prinzip“ (Mittelstraß 2003, S. 9f). Währenddessen konzentrieren sich Gibbons et al. in ihrem „Mode-2-Modell“ auf die Öffnung für die Zusammenarbeit mit außerwissenschaftlichen Institutionen und Individuen und auf Versuche dieses Konzept zu operationalisieren (vgl. Gibbons, Nowotny, & Limoges 1994, S. 4–6; Jaeger & Scheringer 1998, S. 10–25; Nowotny, Scott, & Gibbons 2001, S. 89). Auch hier basiert das Transdisziplinaritätsverständnis auf einer verstärkten Form der Interdisziplinarität, die ihrem „Mode-2-Modell“ der Forschung neben anderen Forderungen zu Grunde liegt. Das disziplinäre Wissen wird in einer Weise miteinander kombiniert, dass wissenschaftliche Aufgaben über die Disziplinengrenzen hinweg bearbeitet und gelöst werden können (vgl. Kleiber 2001, S.55; B. Tress et al. 2003, S.8–10). „Mode-2“-Forschung erfolgt daher nicht content-, sondern context-basiert, ist massiv auf Probleme der realen Lebenswelt fokussiert (vgl. dazu auch Mittelstraß 2001, S. 97f) und kann aus diesem Grund nicht innerhalb der traditionellen Paradigmata einzelner Disziplinen durchgeführt werden, sondern bedarf der Integration interdisziplinärer Teams. Das erfordert, dass die „Beforschten“ nicht mehr als Forschungsobjekte betrachtet werden, sondern dass ihre Bedürfnisse und vor allem ihre Fähigkeiten und Kompetenzen in die Forschungstätigkeit mit einbezogen werden. Dem wird im Forschungsdesign der vorliegenden Arbeit durch sorgfältige Auswahl von Expert/innen Rechnung getragen, die von Anfang an in die Ausarbeitung mit einbezogen werden. Aus diesem Paradigmenwechsel von einer Wissenschaft über die Gesellschaft hin zu einer Wissenschaft mit der Gesellschaft begründet sich auch der enge Konnex zwischen transdisziplinärem und nachhaltigem Forschen (vgl. Gelbmann 2006, S.6; R. W. Scholz & Marks 2001, S.236). Hier bewirkt die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis massives gegenseitiges Lernen. In diesem Ansatz werden wissenschaftliches Fachwissen und praktisches Erfahrungswissen nicht nur als gleichwertig angesehen (vgl. G. Steiner et al. 2004, S.528), sondern durch die Bündelung der 15 verschiedenen Kompetenzen wird ein gemeinsamer Problemlösungsprozess in Gang gesetzt (vgl. R. Lenz 2003, S.4). Gerade im Bereich der Nachhaltigkeit besteht ein wesentliches Problem darin, dass in verschiedenen Disziplinen unter bestimmten Begriffen jeweils etwas anderes verstanden wird, insbesondere auch unter dem Begriff Nachhaltigkeit selbst (vgl. O. R. Scholz 1999, S.6). Das dieser Arbeit zugrunde liegende transdisziplinäre Forschungsverständnis erfordert, „von eigenen Begriffsvorstellungen zu abstrahieren, um ein gemeinsames Begriffsinventar zu entwickeln, mit dessen Hilfe auch die Probleme anderer Disziplinen erfasst werden können“ (Gelbmann 2006, S. 98). Zu beachten ist dabei aber, dass alle möglichen Begriffszuschreibungen möglichst vollständig erfasst werden, wobei Verständnisunterschiede und Divergenzen zwar aufgezeigt, nicht aber zwangsläufig eine gemeinsame, einzig gültige Definition gefunden werden muss (vgl. Gelbmann 2006, S. 99). Im Gegenteil ist eine solche sogar oft kontraproduktiv, weil sie oft eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner hinausläuft. So kommt im vorliegenden Text die Beschreibung von Anpassungsfähigkeit bei Störungen im System als Begriff der „Dynamischen Stabilität“ vor. In der Psychologie wird diese Eigenschaft als „Homöostase“ (Selbstregulierung), in ökologischen Systemen als „Resilienz“ (vgl. 5.2.1) bezeichnet. Aus diesem Grund erfolgt in der vorliegenden Arbeit eine intensive Auseinandersetzung mit den verwendeten Begrifflichkeiten, und die eigene Position wird deutlich gemacht, jedoch nur, um Vertreter/innen anderer Positionen die Einordnung des Dargelegten zu ermöglichen. Von pädagogischen Begriffen ausgehend (wie Lernen, Bildung) beschäftigt sich die vorliegende Arbeit auch mit den fachspezifischen Termini der Soziologie, Ökologie und Ökonomie. Der/Die Pädagoge/-in taucht in die Gedanken und Praxiswelt benachbarter Disziplinen wie Soziologie, Ökonomie oder Ökologie ein und setzt deren Gedankengut in die Praxis um. Wendet man diese Vorgehensweise als wissenschaftlichen Zugang dieser Arbeit an, so zeigt sich, dass sie einerseits interdisziplinär zu sehen ist, im Sinne einer Verbindung von „Wissen“ aus verschiedenen Disziplinen, das kombiniert und verdichtet wird zu einem Bündel von Aussagen über ein neues Konstrukt „Nachhaltigkeitsgruppe“. Doch geht die Intention der Arbeit darüber hinaus in den Bereich der „Transdisziplinarität“, die wesentlich vielfältiger ist und einen Blickwinkel erfordert, der übliche 16 disziplinspezifische Wissenschaftsparameter übersteigt: Nicht nur die disziplinenübergreifende Behandlung von komplexen Problemen muss Berücksichtigung finden, sondern auch die Kommunikation zwischen den Universitäten und der Praxis, um in der Folge in der außerwissenschaftlichen Gesellschaft ein Verständnis und Unterstützung für wissenschaftlich definierte Probleme zu finden. Somit weist die vorliegende Arbeit sowohl einen inter- als auch einen transdisziplinären Fokus auf, welcher wiederum geprägt ist von einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie. Die konkrete Umsetzung dieses Zuganges wird nachfolgend dargestellt. 2.2 Gewählte Forschungsmethode 2.2.1 Theoretische Arbeit Der erkenntnistheoretische Zugang dieser Arbeit beruht auf einem dreistufigen Vorgehen, wie es von Peirce bereits 1931 ausgearbeitet wurde: „Nachdem die Abduktion uns eine Theorie eingegeben hat, benützen wir die Deduktion, um von jener idealen Theorie eine gemischte Vielfalt von Konsequenzen unter dem Gesichtspunkt abzuleiten, dass wir, wenn wir gewisse Handlungen ausführen, uns mit gewissen Erfahrungen konfrontiert sehen werden. Wir gehen dann dazu über, diese Experimente auszuprobieren, und wenn die Voraussagen der Theorie verifiziert werden, haben wir ein verhältnismäßiges Vertrauen, dass die übrigen Experimente, die noch auszuprobieren sind, die Theorie bestätigen werden“ (Peirce 1958, S. 209). Abduktion ist demnach eine wissenschaftliche Methode, bei der ausgelöst vom Auftreten unerwarteter Ergebnisse eine Theorie bzw. ein Modell entwickelt wird. Abduktion ist der Prozess des Formens erklärender Hypothesen. „Abduktion ist jene Art von Argument, die von einer überraschenden Erfahrung ausgeht, das heißt von einer Erfahrung, die einer aktiven oder passiven Überzeugung zuwiderläuft. Dies geschieht in Form eines Wahrnehmungsurteils oder einer Aussage, die sich auf ein solches Urteil bezieht, und eine neue Form von Überzeugung wird notwendig, um die Erfahrung zu verallgemeinern“ (Peir- ce 1958, S. 5. 171). 17 Sie ist die einzige logische Operation, die neuartige Ideen einführt. Deduktion überprüft und belegt, dass etwas sein MUSS bzw. nicht sein DARF; Induktion zeigt, dass etwas in der Tat wirksam IST, und überprüft dabei praktische Konsequenzen aus den Hypothesen. Abduktion jedoch legt nur nahe, dass etwas sein KANN. Die einzige Rechtfertigung für Abduktion ist aus der Sicht von Peirce, dass aus ihr mithilfe von Deduktion eine Vorhersage abgeleitet werden und mithilfe von Induktion getestet werden kann (Peirce 1934, § 4 S. 171). Zunächst wurde für die vorliegende Arbeit daher in abduktiver Weise ein Modell bzw. ein Theoriegebäude entwickelt. Die „überraschende Tatsache“ bestand im konkreten Fall darin, dass in einer konkreten Nachhaltigkeitsgruppe (der Grünen Gemeindegruppe Ampass) trotz aller Bemühungen in Form von teambildenden Maßnahmen, Workshops, Informationsaktivitäten, Zukunftswerkstätten etc. weder Gruppenkohäsion, noch eine dauerhafte Gemeinschaft geschaffen werden konnten. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen begannen die Koordinator/innen der Gruppe zu überlegen, ob diese Tatsachen vielleicht weniger auf ihr Versagen als auf allgemeine soziale Faktoren zurückzuführen seien und ob in Gesellschaften mit postmoderner Wertestruktur die Einrichtung einer dauerhaften Gruppe überhaupt möglich sei. Aus diesen Überlegungen heraus wurden die Vorstellung einer postmodernen Nachhaltigkeitsgruppe und ein Modell ihres Funktionierens entwickelt (das „Triple-I-Modell“, vgl. 5.5). Die der Arbeit zugrundeliegende Technik der Abduktion hat demnach epistemologischen Charakter, ähnlich wie die aus ihr abgeleitete „Grounded Theory“ (Strauss; Corbin 1996, S. 8), deren Prämissen auch auf die Abduktion übertragen werden können. Dabei handelt es sich um einen „Forschungsstil zur Erarbeitung von in empirischen Daten gegründeten Theorien“ (Strübing 2008, S. 13). Eine wesentliche Prämisse in diesen Überlegungen ist, dass jede Theorie von dem/der Forschenden entwickelt wird und somit keinesfalls von diesem/dieser subjektiv unabhängig sein kann. Vielmehr sind die Forschenden als Subjekte ihrer Forschungsprozesse aufzufassen (vgl. Strauss 2007, S. 35; Strübing 2008, S. 16). Hier spielen auch die Ideen des Konstruktivismus herein, denn „alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt“ (Maturana 1998, S. 25). Die Forderung nach einer universellen Gültigkeit der wissenschaftlichen Aussagen unabhängig von der Person des/der Forschenden ist damit ad absurdum geführt. Relativierend kann man aber argumentie18 ren, dass eine etwaige überschießende Subjektivität der Forschenden durch ihre Einbindung in das Kritiksystem der jeweiligen Scientific Community abgemildert wird. Zudem ist „problemlösende Erkenntnis (…) anders als auf dem Weg über die innere Beteiligung der problemlösenden Subjekte grundsätzlich nicht zu gewinnen“ (Strübing 2008, S. 16). Als Folge davon ist die Erstellung eines starren, obligatorischen Regelwerks für qualitative Forschungsprozesse nicht möglich, vielmehr können nur Empfehlungen für das jeweilige wissenschaftliche Handeln erstellt werden. Zu den qualitativen Forschungsmethoden zählen neben der Grounded Theory nach Glaser, Strauss und Corbin (vgl. Strauss & Corbin 1996, S. 8) auch andere inhaltsanalytische Methoden, wie die Methode nach Mayring (vgl. Mayring 2010) oder die Methode von Gläser und Laudel (vgl. Gläser; Laudel 2010). Mithilfe der qualitativinhaltsanalytischen Fragestellungen können aus qualitativen, empirischen und auch theoretischen Daten iterativ (vgl. Weed 2009, S. 505) eine Theorie entwickelt und mit deren Hilfe vorab definierte Forschungsfragen beantwortet werden (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 1). Basis der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Methode ist die Grounded Theory. Diese gibt keine genaue Vorgehensweise vor, sondern nur ein Grundgerüst, mithilfe dessen die Zusammenstellung der Forschungsergebnisse erfolgen können. Zunächst muss eine theoretische Sensibilisierung erfolgen und Problembewusstsein geschaffen werden. Das kann durch Literaturanalyse geschehen oder aber wie im vorliegenden Fall auch durch die abduktive Überführung eines Phänomens aus der sozialen Wirklichkeit in eine wissenschaftliche Fragestellung. Das Phänomen „Nachhaltigkeitsgruppe“ wird entdeckt, genau erfasst und vorläufig bestätigt, indem systematisch Daten gesucht und analysiert werden. Entsprechend werden in den theoretischen Teilen der Arbeit Begriffe wie „Gruppe“ oder „Nachhaltigkeit“ erörtert, um ein Verständnis dafür entwickeln zu können, was eine „Nachhaltigkeitsgruppe“ ist. Die Fragestellung „Warum funktionieren Gruppen heute nicht mehr wie früher?“ wird in einen wissenschaftlichen Zusammenhang gestellt. Da die Grounded Theory bezüglich der Art der verwendeten Daten keine Einschränkungen macht, können Sekundärdaten (etwa aus vorhandenen Publikationen) ebenso verwendet werden wie Primärdaten (vgl. Böhm 1994, S. 123). Daher erfolgt zeitgleich mit den persönlichen Erfahrungen des Autors mit der Gruppe eine intensive Suche nach Sekundärliteratur 19 aus den behandelten Bereichen – Nachhaltigkeitsforschung, Sozialpsychologie zum Thema Gruppe sowie Erziehungswissenschaft vor allem aus den Bereichen lebensbegleitende Bildung und lebenslanges Lernen. Interdisziplinäre Querbeziehungen werden hergestellt zu wissenschaftlichen Konzepten wie flüssiger Moderne oder Nachhaltigkeit. Ausgangspunkt ist hierbei die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Bildung für nachhaltige Entwicklung und Engagement für nachhaltige Entwicklung gibt. Ausgehend von einem historischen Abriss über die Entwicklung der nachhaltigen Bewegung werden die Ziele von Nachhaltigkeitsgruppen evaluiert. Hier kommen die inhaltsanalytischen Methoden zum Tragen, indem verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten entstammende Dokumente anhand des zuvor bereits entwickelten Modellkonstrukts (des Triple-I Modells) analysiert werden und so versucht wird, Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zu den bereits getroffenen Aussagen zu erheben und so deren externe Validität zu vergrößern. Die Suche nach geeigneten Dokumenten erfolgt nach dem Schneeballsystem (vgl. Ebster; Stalzer 2013, S. 45f). Das ist ein heuristisches Verfahren zur Suche nach passenden Textstellen in wissenschaftlichen und anderen Dokumenten. Man geht dabei aus vom Literaturverzeichnis eines Dokuments, das für die eigene Arbeit besonders interessant und wichtig erscheint und sucht nach den dort verzeichneten Quellen. Findet man dort wiederum besonders relevante Literatur, geht man dieser weiter nach. Allerdings weist diese Methode zwei Schwachstellen auf: Die Suche ist vergangenheitsbezogen, da man im Laufe der Recherche immer weiter zurückgeht. Dem kann durch eine gezielte Recherche zu Beginn (über wissenschaftliche Suchmaschinen wie Scopus, Scirus, The web of Knowledge und vor allem auch Google Scholar) abgeholfen werden, wobei auch die in vielen Maschinen angegebenen Zitationshäufigkeiten hilfreich sein können. Schwieriger ist der Umgang mit dem zweiten Problem, nämlich der Tatsache, dass geschickte Autor/innen Zitationsnetze bilden und sich gegenseitig zitieren und daher immer mehr an Bedeutung gewinnen. Sollte so etwas auffallen, muss gezielt hinterfragt werden, wie sinnvoll die Aufnahme solcher Autor/innen tatsächlich ist. Als Lösung bietet sich eine Kombination aus heuristischer und systematischer Literaturrecherche an (vgl. Ebster; Stalzer 2013, S. 45f). Für die hier interessierenden Themen lagen zunächst nur die Erfahrungen der eigenen Gruppe sowie erste Befunde aus anderen Gruppen vor. Systematisches Codie20 ren, wie es die Inhaltsanalyse eigentlich verlangt, war daher nicht möglich. Jedoch ermöglicht die Grounded Theory im Zuge des sogenannten „Theoretical Sampling“ (Glaser; Strauss 2009, S. 45) eine kontinuierliche Rückkoppelung bzw. einen Abgleich (vgl. Weed 2009, S. 506) zwischen den Elementen Datenerhebung (z. B. aktives Erleben in der eigenen Gruppe oder Suche nach neuer Literatur) und Theoriebildung und –abänderung. Kodierung und Analyse finden daher parallel statt (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 71), vgl. im selben Abschnitt unten. Dadurch entsteht Schritt für Schritt eine Theorie, deren Richtung die weitere Datenerhebung bestimmt und umgekehrt (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 45). Diese Vorgehensweise kann als iterativ (vgl. Strübing 2008, S. 30) bezeichnet werden und wird solange fortgesetzt, bis theoretische Sättigung dadurch erreicht wird, dass keine relevanten neuen Erkenntnisse für die entwickelte Theorie mehr gefunden werden können (vgl. Hülst 2010, S. 17). Eine abgeschlossene Theorie entsteht auf diese Weise nicht, vielmehr besteht die Theorie nur vorläufig und wird durch die permanente Abfolge von Handlungs- und Reflexionsphasen weiterentwickelt und revidiert (vgl. Strübing 2008, S. 14ff). Damit wird auch deutlich, in welcher Weise inhaltsanalytische Methoden mit der Abduktion zusammenhängen: Wesentliches Element ist es, Theorien zu entwickeln, denen konkrete, für sich genommen subjektive Ereignisse oder Ansichten zugrunde liegen. Letztlich sollen damit Verhaltensmuster oder auch soziale Prozesse erklärt, aber auch mithilfe bereits existierender Theorien gerechtfertigt oder abgewandelt werden. Ein wichtiges Element der Forschung ist dabei, dass der Untersuchungsgegenstand nicht im Voraus festgelegt werden konnte, sondern nur aufgrund allgemeiner Problemfelder und danach als Folge der bisherigen Auswertungen. Kernelement ist, das interessierende Phänomen in möglichst unterschiedlichen Zusammenhängen zu untersuchen. Verwendet man hierzu auch unterschiedliche Erhebungsverfahren und unterschiedliche Datenquellen, so bezeichnet man dies als Triangulation (vgl. Börrnert 2006, S. 50f; Denzin 2009, S. 301). Die Triangulation legt der Erforschung der Forschungsfrage mit qualitativen Methoden mehrere Blickwinkel zugrunde (vgl. Flick 2000, S. 309), um die Validität der Ergebnisse zu erhöhen und einen gewissen Grad an Generalisierbarkeit zu erreichen (vgl. Avenier 2010, S. 1243). Die Triangulation kann sich richten auf die Art der eingesetzten Daten, die zugrundegelegten theo21 retischen Ansätze, die verwendeten Methoden oder die Anzahl der beteiligten Forscher/innen (vgl. Denzin 2009, S. 301). In der vorliegenden Arbeit wird eine multiple Triangulation eingesetzt (vgl. Flick 2000, S. 12), da sowohl unterschiedliche Theorien (informelles Lernen, Panarchie, flüssige Moderne etc.) als auch unterschiedliche Methoden (Sekundäranalyse, empirische Erhebung) als auch unterschiedliche Daten (Literatur, Befragungsergebnisse) eingesetzt werden. Tatsächlich bestehen zwischen den beiden letzteren erhebliche Überschneidungen (vgl. Meyen, Löblich, PfaffRüdiger, & Riesmeyer 2011, S. 65). Bei der Auswertung der im Rahmen der Arbeit geführten Interviews schließlich arbeiteten zwei Personen diskursiv an der Codierung, um so eine Verminderung der durch den Codierer verursachten Verzerrungen zu erreichen. Aus der Triangulation ergeben sich viele Vergleichsmöglichkeiten, und es wird sichergestellt, dass möglichst viele Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Es geht also nicht um statistische Repräsentativität, sondern um „konzeptuelle Repräsentativität“ (vgl. Böhm 1994, S. 125). Der Kritik der Unwissenschaftlichkeit setzt die Inhaltsanalyse hier das Argument der systematischen Analyse entgegen (vgl. Mayring 2010, S. 12). Im Begründungszusammenhang werden in der vorliegenden Arbeit daher die Definition des Begriffes sowie die Operationalisierung des theoretischen Konstrukts vorgenommen. Dabei erfolgen die Datensammlung und die Datenauswertung parallel anhand eines mithilfe der Grounded Theory festgelegten systematischen Kodierungsvorgehens. Als Datenmaterial werden zunächst verwendet Erfahrungen, Beobachtungen des Forschenden sowie alle Arten von schriftlichen Unterlagen, die zur Verfügung standen (vgl. Böhm 1994, S. 123). Es handelt sich dabei um Sekundärmaterial, das Rückschlüsse für die Beantwortung der Forschungsfragen erlaubt, das aber nicht für den hier untersuchten Entdeckungszusammenhang erarbeitet wurde (vgl. Mayring 1990, S. 31). Im Konkreten verwendet wurden Fachliteratur, aber auch gesammelte empirische Daten (Beobachtungsprotokolle einer Nachhaltigkeitsgruppe, Gedankenprotokolle von Mitgliedern der Gruppe, Aufzeichnungen über die Mitgliederentwicklung, regelmäßige Newsletter, Presseaussendungen) ausgewertet. Nochmals ist hier zu betonen, dass der Entdeckungszusammenhang der vorliegenden Arbeit in 22 transdisplinärer Weise aus dem persönlichen Umfeld des Forschers erwachsen ist (vgl. Littmann 1981, S. 64; Speidel 2003, S. 276). Der parallel mit der Datensammlung einhergehende Prozess der Datenauswertung stützt sich im Rahmen der Grounded Theory auf ein systematisches Kodierungsverfahren (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 71). Dadurch können die in der Datensammlung gewonnenen Informationen auf relevante Erkenntnisse reduziert und daraus Codes, Kategorien und Konzepte abgeleitet werden (vgl. Glaser & Strauss 2009, S. 71). In dieser Dissertation wurde für die Auswertung der gesammelten Literaturstellen auf eine leicht modifizierte Variante des für die Grounded Theory typischen dreistufigen Verfahrens aus offener, axialer sowie selektiver Kodierung (vgl. Strauss 1998, S. 45) zurückgegriffen. Unterstützend zur Auswertung wurden kontinuierlich so genannte „Memos“ angefertigt (vgl. Glaser & Holton 2011, S. 155f) , in denen sich zu den bisherigen Erkenntnissen ergebende neue Überlegungen in Stichwörtern dargestellt werden. Im Zuge der weiteren Arbeit ergeben sich hier neue Überlegungen und Ideen (vgl. Strauss 1998, S. 45). Nach dem Muster des offenen Codierens (vgl. Strauss 1998, S. 57) werden aus den Literaturstellen diejenigen Textpassagen herausgefiltert, aus denen Begriffe wie beispielsweise „Interesse“, „Nachhaltigkeit“ oder „Gestaltungskompetenz“ als Codes definiert werden können (vgl. Strauss 1998, S. 54). Dadurch konnten die Daten grob strukturiert und in Zusammenhang mit den Forschungsfragen gebracht werden. Mit Hilfe der groben Datenstrukturierung werden Kategorien wie Bildung, Nachhaltigkeit, (postmoderne) Wertestruktur, Idee, Issue, Inhalt oder Initiative geschaffen. Dazu werden Fachpublikationen aus den Bereichen der Soziologie, der Systemtheorie, der Nachhaltigkeitswissenschaft und anderen mit einbezogen und auf Plausibilität offen codiert (vgl. Strauss 1998, S. 63), um so die uvor schon grob gefundenen Kategorien zu belegen und zu verdichten. Dieser Schritt führt direkt über in eine Form des so genannten axialen Kodierens, in dessen Rahmen Zusammenhänge, Ursachen, Folgen und Voraussetzungen der einzelnen Kategorien untersucht werden (vgl. Strauss 1998, S. 63). Diese Vorgehensweise hat zur Folge, dass die Ergebnisse der Arbeit interdependent und rückbezüglich sind. 23 Mithilfe der gewonnen Kategorien und Codes wiederum werden die Kernkategorien der Analyse (vgl. Flick 2009, S. 312) und die in dieser Arbeit vorgestellte Triple-ITheorie entwickelt (vgl. 5.5). Durch dieses Vorgehen wird abduktiv ein Modell entwickelt, mithilfe dessen das zentrale Thema der Arbeit (die Nachhaltigkeitsgruppe und die im Zusammenhang mit ihr stattfindenden Bildungsprozesse) erarbeitet bzw. dargestellt wird. Dieses Modell baut auf systemwissenschaftlichen Zusammenhängen (etwa dem Konstrukt der Panarchie, vgl. 5.2), Wert- und Einstellungskonzepten (vgl. 8) etc. auf. Schließlich wurde geprüft, ob sich aus der neuen übergeordneten Theorie schlüssige Untertheorien entwickeln lassen, die in hierarchischer Weise voneinander abhängen – dabei wurden die Kernvariablen Idee, Interesse und schließlich Initiative weiter ausgearbeitet. In Anlehnung an Peirce und seinen Fallibilismus wurde das Modell so konstruiert, dass immer wieder einzelne Teile verworfen wurden, sobald sie sich nicht als haltbar zeigten. Im Extremfall hätte nach dieser Methode die gesamte Theorie verworfen werden müssen, wenn sie sich als unplausibel erwiesen hätte. Allerdings trat dieser Fall nicht ein. 2.2.2 Empirische Studie Die bislang beschriebene Vorgehensweise betrifft in erster Linie die Erarbeitung des theoretischen Teils der Arbeit. Zusätzlich wurden ergänzend und teilweise parallel zur Erarbeitung des Theoriegebäudes nach einem ähnlichen System empirische Daten durch Interviews erhoben. Am Abschluss der Forschungsarbeit stand das Bestreben, das Modell in induktiver Weise zu verallgemeinern (vgl. Speidel 2003, S. 276). Der abduktive Zugang der Arbeit hatte seinen Ausgangspunkt in der eigenen Gruppe des Autors. Im empirischen Teil wird davon ausgehend untersucht, ob sich ähnliche Befunde auch bei anderen als der eigenen Gruppe finden. Nicht angestrebt wird dabei eine repräsentative Verallgemeinerung: Denn die Grundgesamtheit der Untersuchung umfasst die Gesamtheit aller Nachhaltigkeitsgruppen im deutschsprachigen Raum. Allerdings resultiert aus der Schwierigkeit, das Konstrukt „Nachhaltigkeitsgruppe“ definitorisch eindeutig abzugrenzen, die Schwierigkeit, dass noch nicht einmal festgelegt werden kann, welche Gruppen als Nachhaltigkeitsgruppen definiert werden können. Daher kann eine geschlossene Grundgesamtheit nicht eindeutig festgelegt werden. Doch kann diese Tatsache als zweitrangig betrachtet werden, da die vorliegende Dissertation (ebenso wie die darin durchgeführte empirische Unter24 suchung) explorativen Charakter hat: Im Zentrum steht das Aufspüren von plausiblen Hypothesen im Zusammenhang mit Gruppenbildung (im organisatorischen wie pädagogischen Sinn, vgl. 4.1.1) und damit in Beziehung stehenden Phänomenen. Konkret umfasst die empirische Untersuchung eine Reihe von strukturierten Interviews mit Mitgliedern der Berliner Nachhaltigkeitsgruppen (http://nachhaltigesberlin.de/), einer organisierten Plattform, sowie mit der Leiterin einer österreichischen Nachhaltigkeitsgruppe in Tirol. Die Tiroler Interviewpartnerin wurde vom Autor persönlich um ein Gespräch gebeten, da sie seit vielen Jahren in einer Nachhaltigkeitsgruppe engagiert ist, die ähnlich strukturiert ist wie seine eigene. Grundidee war dabei zu überprüfen, ob ähnliche wie seine Befunde in der eigenen Gruppe auch anderswo erhoben werden. Die Berliner Interviewkandidat/innen wurden durch einen Aufruf auf deren Seite auf Facebook gefunden: Sie meldeten sich beim Verfasser und stellten sich für ein Interview zur Verfügung. Durch diese Auswahlweise ergeben sich vermutlich einige Verzerrungen: So gibt es nur ein österreichisches, aber sieben deutsche Interviews. Durch die Auswahltechnik in Berlin wurden zudem vermutlich eher extrovertierte und selbstbewusste Menschen angesprochen, die gerne im Rampenlicht stehen. Trotz dieser Einschränkungen geben die Interviews Einblick in die Gegebenheiten von Nachhaltigkeitsgruppen, denn die Intention der Interviews liegt nicht auf statistischer Repräsentativität, sondern auf der Erfassung möglichst vieler verschiedener Typen von Nachhaltigkeitsgruppen und der dort vorliegenden Strukturen und stattfindenden Prozesse. Dies wurde durch die Form der Erhebung gewährleistet. 25 Im Einzelnen wurden Gespräche geführt mit (vgl. Tab. 1): Gruppe Name InterviewpartnerIn Ort Datum Deutsches Klima retten! Jour Amanda Groschke Berlin 12.5.2011 Ampass 14.4.2011 Fixe der Plattform für Nachhaltigkeitsgruppen,u.a. 1 GRÜNE - Gemeindegruppe Anna Müller Vereinigung für ökologische Heinrich Strößenreuther Berlin 13.5.2011 Jasmin Hunold Berlin 12.5.2011 Paula Hildebrand Berlin 13.5.2011 Stefan Schridde Berlin 12.5.2011 Sophie Scholz Berlin 12.5.2011 Roman Dashuber Berlin 13.5.2011 Wirtschaftsforschung Studentisches Projekt des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen, „3+x“, „Überlebenskunst“. Jour Fixe der Plattform für Nachhaltigkeitsgruppen, u.a. MURKS? NEIN DANKE! Jour Fixe der Plattform für Nachhaltigkeitsgruppen,u.a. Fair do; Faires tun! Jour Fixe der Plattform für Nachhaltigkeitsgruppen, social bar Jour Fixe der Plattform für Nachhaltigkeitsgruppen u.a. Tab. 1: Übersicht über die durchgeführten Interviews Die Ergebnisse dieser Interviews werden zusammengefasst analysiert und dienen der Plausibilitätskontrolle sowie der Steigerung der externen Validität der entwickelten Theorien. Die Interviews wurden im Wesentlichen als unstrukturierte Interviews durchgeführt (vgl. Lehmann 2004, S. 7f). Ein Interviewleitfaden, der auf dem in den theoretischen Teilen der Arbeit entwickelten Kategorisierungssystem basierte, war zwar vorhanden. Er wurde jedoch nur benutzt, um eine grundsätzliche Steuerung zu ermöglichen. Hauptsächlich erzählten die Befragten von sich aus von ihren Erfahrungen beim Zu1 Name auf Wunsch der Interviewpartnerin geändert 26 standekommen und Vorantreiben ihrer jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppen (vgl. Schütze 1987, S. 506). Nur, wenn die Darstellung abschweifte oder die Befragten den Faden verloren, griff der Interviewer in die Befragung ein (vgl. Gläser; Laudel 2010, S. 174). Der Leitfaden umfasst die in Tab. 2 beschriebenen Punkte: Strukturgrößen der Gruppe Wie lange besteht Ihre Gruppe schon? Wie ist die Gruppe strukturiert (Verein, Nachbarschaftsgruppe, loser Verband etc.)? Gibt es eine Übersicht über die Mitgliederanzahl (am besten eine Art Statistik)? Wie sieht die Mitgliederstruktur aus (ständige, zeitweilige etc.) – gibt es Hauptamtliche, wenn ja, wie viele? Wie viele Freiwillige gibt es? Charakteristik der Gruppenmitglieder Wie würden Sie ein typisches Gruppenmitglied charakterisieren (oder gibt es mehrere „Typen“ von Mitgliedern)? Wie definieren Sie ein Gruppenmitglied? Warum machen die Leute bei der Gruppe mit? Kommen (in der Regel) zu den Themen auch neue Mitglieder/Personen von außen dazu? (Vgl. Triple I „Issue“) Charakteristika der Gruppe Verändert sich die Zusammensetzung der Gruppenmitglieder öfter oder ist das kontinuierlich? Gibt es eine Art „harten Kern“ der Gruppe? Wie sieht dieser aus? Wie wird der/die Gruppenvorsitzende bestimmt (oder ist er/sie das aus „Tradition“, quasi von Anfang an, und es wurde nie geändert) Wie oft wechselt der/die GruppenchefIn? Gibt es regelmäßige Treffen oder finden diese bei Bedarf statt? Wie ist die Kommunikation innerhalb der Gruppe organisiert (regelmäßig oder bei Bedarf)? Kommen (in der Regel) zu den Themen auch neue Mitglieder/Personen von außen dazu? Wann und warum ist die Gruppe stabiler? (Was trägt dazu bei?) Inwiefern tragen (Nicht-) Erfolg zur (In-)Stabilität bei? Triple I „Idee“ Wie würden Sie das Ziel Ihrer Gruppe charakterisieren? Gibt es einen generellen ideellen/ideologischen Überbau („Idee“) – wenn ja, welchen? Inwiefern setzt sich ihre Gruppe mit dem Phänomen „Nachhaltigkeit“ auseinander? Welche Werte liegen Ihrer Meinung nach der Gruppe und dem Gruppenhandeln zugrunde? Wie definieren Sie Erfolg der Gruppe? 27 Triple I „Issue“ Welchen Themen (Issues) widmet sich die Gruppe? Welche Art Anliegen wird in Ihrer Gruppe typischerweise behandelt? Wie lange wird ein Thema konkret verfolgt, wann wird es ad acta gelegt? (Veränderlichkeit bzw. Kontinuität der Themen) Wie viele der Gruppenmitglieder widmen sich den einzelnen Themen? Kommen (in der Regel) zu den Themen auch neue Mitglieder/Personen von außen dazu? Gibt es Themen, die sich wiederholen (jährliche Feste, Kultur, Sportaktivitäten)? Triple I „Inhalte“ Welche fixen Inhalte, Abläufe oder ähnliches gibt es, etwa, wenn ein neues Thema startet? Gibt es also so etwas wie Routinen, die sich wiederholen? Werden Erfahrungen, Kontakte, Kenntnisse etc. in irgendeiner Form dokumentiert? Versucht man erfolgreiche Wege zur Bewältigung/Lösung auf neue Themen umzulegen? Mitgliederakquise und –bindung Welche Strategien verfolgen Sie zur Mitgliederrekrutierung/-akquirierung? Welche Strategien verfolgen Sie zur Mitgliederbindung („Commitment“, Motivation)? Wie können Sie Menschen am besten ansprechen? Wie kann die Gruppe ihre Mitglieder am besten halten? Bei wiederkehrenden Aktionen (wie Festen etc.) Gibt es einen „Fundus“ von Leuten, auf die man zugreifen kann, die sich aber außerhalb bestimmter Aktionen nicht einbringen? Kommen Menschen auch von selbst auf die Gruppe zu um Themen/Probleme einzubringen? Werden diese dann eingebunden oder versucht man die Probleme für sie ohne ihre spezielle Beteiligung zu lösen (oder beides)? Was passiert normalerweise, wenn ihre Probleme gelöst sind? Krisen und -bewältigung Welche/wie viele Bestandskrisen hat es gegeben? Warum? Und wie wurden sie überwunden? Ist generell eine Art Konjunktur der Gruppe zu bemerken – gibt es Auf und Ab? Wenn ja, können Sie dieses Auf und Ab näher beschreiben? Wenn es eine Krise gibt, die sich lösen lässt, ist danach neuer Schwung zu bemerken? Finanzierung Wie finanziert sich die Gruppe? Tab. 2: Überblick über den Befragungsleitfaden Die Interviews wurden auf Tonträger aufgezeichnet und schriftlich transkribiert. Da sich nach Durchführung der Interviews auch der Fokus der vorliegenden Arbeit ein 28 wenig änderte, waren im Leitfaden insbesondere keine Fragen zu Themen wie Lernen, Kompetenzen oder Bildung enthalten. Dennoch haben die Befragten sehr vieles über diese Themen erzählt, was auch kodiert wurde. Die Ergebnisse in diesem Bereich sind jedenfalls ganz konkret dem Grounded Theory Ansatz zuzurechnen. Die Auswertung der Interviews erfolgte mithilfe der Inhaltsanalyse in Anlehnung an Gläser und Laudel (vgl. Gläser; Laudel 2010, S. 197ff). Konkret in Hinblick auf Bildung und Kompetenzen wurde ein reiner Grounded Theory Ansatz verwendet Basis für die Auswertung bilden die Transkriptionen der Interviews bzw. der Interviewleitfaden, der zur Orientierung diente. Auch hier wurde das im theoretischen Teilen der Arbeit entwickelte Kategorisierungssystem (bzw. die erste Aufarbeitung im Interviewleitfaden) angewendet, um die Transkriptionen der Interviews zu codieren. Eine erste Codierung wurde mithilfe einer einfachen Tabelle in MS Word vorgenommen, um zu sehen, ob das entwickelte Kategoriensystem auch tatsächlich auf die Interviews passt. Dann wurden die Daten in das speziell für die qualitative Inhaltsanalyse konzipierte Programm MaxQDA eingegeben, um eine gezielte Auswertung zu ermöglichen. MaxQDA ist ein Softwarepaket, das die wissenschaftlichkorrekte Analyse qualitativer Daten unterstützt, indem es hilft, das Datenmaterial zu organisieren und zu strukturieren sowie eine Codierung anhand entsprechender Codes vorzunehmen. Das Programm unterstützt auch die Ausgabe der Codierungen und erlaubt so ein rasches und unkompliziertes Vorgehen bei der sonst sehr aufwändigen und vor allem schwer nachvollziehbar machbaren Aufgabe der qualitativen Inhaltsanalyse, ohne dabei auf eine bestimmte Technik der qualitativen Inhaltsanalyse (wie z. B. Grounded Theory) fixiert zu sein. Wichtig ist, dass MaxQDA die Forschenden bei ihrer Aufgabe formal unterstützt, die inhaltlichen Aufgaben jedoch weitgehend bei den Forschenden verbleiben (vgl. MaxQDA 2013). Insbesondere erlaubt das System im Zuge der Bearbeitung des Materials auch die Überarbeitung und Umstrukturierung des Codesystems. Denn im Zuge der Auswertung des transkribierten Interviewmaterials wurden weitere, so genannte „In-Vivo Codierungen“ erforderlich. Dabei handelt es sich um Veränderungen bzw. Anpassungen der Codierung, wenn sich neue Möglichkeiten oder Erfordernisse auftaten (vgl. dazu auch die oben bereits beschriebene Methode der Grounded Theory). Insbesondere wurden in einem zweiten bzw. Re-Codierungssvorgang Codes, denen viele Codie29 rungen zugewiesen worden waren, weiter aufgesplittet, um so eine höhere Passgenauigkeit der Codierung zu erreichen. Dazu und zur Verminderung von Verzerrungen durch Projektion seiner eigenen Vorstellungen lud der Verfasser eine Kollegin ein, diese Re-Codierung mit ihm diskursiv durchzuführen. Das dabei endgültig entwickelte Codesystem umfasst die in Tab. 3 dargestellten Kategorien bzw. Codierungen. Lernprozess Gestaltungskompetenz Konflikte bewerten, und erklären Fähigkeit, Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden und Probleme nicht-nachhaltiger Entwicklung erkennen zu können. darstellen Selbsterklärend Etwas verstehen und beurteilen Selbsterklärend Methoden erkennen Selbsterklärend Sich motivieren, aktiv zu werden Selbsterklärend Solidarität zeigen Benachteiligte Selbsterklärend Selbstständig planen und handeln Selbsterklärend Eigene und andere Leitbilder reflektieren Selbsterklärend Andere motivieren, aktiv zu werden Selbsterklärend An Entscheidungsprozessen partizipieren Selbsterklärend Gemeinsam mit anderen planen und handeln Selbsterklärend Interdisziplinär Denken Selbsterklärend für Vorausschauend handeln Denken Integrativ Wissen aufbauen und Selbsterklärend Selbsterklärend Lernen Panarchisches Lernen Lernen, in dem das Problem immer wieder neu definiert wird und auch die Lösungsstrategien verändert werden, wenn sich bisherige Perspektiven und Strategien als nicht zielführend erwiesen haben. Push-Modell-Lernen Lernen bei dem die Lehrenden der Ansicht sind zu wissen, welche Art von Wissen die Lernenden haben sollen, Lehrende sind den Lernenden „überlegen“. Gemeinschaftliches Lernen Gruppen als Orte des Lernens, Einbindung in kollektive Lernprozesse, ist dem individuellen Lernen oft überlegen, communities of practise. Expansive Lernmotivation Erwartung, die eigenen Interessen besser erfüllen zu können, spielt bei Issues eine große Rolle. 30 Pull Modell Lernen Lernen, bei dem die benötigten Lerninhalte von den Lernenden definiert werden, Lehrende als Promotoren auf Augenhöhe Illeris Umwelt Betrifft die externe Interaktion in Bereichen wie Partizipation, Kommunikation und Kooperation. Illeris Emotion Betrifft die emotionale oder psychodynamische Dimension und umfasst mentale Energie, Gefühle und Motivation. Illeris Kognition Betrifft den Lerninhalt, der seinerseits als Wissen oder Fähigkeiten umschrieben werden kann und das Verständnis und die Fähigkeiten des/der Lernenden begründet. Transformatives Lernen Entwickeln völlig neuer Schemata und Lernstrukturen, schöpferische Zerstörung Akkomodation Lernen unter Nutzung alter Strukturen, aber unter Herausbildung neuer Schemata. Assimilation Lernen durch Hinzufügen eines neuen Elements zu altem Schema (Illeris, Piaget). Lernen III Reflexion, Veränderung von Konstruktionen, „Lernen lernen“. Lernen II Interpretation von Lernen, Konstruktion von Vorstellungen und Modellen. Lernen I Bestimmte Reaktion auf einen bestimmten Kontext Instrumentelles Lernen in behaviouristischer Weise auf Vermittlung von Inhalt fokussiertes Lernen (meist in Nachhaltigkeitskontext) Intrinsisches Lernen Auf Hervorbringen von selbstreflektierten, auf Treffen von Entscheidungen in komplexen, wenig vorhersagbaren Situationen gut vorbereiteten Individuuen gerichtetes Lernen. Nonformales Lernen Findet zwar nicht in Bildungs- oder Ausbildungseinrichtungen statt und führt in der Regel auch nicht zu einer Zertifizierung. Dennoch ist es aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden strukturiert im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel. Formales Lernen Findet in der Regel in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung statt. Es ist aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel strukturiert und führt zur Zertifizierung, also dem Erwerb einer Art von Zeugnis. Informelles Lernen Findet im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit statt. Es ist nicht strukturiert im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer oder Lernmittel. und führt in der Regel auch nicht zu einer Zertifizierung. Nachhaltigkeitsgruppe Eine Gruppe, die sich einem Ziel, einem Interesse oder Inhalten widmet, die mit nachhaltiger Entwicklung im Einklang stehen. Resilienz Das Ausmaß, in dem das System bereit ist zu lernen und zu experimentieren, damit neuartige Lösungen gefunden und umgesetzt werden können. Bildung Ein Prozess, mit dem ein Individuum sich die Welt erschließt. Nachhaltige Bildung Soll zum wesentlichen Bestandteil der Allgemeinbildung werden und dem Individuum Kompetenzen vermitteln, die ihm 31 eine aktive Analyse und Bewertung nicht nachhaltiger Entwicklungsprozesse ermöglichen. Bildung der Gruppe Entspricht Gruppenbildung. Cloakroom Maximum an Gemeinschaft, das (nach Bauman) in der Postmoderne erzielbar ist, ähnelt einer Ansammlung von Theaterzuschauer/innen, die sich in der Garderobe (cloakroom) treffen, um ihre Mäntel abzugeben. Sie tun das allein oder in kleinen Gruppen, aber nur für die Dauer der jeweiligen Aufführung. Dokumentation Bewusstes Festhalten von Informationen. Dynamik Veränderung der Mitgliederzahl, der Themen, der Aktion etc. innerhalb einer Gruppe. Finanzierung Finanzieller Aufwand für den Erhalt der Gruppe. Fluktuation Zu- und Abgang von Mitgliedern einer Gruppe. Flüssige Moderne Ein von Bauman beschriebener Begriff, der beschreibt, dass sich der Aufbau einer Gesellschaft verflüssigt, bevor sich die Struktur festigen kann. Freiwilligkeit Ehrenamtliche Mitarbeit in einer Gruppe. Gruppenkohäsion Zusammenhalt innerhalb der Gruppe. Gruppenstruktur Aufbau der Gruppe. Idee Übergeordnete (Wert-)Vorstellung, die als „Schirm“ über der Arbeit einer Gruppe fungiert. Issuegroup Eine Gruppe, die zu einem bestimmten aktuellen Thema arbeitet. Issue Aktuell für ein/mehrere Gruppenmitglieder wichtiges Thema. Kerngruppe Gruppe, die eine Idee trägt und Issuegroups verbindet und unterstützt. Bildung einer Kerngruppe Der Prozess, der zur Kristallisation einer Kerngruppe führt. Kondensation um den Gruppenkern Einzelne Mitglieder oder auch Gruppen, die sich um den Gruppenkern bilden. Wichtigkeit der Kerngruppe Beschreibung der Notwendigkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit des Aufbaues einer Kerngruppe. Kohäsion Zusammenhalt innerhalb der Gruppe. Kommunikation Methoden und Möglichkeiten der Mitglieder, sich untereinander auszutauschen. Kompetenz Zuständigkeiten, Fertigkeiten und Fähigkeiten (der Mitglieder einer Gruppe) Krisen Konflikte innerhalb der Gruppe Scheitern Unfähigkeit Konflikte innerhalb der Gruppe zu lösen. Interner Wettkampf Ermittlung der Stellung der Mitglieder innerhalb der Struktur der Gruppe Misstrauen Krisen, die durch fehlendes Vertrauen entstanden sind. Macht Hierarchische Zusammensetzung der Gruppe und mit ihrer Erreichung verbundene Kämpfe 32 Motivation Anstoß, sich für ein Anliegen zu engagieren. Panis In Anlehnung an die römische Faustregel, Menschen zu motivieren, sich in eine Gruppe einzubringen, indem man sich ihrer persönlichen Anliegen annimmt. Circenses In Anlehnung an die römische Faustregel, Menschen zu motivieren, sich in eine Gruppe einzubringen, indem man Events organisiert. Intrinsische Motivation Durch aus der Aufgabe selbst erwachsende Faktoren ausgelöster Antrieb. Extrinsische Motivation Durch äußere Faktoren ausgelöster Antrieb. Kreativität als Motivation Antrieb, sich in eine Gruppe einzubringen, um sich selbst zu verwirklichen, etwa um die eigene Kreativität zu entfalten. Nachhaltigkeit Lernprozess in Hinblick auf ökologische, ökonomische und soziale Entwicklung unserer Gesellschaft. Netzwerk Verbindungen innerhalb der Gruppe bzw. zwischen einezelnen Mitgliedern der Gruppe oder der gesamten Gruppe nach außen. Organisation Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe. Panarchie Konzept, mit Hilfe dessen man Veränderungszyklen in komplexen Systemen verstehen kann. Persönliches Interesse Persönliche Motivation, in einer Gruppe mitzuarbeiten. Raumressource Die Möglichkeit, Lokalitäten zu nutzen. Rollen in der Gruppe Rollenmuster, die innerhalb einer Gruppe eingenommen werden Treffen Regelmäßige Zusammenkünfte der Gruppe. Zeitproblem Terminliche Einschränkungen, an Treffen der Gruppe teilzunehmen. Tab. 3: Codierungssystem der Auswertung Bezüglich der Darstellung der Ergebnisse im Rahmen der Arbeit entschied sich der Verfasser dafür, die Ergebnisse in die Theorieteile zu integrieren, um eine weitere Steigerung der Komplexität der Arbeit zu vermeiden: Denn durch den nichtsequentiellen, sondern systemischen Aufbau der Arbeit, der aufgrund der vielen Interdependenzen gewählt wurde, sind auch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung untereinander vielfach verbunden. Es ist daher für den Leser/die Leserin einfacher, die jeweilig zugeordneten empirischen Ergebnisse direkt in den Theorieteil eingebunden zu erfassen – auf die Gefahr hin, dass manche Aussagen aus den Interviews doppelt genannt werden. Zur Zitation der Empirie ist zu sagen, dass aus praktischen Gründen nicht der gesamte Text durchnummeriert werden konnte. Daher wird immer der/die Interviewpartner/in genannt, sodann die Seite und die Zeile im jeweiligen Interview. 33 3 Annäherungen an den Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ In diesem Kapitel nähert sich die Arbeit an den Begriff der Nachhaltigkeitsgruppe, indem die beiden Wortbestandteile zunächst einzeln diskutiert und sodann in ihrer Kombination definitorisch untersucht werden. Zur Anwendung kommen dabei verschiedene Methoden, die die jeweiligen Begriffe zu erfassen suchen: Nicht zuletzt wird nach alltagssprachlichen Verwendungen der Wörter gesucht. Da in den nachfolgenden Kapiteln Gruppen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen und das Phänomen Nachhaltigkeit nur mehr als Randbedingung angesehen, aber nicht mehr weiter erklärt wird, erfolgt an dieser Stelle eine eingehende Betrachtung des Begriffes Nachhaltigkeit. Bezüglich der Gruppen wird dagegen nur ein Teil der klassischen Literatur dargestellt, von dem sich im Weiteren zeigen wird, dass er für die heutige Situation nur bedingt Anwendung finden kann. 3.1 Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ Zunächst wird das Konzept der Nachhaltigkeit eingehend erläutert. Der Begriff wird seit dem Brundtlandreport von 1987 (vgl. United Nations 1987) bzw. seit der Umweltkonferenz von Rio 1992 (vgl. United Nations 1992b) im politischen, wissenschaftlichen und zunehmend auch im allgemeinen Diskurs verwendet, wobei diese Diskussion über lange Zeit durchaus kontrovers und sehr divergierend geführt wurde. Relative Einigkeit besteht über die derzeit wesentlichen Inhalte der Nachhaltigkeitsbemühungen. Hesse definiert als wesentlichste Nachhaltigkeitsprobleme „Klimawandel, Süßwasserknappheit und -verschmutzung, Entwaldung und Wüstenbildung, Armut, Biodiversitätsverlust sowie Bevölkerungswachstum und Migration“ (Hes- se 2006, S. 8). Inwieweit dadurch tatsächlich alle wesentlichen Motoren der Nachhaltigkeitsdebatte erfasst sind, sei an dieser Stelle offen gelassen, jedenfalls handelt es sich bei den angesprochenen Problemfeldern um wesentliche zu berücksichtigende Komponenten. Vor diesem Hintergrund kann man sich dem Begriff „Nachhaltigkeit“ von verschiedenen Seiten nähern. Aus etymologischer Sicht bedeutet der Begriff „Nachhaltigkeit“ im Deutschen „etwas auf Dauer Angelegtes“. Dem entspricht das französische Wort für „nachhaltig: durable“. Die englische Bezeichnung „sustainable“ hingegen ist eine 34 Kunstwortschöpfung aus den beiden Wörtern „to sustain“ (aufrechterhalten) und „able“ (fähig). In diesem Sinne bedeutet „sustainable“ – (fähig aufrecht zu erhalten) bzw. (imstande bestehen zu bleiben). Ebenfalls gängig ist die Gleichsetzung der Begriffe „nachhaltig“ und „zukunftsfähig“, wie sie insbesondere vom Rat der Sachverständigen für Umweltfragen der Deutschen Bundesregierung in der Strategie für eine nachhaltige Entwicklung verwendet wurde (vgl. Deutsche Bundesregierung 2002, S. 4). Es fällt auf, dass die beiden Begriffe ohne definitorische Abgrenzung synonym verwendet werden. Die nachfolgenden Abschnitte geben in Anlehnung an die existierende Literatur (vgl. Gelbmann & Klampfl-Pernold 2010, S. 163ff; United Nations 1987) einerseits die historische Entwicklung und deren wichtgste Stufen (3.1.1 sowie 3.1.2), anderseits auch verschiedene Begriffsauffassungen und –diskussionen sowie die heute am meisten verbreiteten Interpretationen des Konzeptes wieder (3.1.3). Abschließend wird eine neuere Interpretation des Begriffes Nachhaltigkeit als dynamisches Konzept beschrieben (3.1.4). 3.1.1 Die Anfänge der Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatte Da sich der Begriffsinhalt des Wortes „Nachhaltigkeit“ im Laufe der Zeit mehrfach geändert hat bzw. die englische Wortkreation überhaupt jüngeren Datums ist, wird nachfolgend zunächst ein kurzer historischer Überblick gegeben. Erst danach werden die für die vorliegende Arbeit essentiellen Begriffe näher erläutert. Das Wort „nachhaltend“ wird zum ersten Mal nachweislich im Jahr 1713 von Hannß Carl von Carlowitz verwendet, der darunter eine systematische und planvolle Bewirtschaftung des Waldes durch Einschlagen nur des Zuwachses versteht (vgl. von Carlowitz 1713, S. 105). Das Konzept der Nachhaltigkeit wird also für die Forstwirtschaft entwickelt und verbreitet sich von Deutschland aus in die ganze Welt. Als „sustained yield forestry“ (Grober 1999, S. 6) findet es Eingang in die Debatte um Sustainable Development. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hielt sich die rein ressourcenökonomische Interpretation von Nachhaltigkeit, also die Nutzung nur des Zuwachses nachwachsender Ressourcen ohne Nutzung der Bestände. Erst in den letzten Jahrzehnten löste sich 35 der Begriff der Nachhaltigkeit mehr und mehr von seiner fachspezifischen Bedeutung und wurde zu einem alle Felder der Politik verbindenden Leitkonzept. Die moderne Umweltpolitik, die ihren Anfang in den 1960er und 1970er Jahren nahm, wird ursprünglich im Rahmen internationaler Umweltkonferenzen eher monokausal behandelt. 1972 wird, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Ersten Ölkrise, der begrenzte Spielraum der damaligen Umweltpolitik vom Club of Rome in den „Grenzen des Wachstums“ („The Limits of Growth) (vgl. D. L. Meadows et al. 1972) aufgezeigt. Im gleichen Jahr findet die UNO-Weltkonferenz über die menschliche Umwelt in Stockholm statt. Sie ist die erste UNO-Weltkonferenz zum Thema Umwelt überhaupt und gilt als der eigentliche Beginn der internationalen Umweltpolitik (vgl. United Nations 1972). So wird in Stockholm zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht, dass zu einer dauerhaften Verbesserung der Lebensverhältnisse aller die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben müssen und dass, um dies zu erreichen, eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit nötig ist. Im Vordergrund stehen Umweltprobleme, wobei auch die sozialen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Aspekte berücksichtigt werden müssen. Allerdings finden die Bemühungen der Stockholm-Konferenz nur geringe Niederschläge. „Die Umweltzerstörung ging weiter, und Probleme wie die globale Erwärmung, die Schädigung der Ozonschicht und die Wasserverschmutzung verschärften sich, während die Belastung der natürlichen Ressourcen immer stärker wurde“ (United Nations 1972, S. 239). 1980 präsentiert die Brandt- (nach ihrem Vorsitzenden, dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Willy Brandt) oder Nord-Süd-Kommission den „Nord-Süd-Bericht Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer“. Der Report gilt bis heute als Meilenstein der Entwicklungspolitik. Seine Strategien und Konzepten gelten als zukunftsweisend und leiten eine Wende in der Entwicklungspolitik ein: Die Nord-Süd-Kommission verlangt, die unterprivilegierten Länder des Südens in die Weltwirtschaft zu integrieren und verspricht sich davon die notwendige Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation in den benachteiligten Ländern. Trotz des internationalen Beifalls für die visionären Vorschläge und der Mitarbeit namhafter Persönlichkeiten wie des ehemaligen britischen Premiers Edward Heath und des ehemaligen Ministerpräsidenten Schwedens Olof Palme 36 bleibt der Brandt-Bericht bis heute fast gänzlich unverwirklicht, und damit ist die Lage vieler Entwicklungsländer heute schlechter als 1980 (vgl. W. Brandt 1982). Besonders durch den Eindruck des Chemieunfalls 1976 in Seveso/Italien wird eine Stärkung des Vorsorgeprinzips im Umweltschutz als notwendige Konsequenz erkannt: 1987 legt daher die unabhängige „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ ihren auch als Brundtland-Report bekannt gewordenen Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ („Our Common Future“) vor. Die dort getroffene Definition dient auch heute noch als wegweisend für Definitionen von Nachhaltigkeit: „Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets the needs of the present generation without compromising the ability of future generations to meet their own needs” (United Nations 1987, S. 24). Der Brundtlandbericht (1987) definiert Nachhaltigkeit als Prinzip der Verantwortung und der Gerechtigkeit, wobei zwei Arten von Verantwortung bzw. Gerechtigkeit unterschieden werden: Intragenerationelle Gerechtigkeit stellt auf den verantwortungsvollen Umgang bzw. die gerechte Verteilung von Ressourcen innerhalb der je heute lebenden Weltbevölkerung ab. Im Mittelpunkt stehen soziale Probleme wie Armut, Unterentwicklung, Hunger, Unterdrückung, Ausbeutung von Menschen vor allem in den Entwicklungsländern. Diese Probleme werden vor allem im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit thematisiert bzw. es wird nach Lösungsansätzen gesucht. Intergenerationelle Gerechtigkeit stellt ab auf den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen im Hinblick auf die Möglichkeit unserer Nachfahren, ihre Bedürfnisse daraus zu decken. Im Mittelpunkt stehen ökologische Faktoren wie die Nutzung der natürlichen Umwelt als Lieferantin von erneuerbaren und nichterneuerbaren, energetischen und materiellen Inputs für Produktion und Konsum bzw. als Aufnahmemedium für die festen, flüssigen, gasförmigen und energetischen Residuen aus Produktion und Konsum. Dieser Aspekt ist gemeint, wenn Nachhaltigkeit gleichgesetzt wird mit Zukunftsfähigkeit (z. B. Dürr 2002) oder noch plakativer Enkeltauglichkeit (vgl. Klampfl-Pernold 2001). Wiewohl beide Begriffe wesentliche Teile der Nachhaltigkeitsdebatte abbilden, greifen sie für die 37 Diskussion der Nachhaltigkeit im umfassenden Sinn zu kurz, da sie den intragenerationellen Aspekt nicht oder nur wenig betonen. Im Brundtlandbericht wird erstmals das Leitbild einer integrativen nachhaltigen Entwicklung konzipiert. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellt dazu fest, dass „(z)uvor getrennt betrachtete Problembereiche, wie z. B. Artensterben, Wüstenausbreitung, Schuldenkrise, kriegerische Konflikte, Flächenverbrauch und Armut, (…) nun in einem Wirkungsgeflecht gesehen (werden) und verdeutlicht, dass diese Probleme nicht durch Einzelmaßnahmen gelöst werden können“ (WDDB 2004, S. 121). 1992 beschließen die 179 Teilnehmerstaaten der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro unter anderem ein Aktionsprogramm für eine weltweite nachhaltige Entwicklung (vgl. United Nations 1992c). Es wird festgestellt, dass aus langfristiger Sicht ein wirtschaftlicher Fortschritt nur unter Einbeziehung des Umweltschutzes möglich sei. Eine neue und gerechte Partnerschaft der Staaten unter Beteiligung der Regierungen, des Volkes und der Schlüsselelemente der Gesellschaften sei unumgänglich. Staaten müssten internationale Vereinbarungen zum Schutz der Umwelt und des Entwicklungssystems treffen. Ein uneingeschränkter internationaler Handel muss trotz nachhaltiger Umweltpolitik gewährleistet sein. Die Deklaration besteht aus 27 Prinzipien, in denen u. a. erstmals global das Recht auf nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development) verankert wird. Erstmals werden in der Deklaration von Rio für Umwelt und Entwicklung das Vorsorgeund das Verursacherprinzip als Leitprinzipien anerkannt (vgl. United Nations 1992c). 3.1.2 Operationalisierung der Nachhaltigkeit: Agenda 21 In Rio wird 1992 ein Dokument beschlossen, das in der Folge die Bedeutung von Nachhaltigkeitsgruppen in der Wahrnehmung von Politik und Gesellschaft einschneidend verändern wird: Die Agenda 21 ist ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm zur nachhaltigen Entwicklung für das 21. Jahrhundert. Sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und stellt eine Leitlinie öffentlichen Handelns dar. Durch Integration von und Hinwendung zu Umwelt- und Entwicklungsbelangen können eine Deckung der Grundbedürfnisse und höhere Le38 bensstandards für alle sowie bessere geschützte und bewirtschaftete Ökosysteme erreicht werden (vgl. United Nations 1992c). Die Agenda 21 richtet sich vorrangig an internationale Organisationen und nationale Regierungen und entwickelt auf 359 Seiten in 40 Kapiteln ein Maßnahmenpaket zur Anpassung der Energie-, Agrar- und Handelspolitik in den Industrieländern und für Armutsbekämpfung, Bildung, Gesundheit, Bevölkerungspolitik, Trinkwasser- und Sanitärversorgung, ländliche Entwicklung sowie Abwasser- und Abfallbeseitigung in Schwellen- (heute nennt man sie BRICS) und Entwicklungsländern. Die Forderungen sind gegliedert in vier Abschnitte (vgl. United Nations 1992c, S. i–ii): Soziale und Wirtschaftliche Dimension, Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung, Stärkung der Rollen wichtiger Gruppen und Möglichkeiten der Umsetzung. Der dritte Abschnitt ist von großer Bedeutung für die vorliegende Arbeit, geht er doch schon in seinem Titel explizit auf das ihr zugrunde liegende Phänomen der Gruppen ein. Widmet man sich dem Inhalt genauer, erkennt man allerdings rasch, dass der Begriff „Gruppe“ hier als Synonym für eine statistische Gruppe und nicht im in dieser Arbeit verwendeten Sinne gebraucht wird (vgl. 3.2). Von besonderem Interesse für das hier diskutierte Konzept ist Kapitel 27, das den Einsatz von Nachhaltigkeitsgruppen legitimiert: Kapitel 27 befasst sich mit der „Stärkung der Rolle der nichtstaatlichen Organisationen - Partner für eine nachhaltige Entwicklung“. In ihm wird festgestellt, dass nichtstaatliche Organisationen eine „entscheidende Rolle bei der Ausformung und Umsetzung einer teilhabenden Demokratie spielen“ (United Nations 1992b, S. 288). Zu den nichtstaatlichen Organisationen zählen formelle und informelle Organisationen wie auch Basisgruppen. Damit ist der gesamte Rahmen möglicher Nachhaltigkeitsgruppen im engeren und weiteren Sinne abgedeckt: von etablierten Parteien oder NGO´s wie Greenpeace oder Global 2000 als formellen Organisationen über Bürger/inneninitiativen oder ähnliches als informale Gruppen bis hin zu beispielsweise grünen Gemeindegruppen als Basisgruppen. Das Kapitel 27 räumt all diesen Gruppen den Anspruch ein, an der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung partizipativ mitwirken zu dürfen (vgl. 7.1). Daraus leitet sich 39 seit Rio 1992 eine neue Bedeutung dieser Gruppen ab: Es umgibt sie nicht mehr die anrüchige Aura von Chaos und Anarchie, sondern sie werden als ernst zu nehmende Partner/innen im Prozess der nachhaltigen Entwicklung akzeptiert. Daraus erwachsen folglich ein neues Selbstverständnis dieser Gruppen, aber auch neue Verantwortung und der Bedarf an neuen Strukturen. Großes Augenmerk wird in der Agenda 21 auch auf Lösungen der globalen Probleme auf örtlicher Ebene gelegt. So wird im Kapitel 28 „Initiativen der Kommunen zur Unterstützung der Agenda 21“ festgestellt, dass „die angesprochenen Probleme und ihre Wurzeln in Aktivitäten auf örtlicher Ebene haben“. Deshalb ist „die Beteiligung und Mitwirkung der Kommunen ein entscheidender Faktor bei der Verwirklichung der Agendaziele“, weil Kommunen die wirtschaftliche, soziale und ökologische Infrastruktur errichten, verwalten und unterhalten bzw. den Planungsverlauf überwachen und damit an der Umsetzung der nationalen und regionalen Umweltpolitik mitwirken (vgl. United Nations 1992b, S. 291). Aus diesem Ansatz heraus wurde deshalb jede Kommune der 179 Unterzeichnerländer aufgerufen, eine eigene „lokale Agenda“ zu erarbeiten. Diese „Lokale Agenda 21“ hatte über die Jahre nur mittelmäßigen Erfolg, weshalb anlässlich des Weltgipfels in Johannesburg 2002 die nächsten 10 Jahre eine verstärkte Umsetzung der „Agenda 21“ – Ziele durch „local action 21“-Kampagnen beschlossen wurde (vgl. United Nations 2002). Diese beiden Dokumente bilden die wesentliche Grundlage für das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, wie es heute im wissenschaftlichen und politischen Diskurs verwendet wird. 3.1.3 Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit Ausgehend von der Deklaration von Rio aus dem Jahr 1992 und der Agenda 21 entwickelt die vom Deutschen Bundestag eingerichtete Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ 1998 ein „Drei-Säulen-Modell“ einer nachhaltigen Entwicklung. Das Modell bildet eine Alternative zu der einseitig betriebenen Nachhaltigkeitsdiskussion des Umweltaspektes (vgl. Deutscher Bundestag 1998, S. 16). Die Enquete-Kommission definiert Nachhaltigkeit als „Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz. Diese drei Säulen der Nachhaltigkeit stehen miteinander in Wechselwirkung und bedürfen langfristig ei40 ner ausgewogenen Koordination. Zentrales Ziel des Nachhaltigkeitsanliegens ist die Sicherstellung und Verbesserung ökologischer, ökonomischer und sozialer Leistungsfähigkeiten. Diese bedingen einander und können nicht teiloptimiert werden, ohne Entwicklungsprozesse als Ganzes in Frage zu stellen“ (Deutscher Bundestag 1998, S. 19) Ökologisch nachhaltige Entwicklung orientiert sich am Gedanken, keinen Raubbau an der Natur zu betreiben, und veranlasst die Gesellschaft eine Lebensweise zu wählen, die die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße beansprucht, wie diese sich regenerieren. Die Definition der ökologischen Nachhaltigkeit orientiert sich somit an der im Brundtland-Report getroffenen Definition des Nachhaltigkeitsbegriffes (vgl. United Nations 1987, S. 24). Um eine ökonomisch nachhaltige Entwicklung zu erreichen, darf eine Gesellschaft wirtschaftlich nicht über ihre Verhältnisse leben, weil dies zwangsläufig zu Einbußen der nachkommenden Generationen führen würde. Um eine sozial nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen ein Staat oder eine Gesellschaft so organisiert sein, dass sich die sozialen Spannungen in Grenzen halten und Konflikte nicht eskalieren, sondern auf friedlichem und zivilem Wege ausgetragen werden können. Von 1998 an fand das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung immer größere Akzeptanz, wobei man sich aus internationaler Sicht immer mehr auf den Akzent der Entwicklungsproblematik konzentrierte. Das Drei-Säulen-Modell fand beispielweise auch in der Abschlusserklärung des „Weltgipfels von Johannesburg 2002“ seinen Niederschlag: “We agreed that the protection of the environment, and social and economic development are fundamental to Sustainable Development, based on the Rio Principles“ (United Nations 2002, S. 8). Im Folgenden werden die gängigen drei Säulen der Nachhaltigkeit näher erforscht. 3.1.3.1 Ökonomische Nachhaltigkeit Die erste der drei Säulen des Drei-Säulen-Modells betrifft die so genannte „Ökonomische Nachhaltigkeit“. Diese beschreibt den sorgfältigen Umgang mit ökonomischen Mitteln unserer Gesellschaft in Verbindung mit ökologischer und sozialer Umsicht. In Anlehnung an die Brundtland-Definition von nachhaltiger Entwicklung wird die ökonomische Nachhaltigkeit damit beschrieben, dass die gegenwärtige Gesell41 schaft wirtschaftlich so leben soll, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten nachfolgender Generationen auf lange Zeit stabil sind und keine dauerhaften Einbußen in ihrer ökonomischen Lebensqualität erleiden müssen (vgl. United Nations 1987, S. 24). Kennzeichen eines ökonomisch stabilen Systems sind ein hohes Bruttoinlandprodukt, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, ein ausgeglichener Staatshaushalt und ein positiver Zugang zur Einhaltung von menschenwürdigen Produktionsbedingungen auch bei Beschaffung in Entwicklungsländern („Fair trade“) (vgl. Luks 2002, S. 16). Die gesellschaftstheoretische Basis der ökonomischen Nachhaltigkeit ist im Übergang von der „festen Moderne“ hin zu einer flüssigen Gesellschaft fundiert (vgl. 6.2.1). Diese bringt eine Abkehr vom „Fordismus“ und damit von festen Strukturen mit sich. Der Staat wendet sich als Sozialstaat vom Menschen ab und überlässt der Wirtschaft den Schutz Schwächerer und die Aufgaben der Absicherung des Menschen bei Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit. Im Gegenzug wächst die Verpflichtung großer, meist multinationaler Unternehmen bzw. Konzerne, wegen ihres wachsenden Einflusses über ihr eigenes wirtschaftliches Wohlergehen hinaus Verantwortung für ihre Anspruchsgruppen (Mitarbeiter/innen, Zuliefer/innen, Kund/innen) zu übernehmen (vgl. Wood, Logsdon, & Lewellyn 2006, S. 76; Wood & Logsdon 2002, S. 76), und zwar vor allem dann, wenn die jeweiligen staatlichen Regulierungssysteme schwach sind (vgl. Moon, Crane, & Matten 2005, S. 13). Damit umfasst die ökonomische Säule des Drei-Säulen-Modells „einerseits die Umsetzung gesellschaftlicher und ökologischer Anforderungen in unternehmerisches Handeln zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen auf den Märkten und andererseits die Möglichkeiten von Unternehmen, einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen, angemessenem Wohlstand und menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen für alle Menschen dieser Welt zu leisten“ (Balderjahn 2004, S. 21). Daher steht die ökonomische Nachhaltigkeit in direktem Zusammenhang mit sozialer Nachhaltigkeit in Bereichen wie hoher Beschäftigungsgrad, Preisstabilität, geringe Inflation, hoher Lebensstandard, hoher Human Development Index HDI, Einhaltung des Generationsvertrages, Pensionssicherung, hohes Bildungsniveau, Ausbildung im Lehrlingsbereich, flächendeckende Grundversorgung. 42 Es bestehen jedoch auch Interdependenzen zwischen der ökonomischen und der ökologischen Nachhaltigkeit, wie etwa der sorgsame Umgang mit Bodenschätzen und der Klimaschutz. So befasst sich die ökologische Ökonomie mit dem sorgfältigen Umgang mit natürlichen Ressourcen in Bezug auf deren Knappheit (vgl. Luks 2002, S. 56). Sie geht davon aus, dass „die Belastung der natürlichen Lebensgrundlagen durch die Übernutzung der natürlichen Ressourcen und die Freisetzung von Schadstoffen eine Ausmaß angenommen hat, das nicht dauerhaft aufrecht zu erhalten ist“ (Rogall 2004b, S. 43). Dieses Fazit beinhaltet die Erkenntnis, dass „viele Ressourcen für menschliche Zivilisation existentiell und nicht durch technische Produkte substituierbar sind, zB Klimagleichgewicht, Ozonschicht, Artenvielfalt“ (Rogall 2004b, S. 43). Um ein dauerhaftes menschenwürdiges Leben für die Menschheit zu garantieren, setzt dies ein Umdenken voraus. Als Ziel für eine nachhaltige oder zukunftsfähige Entwicklung wird eine weitere ökonomische Entwicklung nur im Rahmen der Verträglichkeit des natürlichen Umweltraumes für sinnvoll erachtet. Das heißt, dass die Wirtschaft als Teil eines begrenzten globalen ökologischen Gesamtsystems deren Resilienz (vgl. Das Modell der adaptiven Schleifen 5.2.1) nicht überstrapazieren darf. Allerdings sind der Ressourcenverbrauch und die heutigen Einträge von (Schad-) Stoffen in die natürliche Umwelt von einer ökonomisch nachhaltigen Entwicklung weit entfernt (vgl. Deutscher Bundestag 2002, S. 35; ZFES 1998, S. 148), deshalb wird, um eine zukunftsfähige Entwicklung des Menschen zu garantieren, eine Reduzierung der Stoffeinträge und des Ressourcenverbrauches zwischen 80% und 99% gefordert (vgl. Rogall 2004a, S. 34). Nicht erneuerbare Ressourcen müssen, sofern ihre Verwendung nicht vermieden werden kann, im Rahmen des Recyclings wiederverwertet werden, um eine Steigerung der Ressourcenproduktivität von bis zum Faktor 50 zu erreichen (vgl. Schmidt-Bleek 1994, S. 17ff; von Weizsäcker, Lovins, & Lovins 1997, S. 270ff). Damit wird wirtschaftliche Nachhaltigkeit zum wesentlichen Motor der Gesamtnachhaltigkeit, die weit über die heute oft beschworene kontinuierliche Steigerung des Bruttoinlandsproduktes hinausgeht. Und auch, wenn die wirtschaftliche Nachhaltigkeit nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Aktivitäten von Nachhaltigkeitsgruppen steht, so ist sie dennoch aus mehrfacher Sicht für diese von Bedeutung: Denn ers43 tens stellt sie eine wichtige Restriktion bei der Konzeption von Programmen und Aktionen dar – die Budgets von Gemeinden, Ländern und Staaten dürfen im Sinne ökonomischer Nachhaltigkeit nicht ausgehöhlt werden. Die Prinzipien der Sparsamkeit, Effizienz, Effektivität und Verhältnismäßigkeit müssen bei der Konzeption von Programmen mit bedacht werden. Diese Kriterien spielen denn auch zweitens bei den Nachhaltigkeitsgruppen selbst eine Rolle, da sie nur unter Bedachtnahme darauf ihr langfristiges Überleben sicherstellen können. 3.1.3.2 Ökologische Nachhaltigkeit Das ökonomische Handeln des Menschen hat lange Zeit wenig Rücksicht darauf genommen, ob und in welcher Weise dabei in das ökologische Gleichgewicht der Erde eingegriffen wurde. Der Bogen der Beispiele dafür spannt sich vom Auslaugen von Böden seit der Jungsteinzeit über das rücksichtslose Abholzen durch die Phönizier bis hin zu den ölverseuchten oder gekippten Gewässern und smogbelasteten Städten der Gegenwart. Im Gegensatz zum Raubbau an der Natur lässt sich ökologische Nachhaltigkeit beschreiben als eine Entwicklung, in der der Mensch versucht, im Einklang mit der Natur zu leben. Die Basis für entsprechende Vorgehensweisen wurden in den 1990er Jahren von Pearce und Turner (vgl. Pearce & K. Turner 1990) und Daly (vgl. Daly 1991, S. 32ff) beschrieben und im deutschen Sprachraum unter anderem durch den Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) weiterentwickelt (vgl. SRU 2002, S. 67f). Ebenso wie die ökonomische und auch die soziale Nachhaltigkeit ist die ökologische Nachhaltigkeit ihrerseits nicht eindimensional, sondern umfasst diverse Einflussfaktoren, die in vielen Studien und Instrumenten zur Messung der Nachhaltigkeit erfasst werden. Momentan als bekanntestes Instrument der Messung der ökologischen Nachhaltigkeit wird der „ökologische Fußabdruck“ gehandelt, der versucht, alle ökologischen Auswirkungen des menschlichen Handelns zu erfassen (Wackernagel; Beyers 2010), der jedoch wegen seiner Simplifikationen und vor allem der Datenaggregation durchaus auch heftiger Kritik unterliegt (vgl. Posch 2003, S. 82). Als derzeit bekanntestes Instrument der Messung der umfassenden Nachhaltigkeit von Organisationen (z. B. Unternehmen) gilt das Reporting Framework der Global Reporting Initiative (vgl. GRI 2006). Dem Framework entsprechend umfasst die öko44 logische Dimension von Nachhaltigkeit die Fragen der Auswirkungen menschlichen Handelns auf lebende und nicht lebende Natursysteme, einschließlich der Ökosysteme, des Bodens, der Luft und des Wassers. Dazu gehören im Wesentlichen Aspekte wie der Verbrauch an stofflichen Ressourcen (Rohstoffen), Energie oder Wasser und Output von an die Umwelt abgegebenen Rückständen aus Produktion und Konsum wie Emissionen, Abwasser, Abfall. Daraus ergeben sich weiter Auswirkungen auf die Biodiversität oder das Klima (vgl. GRI 2013, S.9). Doch auch hier gehen die Rückkoppelungen und Auswirkungen über Teilaspekte der ökologischen Nachhaltigkeit weit hinaus zu den anderen Säulen der Nachhaltigkeit: So bedingt wirtschaftliches Handeln jedenfalls die Inanspruchnahme der Umweltmedien (Wasser, Boden, Luft), allerdings können durch entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen die Folgen dieser Inanspruchnahme gemildert werden. Die zugrundeliegenden Konzepte beruhen auf dem sparsamen Umgang mit Ressourcen (Sparen, Vermeide), dem Umstieg von nicht-regenerierbaren oder gefährlichen Ressourcen auf weniger knappe bzw. belastende (umweltfreundliche Substitution) oder der Wiedernutzung bereits verwendeter Materialien (Recycling) (vgl. UBA 2007, S. 16). Auch Interdependenzen mit den sozialen Komponenten der Nachhaltigkeit sind zu beobachten. So stellt sich hier etwa die Frage, ob in den Entwicklungsländern Menschen von vornherein an der Nutzung bestimmter Rohstoffe gehindert werden sollen, die in den Industrienationen bereits als ökologisch knapp erkannt worden sind. Vom Standpunkt der Verteilungsgerechtigkeit erscheint dies unfair, da argumentiert wird, die Industrienationen hätten sich auf Kosten der übrigen Länder Reichtum und Wohlfahrt aufgebaut und wollten dies den übrigen Staaten nicht gönnen. Diese Argumentationen führen auch immer wieder zum Scheitern von Bemühungen wie etwa der letzten Klimakonferenzen (vgl. United Nations 2009). Insgesamt wird die Frage der ökologischen Nachhaltigkeit heftig diskutiert, da viele Wissenschaftler/innen der Meinung sind, dass die ökologische Nachhaltigkeit die Priorität über die anderen Formen der Nachhaltigkeit habe. Diesem Aspekt wird in Abschnitt 3.1.3.4 nachgegangen. Zuvor wird aber mit der sozialen Nachhaltigkeit die dritte Säule der Nachhaltigkeit dargestellt. 45 3.1.3.3 Soziale Nachhaltigkeit Soziale Nachhaltigkeit berücksichtigt gesellschaftliche und soziale Aspekte in der Nachhaltigkeitsforschung und ist die wissenschaftlich am heftigsten umstrittene Säule im Drei-Säulen-Modell. Während die ökonomische und die ökologische Nachhaltigkeit relativ klar beschrieben und damit leichter messbar sind, sind die sozialen/gesellschaftlichen Aspekte unklarer und quantitativ nicht messbar. Insgesamt scheint ungeklärt zu sein, was das „Soziale“ kennzeichnet und welchen Dynamiken und Wandlungen es unterliegt (vgl. Empacher & Wehling 2002, S. 13). Allerdings ist klar, „(s)ocial equity is one of the principal values underlying Sustainable Development, with people and their quality of life being recognized as a central issue“ (UNCSD 2001, S. 20). Ein anderer Eindruck entsteht, folgt man zunächst den Umweltwissenschaftler/innen: Ihnen zufolge scheint die Verfolgung ökologischer Rahmenbedingungen (z. B. Nachhaltigkeitsgrenzen bezüglich des Schadstoffausstoßes oder des Verbrauchs von Ressourcen) bereits die Grundlage einer sozial gerechten, lebenswerten und auch arbeitsmarktpolitisch heilen Welt zu versprechen. Umgekehrt werden traditionell bedingte sozio-kulturelle Unterschiede im Umgang mit Mangel völlig außer Acht gelassen und die Modernisierung traditioneller Gesellschaften nach westlichem Vorbild unhinterfragt empfohlen (vgl. Tjimes & Luij 1995, S. 328). Somit ist ohne integrierte soziale Dimension Nachhaltigkeit nicht machbar. Daher streben seit einigen Jahren die Wissenschaft und besonders die Politik vermehrt nach einer definitorischen und vor allem konzeptionellen Verankerung des Konzeptes sozialer Nachhaltigkeit (vgl. Empacher & Wehling 2002, S. 20; HBS 2000, S. 14; Meyerhoff & Schwarze 2007, S. 8). Mutlak und Schwarze (2007) konstatieren ein erhebliches Defizit für eine geschlossene Theorie sozialer Nachhaltigkeit. Als Basis für die Entwicklung einer solchen Theorie sehen sie den sozialwissenschaftlichen Strukturfunktionalismus, das Grundbedürfnis-Konzept und das Konzept des Sozialkapitals (vgl. Empacher & Wehling 2002; Mutlak & Schwarze 2007, S. 15). Allerdings werden soziale Aspekte der Nachhaltigkeit meist in Form relativ unstrukturiert wirkender Indikatorenansätze behandelt (vgl. Littig & Grießler 2004, S. 68). So 46 wird als Kenngröße für soziale Nachhaltigkeit (für quantitativ-statistische Untersuchungen und mathematische Modellierungen) oft der HDI (Human Development Index) verwendet, der von pakistanischen, indischen und einem britischen Ökonomen eigens entwickelt wurde, um die geringe Aussagekraft eindimensionaler Messinstrumente (z. B. das Bruttoinlandsprodukt) wettzumachen. Zu einer umfassenden Abbildung sozialer Nachhaltigkeit ist der HDI wegen der vereinfachten Darstellung nicht geeignet (vgl. Nuscheler 2004, S. 190). Denn es handelt sich um einen aus drei Teilindikatoren bestehenden Indikator, in dem jeweils zu einem Drittel die Lebenserwartung bei der Geburt, die reale Kaufkraft je EinwohnerIn sowie die Bildung (gemessen an Alphabetisierungsquote der Erwachsenen und Brutto-Schuleinschreibungsrate) gemessen werden. Die Lebenserwartung dient als Indikator für Gesundheitsvorsorge, Ernährung und Hygiene. Die Bildungsindikatoren und die reale Kaufkraft sollen den Lebensstandard messen. Das erscheint grob vereinfachend und wird einem komplexen Konstrukt wie der sozialen Nachhaltigkeit nicht gerecht. Etwas differenzierter gehen Zertifizierungs- und Bewertungskonzepte für nachhaltiges Unternehmenshandeln an das Problem der sozialen Nachhaltigkeit heran: Je nach Ausrichtung (eher global oder auf lokaler Ebene, auf die Bedürfnisse der [mit-] arbeitenden Menschen gerichtet oder eher auf das Unternehmensumfeld) werden hier verschiedene Faktoren bzw. Indikatoren aufgelistet und mehr oder weniger operationalisiert, also praktisch handhabbar gemacht. Stellvertretend für die große Zahl von Indikatorsets zur Messung der sozialen Nachhaltigkeit wird hier auf das bereits erwähnte Sustainability Reporting Framework der Global Reporting Initiative zurückgegriffen (vgl. GRI 2013). Es verfügt über einen umfassenden Satz von Indikatoren zur sozialen Nachhaltigkeit. Neben jeweils einer Kategorie zur ökonomischen (neun Indikatoren) und ökologischen Performance (34 Indikatoren) enthält der Indikatorsatz der GRI vier Kategorien mit gesellschaftsbezogenen Leistungsindikatoren. Dazu gehören Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung (16 Indikatoren zu Beschäftigung allgemein, ArbeitgeberIn/Arbeitnehmer/innenverhältnis, Arbeitsschutz, Aus- und Weiterbildung sowie Vielfalt und Chancengleichheit), Produktverantwortung (neun Indikatoren zu Kundengesundheit und –sicherheit, Produktkennzeichnung oder Werbung), Menschenrechte (zwölf Indikatoren zu Beschaffungspraktiken, Gleichbehandlung, Vereinigungsfreiheit, Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Schutz der indigenen Bevölkerung), Gesellschaft (elf Indikatoren zu Gemeinwesen, Korruption, 47 Politik und Lobbying, wettbewerbswidrigem Verhalten und Einhaltung der Gesetze) (vgl. GRI 2013, S. 22ff.). Doch nicht nur auf Ebene der Unternehmen, auch auf der Ebene der Gesellschaft selbst gibt es Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit. Angestrebt und gelernt wird eine nachhaltigere Lebensweise, indem man mit den natürlichen Ressourcen sparsamer umgeht und dort verzichtet, wo es wenig weh tut. Diese Haltung spiegelt sich im so genannten LOHAS („Lifestyle of Health and Sustainability“, (Wen- zel; Kirig 2009, S. 19). Mehrere Studien belegen, dass die Bereitschaft, für „nachhaltigere“ Produkte höhere Preise zu zahlen, außerhalb der expliziten LOHASZielgruppe nach wie vor eher gering ist (vgl. Sehrer, Kropp, Brunner, Engel, & Ader 2005, S. 7). „Nur umweltorientierte Innovatoren sind in der Lage, höhere Preise für ökologieorientierte Produkte durchsetzen, wobei die Markenprofilierung für die Kund/innen von außerordentlicher Bedeutung im Hinblick auf den zu zahlenden Preis ist“ (Gelbmann; Klampfl-Pernold; Moser 2009, S. 112). Konkrete Ansätze zur Erfassung oder Messung des „Ausmaßes der Nachhaltigkeit“ eines solchen Verhaltens existieren allerdings bislang nicht, schon gar nicht im Hinblick darauf, inwieweit sich LOHAS oder LOVOS mehr (oder weniger) als andere in Nachhaltigkeitsgruppen engagieren (vgl. auch 9.2). Für Nachhaltigkeitsgruppen ist die Frage der sozialen Nachhaltigkeit aus dreifacher Sicht von Interesse. Erstens haben sich soziale bzw. gesellschaftliche Themen in den letzten Jahren massiv zu Kernthemen und Kerninteressen der Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt, wie etwa Genderfragen, Diversität und Fragen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund oder die Betreuung von Kindern bzw. älteren Menschen. Ein wesentlicher Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit betrifft alle Formen der Bildung und umfasst Aspekte wie die schulische und berufliche Ausbildung, den gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Kultur, die Förderung der Selbstentwicklung oder die Bereitstellung und Förderung von Möglichkeiten zu lebensbegleitendem Lernen. 48 Zweitens sind gemessen an den Vorgaben der Agenda 21 Nachhaltigkeitsgruppen selbst ein Instrument zur Umsetzung sozialer Nachhaltigkeit, da sie konkrete Umsetzungen der Forderung nach Zivilgesellschaft und Partizipation darstellen. Drittens betrifft die Frage der sozialen Nachhaltigkeit Nachhaltigkeitsgruppen auf der Metaebene, denn nur wenn sie es schaffen, auf Dauer zu bestehen, können sie als Nachhaltigkeitsgruppen im engeren Sinne bezeichnet werden. Das Drei-Säulen-Modell gilt heute als der am weitesten verbreitete Versuch, Nachhaltigkeit handhabbar zu machen, allerdings zieht es auch durchaus heftige Kritik auf sich. 3.1.3.4 Kritik am Drei-Säulen-Modell Die Kritik am Drei-Säulen-Konzept ist vielfältig und entzündet sich an vielen Punkten. Der wesentliche Kritikpunkt vor allem im Bereich der deutschsprachigen Nachhaltigkeitsforschung besteht in der Diskussion um starke und schwache Nachhaltigkeit. Damit beschreibt man die Schwierigkeit, den Sachwert der Natur zu erfassen. Als schwache Nachhaltigkeit wird der Gedanke bezeichnet, dass sich Naturkapital mit Sachkapital aufwiegen lässt, während die starke Nachhaltigkeit die Natur und die Umwelt als unersetzbar darstellt (vgl. Meyer-Abich 2001, S. 294ff). Die schwache Nachhaltigkeit geht davon aus, dass in der Natur keine Ressourcenknappheit besteht, solange die schwindenden Ressourcen durch Substitute (Ersatzgüter) ersetzt werden können – etwa Kupfer in Übertragungsleitungen durch Glasfasern, die nicht nur ökologisch nicht knapp, sondern sogar leistungsfähiger sind. Starke Nachhaltigkeit beruht auf der Vorstellung, alles Wirtschaften und folglich auch die Wohlfahrt im klassischen Sinne stehen unter dem Vorbehalt der ökologischen Tragfähigkeit, da die Natur nur einen bestimmten, nicht erweiterbaren Spielraum lässt, innerhalb dessen sich die Entwicklung vollziehen kann (vgl. Ott, Muraca, & Baatz 2011, S. 14ff). Steuerbar ist daher nur, wie die Menschen den ihr verbliebenen Spielraum am besten nutzen. Die Politik hat daher den „Spielraum, die Fahrrinne vorzugeben, die das Schiff der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beachten muss. (…) Das Schiff kann sich innerhalb der gegebenen Grenzen frei bewegen, aber darf die Fahrrinne nicht verlassen“ (UBA 2002, S. 3). 49 Im Modell der starken Nachhaltigkeit besteht demzufolge ein Primat der ökologischen Komponente. Dazu ist zu bemerken, dass diese Aussagen wohl für die Industrienationen zutreffen mögen, im Hinblick auf eine Nord-Süd-Verteilungsgerechtigkeit aber schon aus ethischen Gründen mehr als fragwürdig sind. Im Gegensatz zum Streit um schwache und starke Nachhaltigkeit sind die Mehrsäulenmodelle der Ansicht, dass das Dreisäulenmodell zu kurz greife. Dementsprechend werden weitere Säulen der Nachhaltigkeit definiert, wie etwa eine kulturelle (vgl. Heintel 2007, S. 65ff) oder eine institutionell-politische Dimension (vgl. Jörissen, Brandt, Kopfmüller, & Paetau 1999, S. 149ff). Dazu ist zu sagen – ähnlich wie als Kritik schon am Drei-Säulen-Modell geübt wird–, dass eine Integration zu vieler Aspekte in den Nachhaltigkeitsbegriff zu einer Überfrachtung bzw. Verwässerung des Begriffes führen kann (vgl. Grunwald & Kopfmüller 2006, S. 53). In der vorliegenden Arbeit wird daher auf das klassische Drei-Säulen-Modell zurückgegriffen, eingedenk der Tatsache, dass keine Säule isoliert von den anderen betrachtet werden kann. 3.1.4 Nachhaltigkeit als dynamischer Prozess in der Zielbildung Eine wesentliche Erweiterung erfährt die Debatte der Nachhaltigkeit schließlich in der Frage, ob es sich bei Nachhaltigkeit um ein substanzielles oder um ein prozedurales Phänomen handelt. Oft wird übersehen, dass bereits der Brundtland–Report dezidiert von Nachhaltigkeit nicht als einem „fixed state of harmony“ spricht, sondern von einem „process of change in which the exploitation of resources, the direction of investments, the orientation of technological development, and institutional change are made consistent with future as well as present needs” (WCED 1987, S. 9). Daraus wird deutlich, dass Nachhaltigkeit nicht einen Zustand, sondern eine Entwicklungsgröße darstellt; dass korrekter Weise also immer von „nachhaltiger Entwicklung“ gesprochen werden muss. Mit anderen Worten beruht nachhaltige Entwicklung im weitesten Sinne auf dem Konzept der dynamischen Stabilität. Zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen benötigt man jedenfalls ein verbessertes Verständnis der Zusammenhänge von Natur und Gesellschaft. Denn Nachhaltigkeitsthemen sind komplex und können daher nicht mit einer einfachen Theorie beschrieben werden, auch wenn zumindest teilweise scheinbar einfache Technologien zur Bewältigung von Teilproblemen zur Verfügung stehen (z. B. Rauchgaswäsche mithil50 fe von Kalkmilch). Letztlich liegt die Herausforderung nachhaltiger Entwicklung darin, Aktionen zu vermeiden, die mehr kosten, als sie wert sind, wenn man alle negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen in Rechnung stellt (vgl. D. H. Meadows et al. 2004, S.255). Die Konsequenz daraus ist, dass Nachhaltigkeit als evolutionärer Prozess angesehen werden muss, in dem das Management von Systemen dadurch verbessert wird, dass Verständnis und Wissen perfektioniert werden. In Analogie zu Darwins Entwicklung der Arten ist dieser Prozess nicht-deterministisch und hat keinen vorgegebenen Endpunkt (vgl. Cary 1998, S. 12). Dieses Konzept macht Nachhaltigkeit zu einem dynamischen Ziel, das ständig verbessert wird, wenn unser Verständnis der zugrunde liegenden Systeme besser wird (vgl. Gelbmann & Klampfl-Pernold 2010, S. 163f). Nachhaltige Entwicklung muss dann als unendlicher, stetig besser werdender Prozess der Entwicklung von Natur, Gesellschaft und Wirtschaft (vgl. Hjorth & Bagheri 2006, S. 76) gesehen werden, der weder von fixen Zielen, noch von spezifischen Mitteln zur Zielerreichung definiert wird, sondern durch einen Ansatz zur aktiven Herbeiführung von Veränderung (vgl. Mog 2004, S. 2140). Die Notwendigkeit von Veränderung kann diagnostiziert werden, indem man Entwicklungen nachspürt und einen Lernprozess durchläuft, in dem man ein beforschtes System und seine Umwelt näher betrachtet. Einen idealen Punkt zur Messung und Analyse der (Gesamt-) Nachhaltigkeit gibt es nicht. Daher behilft man sich mit der Vorgabe angestrebter Idealziele, denen man sich zu nähern hofft, ohne sie jemals erreichen zu können. 3.1.5 Nachhaltigkeit als Fähigkeit Einen völlig neuartigen Weg der Beschreibung von Nachhaltigkeit wählt Gelbmann (vgl. Gelbmann; Baumgartner 2012). Sie geht davon weg, Nachhaltigkeit als Zustand zu betrachten, der – wenn auch dynamisch veränderlich – die Zielvorgabe in einem Prozess ist. Vielmehr besinnt sie sich auf die Wurzeln des Nachhaltigkeitsbegriffes. Etymologisch bedeutet schon der Begriff „sustain-ability“, dass eine Person/eine (Welt)Gesellschaft imstande ist, irgendetwas aufrechtzuerhalten. Auch der Brundtlandreport spricht explizit davon, dass die Menschen die Fähigkeit haben, Entwicklung nachhaltig zu machen (vgl. United Nations 1987, S. 24). Foster kommt der Defi- 51 nition von Nachhaltigkeit als Fähigkeit in seiner Definition von „Deep Sustainability“ sehr nahe: “Sustainability is not a specifiable target state, but the continuous exploratory pursuit, through open-ended learning, of ways to ensure that life goes on … Deep sustainability really consists in the life-effort of men and women whose education has equipped them with enough knowledge, sensitivity, emotional range and moral imagination to act together as a genuinely learning community in modern conditions” (Foster 2008, S. 145). In diesem Ansatz spielt daher das Lernen eine wesentliche Rolle. Betrachtet man jedoch Nachhaltigkeit als Fähigkeit, dann ist die gute Nachricht, dass diese erlernt werden kann, und die schlechte, dass sie erlernt werden muss. 3.1.6 Ein geeigneter Ansatz für die Erfassung von Nachhaltigkeitsgruppen und empirische Befunde Nachhaltigkeit wird in dieser Arbeit nicht im Sinne des Begriffes „nachhaltig“ ist gleich „dauerhaft, lang andauernd“ verwendet. Vielmehr geht diese Arbeit von der Brundtlanddefinition aus und bezieht sich auf inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit. Weiters wird Nachhaltigkeit hier als Entwicklungs- und nicht als Zustandsgröße angesehen: Das erhöht die Messbarkeit des Konzeptes, da Veränderungen gemessen werden, aber nicht Zustände normativ beurteilt werden müssen. In weiterer Folge liegt der Arbeit die Operationalisierung des Konzeptes in der Agenda 21 (United Nations 1992a) zu Grunde, die die Wichtigkeit von Nichtregierungsgruppen für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung betont (vgl. United Nations 1992a, S. 288f) (vgl. 3.3.5). Schließlich basiert die Arbeit auf dem Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung, wonach nachhaltige Entwicklung ökonomisch effizient, sozial verantwortungsbewusst und ökologisch verträglich vonstatten gehen muss (vgl. Deutscher Bundestag 1998, S. 18). Dabei ist es nicht nötig, starke und schwache Nachhaltigkeit zu differenzieren, da sich Nachhaltigkeitsgruppen in der Regel nicht simultan mit Fragen befassen, bei denen etwa Umwelt- und soziale Anliegen in Konflikt geraten. Nachhaltigkeit im in dieser Arbeit verwendeten Sinne lässt sich an drei wesentlichen Prinzipien festmachen: am Prinzip der Miteinbeziehung möglichst aller gesellschaftli52 chen Gruppen (Partizipation), an der mehrmaligen Nutzung aller (nicht- erneuerbaren) Ressourcen (Kreislaufführung, Recycling) sowie am Prinzip der Verantwortung (vgl. Balderjahn 2004, S. 4ff). Insbesondere dem Prinzip der Verantwortung kommt besondere Bedeutung zu, und sie wird auch für verschiedene Gruppen der Gesellschaft eigens definiert: etwa als unternehmerische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft – Corporate Social Responsibility (vgl. Bas- sen; Jastram; Meyer 2005, S. 231) oder eben auch als Verantwortung der Zivilgesellschaft für das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft. Das sehen auch die im Rahmen der vorliegenden Arbeit befragten Interviewpartner/innen so: Verantwortung wird massiv in den Vordergrund der Aussagen gerückt, da nach Meinung der meisten Befragten „die Entscheidung, die wir heute treffen, die Entscheidungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen beeinflussen. Dazu ist für mich der Begriff der Verantwortung wichtig. Der Begriff des Generationenvertrages steht in unmittelbarem Zusammenhang und steht auch im Zusammenhang mit Generationsgerechtigkeit“ (Amanda S. 6 22-24).2 in diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff der „Enkeltauglichkeit“. Einige der Interviewpartner/innen umreißen ihr Betätigungsfeld genauer und meinen, „dass ein wesentlicher Teil der Nachhaltigkeit darin besteht, dass ich darauf schau, dass die Umwelt in Takt bleibt. Für mich gehört da auch der Bereich Soziales dazu. Dass ich darauf schau, wie geht es den Menschen und der Umwelt“ (Anna S. 6 19-22). Nur ein Befragter legt sich fest, dass für ihn in erster Linie Umweltaspekte die Nachhaltigkeitsgruppe ausmachen. In Bezug auf alle potenzielle Aspekte der Nachhaltigkeit spielen Bildungsprozesse eine große Rolle: Erlernt werden müssen sowohl die Kompetenzen, mit der Umwelt möglichst schonend umzugehen, als auch Verantwortung für sich selbst und die Mitmenschen zu übernehmen als auch die Fähigkeit, in produktiver Weise an der 2 Amanda, S. 6, Zeile 22-24, im Folgenden werden alle Zitationen entsprechend durchgeführt. 53 Gemeinschaft teilzunehmen. Dies erfordert die Bereitschaft sich in Gruppen einzubringen. Daher wird in der Folge diesem Begriff nachgegangen. 3.2 Annäherungen an den Begriff „Gruppe“ Nähert man sich zunächst laienhaft über Wikipedia dem Begriff „Gruppe“, so stößt man sofort auf viele Arten von Gruppen: Neben technischen Fachbegriffen wie funktionellen Gruppen von Elementen, Baugruppen aus technisch zusammengehörigen Teilen oder mathematischen Gruppen von abstrakten Mengen finden sich auf soziale Sachverhalte hinweisende Begriffe wie politische, militärische, Bevölkerungs-, Feuerwehr- oder Musikgruppen (Wikipedia 2010). Im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit sind solche Gruppenbegriffe allerdings nicht zielführend. In diesem Kapitel werden diejenigen Begriffe im Zusammenhang mit Gruppen erläutert, die als grundlegend zu verstehen sind. Auf weitere Gruppenphänomene und Theorien, die im Zusammenhang mit Gruppen eine Rolle spielen, wird in den nachfolgenden Kapiteln eingegangen. Nach Canetti lassen sich Gruppen als geschlossene Masse definieren (vgl. Canetti 1990, S. 11). Während jedoch bei Canetti die geschlossene Masse auf Wachstum verzichtet und ihr Hauptaugenmerk auf Bestand legt, geht die vorliegende Betrachtung davon aus, dass es ein Bestreben geben muss, die Gruppe im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu erweitern. Gruppen im Sinne der vorliegenden Arbeit bestehen in jedem Fall aus mehreren Menschen bzw. Mitgliedern, insofern ist es operational von „Sozialen Gruppen“ zu sprechen. Die Definitionen des Begriffes „Gruppe“ sind vielfältig und lassen keine trennscharfe Abgrenzung zu. Grob lassen sich verschiedene Arten von Gruppenkonzepten unterscheiden (vgl. Prisching 1992, S. 71). Statistische Gruppen, Kategorien oder künstliche Aggregate, die ein gemeinsames Merkmal verbindet (Linkshänder, Menschen mit Blutgruppe Null oder Fussballfans). Unorganisierte Aggregate sind Gruppen, deren Mitglieder zeitweilig gemeinsame Interessen oder Erlebnisse (Zuhörerschaft, Menge, Öffentlichkeit) haben, aber keine Struktur und eingeschränkte Kontakte aufweisen. 54 Gesellschaftliche Gruppen umfassen Subkulturen und größere Verwandtschaftsgruppen. Diese bilden durch besondere, vom allgemeinen Verhalten unterschiedene Beziehungsmuster eine eigene Gruppe. Strukturierte soziale Einheiten oder Kollektive wie Gemeinschaften, Familien, aber auch die ganze Gesellschaft sind organisiert, weisen eine feste Gliederung auf, verfolgen ein gemeinsames Ziel und haben ein Wir-Bewusstsein. Bewusst gestaltete soziale Einheiten, wie etwa Organisationen und Teilorganisationen, Arbeitsgruppen und Teams, Interessengruppen und Freundegruppen als eigene Gruppe. Für die vorliegende Arbeit von Interesse sind jedoch nur die beiden letzen Kategorien sowie mit Einschränkungen die unorganisierten Aggregate. (Witte 2005) unterscheidet die beiden letzteren weiter in natürliche Gruppen (Ehe, Arbeitsgruppen), kurzfristig zusammengestellte Gruppen (Projektgruppen, Trainingsgruppen) sowie QuasiGruppen mit eingeschränkter Kommunikation und Interaktion (wie Wettbewerbe, Talk-Runden etc.). Einen Schritt weiter gehen die Sozialpsychologen Tajfel und Turner. Für sie ist eine Gruppe “a collection of individuals who perceive themselves to be members of the same social category, share some emotional involvement in this common definition of themselves, and achieve some degree of social consensus about the evaluation of their group and of their membership in it” (Tajfel; Turner 1986, S. 15). Eine Gruppe wird demnach von sich selber und von anderen als eine soziale Einheit wahrgenommen. Hier wird das „Wir-Gefühl“ als konstituierendes Element einer Gruppe angesehen; jedes Individuum kann gleichzeitig Mitglied in mehreren sozialen Gruppen sein (vgl. Tajfel & J. C. Turner 1986, S.16). Noch differenzierter beschreibt Schäfers eine soziale Gruppe. Neben dem Zusammengehörigkeits- bzw. „Wir-Gefühl“ benötigt für ihn eine Gruppe „eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern (Gruppenmitglieder), die zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels (Gruppenziel) über längere Zeit in einem relativ kontinu- 55 ierlichen Kommunikations- und Interaktionsprozess stehen“ (Schä- fers 2002, S. 20). Außer auf die Gruppenidentität geht Schäfers auch auf strukturelle und prozessuale Konstrukte ein wie gemeinsame Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein gruppenspezifisches Rollendifferential zur Erreichung des Gruppenziels. „Zur Erreichung des Gruppenziels und zur Stabilisierung der Gruppenidentität ist ein System gemeinsamer Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein gruppenspezifisches Rollendifferenzial erforderlich“ (Schäfers 2002, S. 20). In ähnlicher Weise sieht dies Weinert (vgl. Weinert 2004, S. 392). Ihm zufolge besteht eine Gruppe „aus einer begrenzten Anzahl von Mitgliedern, die miteinander über eine gewisse Zeitspanne hin interagieren; einander bewusst und gewahr sind; sich als Gruppe verstehen und wahrnehmen; in Verhalten und Arbeitsleistung wechselseitig voneinander abhängig sind; ein gemeinsames Ziel oder einen gemeinsamen Zweck für ihre Existenz haben; konkrete Rollen haben.“ Alle genannten Aspekte fassen Comelli und von Rosenstiel zu den konstituierenden Merkmalen einer Gruppe zusammen (vgl. Comelli; von Rosenstiel 2011, S. 157): Einer Gruppe gehören zumindest zwei Personen an, die interagieren und ein gewisses Wir-Gefühl entwickeln. Die Lebensdauer einer Gruppe kann begrenzt oder unbegrenzt sein. Innerhalb der Gruppe sind bestimmte Aufbau- und Ablaufstrukturen, insbesondere Spielregeln bzw. Gruppennormen, vorhanden. Entsprechend übernehmen die Akteur/innen bestimmte Rollen. Ausgehend von gemeinsamen Wertvorstellungen und gemeinsamen Interessen richtet die Gruppe ihr Handeln an gemeinsamen Zielen aus. Allerdings liegt dieser Dissertation die Annahme zugrunde, dass Nachhaltigkeitsgruppen sich nicht wie Gruppen steuern lassen, die über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen, sondern eher als eine Abfolgen von mehreren keineren Projekten zu sehen sind, in denen Leute allerdings wiederum nicht wie in einem Team zusammenarbeiten, sondern eher informell. Daher spielen einige der in der Gruppenliteratur 56 als wesentlich erachteten Themen nur eine geringe oder gar keine Rolle oder unterscheiden sich nicht von anderen Gruppen. Diese Themen werden nachfolgend kurz und überblicksartig dargestellt, während das Hauptaugenmerk in der vorliegenden Arbeit auf die Faktoren gelegt wird, die im Besonderen für Nachhaltigkeitsgruppen gelten. 3.2.1 Arten von Gruppen In der Literatur finden sich grundlegende Einteilungen von Gruppen, die zum Teil miteinander kongruent sind, sich teilweise aber nicht decken. Die bekanntesten von ihnen werden nachfolgend beschrieben. Als Primärgruppen bezeichnet Cooley (1956) Gruppen “characterised by intimate face to face association and cooperation. The primary group are also a differentiated and competitive unit socialized by sympathy and disciplined by a common spirit” (Cooley 1956, S. 23ff). Typische Primärgruppen sind demnach die Familie, eine Spielgruppe von Kindern oder Nachbarschaftsgruppen (so sie stabil sind). Primärgruppen weisen wenig Spezialisierung auf, sind sehr beständig, haben eine geringe Mitgliederzahl (3 bis 9). Demgegenüber sind sekundäre Gruppen eher unpersönlich, eher instrumentell und vor allem beträchtlich weniger intensiv. Ähnlich, aber nicht gleich, gestaltet sich der Unterschied zwischen einer Eigen- und einer Fremdgruppe (engl. In- and Out-group). Er besteht darin, dass Akteur/innen den Eigengruppen gegenüber ein Zugehörigkeitsgefühl (Wir-Gefühl) entwickeln, das in Vertrautheit, Sympathie und Zusammengehörigkeit besteht. Positive Eigenschaften der Eigengruppe werden in der Regel betont, negative Eigenschaften marginalisiert. Innerhalb der eigenen Gruppe nimmt man sich eher als Individuum und speziell wahr, während Fremdgruppen (die Ausländer, die Kommunisten) eher als homogen gesehen werden (vgl. Aronson, Wilson, & Akert 2008, S. 432). Dem Konzept der Fremdgruppen ähnlich sind so genannte positive Bezugsgruppen, denen man (noch) nicht angehört, aber gerne angehören will bzw. negative Bezugsgruppen, von denen man sich besonders gerne distanzieren möchte (vgl. Comelli; von Rosenstiel 2011, S. 160). 57 Unabhängig von den bereits genannten Eigenschaften lassen sich informelle und formale (auch formelle) Gruppen unterscheiden. Informelle Gruppen bilden sich in der Regel spontan und verfügen nicht über formale Strukturen oder über fixierte Ziele. Typische informelle Gruppen der Postmoderne sind so genannte Flashmobs, die sich nach Aufrufen etwa über Facebook spontan treffen. Demgegenüber sind formale Gruppen organisiert (oft z. B. als Vereine). Sie haben festgelegte Ziele und Rollen, die in der Satzung oder Geschäftsordnung festgelegt sind. Eine Mitgliedschaft in einer formalen Gruppe wird in der Regel exogen bestimmt und auch beendet (vgl. Comelli; von Rosenstiel 2011, S. 170). Formal oder informell bilden können sich Teams. Darunter versteht man eine spezielle Form der Gruppe bzw. einen Zusammenschluss von zwei oder mehreren Personen, die dynamisch, interdependent und adaptiv interagieren, um ein gemeinsames und für die Gruppe wichtiges Ziel zu erreichen. Nach Kasper/Mayrhofer ist Team zwar auch eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe ist ein Team. Synonyme wie Kollegium, Komitee oder Gremium ersetzen oft den Begriff „Team“. Gruppen können von Teams anhand folgender Kriterien unterschieden werden: Ein Team besteht in der Regel aus einer Kleingruppe, bei der alle Mitglieder unmittelbar kommunizieren. Teams arbeiten mittel- oder sogar langfristig als Arbeitsgruppe; als zielorientierte Gemeinschaft. Die Teammitglieder interagieren kooperativ und übernehmen kollektive Verantwortung. Gegenüber einer Gruppe grenzt sich ein Team durch eine hierarchieübergreifende kleine funktionsgegliederte Arbeitsgruppe. Ein ausgeprägter Gemeinschaftsgeist und eine starke Gruppenkohäsion. Eine Ursache für Teambildung findet sich nach Wiendieck in den Demokratisierungstendenzen und im gesellschaftlichen Wertewandel von Organisationen. Diese führten zu einer Legitimationskrise hierarchisch-direktiver Strukturen und begünstigen den Aufbau partizipativer Organisationsformen. So müssen Teams vor allem bei zunehmender Aufgabenkomplexität gebildet werden, weil Informationsverarbeitung, Steuern und Verantwortung nicht mehr problemlos von Einzelpersonen gehandhabt werden können. Eine möglichst unterschiedliche Qualifikation der einzelnen Teammitglieder ist dabei von Vorteil, um sich gegenseitig optimal zu ergänzen. In der Regel werden den Teammitgliedern daher spezifische Rollen oder Funktionen im Hinblick 58 auf ihr Handeln zugeschrieben. Die qualitative Verantwortung für die optimale Zusammensetzung der benötigten Ressourcen in einem Team trägt nach Wiendieck eine vorgesetzte Stelle. Um den Beitrag des/der Einzelnen erkennen zu können, müssen die Wünsche und Ambitionen der einzelnen Mitglieder des Teams berücksichtigt werden. Somit bezieht sich Teambildung auf das Kollektiv der Mitglieder und ist gleichzeitig auf lange Sicht ausgerichtet. Dann entwickelt das Team eine TeamIdentität, die sich von den individuellen Identitäten der Mitglieder unterscheidet. Zudem arbeiten Teams aufgaben- und zielorientiert (vgl. Klein & Pötschke 2004, S. 7ff) und haben definierte Kommunikationswege innerhalb des Teams und nach außen hin (vgl. Mabey & Caird 1999, S. 7ff). Die Arbeit des Teams schlägt sich in sechs Team-Dimensionen nieder (vgl. C. V. Haug 2009, S.13–15): der Erlebnisdimension (Gemeinschaft Gleichsinnter), Aufgaben-Dimension (Anwendung von Spezialwissen auf eine bestimmte Aufgabe), Image-Dimension („Dabeisein-Dürfen“), KrisenDimension (Entschlossenheit in Krisenzeiten), Prozess-Dimension (Kommunikation, Schnittstelleninteraktion) und Ergebnis-Dimension (Erreichen eines gemeinsamen Ziels, Erfüllen einer gemeinsamen Aufgabe). Die Teambildung kann mindestens mittel- bis langfristig als ein Lebenszyklus gesehen werden, wobei die einzelnen Mitglieder die Verantwortung tragen. Die Teambildung ist nie abgeschlossen, sondern ein wiederkehrender Prozess, in dem eine klare und einzigartige Teamidentität entwickelt wird. Kennzeichen von Teams ist in aller Regel, dass die Mitgliedschaft im Team in aller Regel zeitlich beschränkt ist (vgl. Salas, Dickinson, & Tannenbaum 1992, S. 4). Diese zeitliche Begrenztheit zeigt sich darin, dass Teams in ihrer Entwicklung Phasen durchlaufen. Eines der bekanntesten Teamentwicklungsmodelle entwickelte Tuckman, der fünf Gruppenphasen unterscheidet (Tuckman 1965): Im Forming finden die Teammitglieder langsam zueinander und lernen sich kennen. Im Storming ergeben sich erste Konflikte und Rivalitäten, die für ein zielführendes Funktionieren der Gruppe überwunden werden müssen. Im Norming entwickelt das Team eine Teamkultur inklusive Umgangsformen, Normen und Kommunikationsweisen 59 Im Performing erweist sich das Team als am effektivsten und ideenreichsten, hier werden die meisten Probleme gelöst Im Transforming zieht das Team Bilanz und versucht Schlüsse für weitere Teamarbeiten zu finden. Neben der Mitgliedschaftsdauer ist auch die Größe von Teams beschränkt, die zur Erreichung der Teamziele mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und den daraus entstehenden gegenseitigen Abhängigkeiten beitragen. Denn ab einer Anzahl von mehr als sieben Teammitgliedern treten zu viele Trittbrettfahrer/innen auf. Dieser Aspekt wird im nachfolgenden Kapitel diskutiert. 3.2.2 Gruppengröße Für die Leistungsfähigkeit und positive Atmosphäre in der Gruppe spielt die Anzahl der Akteur/innen eine große Rolle. Viele Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit großen, mittelgroßen und kleinen Gruppen (vgl. M. Olson 2008). In kleinen Gruppen mit Mitgliedern, die verschieden starkes Interesse an einem Kollektivgut (z. B. einem gemeinsam aufgeführten Theaterstück oder an der Verkehrsberuhigung entlang einer Durchzugsstraße) haben, ist es am wahrscheinlichsten, dass ebendieses Kollektivgut zur Verfügung gestellt wird. Denn „je größer das Interesse irgendeines einzelnen Mitgliedes am Kollektivgut, um so größer die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Mitglied einen so bedeutenden Anteil am Gesamtvorteil, den das Kollektivgut stiftet, erhalten wird, daß es vorteilhaft ist, für die Bereitstellung des Gutes zu sorgen, sogar dann, wenn es die gesamten Kosten selbst tragen muss“ (Olson 2008, S. 33). Je größer die Gruppe, desto weniger ist sie imstande, die „optimale Menge eines Kollektivgutes“ zur Verfügung zu stellen, da der Anreiz sinkt, sich selbst aktiv zu beteiligen, wenn man vom Engagement anderer profitieren kann (vgl. M. Olson 2008, S.33). Dies sieht auch Sader: „Mit steigender Gruppengröße sinkt naheliegenderweise die mögliche aktive Beteiligungszeit des/r einzelnen. (…) Das bedeutet, dass bei größeren Gruppen die Teilnehmer/innen eigene Ideen und Anregungen nicht angemessen einbringen können 60 die Gruppe im geringeren Maße als ihre eigene Gruppe erleben weniger eigene Verantwortung für Geschehen und Unterlassungen der Gruppe erleben sich möglicherweise weniger anstrengen, weil das Resultat der Arbeit des/r einzelnen nicht so deutlich sichtbar ist. Es ist plausibel und empirisch nachweisbar, dass die Anzahl der Schweiger/innen mit der Anzahl der Gruppenmitglieder wächst, die organisatorischen Anteile an der Arbeitszeit ebenfalls mit der Gruppengröße wachsen, der erlebte Zusammenhalt der Gruppe mit der Gruppengröße abnimmt“ (Sader 2008, S. 62). Auch Simmel stellt fest: „Jede Gesamtheit, die mehr ist als ein bloßes Nebeneinander gegebener Individuen, hat eine Unbestimmtheit ihrer Grenzen und Macht, die leicht dazu verlockt, allerhand Leistungen von ihr zu erwarten, die eigentlich dem einzelnen Mitgliede oblägen; man schiebt sie auf die Gesellschaft. (…) Der in den grade fraglichen Beziehungen durchsichtigen, aber eben deshalb auch klar begrenzten Macht des Individuums steht die immer etwas mystische Kraft der Gesamtheit gegenüber, von der man deshalb leicht nicht nur das erwartet, was das Individuum nicht leisten kann, sondern auch das, was es nicht leisten möchte“ (Simmel 1983, S. 66f). Die Möglichkeit, Pflichten und Verantwortung auf das unpersönliche Gebilde einer Großgruppe abzuwälzen, fehlt in Dyaden (2-er Gruppen) (vgl. Prisching 1992, S. 76). Kleine Gruppen (z. B. 3-er Gruppen) sind konfliktanfälliger, zu große Gruppen (über zehn Mitglieder) zerfallen häufig in Untergruppen. Sader geht daher von einer optimalen Gruppengröße von fünf Teilnehmer/innen aus, was wiederum zu der oben definiert optimalen Größe auch eines Teams passt (vgl. Sader 2008, S. 63). Verschiedene Autor/innen setzen die quantitative Grenze zwischen 10 und 30 Mitglieder. Speziell kleine Gruppen wie die eben definierten sind durch spezifische Charakteristika geprägt. Sie befriedigen durch ihre Funktion Bedürfnisse oder haben gemeinsame Ziele, deren Erreichung oder Verfehlung für jedes Mitglied relevant ist. Die Ergebnisse des Gruppenhandelns sind interdependent. In vielen Fällen ist eine kleine Gruppe handlungs- und vor allem überlebensfähiger als eine große (vgl. M. Olson 2008, S.3). Auch Teams sind somit als kleine Gruppen anzusehen, die eben nur auf 61 begrenzte Zeit und mit einem bestimmten Ziel angelegt sind. Gerade die Festlegung auf Ziele lässt oft auch so etwas wie eine Gruppenidentität entstehen, wie sie im Nachfolgenden beschrieben wird. 3.2.3 Gruppenidentität und „Wir-Gefühl“ Eine zentrale Idee des soziologischen Gruppenkonzepts ist es, dass Gruppen eine eigene Identität haben. Ausgehend von den „minimal-group“-Experimenten in den 1970er Jahren (Billig; Tajfel 1973; Tajfel 1970; Tajfel et al. 1971) haben Tajfel und Turner 1986 ihre Theorie der sozialen Identität entwickelt als Beschreibung psychologischer Prozesse, welche den Ursprung von Gruppenprozessen bilden (vgl. Tajfel & J. C. Turner 1986). Nach Tajfel ist die soziale Identität Bestandteil des Selbstkonzeptes eines Individuums, „der sich aus seinem Wissen um seine Mitgliedschaft in sozialen Gruppen und aus dem Wert und der emotionalen Bedeutung ableitet, mit der diese Mitgliedschaft besetzt ist“ (Tajfel 1982, S. 102). Gruppenidentität entsteht nicht aus dem Gleichklang psychischer Systeme, sondern ist in Anlehnung an Luhmann als kommunikatives Konstrukt zu verstehen (vgl. Fuhse 2001, S. 6). In der Systemtheorie Luhmanns sind Identitäten Anknüpfungspunkte für soziale Strukturen und damit Voraussetzung für Kommunikation und für Systembildung. „Es werden Identitäten projektiert, an denen man Erwartungen festmachen kann, und durch solche Zuweisung an identisch Bleibendes werden Erwartungen sachlich geordnet. So richtet man Zusammenhänge und Unterscheidungen ein. (…) Die Identität ist mithin (…) ein punktualisierter, hochselektiver Ordnungsaspekt von Welt“ (Luhmann 2008, S. 426). Die Gesamtidentität beschreibt die Individualität des einzelnen über seine jeweiligen Erfahrungen. „Die Tatsache, dass sich jede Identität durch den oder im Hinblick auf den gesellschaftlichen Prozess bildet und sein individueller Ausdruck ist – oder vielmehr Ausdruck der für sie typisch organisierten Verhaltensweisen, die sie in ihren jeweiligen Strukturen erfasst –, ist sehr leicht mit der Tatsache zu vereinbaren, dass je62 de einzelne Identität ihre eigene spezifische Individualität, ihre eigenen einzigartigen Merkmale hat, weil jede einzelne Identität innerhalb dieses Prozesses, während sie seine organisierten Verhaltensstrukturen spiegelt, ihre eigene und einzigartige Position innerhalb seiner formt und somit in seiner organisierten Struktur einen anderen Aspekt dieses ganzen gesellschaftlichen Verhaltensmusters spiegelt als den, der sich in der organisierten Struktur irgendeiner anderen Identität innerhalb dieses Prozesses spiegelt“ (Mead 2008, S. 245). Gruppenmitglieder, die sich stark mit ihrer Gruppe identifizieren, sind geneigt, mehr mit den Gruppeninteressen konform zu gehen und sich stärker für die Gruppe zu engagieren (vgl. Polzer, Milton, & Swann 2002, S. 296–302). Im Hinblick auf diese Identifikation mit der Gruppe unterscheiden Prentice et al. (vgl. Prentice, Miller, & Lightdale 1994, S. 484f) „Common-Bonds-Groups“, die vor allem auf persönlichen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern beruhen, und „Common Identity-Groups“, bei denen eine generalisierte Gruppenidentität im Vordergrund steht, die die Gruppe stabilisiert, wenn es zu personellen Veränderungen kommt (vgl. Prentice et al. 1994, S. 491). Die Gruppenidentität ist gekennzeichnet durch eine Abgrenzung der Gruppe von ihrer Umwelt (oftmals im negativen Ausschlussprinzip) sowie die Entwicklung einer Gruppenkommunikation und der dieser zugrunde liegenden Gruppenkultur (vgl. Fuhse 2001, S. 5). Schließlich wird die soziale Identität der Gruppe durch Fragen determiniert, wie: „Wer ist die Gruppe im Unterschied zu anderen Gruppen? Wie erkennen sich die Gruppenmitglieder, wie zeichnen sie sich aus? Wer sind ihre Akteur/innen? Welches sind Subgruppen? Welche Gruppenmitglieder oder Subgruppen verfügen über welche Ressourcen?“ (Liebert 2003, S. 62). Zentral für die Herausbildung einer Gruppenidentität sind aber auch Fragen nach einer (gemeinsamen) Vergangenheit, die die Gemeinsamkeiten herausarbeiten und Unterschiede zu anderen Gruppen deutlich machen. Die Frage nach den Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart und Zukunft schließlich führt zu Überle63 gungen darüber, wo die Gruppe heute steht und welche Ziele und Entwicklungen für die Zukunft wünschenswert bzw. zu vermeiden sind (vgl. Liebert 2003, S. 63). Schließlich stellt Neidhardt die persönlichen Aspekte der einzelnen Gruppenmitglieder in den Vordergrund der Betrachtung. Er stellt ab auf Diffusheit, Unmittelbarkeit und face-to-face-Konstellation der Beziehung (vgl. Neidhardt 1979, S. 642ff). Die Gruppe muss in erster Linie die „individuellen Gefühle, Wahrnehmungen und Motivationen ihrer Mitglieder“ (Neidhardt 1979, S. 645) integrieren können, wozu wiederum individuelle und kollektive Lernprozesse vonnöten sind. Im Einzelnen gehören zu diesen Lernprozessen die Individualisierung von sozialer Wahrnehmung durch den/die EinzelneN das Erlernen von Scham- und Taktgefühl das Abwägen von persönlichen und nicht-funktionalen Überlegungen und Handlungen, die der Entscheidung über Aufnahme und Positionsverteilung von neuen Mitgliedern vorangehen das Umgehen mit Gefühlen wie Vertrauen und Sympathie als Steuerungsmechanismen das Erlernen von Ausgleichsmechanismen, um die Gruppenbalance zu erhalten die soziale Differenzierung und Integration durch Führung das Erlernen des Umgangs mit der Gruppenöffentlichkeit (vgl. Neidhardt 1979, S. 653ff). Neben diesen lernbedingten Faktoren beeinflussen aber auch ökonomische Faktoren das Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören. Comelli und von Rosenstiel (vgl. 2011, S. 161ff) beschreiben das Zugehörigkeitsbedürfnis zu einer Gruppe mit der Differenz zwischen Input und Output, den die Gruppenmitglieder erhalten: Das einzelne Mitglied hat subjektiv das Gefühl, in die Gruppe zu investieren bzw. Leistungen zu erbringen und erhält dafür einen ebenfalls subjektiven Nutzen (Output) wie etwa Erfolgserlebnisse, Anerkennung oder Wertschätzung. Solange der Output den Input übersteigt bzw. das Input-Output-Verhältnis besser ist als das erwartete InputOutput-Verhältnis in einer anderen Gruppe, wird die Mitgliedschaft aufrecht erhalten. 64 3.2.4 Rollen in der Gruppe Die eben beschriebene Gruppenidentität bestimmt den Umgang innerhalb einer Gruppe und damit wiederum die Rollen der Gruppenmitglieder. Denn Rollen unterstützen die Mitglieder dabei, die soziale Ordnung zu definieren und zu bestätigen. Die Rolle des Mitgliedes innerhalb einer Gruppe wird durch den Rang bestimmt. Mead ist der Auffassung, dass man kooperatives soziales Handeln erst dann ausbilden kann, wenn man lernt, sich selbst in die Rolle einer anderen Person hinein zu versetzen (vgl. Mead 2008, S. 254). So lernt bereits das Kind mit Hilfe seiner Spiele und der Imitation bestimmter sozialer Rollen der Erwachsenen, also durch ein „rôle taking“, das letztlich in seine Sozialisation mündet. Die Sozialisation in Gruppen erfolgt durch soziale Interaktionen (vgl. Mead 2008, S. 150). Die aus sozialen Interaktionen folgenden Rollendefinitionen sind sehr unterschiedlich (vgl. Hare 1994, S.434; Kirsten & Robertiello 1977, S.161; Parsons 1951, S.26; Sennett 1977, S.89; Zimmerman & Rappaport 1988, S.209) und beschränken sich auf eine Kategorisierung von Rollenstereotypen bzw. Klischées (vgl. Paulhus & C. L. Martin 1988; Sader 2008, S.81). So besetzen bei Schindler die Führer/innen die Alpha-Rolle, während Spezialist/innen die Beta-Rolle besetzen. Die Gruppe der Arbeiter/innen wird als Gamma-Rolle beschrieben (vgl. Schindler 1957, S. 308ff). Neben dem/r ChefIn, dem/r MitläuferIn, dem/r AußenseiterIn, dem/r DenkerIn, dem/r Braven, dem Clown, dem/r MeckererIn oder grauer Eminenz nimmt der Sündenbock eine Sonderrolle (Omega-Rolle) ein. Nach Stahl ist er in jeder Gruppe vertreten und ist für eine Gruppe unabdingbar, weil er, oft freiwillig, für die Gruppe die Opferrolle einnimmt (vgl. Stahl 2002, S. 325f). Eine teambezogene und oft verwendete Rollendefinition stammt schließlich von Belbin (vgl.Tab. 4) Charakteristika Stärke Schwächen Macher bekämpft Ineffizienz & Trägheit, übt Druck aus dynamisch, angespannt, aufgeschlossen ungeduldig, unaufmerksam, provokativ Umsetzer hat hohe Arbeitsleistung und Selbstdisziplin, realisiert Ideen diszipliniert, konservativ, berechenbar unflexibel, wenig kreativ Perfektionist stellt Ergebniserreichung sicher, vermeidet Fehler gewissenhaft, pünktlich überängstlich, delegiert ungern handlungsorientiert Teamrolle 65 kommunikativ, extrovertiert, begeistert verliert schnell das Interesse, oft zu optimistisch Koordinator, Integrator fördert Entscheidungsprozesse, selbstsicher vertrauenswürdig, diplomatisch kann als manipulierend empfunden werden Teamarbeiter, Mitspieler verbessert Kommunikation, mindert Spannungen kooperativ, diplomatisch unentschlossen in kritischen Situationen Beobachter nüchtern, diskret, gute Urteilsfähigkeit strategisch, kritisch, scharfsinnig wenig motivierend, mangelnde Inspiration Neuerer, Erfinder phantasievoll, kreativ, bringt neue Ideen ein individuell, unorthodoxes Denken ignoriert praktische Aspekte Spezialist bearbeitet Aufgabe intensiv, antriebsstark leicht zerstreut, fachkompetent selbstbezogen, verliert sich in techn. Details sachorientiert knüpft Kontakte, Netzwerker, greift Ideen auf kommunikationsorientiert Wegbereiter, Weichensteller Tab. 4: Beschreibung von Teamrollen nach Belbin (überarbeitet nach Strobel 2003, S. 18f). Diese und ähnliche Klassifikationen erscheinen auf den ersten Blick plausibel, sind aber bei genauerem Hinsehen wissenschaftlich nicht haltbar. Daher verfolgen Polzer et al. (vgl. Polzer et al. 2002, S. 296f) einen anderen Zugang. Sie sehen die Rollen der Gruppe als Folge der Heterogenität aller individuellen Merkmale innerhalb einer Gruppe (Geschlecht, Alter, etc.), die sie als Diversität bezeichnen und der sie einen in erster Linie negativen Effekt auf die Gruppenleistung zuschreiben. Sie beschreiben auch Effekte, die durch eine positive Korrelation von Selbst- und Fremdwahrnehmung hervorgerufen werden (vgl. Polzer et al. 2002, S. 300). Noch weiter geht Goffman, der die Ansicht vertritt, „dass die Rolle, die ein Einzelner spielt, auf die Rollen abgestimmt (ist), die andere spielen“ (Vorwort, Goffman 2008). Allerdings steht nicht die Authentizität der Gruppenmitglieder im Vordergrund, sondern eine „oberflächliche Übereinstimmung, die den Anstrich von Einigkeit hat“ (Goffman 2008, S. 13). Von einem Gruppenmitglied wird erwartet, dass es lernt, seine unmittelbaren tieferen Gefühle zu unterdrücken, um sich an einen Aspekt einer Situation so anzupassen, dass es hoffen kann, dass die anderen Gruppenmitglieder dies zumindest vorübergehend akzeptieren können: „Alle Gruppenmitglieder tragen gemeinsam zu einer umfassenden Bestimmung der Situation bei, die weniger auf echter Übereinstimmung basiert, als darauf, 66 wessen Ansprüche in welchen Fragen vorläufig anerkannt werden sollen“ (Goffman 2008, S. 13). Gleichzeitig verpflichtet die anfängliche Projektion den/die Einzelne/n „auf das, was er/sie zu sein behauptet, und zwingt ihn, jeden Anspruch fallenzulassen, etwas anderes zu sein“ (Goffman 2008, S. 14). Goffmans Auffassung nach sind soziale Handlungen (vgl. 8.3) Darstellungen, wie Schauspieler/innen auf der Bühne eine Rolle darstellt. Eine Darstellung ist „die Gesamttätigkeit eines bestimmten Teilnehmers an einer bestimmten Situation, die dazu dient, die anderen Teilnehmer zu beeinflussen“ (Goffman 2008, S. 18); und eine Rolle ist „das vorherbestimmte Handlungsmuster, das sich während einer Darstellung entfaltet und auch bei anderen Gelegenheiten vorgeführt oder durchgespielt werden kann“ (Goffman 2008, S. 18). Solche menschliche Handlungen sind dramaturgisch strukturiert. So erfüllen dargestellte Rollen von der Umgebung erwartete Verhaltensweisen. Die gespielte Rolle ist eine soziale Interaktion, die wie ein Ritual die Identitäten der Teilnehmer/innen darstellt und festlegt. 67 Aus dieser Annahme definiert Weinert nicht Rollentypen, sondern Rollenarten, vgl. Tab. 5 Aufgabenorientierte Rollen Beziehungsorientierte Rollen Selbstorientierte Rollen Klären von Aufgabenanfor- Unterstützen der sozialen Be- Verfolgen derungen persönlicher ziehungen durch Erhalt einer Bedürfnisse angenehmen Atmosphäre Hilfe für andere Mitglieder Fördern der Gruppensolidarität Blockieren der Gruppen Bereitstellen von Vorschlä- Lösen von Konflikten Suchen von Aufmerksam- gen und Ideen keit Koordinieren Bewerten der Qualität von Manipulieren der Gruppe Gruppenarbeitsprozessen Ausrichten der Gruppe auf Harmonisieren Sich selbst isolieren das Ziel Testen der Gruppenleistung Stimulieren der Gruppe, wenn Interesse nachlässt Tab. 5: Rollenaufgaben in Gruppen (vgl. Weinert 2004, S. 405) Daraus kann man folgern, dass in Gruppen Rollen eingenommen werden, dass stereotype Rollenbilder jedoch zu hinterfragen sind und in Abhängigkeit von den jeweiligen Anforderungen eher kontext- bzw. kontentspezifische Rollenhaltungen eingenommen werden. Die Rollen in einer Nachhaltigkeitsgruppe hängen von der speziellen Konstellation der Gruppenmitglieder zueinander ab. Sie werden in den nachfolgenden Kapiteln weitergehend geklärt. 3.2.5 Kommunikation und Interaktion in der Gruppen Kommunikation und Interaktion in einer Gruppe laufen anders ab als Kommunkation zwischen weniger intensiv interagierenden Menschen. Als Modell für die gruppenorientierte Interaktion hat sich die auf soziales Lernen abstellende so genannte Themenzentrierte Interaktion von Ruth Cohn etabliert (vgl. Cohn 1991), das auf den drei Axiomen beruht: der Autonomie des Menschen unter seiner gleichzeitigen Einbettung in das universelle Ganze, der Wertschätzung des und dem Respekt vor dem 68 Menschlichen sowie der freien Entscheidung des Menschen innerhalb bestimmter, aber verschiebbarer Grenzen (vgl. Cohn 1991, S. 120f). Dies bedingt, dass für die Interaktion innerhalb der Gruppe drei untereinander verbundene Einflussfaktoren ausschlaggebend sind: Im Rahmen des „Ich“ ist die jeweils agierende Person zu sehen, die von biographischen Faktoren ebenso beeinflusst wird wie von ihrer mometanen Befindlichkeit. Zweiter Faktor ist das „Es“ - das Thema (Issue) oder das konkrete Interesse, das die Gruppe verfolgt und das im Rahmen der vorliegenden Dissertation zu einem zentralen Bestimmungselement der Gruppe wird (vgl. 5.6.2), (vgl. auch Langmaack; Braune-Krickau 2000). Dritter wesentlicher Faktor ist das „Wir“, das über das Beziehungsgefüge der Gruppe Aussage gibt und auch Faktoren wie die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache enthält. Zusammengehalten wird dieses Dreieck vom Faktor „Globe“, der Einflussfaktoren auf die Interaktion und Kooperation in der Gruppe aus den Feldern Organisation, soziale Aspekte, Politik, Wirtschaft und auch Ökologie beschreibt (vgl. Reiser; Lotz 1995). Aus den Axiomen und dem Dreieck der Themenzentrierten Interaktion leitet Cohn praktische Empfehlungen für Interaktionsregeln in der Gruppe ab (vgl. Cohn 1991, S. 123ff), etwa, dass nur eine Person zur selben Zeit sprechen darf. Diese Empfehlungen sind bereits sehr auf der Handlungsebene und spielen sicher in der praktischen Arbeit jeder Gruppe eine große Rolle, werden aber im Nachfolgenden nicht weiter thematisiert. Insgesamt erscheinen die Prämissen, auf denen die Themenzentrierte Interaktion basiert (WirGefühl, gemeinsame Sprache, Loyalität) von abnehmender Relevanz in tatsächlichen Gruppen und Nachhaltigkeitsgruppen im Speziellen zu sein, wie in den nachfolgenden Kapiteln gezeigt wird. 3.3 Definition der „Nachhaltigkeitsgruppe“ Der Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ ist im täglichen Sprachgebrauch nicht gängig, daher ist auch nicht offensichtlich, was darunter zu verstehen ist. Führt man eine Recherche über Google durch, so wird deutlich, dass der Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ in verschiedenen Variationen verwendet wird (vgl. 3.3.2). Geht man dem Begriffsinhalt weiter nach, so muss man zunächst die Sinnhaftigkeit des Begriffes „Nachhaltigkeitsgruppe“ hinterfragen. 69 Die Einführung eines „Bindestrich-Begriffes“ wie „Nachhaltigkeits-Gruppe“ erfordert zweierlei: erstens, dass genügend Merkmale den neuen Begriff „NachhaltigkeitsGruppe“ von den Oberbegriffen Nachhaltigkeit und vor allem Gruppe unterscheiden, zweitens aber, dass es genügend Gemeinsamkeiten gibt, die die Schaffung einer neuen Kategorie möglich machen. So ist es Aufgabe dieser Arbeit, den Beweis zu führen, dass die Differenzierung von Nachhaltigkeitsgruppen und anderen Gruppen Sinn macht. In der Literatur finden sich nicht sehr viele Hinweise auf Nachhaltigkeitsgruppen. Eine genaue Untersuchung verschiedener Typen von ökologieorientierten Gruppen findet sich bei Kempton et al. (vgl. Kempton et al. 2001). Ihre Ergebnisse helfen teilweise bei der externen Validierung der in der vorliegenden Arbeit getroffenen Aussagen. Jedenfalls haben sich schon seit jeher Menschen in Gruppen für Anliegen engagiert, die auf Nachhaltigkeit im Sinne von Dauerhaftigkeit bzw. längerer Zeitdauer, aber auch auf die eine oder andere Säule der Nachhaltigkeit im oben definierten Sinne gerichtet waren (vgl. 3.1.3). Um konkret mit dem Begriff arbeiten zu können, ist eine genauere Auseinandersetzung mit der Terminologie erforderlich. Nachfolgend werden daher Vorläufer von Nachhaltigkeitsgruppen thematisiert und bisherige Verwendungen des Begriffes analysiert sowie als Beispiel für die historische Entwicklung von Nachhaltigkeitsgruppen die Entwicklungen der deutschen und österreichischen Grünbewegungen dargestellt. Auf dieser Basis wird dann der Begriff der Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt, wie der vorliegenden Arbeit zugrundeliegt. 3.3.1 Vorläufer von Nachhaltigkeitsgruppen In allen Epochen der Geschichte finden sich Menschen, die sich zu einer Gruppe zusammenfinden, aus deren Verhalten sich Nachhaltigkeit im Sinne von „auf Dauerhaftigkeit angelegt“ erkennen lässt. Eine Gruppe Neandertaler, die eine Jagdgruppe bildet, könnte man als Nachhaltigkeitsgruppe definieren, genauso wie die Sumerer, die als Gruppe um 3200 vor Christus in Mesopotamien eine eigene Sprache und Schrift entwickelten. Die Alten Ägypter, die nur als gewaltige Gruppe imstande waren Pyramiden zu bauen, oder die Gruppe der Urchristen im 1. Jhdt nach Christus lassen sich letztlich ebenso auf den Gedanken der Dauerhaftigkeit zurückführen. Für die vorliegende Arbeit ist eine Unterteilung in dieser Art zu wenig spezifisch. 70 Aus sozialer Sicht könnte man im weitesten Sinne die mittelalterlichen Zünfte als die ersten Nachhaltigkeitsgruppen definieren. Die Vereinigung von Handwerkern zu Zünften diente als soziales, ökonomisches und religiöses Netz. Die ökonomische Nachhaltigkeit lässt sich durch die Regelung der Rohstofflieferungen, Produktpreise, Absatzmengen und Beschäftigtenzahlen beschreiben. Durch die Vorschreibung der Produktionsmethoden wurde einerseits Überproduktion vermieden, aber anderseits gleichzeitig die Einführung neuerer, produktiverer und gelegentlich weniger gesundheitsgefährdender Produktionstechniken verhindert. Der soziale Aspekt einer nachhaltigen Entwicklung wurde durch die Regelung der Löhne bis hin zur Witwenversorgung abgedeckt (vgl. August Georg Markgraf von Baden 1769, S. 61ff). Der Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit fand keine Beachtung. In ähnlicher Weise wurden ausgehend von der Knappschaft, dem Zusammenschluss der in einem Bergwerk oder Revier beschäftigten Bergleute, bereits um 1300 zur gegenseitigen Unterstützung Knappschaftskassen (in Österreich: Bruderladen) gebildet (z. B. Kuttenberger Bergordnung von 1300) (vgl. Majer 1989, S. 51f). Die Bruderlade kann somit als Vorläuferin der Sozialversicherung bezeichnet werden und damit auch als Vorläuferin einer wichtigen Säule für den Zusammenhalt in unserer modernen Gesellschaft. Sie bildete die Grundlage für Krankenbehandlung, Sterbegeld und Invaliditätsvorsorge sowie eine solidarische Gemeinschaftshilfe, die für die gefahrvolle Tätigkeit der Bergmänner unerlässlich war. Auch im Hinblick auf die Bruderladen standen daher soziale und ökonomische Aspekte im Vordergrund. Aufbauend auf den Gebräuchen und Unterlagen der Steinmetzbruderschaft (vgl. Binder 1988, S. 14), stand die „göttliche Kunst“ der Freimaurerei seit 1723 unter den fünf Grundidealen der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Diese lieferten die Grundlage für die Verbreitung der Ideen der Aufklärung und damit einen Beitrag zur Bildung einer neuen Öffentlichkeit bzw. zu einer Art Vorläufer der Zivilgesellschaft (vgl. im Hof 1993, S. 126f), wie sie auch heute noch die Basis für Nachhaltigkeitsgruppen im hier verwendeten Sinne bildet. Ein weiterer Impuls erfolgte 1863, als Henry Dunant auf Grund der Eindrücke der Schlacht bei Solferino die Internationale Rotkreuzbewegung gründete (vgl. H. Haug et al. 1995, S.27f). Sie hat eine ausschließlich humanitäre Aufgabe unter den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Neutralität, Menschlichkeit, Freiwilligkeit, Einheit, Unab71 hängigkeit für den Schutz des Lebens und die Würde der Opfer von Kriegen und innerstaatlichen Konflikten. Das Rote Kreuz unterstützt aber auch nationale Gesellschaften bei Hilfsmissionen nach nicht kriegsbedingten Notsituationen wie Naturkatastrophen und Epidemien und zählt zu seinen regelmäßigen Aufgaben Blutspendewesen, Rettungsdienst, Altenpflege sowie Sozialarbeit. Bei all diesen Tätigkeiten handelt es sich wiederum um Aufgaben im Dienste der sozialen Nachhaltigkeit (vgl. ICRC 2010). Eine neuere Bewegung dieser Art ist die Hospizbewegung. Unter Hospiz versteht man nicht nur ein ganzheitliches Konzept, sondern eine ganze Bewegung, die sich mit der Sterbe- und Trauerhilfe beschäftigt. Das Interesse der Hospizbewegung gilt der Betreuung von Sterbenden und deren Angehörigen unter Einbeziehung eines interdisziplinären Teams, welches sich auch auf freiwillige Helfer/innen stützt. Im Vordergrund stehen die Schmerzfreiheit und ein menschenwürdiges Sterben und nicht Heilung oder lebensverlängernde Maßnahmen (vgl. Student 1999, S. 44f). Geht man davon aus, dass zur Erfüllung einer nachhaltigen Entwicklung alle drei Aspekte des Drei-Säulen-Modells erfasst werden sollen, relativiert der Mangel an ökologischer Nachhaltigkeit die Beschreibung aller bisherigen Gruppen als Nachhaltigkeitsgruppen. Allerdings wurden ökologische Probleme in Zeiten der Mangelwirtschaft nicht als relevant erkannt, da gemäß Maslow vor allem die Befriedigung der Grundbedürfnisse im Vordergrund stand (vgl. 8.4.3). Die Vorherrschaft der sozialen Säule der Nachhaltigkeit galt, von wenigen Einzelfällen abgesehen (etwa den Bestrebungen von von Carlowitz oder Hartig, vgl. 3.1.1), bis herauf in das 20. Jahrhundert. Beginnend in den 1960er Jahren werden Umwelt- oder eben Nachhaltigkeitsgruppen gegründet, die sich für die biologische Vielfalt, nachhaltige Nutzung der Ressourcen, für Umweltschutz und gegen schädliches Konsumverhalten, Atomkraft, Gentechnik, globale Erwärmung, Pestizide usw. einsetzten. Hierbei handelt es sich also eigentlich nicht mehr um Vorläufer, sondern bereits um Nachhaltigkeitsgruppen im engeren Sinne. Diesen ist insbesondere Kapitel 3.3.5.2 gewidmet. 3.3.2 Suche nach bisherigen Begriffsverwendungen Recherchiert man über Google den Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“, so merkt man, dass der Terminus immer wieder verwendet wird, etwa um meist nicht näher be72 schriebene Gruppen bei Ämtern, Regierungen und interessanterweise vor allem Schulen zu bezeichnen, die sich mit „Nachhaltigkeit“ als Arbeitsthema auseinandersetzen. So wird etwa die Nachhaltigkeitsgruppe des weltweit tätigen Unternehmens Procter & Gamble in der Dokumentation zum Leadershipforum 2006 des Rates der Sachverständigen beschrieben als „aufgehängt beim CEO im Bereich External Relations, weltweit 10 Mitarbeiter, die im Bereich Nachhaltigkeit tätig sind, wobei jeder verschiedene Aufgaben hat“ (Rat für nachhaltige Entwicklung 2006, S. 7). Nachhaltigkeitsgruppen werden auch erfasst als Gruppen, die sich für ein Projekt für die Erhaltung der sozialen Handlungsfähigkeit einsetzen (vgl. CIPRA 2010). Eine Suche über Google Scholar nach wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema Nachhaltigkeitsgruppen ergibt genau acht Treffer, wobei hier der Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ meist für in Unternehmen eingesetzte Workgroups angewandt wird. Ein interessantes Ergebnis ist der Hinweis auf eine Vereinigung von Berliner Nachhaltigkeitsgruppen, die sich seit dem Jahr 2008 regelmäßig treffen. Diesen wird im Rahmen der empirischen Recherche weiter nachgegangen. Die Suche nach dem Wort „Sustainability Group“ bleibt auf den ersten zehn Ergebnisseiten erfolglos insofern, als sich durchgehend nur Hinweise auf den Dow Jones Sustainability Group Index, einen speziellen Unterindex des DOW Jones Index finden. Der Begriff scheint also vor allem in der Praxis verwendet zu werden, um Gruppen zu beschreiben, die sich mit Fragestellungen aus dem Themenkreis „Nachhaltige Entwicklung“ auseinandersetzen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff fehlt bislang – aus wissenschaftlicher bzw. vor allem erziehungswissenschaftlicher Sicht ist das Grund genug, eine wissenschaftliche Analyse des Begriffes in Angriff zu nehmen. 3.3.3 Historische Wurzeln „nachhaltigen Engagements“: Die Geschichte der Grünbewegung Die unterschiedlichen Zugänge innerhalb der grünen Bewegung, der Formierungsprozess und seine relevanten Akteur/innen sind Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit. Es steht die Frage nach dem Gemeinsamen im Mittelpunkt und die Gründe für den Zusammenschluss solch unterschiedlicher Gruppen. Zum besseren Verständnis der Entstehung von Nachhaltigkeitsgruppen ist neben der Betrachtung aus politik- und sozialwissenschaftlicher Sicht (vgl. Klotzsch; Stöss 1986; Raschke 1993; 73 van Hüllen 1990), die in den folgenden Kapiteln unternommen wird, auch die Entstehung der Gruppe im historischem Kontext interessant. 3.3.3.1 Entstehung der Grünbewegung in Deutschland Mit der nachfolgenden Darstellung der Entwicklung der Grünbewegung wird die Entstehung einer „Nachhaltigkeitsgruppe“ im Großen illustriert. Dabei werden zum Teil bewusst die in den nachfolgenden Kapiteln entwickelten theoretischen Konzepte vorausgedacht, um die in der historischen Ableitung logisch erscheinenden Kontexte besser erfassen zu können. Im Zentrum der Betrachtungen steht nicht die grüne Partei als solche, sondern der soziokulturelle und ideelle Entwicklungsprozess, das Wachsen aus den verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen ab den späten 60er Jahren und das Kontrahieren nach diversen Querelen und Unstimmigkeiten. Es gibt einige Parallelen zwischen der Entstehung der grünen Bewegung in Deutschland und Österreich, und die deutsche Entwicklung setzte sich einige Jahre später, doch aus der Sicht der Wahlen zunächst erfolgreicher, in Österreich fort. Daher ist es legitim die Betrachtungen der Situation des Umbruches und Wandels in Deutschland (vgl. Archiv für Sozialgeschichte 2004; Doering-Manteuffel 1999; Jarausch 2008; Wirsching 2006) zu beginnen und mit der Situation in Österreich zu beenden. Die Grünen vertreten in ihrem Grundsatzprogramm die Idee, „basisdemokratisch, gewaltfrei, ökologisch, solidarisch, feministisch, selbstbestimmt“ zu sein, sehen also viele Aspekte, die heute unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ diskutiert werden, als ihr Aufgabengebiet bzw. als Grundwerte an (vgl. Die GRÜNEN 2001, S. 6ff). Die Geschichte der Grünbewegung beginnt mit verschiedensten Bür- ger/inneninitiativen und Persönlichkeiten, die diese gründeten, wieder verließen, sich gegen sie wendeten, eine andere Gruppe bildeten oder die politische Bühne wieder verließen. Auf einzelne Anliegen gerichtete „Issue-Gruppen“ (etwa die Aktivist/innen gegen das Atomkraftwerk in Zwentendorf) gehören dazu ebenso wie Menschen, die die Geschichte der Grünen über mehrere Jahre/Jahrzehnte begleiteten. Allgemein rekrutierten sich die Grünen aus den verschiedensten Lagern. Hervorgehend aus außerparlamentarischen Bewegungen mit Schwerpunkten in Umwelt-, Friedens-, Menschenrechts- und Frauenpolitik, die sich von den etablierten Parteien nicht vertreten fühlten, kann die Bewegung als Ausprägung neuer Mittel und sichtbarer Beweis politischer Partizipation gesehen werden, die auch auf dem Wertwandel inner74 halb der Gesellschaft gründet. Die Geschichte der Grünen ist die Geschichte außerparlamentarischer Bewegungen mit verschiedensten Themen. Aus den Hauptakteur/innen verschiedener Initiativen bildete sich ein Gruppenkern, um den sich in Deutschland das Bündnis 90/die Grünen und in Österreich „Die Grünen“ entwickelten. Manche, die sich zunächst nur für eine Initiative engagierten, wuchsen in den Kern der Grünbewegung hinein, andere wandten sich nach längerem Engagement ab. Anpassungsschleifen (vgl. 5.2.1) kennzeichnen die Entwicklung der Grünbewegung: Über lange Zeit werden gemeinsam Potential, Ressourcen und Beziehungen aufgebaut, einzelne Ereignisse bringen den Zyklus zum Kollabieren, einzelne Menschen scheiden aus der Bewegung aus, andere treten auf und bauen aus den „Trümmern“ neue, im Regelfall gestärkte Gruppierungen auf (vgl. 5.2.3). Heterogene Einstellungen und ein breites Spektrum an Themen kennzeichnen die Grünbewegung. Seit jeher wurde diese Pluralität nicht nur von außen, sondern auch innerhalb wahrgenommen. Die ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen Jutta Ditfurth beschreibt die Zusammensetzung der 1004 Delegierten, die sich am 12. und 13. Jänner 1980 in der Karlruhe Stadthalle zu ihrem Gründungsparteitag zusammenfinden: "Bäuerliche Bauplatzbesetzer vom Kaiserstuhl begegneten radikalen Feministinnen aus Köln. Militante Brokdorfdemonstranten aus Hamburg und Hessen diskutierten mit christlichen Pazifisten aus Bayern oder mit Vogelschützern aus Niedersachsen. Punks mit Schlipsträgern. Kommunisten mit Anthroposophen" (Ditfurth 2000, S. 325). Wahrscheinlich auch beeindruckt durch den untypischen Stil und den damals unüblichen Ablauf bundesdeutscher Grün-Parteitage beurteilen die Medien den Gründungskongress wenig schmeichelhaft (vgl. Leicht R./ Süddeutsche Zeitung vom 15. Jänner 1980). Nicht zuletzt die ideologische und habituelle Vielfalt der Kongressteilnehmer/innen hinterließ den Eindruck eines "zweitägigen Satzungs-Tohuwabohu" (SPIEGEL 1980, S. 26) und deshalb sagte der Spiegel der neu gegründeten Partei wenig Dauerhaftigkeit voraus, weil sie "gar zu bunt (sei), (…) als dass sie auf längere Sicht Bestand haben dürfte" (SPIEGEL 1980, S. 26). Im Sinne eines länger dauernden Bestandes schien die Grünbewegung zum damaligen Zeitpunkt wenig nachhaltig 75 zu sein (zumal der Begriff der Nachhaltigkeit zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in der heutigen Begrifflichkeit verwendet wurde). Tatsächlich waren die verschiedenen Entwicklungen von der Bürger/innen- und Basisinitiativen bis zum Gründungskongress der Grünen in Karlsruhe nicht geradlinig und keinesfalls voraussehbar verlaufen (vgl. Nishida 2005, S. 44ff, vgl. dazu auch S. 377). In den 1960er Jahren entstand in den USA, Frankreich und Deutschland eine soziale Bewegung (vgl. Kempton et al. 2001, S. 557), die 1968 in der größten Protestmobilmachung in der Nachkriegsgeschichte gipfelte. Neue politische Akteur/innen betraten die politische Bühne, das Repräsentationsmonopol des bestehenden Parteiensystems wurde von außerparlamentarischen Gruppen und Bewegungen in Frage gestellt, wobei die Bewegungen zwar je eine eigene Selbstwahrnehmung und Selbstkonstitution aufweisen, „ihre Wertbezüge, Aktionsformen, Mobilisierungsstrategien und Erfolge zeigen aber Gemeinsamkeiten, die jenseits nationaler Besonderheiten allgemeine Eigenschaften der Bewegung deutlich werden lassen“ (Gilcher-Holtey 2008, S. 15). Mit anderen Worten begann sich zu dieser Zeit eine grundlegende gemeinsame Idee (vgl. 5.6.1) herauszubilden, die die Basis für die gemeinsame Weiterentwicklung der Grünbewegung bildete. 1968 als Studentenbewegung beginnend (vgl. Frei 2008) festigte sich die Alternativbewegung in den bundesdeutschen Groß- und Universitätsstädten (vgl. Huber 1980). In den 1970er Jahren wurden überall Bürger/inneninitiativen gegründet, in welchen sich bis dahin meist unpolitische Aktivist/innen der Aufdeckung konkreter Missstände und der Verfolgung regionaler und lokaler Interessen zum Erhalt der persönlichen Lebensqualität verschrieben (vgl. Mayer-Tasch 1985, S. 233). Die Bevölkerung wurde durch ein breites Netzwerk an Medien über die „alternative Wahrheit“ informiert und so eine Gegenöffentlichkeit als Ausgleich zur herrschenden Allgemeinmeinung geschaffen; so zum Beispiel die TAZ, die Tageszeitung, als bundesweites Organ der Linken (vgl. Flieger 1998; Magenau 2007). Die ökologisch orientierten Bürger/inneninitiativen fanden sich im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) zusammen, der wiederum mit dem 1975 gegründeten Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) zusammenarbeitete. Durch die Vernetzungen und Verschmelzungen konnten die unterschiedlichen Gruppen und Orga76 nisationen nicht mehr voneinander unterschieden werden. Bestanden zuvor parallel nebeneinander Netzwerke aus ursprünglichen Bürger/inneninitiativen, einzelnen Aktivist/innen, die in spezifischen Gruppen der „Neuen Sozialen Bewegung“ verankert waren oder aber auch auf eigene Faust agierten, ideologischen Produkten der 68erBewegung wie der Hamburger Kommunistische Bund (KB) (vgl. Koenen 2002; Kühn 2005) oder aus der Alternativbewegung hervorgegangenen „Spontis“ wie Joseph Fischer und Daniel Cohn-Bendit (vgl. Kraushaar 2004), so begannen alle diese Gruppierungen sich aufeinanderzu zu entwickeln bzw. ihre Gemeinsamkeiten auszuloten. Es wird deutlich, dass sich hier eine Art von „Gruppenkern“, eine gemeinsame Idee formierte, um den sich die übrigen Gruppierungen, trotz verschiedener Interessen und Themen (Issues) zu bewegen begannen (vgl. 5.6.2). Der Transformationsprozess der Grünen weicht daher von der Entwicklung etablierter Parteien stark ab. Im Bereich des Gruppenkerns etablierten sich Aktivisten wie Rudi Dutschke, der in der zweiten Hälfte der 70er Jahre Interesse für die ökologischen Belange entwickelte und Mitglied der Bremer Grünen wurde; oder der Künstler Joseph Beuys. Er hatte wesentlichen Einfluss auf die Begründung der Grünen Idee in Deutschland und könnte sogar als deren Gründervater bezeichnet werden. Joseph Beuys gründete 1967 die Deutsche Studenten Partei (DSP). In der vom zweiten Vorsitzenden Johannes Stüttgen 1967 verfassten Charta werden wesentliche Grundsätze der späteren Grünbewegung vorweg genommen. 1976 wendet sich Beuys endgültig der Politik zu und kandidiert als Spitzenkandidat der „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“, einer nationalkonservativern Partei mit stark rechtem Gedankengut, die sich der herrschenden ökologischen Strömung anschloss. Sie verstand sich als „Deutschlands erste Umweltschutzpartei“ (Ermen 2007, S. 120). Als endgültiger Durchbruch der Grün-Bewegung in Deutschland kann die Bewegung um den Bau des Atomkraftwerkes Brokdorf angesehen werden. Im November 1976 fanden gegen den Bau des AKW Demonstrationen statt, die zu einem Baustopp führten. 1979 stieß Petra Kelly neu zum Gruppenkern. Sie trat aus der SPD aus und bemängelt in einem offenen Brief an Kanzler Helmut Schmidt die „unehrliche und gefährliche Atompolitik“ der SPD. Gemeinsam mit anderen Grünen Listen gründeten die „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ (AUD) (vgl. Stöss 1980) um August Haußleiter und Joseph Beuys und der „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz“ um Petra Kelly im März 1979 für die bevorstehende Europawahl die politische Vereinigung „Sonstige 77 Politische Vereinigungen DIE GRÜNEN“ (SVP). 1983 zogen die Grünen mit 27 Abgeordneten in den Deutschen Bundestag ein (vgl. Der Bundeswahlleiter 1983). 1985 wurde Joschka Fischer in Hessen Umweltminister einer rot-grünen Koalition. 1990 fusionierten die Grünen mit der 1989 gegründeten „Grüne Partei der DDR“, 1993 vereinigten sich Bündnis 90 und Die Grünen zu „Bündnis 90/Die Grünen“ und errangen bei der Bundestagswahl 1994 mit 7,3 Prozent 49 Mandate im Bundestag.1998 und 2002 kam es zu einer rot-grünen Regierungskoalition auf Bundesebene mit Jürgen Trittin als Bundesumweltminister und Joschka Fischer als Bundesaußenminister. Bei der Bundestagswahl 2005 verloren die Grünen Stimmen und die Regierungsbeteiligung (vgl. Der Bundeswahlleiter 2005). Seit der Bundestagswahl 2013 sind die Grünen mit 63 Abgeordneten im Deutschen Bundestag neben der Linksfraktion kleinste Oppositionspartei. 3.3.3.2 Die Geschichte der „Grünen“ in Österreich Die Geschichte der österreichischen Grünen ist die Geschichte einer Handvoll Akteur/innen, die aus verschiedenen Lagern und Denkrichtungen kommen. Der Gründung der österreichischen Grünen 1986 gingen verschiedene Bür- ger/inneninitiativen voraus: Gegen die Rodung des Sternwarteparkes, gegen das AKW Zwentendorf 1978 und gegen die Errichtung des KW Hainburg 1984. Beide Initiativen kamen nicht aus dem linksalternativen Lager, sondern wurden auch von Bürgerlichen, Katholik/innen, ÖVP-Wähler/innen und sogar von Freiheitlichen unterstützt. Aber auch in anderen Bundesländern etablierten sich grüne Bürger/innenbewegungen, die in der Folge zu grünorientierten Listen führten (vgl. Pruckner 2005, S. 23). Ganz reibungslos ging die Entwicklung der GRÜN-Bewegung nicht vonstatten. So spaltete sich in der Folge die „Alternative Liste Österreichs“ ALÖ in die gemäßigtere „Bürgerinitiative Parlament“ und in die radikalere „GrünAlternative Sammlung“ GRAS. Bei der Bundespräsidentenwahl 1986 konnte Freda Meisner-Blau mit 5,5% einen Achtungserfolg erzielen und im gleichen Jahr mit der von ihr gegründeten „Grüne Alternative – Liste Freda Meisner-Blau“ mit 4,82% bzw. acht Abgeordneten in den Nationalrat einziehen. Dennoch kam es immer wieder zu innerparteilichen Reibereien. 1987 fand in Klagenfurt der Gründungsparteitag der „Grünen Alternativen“ statt (vgl. Pruckner 2005, S. 40). Ausgehend von einer Protestpartei hat sich die Partei in der 78 österreichischen Politiklandschaft etabliert. 1994 erreichten die Grünen bei den Landtagswahlen in Tirol 10,68% und stellten mit Eva Lichtenberger die erste grüne Landesrätin in Österreich (vgl. Land Tirol 1994). Sie wurde mit den Umweltagenden betraut. 2003 zog Rudi Anschober als Landesrat in die oberösterreichische Landesregierung ein (vgl. Anschober 2004). Die GRÜNEN erreichten 2006 bei den österreichischen Nationalratswahlen bei den städtischen Wähler/innen einen Stimmenanteil von 16%, 19% bei Jungwähler/innen und 12% bei Wählerinnen gegenüber 8% bei den Männern (vgl. Der Standard vom 2. 10. 2006, S. 8). Bei den Nationalratswahlen 2013 konnten die GRÜNEN 12,4% bzw. 24 Mandate erringen (vgl. BMI 2013). Die Wählerschaft der Grünen lässt sich relativ scharf eingrenzen. Aktivist/innen rekrutierten sich ursprünglich aus den meist linken etablierten Parteien. Und auch heute haben Mitglieder und Wähler/innen der deutschen (und wohl auch der österreichischen) Grünen eine relativ homogene Wertebasis gemein – sie teilen eine gemeinsame Idee: 25% aller Wahlberechtigten mit „postmateriellem“ Hintergrund nach dem Inglehart-Index (Vgl. 9.1.1) fühlen ihre persönlichen Interessen am ehesten durch die Grünen vertreten (vgl. Bürklin & Klein 1998). „Sowohl Postmaterialismus als auch hohe formale Bildung stehen (…) in einem deutlichen Zusammenhang zur Wahl der Grünen“ (vgl. Klein & Arzheimer 1997, S. 670). Die Grünen sprechen vor allem ein jüngeres, weibliches und urbanes Publikum an. Insgesamt bilden die Grünen damit eine große Nachhaltigkeitsgruppierung mit vielen kleinen Untergruppen auf lokaler und regionaler Ebne, die als die Ur-Gruppen im Nachhaltigkeitsbereich gelten können. Einer genaueren Fassung des Begriffes geht das folgende Kapitel nach. 3.3.4 Definition des Begriffes „Nachhaltigkeitsgruppen“ Nachhaltigkeitsgruppen lassen sich ebensowenig wie umweltorientierte Gruppierungen anhand genau definierbarer Charakteristika fassen – „(t)he environmental sector includes groups with moderate goals working on specific resource management issues and radical groups advocating fundamental changes in production and consumption patterns. Groups that have been in existence for over one hundred years find themselves in competition with neighborhood activists with little or no prior involvement in politics or social movements. Not sur- 79 prisingly, organizational structure is similarly diverse“ (An- drews; Edwards 2005, S. 215). Es muss davon ausgegangen werden, dass jede Gruppe, die sich selbst als Nachhaltigkeitsgruppe sieht bzw. von außen als solche wahrgenommen wird (vgl. Tajfel 1982, S. 102) auch als Nachhaltigkeitsgruppe zu bezeichnen ist. Dass sich die Gruppe selbst als Nachhaltigkeitsgruppe begreift, ist jedenfalls eine notwendige Bedingung, sie ist jedoch nicht hinreichend im Sinne der vorliegenden Arbeit (vgl. Kempton et al. 2001, S. 561). Es bedarf also weiterer Einschränkungen: Im Prinzip beschäftigt sich jede beliebige Gruppe in irgendeiner Weise mit nachhaltiger Entwicklung im weitesten Sinne – und sei es nur durch Förderung der Anzahl und der Dauer der Gruppenzugehörigkeit der eigenen Mitglieder. Man könnte daher jede Gruppe, die auf Dauer angelegt ist, als „nachhaltige“ Gruppe bezeichnen. Auch diese Auffassung ist aus der Sicht der vorliegenden Arbeit zu weit. Denn diese Definition konzentriert sich auf die Eigenschaften und Merkmale der Gruppe und nicht auf deren Ideen, Interessen und Inhalte (vgl. 5.5). Genau darauf fokussiert der hier verfolgte Ansatz: Eine Nachhaltigkeitsgruppe verfolgt per definitionem ein Ziel, ein Interesse oder widmet sich Inhalten, die mit der Idee nachhaltiger Entwicklung in Einklang stehen. Damit wären neben ausschließlich auf ökologische Anliegen ausgerichteten Gruppen auch Organisationen wie das Rote Kreuz oder die Hospizbewegung als Nachhaltigkeitsgruppen zu bezeichnen, die rein auf soziale Anliegen gerichtet sind. Hier erfolgt die letzte und wesentliche Einschränkung, die für die vorliegende Arbeit vorgenommen wird: Aus der Sicht von Nachhaltigkeitsgruppen ist die ökologische Nachhaltigkeit ein zentrales Thema (vgl. Kempton et al. 2001, S. 561). Sehr viele dieser Gruppierungen sind aus den Umweltaktivist/innen der 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts hervorgegangen. Daher sind ihnen Umweltschutz und Verbesserung der ökologischen Situation nach wie vor ein Anliegen. Hieraus entstehen die wesentlichen Themen bzw. die Kerninteressen von Nachhaltigkeitsgruppen. Der Begriff „Nachhaltigkeitsgruppe“ wird allerdings nicht für Gruppen verwendet, die sich nur einer oder maximal zwei Säulen der Nachhaltigkeit widmen, sondern auf jene Gruppen beschränkt, die sich explizit und intensiv mit der Verfolgung der Anliegen 80 von nachhaltiger Entwicklung in Übereinstimmung mit dem Drei-Säulen-Modell bzw. der Brundtland-Definition auseinandersetzen, vgl. dazu die in 3.1.6 referierten Aussagen der Interviewpartner/innen der in der vorliegenden Arbeit durchgeführten empirischen Studie: Auch sie sehen in der Regel soziale und ökologischen Belange als wichtig an; die ökonomischen Aspekte werden hier meist außen vorgelassen. Doch nicht nur die verfolgten Inhalte bestimmen das Wesen von Nachhaltigkeitsgruppen, auch die Art und Weise, in der gearbeitet wird. Die Arbeitsweisen von Nachhaltigkeitsgruppen lassen sich dabei mit Desai und Saud (vgl. Desai & Said 2001, S. 74) unterteilen in „Informieren/Bilden“, „eine Lobby bilden“, „Mobilisieren“, „Unterstützen“ oder „Unruhe stiften/Zelebrieren“. Daraus ergeben sich die Positionen AntagonistIn, UnterstützerIn, ReformerIn oder AlternativeR. Eine ähnliche Unterscheidung trifft Kuhn, der je nach Instrumentarium, mithilfe dessen die Nachhaltigkeitsgruppen versuchen, ihre Anliegen umzusetzen, unterscheidet in Themenanwälte, Dienstleister und epistemische Gruppen (vgl. Kuhn 2005, S. 86). Neben den Inhalten und der Arbeitsweise bestimmen formale Charakteristika das Erscheinungsbild von Nachhaltigkeitsgruppen. Nachhaltigkeitsgruppen weisen meist formalen Charakter auf, da meist konkrete Ziele verfolgt werden, oft eine Formalisierung etwa in Form eines Vereins oder einer politischen Partei vorliegt und gewisse Regeln der Zusammenarbeit definiert sind. Aus der Sicht der Gruppentheorie sind Nachhaltigkeitsgruppen damit in der Regel sekundäre, auf Dauer angelegte und eher kleine Gruppen. Daher weisen sie nicht die Charakteristika von Teams auf, da sie auf Dauer angelegt sind und nicht nach Beendigung einer Aufgabe wieder aufgelöst werden. Die beiden letzten Charakteristika gelten nur teilweise für rein auf einen Anlass bezogene Gruppen („Issue-Gruppen“, vgl. 5.6.2): Diese können sich durchaus spontan bilden, um ein bestimmtes Thema zu bearbeiten und sich danach wieder aufzulösen. Sie können daher durchaus Teamcharakteristika aufweisen. Diese Teams arbeiten in der Regel auch sehr wenig formalisiert. Allerdings sind Issuegroups meist nicht auf dauerhaften Bestand ausgerichtet und weisen daher eines der oben beschriebenen notwendigen Charakteristika einer Nachhaltigkeitsgruppe nicht auf. Sie werden daher in der vorliegenden Arbeit nur insoweit mitbehandelt, als sie als Untergruppen von Nachhaltigkeitsgruppen gesehen werden. (vgl. Gane 2001, S. 268ff) 81 3.3.5 Mögliche reale Typen von Nachhaltigkeitsgruppen Wie eben dargestellt, kann man Gruppen als Nachhaltigkeitsgruppen definieren, wenn sie sich mit einem sozialen, ökologischen und ökonomischen Anliegen auseinandersetzen. Geschieht dies nur auf Zeit, und fühlen sie sich einer übergeordneten Gruppe zugehörig, werden sie im Weiteren Issue-Gruppen genannt (vgl. 3.3.4.). Anderseits gibt es Non Governmental Organizations (NGOs), die über eine reine Gruppe zu einer Form der permanenten Organisation angewachsen sind. Zwischen diesen beiden Extremen liegen dann Nachhaltigkeitsgruppen im weitesten Sinne, die sich aus (gemeinde)politischen Gruppierungen, Bürgerinitiativen, die sich im Zeitablauf verselbständigen, Agenda 21-Gruppen und ähnlichen rekrutieren. Mehrere Jahrzehnte lang wurden Nachhaltigkeitsgruppen unter dem Begriff „Neue soziale Bewegung“ subsumiert (vgl. Dalton; Kuecheler 1990; Roth; Rucht 2008). Darunter versteht man „ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mittels öffentliche Proteste herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen“ (Neidhardt; Rucht 1991, S. 450). Darunter fasste man unterschiedliche Initiativen wie die Umwelt-, die Anti-AKW-, die Frauen- und die Dritte-Welt-Bewegung mit Hausbesetzer/innen oder Friedensaktivist/innen zusammen (vgl. Raschke 1991). Mit der Nachhaltigkeitstagung 1992 in Rio änderte sich die Einstellung gegenüber diesen an Nachhaltigkeitsanliegen orientierten Gruppen. Sie wurden nicht mehr als störend oder illegitim empfunden, sondern ihre ganz spezielle Leistung wurde fortan besser gewürdigt. Im Nachfolgenden werden zwei wesentliche Unterformen von Nachhaltigkeitsgruppen kurz dargestellt. 3.3.5.1 Lokale Agenda 21 Gruppen Eine Form der Nachhaltigkeitsgruppe auf Gemeinde- oder zumindest regionaler Ebene sind die so genannten Lokale Agenda 21 Gruppen. Die Agenda 21 ist eines der Abschlussdokumente der UN Nachhaltigkeitstagung 1992 in Rio de Janeiro (vgl. 3.1.2). Zur deren operativer Umsetzung wurden in vielen Regionen bewusst Initiativen in Gang gesetzt, die auf unmittelbare Demokratie setzen und versuchen, die Meinung der aktiven Bevölkerung als Informationsquelle heranzuziehen. An dieser 82 Stelle interessieren vor allem Struktur- und Prozessmerkmale von Lokale Agenda 21 Gruppen. Empirische Befunde hierzu sind allerdings rar. Soziale, persönliche und demokratische Kompetenzsteigerung wurden kaum wissenschaftlich-repräsentativ überprüft (vgl. Gansen, Anton, & Hoffmann 2001, S. 19–23) Der Erfolg von Lokale Agenda 21 Gruppen hängt vor allem ab vom Willen bzw. der Bereitschaft der politischen Entscheidungsträger/innen, bürgerschaftliches Engagement zuzulassen. LA21-Gruppen werden oft politisch marginalisiert und vom kulturellen, politischen und institutionellen Umfeld beeinflusst (vgl. Coenen, Huitema, & O’Toole 1998, S. 317). Essentielles Kennzeichen von Lokale Agenda 21 Gruppen ist die geringe Bereitschaft der Bevölkerung sich einzubringen. Es scheint so zu sein, dass die Menschen nicht bereit sind, sich für andere zu engagieren, denn maximal 1% der Bevölkerung ist willens, sich auf diese Gruppen einzulassen, meist viel weniger (vgl. Wolf 2005, S. 223). Dazu kommt, dass die Auswahl der Teilnehmer/innen selbstselektiv ist, es kommen also nur diejenigen, die wirklich selber wollen, nicht unbedingt die, die am besten geeignet und/oder kompetentesten sind. In aller Regel finden sich neben den „üblichen Verdächtigen“, also Initiator/innen von Bürgerinitiativen oder ähnlichem, nur Menschen, die ein eigenes, persönliches Anliegen verfolgen wollen, sich für konkrete „Issues“ einsetzen, die „sich sichtbar auf ihre aktuelle Lebenssituation auswirkten“ (Geißel 2007, S. 33). Wenn ihre Anliegen erreicht sind bzw. ihre Anliegen in der Gruppe keine Beachtung mehr finden, ist die Bereitschaft gering, sich weiter zu engagieren (vgl. 5.6.2) Insgesamt nehmen an konkreten Projekten mit geringer Komplexität und übersichtlichen Lösungsanforderungen eher Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten teil, weil die persönliche Betroffenheit größer ist (vgl. Geißel 2007, S. 33). An abstrakten und komplexen Projekten nehmen überwiegend Menschen aus der „gebildeten Bewegungselite“ teil (Geißel 2007, S. 492). Die Persönlichkeitsstruktur der Akteur/innen ist damit ein wesentliches Einflusskriterium auf den Erfolg von Lokale Agenda 21 Gruppen (vgl. Coenen et al. 1998, S. 317): „‚Soft skills’ wie die Fähigkeit zum Zuhören oder zur Kommunikation sowie die Lernbereitschaft bei allen Akteuren erwiesen sich ebenso als günstige Faktoren wie Offenheit, Fairness und Transparenz. Große Macht- und Ressourcenunter83 schiede machten Kommunikation und Kooperation dagegen unwahrscheinlich. Diese Ergebnisse (…) gelten für alle sozialen Kommunikationsprozesse“ (Geißel 2007, S. 34). Ein weiteres wichtiges Kennzeichen von Lokale Agenda 21 Gruppen ist eine hohe Kompatibilität der Wert- und der persönlichen Zielstruktur der einzelnen Akteur/innen – sie sehen sich also im weitesten Sinne einem gemeinsamen Ideal verpflichtet, was die Prozesse innerhalb der Gruppe vereinfacht und ihre Wirksamkeit nach außen erhöht. Gemeindezentrierte Initiativen unterscheiden sich wesentlich von nationalen und internationalen NGOs. Ihr Aktionsradius beschränkt sich auf lokale Aktivitäten, sie tendieren dazu, ohne groß angelegte strategische Konzepte und eher ad-hoc vorzugehen. Die Sprache der Agenda 21 Aktivist/innen ist eher umgangssprachlich und einfach (vgl. Geißel 2007, S. 32). Als weitere Kennzeichen von Lokale Agenda 21 Gruppen werden genannt „die Entwicklung und Stabilisierung der Gruppe, die Etablierung neuer Beziehungen zwischen den lokalen ‚Authorities’ und der ‚Community’, Weiterbildung und Beratung, Wissensvernetzung, Steigerung des öffentlichen Bewusstseins oder Empowerment“ (Geißel 2006, S.58). Doch auch wenn Lokale Agenda 21 Gruppen in der Theorie gut erfasst sind, haben sie in der Praxis nicht die Bedeutung erlangt, die ihnen in der Agenda 21 beigemessen wurde. 3.3.5.2 Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organizations NGOs) In den letzten Jahrzehnten haben nicht-staatliche Institutionen vermehrt an Bedeutung gewonnen, in denen sich Individuen freiwillig zur Wahrnehmung „gleicher oder/und komplementärer Interessen (ökonomischer, politischer, sozio-kultureller Art)“ (Brunken 1977, S. 4) zusammenschließen, die sie für von den Regierungen als nicht oder zu wenig beachtet ansehen. NGOs werden im deutschen Sprachgebrauch auch als Dritter Sektor bezeichnet (vgl. Horn 2007, S. 39); man spricht auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen (vgl. Kuhn 2005, S. 79). Sie setzen sich in der Regel für soziale (Menschenrechte, Ent84 wicklungshilfe, Sozialhilfe) und/oder ökologische Anliegen auf nationalem oder internationalem Niveau ein. Der Gründung von NGO´s geht oft die Überlegung voraus, dass „zahlreiche Interessen nur im geordneten und dauernden Zusammenwirken befriedigt werden können bzw. besser befriedigt werden können als durch individuelles Handeln“ (Habscheid 1962, S. 29). Daneben ist die Steigerung des Selbstbewusstseins und der Kompetenzen der Bevölkerung („Empowerment“) ein wesentliches Ziel von NGOs. Es gibt verschiedene Merkmale, die für die meisten NGOs kennzeichnend sind. So verfolgen die darin organisierten Bürger/innen gleiche Interessen im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel bzw. Ideal. Der Anspruch der NGOs ist es dabei, engagierte, kompetente Menschen außerhalb des politischen Regimes, quasi in der „Zivilgesellschaft“ zu vertreten. Im Gegensatz zu den meisten kleineren Initiativen auf lokaler Ebene werden NGOs meistens national oder gar international tätig. Zusammenfassend stellt Willetts fest, dass „jede nicht gewinnorientierte, gewaltfreie, organisierte Gruppe von Menschen, die keine Regierungsfunktion anstrebt“ als NGO bezeichnet werden kann (vgl. Willetts 1996, S. 6) und Lador-Lederer meint dazu, dass „NGOs nicht staatlich, nicht gewinnorientiert, nicht uninational sind“ (kursiv im Original) (vgl. Lador-Lederer 1963, S. 60). NGOs können relativ klein und auf sehr enge Themen ausgerichtet sein. Vielfach aber sind sie sehr groß und oft international vernetzt. Bekannte NGOs sind in einer willkürlichen Auswahl: der WWF World Wide Fund For Nature, 1961 in der Schweiz gegründet. Er will der weltweiten Naturzerstörung Einhalt gebieten und eine Zukunft gestalten, in der Mensch und Natur in Harmonie leben. Der WWF hat das Ziel, die biologische Vielfalt der Erde zu bewahren, die naturverträgliche Nutzung erneuerbarer Ressourcen voranzutreiben, und Umweltverschmutzung und die Verschwendung von Naturgütern zu verhindern (vgl. WWF 2010). Greenpeace, 1971 in Vancouver gegründet. Greenpeace setzt sich besonders gegen Kernwaffentests und Walfang ein. Daneben kämpft Greenpeace gegen Überfischung, die globale Erwärmung, die Zerstörung der Urwälder und die Gentechnik (vgl. Greenpeace 2010). Global 2000, 1982 in Wien gegründet. Global 2000 ist eine österreichische Organisation mit Kampagnenschwerpunkten in den Bereichen Atomenergie, Ener85 gie, Gentechnik, globale Erwärmung, Pestizide, Regenwald und Verkehr (vgl. Global 2000 2010). Im Vergleich zu lokalen Nachhaltigkeitsgruppen verfügen nationale und internationale NGOs über größere finanzielle Ressourcen und auch über mehr Medienpräsenz (vgl. Kempton et al. 2001, S. 559). Das verleiht ihnen in den Augen der Bevölkerung mehr Gewicht und mehr Akzeptanz. Man traut ihnen fachliche Kompetenz und effektives Handeln zu. Meist prägen wegen des geringen Formalisierungsgrades einzelne Personen und deren Umfeld den zivilgesellschaftlichen Raum (vgl. Kuhn 2005, S. 86). Doch NGOs weisen in der Regel feste Strukturen auf und sind mithin eher formalisiert als Bürger/inneninitiativen oder Lokale Agenda 21 Gruppen. Daher sind sie Unternehmen ähnlicher als anderen Nachhaltigkeitsgruppen. Die meisten NGOs verfügen über ein durchdachtes Ziel- und Strategiesystem und werden nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt. NGOs entwickeln, ähnlich wie Unternehmen, eine eigene Organisationskultur. Die von den NGOs gesprochene Sprache ist durch ein hohes Niveau und die Verwendung vieler spezifischer Fachtermini gekennzeichnet. Im Gegensatz zu Unternehmen verfügen sie aber über demokratisch gewählte Vorstände und sind in aller Regel nicht gewinnorientiert. Haupteinnahmequellen sind neben den Mitgliedsbeiträgen vor allem auch Spenden, die Erlöse aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen sowie staatliche Zuwendungen. Einnahmeüberschüsse werden zur Erreichung ihrer sozialen und/oder ökologischen Ziele verwendet. Zu bestimmten Anlässen können auch als Organisationen aufgestellte NGOs wieder Teil sozialer Bewegungen werden, etwa bei Nachhaltigkeitskongressen oder am Rande von weltpolitischen Treffen. In NGOs arbeiten viele freiwillige Mitarbeiter/innen, als operative Helfer/innen im Rahmen einzelner Initiativen oder auch als ehrenamtliche Vorstände, die für zentrale Strukturentscheidungen verantwortlich sind. Insgesamt wird deren Bedeutung in der Alltagspraxis von Nonprofitorganisationen manchmal durchaus überschätzt (vgl. Bode & Frantz 2008, S. 172). Daneben arbeiten oft auch geschulte hauptamtliche Mitarbeiter/innen mit. Diese müssen in der Regel über spezielle Kompetenzen verfügen wie Fachkompetenz und praktische Erfahrung, eine gefestigte Persönlichkeit und Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen (vgl. Frantz 2005, S. 225). Inte86 ressantes Merkmal von insititutionalisierten NGOs ist es auch, dass „partizipatorische Verfahren der Meinungs- und Entscheidungsfindung zurück(gefahren) und (…) damit eine (temporäre) Verletzung zivilgesellschaftlich gewachsener Grundsätze in Kauf (genommen wird)“ (Bode; Frantz 2008, S. 174, 177). Da auch vermehrt Spezialist/innen für bestimmte Tätigkeiten benötigt werden, muss man teilweise auf Expert/innen zurückgreifen, die sich nicht oder nur teilweise mit den Idealen bzw. Zielen der NGOs identifizieren (vgl. Bode & Frantz 2008, S. 178). Dieses Merkmal unterscheidet NGOs grundlegend von anderen Nachhaltigkeitsgruppen. Dennoch leben die NGOs, die meist keine hohen Gehälter und keine langfristigen Perspektiven (z. B. durch befristete Verträge) bieten können, in erster Linie vom Commitment und der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter/innen (vgl. Bode & Frantz 2008, S. 179). NGOs sprengen den in der vorliegenden Arbeit betrachteten Rahmen beinahe und werden nur am Rande in die Betrachtung mit einbezogen, und zwar vor allem im Hinblick auf freiwillige Mitarbeiter/innen. 3.3.6 Im Rahmen der empirischen Erhebung identifizierte Nachhaltig- keitsgruppen 3.3.6.1 Identifizierte Arten von Nachhaltigkeitsgruppen Im Rahmen der empirischen Untersuchung in dieser Arbeit wurden acht Interviews durchgeführt, die eine ganze Reihe von Typen von Nachhaltigkeitsgruppen zu Tage gefördert haben. So konnte in Tirol eine „typische“ (Grüne) Gemeinderatsgruppe identifiziert werden, die durch eine demokratische Wahl legitimiert ist. Allerdings gehören nur zwei der Gruppenmitglieder tatsächlich dem Gemeinderat an; die übrigen Gruppenmitglieder üben unterstützende Tätigkeiten aus. Rund um diesen parteinahen Gruppenkern gibt es immer wieder kurzfristig themenbezogene Anlassgruppen, in die sich Menschen einbringen, die sich von ihrem Engagement einen persönlichen Nutzen erwarten. Nach Beendigung des Engagements für den jeweiligen Anlass verlassen sie die Gruppe wieder (Anna). Weit breiter gestreut ist das Spektrum der in Berlin identifizierten Gruppen. Hier haben sich einige der Befragten schon während ihrer Studienzeit für studentische Initiativen engagiert; meist in Form einer Beteiligung an der Organisation von Vortragsreihen, wobei an der Organisation meist mehrere Personen beteiligt waren (Roman, 87 Heinrich, Sophie). In manchen Fällen wurden auch so genannte Stammtische organisiert, bei denen teilweise Impulsreferate stattgefunden haben, teilweise aber die Treffen auch ohne besonderen Inhalt vonstatten gingen, was meist aber nach einiger Zeit zu einer Auflösung der Gruppen geführt hat (Heinrich). Sodann fand sich ein vom Deutschen Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, also nicht bottom-up, sondern top-down initiiertes Projekt, in dessen Rahmen an mehreren Orten in Deutschland über einige Zeit Freiwillige daran arbeiteten, Konzepte zu entwickeln, wie Nachhaltigkeit lebbar gemacht werden kann, und für den Rat der Sachverständigen neue innovative Veranstaltungskonzepte zur Nachhaltigkeitskommunikation für Student/innen zu schaffen. Dabei ging es nicht nur um Unterrichstformate, sondern um verschiedene Arten von Events für Nachhaltigkeitskommunikation. In einer Reihe von selbst-initiierten Workshops, Onlinekonferenzen, gemeinsamen webbasierten Diskussionsforen und Plattformen sowie einer großen Konferenz arbeiteten vor allem Student/innen in dieser Gruppe mit. Diese Gruppe ist keine typische Nachhaltigkeitgruppe in dem Sinne, dass sie auf Dauer angelegt war, denn nach Abarbeitung des Auftrages hat sie sich aufgelöst (Jasmin). Ein davon völlig unterschiedliches Projekt sind die so genannten „Social Bars“ (Sophie), eine Initiative, bei der es um das Thema Social Media und Zivilgesellschaft geht, konkret um die Fage: Was bedeutet die Entwicklung von Social Media für zivilgesellschaftliche Organisationen? Dabei geht es neben dem Erlernen der Anwendung neuer Medien vor allem um die Wandlung von Organisationsstrukturen zu offeneren und transparenteren Strukturen und damit darum, in die Organisation einen Kulturwandel hineinzubringen. „Social Bar“ will die Organisationen dabei in einem offenen Dialog begleiten und fördern. Damit kann man „Social Bar“ auch als „Meta Nachhaltigkeitsgruppe“ bezeichnen, die andere Nachhaltigkeitsgruppen in ihrem Wirken unterstützen will. Der Austausch erfolgt aber auf einer relativ informellen Basis; es gibt zwar monatliche Veranstaltungen, die Teilnahme erfolgt aber ohne Verpflichtung oder Mitgliedschaft, und sehr vieles wird auch online kommuniziert. Bei den „Social Bars“ handelt es sich um eine Mischung aus bottom-up und top-down gegründeten Gruppen. Denn nachdem sich die erste „Social Bar“ in Berlin gegründet hatte, wurde das Konzept nach deren Vorbild auf andere deutsche und europäische Städte mit mehr oder weniger großem Erfolg übertragen. Die Intitiative zur Übertra88 gung ging immer von lokalen Akteur/innen in den jeweiligen Städten aus, doch wurde von seiten der „Social Bar“ versucht, das Konzept relativ durchgängig einzuführen (Sophie). Es gibt auch weitere Initiativen, die von NGOs getrieben werden, im Rahmen der durchgeführten Untersuchung wurde aber keine explizite NGO identifiziert, die sich selbst als Nachhaltigkeitsgruppe bezeichnet. Zu nennen ist ein Projekt der internationalen NGO „Ashoka“, in dessen Rahmen im mit Migrationsproblemen kämpfenden Berliner Stadtteil Neukölln Jugendliche angeregt werden, sich für politische Anliegen zu interessieren (Amanda). Bei guten Projektideen wird hier sogar finanzielle Unterstützung geboten. Eine weitere interessante Initiative ist das Projekt „Arbeiterkind“, in dessen Rahmen junge Menschen aus einfachen Verhältnissen von Studierenden oder jungen Absolvent/innen dabei unterstützt werden, einen höheren Bildungsweg einzuschlagen, und zwar nicht nur finanziell, sondern vor allem durch gezieltes Coaching (Amanda). Nur bottom up funktioniert die Initiative „3+x“ (Sophie), die sich aus dem gemeinsamen Engagement von drei befreundeten jungen Menschen entwickelt hat. „3+x“ steht programmatisch dafür, dass basierend auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit immer wieder kleine und größere Aktionen durchgeführt werden. Das können einerseits Vorträge oder Diskussionsforen zu verschiedenen Themen sein, aber durchaus auch Protestaktionen, Flashmobs oder Ähnliches. „3+x“ steht aber auch dafür, dass die drei ursprünglichen Gruppenmitglieder immer wieder mit einem oder mehreren anderen zusammenarbeiten, um ein neues Projekt auf die Beine zu stellen, bei dem auch immer wieder unterschiedliche Menschen beteiligt sind. Damit erhält diese Gruppierung einen sehr dynamischen Charakter, wobei das Dreierteam die wesentliche Konstante ist, um die die anderen Personen und Aktivitäten angeordnet sind. Die Impulse zu den Aktivitäten gehen in der Regel von den drei Kernpersonen aus (Paula). Auf Dauer angelegt ist auch eine Gruppierung von Studierenden der Umweltpsychologie, die eine Reihe von Verantaltungen und Projekten organisieren, etwa eine Initiative zum Energiesparen, innerhalb derer sich Studierende bemühten für Privatpersonen und –haushalte aus bildungsfernen Schichten Energiesparkonzepte auszuarbeiten (Roman). Ein weiteres Projekt dieser Gruppierung war es, auf dem Dach der Freien Universität Berlin eine durch „crowdfunding“ (also durch bei der Bevölkerung 89 gesammelte Kleinanleihen) finanzierte Photovoltaikanlage zu errichten. Dazu wurden Mikrodarlehen (ab 250 Euro) von Privatpersonen aufgenommen, die ihr Geld über einen Zeitraum von 20 Jahren investiert lassen und danach mit einem Profit rechnen dürfen. Mit dem so lukrierten Geld wurde in Kooperation mit einem Solarinvestitionsunternehmen die fünfzehntgrößte Photovoltaikanlage in Berlin errichtet. Während der „heißen“ Phase des Projektes arbeiteten daran viele Interessierte mit, die sich nach erfolgreicher Umsetzung wieder verliefen. Geblieben ist der Kern der Umweltpsychologiestudierenden (Roman). Eine umfangreiche Nachhaltigkeitsgruppe in Berlin arbeitet auf der Metaebene: Der „Jour fixe der Berliner Nachhaltigkeitsgruppen“ (mittlerweile umbenannt in „Jour fixe der Berliner Nachhaltigkeitsinitiativen“, Paula, Sophie, Roman) ist eine Plattform, die es sich zum Ziel gesetzt hat, verschiedene Nachhaltigkeitsgruppen im Raum Berlin miteinander zu vernetzen und Synergien zu entdecken. Der „Jour fixe“ ist als Facebookplattform organisiert und verfügt über eine eigene Homepage, doch trifft man sich einmal im Monat auch persönlich, um sich auszutauschen. Bei den Treffen stellen sich jeweils einzelne Initiativen kurz vor, dann gibt es eine kurze Runde, in der die Anwesenden Neues aus ihren jeweiligen Initiativen und Gruppen berichten. Organisiert wird der „Jour fixe“ von einem Kernteam von vier Personen, die die Koordination des Programms und der Termine übernehmen. An den einzelnen Treffen nehmen immer wieder unterschiedliche Personen und auch unterschiedliche Gruppierungen teil; es herrscht starke Fluktuation. Manche kommen öfter, andere nehmen nur einmal teil, um die Gelegenheit zu nützen, für irgendeine Aktion Werbung zu machen. Damit ändert der Jour fixe immer wieder sein Gesicht, je nachdem, welche Personen gerade mitmachen. 3.3.6.2 Beschriebene Rollenbilder in den Nachhaltigkeitsgruppen Die von den Interviewpartner/innen beschriebenen Rollenbilder decken sich zu einem großen Teil mit den theoretischen Beschreibungen von Rollen in einer Gruppe, allerdings werden teilweise sehr kreative Bezeichnungen für die einzelnen Rollen verwendet. In der politischen Gruppierung ist sich die Interviewpartnerin sehr klar über ihre Rolle als Gruppenleiterin: 90 „Die politische Arbeit wird hauptsächlich von dem gemacht, der politisch in der Öffentlichkeit steht. In diesem Fall von mir. Ich bringe die Information ein und schlage vor, was man machen könnte“ (Anna S. 3 35-36). Doch sie sieht auch andere Rollen, insbesondere die des Querulanten/der Querulantin, die immer dagegen sind und nicht wirklich konstruktiv mitarbeiten (Störer/innen werden im Übrigen auch von anderen Interviewpartner/innen definiert), und die Rolle der Mitläufer/innen, die „die einfach so mitmachen, die sagen ich bin einfach nur so dabei. Die machen nicht viel, aber sie unterstützen die Gruppe indem sie sagen ich bin einfach da“ (Anna S. 4 40-41). Mitläufer/innen werden auch in dem vom Rat der Sachverständigen initiierten Projekt identifiziert, wenn sie auch nicht so genannt werden. Die Interviewpartnerin beschreibt sie als „zwei oder drei Leute, von denen ich denke, dass sie sich relativ passiv im Hintergrund gehalten haben, aber das Schöne war halt, wenn ich die dann angesprochen habe: Habt ihr gerade Kapazität? Könnt ihr was machen? Die haben dann auch was gemacht“ (Jasmin S. 3 28-30). Sich selbst bezeichnet die Interviewpartnerin als Koordinatorin der Gruppe. Sehr interessante Definitionen trifft ein anderer Interviewpartner: Er unterscheidet den Chef, der sich eher heraushält, und das von ihm so genannte Dreibein aus „Außenminister, /innenminister und Qualitätsminister. Es gibt also einen, der für die Außenbeziehungen zuständig ist, einen, der dafür zuständig ist, dass drinnen alles gut läuft, und einen dritten, der dafür sorgt, dass die Qualität stimmt“ (Stefan S. 5 26-28). 3.4 Zwischenfazit über den Begriff der Nachhaltigkeitsgruppe Bislang wurde der Begriff Nachhaltigkeitsgruppe nur selten und meist eher in Unternehmen oder Parteien verwendet. Daher ist für die vorliegende Dissertation eine nähere Klärung des Begriffes nötig. Nachhaltigkeit wird hier verstanden im Kontext des so genannten Drei-Säulen-Modells, das eine gleichberechtigte Gewichtung von sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten erlaubt. Als Gruppe sieht die vor91 liegende Arbeit vor allem kleinere Gruppierungen, selten größere Gruppen bzw. Organisationen an, in denen jedenfalls face-to-face Kontakt besteht und die sich über einen längeren Zeitraum hinweg um Nachhaltigkeitsthemen annehmen. In diesen Gruppen finden bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsanliegen geplante oder ungeplante, formale, non-formale oder informelle Bildungsprozesse statt, die ein wesentliches Kernthema dieser Arbeit bilden. Diesen Bildungsprozessen wird im folgenden Kapitel nachgegangen. 92 4 Nachhaltige Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen Aus dem bislang Dargelegten folgt, dass es in dieser Arbeit insbesondere um die Bildung von/in nachhaltigen Gruppen zur Bildung von nachhaltigen Gruppen geht. Menschen brauchen Unterstützung, um das Wissen und die persönlichen und sozialen Kompetenzen zu erlernen, mit denen sie Nachhaltigkeitsprobleme in ihrem persönlichen Umfeld sowohl privat als auch beruflich in Angriff nehmen können (vgl. W. Scott & Gough 2003, S.3). Damit sind die Entstehung und der Fortbestand von Nachhaltigkeitsgruppen definiert als pädagogische Fragestellung, in der es um (neue Zugänge zu) Wissen, lebensbegleitendes Lernen, Kompetenzen und (nachhaltige) Bildung geht. Den Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung auf allen Bildungsebenen zu verankern ist eine der Aufgaben der UNESCO Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005 – 2014“ (vgl. UNESCO 2013): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung soll zum wesentlichen Bestandteil der Allgemeinbildung werden und dem Individuum Kompetenzen vermitteln, die ihm eine aktive Analyse und Bewertung nicht nachhaltiger Entwicklungsprozesse ermöglichen sowie es befähigen „sich an Kriterien der Nachhaltigkeit im eigenen Leben zu orientieren und nachhaltige Entwicklungsprozesse gemeinsam mit anderen lokal wie global in Gang zu setzen“ (de Haan et al. 2007, S. 12). Damit ist ein wichtiger Hinweis für das Lernen in (nachhaltigkeitsorientierten) Gruppen gegeben. Lernen ist im Alltagsverständnis ein Prozess, mithilfe dessen Wissen bzw. die mit dem Wissen gleichgesetzte Bildung erworben wird. Überproportional anwachsende Wissensbestände und ständig zunehmende Dynamik kennzeichnen unsere Welt. Es reicht daher nicht aus, Wissen im Zuge der Schul- bzw. Ausbildung einmal zu erwerben, sondern dieses muss permanent erweitert werden. Man kann daher lebensbegleitendes Lernen als unverzichtbares Element beim Aufbau von Wissen für eine nachhaltige Zukunft auffassen (vgl. Fien & Lopez Ospina 2004, S. 38). Neue Definitionen stellen Wissen in engen Zusammenhang von praktischer Anwendung und Nachhaltigkeit. Dabei verliert der Begriff des Wissens (im engeren Sinne) im Diskurs an Bedeutung, da rund um die Allgemeingültigkeit des Wissensbegriffes viele Probleme und Bedeutungsunklarheiten auftauchen (vgl. W. Scott & Gough 2003, S.25). 93 Insgesamt ist der Begriff Wissen eher statisch zu sehen, als Ergebnis eines Prozesses, während der Erfolg der Nachhaltigkeitsgruppe auf dynamischen Vorgängen beruht. Daher wird im Folgenden dem Begriff „Wissen“ nicht weiter nachgegangen. Anstelle von Wissen wird von den (ebenfalls zu diskutierenden) Begriffen der Kompetenzen und Bildung gesprochen. 4.1 Diskussion grundlegender Begriffe der „Bildung“ In diesem Kapitel wird ausgehend vom Begriff der Bildung das Spannugnsverhältnis der im öffentlichen Diskurs immer wieder beanspruchten Begriffe Bildung, Lernen und Kompetenzen aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet wird. 4.1.1 Der Begriff der „Bildung“ Der Begriff der Bildung wird zumindest ebenso uneinheitlich diskutiert wie der der Nachhaltigkeit. Aufgabe dieses Abschnittes ist es daher, aus der Vielzahl der Bildungsbegriffe jenen auszuwählen, der im Hinblick auf die Bildung von Nachhaltigkeitsgruppen (im doppelten Wortsinn) anwendbar ist. Prinzipiell kann man dem Begriff der Bildung eine prozessorientierte und eine zustandsorientierte Bedeutung zuweisen. Die zustandsorientierte Begriffsauffassung (gebildet sein) stellt ab auf die Beschreibung eines Bildungsideals, das angestrebt wird (etwa das Humboldtsche) (vgl. Menze 1965). Das zustandsorientierte geht auch großteils konform mit dem materiellen Bildungsverständnis, das als Wissensinhalte vor allem stofflich-enzyklopädisches Wissen versteht und in dessen Rahmen Lernen durch Selektion und Verinnerlichung von Wissensinhalten erfolgt (vgl. Becker 1992, S. 23). Auch das so genannte formale Bildungsverständnis, gerichtet auf die „Ausstattung des Menschen mit all dem, was er zum Umgang mit den Dingen braucht" (Becker 1992, S. 13), bezieht sich eher auf einen Zustand, in dem das Individuum erlernt hat, mit der Welt zurecht zu kommen, da stofflich-enzyklopädische lediglich durch humanistische Selektionsmechanismen ersetzt werden (vgl. Becker 1992, S. 23): „Bildung ist die Brücke zwischen Mensch und Sache" (Becker 1992, S. 13). Der zustandsorientierte Zugang ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit von geringerer Bedeutung als der prozessorientierte Zugang, der Bildung als dynamischen Prozess sieht, innerhalb dessen der Mensch sein ganzes Leben lang seine „geistigen, 94 kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen Kompetenzen erweitert“ (Weber; Senn; Fischer 2006, S. 9). Ihm zugrunde liegt ein kognitiv-strukturelles Wissensverständnis, das den Begriff der „Bildung“ selbst für weniger zentral erachtet als das Lernen: einen „Prozeß, mit dem ein Individuum sich die Welt erschließt“ (Becker 1992, S. 23). Die früher beschworene abgeschlossene Bildung wird ersetzt durch einen Prozess, der den Menschen ein Leben lang begleitet: Gebildet sind diejenigen, die sich darüber klar sind, dass sie auf den meisten Gebieten ungebildet sind, und die zugleich die Fähigkeit entwickelt haben, immer wieder Neues zu lernen und sich immer neuen Herausforderungen in einer sich ständig wandelnden Welt stellen können. „Den Anforderungen des Wechsels gewachsen zu sein, ist das eigentliche Ziel von Bildung heute" (Becker 1992, S. 21). In Bildungsprozessen kommt es zu strukturellen Veränderungen, innerhalb derer das Wissen verändert bzw. erweitert wird. Es können auch neue Handlungsweisen, veränderte Perspektiven eingenommen und Sinnzusammenhänge neu interpretiert werden: „In Bildungsprozessen finden Umstrukturierungen statt, auf deren Basis Lernprozesse möglich sind“ (Mikula 2008, S. 66). Meyer-Drawe stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Lernen kein linearer Prozess ist, in dem Wissensbausteine zusammengefügt werden, sondern hier ein leitendes Vorwissen einerseits und neue Ansichten, Einsichten und Handlungsweisen anderseits in Konflikt geraten (vgl. Mayer-Drawe 1982, S. 34). Lernen wird so zum dynamischen Sachverhalt, in dem Umlernen als Wandel der Einstellung und des Erfahrungshorizontes an Bedeutung gewinnt (vgl. Buck 1989, S. 47). Im Zentrum dieses Prozesses steht das Lernen des Lernens (vgl. dazu die Ausführungen über Batesons Lernkategorien in 4.2.1), das Erwerben einer Reflexionsfähigkeit, die eher als Dimension der Persönlichkeitsentwicklung zu sehen ist (vgl. Kron 1989, S. 64) und die gerade im Kontext von Nachhaltigkeit besonders wesentlich wird. Bildungsprozesse lassen sich dann definieren als „höherstufige Transformationsprozesse, in denen sich das Selbst- und Weltbild grundlegend ändert und in denen die eigenen Kategorien des Lernens einer Reflexion unterzogen werden“ (Mikula 2008, S. 66). Darauf basierend umfasst der prozessorientierte Bildungsbegriff im Einzelnen die Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen, die Bereitschaft zur Veränderung und Anpassung an immer neue und sich wandelnde Bedingungen des Umfeldes, die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und sich erreichbare Ziele zu 95 setzen sowie die Fähigkeit reflektiert kritisch und autonom zu handeln (vgl. dazu unten 5.3). Damit ist Bildung auch zum politischen Begriff geworden, der etwa in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte angesprochen wird („Jeder hat das Recht auf Bildung"). Das Recht auf Bildung wird im Programm „Bildung für alle“ von der UNESCO koordiniert (vgl. UNESCO 2013). Die UNESCO definiert dabei: „Bildung ist eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Lebensqualität, für die Überwindung von Armut, für die Erreichung der Chancengleichheit der Geschlechter, die Verringerung der Kindersterblichkeit und des Bevölkerungswachstums, nachhaltige Entwicklung, und letztendlich für Frieden und Demokratie“ (Editorial UNESCO 2013). Jemand, der in diesem Sinne gebildet ist, verfügt nicht (nur) über eine große Menge an statischem „Wissen“, sondern kann auch auf Werte wie Toleranz, Solidarität und Verständnis zurückgreifen: Dann wird Bildung zu einer Sache, die „übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat“ (Heisenberg 1973, S. 106) Allerdings wird Bildung heute oft ganz anders verstanden (vgl. Sterling 2001) und ist mehr auf Konkurrenzkampf und Konsum als auf fürsorgliches Bewahren und erweitertes Verändern ausgerichtet. Die Fixierung auf Wachstum, Individualismus und Konsumzwang wird unreflektiert übernommen und weiter vermittelt, was durch den zunehmenden Einfluss der Privatwirtschaft auf die (Aus-)Bildung verstärkt wird. Dadurch wird Bildung mit ökonomischen Werten belegt. Das spiegelt sich in der großen Menge an Tests, Qualitätsprüfungen, genauer Definition von Lernzielen und Wettbewerb ebenso wie in der Desillusion und im steigenden Stress, die damit einhergehen. Wir haben unser Gefühl für „authentische“ Bildung verloren und damit auch das Gespür für gegenseitige Fürsorge, Gemeinschaft, Engagement und lohnenswerte Ziele (vgl. Sterling 2001). Ein ganzheitlicher Bildungsbegriff, wie er oben beschrieben wurde, stellt große Anforderungen an das Lernen. Im Rahmen des so genannten Delors-Berichtes (vgl. Delors et al. 1996) werden die für umfassende Bildung nötigen Lernformen wie folgt beschrieben (vgl. Dewe & P. Weber 2007, S.66): 96 learning to know: Bereitstellung von auf das Individuum abgestellten Lerntechniken learning to do: Bereitstellung von im Berufsleben erforderlichen Fertigkeiten, die lebenslanges Lernen erfordern learning to be: Bereitstellung von Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung learning to live together: Bereitstellung von Kompetenzen, die das friedliche Zusammenleben auf der Erde ermöglichen. Die prozessual orientierten Lern- und Bildungsprozesse stellen in der Tat auch eine interessante Parallele zu den modernen Auffassungen der Nachhaltigkeit (vgl. 3.1.5) und der Resilienz (vgl. 5.2.1) dar (vgl. von Felden 2008, S. 56). 4.1.2 Zum Verhältnis von Lernen, Bildung und Kompetenz Ein Ziel des Lernens ist die (Heraus-)Bildung von Kompetenzen (vgl. Klime; Harting 2007, S. 12). Der unmittelbare Zusammenhang von Lernen und Bildung lässt sich feststellen, indem man Lernen als Kompetenzerwerb und Bildung als Erweiterung der Kompetenzen betrachtet. Allerdings besteht um den Begriff der Kompetenz zumindest ebensoviel Unklarheit wie um den Begriff des Wissens - oder den der Nachhaltigkeit selbst: „Kompetenz hat offenbar irgendwie zu tun mit Zuständigkeit und mit Fähigkeit und mit Bereitschaft und damit, dass Zuständigkeit, Fähigkeit und Bereitschaft sich in Deckung befinden“ (Marquard 1981, S. 24). Dennoch ist der Kompetenzbegriff keineswegs „frei verfügbar, er entstammt vielmehr unterschiedlichen Theorietraditionen, die zunächst einmal rekonstruiert und kritisch im Hinblick auf ihre Kompatibilität mit der aktuellen weiterbildungspolitischen Begriffsverwendung analysiert werden müssen“ (Vonken 2005, S. 15). Daher muss zunächst Kompetenz im Sinne von für etwas „zuständig, befugt“ sein (ist gleich Arbeitsaufteilung) getrennt werden von „sachverständig, handlungsfähig“ sein. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht ist ersteres von geringerer Bedeutung, vielmehr umfassen Kompetenzen „Fähigkeits- und Fertigkeitsbündel für geplante und weitgehend überschaubare Arbeitszusammenhänge, die gegenüber dem Subjekt und seiner konkreten betrieblich-gesellschaftlichen Handlungssituationen verselb97 ständigt sind“ (Ludwig 2002, S. 2). In diesem Zusammenhang zu erwähnen sind die vier aus der Praxis der beruflichen Bildung bekannten Kompetenzbereiche Methoden-, Sach-, Selbst- und soziale Kompetenz, die integriert die Aktions- oder Handlungskompetenz ausmachen (vgl. Erpenbeck; von Rosenstiel 2003, S. XVI). In diesem Sinne beschreibt Weinert Kompetenz als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen (…) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27f). Grundsätzlich bezieht sich das Konzept der Kompetenz also im weitesten Sinne auf eine individuell oder interindividuell verfügbare Sammlung von Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln in bedeutsamen Aufgabenbereichen (vgl. Weinert 1999, S. 5). Es kann sich beziehen auf alle Handlungsfähigkeiten, ererbte, bereichsspezifische Voraussetzungen für den Erwerb primärer Fertigkeiten (wie Sprache), erlernte, anwendungsspezifische Fähigkeiten, individuelle Bedürfnisse nach Effektivität, eine subjektive soziale Selbstevaluation und schließlich auch das gesamte Set kognitiver, motivationaler und sozialer Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln (Handlungskompetenz) (vgl. Weinert 1999, S. 3). „Wer kompetent zu handeln vermag, verfügt nicht nur über träges Wissen, sondern ist nachweislich in der Lage, reale Anforderungssituationen zu bewältigen. Und dies nicht nur einmalig oder gar zufällig, sondern auf der Basis eines latenten Merkmals, das gewissermaßen garantiert, dass der kompetent Handelnde in immer neuen Situationen adäquate Handlungen ‚generieren‘ kann“ (Klieme; Hartig 2007, S. 14). Damit erlaubt das Konzept „Kompetenzentwicklung“ eine Verknüpfung „von Alltagslernen und institutionalisierter Weiterbildung, von Erfahrungswissen und wissenschaftlichem Wissen, von Kennen und Können, von Bedarfen und Bedürfnissen mit den bekannten Unterbegriffen personale, soziale, methodische und fachliche Kompetenz –, gelegentlich ergänzt durch (Selbst-)Lernkompetenz“ (Nuissl; Schliersmann; Siebert 2002, S. 5). 98 Letzteres deckt sich mit der allgemeinen, auch von Rychen & Salganik vorgeschlagenen Ansicht, dass Individuen für erfolgreiche Interaktion mit ihrem Umfeld sowohl physische (wie Informationstechniken) als auch sozio-kulturelle Werkzeuge (wie den Gebrauch der Sprache) benötigen und für ihre eigenen Zwecke umsetzen können müssen. Zudem aber müssen sie in einer interdependenten Welt mit heterogenen Gruppen von Individuen zurande kommen. Schließlich müssen die Individuen die Verantwortung für das Handeln in ihrem Leben übernehmen und selbstständig handeln können (vgl. Rychen; Salganik 2003, S. 5), vgl. zum Konzept des Handelns auch 8.3. Diese drei Kategorien von Kompetenzen – Anwendung von Mitteln und Medien, Interaktion in heterogenen Gruppen und autonome Handlungsfähigkeit – spielen auch im Konzept der Schlüsselkompetenzen der OECD eine wichtige Rolle. Die OECD definiert als Schlüsselkompetenzen jene, die wertvolle Ergebnisse für Gesellschaft und Menschen erbringen, bei der Erfüllung von Anforderungen unter verschiedenen Rahmenbedingungen unterstützen und für jedermann notwendig sind (vgl. OECD 2005, S. 5). In modernen Konzepten wird die Handlungskompetenz auch mit dem Begriff der Gestaltungskompetenz umschrieben und meint dann ein „Nach-vorne-Weisen des Vermögens, in aktiver Teilhabe die Zukunft von Sozietäten im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu modifizieren und zu modellieren“ (de Haan; Harenberg 1999, S. 62). Im Zentrum der Gestaltungskompetenz steht die „Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger Entwicklungen, des Setzens individueller Ziele, der Antizipation von Entwicklungen, der Gestaltung von Veränderungsprozessen sowie Kooperation und Partizipation“ (Rost 2005, S. 15). All diese Fähigkeiten sind zentral für das Lernen für Nachhaltigkeit, welches im Anschluss an das nachfolgende Kapitel über Lernen als Basis des Kompetenzerwerbs näher dargestellt wird (vgl. 4.3.) 4.2 Lernen als Grundlage nachhaltiger Bildung Lernen im landläufigen Sinne bedeutet den Erwerb von Wissen, wobei man trivial immer noch annimmt, Wissen könne „angehäuft“ werden. Doch ist Lernen mehr als die bloße Akkumulation von Tatsachen. Lernen kann als ein Prozess angesehen werden, innerhalb dessen die Aneignung von Welt vonstatten geht. Diese Aneignung in und durch Lernprozesse zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus: 99 „Aneignungsverhältnisse sind unabgeschlossen Aneignung wird im Wechselspiel zwischen individuellen und sozialen Bezügen gestaltet Aneignung ist ein aktiver Prozess, der die Entdeckung, Erprobung erweiterter Verhaltensrepertoires und neuer Fähigkeiten zum Ziel hat Aneignung erfolgt in vieldimensionalen situativen Prozessen und kontextuellen Bezügen und ermöglicht die Entwicklung situationsübergreifender Kompetenzen In Aneignungsprozessen versuchen Menschen Ereignisse, Situationen und Handlungsanforderungen zu strukturieren und dadurch ihrem Handeln eine Sinnperspektive zu geben Aneignungsergebnisse sind nicht vorhersehbar“ (Egger 2008, S. 30). Betrachtet man den Prozess des Lernens als Prozess der Aneignung, liegt der Betrachtungsschwerpunkt nicht mehr auf dem ergebnis von Input-Vorgängen, sondern wird zur subjektiven „Konstruktionsleistung, die durch zentrale Prozessmerkmale zu charakterisieren sind: Lernen ist ein aktiver Konstruktionsprozess: Wissen kann nur durch selbstständige und eigenaktive Beteiligung der Lernenden am Lernprozess erworben werden. Lernen ist ein konstruktiver Prozess: Jede Erfahrung wird in bereits bestehende Wissensstrukturen eingebaut und auf der Basis individueller Erfahrungen neu interpretiert. Lernen ist ein emotionaler Prozess: Jede Lernerfahrung wird von emotionalen und motivationalen Stimmungen und Atmosphären begleitet. Lernen ist ein selbstgesteuerter Prozess: Bei jede Lernen übernehmen die Lernenden selbst die Steuerungs- und Kontrollprozesse. Lernen ist ein sozialer Prozess: Lernen ist ein interaktives Geschehen und die Lernwelt ist immer eine intersubjektive, die durch spezielle Deutungsmuster und soziokulturelle Einflüsse Geprägt wird. 100 Lernen ist ein situativer Prozess: Wissen weist stets kontextuelle Bezüge auf“ (Mikula 2008, S. 61; vgl. Reinmann-Rottmeier; Mandl 2001, S. 601ff). Es gibt eine Fülle von Lerntheorien, allerdings kommen nur wenige für diese Arbeit tatsächlich als Ausgangspunkt in Betracht. So sind die Lerntheorien, die auf Konditionierung (wie die Pawlow (vgl. Pawlow 1927) oder Skinner (vgl. Skinner 1991)) beruhen, oder instruktionalistische Lerntheorien (wie die Stimulus-Response-Theorien der Behaviouristen (vgl. Lyons 1980)) viel zu passiv, um das für Nachhaltigkeitsbelange nötige aktive Handeln erfassen zu können. Demgegenüber erscheinen die Ansätze der Kognitionswissenschaft mit ihren Computersimulationen wiederum zu theoretisch für den hier benötigten wissenschaftlichen Hintergrund. Auch die Theorien des Kognitivismus eignen sich nur bedingt: Während das Modellernen (vgl. Bandura 1976) eher als zu mechanistisch für die geforderten flexiblem Lernprozesse angesehen wird, geht die Arbeit im Weiteren von der Idee des „Lernens durch Einsicht“ aus (vgl. 4.2.1). Für die vorliegende Anwendung am geeignetsten erscheinen demnach das bereits erwähnte Lernen durch Einsicht und davon ausgehend die konstruktivistischen Lerntheorien insbesondere abgeleitet von den Erkenntnissen von Piaget und ihm folgend Illeris bzw. auf dem Modell von Bateson. Auf diesen Theorien baut das vorliegende Kapitel auf. Ausgehend von Köhlers Lernvariablen werden die von Illeris erarbeiteten Lerndimensionen dargestellt, die den Rahmen aufspannen, innerhalb dessen aus konstruktivistischer Sicht verschiedene Formen des Lernens vonstatten gehen, wie sie Piaget, Illeris oder auch Bateson beschreiben. Sie werden daher im Anschluss an die Dimensionen thematisiert und verglichen. 4.2.1 Dimensionen des Lernens Nach Köhler (1963) erfolgt „Lernen durch Einsicht“ und steht damit im Gegensatz zum behavioristischen Denken, dass sich jedes Verhalten von Tieren in seine Einzelteile zerlegen lässt und sich Denkmodelle allein durch die Beschreibung von „Versuch und Irrtum“ erklären lassen (vgl. Köhler 1963, S. 137). Köhler befasste sich mit der Frage, wie sich die Beziehung zwischen Menschen und Umwelt aufbaut und wie in diesem Zusammenhang Lernvorgänge vor sich gehen. Meist bedeutet Lernen, dass etwas Neues mit etwas schon Vorhandenem verbunden wird (vgl. Illeris 2010, S. 49). Damit wird Lernen zu einem emergenten Prozess, des101 sen Summe mehr ist als die Summe seiner Teile (vgl. 5.1.4.2): Lernen wird zu einem systemischen Vorgang. Nach Köhler müssen sowohl das Verhalten als auch die dahinter liegenden aktivierenden und kognitiven Prozesse als in ein System eingebettet betrachtet werden, wobei es einen dauernden aktiven Austausch zwischen dem System und der Umwelt gibt. Der Begriff „Umwelt“ beinhaltet in diesem Zusammenhang sowohl die physische Umwelt als auch die soziale Umgebung (vgl. Köhler; Pratt 1963, S. 49). Lernen findet „irgendwo“ statt (Physischer Kontext), beginnt beim Individuum (persönlicher Kontext) und bezieht andere mit ein (soziokultureller Kontext) (vgl. Folke u. a. 2003, S. 36f). Es basiert demnach auf zwei wesentlichen Variablen: auf situativen Kontext-Faktoren, die von der Außenwelt abhängen, und zwar von anderen Menschen einerseits und sonstigen Umweltfaktoren anderseits sowie auf inneren Variablen des Gehirnes und der Persönlichkeit, mithin auf den kognitiven Fähigkeiten, dem Vorwissen, dem Interesse, dem Involvement des Individuums. Illeris unterscheidet demgegenüber drei Dimensionen des Lernens, die größtenteils diesen inneren Variablen zuzurechnen sind, nur bei der sozialen Dimension gibt es eine Überschneidung zwischen Kontext- und inneren Variablen: Die kognitive Dimension betrifft den Lerninhalt, der seinerseits als Wissen oder Fähigkeiten umschrieben werden kann und das Verständnis und die Fähigkeiten des/der Lernenden begründet. Das Bestreben des/der Lernenden ist es Bedeutung und Fähigkeit zu konstruieren, mit Hilfe derer die Herausforderungen des täglichen Lebens bewältigt und gleichzeitig eine ganzheitliche persönliche Funktionalität aufgebaut werden können (vgl. Illeris 2003, S. 399). Die emotionale oder psychodynamische Dimension umfasst mentale Energie, Gefühle und Motivation. Ihre wesentliche Funktion besteht darin, das mentale Gleichgewicht des/der Lernenden sicherzustellen und dadurch zugleich ein persönliches Empfindungsvermögen zu entwickeln. Diese beiden Dimensionen werden immer durch Impulse von Interaktionsprozessen in Gang gesetzt, beeinflussen sich gegenseitig und bilden gemeinsam den persönlichkeitsinternen Prozess 102 des Erwerbs und der Erarbeitung neuer Kenntnisse und/oder Fähigkeiten (vgl. Illeris 2003, S. 399). Die soziale Dimension des Lernens betrifft die externe Interaktion in Bereichen wie Partizipation, Kommunikation und Kooperation. Sie dient der Integration der Person in Gemeinschaften und die Gesellschaft und begründet dadurch die Sozialität des Menschen. Doch bedarf die gesellschaftliche Integration der beiden anderen Dimensionen (vgl. Illeris 2003, S. 399). Abb. 2: Drei Dimensionen des Lernens (bearbeitet nach Illeris 2010, S. 37) Damit spielt sich jede Form des Lernens in einem als Dreieck aufgespannten Spannungsfeld der Entwicklung von Funktionalität, Empfindsamkeit und Sozialität ab (vgl. Abb. 2). 103 Lernen findet zudem immer im Kontext einer bestimmten Gesellschaft statt, die den Rahmen für Lernmöglichkeiten schafft, was in der Grafik durch einen Kreis angedeutet wird (vgl. Illeris 2003, S. 400). Holzkamp ist darüberhinaus der Ansicht, dass der persönliche Kontext als Auslöser für Lernen von hervorragender Bedeutung ist und dass „intentionales, d.h. absichtliches und geplantes Lernen nur dann zustande kommt, wenn das Lernsubjekt selbst entsprechende Gründe dafür hat“ (Holzkamp 2004, S. 29). Geht man von diesen verschiedenen Dimensionen des Lernens aus, so bedingt dies, dass der/die Lernende selbst aktiv mentale Strukturen konstruiert, die im Gehirn als Schemata oder mentale Muster angelegt sind. Ihnen ist das folgende Kapitel gewidmet. 4.2.2 Kategorisierung von Lernformen Unter dem Begriff Schema versteht man in diesem Zusammenhang organisierte Verhaltensmuster und internalisierte Denkmuster (vgl. Mönks; Knoers 1996, S. 151), die „zunächst als Abstraktion und als kategorisierende Zusammenfassung von Handlungsweisen gebraucht werden“ (Oerter; Montada 1998, S. 548) und die im Wesentlichen durch Interaktion mit der Umwelt konstruiert werden. Wissen wird damit zur Konstruktion eines/einer aktiv Lernenden. Aus kognitiver Sicht werden Schemata auch als Gedächtnis, aus emotionaler und sozialer Sicht als Neigungen bezeichnet (vgl. Illeris 2003, S. 400). „Diese Schemata kann man als die Grundstrukturen des Denkprozesses bezeichnen" (Mönks; Knoers 1996, S. 151). Die Schemata dienen daher im Wesentlichen dazu, mit den Anforderungen der Umgebung besser umgehen und sich anpassen zu können. Vorhandensein und Aufbau von Schemata manifestieren sich in verschiedenen Arten des Lernens, die in verschiedenen Kontexten aktiviert werden, verschiedene Lernresultate implizieren und mehr oder weniger Energie benötigen (vgl. Illeris 2003, S. 402). 104 "Die Tendenz zur Adaption kann umschrieben werden als die angeborene Tendenz eines jeden Organismus, sich an seine Umgebung anzupassen. Diese Adaptionstendenz besteht aus zwei Komponenten bzw. zwei komplementären Prozessen: Assimilation und Akkommodation" (Mönks; Knoers 1996, S. 149), vgl. Abb. 3. Sie wird im nachfolgenden Unterkapitel beschrieben, ehe im Anschluss eine weitere Form der Kategorisierung von Lerntypen durch Bateson präsentiert wird. 4.2.2.1 Die Lernmodelle von Jean Piaget (1975) und Knud Illeris (2010) Die Grundlage für eine Unterscheidung von Assimilation und Akkomodation (vgl. Abb. 3) legte Piaget (vgl. Piaget 1975), die Begriffe sind auch grundlegend für die Erkenntnistheorie des Radikalen Konstruktivismus (vgl. von Glasersfeld 1997). ASSIMILATION Intern Extern 1. Angeborenes Schema: Greifen und Saugen 2. Handlungen in Übereinstimmung mit vorhandenem Schema Veränderung des vorhandenen Schemas 4. Neue Wissensstruktur (Schema) sorgt von nun an dafür, dass mit dem Ball als „Springding“ verfahren wird 3. Umgang mit Ball als“Saugding“: neue Informationen, da der Ball fällt und zurückspringt dadurch AKKOMODATION Abb. 3: Assimilation und Akkomodation (Mönks; Knoers 1996, S. 152) Assimilation bedeutet, dass Umwelterfahrungen mithilfe bereits vorhandener kognitiver Strukturen (der Schemata) bewältigt werden können. Dabei wird eine Information so verändert, dass sie in ein vorhandenes Schema eingefügt werden kann (vgl. Zimbardo 1992, S. 66). Denn „assimilieren heißt, das Objekt je nach der eigenen Handlung und dem eigenen Gesichtspunkt, also in Funktion eines ‚Schemas‘ zu mo105 difizieren" (Piaget 1975, S. 348). Findet der umgekehrte Vorgang statt und wird ein Schema an eine Situation oder einen Gegenstand angepasst, so bezeichnet Piaget dies als Akkomodation (vgl. Oerter; Montada 1998, S. 548). Auslöser einer Akkomodation ist nach Maturana/Varela eine Perturbation, eine wahrgenommene Störung, die durch einen äußeren Reiz verursacht wird (vgl. Matura- na; Varela 1987, S. 108). Bei der Akkomodation werden „die Schemata selbst verändert, um der Information angemessen zu sein oder um nicht zu anderen Schemata oder der Gesamtstruktur in Widerstand zu stehen" (Zimbardo 1992, S. 66). Ziel der Akkomodation ist die Annäherung an einen Gleichgewichtszustand, den Piaget als Äquilibrium bezeichnet (vgl. Piaget 1975, S. 207): „Der Impuls zur Differenzierung bestehender Strukturen, zu ihrer inneren Koordination oder Integration, also zum Aufbau immer komplexerer Strukturen erfolgt aus der Erfahrung eines ‚Ungleichgewichtes‘, das sind fehlschlagende Assimilationsversuche, Widersprüche zwischen verschiedenen Assimilationsversuchen, kognitive Konflikte" (Oerter; Montada 1998, S. 553f). Illeris baut auf Piagets Ansätzen auf, ergänzt diese aber um zwei weitere Stufen: Durch kumulatives Lernen werden die ersten Elemente eines neuen Schemas etabliert, zu dem Einflüsse der Umgebung in Beziehung gesetzt werden können. Es findet dann statt, wenn die Lernenden zuvor noch kein entsprechendes Schema ausgebildet hatten (vgl. Illeris 2010, S. 50). Insbesondere findet es im Rahmen der Schulbildung statt, wenn etwa mathematische Formeln eintrainiert werden. Außerhalb der Schule findet es sich vor allem bei der Entwicklung motorischer Fähigkeiten wie Radfahren. Im späteren Leben wird kumulatives Lernen nur mehr in speziellen Fällen angewendet, etwa beim Auswendiglernen einer Telefonnummer (vgl. Illeris 2010, S. 50). Die Ergebnisse kumulativen Lernens können nur in der ursprünglichen Lernsituation ähnlichen Situationen wieder abgerufen und benützt werden, denn kumulatives Lernen ähnelt einer Dressur, bei der durch einen speziellen Impuls oder Reiz eine gewollte Reaktion hervorgerufen wird (vgl. Illeris 2010, S. 51), bzw. den bereits oben als für Nachhaltigkeitsprobleme ausgeschlossenen Lernformen der Konditionierung und des Instruktionalismus (vgl. 4.2). Daher ist kumulatives Lernen als Strategie in einer durch flüssige Strukturen und hohe Flexibilität gekennzeichne- 106 ten Welt wenig geeignet. „Die größte Bedeutung dieser Lernform liegt darin, dass sie den Beginn von etwas anderem markiert“ (Illeris 2010, S. 51). Die Assimilation hingegen stellt Illeris in einen erweiterten Zusammenhang. Assimilatives Lernen bzw. Lernen durch Hinzufügung ist seiner Auffassung nach die am häufigsten auftretende Form des Lernens. Dabei wird ein neues Element als Hinzufügung mit einem bereits vorhandenen Schema oder Muster verbunden (vgl. Illeris 2003, S. 402). Durch die Verknüpfung mit bzw. durch „Weiterentwicklung der verschiedenen, durch früheres Lernen erworbenen Schemata“ wird der bestehende Erfahrungs- und Fertigkeitsschatz ausbaut (vgl. Illeris 2010, S. 51). Als Ergebnis dieser Art des Lernens entstehen „Kenntnisse und Fähigkeiten, die relativ leicht auf der Lernsituation ähnliche Bereiche übertragen werden können. (…) Assimilatives Lernen bezieht sich also auf eine kontinuierliche Entwicklung, die neue Erkenntnisse integriert und stabilisiert“ (Illeris 2010, S. 52). Es ist an bestimmte mentale Schemata geknüpft und nicht dafür geeignet, mit sich schnell ändernden Gegebenheiten zurande zu kommen. Denn manchmal lassen sich Probleme oder Erfordernisse nicht mithilfe bereits vorhandener Schemata lösen. Wenn diese Probleme oder Erfordernisse aber wichtig genug sind, werden andere Lösungswege eingeschlagen. Einer dieser Wege ist das ebenfalls von Piaget beschriebene akkomodative Lernen (Dazu und zum Folgenden Illeris 2010, S. 52). Dabei geht es darum, (zumindest Teile) bereits vorhandene(r) Schemata zu verändern oder gar zu zerstören und neu aufzubauen, um mit der neuen Situation umgehen zu können. Man gibt also zugleich etwas Althergebrachtes auf und schafft etwas entscheidend Neues oder Unterschiedliches. Dieser Prozess kann als anstrengend und schmerzvoll empfunden werden und bedarf jedenfalls psychischer Energie (vgl. Illeris 2003, S. 402). Das Ergebnis dieses Lernprozesses sind neue Schemata, die wiederum in verschiedenen Kontexten angewandt werden können. Hier findet eine Rückkopplung in das assimilative Lernen statt. Denn akkomodativem Lernen liegen sehr individuelle Verhaltensweisen und Auffassungen zugrunde, weswegen die Ergebnisse sogar bei scheinbar eindeutig logischen Problemen (wie etwa in der Mathematik) unterschiedlich sein können. Da die neuen Schemata individuell geprägt sind, beeinflussen sie 107 auch die Art und Weise, in der das Individuum in Zukunft assimilativ lernt (vgl. Illeris 2010, S. 53). Akkomodation kann mit einem gewissen „Heureka“-Effekt sehr plötzlich eintreten; es können aber auch länger dauernde Prozesse vonstatten gehen. Im Prinzip ähnelt das akkomodative Lernen damit abduktiv-wissenschaftlichen Prozessen (vgl. 2.2). Doch es gibt Situationen, in denen das Individuum auch mit akkomodativem Lernen nicht das Auslangen finden kann. Für diese Fälle wurde eine Reihe von Lernkonzepten entwickelt, die zwar von der wissenschaftlichen Verortung her durchaus unterschiedlich sind wie transformatives (vgl. Mezirow 1991), expansives Lernen (vgl. Holzkamp 1995; Engeström 1999), transitives (vgl. Alheit 1993) oder signifikantes Lernen (vgl. Rogers 2012). Ihnen allen ist aber ein Aspekt gemeinsam: Hier werden kognitive, emotionale und soziale Dimensionen von bereits erlernten Schemata verändert, um in als krisenhaft empfundenen Situationen adäquat reagieren zu können. Diese Situationen erfordern, dass sich das Individuum selbst verändert, um weiterzukommen (vgl. Illeris 2010, S. 57). Von dieser Art des Lernens kann zudem die ganze Persönlichkeit betroffen sein, und nicht bloß das „Wissen“ erweitert werden. Daher kann dieser Prozess, ähnlich der schöpferischen Zerstörung bei Schumpeter (vgl. 5.2.1), durchaus als unangenehm empfunden werden. 4.2.2.2 Lernebenen bei Gregory Bateson (1982) In anderer Weise als Piaget und ihm folgend Illeris definiert Bateson Lernkategorien bzw. -ebenen in Anlehnung an die Theorie der logischen Typen von Whitehead und Russell (vgl. Bateson 1981, S. 363). Demnach gibt es Zusammenhänge zwischen Lernsituationen, die in so genannten Lernebenen repräsentiert sind. Dabei bezieht sich eine Lernebene immer auf den Lernkontext der darunterliegenden Ebene (vgl. Bateson 1981, S. 362ff). Bateson bestimmt vier Kategorien bzw. Ebenen des Lernens: Lernen Null ist die unterste Form, die primitivste Art des Lernens. Sie kommt beim Menschen nur näherungsweise als stereotype Reaktion auf einen Reiz vor, etwa als Lernen „von der Werkssirene, daß es zwölf Uhr ist“ (Bateson 1981, S. 368). Lernen 0 ähnelt dem kumulativen Lernen, wie es Illeris beschreibt. 108 Lernen I (Eins) findet auf einer komplexeren, übergeordneten Ebene statt: Typisch dafür sind das klassische und operante Konditionieren des Behaviorismus, bei denen das Individuum lernt, auf einen Reiz in neuartiger Weise zu reagieren (vgl. Bateson 1981, S. 371). Lernen I enthält Elemente des kumulativen Lernens, ähnelt aber dem assimilierenden Lernen nach Piaget bzw. Illeris. Lernen II (Zwei, auch Deutero-Lernen) ist wiederum auf einer höheren Aggregationsebene angesiedelt und ist eine Interpretation von Lernen (vgl. Bateson 1981, S. 380ff). Es hat zu tun mit der Konstruktion bzw. der Assimilation von Vorstellungen, Modellen bzw. Schemata, wie sie Piaget definiert. Es beinhaltet aber auch schon wesentliche Elemente der Akkomodation. Lernen III (Drei) ist nochmals eine Ebene abstrakter. Hier werden eigene Konstruktionen infrage gestellt, Konstruktionen werden modifiziert und teilweise auch massiv verändert (vgl. Bateson 1981, S. 392ff). Die Vorgänge auf dieser Ebene bezeichnen Piaget und im Besonderen Illeris als akkomodativ und vor allem transformativ. Gemeinsam ist all diesen Lernkategorisierungen, dass sie die Basis für Nachhaltigkeitslernen bilden, wie in den nachfolgenden Kapiteln dargestellt wird. 4.3 Lernen für Nachhaltigkeit und nachhaltiges Lernen Aus den grundlegenden Erkenntnissen über das Lernen lassen sich Hinweise für das Lernen für Nachhaltigkeit ableiten. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung definiert als Ergebnis der Lernprozesse die so genannte Gestaltungskompetenz als Fähigkeit, „Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden und Probleme nicht nachhaltiger Entwicklung erkennen zu können. Das heißt, aus Gegenwartsanalysen und Zukunftsstudien Schlussfolgerungen über ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit ziehen und darauf basierende Entscheidungen treffen, verstehen und individuell, gemeinschaftlich und politisch umsetzen zu können, mit denen sich nachhaltige Entwicklungsprozesse verwirklichen lassen“ (de Haan et al. 2007, S. 12). Sie unterscheiden hier zehn Teilkompetenzen der nachhaltigen Bildung: 1. „Weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen 109 2. Vorausschauend denken und handeln 3. Interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln 4. Gemeinsam mit anderen planen und handeln können 5. An Entscheidungsprozessen partizipieren können 6. Andere motivieren können, aktiv zu werden 7. Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren können 8. Selbstständig planen und handeln können 9. Empathie und Solidarität für Benachteiligte zeigen können 10. Sich motivieren können, aktiv zu werden“ (De Haan et al. 2007, S.12). Hier wird die Nachhaltigkeitskompetenz also in Teilkompetenzen zerlegt, deren Verhältnis zueinander bzw. deren Wechselwirkungen von de Haan et al. ebensowenig hinterfragt werden, wie Rost (2008) dies in einer ähnlichen Aufzählung tut. Er definiert die Aspekte der für nachhaltige Bildung erforderlichen Gestaltungskompetenz in Anlehnung an die Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz nach De Haan 2007 und ebenso an die oben dargestellten sieben Facetten des Kompetenzbegriffes von Weinert 1999 als Wissen aufbauen, Methoden erkennen Etwas verstehen und beurteilen Fähigkeit zu Empathie und Solidarität Konflikte bewerten, darstellen, erklären Erfahrung haben und zum Perspektivenwechsel befähigt sein Aktiv werden: Handeln, Planen, Partizipieren, Entscheiden Sich und andere motivieren (vgl. Rost 2008, S. 61f). Um den durch die vielen Aufzählungen verwirrenden und wenig handhabbaren Begriff des Nachhaltigen Lernens praktisch handhabbar zu machen, weist ihm Sterling daher (vgl. Sterling 2008, S.65) vier Deskriptoren zu: “sustaining” (aufrecht erhaltend) - Nachhaltiges Lernen hilft, Menschen, Gemeinschaften und Ökosysteme aufrechtzuerhalten verteidigungsfähig – Nachhaltiges Lernen basiert auf ethischen Grundprinzipien, Integrität, Gerechtigkeit, und Respekt. gesund – Nachhaltiges Lernen entwickelt sich als emergentes System mit funktionierenden Beziehungen, die ihm beim Überleben helfen. 110 dauerhaft – Nachhaltiges Lernen bewährt sich in der Praxis so gut, dass es dauerhaft angewendet wird. Ein grundlegendes Prinzip kennzeichnet aber jedenfalls alle Formen nachhaltigen Lernens: die Flexibilität. Diese Flexibilität muss im Prinzip sogar soweit gehen, dass zum Zweck des Lernens geschaffene Gemeinschaften auch dann am Leben erhalten werden, wenn ihre Mitglieder schon lange vom Lernen im engeren Sinne zum Anwenden der erworbenen Kompetenzen übergegangen sind (vgl. Sloep et al. 2011, S. 217). Die ehemaligen Lerngemeinschaften weisen mit der Zeit die Charakteristika von gewollt losen, sich selbst organisierenden Praktikergemeinschaften auf, auf die der Begriff „Netzwerk“ besser zutrifft (vgl. Wiley & E. K. Edwards 2002). Denn in aller Regel setzen sich letztere aus mehreren, einander überlappenden Gemeinschaften zusammen, die ständig einer Veränderung unterworfen sind und mehr oder weniger die Kennzeichen von Lern- und von Praktikergemeinschaften aufweisen (vgl. Sloep et al. 2011, S. 217). Diese Gemeinschaften treffen unter bestimmten Umständen aufeinander, denen im nächsten Kapitel nachgegangen wird. 4.4 Umstände des Lernens: Tragfähige Konzepte für nachhaltiges Lernen Nachhaltigkeitsorientiertes Verhalten bzw. die daraus erwachsenden Lernprozesse, können von einer breiten Basis verschiedener Theorien wie Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Kulturwissenschaften aus interpretiert werden (vgl. Ballantyne; Uzzell 1999, S. 3). Bildung für eine nachhaltige Entwicklung wird oft als Prozess des Erwerbs von Wissen, Werten und Theorien verstanden, die in Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung stehen. Doch sie geht darüber hinaus, denn sie will auch die Denkweisen der Lernenden im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung ändern und ihre Bereitschaft steigern, sich aktiv einzubringen. In ihrer theoretischen Konzeption bezeichnen Ballantyne und Packer Nachhaltigkeitslernen als sinnstiftenden Prozess, der mehrere Bereiche umfasst (Ballantyne; Packer 2005, S. 9) : Die Ausweitung und Vertiefung des individuellen Wissens um Nachhaltigkeitsbelange, Gesteigertes Bewusstsein, Engagement und Sorge für Nachhaltigkeitsthemen, 111 Die Entwicklung von zunächst zumindest Absichten, individuelle Handlungen zu setzen, die die Umwelt postiv beeinflussen, bzw. negative Handlungen zu unterlassen. Änderungen hin zu einem nachhaltigeren Lebensstil. Um dauerhaften, bedeutsamen und effektiven Wandel in Bezug auf Nachhaltigkeitsideen zu erzielen, schlagen sie die Anwendung einer ganzen Reihe von Strategien vor, wie man das Wissen, die Einstellungen, Werte und Verhaltensorientierung der Lernenden in einem ganzheitlichen Ansatz ansprechen kann (vgl. dazu 8). Denn je attraktiver, interessanter und vergnüglicher ein Thema oder eine Aufgabe sind, desto eher führen sie zu mehr Aufmerksamkeit, größerer Konzentration und Lernbereitschaft (vgl. Ballantyne; Packer 2005, S. 9). Lernprozesse sind auch massiv biographisch beeinflusst, denn „sie beziehen sich auf kulturell und historisch bedingte Inhalte und Probleme. Lernbedingungen sind wichtiger als Lernmechanismen. Gefühle und Interessen spielen in ihnen eine bedeutende Rolle“ (Schulze 2005, S. 44). Die derzeit meist praktizierten Lernformen bilden diese Sicht der Bildung allerdings nur teilweise ab (vgl. Fien, Maclean, & Park 2009; Lotz-Sisitka 2006; Tilbury 2011, S. 23). Die Pädagogik befasste sich über einen langen Zeitraum in erster Linie mit vordefinierten Orten, in denen strukturierte Lernprozesse stattfinden: Schule, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Kurse etc. Heute aber stellen viele Autor/innen das formale, an Bildungseinrichtungen und Curricula gebundene Lernen infrage, indem sie beginnen, eine Lernauffassung zu hinterfragen, die davon ausgeht, dass man jemanden dazu bringen könnte, das zu lernen, was gelernt werden soll (vgl. Linde 2008, S. 74ff). Dieses Kapitel zeigt mögliche Veränderungen konventioneller Lernschemata auf. Diese Veränderungen betreffen weniger den lernproess als sloches, sondern die „Umstände“ des Lernens – ähnlich wie im grammatischen Adverbiale – und damit Fragen, wo gelernt wird, wer bestimmt, was gelernt wird sowie welche Motive und welche Zwecke dem Lernen zugrunde liegen. 4.4.1 Orte des Lernens: Formelles, non-formales und informelles Lernen Lernprozesse können zunächst unterschieden werden nach dem Ort, an dem sie stattfinden. Die Orte des Lernens geben 112 „substanziell Auskunft über das Wechselspiel (gesellschaftlichen) Strukturen und der Formung von (subjektiven) Aneignungsprozessen. Lernorte können diesbezüglich als kollektive Formationsprozesse gesehen werden, die explizit Erfahrungszusammenhänge gestalten“ (Egger 2008, S. 22). Lernen in dieser Form erfolgt daher an vielen Orten oft unbewusst und wird oft nicht einmal als solches erkannt – man spricht dann von „informalem“ Lernen (vgl. Overwien 2005). Die Europäische Kommission unterscheidet formales, non-formales und informelles Lernen wie folgt (vgl. Europäische Kommission 2001, S. 9, 33ff). Formales Lernen findet in der Regel in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung statt. Es ist aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel strukturiert und führt zur Zertifizierung, also dem Erwerb einer Art von Zeugnis. Non-formales Lernen findet zwar nicht in Bildungs- oder Ausbildungseinrichtungen statt und führt in der Regel auch nicht zu einer Zertifizierung. Dennoch ist es aus der Sicht der Lernenden und der Lehrenden strukturiert im Hinblick auf auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel. Informelles Lernen findet im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit statt. Es ist nicht strukturiert im Hinblick auf Lernziele, Lerndauer oder Lernmittel und führt in der Regel auch nicht zu einer Zertifizierung. Obwohl informelles Lernen zielgerichtet sein kann, ist es jedoch meist nichtintentional (inzidentell oder beiläufig).3 Dohmen (vgl. Dohmen 2001, S. 18ff) differenziert informelles und inzidentelles (implizites) Lernen noch weiter danach, dass letzteres ein unbewusstes Nebenprodukt anderer Tätigkeiten sei. Dieser Unterscheidung wird hier nicht gefolgt. Die Begriffserklärung macht deutlich, dass nicht die Lernprozesse selbst im Zentrum dieser Unterscheidung stehen, sondern die mehr oder minder formellen Lernumgebungen (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 10ff). Die meisten Menschen unternehmen 3 Eine Auflistung von Definitionen informellen Lernens findet sich bei (Blings 2008, S. 67ff). 113 im Rahmen ihres Alltagslebens eine Vielzahl unstrukturierter Lernaktivitäten und erwerben beabsichtigt oder nebenbei Wissen, Verständnis und Kompetenzen: im gesellschaftlichen Umgang mit anderen, bei der Ausübung von Freizeitinteressen, bei der Arbeit, bei Hausarbeit und Beschäftigung mit der Familie oder bei Aktivitäten, die sich mit Kultur, Religion oder Politik befassen (vgl. McGivney 2006, S. 11). Im anglo-amerikanischen Raum hat sich für diese Form des Lernens auch der Begriff des “Free-Choice Learning” etabliert, um auf die informellen Orte hinzuweisen, an denen diese Form des Lernens stattfindet (vgl. Ballantyne; Packer 2005, S. 3). Falk und Dierking sind der Meinung, Free-Choice Learning sei überhaupt die häufigste Art des Lernens, für das sich Menschen engagieren, weil es freiwillig, selbstbestimmt und von individuellen Bedürfnissen und Interessen angeleitet erfolge. Daher sei auch erklärlich, dass es außerhalb der Strukturen von Schulen, Universitäten oder Arbeitsplätzen erfolge (vgl. Falk & Dierking 2002, S. 9). In ähnlicher Weise hat sich auch die Diskussion um das informelle Lernen im deutschen Sprachraum entwickelt: Definiert man Lernen als Wandel oder Weiterentwicklung der Fähigkeiten oder des Verständnisses eines Menschen, müssen diese informellen Lernaktivitäten in Alltagssituationen unbedingt mit betrachtet werden (vgl. McGivney 2006, S. 19). Denn gerade im Rahmen solcher Aktivitäten können explizite Lernbedürfnisse und Lerninteressen erkannt werden (vgl. Düx, Sass, Prein, & Tully 2008, S. 124). Dies wiederum ist nur möglich, wenn sich die Individuen in einem Klima von Kooperation und gegenseitigem Vertrauen bewegen können. Wesensmerkmal des informellen Lernens ist (vgl. dazu und im Folgenden Livingstone, 1999, S. 68f und Overwien, 2009, S. 24ff), dass es sich außerhalb Bildungseinrichtungen, Lehrgängen oder Workshops quasi beiläufig („inzidentell“) abspielt, auch nicht von diesen finanziert wird und dass es ohne die Einbeziehung von speziell mit der Vermittlung von Wissen betrauten Lehrenden stattfindet. Auch Ballantyne und Packer betonen, dass die Bedürfnisse und Interessen der Lernenden hier von größerer Bedeutung sind als die Vorstellungen und Bedürfnisse einer externen Autorität (vgl. Ballantyne & Packer 2005, S. 3): Die (allein oder in Gruppen) Lernenden bestimmen selbstständig über Ziele, Inhalt, Mittel, Prozesse und Dauer des Wissenserwerbs sowie die Bewertung der Ergebnisse und der Anwendungen. 114 Informelle Lernprozesse finden durch innere (intrinsisch) oder äußere (extrinsisch) Faktoren ausgelöst mehr oder minder zufällig statt. Falk und Dierking hingegen betonen, dass Free-Choice Learning per definitionem intrinsisch und daher stärker und konstanter sei (vgl. Falk & Dierking 2002, S. 40). Insbesondere Erfahrungen, die das Individuum macht, können zum Lernen beitragen: Erfahrungen können in Reflexionen eingebunden werden und so zu Erkenntnis führen. Dazu müssen die Handlungen aber in den Kontext von Problemen, Herausforderungen und Ungewissheiten eingebunden sein, über die der/die Lernende reflektieren kann, um aus den Ergebnissen dieser Reflexion zu lernen (vgl. Dehnbostel 2000, S. 103f). Dadurch kommt es zu einem induktiven Prozess der Reflexion und (Re-)Aktion (vgl. Marsick & Volpe 1999, S. 90). Das informelle Erfahrungslernen bedarf aber wiederum einer Stärkung der (Selbst-)Reflexionsfähigkeit der Individuen (vgl. Marsick & Volpe 1999, S. 91). Diese Stärkung der Reflexionsfähigkeit ist dem Empowerment (vgl. 7.2) zuzurechnen, dadurch wird es möglich, dass auch inzidentelles Lernen in gewisser Weise zielgerichtet ablaufen (vgl. Marsick & Watkins 1990, S. 28f). Das informelle Lernen unterscheidet sich von Alltagswahrnehmungen und allgemeiner Sozialisation dadurch, dass die Lernenden es bewusst als Wissenserwerb erleben (vgl. Livingstone 1999, S. 68f). Es kann unterstützt werden, indem die Aufmerksamkeit der Individuen bewusst auf die Lernprozesse gelenkt wird, das Umfeld auf Gelegenheiten für Lernen geprüft und Zeit und Raum zum Lernen geschaffen werden. Durch diese Eingriffe kann jedoch informelles Lernen rasch in formelles Lernen übergehen (vgl. Overwien 2009, S. 27). 4.4.2 „Promotoren“ des Lernens: Selbst- und fremdgesteuertes Lernen Eine zweite Unterscheidungsmöglichkeit von Lernprozessen bezieht sich auf die Frage, ob Lernen selbst- oder fremdgesteuert erfolgen soll. In den letzten Jahren ist ein intensiver Diskurs um die Frage entbrannt, wer bestimmt bzw. bestimmen kann, welche Lerninhalte von den Lernenden in welcher Form gelernt werden (sollen) – mit anderen Worten, wer die Promotoren des Lernens sind. Kritiker/innen fragen hier vor allem, 115 „ob mit dieser Konjunktur des Lernbegriffs die Lernenden tatsächlich stärker in den Mittelpunkt gerückt werden (oder ob nicht …) vielmehr (…) das Lehrhandeln in das Lernhandeln ‚hinein projiziert‘ (wird)“ (Faulstich; Ludwig 2008, S. 10ff). In dieser Denktradition belehrt sich einE „guteR“ LernendeR selbst, macht den/die „traditionelleN“ Lehrenden überflüssig und macht den/die „neuen“ LehrendeN zum/zur InitiatorIn und ArrangeurIn selbstbestimmten Lernens (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 10). Bildung würde in diesem Szenario der persönlichen Entfaltung durch Aneignung von Wissen dienen und wäre „Voraussetzung des Erkennens und des Verwirklichens der eigenen Lebensinteressen der Individuen“ (Fauls- tich; Ludwig 2008, S. 10f). Dazu aber bedarf es eines neuen Zugangs zum Lernen, und dies impliziert eine Abkehr von traditionellen Lernparadigmata, in denen Lernen als abhängige Variable gesteuert und gestaltet werden kann: Um den Bedürfnissen der lebensbegleitend Lernenden zu entsprechen, müssen zunächst die Lernkontexte neu gestaltet werden: Sie dürfen nur ein Minimum an Hemmnissen und Zwängen im Hinblick darauf aufweisen, wer teilnimmt und welche Tätigkeit ausgeführt wird. Zugleich benötigen sie Flexibilität im Hinblick darauf, welche Instrumente eingesetzt werden (oder nicht.) Genau dieser Zugang ist erst teilweise umgesetzt. Mehrere Autor/innen versuchen, die Dichotomie grundlegend verschiedener Zugänge zum Lernen und Lehren zu strukturieren: So sind Sloep et al der Meinung, dass sich das System der Wissensvermittlung (vor allem in Universitäten und Weiterbildungseinrichtungen) gegenwärtig an einer Art „Push-Modell“ orientiert. Diese Einrichtungen meinen zu erkennen, welches Wissen und welche Ausbildung notwendig sind, und stellen diese zur Verfügung. Propagiert man aber ein nachfrageorientiertes „Pull-Modell“, muss man konventionelle Zugänge zu Wissen hinterfragen und dabei auch die traditionellen Grenzen von Ausbildungseinrichtungen überschreiten hin zu lebensbegleitendem Lernen (vgl. Sloep et al. 2011, S. 218). Dieses bedarf einer Verschiebung von einem Fokus auf das Unterrichten als Übertragung von meist universitärem disziplinärem Wissen hin zu einem Lernen, das der Erfahrung der Lernenden und praktikergeneriertem Wissen mehr Bedeutung beimisst (vgl. Edwards 1997, S. 6), vgl. dazu auch Tab. 6. 116 Lernen als Transformation (Angebot) Adaption (Nachfrage) Reflexiver Umgang Wie verändert sich das Wissensangebot im Prozess der Lernhandlung und wie wirkt dies auf die "Wissensdarbietung" zurück? Welchen Bedarf an reflexivem Wissen produziert das Praxisfeld des Lernenden und wie verändern sich seine Begründungsstrukturen? Um- Nach welchen Kriterien wählen Lernende aus und welche Formen des angebotenen Wissens werden in das Vorwissen integriert? Wie wird Wissen aus der biographischen Perspektive des/der Lernenden und seiner/seines Praxisfeldes heraus neu konstituiert und zum Common Sense? Strategischer gang Perspektive Wissensangebot wirkt auf Le- Lebens- und Berufspraxis des bensund Berufspraxis Lernenden bestimmt Wissensandes/der Lernenden gebot Tab. 6: Übersicht über Formen lebensbegleitenden Lernens nach (Dewe; Weber 2007, S. 29) in Anlehnung an (Wexler 1981) Daraus lässt sich folgern, dass es starke Parallelen zwischen Wissensvermittlung und dem bereits in 2.1 beschriebenen neuen Zugang zur Wissensgenerierung gibt: Ebenso wie es Mode-1 und Mode-2 Forschung gibt, gibt es auch eine Art von „Mode1“ und „Mode-2“ Teaching. Ersteres ist lehrendenzentriert und stellt auf die „Genialität und Unfehlbarkeit“ des/der Lehrenden ab, letzteres ist lernendenzentriert, beachtet deren Bedürfnisse und bezieht vor allen deren Erfahrungen und Kenntnisse als Grundlagen in das Lernkonzept mit ein. Im gleichen Maße verliert auch die Vermittlung von disziplinärem Wissen an Bedeutung, so wie in der Mode-2 Forschung interund transdisziplinäre Bezüge wichtig werden. In Nachhaltigkeitsgruppen findet Lernen eher in diesem Mode-2-Lernkontext statt (Edwards 1997, S. 9), vgl. Tab. 7 Vom Zum Weitergeben von Wissen Durchdringen zur Wurzel der Themen Unterrichten v. Einstellungen und Werten Fördern einer Klarstellung von Werten Betrachten der Menschen als Problem Betrachten der Menschen als Motoren des Wandels Senden von Nachrichten Führen von Dialogen & (Ver-)Handlungen Verhalten als Experte/-in: formal & autori- Handeln als PartnerIn: informell & gleichwertig 117 tär Erwecken von Aufmerksamkeit Verändern der mentalen Modelle, die Entscheidungen & Handeln beeinflussen Ändern von Verhalten Konzentrieren auf strukturellen & institutionellen Wandel Tab. 7: Veränderungen des Lernens, bearbeitet nach (Tilbury 2011, S. 25) 4.4.3 Motive des Lernens: Interessengetriebenes, expansives Lernen Eine dritte Möglichkeit der Unterscheidung von Lernprozessen bezieht sich auf die dem Lernen zugrunde liegenden Motive. Lernen, das im eigenen Lebensinteresse begründet ist, steht im Zentrum des Werks von Holzkamp: „Lernsprünge, wie wir sie verstehen, vollziehen damit nicht sich als Annäherungen an einen irgendeinen außengesetzten Endzustand, sondern werden von mir als Lernsubjekt vollzogen, indem ich während des Versuchs der Überwindung einer bestimmten Lernproblematik (…) ‚gute Gründe‘ habe, ein ‚prinzipiell‘ höheres Niveau lernenden Gegenstandszusammenhanges zu realisieren“ (Holzkamp 1995, S. 245). Als „expansives Lernen“ bezeichnet er eine Erweiterung subjektiver Erfahrungs- und Lebensmöglichkeiten (vgl. Holzkamp 1995, S. 217), die er von einem von außen gesteuerten Lernen abgrenzt. Expansives Lernen erfordert einen Übergang von außengesteuertem Verhalten zu eigengesteuertem Handeln, von einem „Black-BoxSchema“ zu einer neuen Form sozialen Handelns (vgl. 8.3) und von einem kausalanalytischen Bedingtheitsdiskurs zu einem „hermeneutischen Begründungsdiskurs, der auf Verstehen abzielt“ (Faulstich; Ludwig 2008, S. 12ff). Holzkamp unterscheidet defensive und expansive Lernmotivationen: Erstere wollen durch Lernen eine Gefährdung/Verschlechterung der Lebensqualität verhindern und finden sich laut Holzkamp oft im schulischen/universitären Kontext (Angst vor einer negativen Sanktion in Form einer schlechten Note). Bei letzteren richtet sich die Anstrengung des/der Lernenden auf das Erlangen von Handlungsfähigkeiten, über die er/sie momentan nicht verfügt, auf „subjektive Ausweitung der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Egger 2008, S. 25), von denen der/die Lernende sich eine Verbesse- rung/Erweiterung der Lebensqualität verspricht (vgl. Holzkamp 1995, S. 190). „Expansivität wird also vom Subjektstandpunkt aus im Interesse der lernenden Per118 son gesehen und nicht in der Außenperspektive als aufgezwungenes Lernen. Das Individuum wird zum ‚Intentionalitätszentrum‘“ (Mikula 2008, S. 67). Die Hauptmotivation für Lernen in dieser expansiven Sicht liegt auf dem so genannten „intentionalen Lernen“ als einer Form sozialen Handelns, die dann zur Anwendung kommt, wenn alltägliche Handlungsroutinen scheitern und eine Diskrepanz zwischen dem offenbar wird, was man kann, und dem, was man können möchte/müsste, um ein bestimmtes Problem zu bewältigen (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 21ff). Hier offenbart sich auch die Relevanz dieses Ansatzes im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgruppen: Der/Die Lernende setzt Lernhandlungen, weil er/sie erwartet, durch das Lernen die eigenen Interessen besser erfüllen zu können. „Alle Handlungen – also auch Lernhandlungen – sind kognitive und zugleich emotionale Einheiten psychischer Aktivität. Von der emotionalen Befindlichkeit des Subjekts hängt es letztlich ab, ob Erfahrungen als Diskrepanz wahrgenommen oder unter Bekanntes subsumiert werden. Ob eine Lernhandlung ausgegliedert wird, hängt somit vom Bedeutungs- und Begründungszusammenhang des Subjekts ab, der die sachlich-gegenständliche Seite seiner emotionalen Befindlichkeit darstellt“ (Faulstich 2005, S. 539). Interessant ist hier der Aspekt, „dass ich von meinem Standpunkt aus nicht begründet gegen meine eigenen Interessen (wie ich sie wahrnehme) handeln kann“ (Holzkamp 1995, S. 26). Das liefert einen ersten Hinweis darauf, warum Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppe sich in erster Linie für die Erreichung der eigenen Interessen einsetzen, nicht so sehr für die Interessen anderer (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 24ff). 4.4.4 Zwecke des Lernens: Instrumentelles und intrinsisches Lernen Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit von Lernprozessen, nach deren Zweck, findet vor allem in den Diskursen über nachhaltige Bildung Anwendung. Sterling (vgl. Sterling 2010, S. 515) unterscheidet zwischen einer instrumentellen und einer intrinsischen Sichtweise nachhaltiger Bildung. Die instrumentelle Sicht setzt den Zweck in den Mittelpunkt, Wissen für eine nachhaltige Entwicklung in den Köpfen der Menschen zu verankern. „Wirkung“ und „Effekt“ sind dabei die wesentlichen Ziele, die zentrale Frage hierbei ist, welchem Zweck das Lernen dient. Diese instrumentelle 119 Perspektive des Nachhaltigkeitslernens ist also in behavioristischer Weise auf die Vermittlung von Inhalt fokussiert. Sterling selbst vergleicht sie mit Bateson’s Lernen I (vgl. 4.2.2). Demgegenüber betont die intrinsische Sichtweise den Prozess des Lernens (vgl. Tilbury 2011, S. 7), also die Qualität des Lernens und Lehrens, und befasst sich vor allem mit der Frage, was Bildung sei. „Lernen bedeutet hier vorwiegend ein Einfinden in einen äußeren Rahmen von Bedingungen und Zielen und nicht ein Bearbeiten der augenblicklich erreichbaren subjektiven Handlungsfähigkeiten und den möglich biografisch bedeutsamen Zielen“ (Egger 2008, S. 27). Es geht auch darum, kritische Fragen zu stellen, seine eigenen Werte zu hinterfragen, sich nachhaltigere und positivere Zukunftsszenarien vorzustellen, systematisch zu denken, durch angewandtes Lernen auf Probleme zu reagieren und zu lernen, den Grat zwischen Tradition und Innovation zu beschreiten – ein typisch konstruktivistischer Ansatz (vgl. Tilbury 2011, S. 8). Letztlich sollen durch intrinsisches Lernen selbstreflektierte und auf das Treffen von Entscheidungen in komplexen und wenig vorhersagbaren Situationen gut vorbereitete Individuen hervorgebracht werden. Die UNESCO anerkennt, dass eine Nachhaltige Entwicklung eine Verschiebung der mentalen Modelle erfordert, die unser Denken strukturieren und unsere Entscheidungen und Handlungen beeinflussen (vgl. UNESCO 2009). Dieser Ansatz nimmt daher Bezug auf Bateson’s Lernen II (vgl. 4.1. sowie Sterling 2010, S. 516). Tab. 8 stellt die wesentlichen Merkmale der beiden Ansätze gegenüber. Position Behavioristisch/ instrumentell Konstruktivistisch/ informell Ontologie Realistisch Idealistisch Epistemologie objektivistisch/ positivistisch konstruktivistisch/ interpretativ Wissensbegriff Universal Kontextbezogen Lerntheorie Unterrichtend/ instruktiv Konstruktivistisch Funktion der Umwelt-/ Mindern, abschwächen Nachhaltigkeitsbildung Entwickeln, vorantreiben Hauptmotivation Wirkungen (auf die Umwelt) Lernerfahrungen (des Individuums) Zentraler Ansatzpunkt Erwerb von Wissen, Werten, Schaffung von Bedeutung Fähigkeiten 120 Sucht nach Verhaltenswandel Aufbau von Potentialen und Selbstentwicklung Reflektiert Instrumentelle Werte Intrinsische Werte Pädagogischer Ansatz Wissensübertragung/instruktivistisch Transaktion/Transformation/konstruktivi stisch Beabsichtigte Änderung Integration (Umweltverantwor- Autonomie (das Individuum tung) als Entscheidungsträger) Intrinsische Probleme Objektivismus, kritische Refle- Relativismus, Zielorientiertheit xion kann fehlen kann fehlen Tab. 8: Fundamentale Orientierungen, die die Nachhaltigkeitsbildung beeinflussen (Quelle: Sterling 2004, S. 53). Grundsätzlich sieht Sterling bei beiden Extremen der Nachhaltigkeitsbildung mögliche Probleme: Instrumentelle Nachhaltigkeitsbildung kann zu sehr auf Vermittlung von Methoden und Kompetenzen fixiert sein und damit kritische Reflexion vermissen lassen. Intrinsische Nachhaltigkeitsbildung kann die Reflexion zu sehr in den Vordergrund stellen und, angesichts der Dringlichkeit ökologischer Probleme, zu wenig konkretes Anwendungswissen vermitteln. Ideal ist daher eine Mischung aus beiden eben referierten Positionen. All diese Erkenntnisse fließen ein in das nächste Unterkapitel, in dem Gruppen als mögliche Orte dargestellt werden, an denen Lernprozesse stattfinden können. 4.5 Gruppen als Orte des Lernens Auch wenn die Bedachtnahme auf persönliche Faktoren eine Grundvoraussetzung des lebenslangen Lernens ist, so sind Lernprozesse des Individuums doch eingebunden in kollektive Lernprozesse (vgl. Schulze 2005, S. 44). Bei der Schaffung eines geeigneten Lernumfeldes spielen Lernkameraden/Mitlernende eine wichtige Rolle. Obwohl man sich bewusst sein muss, dass nicht für jedes Individuum dieselbe Form von kollektivem Lernen geeignet ist (vgl. Sloep et al. 2008, S. 14), gibt es doch sogar Belege dafür, dass gemeinschaftliches Lernen dem individuellen überlegen ist, vor allem dann, wenn es in einem sozialen Umfeld stattfindet, das den reflektierenden Dialog und die Zusammenarbeit fördert (vgl. Chap- man; Ramondt; Smiley 2005, S. 22 und die dort zitierte Literatur). 121 Dies bedeutet allerdings nicht, dass regelmäßige oder gar ständige face-to-faceKontakte möglich oder sogar erwünscht sind. Im Gegenteil sind Sloep et al. der Ansicht, dass Lerngemeinschaften oder -gruppen recht offen angelegt sein sollen, „with a minimum of constraints as to who participates and what business is conducted and a maximum of flexibility as to the tools used and not used” (Sloep et al. 2008, S. 14). Sie beziehen diese Aussage vor allem auf Gruppen, die sich aus ursprünglich „echten“ Lerngemeinschaften (z. B. einer Gruppe von Teilnehmer/innen an einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Seminarreihe) entwickeln. Wenn diese die neu erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in ihrer Alltagspraxis umsetzen und so zu Praktiker/innen werden, bleiben sie innerhalb der ehemaligen „Gruppe“ oftmals lose miteinander verbunden, um sich auszutauschen und so weiterhin voneinander zu lernen. Man spricht in diesem Fall von sogenannten „Communities of Practice“ (vgl. 6.4.3), die durchaus netzwerkartige Beschaffenheit aufweisen (vgl. Sloep et al. 2008, S. 15). Auch wenn diese Form des Gruppenlernens in der Regel eher durch Selbstorganisation entsteht, so können zwischen der Struktur der Gruppe bzw. des Netzwerks und deren/dessen Wachstum und Dauerhaftigkeit durchaus Wechselwirkungen bestehen. So werden in Bezug auf manche speziellen Anliegen „ad hoc transient groups“ entstehen, die sich nach Beendigung des Anliegens wieder auflösen (vgl. Andriessen 2006; Berlanga et al. 2008; Sloep 2009). Die Kommunikation geraden zwischen den Mitgliedern solcher Gruppen erfolgt in den letzten Jahren aber zunehmend virtuell. Das folgende Unterkapitel baut auf den bisher beschriebenen Parametern des Lernens auf und versucht eine erste Annäherung an das lernen, wie es in Nachhaltigkeitsgruppen stattfindet. 4.6 Lernen in der Nachhaltigkeitsgruppe In diesem Unterkapitel werden viele Aspekte des Lernens und der Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen angerissen, die in den nachfolgenden Kapiteln vertieft und interdisziplinär mit Wissen aus anderen Disziplinen ergänzt und vernetzt werden. Es handelt sich daher bei den Aussagen meist um rudimentäre Zusammenfassungen. Grundlegender Ausgangspunkt ist die Aussage der OECD, dass “Sustainable Development and social cohesion depend critically on the competencies of all of our population – with competences understood to cover knowledge, skills, attitudes and val122 ues” (OECD 2001, S. 2). Daher ist es zielführend auf allen gesellschaftlichen Ebenen den Erwerb von Kompetenzen durch Individuen und Gruppen von Menschen voranzutreiben. Auf Ebene der (lokalen) Gemeinschaft weist jede gemeinschaftliche Aktion insofern eine starke Bildungsdimension auf, als die daran beteiligten Menschen in einen fortgesetzten Prozess eingebunden sind, in dem Fertigkeiten entwickelt, Wissen erworben und Erfahrungen reflektiert werden. Doch Lernen ist in der Regel nicht das vorrangige Motiv für Menschen, sich in irgendwelchen Aktionen bzw. Aktivitäten zu engagieren (vgl. 4.4.3), sondern das vorrangige Ziel ist die jeweilige Aktion oder Aktivität selbst bzw. der dadurch angestrebte Zweck. Wir lernen also oft nicht um des Lernens willen, sondern ganz beiläufig, wenn wir einen ganz anderen Zweck verfolgen (vgl. McGivney 2006, S. 13). Elsdon et al. (Elsdon; Reynolds; Stewart 1995, S. 47ff) zeigen, dass in fast allen Freiwilligenorganisationen auf lokaler Ebene neben ihrem eigentlichen Zweck eine erstaunliche Menge und Intensität an Lernaktivitäten und Einstellungsänderungen ablaufen. Diese Art von Lernen bezeichnen sie als „nicht-vorsätzlich“ und nicht durch Regeln festgelegt. Ebenso wie Lernen eine wesentliche Dimension der Aktivität vieler Freiwilligen- und Gemeindegruppen darstellt, sondern nebenher erfolgt und oft ein Nebenprodukt anderer Aktionen ist, (vgl. McGivney 2006, S. 13) sind die meisten Arten von Nachhaltigkeitsgruppen nicht bewusst dafür angelegt, Bildung zu vermitteln, sondern Lernen ist ein Nebeneffekt. Wenige Ausnahmen bestätigen in diesem Fall die Regel – so dienen etwa die zu den Nachhaltigkeitsgruppen zählenden Urban Gardening Initiativen oft dazu, den Mitgliedern Kompetenzen im Bereich Gartenbau zu vermitteln (z. B. die Berliner Prinzessinnengärten). In ihrer Publikation für die UNESCO meint Tilbury (vgl. Tilbury 2011, S. 20), dass Bildung für Nachhaltige Entwicklung die Aufmerksamkeit auf zwei wichtige und oft miteinander in Beziehung stehende Prozesse lenke: Zusammenarbeit und Dialog. Im Mittelpunkt von Bildung für nachhaltige Entwicklung stünden daher häufig Kooperationsprozesse, die darauf gerichtet sind, Fähigkeiten zu maximieren und das Lernengagement im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung zu vergrößern. Schließlich könne Bildung für Nachhaltige Entwicklung über Prozesse, die Zusammenarbeit und Dialog fördern, auch dazu beitragen, die persönliche Beteiligung der Menschen an nachhal- 123 tiger Entwicklung und ihre Problemlösungsfähigkeiten zu stärken (vgl. Tilbury 2011, S. 20) und sie damit zu lebensbegleitendem Lernen anregen, Die Implikationen zur Teilnahme an lebensbegleitenden Lernprozessen können auf verschiedenen Ebenen analysiert werden (vgl. Sloep et al. 2011, S. 208). Auf der Mikroebene des Individuums betrachtet man Parameter wie Motivation, Wahrnehmung und Intention (vgl. 8.4). In diese integriert man Determinanten des unmittelbaren Lebensumfeldes wie Familie oder soziales Netzwerk, um die Barrieren oder Neigungen zur Teilnahme an Lernaktivitäten bestimmen zu können. Lernen beginnt also beim Individuum (persönlicher Kontext), bezieht andere mit ein (soziokultureller Kontext) und findet „irgendwo“ statt (Physischer Kontext) (vgl. Folke et al. 2002, S. 36f). Diese Aspekte werden durch Engagement in einer Nachhaltigkeitsgruppe abgebildet: Menschen entwickeln ein Interesse an einer bestimmten Sache (persönlicher Kontext), versuchen sich die Hilfe anderer (eventuell bereits erfahrener) Menschen bei der Erfüllung dieses Interesse zu sichern (soziokultureller Hintergrund), vgl. 5.5. Den „Ort“ für die Erfüllung ihres Interesses finden sie in der jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppe. “So führen Greenpeace Aktivisten aus, wie Themen generiert werden, indem sie zunächst von Einzelnen bearbeitet werden und anschließend in der Gruppe gemeinsam diskutiert werden, um dann in Aktionen zu münden“ (Düx et al. 2008, S. 124). Das erfordert aber die Vermittlung von Bildung in Form des Dialogs mit den Lernenden: Aktions- oder handlungsorientierte Bildung – ob sie nun in einem formalen Setting oder informell abläuft - konfrontiert die Menschen mit den tatsächlichen Gegebenheiten ihres Umfeldes, ermöglicht ihnen die Bewertung der Ereignisse in ihrer Umgebung und hilft ihnen, eine Neuorientierung zu verlangen und sich selbst dafür zu engagieren (vgl. Fagan 1996, S. 137). Neben dem Erwerb der Fähigkeiten und Kompetenzen zu (auf Nachhaltigkeitsziele gerichtetem) geplantem Handeln muss den Menschen aber auch die dazu nötige Macht zugestanden werden. Die Vermittlung von Kompetenzen und Macht wird im Zusammenhang mit dem Empowerment diskutiert (vgl. 7.2). Nur unter diesen Bedingungen ist ein dauerhaftes Bestehen von Nachhaltigkeitsgruppen möglich. 124 Dieses erfordert aber noch eine weitere Voraussetzung: Wie wir über die Gesellschaft, Umwelt und Wandel denken, beeinflusst den ökologischen und gesellschaftlichen Wandel und umgekehrt (vgl. 6 und 9). Jedoch bedeutet das nicht zwangsweise eine direkte Kausalität im Hinblick auf unser Handeln: Denn unser Wissen über Zusammenhänge ist oft unvollständig oder fehlerhaft und wird durch Kultur, Institutionen oder unsere Sozialisierung beeinflusst (vgl. Scott; Gough 2003, S. 44ff). In der Praxis entstammen die Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe verschiedenen sozialen, politischen etc. Hintergründen und haben im Laufe ihrer Sozialisation auch durchaus unterschiedliche Schemata entwickelt. Daher bringen sie verschiedenste Ansätze, Interessen und Kompetenzen in die Nachhaltigkeitsgruppe ein. Die Gruppe lebt davon, dass sie Kompetenzen erwirbt und erweitert. Die verbindende Klammer ist jedoch die gemeinsame Idee – eine (wenn vielleicht auch etwas diffuse) Vorstellung von Nachhaltigkeit (vgl. 5.6.1). Sie ermöglicht es, die verschiedenen „Kompetenzen“, die die einzelnen Individuen einbringen, zueinander in Verbindung zu setzen, sie systemisch und systematisch (vgl. 5.1) zu „vernetzen“ und so Lernprozesse zu initiieren. Auch wenn jemand geht, bleiben die Kompetenzen (zumindest zum Teil) unter dem Schirm der Idee erhalten. Doch nicht nur der Hintergrund bzw. der Ausgangspunkt des Lernens ist individuell unterschiedlich, auch die Ergebnisse der in der Gruppe ablaufenden (informellen) Lernprozesse: Wo die Mitglieder der Gruppe herkommen, welchen Bildungs- und sozialen Hintergrund sie haben und welche Motive sie treiben, beeinflusst die Art und Weise, in der die Individuen neue Erfahrungen an ihre Schemata assimilieren. Doch assimilatives Lernen bildet nur die Grundlage, auf der das Arbeiten der Gruppe funktionieren kann. In einer instabilen, flüssigen Gesellschaft (vgl. 6) reicht dies nicht aus, sondern andere Formen des Lernens müssen ergänzend dazu treten. Im Rahmen akkomodativer Lernprozesse entwickeln daher die Gruppenmitglieder neue Schemata oder beginnen, wenn die Rahmenbedingungen völlig neue Schemata erfordern, sich selbst zu verändern und transformativ zu lernen (vgl. 4.2.2). Die organisatorische Konstante in der Nachhaltigkeitsgruppe ist der Gruppenkern, also diejenigen Menschen, die tatsächlich länger in der Gruppe verbleiben und die Idee über einen längeren Zeitraum hinweg mit Leben erfüllen (vgl. 5.5): Menschen, die die Gruppe verlassen, hinterlassen ihre Vorstellungen und Werte, aber auch ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten sowohl im Kern der Nachhaltigkeitsgruppe selbst als 125 auch potenziell in den Gruppenkernen der Issue Gruppen (vgl. Kempton et al. 2001, S. 565), vgl. 5.6.2. Es werden sowohl formale (z. B. das Know-How, wie man einen Antrag im Gemeinderat stellt, eine Vortragsreihe organisiert, eine bürgerfinanzierte Photovoltaikanlage auf die Beine stellt etc.), als auch inhaltliche Kompetenzen wie Ideale und Werte weitergegeben. Diese dienen der Gruppe als Grundlage ihres Tuns. Da die meisten Menschen innerhalb einer bestimmten Denkweise sozialisiert sind, die es ihnen erschwert, sich für andere Denkweisen zu öffnen, muss das Lernen in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen notwendigerweise interdisziplinär ausgerichtet sein (vgl. 2.1). Auch sind Nachhaltigkeitsthemen von großer Unsicherheit gekennzeichnet. Diese wiederum kann man nur teilweise aufheben, indem man Annahmen trifft und „Modelle“ entwickelt. Dadurch aber riskiert man, wesentliche Zusammenhänge zu übersehen. Umso wichtiger ist es, verschiedene Denkperspektiven einzubringen (vgl. Scott; Gough 2003, S. 32). Dies kann in einer Nachhaltigkeitsgruppe durch die oben beschriebenen Zusammenhänge besser gewährleistet werden als durch eineN EinzelneN. Zusammenfassend kann man mit Sterling die folgenden Charakteristika von Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen sehen (vgl. Sterling 2008, S. 65). Nachhaltigkeitsgruppen leisten durch ihre Arbeit einen Beitrag dazu, Gemeinschaften und Ökosysteme aufrechtzuerhalten, denn sie setzen sich mit genau diesen Themen auseinander und bringen sich darin ein. Die Grundidee der Nachhaltigkeitsgruppen ist es, ethisch korrekt, integer und vor allem im Hinblick auf die Partizipation im gesellschaftlichen System zu arbeiten und umgekehrt in basisdemokratischer Weise alle Interessierten an der Gruppe teilhaben zu lassen. Dies spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie in einer Nachhaltigkeitsgruppe (informell) gelernt wird. Nachhaltiges Lernen entwickelt sich als emergentes System. Es ist auch eine grundlegende Eigenschaft von (Nachhaltigkeits-)Gruppen, dass innerhalb eines emergenten Systems mit funktionierenden Beziehungen, die ihm beim Überleben helfen, gelernt und gearbeitet wird: Dass es Beziehungen zwischen Menschen gibt und ein “Mehrwert” über diese Beziehungen hinaus entsteht, der auch dann 126 bestehen bleibt, wenn einzelne Akteur/innen oder auch Themen sich ändern, die aber auch den einzelnen Akteur/innen Nutzen (im Sinne von neu erworbenen Fertigkeiten, Kompetenzen oder Einsichten) über die Dauer ihres Engagements für die Gruppe hinaus bringen. Nachhaltigkeitsgruppen sind von ihrem Selbstverständnis her auf Dauer angelegt. Nachhaltigkeitsgruppen bleiben bestehen, auch wenn sich Themen und Mitglieder ändern. Lernen wird daher in Nachhaltigkeitsgruppen ebenfalls dauerhaft stattfinden. 4.7 Empirische Befunde über Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen In diesem abschließenden Kapitel über das „Lernen an sich“ in Nachhaltigkeitsgruppen, werden die Aussagen der Interviewpartner/innen der empirischen Untersuchung in Zusammenhang mit den Lerntheorien gesetzt. Die Methodik der Arbeit ist so konzipiert, dass im Interviewkonzept für die empirische Untersuchung Fragen zum Thema Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen nicht enthalten sind. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Interviewpartner/innen sich zu diesem Thema spontan äußern sollten, um einen klassischen Grounded Theory Zugang zu ermöglichen. Daher enthalten die Aussagen, die im Nachfolgenden kodiert werden, keine direkten Erklärungen über das Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen; vielmehr erschließen sich die Zugänge der Interviewpartner/innen zum Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen auf einer Meta-Ebene. Man kann also aus Aussagen zu anderen Themen entnehmen, wie die Interviewpartner/innen das Lernen in Nachhaltigkeitsgruppen sehen. 4.7.1 Zu den Dimensionen des Lernens In der theoretischen Ausarbeitung werden Dimensionen des Lernens definiert, die einerseits situative, von der Umwelt abhängige Faktoren betreffen, anderseits persönlichkeitsbedingte Variablen. Illeris unterteilt in soziale, kognitive und emotionale Faktoren. Die Interviewpartner/innen machen im Wesentlichen Aussagen zu den drei Dimensionen. Bei den situativen Faktoren werden vor allem andere Menschen betreffende, sowohl förderliche wie auch nachteilige Faktoren identifiziert. So meint eine Interviewpartnerin, dass das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen oft scheitert 127 „einfach aus Zeit- und Ressourcenmanagement und auch an den fehlenden beruflichen und privaten, familiären Strukturen, um zu arbeiten und die die nötige Sicherheit und Ordnung bringen, um die unruhigen inneren Fragen und Stimmen zur Ruhe kommen lassen“ (Paula S. 4 24-27). Praktischere Probleme identifiziert ein anderer Interviewpartner zum Projekt der Energieeffizienausbildung für Haushalte: „Da wurden Mails nicht weitergeleitet, weil der Administrator nicht will, man kann Sachen zum Beispiel kann man ganze Computer nicht in den Energiesparmodus stellen, weil der Administrator nicht will, dass das geändert wird; never change a running system. Da haben wir bald gemerkt, wie schwierig so was sein kann. Im Konkreten hat sich gezeigt, dass das Ganze doch etwas zu groß war, etwas zu ambitioniert, aber war auch sehr lehrreich“ (Roman S. 2 11-16). Und eine weitere Interviewpartnerin fragt: „(W)ie will man Wissensmanagement machen, wenn die Menschen nur hie und da ihre email lesen, ihre Aufgaben nur sporadisch erledigen, zu den Veranstaltungen nicht kommen, zu den Organisationstreffen nicht kommen und sich dann hinterher beschweren, dass sie nicht informiert wird? Ich habe in den letzten drei jahren sehr viel über schwankende Veranstaltungsformen und Organisationen gelernt. Das bringt harte Erfahrungen im Umgang mit Menschen innerhalb einer Organisation“ (Sophie S. 2 10-16). Dem setzt eine andere Interviewpartnerin gegenüber, dass ihre Arbeitspartner/innen „alles Leute (seien), die ich bedingungslos und loyal in ihrer Schrägheit und Klugheit schätzen gelernt habe. So wie wir oft auch aneinander geraten sind. Die leben gar nicht alle in Berlin. Es sind alles relativ zufällige Begegnungen; auf einer Konferenz mal oder bei einer Performance. Das ist ganz komisch. Es war oft nur einen Blick, ein Wort oder einen Spruch und ich habe mir gedacht: Wir sollten uns mal weitersprechen“ (Paula S. 4 36-41) und weiter: „3+x war für mich die intensivste Phase, weil es für mich so eine Kollektivität gab. Mit den beiden habe ich 6 Jahre lang zusammengearbeitet und das war auch sehr 128 schön, weil mich beide kein einziges Mal enttäuscht haben, und das habe ich nie wieder erlebt. Das war großartig und auf einer Qualitätsebene, wo ich beiden 100%ig vertraut habe“ (Paula S. 6 25-29). Doch sieht ein Befragter Grenzen für das Engagement auch in den beschränkten Ressourcen der Engagierten: „Es gab Wochen, da bin ich auch drei Mal in der Woche in Nachhaltigkeitsgruppen drin und habe diskutiert, was man noch alles machen kann. Montags Uni-Solar, mittwochs Sparkampagne und dann donnerstags noch einmal über die Themenreihe reden. Das war dann auch viel, viel, viel zu viel“ (Roman S. 7 37-40). Und er setzt fort: „Ein anderer Aspekt ist auch die neue Gestaltung des Studiums. Früher hatten die Studenten mehr Freiheiten, heute sind sie wesentlich mehr eingeengt. Sie fragen sich, ich kann in meiner eingeschränkten Freizeit kaum Sport einbringen, wie soll ich da Zeit für Ehrenamtliches haben? Die Aktiven, die es heute gibt sind Studenten, die nach dem alten Studienplan studieren, teilweise auch solche, die an ihrer Diss arbeiten, Leute, die vielleicht auch schon mit der Uni fertig sind und sich noch einem Projekt verpflichtet fühlen oder es sind Leute, die kurz vor dem Bachelor stehen und damit mehr Freiräume haben oder die im Master stehen und damit mehr Freiräume haben“ (Roman S. 6 22-30). Einschränkungen dieser Art, zu denen auch berufliche Verpflichtungen wie Arbeitsortwechsel oder Familiengründungen zählen, sind eher als direkte Umfeldfaktoren zu werten. Dazu gehören nach Meinung der Interviewpartner/innen Aspekte wie das Finden von Räumen, der Zugang zu Medienkanälen und deren Finanzierung sowie überhaupt die Finanzierung, die teilweise als eher mühsam empfunden wird: Teilweise werden kleinere Projekte wie das Jugendprojekt in Kreuzberg von Stiftungen oder der Bundesregierung mit kleineren Geldbeträgen unterstützt. Die studierendenbasierte Nachhaltigkeitsgruppe des Rates der Sachverständigen unterstützte über eineinhalb Jahre lang nur die Koordinatorin mit einem Betrag von 500 Euro und stellte 10.000 Euro für die sonstige Finanzierung bereit. Der „ÜberLebensKunstKlub“ wurde hingegen voll von staatlichen Einrichtungen finanziert, was sich aber offenbar wieder negativ auf die Motivation auswirkte, und die Nachhaltigkeit bzw. Dauerhaftigkeit die129 ser Initiative wurde von mehreren Interviewpartner/innen eher skeptisch eingeschätzt (wie man mittlerweile weiß zu Recht, denn nach zwei Jahren sind von der Initiative in Berlin keine Spuren mehr vorhanden). Mit Ausnahme der Kuratorin hier gab es in keiner der untersuchten Nachhaltigkeitsgruppen hauptamtlich tätige Mitarbeiter/innen. Doch gibt es Unterstützung in finanzieller und nicht-finanzieller Form für viele der Gruppen. Die studentischen Initiativen an den Universitäten werden meist von Instituten unterstützt, indem Räume zur Verfügung gestellt werden, auch nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen (wie GEPA ®)4 unterstützen die Initiativen etwa mit kleinen Geschenken für Vortragende. Auch andere Initiativen bekommen gratis Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt (wie die Social Bar oder der Jour fixe der Nachhaltigkeitsgruppen) oder können Kommunikationsmöglichkeiten (Annoncen, Ankündigungen in Printmedien etc.) nutzen. Nur ein verschwindend kleiner Teil hebt Mitgliedsbeiträge ein, die dann nicht sehr hoch sind. Allerdings ist es für manche Projekte in den Gruppen nötig, einen Verein zu gründen, entweder um Fördergelder zu erhalten oder, wie beim Solarprojekt an der Freien Universität, überhaupt als Vertragspartner auftreten zu können. Die Interviewpartner/innen sprechen aber auch die intrapersonellen Faktoren des Lernens an. Im Hinblick auf die kognitive Dimension, den Transfer von Wissen, meint ein Interviewpartner: „Wenn es eher so einen Stammtischcharakter hat, dann reicht das aus meiner Sicht das Nurbiertrinken nicht aus, da muss etwas Inhaltliches dazu“ (Heinrich S. 2 8-10). Und die Tiroler Interviewpartnerin ergänzt: „Neue Leute kann man nur halten, indem man sie beschäftigt, indem man ihnen Aufgaben und Möglichkeiten gibt, sich selber einzubringen. Mit der Frage: Was ist denn Thema, was ist dir wichtig was möchtest du tun?“ (Anna S. 9 34-36). Im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsgruppe des Rates der Sachverständigen meint eine andere Interviewpartnerin: 4 Das ist eine Fairtrade-Handelsgesellschaft 130 „So gab es viele unterschiedliche Faktoren, die das Projekt erfahrungsreich gemacht haben. (…) Wir wussten, dass wir sehr wohl Prozessverluste hatten und damit auch mit der Arbeit nicht 100%-ig zufrieden waren“ (Jasmin S. 2 23, S. 7 13). Das entspricht dem Austausch von Know-How, der in diesem Fall offenbar nicht zur vollsten Zufriedenheit der Beteiligten geklappt hat. Doch die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen sind meist bestrebt sich zu verbessern und zu lernen, wie ein Kommentar einer anderen Interviewpartnerin belegt: „Wir haben dann angefangen, unsere Kommunikation, unsere Homepage zu verbessern, einen Newsletter zu machen“ (Paula S. 1 28-29). Doch sie ist sich auch im Klaren, „dass es sehr zeitaufwändig, organisations- und kommunikationsaufwändig ist“ (Paula S. 5 35). Denn, wie eine andere Interviewpartnerin ergänzt, die Menschen, die neu zu einer Nachhaltigkeitsgruppe stoßen oder eine (wie im konkreten Fall eine Social bar) neu gründen wollen, müssen sehr vieles lernen: „Die müssen nicht nur lernen, wie man Facebook benutzt und wie man twittert, sondern es geht auch um die Wandlung von Organisationsstrukturen“ (Sophie S. 1 26-28). Ein anderer Interviewpartner erzählt über das Kreislaufwirtschaftsprojekt im Berliner Ausländerbezirk Zehlendorf: „(W)ir haben uns die Kernaufgabe vorgenommen, kann man eine autarke Kreislaufwirtschaft in einer solchen Region in Verbindung mit dem Land hochziehen“ (Stefan S. 1 27-29). was die Vermittlung von großen Mengen an entsprechendem Know-How voraussetzt, ebenso wie das Energiesparprojekt der Berliner Umweltpsychlogiestudierenden, die nicht nur selbst Wissen über Energiesparen erwerben müssen, sondern auch noch Möglichkeiten und Wege entwickeln, wie dieses Wissen effektiv an die Zielgruppe „Migrant/innen“ weitergegeben werden kann. Doch nicht nur die Zielgruppen lernen im Rahmen der Aktivitäten von Nachhaltigkeitsgruppen, auch die Trä131 ger/innen der Gruppen selbst lernen viel, wie eine Interviewpartnerin auf den Punkt bringt: “Ich habe in den letzten drei Jahren sehr viel über schwankende Veranstaltungsformen und Organisationen gelernt. Das bringt harte Erfahrungen im Umgang mit Menschen innerhalb einer Organisation“ (Sophie S. 2 13). Damit ist auch schon die emotionale Dimension des Lernens in Nachhaltigkeitsgruppen angesprochen, die Energie, Gefühle und Motivation umfasst. Diese Dimension halten die Interviewpartner/innen für besonders wichtig, wie eine Interviewpartnerin direkt auf den Punkt bringt: „Auf jeden Fall muss es auch Spaß machen“ (Sophie S. 4 32). Von Spaß sprechen auch andere Interviewpartner/innen, sehen dabei aber auch noch andere Akzente: „Mir liegt daran, mit anderen Menschen Spaß zu haben, mit anderen Menschen etwas auf die Beine zu stellen und mit ihnen etwas verändern zu wollen. (…) Das macht Spaß, weil dann da immer wieder neue Projekte, die sich vorstellen kommen, da ergeben sich Synergien“ (Amanda S. 1 35-41). Hier geht es um den Spaß, den die Initiatorin empfindet, ihren Idealismus, aber auch um den Spaß, den andere beim Umsetzen des Kochtütenprojektes haben sollen. Dies betont auch ein anderer Interviewpartner: „Man muss immer mehr darauf schauen, dass ein Unterhaltungswert dabei ist, was man tut, weil das Bindungsenergie erzeugt. Wir machen gemeinsame Freizeitgestaltung“ (Stefan S. 6 19-21). Und ein dritter Interviewpartner folgert „Der erfolgreichste Trick war, sie relativ schnell mit einer Aufgabe zu beglücken. Also eine sehr einfache Aufgabe geben, dass sie das Gefühl hatten, sie sind dabei und tun was“ (Heinrich S. 1 36-38). Das reflektiert wiederum der erste Interviewpartner: „Das ist nicht Führen durch Anweisung, sondern da müssen Faszination und Vision oder Utopie, da müssen die Leute sehen: ah! Wir haben die gleiche Idee, denselben Traum, an dem wir arbeiten, und wie bringe ich mich da gerade ein. (…) Es 132 muss etwas dabei sein, wo die Leute sagen: Das ist nicht nur der Sache geschuldet, sondern dem Unterhaltungswert einer Veranstaltung“ (Stefan S. 3 23-27). Zentral ist hier allerdings nicht das „Wir-Gefühl“ bzw. die Kohäsion, sondern eher das Gefühl, sich für eine gute Sache einzusetzen: „Wir waren alle unheimlich stolz darauf, dass wir gegenseitig uns irgendwie gestützt haben und dass die Leute auch dabeigeblieben sind“ (Jasmin S. 7 14-15). Eine andere Interviewpartnerin bestärkt diesen Eindruck: „Wichtig ist, gesegnet zu sein mit Ideen und Neugier und das zusammen zu ziehen für einen Moment, dass es Sinn macht, eine Aktion zu machen“ (Paula S. 1618). Doch sie ist sich auch bewusst, dass negative Emotionen ein Engagement zum Erliegen bringen können: „Das habe ich am Anfang moderiert und losgestoßen, aber ich habe mich später nicht mehr so wohlgefühlt und nicht mehr gelernt dabei. Und habe mich auch gar nicht mehr darauf gefreut, dahin zu gehen. Es wurde zu einer Pflicht und deshalb bin ich dann rausgegangen“ (Paula S. 6 19-22). Zwischen der emotionalen und der sozialen Ebene des Lernens angesiedelt sind Befunde zu Konflikten in den Gruppen, denn „wenn Menschen mit verschiedenen Meinungen aufeinander treffen, gibt es eine Krise. Diese Krisen sind vorprogrammiert“ (Anna S. 10 16-17). Allerdings gehen die Meinungen zu Nutzen und Gefahren von Konflikten durchaus auseinander: Eine Interviewpartnerin ist der Meinung, „es gab zu wenig Konflikte. Ich habe das Gefühl, dass wir oftmals allzu sehr in der Wohlfühl-Soße waren, obwohl wir wussten, dass einiges falsch läuft und alle unzufrieden sind mit dem Widersinn ihrer eigenen Handlungen, mit dem Wissen, um das richtige Tun im Falschen und überfordert sind mit dem alltäglichen Entscheidungen mit den alltäglichen Fragen“ (Paula S. 7 3-7). und eine andere meint sogar: 133 „In der Krise entstehen oft versteckte Beleidigungen. Es ist dann wichtig, dass man Eitelkeiten, Beleidigungen, die oft durch Missverständnisse entstanden, sind anspricht. Dann kommt wieder eine neue Dynamik in die Gruppe, weil man dann beginnt, die Tagesordnung umzustellen oder etwas anders zu machen als vorher. In jeder Krise besteht die Chance, neu zu beginnen und damit neuen Schwung zu erhalten“ (Anna S. 11 10-12). Doch die meisten empfinden die Konflikte als belastend: „Anfangs wo wir uns gegenseitig kennengelernt haben. Das hat letztendlich zu total viel Misstrauen geführt. (…) Konflikte haben Vorrang, wenn die auftauchen und die kann man nicht hintenan stellen. Das war ein teures Treffen, weil wir aus ganz Deutschland kamen und (…) man hat genau gemerkt, dass es keine Chance gab. Wir mussten unsere Missverständnisse aufarbeiten“ (Jasmin S. 2 12-13, S. 5 2223, S. 5 24-25). Doch nicht nur Konflikte können auftreten, die Interviewpartner/innen geben auch Befunde darüber ab, dass sich die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen „gegenseitig aus dem Motivationsloch herausholten. Weil wir gegenseitig gemerkt haben, ob es jemanden gut ging und nicht mehr so aktiv war. Dann wurden Mails geschrieben und gegenseitig ausgetauscht, wie geht es dir denn und so. Das hat sich mit der Zeit so ergeben, dass es von unterschiedlichen Leuten ausging. Ich hatte auch schon einmal ein Motivationsloch und dann kamen meine Projektkolleg/innen und sagten: ‚Mensch so ein tolles Projekt und so und das hat unheimlich gut getan. (…) Wo ich auch keine Angst haben muss, dass die mich im Stich lassen, wenn sie plötzlich auch viel zu tun haben. So gab es viele unterschiedliche Faktoren, die das Projekt erfahrungsreich gemacht haben“ (Jasmin S. 6 6-12, S. 2 22-24). Der Kontakt in den Nachhaltigkeitsgruppen läuft zu einem großen Teil virtuell ab, doch auch dabei ist es wichtig, „dass man den persönlichen Kontakt pflegt. Das heißt auch, dass man Persönliches einbringt, dass man am Anfang eines Telefonates auch über persönliche Dinge quatscht“ (Jasmin S. 5 13-15), da 134 „es wichtig ist, dass man sich gegenseitig wertschätzt“ (Jasmin S. 5 11). Die virtuelle Kommunikation bringt jedoch viele Vorteile, denn etwa „(w)enn man neue Mitarbeiter hat, muss der die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen und dass diese relativ flott und nett beantwortet werden“ (Sophie S.4 3032). wozu die Kommunikation über Internet, etwa zeitversetzt über emails und Foren, durchaus Vorteile bietet. So beschreibt eine Interviewpartnerin den Einstieg in die Social Bar: „Die wesentlichen Informationen findet er auf der Homepage. Dann soll er sich an Info@socialbar wenden. Dann bekommt er die erste socialinfo mail. Dann erfolgt ein Telefonat. Er bekommt eine Emailadresse und eine Wiki-Seite eingerichtet, mit der er dann arbeiten kann“ (Sophie S. 6 8-11). Auch beim Jour fixe der Nachhaltigkeitsgruppen läuft ein großer Teil der Kommunikation über email und auch facebook. Aber auch zufällige Bekanntschaften von Kongressen werden eingeladen oder mögliche Teilnehmer/innen während der Treffen vorgeschlagen. Hier, wie in den meisten Gruppen, zeigt sich, dass Kommunikation und Kontakte meist sehr informell erfolgen. Dazu erzählt eine Interviewpartnerin: „Es gab keinen Gruppenvertrag zwischen den Initiativen. Den haben wir irgendwann gemacht, aber das war erst nach Monaten, als klar war, wir brauchen so was. Oder wir hätten so was schon vorher gebraucht. Am Anfang war alles informell zwischen einzelnen Leuten“ (Jasmin S. 3 16-19). „Auch erfolgreiche Veranstaltungen tragen zum Zusammenhalt bei und wenn die Menschen kommen, sich wohl fühlen und sagen: Das ist eine tolle Veranstaltung, dann sagen sich die Mitarbeiter: Wow das ist eine gute Veranstaltung und ich trag es mit“ (Stefan S. 4 32-35). 4.7.2 Zu den Lernformen Die empirische Untersuchung zeigt, dass in Nachhaltigkeitsgruppen Lernen in ähnlicher Form vonstatten geht wie in anderen Lernkontexten. Die wesentliche Lernform ist das assimilative Lernen, also das Anpassen von (neuen) Kontexten an schon vorhandene Schemata, bzw. das Lernen II nach Bateson. Bekannte Schemata überträgt 135 etwa die Interviewpartnerin aus der Tiroler Gemeindegruppe auf neue Kontexte, indem sie beschreibt, wie Anfragen aus Issuegroups unterstützt werden, indem man ihnen hilft „zum Beispiel Podiumsdiskussionen zu starten oder Unterschriften leisten, Medienarbeit zu unterstützen, Plakate und Transparente bezahlen. (…) Wir würden sie mit Geld und Erfahrung unterstützen; auch in der Medienarbeit“ (Anna S. 7 17-19). Ähnlich ist die Erfahrung des Umweltpsychologen, der aus seinem Erfahrungsund Wissenshintergrund das Projekt zum umweltverträglichen Handeln aufgesetzt hat und „da eine Kampagne initiiert für zwei Fachbereiche, die wollten wir miteinander vergleichen und die bekommen eine Intervention und die andern nicht. Ein typisches experimentalpsychologisches Design, um zu schauen, ob das geht“ (Roman S. 2 7-10). Und innerhalb einer dritten Issuegroup hat die Gruppe „ ‚Repair Berlin‘ (…) Toolkits gebastelt. Mit genauer Bastelanleitung ‚Wie mache ich eine Aktion?‘. Und gehen den Fragen nach: Welche Gegenstände, welche Leute? Wie kommuniziere ich, worauf muss ich aufpassen? Sie nutzen damit diesen Open Source Spirit, um das weiterzugeben“ (Paula S. 5 4-7). In diesem Fall finden sogar mehrere assimilative Lernvorgänge zugleich statt: Die Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppe wenden ihr vorhandenes Wissen an, um ihr Wissen weiterzugeben, und die Zielgruppe lernt Dinge zu reparieren. Auch der Befragte mit Erfahrungen von Studierendenstammtischen meint, dass man auf vorhandenen Schemata aufbauen kann: „Wenn man dann eine Unifete mit 3000 Mann organisiert hat, und danach hat Revue passieren lassen, was war gut, was ist schiefgelaufen? Und dann wussten wir beim nächsten Mal, wenn die Leute da noch da waren, was passiert. Man musste es aber nicht immer neu erfinden, weil das Wissen ja in den einzelnen Personen gespeichert war. Es hat zwar Zettel gegeben, die ein Praktikant angefertigt hat, das waren so To-Do-Listen, die man dann hervorgeholt hat, aber eigentliche Do- 136 kumentationen gab es keine. Im Wesentlichen wurde das Wissen von Personen zu Personen weitergegeben“ (Heinrich S. 6 19-28). Auch die Berliner Ashoka Initiative dockt an bereits erprobten Schemata an, um immer wieder neue Themengruppen (Issuegoups) bei der Erarbeitung von Themen wie Drogenkonsum, Umgang mit Immigrant/innen etc. zu unterstützen. Weitere Interviewpartner/innen berichten, dass man sich sowohl bemüht, die eigenen Formate (also auch wieder Schemata) auf andere regionale oder inhaltliche Kontexte zu übertragen (z. B. als räumliche Erweiterung in Orte wie Brüssel oder Bonn, Nutzung von Wikis, um Informationen zu verbreiten), als auch von anderen Organisationen wie NGOs oder Stiftungen zu lernen, wie diese erfolgreiche Formate entwerfen: „Wir können dabei einen doppelten Nutzen ziehen: Wir können einerseits lernen, wie man Veranstaltungen organisiert und holen uns den Input selber, und noch dazu: Wir haben auch noch die Möglichkeit zu netzwerken. Also laden wir uns die Leute ein“ (Roman S. 1 12-15). Doch manche der Versuche, auf bekannten Schemata aufzubauen, scheitern auch, wie eine Interviewpartnerin erklärt: „Wir haben ziemlich viel auch darüber reflektiert. Es gibt über unsere Arbeit auch viele Erfahrungsberichte. Darin wird darüber reflektiert, warum unsere Arbeit schlussendlich nicht so erfolgreich war wie wir uns anfangs erhofften oder wie es hätte sein sollen. Wir hatten ein Arbeitspapier. Das war in Ordnung. Wir waren aber schließlich nicht so gut wie wir hätten sein können“ (Jasmin S. 1 42 –S. 2 2). Später führt sie weiter aus: „Es ist uns auch nicht gelungen, die Einzelergebnisse zu integrieren und auf ein anderes Abstraktionsniveau und bringen. Die Aufgabenstellung war so schwierig, dass wir am Anfang gar nicht wussten, wie schwierig die Aufgabe sein würde. Wir haben viel gelernt damit. Es ist sehr schwierig, in Papier zu schreiben, wenn man fast nur virtuell zusammenarbeitet“ (Jasmin S. 2 7-11). Schließlich ist sie sich bewusst: 137 „Wir hätten schon von Anfang an mit Dropbox arbeiten sollen. Das hatte niemand vorgeschlagen. Das ist viel praktischer als eine Plattform, auf die man alles hochladen muss“ (Jasmin S. 2 33-34). Und abschließend folgert sie: „So gab es viele unterschiedliche Faktoren, die das Projekt erfahrungsreich gemacht haben. Man kann nicht sagen, dass es schief gegangen ist, aber wir wissen, dass sehr viel mehr dringesteckt hätte, wenn man betrachtet, welches Datenmaterial wir zur Verfügung gehabt hätten. Das ist so wie wenn man Statistiker ist und viele Daten hat und die Interpretation schlussendlich nicht mehr schafft“ (Jasmin S. 2 24-27). Für diese umfangreichen und komplexen Arbeiten wären daher modifizierte Schemata hilfreich gewesen. Für diese Fälle kommt eher die Lernform der Akkomodation von Schemata bzw. Lernen III nach Bateson in Frage, für die im Rahmen der empirischen Untersuchung ebenfalls einige Belege gefunden wurden. Das kann sogar ureigene Aufgabe einer Nachhaltigkeitsgruppe sein, wie im Fall der Gruppe des Rates der Sachverständigen: „Im Wesentlichen ging es darum neue, innovative Veranstaltungsformate zu entwickeln; für Studenten, die zur Nachhaltigkeitskommunikation beitragen können. Nicht nur Unterrichtformate, sondern jede Art von Event. Wir sollten also überlegen, wie man Events gestalten kann“ (Jasmin S. 1 24-27). Und wiederum in Art einer Akkomodation resümiert sie über ihre Gruppe: „Also den letzten Schritt. Ich glaube, das ist uns nicht ausreichend genug gelungen. Aber wir haben ja, als Teil unserer Ergebnisse, den Reflexionsbericht, aus der Erfahrung mit ehrenamtlichen Gruppen, die fast nur über moderne Medien zusammenarbeiten und was man dabei beachten muss“ (Jasmin S. 2 27-30). Hier regt sie also eine Veränderung der Schemata bezüglich Zusammenarbeit ehrenamtlicher, quasi-virtueller Gruppen an. Über eine mögliche Akkomodation berichtet ein anderer Interviewpartner: „Wenn aber die Psychologen dazugekommen wären und die Naturwissenschaftler und die Bautechniker und noch andere, dann hätten wir gemerkt, dazu gibt es ins138 gesamt noch ein solches Thema und dann wäre tatsächlich so ein Niveausprung passiert. Dann wäre aus der Initiative Umwelt in die BWL eine Initiative Umwelt in der Universität Mannheim entstanden. Dann hätte es einfach einen Themensprung gegeben, mit einer Veränderung der Institution an sich auch“ (Heinrich S. 4 29-33). Doch auch die Gruppen an sich nehmen sich teilweise vor, bei Dritten eine Akkomodation zu bewirken, etwa mit dem Kochtütenprojekt: „Wir stellen eine Kochtüte mit Fairtrade und Bioprodukten zusammen und bieten diese gemeinsam mit einem Kochrezept an. Wir haben dazu mit Medien zusammengearbeitet, haben Interviews gegeben, haben das durch Facebook auch ins Netz gestellt, (um) Menschen in ihrem Werden und ihrem Sein zu unterstützen“ (Amanda S. 2 20-23). In größerem Stile fand eine solche Akkomodation beim Photovoltaikprojekt an der Freien Universität Berlin statt, das selbst aus eine Akkomodation des urspünglichen Nachhaltigkeitsgruppenkonzeptes entstanden ist: „Irgendwann haben dann einige gesagt, das ist uns zu wenig, wenn wir nur diese Vorlesungsreihen machen, ist ganz schön und gut, aber uns ist das zu verkopft und wir wollen mehr Bezug zur Praxis haben. Daraus sind dann so Sachen entstanden wie das Uni-Solarprojekt, eine darlehensfinanzierte Photovoltaik-Anlage“ (Roman S. 1 30-33). Das Projekt selbst wurde dann mit der innovativen Idee des Crowd-Funding ins Leben gerufen, indem die Menschen ganz kleine private Darlehen gaben, um eine Photovoltaikanlage zu finanzieren. Hier hob man sich ganz bewusst von konventionellen Schemata der Umsetzung solcher Großprojekte ab. 4.7.3 Zu den Gestaltungskompetenzen Als Gestaltungskompetenzen für Nachhaltigkeit wurden Fähigkeiten definiert, mithilfe derer das Individuum aus der Ggenwart Hinweise für zukünftiges Handeln ableiten kann. Für alle genannten Gestaltungskompetenzen finden sich in den Interviews Belege, wenn auch nur wenige für die Bereiche „interdisziplinär Denken“ und „solidarisch Handeln“. Hier kann man nur den Schluss ziehen, dass beide Kompetenzen 139 von den Interviewpartner/innen so weit verinnerlicht und als selbstverständlich angesehen werden, dass sie darüber nicht weiter erzählen. Doch zu den anderen Gestaltungskompetenzen lassen sich viele Befunde ableiten: Integrativ Wissen baut etwa die Arbeitsgruppe des Rates der Sachverständigen auf, die sich nach der Erledigung der eigentlichen Aufgabe (Entwickeln von Veranstaltungsformaten für junge Menschen) umgewandelt hat in ein größeres Netzwerk, damit man weiterhin die Verbindungen nutzen kann, in Form einer Art „Community of Pratice“. Auch das bewusste Differenzieren von Fragestellungen, mit denen die Nachhaltigkeitsgruppe „3+x“ im Laufe ihrer diversen Themen an unterschiedliche Organisationen herantritt, ist ein Vorgang, in dem integrativ das Wissen aufgebaut wird, wie man unterschiedliche Akteure anspricht. Einer der Interviewpartner reflektiert allgemein über Kompetenzen, die erworben werden müssen: über den „Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften. Auf ein Thema fokussiert, mit einem entsprechenden Entwicklungsfahrplan, wo jeder für sich entscheiden kann, wo er einsteigen will und daran mitwirken will“ (Stefan S. 3 16-18). Und eine Interviewpartnerin meint: „Es freut mich, dass es immer wieder Menschen gibt, die meine Interessen teilen, weil das Wissen nur wächst, wenn es geteilt wird“ (Paula S. 6 6-7). Das hängt wiederum eng mit einer weiteren Gestaltungskompetenz, dem Motivieren anderer, zusammen, etwa indem man ihnen bei Bedarf eine „Bühne“ zur Verfügung stellt, wie dies die Grüne Gemeindegruppe tut. Denn „(g)erade im politischen Bereich ist es sehr schwierig, Menschen zu motivieren, weil die Politik zur Zeit ein sehr schlechtes Renommé hat. Es war schon in den letzten Jahren sehr schwierig und wurde immer schwieriger, Leute für politische Arbeit zu motivieren“ (Anna S. 9 27-30). Mehrere Befragte sind sich einig, dass es immer etwas Neues geben muss: neue Projekte (Anna), neue Impulse (Stefan), „geile Ideen“ bei denen es um handfeste Dinge geht, wie beim Photovoltaikprojekt (Roman). Dabei erfahren die Mitglieder des Guppenkernes, wie sie als Initiator/innen, Moderator/innen oder Enabler fungieren können (Paula). Wesentliches Element der Motivation anderer ist es ihnen Erfolgserlebnisse zu vermitteln (Roman, Sophie). Dazu gehört auch, sich – auch in rein virtu140 ellem Kontakt - auf eine persönliche Ebene zu begeben, um eine Art von Vertrautheit zu schaffen (Jasmin) oder sich einmal in kleiner Runde zu treffen, um persönlichen Kontakt zu schaffen (Anna). Der persönliche Kontakt führt allerdings auch zu Konflikten, weswegen eine wesentliche Gestaltungskompetenz die Bewertung, Darstellung und Erklärung von Konflikten betrifft. Hier liefert die empirische Untersuchung eine ganze Reihe von Ergebnissen: Die Interviewpartner/innen sind sich einig, dass Krisen und Missverständnisse vor allem am Beginn von Initiativen entstehen, wenn es verabsäumt wird, für gegenseitiges Verständnis und Verstehen zu sorgen (Anna, Jasmin, Stefan). Doch können Konflikte auch hochgehen, wenn eine Initiative die Richtung ändert (Heinrich) oder wenn zwischen Mitgliedern und Außenstehenden die Kommunikation nicht gut funktioniert (Jasmin). Jedenfalls sind sich mehrere Inteviewpartner/innen einig, dass Konflikten ein großes Veränderungs- und Verbesserungspotenzial innewohnt: „Ich nutze Krisen, weil ich meine, dass Krisen ein wunderbarer Hort sind, um Bindungsenergien auszulösen. Im Streit festigen sich Bindungen“ (Stefan S. 6 29-30). Das allerdings, auch hier sind sich die Interviewpartner/innen einig, braucht Zeit. Wenn diese nicht vorhanden ist, läuft die Initiative Gefahr zu scheitern (Sophie). Dies erfordert aber weitere Gestaltungskompetenzen in Form der Bereitschaft zu Partizipation auch, aber nicht nur an Entscheidungsprozessen. Diese Bereitschaft und Fähigkeit zu partizipieren und partizipieren zu lassen, hat auch viel mit Macht zu tun: „Ein wesentlicher Teil, warum die Menschen mitmachen und sich einbringen, ist die Mächtigkeit. Die Erkenntnis der Machtlosigkeit wollen die Menschen nicht mehr ertragen, sondern wollen etwas aktiv dagegen tun“ (Anna S. 6 42 – S. 7 2). Ein Interviewpartner stellt fest, dass im Hinblick auf Studierendenprojekte „die Studenten früher viel mehr Freiheiten hatten. Heute sind sie wesentlich mehr eingeengt“ (Roman S. 6 22-23). Um einer Einengung zu entgehen, hat sich eine Interviewpartnerin entschieden, in ihrer Partei 141 „Sachen nur noch mit zu unterstützen mit meinen Fähigkeiten, da muss ich gar nicht kämpfen“ (Amanda S. 1 38). Vielmehr ist für sie Spaß wiederum ein ganz wichtiger Motor, ebenso wie der Wunsch „die Welt ein kleines Stück mit zu verändern zu wollen“ und so zu partizipieren an einem großen Ganzen, denn „(e)s gibt auch junge Menschen, die interessiert sind, mitzuhelfen und mitzuarbeiten“ (Amanda S. 2 41-42). Partizipation bedeutet aber nicht, dass neben der Verantwortung auch die gesamte Arbeit bei einer Person konzentriert bleibt: “Ich habe mir dann gesagt: Gut, ich habe zwar die Koordination übernommen, aber ich habe nie zugesagt, dass ich die hauptsächliche Arbeit alleine übernehme“ (Jasmin S. 3 32-33). In diesem Fall hat die Gruppe auf die stummen Hilferufe der Koordinatorin reagiert und sich weiter eingebracht. Doch auch andere Interviewpartner/innen sehen es so, dass die Führung nicht bei einer einzelnen Person liegt, sondern dass ohne Hierarchie in Netzwerken geführt werden muss, nicht „durch Anweisung, sondern da müssen Faszination und Vision oder Utopie“ (Stefan S. 3 23). mit im Spiel sein, damit sich die Menschen einbringen. Ein wesentliches Element dafür ist, dass die Gruppenintiator/innen bzw. Gruppenkernmitglieder bereit sind, Ressourcen (Räume, Know-How) zur Verfügung zu stellen (Roman, Anna). Eng mit der des Partizipieren-Könnens verbunden sind die Kompetenzen, Situationen einzuschätzen und verstehen zu können sowie vorausschauend denken und handeln und zu können. „Eine Gruppe ist ja kein statischer Zustand, sondern die Gruppe verändert sich laufend. Die verändert sich mit den Mitgliedern, die verändert sich mit den Gegebenheiten, die verändert sich mit den Interessen und daraus entsteht ein dauernder Gruppenbildungsprozess“ (Anna S. 10 21-23). Eine andere Interviewpartnerin sieht das in ähnlicher Weise: 142 „Auch bei den anderen Gruppen gibt es so eine Art Sinuskurve. Da gibt es so ein Auf und ein Ab. Da gibt es ein Projekt, das man antreiben muss und an die Öffentlichkeit bringen muss. Am Anfang brauchen Projekte sehr viel Zeit und da hat man dann nicht mehr so viel Zeit für andere Dinge“ (Amanda S. 5 2-4). Als Antrieb sehen die meisten Interviewpartner/innen auch hier persönliche Motive: „Gruppenmitglieder, das sind meistens Leute, die sich für irgendwas engagieren wollen; für einen Bereich. Sie kommen aus eigenem Interesse. Wenn sie selber Schwierigkeiten haben mit der Stadt oder so, dann kommen die meisten her und wollen irgendwas“ (Anna S. 2 17-20). Allerdings gehen die Meinungen auseinander, wenn es um die Bedeutung der Ehrenamtlichkeit und der externen (finaziellen) Unterstützung geht: Während eine Befragte meint, „wenn es um Konstanz und Hauptamtliche geht. Die Arbeit lässt sich nicht leisten, ohne dass man den Schritt in die Hauptamtlichkeit geht“ (Sophie S. 6 3-4), meint eine andere, Professionalisierung berge eine Gefahr in sich: „Wenn man größer werden will, muss man um Unterstützungen ansuchen, und ab diesem Zeitpunkt ist man abhängig. Und wenn dann einmal die Unterstützung ausbleibt, kann es sein, dass, im schlimmsten Fall, das ganze Projekt stirbt“ (Amanda S. 4 23-25). Mit der Professionalisierung einher geht auch immer eine Formalisierung der Projekte, etwa über Gruppenverträge (Jasmin) oder eine formale Definition eines Kernteams (Stefan). Auch damit sind Änderungen verbunden. Schließlich gehört zu diesem Kompetenzbereich auch noch die Frage, wie und wo erworbenes Wissen „gespeichert“ wird, etwa in den handelnden Personen (Heinrich) oder in Protokollen (Jasmin). In der Weitergabe von Wissen und Kompetenzen spiegeln sich vorausschauendes Denken und Handeln im Besonderen, weil es um die Frage geht, mithilfe welcher Aktionen welche Art von Wissen und Kompetenz transportiert werden kann. Es braucht in jeder Nachhaltigkeitsgruppe jemanden, der „den Finger drauf (hat) und (weiß), was gut läuft und was nicht so gut läuft und was zu tun ist“ (Heinrich S. 6 29-30). 143 Wenn die richtigen Aktionen gesetzt werden, können sich etwa „die Leute innerhalb dieses enthemmten Rahmens besser kennen lernen; wie im Kindergarten“ (Amanda S. 3 24-25). In größerem Rahmen machte dies ein Interviewpartner, der als Vorsitzender der Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung tätig war und konsequent genug war, die Auflösung des Vereines anzuregen, als daraus ein institutionalisiertes Konzept (das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung) hervorgegagnen und der Vereinszweck erfüllt war (Heinrich). Die Zusamenhänge des Scheiterns erkennt auch auch ein weiterer Interviewpartner ganz klar: „Viele Nachhaltigkeitsgruppen scheitern daran, dass festgestellt wird, das ist irgendwie wichtig, aber es ist halt nur noch moralisch wichtig und es ist nicht wichtig, weil etwas passieren soll. Woran ich mit wirke, damit es passiert“ (Stefan S. 4 35-37). Und eine Interviewpartnerin meint zu ihrem Konzept: „Die Übernahme unseres Konzeptes bedarf sehr viel Betreuung. Es geht dabei sehr viel um Qualitätsstandards, wenn man eine solche Marke aufbauen will“ (Sophie S. 1 34-36). Vorausschauend Denken bedeutet zugleich, selbstständig denken und handeln zu können. Zu diesem Punkt konnten sehr viele Textsegmente kodiert werden, denn alle Interviewpartner/innen beschreiben, welche Aktionen sie selbständig ins Leben gerufen haben. Diese Kompetenz reicht von der Fähigkeit, Veranstaltungen und Ereignisse planen und umsetzen zu können, z. B. Wahl der Kommunikationsmedien über den Aufbau von Netzwerken und die Wahl von Kontakten bis hin zur Ergebnissicherung in Protokollen (Amanda, Heinrich, Roman). Doch auch die Fähigkeit, kreativ eigene Ideen zu entwickeln und die passenden Themen auszuwählen, gehört hier dazu. Das kann von kleinen, einzelnen Aktionen (etwa einer Interviewaktion zum Thema Nachhaltigkeit im Rahmen einer Tagung, Amanda) über die Entwicklung von Umsetzungsplänen (etwa das Energiekonzept an der Freien Universität Berlin, Roman) hin zu umfassenderen Konzepten (etwa der Entwicklung von Umfragekonzepten und Interviewleitfäden, Jasmin) bis hin zur Schaffung vollkommen neuer Formate (etwa dem Jour fixe der Nachhaltigkeitsgruppen oder der Social bar, Paula und So144 phie) gehen. Schließlich umfasst das selbstständige Planen und Handeln auch die Reflexion des eigenen Tuns, damit in irgendeiner Form das erworbene Wissen auch für Nachfolgende erhalten bleibt: „Vorschläge kommen eher von den neuen Mitgliedern. Und ich lasse diese Ideen in meine Arbeit einfließen, weil ich sehr froh über diesen Austausch bin, weil dadurch neue Ideen und Gedanken einfließen“ (Anna S. 3 38-39). Eine andere Interviewpartnerin erzählt: „Wir haben ziemlich viel auch darüber reflektiert. Es gibt über unsere Arbeit auch viele Erfahrungsberichte. Darin wird darüber reflektiert, warum unsere Arbeit schlussendlich nicht so erfolgreich war wie wir uns anfangs erhofften oder wie es hätte sein sollen“ (Jasmin S. 1 42-44). Ein dritter schließlich resümiert: „Ich habe das ganz lange, ganz viel gemacht. Ich war als Vorstand eine sehr treibende Kraft und die Initiative war schon sehr mein Projekt“ (Roman S. 4 31-32). Um sich als treibende Kraft einsetzen zu können, bedarf es weiterhin der Kompetenz sich selbst motivieren zu können. Die Interviewpartner/innen sind dazu offensichtlich in der Lage, sind sich aber schon darüber im Klaren, dass einerseits Spaß und Vergnügen, anderseits aber auch das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung eine Rolle spielen: „Mir liegt daran, mit anderen Menschen Spaß zu haben, mit anderen Menschen etwas auf die Beine zu stellen und mit ihnen etwas verändern zu wollen“ (Amanda S. 1 36-37). Umgekehrt ist es ein Kriterium für einen Ausstieg, wenn man sich nicht wohlfühlt und nichts mehr lernt: „Und habe mich auch gar nicht mehr darauf gefreut, dahin zu gehen. Es wurde zu einer Pflicht und deshalb bin ich dann rausgegangen“ (Paula S. 3 10-12). Auch andere Interviewpartner/innen stellen fest, dass die Stimmung und das Wohlfühlen wesentlich auf ihre Motivation wirken (Sophie). Wichtig sind den Interviewpartner/innen auch persönliche Interessen, die sie einbringen: 145 „(Es) waren dann auch nur 5, 6 Leute und das war für mich irgendwie ein langweiliger Abend. Da passierte nichts. Wenn ich nur einmal im Monat hingehe bringt es mir nicht genügend. Es gab auch keine guten Themen“ (Heinrich S. 5 16-19). Zur Selbstmotivation kann es auch gehören, „viel auf die Beine (zu) stellen“ (Amanda S. 1 36) oder „Leute zusammenzubringen“ (Roman S. 3 13), wobei das Eingebundensein in die Gestaltung eine wesentliche Rolle spielt: „Das war etwas schade für mich, weil ich schlussendlich das Ganze koordiniert habe, aber bei der groben Zieldefinition gar nicht dabei war. (…) Ich habe nicht partizipiert am ganzen Konzept. Das war sehr schwierig für meine eigene Motivation auch“ (Jasmin S. 3 9-12). Diese Interviewpartnerin macht auch eine klare Aussage zu ihrer Motivation: „Meine Motivation war eigentlich, dass ich generell gerne an Projekten mitarbeite. (…) (M)ir (war) schon vorher klar, dass ich bei dieser Arbeit sehr viel lernen würde, was ich bei meiner Doktorarbeit als introvertierte Arbeitsform nicht so lerne, weil ich ja kein Forscherteam habe“ (Jasmin S. 6 26-32). Eine weitere konkrete Motivation zieht ein Befragter aus der Tatsache, dass er so Netzwerke aufbauen kann, die er auch beruflich nutzen kann (Stefan). Ähnliche Anmerkungen machen auch andere Interviewpartner/innen (Sophie). Doch schließlich sind es Wertvorstellungen, die die Interviewpartner/innen zum Handeln motivieren: Naturschutz und soziale Gerechtigkeit (Amanda) oder „eine tiefe Gläubigkeit (…). Man kann das als Gott bezeichnen. Ich glaube daran, dass es Kräfte gibt, die wir noch nicht kennen. (…) Wenn man im Leben seinen Weg richtig (was ich unter richtig versteh) geht, führt man eine wunderbares Leben“ (Stefan S. 5 21-23). Und die Leiterin der „3+x“ Initiative bringt es auf den Punkt: „Wenn es beglückende Momente gibt. Das sind Augenblicke, wo jemand eine gewisse Erfahrung gemacht hat, die für ihn Sinngebung war, die freudvoll war, bei der er etwas gelernt hat. Dann war es ein Erfolg. (…) Ich habe für mich persönlich gelernt, dass ich nicht verlieren kann. (…) Man kann immer wieder neu anfangen, 146 weil es immer eine gewisse Neugier und ein Interesse gibt“ (Paula S. 5 13-15, 2325). Die Interviewpartner/innen sind sich, ohne explizit danach gefragt zu werden, bewusst, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit integrativ Wissen aufbauen: Als Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften, wo Kommunikation gelernt werden muss (Stefan), als Bemühen voneinander zu lernen, wie man sich organisiert (Paula), als Lernen, wie man mit Lernmaterialien zur Vermittlung von Wissen an Dritte umgehen kann (Paula). Dies führt weiter zu Kompetenz erkennen zu können, welche Methoden für welchen Zweck geeignet sind. Zu diesem Thema ließen sich im Vergleich zu allen anderen Themen die meisten Codierungen vornehmen, da alle Interviewpartner/innen erfahrene Mitglieder und Führungspersönlichkeiten von Nachhaltigkeitsgruppen sind. Diese Methoden betreffen Fragen wie Wie gründet man eine neue Gruppe oder Initiative und kundschaftet die ersten Gemeinsamkeiten aus bzw. erkundet, wer welche Aufgaben übernehmen möchte oder kann? (Amanda) Auf welche Weise werden potentielle Mitglieder angesprochen? (Amanda) Wie werden Menschen, die ein Anliegen haben, Plattformen und Podien als Vehikel zum Transport ihrer Anliegen zur Verfügung gestellt? (Barbarba) Wie werden Großveranstaltungen organisiert? (Heinrich) Welches sind die richtigen, passenden Veranstaltungsformate? (Stefan, Sophie, Roman) Wie können neuartige Projektideen finanziert werden? (alle Interviewpartner/innen) Welche kreativen neuen Formate könnte es geben? „Wir haben auch inkognito versucht, die S-Bahn zu einem Wohnzimmer zu machen. Oder wir haben eine Aktion gemacht, auf der Friedrichstraße, parking day unter dem Motto Park statt Parklatz, Parkplätze nicht selbst zu bespielen, sondern für andere bespielbar zu machen“ (Paula S. 1 41-43), 147 aber auch die Kochtüten von Amanda oder die Low Carbon Dinners von Roman). Wie kann Projektmanagement Know How organisiert oder erworben werden? (Jasmin) wie können Ergebnisse gesichert werden? (Heinrich, Jasmin, Sophie) Wie kann am besten kommuniziert werden (alle Interviewpartner/innen), wobei hier die Wahl der Medien (sehr oft neue Medien), die Sammlung von Kontakten bzw. der Aufbau von Netzwerken und die Kontakthäufigkeit am öftesten thematisiert werden. Wie sieht der richtige Mix zwischen virtuellen und realen Kontakten aus? (Stefan, Jasmin, Sophie) und schließlich: Wie können Menschen dazu gebracht werden, ihr Engagement aufrecht zu erhalten? (Jasmin, Paula, Stefan). Die Interviewpartner/innen reflektieren die von ihnen definierten und eingesetzten Methoden auch, etwa: „Dann habe ich begonnen, die Formate zu unterteilen in einen Diskursteil und einen Aktionsteil von Formaten“ (Paula S. 1 44). Reflexion spielt als nachhaltige Gestaltungskompetenz insgesamt eine sehr wichtige Rolle, vor allem auch, wenn es darum geht, eigene und fremde Leitbilder zu reflektieren. In den vorliegenden Interviews machen dies alle Interviewpartner/innen, wobei die meisten auf die Bedeutung von Umweltthemen hinweisen, die den sozialen Themen vorgehen (Amanda, Anna, Heinrich, Stefan), obwohl für sie auch soziale Themen sehr wichtig sind. Für eine Interviewpartnerin etwa ist das gemeinsame Thema „Zivilgesellschaft, Social Media und Verwandlungsprozesse. Es geht nicht um die Technik, sondern es geht um die Kultur; auch Bürgerbeteiligung und onlineBürgerbeteiligung“ (Sophie S. 3 16-17). Eine andere Interviewpartnerin sieht als ihr Ziel: Der Bevölkerung Dinge aufzuzeigen und damit „(d)en Blickwinkel für die Menschen zu erweitern“ (Anna S. 7 20-21). 148 Im Hinblick auf die Leitbilder der anderen sehen sie, dass viele Menschen sich Nachhaltigkeitsgruppen anschließen, um Vorteile zu erlangen. „Es kommen gerne Gruppen vorbei, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Sie sagen sich ganz nüchtern: Da können wir vielleicht ein Geschäft daraus machen. Sie sehen zuerst das Thema: Stärkung der lokalen Wirtschaft“ (Stefan S. 3 2-4), ohne dass sie einen größeren Zusammenhang vor Augen haben. Vielmehr wollen die Menschen relativ diffus „mitmachen, etwas für die Zukunft tun“ (Stefan S. 4 13). Allerdings gibt es auch einige „Leute, die (sich) mit Herzblut, also wirklich für den Umweltschutz und für Nachhaltigkeit einsetzen wollen. Die haben einen sehr großen Anspruch an sich selbst und sehr selbstlos und bereit sind, viel Zeit für diese Sache zu opfern“ (Jasmin S. 6 39S. 7 1). Doch nur mehr wenige Gruppen haben einen ideologischen Überbau: „Die Überlegung ist dann eher zu sehen, dass sich Menschen dem Thema nicht wegen der Nachhaltigkeit hinzugesellen, sondern eher wegen Lebensqualität. Da sagen sich die Menschen: Ich mache da mit, weil ich etwas für meine Lebensqualität tun möchte. Die will ich sinnvoll gestalten. Und darum suche ich mir Themen, die ich für sinnvoll erachte. (…) Es wird eher festgestellt, dass, wenn jemand ideologische Ideen einfließen lassen möchte, es schön ist, dass er mit macht, aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass man sich vom Thema etwas verspricht (Stefan S. 5 2-6, S. 4 18-21). Die Umsetzung von Themen erfordert aber nicht nur das Engagement und Handeln einzelner, sondern auch die Zusammenarbeit vieler. Kooperation ist Teil der Gestaltungskompetenz „Gemeinsam mit anderen planen und handeln“. Diese Kompetenz erscheint den Interviewpartner/innen als eher schwierig, weil Menschen sich oft nicht selbst einbringen wollen, sondern nur ihre Ideen deponieren und anderen zur Umsetzung überlassen. Wenn sie sehen, dass die Ideen nicht umsetzbar sind, verlassen sie die Gruppe rasch wieder (Barbarba). Doch vieles hängt ab vom „Zweck und der Dichte der Initiative“ (Heinrich S. 2. 17), wenn des Klima gut ist, kann eine Initiative auch überleben, ohne dass Input von außen kommt, wobei es wesentlich ist, einen „inneren Kern von 5 bis zehn Leute(n)“ (Heinrich S. 3 31) zu haben, der die anderen 149 vorantreibt. Vor allem, wenn sich die Mitglieder nicht kennen, erschwert dies die Kooperation sehr. Erst mit der Zeit erwächst eine Art Verständnis für die anderen (Jasmin). Dieses Verständnis ist für die Zusammenarbeit nicht nur intern wichtig, sondern die Kontakte können auch genutzt werden, um andere Gruppen entstehen zu lassen, im Sinne einer Art Netzwerk (Paula). Ideal ist, wenn wie beim Jour fixe der Nachhaltigkeitsgruppen die Menschen selbst auf eine Gruppe zukommen und mitmachen wollen, so „findet oft ein sehr toller Austausch statt und es entstehen gute Kooperationen“ (Roman S. 3 4). 4.7.4 Zu den Umständen des Lernens 4.7.4.1 Zu den Orten des Lernens In den ursprüglichen Annahmen wurde in der Arbeit davon ausgegangen, dass in Nachhaltigkeitsgruppen in erster Linie informelle Lernprozesse vonstatten gehen. Die Interviews zeigen aber, dass auch in Nachhaltigkeitsgruppen wenige formale Lernprozesse Bedeutung haben und durchaus auch non-formale Lernprozesse stattfinden. Abgesehen von einem Befund, wo eine Interviewpartnerin für ihr Engagement in einer Nachhaltigkeitsgruppe mit einer formalen Bildungsmaßnahme (einem PRTraining) „belohnt“ wurde, die sie auch in ihrem Arbeitsleben als erworbene Kompetenz einzusetzen hofft (Amanda), spielen formale Lernprozesse überall dort eine Rolle, wo sich Nachhaltigkeitsgruppen aus oder im Umfeld von formalen Bildungseinrichtungen etablieren. In den vorliegenden Interviews sind dies in erster Linien Universitäten, wo die Nachhaltigkeitsgruppen entweder aus Studienrichtungen hervorgehen, die Nachhaltigkeitsinhalte behandeln (z. B. die Gruppen von Roman, Sophie, Jasmin), oder durch das Engagement von motivierten Studierenden Nachhaltigkeitsinhalte in die Studienpläne hineinreklamiert werden (z. B. Heinrich, Roman). Im letzteren Fall können die Aktivitäten dieser Gruppen dann teilweise der formalen Bildung zugerechnet werden. Teilweise entstehen daraus aber auch non-formale Bildungsprozesse, wo in Bildungseinrichtungen oder auch außerhalb in Vortrags- und Seminarreihen, Symposien oder Workshops Nachhaltigkeitsinhalte vermittelt werden (etwa die Energiesparworkshops von Roman, die Socialbar Kompetenzen von Sophie, die Toolkits von 150 Repair Berlin von Paula, die Nachhaltigkeitsvorträge von Heinrich, die Kochtüten von Amanda, die Landbewirtschaftungsseminare von Stefan). Hier gibt es nochmals eine Rückkoppelung in den formalen Bildungsbereich, weil potenzielle Teilnehmer/innen an den Universitäten etwa durch Informationsstände oder Veranstaltungen angesprochen werden (Heinrich) oder die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen im Rahmen von (wissenschaftlichen) Kongressen wiederum Seminare und Workshops anbieten (Jasmin). Besonders Kreativworkshops werden aber auch in anderen Kontexten angeboten, was sie wiederum eher zu einem Instrument der non-formalen Bildung macht (Jasmin). Umgekehrt wünschen sich einige Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen auch die Möglichkeit, zumindest an non-formalen Bildungsprozessen teilzunehmen, etwa für Konfliktmanagement (Anna) oder Projektmanagement (Jasmin). Eine Interviewpartnerin sieht aber auch das Problem, dass mit (non-)formaler Bildung die angestrebten Ziele nicht erreicht werden können: „Und so kann man weg von diesem politischen Bildungsunterricht kommen. Die Jugendlichen sollten lernen, wie man sich für das Allgemeinwohl interessiert und wie man sich daran beteiligen kann über Parteigrenzen hinweg“ (Amanda S. 1 3033). Der Großteil der Nachhaltigkeitsbildung in den Nachhaltigkeitsgruppen ist aber tatsächlich dem informellen Lernen zuzurechnen. Dieses findet einerseits bewusst gesteuert durch die Interviewpartner/innen selbst statt oder wird von diesen beobachtet. Anderseits erleben auch die Interviewpartner/innen selbst bewusst oder unbewusst informelle Lernprozesse. Alle Interviewpartner/innen erzählen über von ihnen initiierte oder begleitete informelle Lernprozesse. Beispiele dafür sind: die Ashoka Jugendinitiative in Berlin Kreuzberg, die Jugenlichen Rat, Hilfe und (finanzielle) Unterstützung bei Projekten zu Drogenproblemen, Integration etc. gibt, die Projekte im Wesentlichen aber von den Jugendlichen selbst umsetzen lässt (Amanda). das Kochtütenprojekt, bei dem verschiedene Bio- und Fairtrade Lebensmittel gemeinsam mit einem Kochrezept in einer Tasche angeboten werden, um die Menschen so zum Reflektieren über ihre Einkaufs- und Ernährungsgewohnhei151 ten zu bringen. Dieses Projekt wurde auch in Kooperation mit Werksküchen betrieben, um Menschen am Arbeitsplatz und trotzdem in weniger formaler Umgebung besser miteinander in Kontakt zu bringen (Amanda). der Jour fixe der Nachhaltligkeitsgruppen, wo sich unterschiedliche Gruppierungen einander präsentieren und voneinander lernen können, welche Aspekte man im Rahmen von Nachhaltigkeitsbemühungen wie angehen kann (Roman, Amanda). die Tiroler Gemeindegruppe, die motivierte Personen von außerhalb der Gruppe bei diversen Issues unterstützt, indem sie hilft, Medienarbeit zu leisten oder Unterschriftenlisten zu erstellen und zu organisieren (Anna). das Projekt im Berliner Migrant/innenbezirk Marzahn, wo „autarke Kreislaufwirtschaft (…) in Verbindung mit dem Land“ (Stefan S. 1 27-28) eingerichtet werden sollte, als „Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften. Auf ein Thema fokussiert, mit einem entsprechenden Entwicklungsfahrplan“ (Stefan S. 3 16-17). das Projekt einer darlehensfinanzierten Photovoltaik-Anlage an der Freien Universität Berlin, wo Studierende sich selbst erarbeiteten, wie man ein solch großes Projekt auf die Beine stellen kann (Roman). diverse Kochprojekte, wo bei „nachhaltigen“ Dinners Bewusstsein für Nachhaltigkeitsprobleme und Klimaschutz in Fragen der Ernährung geschaffen werden sollte (Roman). Im Hinblick auf die Prozesse, bei denen die Interviewpartner/innen selbst in informelle Lernprozesse involviert waren, sticht vor allem das Interview mit der Koordinatorin der Gruppe des Rates der Sachverständigen hervor, die sehr viele informelle Lernprozesse beschreibt, etwa (Jasmin) dass am Anfang eines Projektes/einer Initiative viel Misstrauen herrscht und wie man dieses eventuell vermindern kann, dass man Kick-off-Veranstaltungen braucht, um Projekte rasch und zielorientiert in Gang zu setzen, 152 dass es grundlegende Tätigkeiten gibt, bei denen die Gruppenmitglieder “Leitfaden erstellten, Leute kontaktierten, Termine vereinbarten und Interviews machten und die danach auswerteten“ (Jasmin S. 1 39-41), dass bei vorwiegend virtueller Tätigkeit doch auch einerseits persönliche Gesprächsinhalte und anderseits von Zeit zu Zeit face-to-face-Kontakte von Bedeutung sind, dass Projektmanagementkenntnisse (die im Übrigen formal oder non-formal erworben werden können) sehr von Vorteil oder sogar unbedingt nötig sind, dass persönliche Erfahrungen irgendwie dokumentiert werden sollten, um sie auch später Eintretenden zugänglich zu machen, aber dass man nicht alles dokumentieren kann, dass entstehende Konflikte irgendwann aufgearbeitet werden müssen, um eine weitere produktive Arbeit zu ermöglichen. Befunde wie dieser werden auch von anderen Interviewpartner/innen konstatiert, etwa dass man gemeinsam versucht hat, Veranstaltungsformate auszuprobieren, und wenn sie funktionieren, macht man weiter (Heinrich). Eine anderere Interviewpartnerin formuliert, die Gruppenmitglieder hätten sich „bemüht voneinander zu lernen, wie man sich organisiert“ (Paula S. 1 26-27). Schließlich lernen die Gruppenmitglieder auch, sich abzugrenzen: „Schlussendlich war es dann so, dass wir zu zwölft waren, aber doch ich alleine die gesamte Arbeit gemacht habe“ (Sophie S. 2 31-32). 4.7.4.2 Zu den Promotoren des Lernens Im Hinblick auf die Promotoren des Lernens fielen vor allem Unterschiede zwischen dem lernenden- und lehrendenzentrierten Lernen auf. Grundsätzlich bestätigt sich hier die Annahme, dass in Nachhaltigkeitsgruppen vor allem an den Bedürfnissen der Mitglieder und vor allem an sachlichen Notwendigkeiten orientiert gelernt wird. Allerdings finden sich gerade in Nachhaltigkeitsgruppen, die in engem Zusammenhang mit Universitäten und anderen Ausbildungseinrichtungen stehen, auch Formen eines an den Vorgaben der „Lehrenden“ (bzw. Organisator/innen von Workshops 153 etc) orientierten Lehrprogrammes. So war etwa die Initiative des Rates der Sachverständigen damit beauftragt, „neue, innovative Veranstaltungsformate zu entwickeln; für Studenten, die zur Nachhaltigkeitskommunikation beitragen können. Nicht nur Unterrichtsformate, sondern jede Art von Event. Wir sollten also überlegen, wie man Events gestalten kann“ (Amanda S. 1 24-27). Hier wurde also zumindest überlegt, auf welche Weise Nachhaltigkeitsinhalte am besten vermittelt werden können, wenn auch nicht, welcher Art diese Inhalte sein sollen. Ähnliche Ansätze lassen sich vor allem bei einer anderen Interviewpartnerin finden, die sich als Initiatorin und Moderatorin, als „enablerin“ begreift (Paula). Ihr ist es wichtig, „(e)infach das Fenster zu öffnen, jemanden einzuladen zu einem Gespräch oder den Nachbarn anzurufen und so etwas wie eine Choreographie an den Tag zu legen. Die Tür zu öffnen, etwas Musik anzumachen, so etwas wie eine Choreographie an den Tag zu legen und so kam der Name „Clubmutti“ auf“ (Paula S. 2 2122). Ein weiterer Interviewpartner sieht sich auch in einer ähnlichen Rolle, etwa in Hinblick auf eine „Energiesparkampagne an der Uni. Die habe ich aufgesetzt, weil ich als Umweltpsychologe das als mein Feld betrachtet habe. Wie bringt man Menschen zu umweltverträglichem Handeln“ (Roman S. 2 5-7). Diese doch relativ starke Ausprägung im Bereich des lehrendenorientierten / PushModell / „Mode-1“ Lernens in den Interviews lässt einen Bias bei den Interviews vermuten: Dadurch dass die Interviewpartner/innen per Aufruf in Facebook gesucht wurden, meldeten sich vor allem Gruppenleiter/innen und sehr aktive Mitglieder, aber nicht Durchschnittsmitglieder. Diese Verzerrung fällt verständlicherweise bei den Promotoren am meisten ins Gewicht, scheint aber ansonsten die Validität der Untersuchung nicht zu beeinträchtigen. Doch auch bei den Promotoren finden sich viele Belege für lernendenorientiertes / Pull-Modell / „Mode-2“ Lernen. So erzählt ein Interviewpartner: 154 „Es kommen gerne Gruppen vorbei, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Sie sagen sich ganz nüchtern: Da können wir vielleicht ein Geschäft daraus machen. (…) Andere kommen nur zu den Treffen, weil er beobachten will, weil er schon aktiv vor Ort ist. Er gesellt sich hinzu, um zu sehen: Was läuft da? Und andere kommen, um ein Feld zu bestellen; also um aktiv zu werden“ (Stefan S. 3 2-5). Ein anderer Interviewparter berichtet, die „Initiative für nachhaltige Entwicklung hat sich gegründet, weil es im Jahre 2004 drei Studentinnen bei den Sozialwissenschaften gab, denen zum Themenfeld Nachhaltige Entwicklung das Lehrangebot viel zu schlecht bis nicht vorhanden war und die sich gesagt haben, das organisieren wir uns selbst“ (Roman S. 1 9-12). Zusammenfassend charakterisiert eine Interviewpartnerin diese lernendenorientierten Ansätze folgendermaßen: „Die meisten machten aber mit, weil sie ein persönliches, berufliches Interesse hatten und sich aus dem Network Vorteile für eigene Initiativen erhofften“ (Sophie S. 2 22-23). Diese persönlichen oder beruflichen Interessen leiten über zur Untersuchung der Motive des Lernens in Nachhaltigkeitsgruppen im anschließenden Kapitel. 4.7.4.3 Zu den Motiven des Lernens Die klarsten Ergebnisse liefert die empirische Untersuchung zu den Motiven des Engagements und damit auch des Lernens in Nachhaltigkeitsgruppen. Beim Versuch defensive und expansive Lernmotivationen zu unterscheiden fällt auf, dass sich de facto nur expansive Lernmotivation finden lässt: Alle Interviewpartner/innen stimmen darin überein, dass Menschen sich vor allem dann in Nachhaltigkeitsgruppen engagieren, wenn sie sich davon einen Nutzen erwarten (Anna), ein sehr starkes inneres Anliegen haben (Heinrich) oder Hilfe bei zivilgesellschaftlichem Engagement suchen (Sophie, Jasmin). Manche der Interviewpartner/innen gewähren auch Einsicht in ihre eigene Motivationsstruktur, etwa dass sie ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten wollen (Amanda), zugleich aber auch einen handfesten materiellen Nutzen haben können (etwa ein PR-Training bezahlt bekommen, Amanda). Hier handelt es sich im Üb- 155 rigen um eine „Meta-Motivation“: Motivation zu lernen, um als Belohnung etwas lernen zu düfen). Motivation für Lernen in der Nachhaltigkeitsgruppe geht meist Hand in Hand mit der Motivation zu Teilnahme an der Nachhaltigkeitsgruppe (vgl. 8.4). Die Ergebnisse lassen sich nicht besonders gut auseinanderhalten, weswegen der größere Teil der empirischen Auswertung in 8.5 zu finden ist. 4.7.4.4 Zu den Zwecken des Lernens Zweck des Lernens in der Nachhaltigkeitsgruppe ist es, den Lernenden einen Beitrag zum Wachstum von Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Dazu sind grundlegend zwei Zugänge möglich: das instrumentelle Nachhaltigkeitslernen als der Erwerb von Kompetenzen, die direkt auf die Steigerung von Nachhaltigkeit gerichtet sind. Dazu gehören im Hinblick auf die Gestaltung von Nachhaltigkeitsgruppen selbst das Projektmanagement, das bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten hilft (Jasmin), die Entwicklung von Informationsverarbeitungskompetenz (Jasmin) oder das Organisieren von Veranstaltungen (Roman). Im Hinblick auf Zwecke des instrumentellen Nachhaltigkeitslernens bzw. die Vermittlung von Kompetenzen an Dritte wurden von den Interviewpartner/innen genannt die Unterstützung von jungen Menschen aus bildungsfernen Schichten beim Beginn bzw. während eine Studiums (Amanda) die Entwicklung von Veranstaltungsformaten zur Nachhaltigkeitskommunikation (Jasmin) die Vermittlung von Möglichkeiten zum Energiesparen an Menschen aus bildungsfernen Schichten (Roman) Organisieren von Vorträgen und Vortragsreihen zu Nachhaltigkeitsthemen (Roman, Heinrich, Sophie). Demgegenüber steht das intrinsische Nachhaltigkeitslernen als Entwicklung der Fähigkeit, in unübersichtlichen, komplexen und vor allem oft informationsüberladenen Situationen rasch „gute“ Entscheidungen zu treffen. Auch hierfür finden sich in den Interviews einige Belege, wiederum in Hinblick auf Vermittlung an Dritte und als selbstreflektiertes eigenes Lernen. 156 Im Hinblick auf Dritte finden sich folgende Hinweise: die Ashoka-Initiative in Berlin, die bei Jugendlichen mithilfe von diesen selbst initiierter Projekte Interesse an Politik wecken will. „Ziel ist auch, von diesem allgemeinen politischen Unterricht wegzukommen. Die Jugendlichen sollten lernen, wie man sich für das Allgemeinwohl interessiert und wie man sich daran beteiligen kann über Parteigrenzen hinweg“ (Amanda S. 1 29-31). Nachhaltige Kochkurse für Mitarbeiter/innen in Werksküchen. „Auf diese Weise könnten sich die Leute innerhalb dieses enthemmten Rahmens besser kennen lernen; wie im Kindergarten. Das würde die Gruppe innerhalb und auch nach außen stärken“ (Amanda S. 3 24-26). Die Möglichkeit zur Gestaltung von Themenveranstaltungen nach eigenen Ideen: „Und viele haben auch die Möglichkeit wahrgenommen, da selbst mitzumachen. Die gesagt haben, ich finde dieses Thema total spannend. Wir haben dazu immer gesagt, ihr könnt etwas vorschlagen, ihr könnt etwas durchmoderieren, das ist eine große Chance für euch, wir stellen euch die Räume zur Verfügung und wir unterstützen euch“ (Roman S. 5 21-24). Den Menschen Partizipationsfähigkeit zu vermitteln (gerade, wenn Neue Medien im Spiel sind): „Es geht nicht um die Technik, sondern es geht um die Kultur; auch Bürgerbeteiligung und online-Bürgerbeteiligung. Dabei geht es um die Themen Zivilgesellschaft, Verwaltung, große Parteien, die Intransparenz und mangelnde Partizipationfähigkeit z. B. in Stadtverwaltungen, Stiftungen, NGO´s und so. Es geht um die Frage. Wie finden Umwandlungsprozesse statt?“ (Sophie S. 3 17-20). Hinweise, die eher über eigene Lernprozesse der Interviewpartner/innen berichten, beziehen sich auf Lernen, wie man sich am besten in Kommunikationsprozesse einbringt – 157 „Diesen Lernprozess muss man zulassen, sonst läuft man Gefahr, dass man sehr viel Zeit investiert und Mittel investiert, aber nach 5 Jahren einen totgelaufenen Prozess hat“ (Stefan S. 3 26-27). Lernen, wie man mit wechselnden, heterogenen Gruppen am besten arbeiten kann: Im Vordergrund steht der Lernvorgang zur Bildung heterogener Gemeinschaften. „Auf ein Thema fokussiert, mit einem entsprechenden Entwicklungsfahrplan, wo jeder für sich entscheiden kann, wo er einsteigen will und daran mitwirken will“ (Stefan S. 3 17-18). Lernen, beglückende Momente zu genießen: „Das sind Augenblicke, wo jemand eine gewisse Erfahrung gemacht hat, die für ihn Sinngebung war, die freudvoll war, bei der er etwas gelernt hat. Dann war es ein Erfolg“ (Paula S. 5 13-15). Eine eindeutige Schlussfolgerung, welchem der beiden Zwecke mehr Bedeutung zukommt, lassen diese Hinweise nicht zu. Das bestätigt die in der theoretischen Ausführung getroffene Annahme, dass beide Lern-Zwecke einigermaßen ausgewogen sind und beide von Bedeutung für das Nachhaltigkeitslernen in Gruppen. 4.8 Zwischenfazit Nachhaltigkeitsgruppen sind Orte, an denen formale, non-formale und informelle Bildung stattfinden. Das Lernen selbst erfolgt zwar wie jede Form des Lernens anhand der Bildung von Zuordnung zu und Veränderung von Schemata (in dieser Dissertation wurde auf die Ansätze von Jean Piaget, Knud Illeris und auch Gregory Bateson zurückgegriffen), doch finden diese Lernprozesse unter für Nachhaltigkeitsgruppen spezifischen Umständen (Orten, Promotoren, Motiven, Zwecken) statt. Das Lernen in Gruppen jedenfalls erfolgt systemisch, wie in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt wird. 158 5 Nachhaltigkeitsgruppen als panarchische Systeme Eine wesentliche wissenschaftliche Grundlage der Gruppentheorie findet sich in der wissenschaftlichen Beschreibung von Systemen und sozialen Netzwerken. Soziale Netzwerke werden in der Systemtheorie oft als Systeme bezeichnet und entsprechend in dieser Arbeit zwar nicht als Äquivalente, doch als sehr eng miteinander verknüpft betrachtet. Zudem existiert eine so große Fülle von – teilweise sogar widersprüchlichen – systemtheoretischen Ansätzen, dass es schwierig ist, eine umfassende Übersicht zu geben. Daher beschränkt sich diese Arbeit nach einer grundlegenden Übersicht über allgemein gültige Aussagen der System- und Netzwerktheorie darauf, die hier als angemessen erachtete Theorie der Panarchie im Detail darzustellen. Nachfolgend werden daher zunächst jeweils Besonderheiten von Systemen bzw. Netzwerken, soweit sie als Grundlage für das Verständnis nötig sind, andiskutiert und danach die gemeinsamen Charakteristika dargestellt. 5.1 Grundlagen der System- und Netzwerktheorie In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die Grundlagen der System- und Netzwerktheorie dargelegt, die als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen in der vorliegenden Dissertation dienen. Ausgehend von Überlegungen zum Begriff des Systems wird die Bedeutung systemischen Denkens dargelegt, bevor System- und Netzwewrktheorie auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht werden. 5.1.1 Der Begriff „System“ Der Begriff „System“ ist griechisch und bedeutet dem Wortsinn nach „Zusammenstellung“, „geordnetes Ganzes“. Für Systeme gibt es eine ganze Reihe von Definitionen. Die einfachsten Definitionen greifen dabei auf die reine Wortbedeutung zurück und beschreiben Systeme als „ein Geflecht von miteinander verbundenen Variablen“ (vgl. Dörner 1989, S. 109). Etwas weiter geht die auch heute noch allgemein anerkannte Definiton von Hall und Fagan, die ein System beschreibt als „eine Ansammlung von Elementen und deren Eigenschaften, die durch Wechselbeziehungen miteinander verbunden sind“ (vgl. Hall; Fagan 1956, S. 18). Noch einen Schritt weiter geht die Definition von Bossel, der zusätzlich zu Systemelementen und ihren Wirkungsverknüpfungen einen Zweck bzw. eine Funktion von Systemen und eine Systemintegri159 tät erkennt (vgl. Bossel 2004, S. 35). Alle Autor/innen sind sich darüber einig, dass Systeme komplexe Gebilde mit vielerlei Wirkungen und Rückkoppelungen sind. In jedem Fall ist der Begriff System zu trennen von dem der Systematik, die sich auf eine Anordnung von Teilen anhand eines bestimmten Ordnungsprinzips bezieht. Der Begriff System wird häufig verwendent, man spricht von Wirtschaftssystemen, Verkehrssystemen, Ökosystemen, Nervensystemen oder Betriebssystemen für Computer. Obwohl die ersten Ideen zu Systemen auf die Antike zurückgehen, entstand die Systemtheorie im eingeren Sinne erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Biologe Bertalanffy erkannte, dass monokausale Herangehensweisen und rein lineare Beziehungen nicht imstande waren, wesentliche Zusammenhänge in Bezug auf das Phänomen „Leben“ zu erfassen, sondern dass hier Phänomene wie die SystemUmwelt-Relation, die Fähigkeit zur Selbstregulation oder Fragen des Gleichgewichts eine wesentliche Rolle spielen (vgl. von Bertalanffy 1968, S. 12ff). Dabei betont er die Bedeutung der humanistischen Aspekte. Die systemtheoretischen Aspekte wurden weit verbreitet und fanden Aufnahme in Form der General Systems Theory und der Systems Sciences. Vor allem im Bereich der General Systems Theory sind der System-Ansatz, die System-Analyse, das System Engineering oder die System Dynamics (vgl. Forrester 1961) als Methoden bekannt (vgl. Skytnner 2002, S. 37ff). Ebenso aus der klassischen Systemtheorie entwickelt haben sich Ansätze wie die Kybernetik von Wiener (vgl. Wiener 1992), Bionics (vgl. Steele 1977) sowie in den Bereich der Erkenntnistheorie vordringende Konzepte wie der „Radikale Konstruktivismus“ (vgl. von Glasersfeld 1997; Simon 2009; von Foerster 1993). Eine selbstständige Entwicklung schließlich nahm Luhmanns Systemtheorie, die speziell auf soziale Systeme abstellt. Für Luhmann ist Kommunikation die elementare Einheit der Selbstkonstitution von sozialen Systemen. Die elementare Einheit der Selbstbeobachtung beziehungsweise der Selbstbeschreibung sozialer Systeme hingegen ist Handlung (vgl. Luhmann 2001, S. 240f). Luhmanns Theorie wird im Folgenden nur in wenigen Aspekten weiter nachgegangen, da sich hier ökologische Aspekte nur schwer integrieren lassen. Die Zusammenhänge zwischen ökologischen Problemen und Systemdenken wurden erstmals im Buch „Die Grenzen des Wachstums“ (vgl. Mea160 dows; Meadows; Zahn 1972) aufgezeigt, das auf der „Systems Dynamics“-Methode von Forrester (vgl. Forrester 1961) beruht. In der Folge und vor allem im Gefolge von schwerwiegenden Umweltproblemen (verschmutzte Flüsse, von der Abfallbeseitigung ausgehende Bedrohungen, Waldsterben, Artensterben, Rohstoffverknappung etc.) wurde deutlich, dass Interdependenzen zwischen dem menschlichen Handeln und der Umwelt stärker in Betracht gezogen werden müssen, und zwar auf Ebene der Forschung ebenso wie auf Ebene der Politik. Ein Nebenaspekt dieser Erkenntnisse ist, dass den Forscher/innen zunehmend bewusst wurde, dass „wichtige Probleme der realen Welt fast immer Aspekte enthalten, die die Grenzen der Einzelwissenschaften überschreiten“ (Klir 2001, S. 203). 5.1.2 Die Bedeutung des systemischen Denkens Die Anwendung von disziplinärem, fokussiertem Wissen hat die Menschen über Jahrtausende bei der Lösung von Problemen unterstützt, indem analytische Methoden anwandt wurden: Man zerlegte Probleme in kleine Teileinheiten, untersuchte diese getrennt voneinander und suchte nach Rückschlüssen auf das Ganze (vgl. Popper 1997, S. 120). Die Probleme der Gegenwart sind jedoch zunehmend interdependent, es gibt Veränderung sowohl in Richtung Ursache wie auch in Richtung Wirkung. Dadurch wird unsere Welt zunehmend vernetzter: Aus der Gesellschaft entstandene Kausalketten wirken sich auf unsere sozialen und ökonomischen Systeme aus. Da sie nicht geeignet ist all diese Interdependenzen zu erfassen, ist die Aufsplitterung keine optimale Methode (vgl. Kofman; Senge 1993, S. 18). Viel mehr als die Eigenschaften der Einzelteile selbst muss man die Beziehung zwischen den Systemteilen hervorheben. Lineares, mechanistisches Denken muss ergänzt werden um nichtlineares, organisches Denken, um das Gesamtheitliche in den Vordergrund zu stellen. In jedem Fall stellt systemisches Denken eine spezielle Sprache und Werkzeuge für die Lösung hartnäckiger Probleme im täglichen Leben und bei der täglichen Arbeit zur Verfügung, die zwar einzeln betrachtet werden können, aber nicht allein. Systemisches Denken öffnet die Grenzen zwischen Naturwissenschaften und Arbeitswelt sowie zwischen Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften (vgl. Ackoff 1999, S. 534). Für Richmond findet Systemdenken auf sieben Denkebenen gleichzeitig statt (vgl. Richmond 1993, S. 113f): 161 Dynamisches Denken, als Nachdenken darüber, wie sich Systeme über die Zeit hinweg entwickeln und wie wir gerne hätten, dass sie sich entwickeln. ‘System-als-Ursache’-Denken, als Entwickeln plausibler Erkärungen dafür, wie sich ein System im Zeitablauf im Hinblick auf vergangene Aktionen verhalten hat. ‘Wald’-Denken – als Suchen eines “rich picture” im großen Zusammenhang, ohne sich auf einzelne “Bäume” (also Ereignisse) zu beschränken. Operationales Denken – als Versuch, den Einfluss einzelner operationaler Faktoren auf das Gesamtverhalten zu untersuchen (hier findet sich am ehesten ein “analytischer” Zugang). Denken in geschlossenen Zyklen – als Untersuchen von Feedback-Schleifen und der Art und Weise, in der Ergebnisse die Ursachen beeinflussen. quantitatives Denken – als Versuch, mathematische Beziehungen zwischen Ursachen und Wirkungen herzustellen. wissenschaftliches Denken – als Konstruieren und Testen von Hypothesen mittels Modellen (vgl. Richmond 1994, S. 2). Dieses weite Feld systemischer Denkweisen bedarf eines großen Feldes von Instrumenten, die uns helfen Besonderheiten einer Systemstruktur und deren Verhalten graphisch darzustellen, mit anderen über die Erkenntnis dieser Besonderheiten auszutauschen und zu überprüfen, wie Einflüsse von außen das Verhalten des Systems beeinflussen. 5.1.3 Abgrenzung von Netzwerken und Systemen Im Weiteren wird in dieser Arbeit vor allem auf den Begriff des Systems fokussiert, da sowohl Netzwerke als auch Systeme verschiedene Charakteristika und Eigenschaften gemeinsam haben, die für die Ableitung von Nachhaltigkeitsgruppen von Bedeutung sind. Deshalb führt im Sinne der Arbeit eine genaue Unterscheidung der beiden Begriffe zu weit. An dieser Stelle folgt jedoch eine kurze Einführung in den Begriff des „Netzwerks“, bevor die Arbeit im Weiteren nur mehr an wenigen Stellen von Netzwerken spricht. Zunächst können Netzwerke und Systeme nicht als ident angesehen werden, auch wenn die Begrifflichkeiten immer wieder synonym verwendet werden. Nach Meinung der meisten Forscher/innen stellen Netzwerke eine spe162 zielle Form von Systemen dar (vgl. Häußling 2009, S. 200; White 1992, S. 147, 254f), manche bezeichnen Netzwerke als „loosley coupled systems“ (Aldrich 1979, S. 325f) oder „underorganized systems“ (Brown 1983, S. 25f). Schließlich meinen manche, der Unterschied zwischen sozialen Netzwerken und sozialen Systemen bestehe darin, dass letztere immer wieder von Neuem mit Hilfe des Mediums „Sinn“ eine Grenze zwischen innen und außen ziehen (vgl. Luhmann 1997, S. 60ff). Daher sind Netzwerke im engeren Sinne keine Systeme. Sie basieren auf wechselseitigen Beziehungen und kennen in der Regel keine Außengrenze (vgl. Fuchs 2001, S. 277). Der Begriff Netzwerk wurde vom Sozialanthropologen Radcliff-Brown geprägt: „A particular social relation between two persons exists only as a part of a wide network of social relations, involving many other persons” (Radcliff-Brown 1940, S. 3). Eine soziale Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen kommt demnach zustande, wenn ihre Interessen in irgendeiner Weise miteinander in Beziehung stehen, übereinstimmen oder sich durch die soziale Beziehung Konfliktpotentiale verringern lassen (vgl. Radcliff-Brown 1940, S. 9). Der Begriff Beziehungsstruktur beschreibt ein Netzwerk sozialer Beziehungen. Die Definition des von Radcliff-Brown 1940 eingeführten Begriffes „network“ war hinsichtlich seiner Differenziertheit derart durchdacht, dass er noch heute als aktuell angesehen werden kann (vgl. Jansen 2006, S. 43). Die traditionelle soziale Netzwerkforschung stellt sich der Aufgabe, Sozialstrukturen zu beschreiben. Diese Strukturen „werden als wesentliche soziale Eigenschaften begriffen und formal beschrieben. Ziel ist es, sie für die Erklärung individuellen Handelns heranzuziehen und die Entstehung bzw. Veränderung von Strukturen über individuelles Handeln zu erklären“ (Jansen 2006, S. 13). Von besonderem Interesse sind die Handlungsmuster der Akteur/innen, ihr Zusammenwirken und die Beschaffenheit der Handlungsstruktur des Netzwerkes an sich. Jansen definiert den Begriff “Netzwerk” als Menge von Knoten (Elementen) und der Menge der zwischen ihnen verlaufenden Verbindungen, der Kanten (vgl. Jansen 2006, S. 58). Sieht man Knoten und Kanten als die konstituierenden Elemente des Netzwerks an, so kann sich die Netzwerkanalyse bei der Modellierung sozialer 163 Strukturen auf die Sozialbeziehungen zwischen den Knoten konzentrieren (vgl. Fuhse 2003, S. 2). Eine Sozialbeziehung zwischen zwei Knoten und der sie verbindenden Kante bezeichnet man als Dyade. Simmel analysiert die strukturellen Eigenschaften von Dyaden (Zweiergruppen) und Triaden (Dreiergruppen) und deren Wechselwirkung, die daraus resultierenden Formen der Vergesellschaftung (vgl. Simmel 1968, S. 93; Wellman; Berkowitz 1988, S. 22f). Netzwerke entstehen durch das Zusammenspiel mehrerer Dyaden und sind gekennzeichnet durch Verweisungsstrukturen der Dyaden untereinander: So kennt zum Beispiel ein Umweltaktivist einen Lokalpolitiker, aber nicht den in einer bestimmten Sache zuständigen Behördenvertreter. Der Lokalpolitiker kennt diesen Behördenvertreter. Daher hat man einen Verweis von der Dyade „Umweltaktivist–Lokalpolitiker“ zur Dyade „Lokalpolitiker-Behördenvertreter“, ohne dass dadurch ein geschlossenes Gebilde entstünde. So verweisen Adressen auf weitere Adressen, die wiederum auf andere Adressen (und zurück) verweisen (vgl. Luhmann 1995, S. 215ff; Tacke 2000, S. 291ff). Damit entsteht ein Gebilde, das durch seine Beziehungen mehr ist, als die Menge der ursprünglichen Knoten (vgl. Esser 2002, S. 421). Das Instrumentarium zur Analyse von Netzwerken stellt die so genannte Netzwerkanalyse zur Verfügung, die über ein breites Repertoire an Konzepten und Verfahren zur Beschreibung und Analyse sozialer Beziehungen, Gruppen und Netzwerke verfügt. Insgesamt hat sich die Netzwerkanalyse aus unterschiedlichen Disziplinen entwickelt und weist daher weder eine einheitliche Tradition, noch einen einheitlichen Erklärungsansatz auf. Vielmehr ist das Denken in sozialen Strukturen ein wissenschaftliches Paradigma, das an existierenden Theorien anknüpft und für die Erklärung und Analyse konkreter sozialer Problemstellungen geeignet ist (vgl. Barnes 1972, S. 2f). Soziale Netzwerkanalyse untersucht im Wesentlichen, wie Strukturen entstehen, sich entwickeln und welche Auswirkungen sie für das menschliche Verhalten haben (vgl. Freeman 1992). Wasserman stellt zusammenfassend für die bisher beschriebenen Erkenntnisse die folgenden vier Überlegungen auf (vgl. Wasserman 1994, S. 4). 164 Akteur/innen und ihre Handlungen sind interdependent, nicht autonome und unabhängige Einheiten, Verbindungen zwischen den Akteur/innen sind Kanäle für den materiellen oder immateriellen Fluss von Ressourcen, Netzwerkmodelle, die auf Individuen abstellen, betrachten die strukturelle Netzwerkumgebung als förderlich oder hinderlich für individuelles Handeln, Netzwerkmodelle betrachten soziale, ökonomische, politische etc. Netzwerkstrukturen als dauerhafte Beziehungsmuster zwischen den Akteur/innen. Die Netzwerkanalyse eignet sich um Relationen verschiedener Art zu untersuchen etwa Ressourcenaustausch (Geld, Material, Personal), Informationsaustausch, Mitgliedschaftsbeziehungen (Parteien, Gremien, Vorstände), Innovationsprozesse (Team, Kooperationen), affektive Beziehungen (Freunde, Ratgeber) und Gruppen/Cliquen (Eliten). Diese unvollständige Aufzählung zeigt, dass sich die Netzwerkanalyse sowohl a priori für die Analyse von Gruppen eignet als auch a posteriori für die Untersuchung von Fragestellungen, die innerhalb von Gruppen eine Rolle spielen können (vgl. Götzenbrucker 2008, S. 6). Jansen (vgl. Jansen 2006, S. 31ff) illustriert die Fragestellungen, mit denen sich die Netzwerkforschung auseinandersetzt. In Bezug auf Nachhaltigkeitsgruppen sind dabei von Interesse: der Einfluss von interpersonellen Netzwerken für Meinungsbildung und öffentliche Kommunikation, der Zusammenhang zwischen Netzwerken und sozialer Mobilität, politische Entscheidungsprozesse in Gemeinden. Im Gegensatz zu den Behavioristen, die das Handeln deterministisch, von Naturgesetzen abhängig sehen, wendet sich also das Denken in sozialen Strukturen dem von Beziehungen zwischen einzelnen sozialen Elementen (z. B. Personen) abhängigen Handeln zu. Versucht wird, diese Elemente anhand innerer Antriebskräfte zu definieren, die das Verhalten willentlich und zweckgebunden auf angestrebte Ziele ausrichten. Da der Ansatz nicht nur die wechselseitige Beziehung zwischen jeweils zwei Netzwerkmitgliedern betrachtet, interessiert vor allem, in welcher Weise Bezie165 hungen zwischen verschiedenen Mitgliedern des Netzwerks deren Verhalten beeinflussen (vgl. Wellman 1988, S. 20). Diese Gedankengänge liegen der Arbeit im Weiteren implizit zugrunde. 5.1.4 Grundlegende Charakteristika von Systemen Das Naheverhältnis zwischen den Begriffen Netzwerk und System ist festgelegt mit der Definition jeder Dyade eines Netzwerkes als „ein autopoietisches System mit emergenten Struktureigenschaften“ (Fuhse 2003, S. 6). Beiden Begriffen sind verschiedene Eigenschaften gemein, die sie zu einer Grundlage der Beschreibung von Gruppenbeziehungen werden lassen. Systeme weisen immer eine Struktur auf, die Ordnung der Systemelemente weist verschiedene Eigenschaften auf. So können Systeme offen oder geschlossen sein. Das Besondere an all diesen Ansätzen ist, dass man erkannt hat, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile und dass neben der Komplexität und Übersummativität (Emergenz), Selbstreferenz und Autopoiesis Phänomene von großer Bedeutung sind. Übersummativität und Autopoiesis werden in den beiden folgenden Unterkapiteln dargestellt. 5.1.4.1 Autopoiesis Der Begriff “Autopoiesis“ ist eine Kombination der griechischen Begriffe „autos“ (selbst) und „poiein“ (machen) (Jaeger; Scheringer 1998, S. 191). Der Begriff wurde von den Neurobiologen Maturana und Varela geprägt und beschreibt die Tatsache, dass es Systeme gibt, die sich selbst reproduzieren. Grundeigenschaften autopoietischer Systeme sind Selbstherstellung und Selbsterhaltung. "Die eigentümliche Charakteristik eines autopoietischen Systems ist, dass es sich sozusagen an seinen eigenen Schnürsenkeln emporzieht und sich mittels seiner eigenen Dynamik als unterschiedlich vom umliegenden Milieu konstituiert“ (Maturana; Varela 1987, S. 54). Autopoietische Systeme sind also Systeme, die die Elemente, aus denen sie bestehen, mit Hilfe der Elemente, aus denen sie bestehen, selbst reproduzieren können (vgl. Willke 1991, S. 43). 166 Allerdings können nicht alle autopoietischen Systeme gleichgesetzt werden, denn es gibt es auch unter diesen Systemen verschiedene Klassen, insbesondere durch den ihnen innwohnenden Sinn: "Zum Beispiel sind soziale Systeme und psychische Systeme gleich insofern, als sie Systeme sind. Es mag aber auch Gleichheiten geben, die nur für Teilbereiche einer Vergleichsebene gelten. Zum Beispiel lassen sich psychische und soziale Systeme, nicht aber Maschinen und Organismen durch Sinngebrauch charakterisieren" (Luhmann 2008, S. 18). Da im Gegensatz zu den sozialen Systemen Organismen nicht mit „Sinn“ arbeiten, kann die Autopoiesis, wie sie Maturana und Varela (vgl. Maturana; Varela 1987) beschreiben, nicht ohne Modifikation auf soziale Systeme angewandt werden. Vielmehr ist es eben der Sinn, der „erscheint in der Form eines Überschusses von Verweisungen auf weitere Möglichkeiten des Erlebens und Handelns. Etwas steht im Blickpunkt, im Zentrum der Intention, und anderes wird marginal angedeutet als Horizont für ein Und-so-weiter des Erlebens und Handelns. Jede Sinnintention ist selbstreferentiell insofern, als sie ihre eigene Wiederaktualisierbarkeit mit vorsieht, in ihrer Verweisungsstruktur also sich selbst als eine unter vielen Möglichkeiten weiteren Erlebens und Handelns wieder aufnimmt" (Luhmann 2008, S. 95). Sinn ermöglicht daher die Reproduktion von Elementen sozialer Systeme, denn er zeigt einerseits neue Möglichkeiten auf, stellt aber anderseits eine Auswahl aus diesen dar. Für soziale Netzwerke bedeutet autopoietisch, dass Themen und Handlungsmuster entwickelt werden, die als Strukturformen („Klischees“) für jede neuerliche Interaktion oder Kommunikation dienen. Auf diese Weise reproduziert sich das Netzwerk immer wieder von Neuem (vgl. Fuhse 2003, S. 5ff). Auch Giddens beschreibt in seiner Strukturationstheorie das Verhältnis zwischen Handlung und Struktur (vgl. Giddens 1984). Ihm ist dabei sowohl die Betrachtung des Individuums als auch die Betrachtung der Gesellschaft wichtig. Er erkennt eine autopoietische Dualität zwischen Handeln und Struktur; sie bedingen sich gegenseitig. Strukturen sind damit sowohl Ausgangsprodukt als auch Endprodukt sozialen Handelns (vgl. Giddens 1997, S. 77ff). 167 5.1.4.2 Emergenz Bereits Ende des 19. Jahrhunderts beschreibt der Philosoph von Ehrenfels Phänomene der Gestaltqualität. Er stellt fest, dass die Wahrnehmung Qualitäten enthalte, die sich nicht aus der Anordnung einfacher Sinnesqualitäten ergeben (vgl. Ehrenfels 1890). So ist die Melodie eines Musikstückes mehr als die Summe seiner Töne. Von den Beobachtungen v. Ehrenfels´ ausgehend gründeten Wertheimer, Koffka und Köhler mit der „Berliner Schule der Gestaltpsychologie“ eine neue psychologische Richtung. Die Gestaltpsychologie schließt aus der Analyse des Ganzen auf die Konstitution seiner Einzelteile. „Es gibt Zusammenhänge, bei denen nicht, was im Ganzen geschieht, sich daraus herleitet, wie die einzelnen Stücke sind und sich zusammensetzen, sondern umgekehrt, wo - im prägnanten Fall - sich das, was an einem Teil dieses Ganzen geschieht, bestimmt von inneren Strukturgesetzen dieses seines Ganzen“ (Wertheimer 1925, S. 103). Damit lässt sich die Gestalt als übersummativ und transponierbar (z. B. Transponierbarkeit eines Musikstückes in eine andere Tonart) beschreiben. In Bezug auf Systeme und Netzwerke zeigt sich, dass auch hier die Summe der Eigenschaften der Teile (die Summe der Netzwerke der Einzelakteur/innen) nicht die Eigenschaften des Ganzen (eines Systems „Gesellschaft“) ergibt. Denn die systemischen Eigenschaften sind nicht bei einem einzelnen Systemteil vorhanden, sondern ergeben sich durch die prozesshaften Beziehungen der Teile. Der Gedanke der „Emergenz“ bezieht sich daher auf die zusätzlichen, neuen Eigenschaften, die das Netzwerk durch die Herausbildung der Kanten bzw. ein System durch Herausbildung seiner Strukturen entwickelt und beschreibt das Aristoteles´sche Prinzip: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Das bedeutet, dass aus individuellen Handlungen kollektive Effekte entstehen, die eine eigene, nicht unbedingt angestrebte Qualität aufweisen (vgl. Giddens 1984, S. 58). Die Human Relation Bewegung in der Industriesoziologie beschreibt die Emergenz der menschlichen Dimension in Unternehmen. In Abkehr vom Tayloris- mus/Fordismus wird der Mensch im Unternehmen nicht mehr als im Arbeitsablauf isoliert funktionierendes Wesen betrachtet, sondern als Teil einer Gruppe, dessen 168 Arbeitsleistung nicht nur mithilfe finanzieller Anreize, sondern in erster Linie durch soziale Faktoren gesteigert werden kann (vgl. Roethlisberger; Dickson 1966). Im Anschluss an die so genannten Hawthorne Studien (vgl. Mayo 1930, 1933) untersuchte Homans die Auswirkung von Interaktionen, Normen, Aktivitäten und Emotionen auf Kleingruppen. Er erklärte die soziale Ordnung innerhalb einer Kleingruppe als Folge der sozialen Beziehungen und der daraus erwachsenden Aktivitäten und Emotionen, die ihrerseits eine Wechselwirkung aufweisen. Diese begünstigen das Entstehen von Normen und Regeln, die zum Entstehen von Hierarchien führen. Es gibt also eine positive Korrelation zwischen der Interaktionsintensität und der Hierarchie einer Kleingruppe (vgl. Homans & Gruner 1960, S. 113ff). Diese Aussage kann zur Beschreibung von Nachhaltigkeitsgruppen genutzt werden. 5.1.5 Übertragung des Systemdenkens auf Gruppenkonzepte Eine Alltagsbeobachtung zeigt, dass Gruppen nicht mehr so stabil sind wie früher, weil sich Mitglieder nicht mehr so lange binden wollen. Der Gruppenbegriff verliert seit den 1960er Jahren kontinuierlich an Bedeutung. Es kommt zu einer Dynamisierung des Begriffes mithilfe des Begriffes „Netzwerk“, der „eine bessere Konzeption und Analyse der Verflechtung zwischenmenschlicher Beziehungen ermöglicht“ (Fuhse 2006, S. 245). Überlegungen zum Thema „Netzwerk“ erlauben eine Neuformulierung des Gruppenkonzeptes, das nunmehr als Spezialfall von Netzwerken zu sehen ist: Gruppen zeichnen sich durch Konzentration auf eine innere Kerngruppe mit großer Kohäsion aus, wohingegen sich Mitglieder an der Gruppenperipherie nicht mehr eindeutig vom Umsystem abgrenzen lassen. Über die Stärke der Bindungen, die innerhalb einer modernen Gruppe bestehen, herrscht Uneinigkeit: Für den Soziologen Ganovetter sind moderne institutionelle Netzwerke durch „die Stärke schwacher Bindungen“ gekennzeichnet. Das heißt, dass einerseits flüssige Formen von Gemeinsamkeit dem Menschen nützlicher sind als langfristige Verbindungen, aber andererseits starke soziale Bindungen wie Loyalität ihre Bedeutung verloren haben (vgl. Ganovetter 1993, S. 1360ff). 169 5.2 Das Panarchiekonzept: Veränderungen in komplexen Systemen und Netzwerken erfassen Wesentliches Merkmal komplexer Systeme ist, dass sie nicht statisch sind, sondern sich permanent verändern. Mit ihrem Panarchiemodell stellen Holling et al. ein Konzept zur Verfügung, mit Hilfe dessen man Veränderungszyklen in komplexen Systemen verstehen und ein „framework to understand the cycles of change in complex systems and to gauge if, when and how they can be influenced“ schaffen kann (Holling; Gunderson; Gunderson 2001, S. VII). Das Wort Panarchie beschreibt lebende Systeme, die gleichzeitig sowohl persistent sind (stabil im Sinne von „to persist“: durchhalten) als auch sich verändern. Um die Quelle und die Rolle zu verstehen, die der Wandel von Systemen mit sich bringt, wird das Panarchiemodell dieser Arbeit im Weiteren zugrundegelegt, wobei zunächst auf die grundlegenden Begriffe der adaptiven Schleifen und der Resilienz eingegangen wird. 5.2.1 Das Modell der adaptiven Schleifen und Resilienz Das Modell der adaptiven Schleifen wurde als Gedankenwerkzeug aus vergleichenden Studien über die Dynamik von Ökosystemen abgeleitet, um deren Komplexität und Dynamik zu durchdringen. Bereits Schopenhauer erkannte die Wichtigkeit der „richtigen Schätzung des Unbestandes und Wechsels der Dinge. Weil eben jeder Zustand für die Zeit seiner Dauer, notwendig und daher mit vollstem Rechte vorhanden ist; so sieht jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag aus, als ob nun endlich er recht behalten wollte, für alle Ewigkeit. Aber keiner behält es, und der Wechsel allein ist das Beständige“ (Schopenhauer 1960, S. 561). Mit Hilfe der adaptiven Schleifen bzw. des daraus entwickelten Konzeptes der Panarchie gelingt es, die bislang eher statische Betrachtung von Systemen um eine dynamische Komponente zu erweitern. Im Zentrum der Betrachtung stehen nicht Bestand und Kontinuität, sondern Auflösung und Neuorganisation: Lange, stabile Perioden der Sammlung und Nutzung von Ressourcen und kürzere, auf den ersten Blick „zerstörerische“ Perioden der Restrukturierung, die aber in sich die Möglichkeit zur Einführung von Neuerungen bergen, sind miteinander in so genannten „adaptiven Schleifen“ verbunden. Diese Betrach170 tungsweise bildet die Grundlage, um komplexe Systeme von Zellen über Ökosysteme bis hin zu Gesellschaften verstehen zu können (vgl. Holling 2001, S. 394). Adaptive Schleifen sehen Veränderungen und Umorganisationen als Teil eines periodischen Prozesses. Dieser findet auf einer Ebene eines hierarchisch strukturierten Systems statt, ohne dadurch gleich zwingend das gesamte System zu gefährden. Erfolgsperioden tragen in sich den Samen zukünftigen Niedergangs, weil sie zulassen, dass Anspannung und Starrheit sich ansammelt (vgl. Holling 2001, S. 395). Organisationen und Institutionen schaffen es oft nicht, sich an diesen langsamen Wandel anzupassen, entweder, weil er für sie unsichtbar ist oder weil er so komplex und umstritten ist, dass man sich auf keine vernünftige Aktion einigen kann. Drei wichtige Merkmale bestimmen den Entwicklungsverlauf einer adaptiven Schleife (vgl. Holling, Gunderson, & Peterson 2002, S. 4). Potenzial, Connectedness und Resilienz. Die beiden ersteren dieser Begriffe lassen sich relativ leicht fassen: Das Potenzial ist ein Maß für das „Kapital“ oder den „Reichtum“ eines Systems, also die darin angesammelten Fähigkeiten. Es beschreibt die Anzahl alternativer Möglichkeiten, die dem System zur Verfügung stehen. Demgegenüber bestimmt die Connectedness den Grad, in dem ein System sein eigenes Schicksal bestimmen kann und nicht zufällig von außen bestimmt werden kann. Letztlich ist sie ein Maß dafür, wie komplex und vielschichtig die Verbindungen zwischen den einzelnen Systemelementen sind. Schwieriger zu fassen ist das Konzept der (sozio-ökologischen) Resilienz, das manchmal auch als eigenständiges Konzept aufgefasst wird und in der Debatte um Nachhaltigkeit vor allem im Zuge der Klimawandelsanpassung an Bedeutung gewinnt: „Resilience ist the capacity of a system to absorb disturbance and reorganize while undergoing change so as to still retain essentially the same function, structure, identity, and feedbacks“ (Walker et al. 2004). Grundsätzlich versteht man unter Resilienz die Fähigkeit des Systems Störungen zu ertragen, ohne sich in seinen wesentlichen Charakteristika zu verändern. Unter Störungstoleranz eines Systems versteht man „das Höchstmaß an Störung, das vom System absorbiert werden kann, ohne dass sich die Struktur ändert, indem Variablen und Prozesse verändert werden, die das Verhalten des Systems kontrollieren“ (Gößling-Reisemann 2008, S. 369) 171 und seine Fähigkeit zur Erholung nach Störungen. Resilienz ist zu unterschieden von Resistenz als der Fähigkeit, Störungen auszuhalten ohne sich zu verändern. Hohe Resilienz bedeutet aber auch, dass das System zur Selbstorganisation fähig ist und daher keine steuernden Eingriffe (von innen oder außen) benötigt, betrifft also die Störungstoleranz eines Systems in Krisen. Die Resilienz steigt mit der funktionellen Diversität des Systems, da das Ausfallen einzelner Systemelemente nicht unbedingt auf alle anderen durchschlägt (vgl. Holling 2001, S. 403). Umgekehrt sinkt die Resilienz mit zunehmender Systemkomplexität, weil einzelne Verbindungen instabil werden und das Versagen eines kleinen Systemelements auf alle anderen durchschlagen kann. Resilienz weist vier wesentliche Merkmale auf: Als Spielraum bezeichnet man das Ausmaß, in dem ein System verändert werden kann, bevor es seine Fähigkeit verliert in den Ausgangszustand zurückzukehren (wie ein Gummiband, das gedehnt wird). Als Resistenz bezeichnet man die Leichtigkeit (oder Schwierigkeit), mit der ein System verändert werden kann. Die Unsicherheit betrachtet die Frage, wie nahe das System einer Schwelle ist, an der es „kippt“. Das letzte Merkmal ist die Panarchie, eine Wechselwirkung mit anderen Systemen, die im nächsten Abschnitt näher betrachtet wird (vgl. Walker et al. 2004). Letztlich beschreibt die Resilienz das Ausmaß, in dem das System bereit ist zu lernen und zu experimentieren, damit neuartige Lösungen gefunden und umgesetzt werden können. Wenn neue Herausforderungen auftauchen, müssen Systeme flexible Lern- und Anpassungsprozesse in Gang setzen können. Um Resilienz zu operationalisieren, also konkret fass- und handhabbar zu machen, muss sie in einem je spezifischen Kontext gesehen werden: Es geht immer um die Resilienz einer Sache/eines Systems im Hinblick auf eine/ein andere/anderes (vgl. B. Walker et al. 2002). In Abb. 4 sind die Zusammenhänge zwischen Potenzial, Connectedness und Resilienz zu sehen. Vier ausgeprägte Phasen kennzeichnen die adaptive Schleife, deren jeweilige Entwicklungsgeschwindigkeit durch Pfeile symbolisiert wird (vgl. Holling 2001, S. 396): 172 K Potential r Ω Abb. 4: Modell einer Adaptiven Schleife (Holling 2001, S. 396) (r) steht für die Wachstumsphase bzw. Zugewinnphase („exploitation“), diese geht über in die Phase der Erhaltung („conservation“, K). In diesen Phasen verlaufen die Entwicklungen, die wenig dynamisch, sehr langsam und gut vorhersehbar ist. Wenn das Potenzial und die Connectedness eines Systems zunehmen, verursachen langsame Veränderungen eine erhöhte Anfälligkeit des Systems für externen Einwirkungen (eine verringerte Resilienz). Das kann zum Zusammenbrechen des Systems führen, was eine schnelle Auflösungsphase („release“, Ω) zur Folge hat, die rasch in die Reorganisierungsphase () übergeht. Diese wiederum kann langsam oder schnell verlaufen. Sowohl in der Ω- als auch in der -Phase nimmt die Resilienz zu – destruktive Zustände sind durch ein hohes Maß an Störungstoleranz gekennzeichnet. Im Anschluss folgt wieder die (r) Phase, die entweder der vorhergehenden (r) Phase ähnelt oder sich grundlegend von ihr unterscheidet. Denn als Konsequenz der regelmäßigen Wiederkehr und damit der Flüchtigkeit der verschiedenen Abschnitte von Zerstörung (Ω) und Neugestaltung ()hat das System die Möglichkeit, sich immer wieder neu zu organisieren und neu zu gestalten. Diese Neugestaltung erlaubt den bestehenden Milieugruppen ein neues System zu organisieren mit der Möglichkeit, vollkommen fremdartige, neue Anfänge zu berücksichtigen (vgl. dazu Schumpeters 173 „Schöpferische Zerstörung“, Schumpeter 1997, S. 157). In der Phase () stehen damit viele neue Optionen und damit Innovationen offen (vgl. Walker et al. 2004). Die wichtigsten Stufen im Prozess der Entwicklung sind kreatives Herausfinden neuer Möglichkeiten, Testen der Sinnhaftigkeit neuer Möglichkeiten und das Aufrechterhalten der wichtigsten Möglichkeiten. Von besonderer Bedeutung für die Dynamik des Systems sind der Übergang von K zu Ω (release), der den akuten Zusammenbruch eines überkomplexen und daher störungsanfälligen Systems beschreibt, sowie der sich langsam vollziehende Übergang von zu r (recovery) als Kraft der Veränderung und Impulsgeber in verschiedenen Entwicklungsstadien, der den langsamen Wiederbeginn einer neuen Wachstumsphase kennzeichnet. Damit ist dargelegt, dass Systeme einer bestimmten Dynamik unterliegen. Das erkennen auch andere Autor/innen. So beschreibt Kruse die Sicht des Change Managements: Die Notwendigkeit von Veränderungen bewirkt Irritationen, die zu echter Verunsicherung und Energieverlusten auf verschiedenen Ebenen führen kann, wenn die Akteure sich nicht von alten Mustern lösen können und bestrebt sind, zu einem vor der Störung gewohnten Zustand zurückzukehren. „Sind sie jedoch bereit, sich auf neue Muster und Prozesse einzulassen, wird aus der Irritation Instabilität – ein Zustand flexibler Anpassungsfähigkeit. Einer Organisation, die sich auf Instabilität einlassen kann, öffnet sich die Chance, aus Veränderungsprozessen immer wieder gestärkt hervorzugehen“ (vgl. Kruse 2002, S. 3). Auch nach Radcliff-Brown kann sich die Mitgliederzahl eines Netzwerkes ändern, aber die Grundstruktur bleibt in der Regel erhalten (vgl. Radcliff-Brown 1940, S. 4). 5.2.2 Interdependente adaptive Schleifen: Panarchie In einem nächsten Schritt werden mehrere adaptive Schleifen zu einer Panarchie zusammengefügt. Das Konzept der Panarchie beschreibt lebende Systeme, die gleichzeitig sowohl stabil sind als auch sich verändern. Im Panarchiemodell verändern schnelle und langsame, kleine und große Ereignisse und Prozesse Menschen und ihre Gesellschaften dadurch, dass diese auf eine transformative Art lernen oder zumindest die Möglichkeit erhalten zu lernen (vgl. Holling 2001, S. 394f). Eine Panarchie verkörpert einen Satz in einander verschachtelter adaptiver Schleifen. 174 Im Prinzip handelt es sich bei einer Panarchie daher um ein hierarchisches System, jedoch in einer völlig anderen als der gängigen Auffassung des „Von-oben-nachunten“. Daher wurde der neue Begriff der Panarchie entwickelt, um der dynamischen Natur von Systemen gerecht zu werden, die lokal und temporal ineinander verschachtelt sind (vgl. Holling et al. 2002, S. 63f). Der Name Panarchie bezieht sich auf den griechischen Gott der Natur Pan. Der gehörnte und behaarte Gott mit dem Pferdefuß repräsentiert die allgegenwärtige spirituelle Kraft der Natur und hat eine Persönlichkeit und Rolle, die ihn in den Hymnen des Orpheus als geißbeinig, begeisternd, Liebhaber der Ekstase, zwischen den Sternen tanzend sieht (vgl. Hughes 1986, S. 8). Zusätzlich zu seiner kreativen hat Pan auch eine destabilisierende Rolle, die sich in dem Wort „Panik“ wiederfindet. Seine Eigenschaften schwingen auch in den vier Phasen der adaptiven Schleifen mit. In der hierarchischen Struktur einer Panarchie interagieren natürliche (z. B. Wälder, Seen, Meere) und menschliche (z. B. Verwaltungsstrukturen, Kultur) und kombinierte Mensch-Umwelt-Systeme (z. B. Umweltkontrolleinrichtungen) (vgl. L. H. Gunderson et al. 1995, S.519ff). Das Funktionieren der einzelnen adaptiven Schleifen und deren Kommunikation untereinander bestimmen, ob ein System auf Dauer funktionieren kann (vgl. Holling 2001, S. 396). In einer Panarchie sind mehrere adaptive Schleifen ineinander verschachtelt, unter denen es schnelle, kleine (z. B. das Wachstum eines Blattes, eine Immobilien Bank in den USA) ebenso gibt wie langsame, große (das Waldgebiet, in dem sich das Blatt befindet; die Weltwirtschaft). Die schnellen Ebenen erfinden, experimentieren und testen, die langsamen festigen und erhalten die bisher erfolgreichen Experimente. Veränderungen betreffen wirtschaftliche, ökologische und soziale Belange und finden sich schnell entfaltend oder langsam wechselnd statt, aber auch schrittweise und episodisch und auf verschiedenen Systemebenen (z. B. lokal oder global) (vgl. Holling et al. 2002, S. 73). Das Panarchiemodell beschreibt den evolutionären Charakter komplexer adaptiver Systeme. Stabilität erlangen Panarchien durch das bereits oben angesprochene Phänomen der Resilienz. Holling selbst definiert Stabilität als die Fähigkeit eines Systems, zu einem definierten Ausgangszustand zurückzukehren. Je schneller und und mit je weniger Ausschlägen dies geschieht, desto stabiler ist das System (vgl. Holling 1973, S. 17). Dieser Begriff von „Stabilität“ deckt sich nicht mit dem in dieser 175 Arbeit verwendeten Begriff der „dynamischen Stabilität“, der Rekurs nimmt auf die Fähigkeit des Systems, Änderungen zu widerstehen, ohne dabei die grundlegenden Systemeigenschaften aufzugeben. Dynamische Stabilität ist daher weitgehend mit der Resilienz, wie Holling sie definiert, gleichzusetzen. 5.2.3 Rückkoppelungen zwischen adaptiven Schleifen Es gibt viele mögliche Verbindungen zwischen den verschiedenen Entwicklungsphasen verschiedener Panarchiestufen. Zwei Verbindungen sind für die Beschreibung der nachhaltigen Entwicklung besonders wichtig; diese Verbindungen werden als Revolt und Remember bezeichnet (vgl. Holling et al. 2002, S. 74ff), vgl. Abb. 5. Denn in den Übergangsphasen K-Ω und r- werden große und langsame Einheiten anfällig für Veränderungen, die in den schnellen, kleinen Einheiten stattfinden. Erfolgsperioden tragen in sich den Samen zukünftigen Niedergangs, denn sie lassen Anspannung und Starrheit aufkommen, statt sich mit den ihnen untergeordneten Einheiten langsam weiterzuentwickeln, entweder, weil deren Wandel für sie unsichtbar ist oder weil er so komplex und umstritten ist, dass man sich auf keine vernünftige Aktion einigen kann. Abb. 5: Panarchie-Modell (Holling 2001, S. 396) 176 Mit dem Begriff „revolt“ bezeichnet man das Zusammentreffen einer instabilen Phase in einem untergeordneten System mit einer Phase hoher Komplexität in einer übergeordneten Ebene. Das Kollabieren der untergeordneten Ebene kann in diesem Fall die übergeordnete(n) Ebene(n) mitreißen und so zu einem großen Kollaps führen (wie etwa im Falle eines kleinräumigen Brandes, der einen ganzen Forst vernichtet, oder im Zusammenbrechen einiger Immobilienbanken, die die Weltwirtschaft in die Krise gerissen haben (vgl. Holling et al. 2002, S. 75; Holling 2001, S. 398). Mit dem Begriff „remember“ bezeichnet man die Tatsache, dass trotz Zusammenbrechens einer untergeordneten Ebene nicht unbedingt die ganze Panarchie zusammenbrechen muss, wenn übergeordnete Ebenen einigermaßen stabil sind. Denn in diesen ist Potential (also Kompetenzen, Erfahrungen, Know-How) gespeichert, das zur Neuerschaffung und Wiederingangsetzung der untergeordneten Ebene beitragen kann. So kommen Tiere und Pflanzensamen in das zerstörte Waldgebiet und etablieren erneut Vegetation; die Weltwirtschaftskrise kann mithilfe politischer und gesellschaftlicher Allianzen wieder in Gang gesetzt werden (vgl. Holling et al. 2002, S. 75; Holling 2001, S. 398). Panarchie vereint somit die Aspekte der Kreativität und Bewahrung. Die Wechselwirkung zwischen den Schleifen innerhalb der Panarchie verbindet das kreative Lernen neuer Lösungen mit der Dauerhaftigkeit bereits erprobter Lösungen. Die Verbindung der beiden Begriffe stellt also keinen Widerspruch in sich dar, sondern präsentiert eine logische Partnerschaft (vgl. Holling 2001, S. 399). 5.3 Lernen in Systemen und im Panarchiemodell Die der Systemtheorie nahestehende konstruktivistische Lerntheorie geht davon aus, dass Menschen die sie umgebende „Wirklichkeit“ nur mittelbar durch Konstruktion von Schemata ihres eigenen kognitiven Systems erfahren können. Diese Auffassung spiegelt sich unmittelbar in den Arbeiten von Piaget oder Illeris (vgl. 4.2.2). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Autopoiese: Die bereits im selbstorganisiert arbeitenden kognitiven System angelegten Schemata bestimmen, in welcher Weise ein von außen herangetragener Reiz eine Veränderung auslösen kann. Insofern kann keinesfalls ein deterministischer Zusammenhang zwischen Reiz und Reaktion hergestellt werden (vgl. Faulstich 2005, S. 529ff). Die Wirkung externer Reize auf den menschlichen Organismus wird in erster Linie bestimmt durch die drei Merkmale Vo177 raussicht, Kommunikation und Technologie. Sie machen menschliche Systeme einzigartig. Kommunizieren können zwar bis zu einem gewissen Grad auch Tiere; Technologie und Voraussicht sind aber reine menschliche Charakteristika (vgl. Holling 2001, S. 396). Durch Voraussicht und ein geplantes und zielgerichtetes Vorgehen kann den Konsequenzen der adaptiven Schleife (insbesondere zur Verhinderung eines Zusammenbruchs K-Ω) entgegengewirkt werden bzw. können die kreativen Kräfte in der Phase -r besser genützt werden. Durch die Fähigkeit zur Kommunikation können Entwicklungen beschleunigt werden, weil das Mitteilen von Ideen und Neuerungen schneller funktioniert als in biologischen Systemen (vgl. Holling 2001, S. 401). Technologie eröffnet den Menschen die Möglichkeit, die Steigung r-K und damit das Potenzial und die Connectedness proaktiv zu beeinflussen. Das ist in keinem anderen System möglich. Insgesamt scheint es folglich so zu sein, dass die Voraussicht den Zyklus der adaptiven Schleifen abschwächt, wohingegen Technologie und Kommunikation eher zu seiner Beschleunigung beitragen (vgl. Holling 2001, S. 401). Alle drei stehen in besonderem Zusammenhang mit der Resilienz. Resilienz ist daher eine Art von Fähigkeit des Systems, sich so zu verändern, dass es trotz einer Störung nicht zugrunde geht, sondern sich anpasst (vgl. Holling et al. 2002, S. 28). Treibt man diese Interpretation noch weiter, so kann man annehmen, dass „die Störung“ nicht unbedingt negativen Charakter haben muss, sondern einem Wandel entspricht, der das System zur kontinuierlichen Weiterentwicklung und Verbesserung anregt. Resilienz bedarf also des Wandels, um sich weiterzuentwickeln. Damit besteht hier wiederum ein enger Konnex mit einer Fähigkeit, die vor allem den Menschen kennzeichnet: dem Lernen. Lernen besteht in diesem Zusammenhang insbesondere darin, Anpassungsfähigkeit zu erwerben. Unter Anpassungsfähigkeit (adaptability oder adaptive capacity) versteht man in einem komplexen sozioökonomischen System die Fähigkeit von einzelnen Menschen und Gruppen, Resilienz absichtsvoll so zu steuern, dass das System nicht in einen unerwünschten Zustand gerät oder aus einem solchen befreit werden kann (vgl. Walker et al. 2004). Damit betrifft Anpassungsfähigkeit einen Aspekt der Resilienz: die Flexibilität zu lernen, zu experimentieren, neuartige Lösungen anzuwenden und damit letztlich ein breites 178 Spektrum von generalisierten Antworten auf ein ebenso breites Spektrum möglicher, kritischer Herausforderungen zu entwickeln (vgl. B. Walker et al. 2002). Kruse sieht als grundlegend für den Phasenübergang in dynamischen Systemen die kreative Störung, denn seiner Ansicht nach sind stabile Zustände selbsterhaltend (vgl. Kruse 2002, S. 4). Sie bewirken damit eine so genannte Pfadabhängigkeit (vgl. Kemp; Rip; Schot 2001, S. 271ff). Pfadabhängigkeiten werden begründet durch die Regeln und Regelsysteme, Netzwerke und gegenseitige Abhängigkeiten, in welche die Akteure und Organisationen innerhalb eines Systems eingebettet sind, sowie durch die Langlebigkeit einiger (Unter-)Systeme, welche wiederum bedingt werden durch die Lebensdauer einzelner Komponenten (z. B. Maschinenlebensdauer, Nutzungsdauer von Kraftwerken etc.) (vgl. Geels 2004, S. 910f). Um diese Pfadabhängigkeit zu überwinden bedarf es nicht der Funktionsoptimierung (best practice), sondern massiver Prozessmusterwechsel (next practice) und damit um einen Übergang von dem, was Kruse (vgl. Kruse 2002, S. 4) „triviales Lernen“ nennt (entsprechend der Assimilation oder dem Lernen I, vgl. 4.2.2), hin zu einem „nichttrivialen Lernen“ bzw. zur Akkomodation oder gar Transformation (vgl. 4.2.2). Doch „(n)ichttriviales Lernen, das Aufbrechen liebgewordener Muster fällt dem Gehirn nicht leicht“ (Kruse 2002, S. 4). Die Lernprozesse in Zusammenhang mit der Anpassungsfähigkeit steht in engem Zusammenhang mit der im Deutschen nicht adäquat wiedergebbaren „adaptive flexibility“. Adaptive Flexibility spielt eine Schlüsselrolle bei der Problemlösung, da sie die Anwendung einer großen Vielfalt von Strategien in Abhängigkeit von den Anforderungen der Aufgabe fördert. In Bezug auf ein Problem werden laufend wechselnde Perspektiven eingenommen, das Problem wird immer wieder neu definiert und auch die Lösungsstrategien werden verändert, wenn sich bisherige Perspektiven und Strategien als nicht zielführend erwiesen haben (vgl. Georgsdottir, Todd, & Getz 2003, S. 182). Daraus folgt aber, dass auch Normen und Werte (vgl. 8.1) im System nicht immer gleich bleiben, sondern emergente Merkmale der Kommunikation und der Lernprozesse im System sind (vgl. Tognetti 1999, S. 689f). In der Tat besteht der Lernprozess aus Anpassungsreaktionen auf Unsicherheit. Diese neue Sicht auf das Lernen soll zur Wahrnehmung, Anpassung an und Entwicklung von Antworten auf Her- 179 ausforderungen führen, die aus dem Umfeld erwachsen. Dazu werden im panarchischen System drei sehr unterschiedliche Arten des Lernens betrachtet: inkremental, r-K, in sehr kleinen Schritten ansteigend, abrupt, Ω- und transformativ, (-r) also sich umformend, damit ähnlich wie auch Illeris (vgl. Illeris 2010) und andere (vgl. 4.2). Damit steht die Prozessorientierung im Vordergrund dieser Konzepte und folglich wiederum der in dieser Arbeit vertretene prozessorientierte Ansatz der Nachhaltigkeit: Im Zentrum davon steht in Bezug auf Lernen der Übergang von der Frage “Was wollen wir erreichen?” zu “Wie wollen wir es erreichen?” und von einem zielorientierten Ansatz zu einem prozessbasierten, multi-skalierten, von einem Ziel bzw. einer Vision geleiteten Ansatz (vgl. Pahl-Wostl 2002). Den wesentlichen Ansatzpunkt einer nachhaltigen Lernumgebung bildet daher die Ermutigung und Befähigung anderer für deren eigenes Planen (vgl. Ackoff 1979). 5.4 Nachhaltigkeit als panarchisches Konstrukt Zunächst besteht ein enger Konnex zwischen Nachhaltigkeit und Resilienz. Nachhaltigkeit als übergeordnetes Ziel beinhaltet Präferenzen und Annahmen darüber, welche Systemzustände wünschenswert sind. Der Aufbau von resilienten gewünschten Systemkonfigurationen erfordert, dass die sozialen, ökologischen und ökonomischen Strukturen und Prozesse eines Systems in einer Weise verändert werden, dass sich das System nach Störungen wieder reorganisieren kann und Zustände, die einer Reorganisation zuwiderlaufen, vermindert werden (vgl. B. Walker et al. 2002). Da in den meisten sozio-ökologischen Systemen soziale, ökologische und ökonomische Faktoren interdependent sind, wird Resilienz zur immanenten Systemeigenschaft (vgl. Perrings 1996, S. 246). Das Gleichgewicht in einem sozioökonomischen System hängt daher ab vom sozialen, ökologischen und ökonomischen Gleichgewicht sowie der Resilienz aller vorstellbaren systemischen Zustände. Wegen der daraus resultierenden Komplexität ist ein stabiler globaler Zustand de facto unmöglich (vgl. Berkes & Folke 2001, S. 51). Nachhaltigkeit im Sinne der Dauerhaftigkeit erfordert daher Resilienz als die Entwicklung der Fähigkeit, mit Wandel umzugehen und 180 ihn so zu gestalten, dass Möglichkeiten für eine zukünftige Entwicklung bestehen bleiben. Daher müssen nachhaltige Systeme resilient sein, denn sie besitzen das Potenzial und Möglichkeiten, die im Falle einer Störung notwendigen Entwicklungen und Anpassungen bewältigen zu können (vgl. Folke et al. 2003, S. 51). Resilienz kann dann als Fähigkeit interpretiert werden, mit Wandel umzugehen und mit diesen Wandlungen so umzugehen, dass zukünftige Entwicklungen möglich sind. Hier besteht eine starke Parallele zu Heinz von Foersters „Ethischem Imperativ“ (vgl. von Foerster 2000, S. 49). Allerdings ist Resilienz nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für Nachhaltigkeit (vgl. S. R. Carpenter et al. 2001, S.766). Denn aus Nachhaltigkeitssicht völlig unerwünschte Zustände wie gekippte Gewässer oder Wüstenbildungen können sogar höchst resilient sein. Weiterhin kombinieren die Beziehungen zwischen den adaptiven Schleifen einer Panarchie Kreativität und Bewahrung, Erneuerung und Bestand, Entwicklung und Aufrechterhaltung sowie Lernen und Kontinuität (vgl. Holling 2001, S. 402). Diese Begriffspaare erscheinen auf dem ersten Blick gegensätzlich, müssen aber zur Erzielung nachhaltiger Entwicklung jeweils gleichzeitig umgesetzt werden. Damit wird auch Nachhaltigkeit zu einem Sachverhalt, der sich mithilfe des Panarchiekonzeptes darstellen lässt. Nachhaltigkeit bedeutet dann nicht, dass ein statisch-stabiler Zustand der Glückseligkeit erreicht werden muss, sondern dass die Entwicklung auf dauerhaften Bestand angelegt ist. Holling selbst drückt dies pointiert aus, wenn er “Sustainable Development” definiert: „Sustainability is the capacity to create, test, and maintain adaptive capability. Development is the process of creating, testing, and maintaining opportunity. The phrase that combines the two, ‘Sustainable Development’, therefore refers to the goal of fostering adaptive capabilities while simultaneously creating opportunities. It is therefore not an oxymoron, but a term that describes a logical partnership” (Holling 2001, 399). Die Charakteristika dieser Partnerschaft lassen sich mit vier R beschreiben, die bereits bei den Systemen besprochen wurden (vgl. Holling 2001, S. 402): Release als Phase des Zusammenbruchs, in der Potenzial freigesetzt und Zwänge aufgelöst werden 181 Reorganize als Phase, in der neuartige Rekombinationen des freigesetzten Potenzials und dadurch neue Möglichkeiten entstehen Revolt als das Durchschlagen von Zusammenbrüchen auf untergeordneten Ebenen auf jeweils übergeordnete Ebenen und schließlich Remember als Fähigkeit übergeordneter Ebenen, durch „institutionelles Wissen“ zur Reorganisation der ihnen untergeordneten Ebenen beizutragen. Betrachtet man die vier R, so fällt auf, dass nur das letzte, Remember, auf Bewahren und Fortschreiben gerichtet ist, während die übrigen eher auf Veränderung abzielen. So bedeutet Nachhaltigkeit, dass in Zeiten größter Bedrohung auch die größten Chancen zur Verfügung stehen, weil viele Zwänge entfernt wurden. Lokale Gemeinschaften entwickeln oft ungeahnte Reserven in der Wiedererholung nach Krisen (vgl. Berkes & Folke 2001, S. 402). Das bedeutet aber auch, dass in sozio-ökologischen Systemen nicht nur ökologische Resilienz aufgebaut und erhalten werden muss, sondern auch soziale Flexibilität, die zur Problembewältigung, Innovation und Anpassung benötigt wird (vgl. Holling 2001, S. 404). Daraus folgt, dass das Ingangsetzen eines sozialen Lernprozesses unter Einbindung aller Anspruchsgruppen die zielführende Strategie nachhaltiger Entwicklung ist. Das Lernen spielt dabei die herausragende Rolle, denn durch soziales Lernen erwirbt das sozio-ökologische System die Fähigkeit Wandel und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu erkennen und entsprechende Werte zu entwickeln (vgl. Bagheri & Hjorth 2007, S. 83f). 5.5 Hinweise aus der empirischen Untersuchung auf panarchische Strukturen Auch im Rahmen der empirischen Untersuchung fanden sich zunächst Hinweise auf panarchische Elemente in den untersuchten Nachhaltigkeitsgruppen. So sah eine der Interviewpartner/innen „Stabilität“ darin, dass „neue, junge Gruppenmitglieder dazukommen, die den alten Kern etwas nachdenken lassen und eine neue Struktur reinbringen, weil ein verhärteter Kern immer schlecht ist. Eine Gruppe darf nicht verhärtet sein, sondern muss offen sein, weil sonst kommt man in eine Position, in der nichts mehr weitergeht“ (Anna S. 3 3035), 182 und beschreibt damit Resilienz genau in dem hier dargelegten Sinne. Gleich mehrere der Interviewpartner/innen würdigen den Wert von krisenhaften Ereignissen. Zunächst wird der negative Beitrag erkannt: „Dann implodiert der innere Kern. Es gibt den Treiber nicht mehr. Der Rest dattelt noch vor sich hin und erinnert sich, was die Altvorderen mal gemacht haben, um es ihnen nachzumachen, aber man ist nicht mehr mit der Passion dabei“ (Heinrich S. 4 3-5). Doch der positive Wert von Krisen spielt eine größere Rolle und zeigt panarchische Muster: „Ich nutze Krisen, weil ich meine, dass Krisen ein wunderbarer Hort sind, um Bindungsenergien auszulösen. Im Streit festigen sich Bindungen“ (Stefan S. 6 29-30) und weiter meint er: “Es ist gut, wenn in einem Projekt Krisen entstehen. Es ist aber die Frage, ob Menschen dieses Potenzial erkennen. Es stellt sich die Frage, was will diese Krise gerade reinigen“ (Stefan S. 6 37 – S. 7 1). Auch die Zyklen der adaptiven Schleifen werden von den Interviewpartner/innen beschrieben, ohne dass ihnen das Konzept bewusst wäre: „Nach den Wachstumsphasen der Gruppe gibt es verschiedene betriebsgrößenabhängige Organisationsfragen, die zu klären sind. Am Anfang ist das informelle Wachstum stärker, später das formelle Wachstum stärker. Und da entstehen Umbruchsituationen, aus denen Krisen entstehen. Das gibt es Leute, die nur so lange dabei sind, solange es informell ist. Es ist alles easy, das macht alles Spaß. Das sind tolle Energiepartner, die bringen was rein, aber nachher entstehen Krisen, wo man sagen muss: Dann ist das halt nicht mehr deine Heimat. Geh halt woanders Spaß haben“ (Stefan S. 7 2-7). Über die Konsequenzen eines Zusammenbruches sagt ein anderer Interviewpartner: „Verändern tut sich (nach der Krise) immer was. Nach der inhaltlichen Ausrichtung; welcher Ausrichtung, Art der Zusammenarbeiten, ob es eine Verbesserung ist, weiß man ja nicht. Manche sagen aber auch, das reicht mir jetzt, das war zu viel des Guten“ (Heinrich S. 6 1-3). 183 Und eine andere ergänzt: „Dann (nach der Krise) kommt wieder eine neue Dynamik in die Gruppe, weil man dann beginnt, die Tagesordnung umzustellen oder etwas anders zu machen als vorher. In jeder Krise besteht die Chance, neu zu beginnen“ (Anna S. 11 10-12). 5.6 Panarchie und Nachhaltigkeitsgruppe: Die „Triple-I“-Struktur Eine Übertragung des Systemansatzes und im Speziellen des Panarchiekonzeptes auf Nachhaltigkeitsgruppen scheint aus mehreren Perspektiven sinnvoll. Zunächst haben ausgehend von Luhmann Systemtheoretiker vorgeschlagen, die „Gruppe“ als vierten Typ sozialer Systeme zu definieren. Neidhardt und Tyrell schlagen vor, die Gruppe als Systemtypus zwischen Interaktion und Gesellschaft zu positionieren; ähnlich wie Organisation (vgl. Neidhardt 1979; Tyrell 1983, S. 75ff). Weiter lässt sich das Panarchiekonzept anwenden, um die der Nachhaltigkeit innewohnende Dynamik zu erfassen. Denn eine Nachhaltigkeitsgruppe kann als panarchisches, evolutionäres System beschrieben werden: „Attributes of biological and human entities form clumped patterns that reflect panarchical organization, create diversity, and contribute to resilience and sustainability“ (Holling 2001, S. 403). Wesentliches systemrelevantes Kennzeichen einer Nachhaltigkeitsgruppe ist ihre Emergenz: Die Gruppe ist mehr als die Summe ihrer Aktivitäten und/oder Mitglieder. Das ist es auch, was den Bestand der Gruppe über einen längeren Zeitraum hinweg als sinnvoll erscheinen lässt, anstelle einer Anzahl von nicht miteinander verbundenen Projekten verschiedener Leute hintereinander. Außerdem entwickeln sich Werte (vgl. 8.1) und Idee (vgl. 5.6.1) der Gruppe nur langsam weiter, was der Gruppe neben der Stabilität auch Identität verleiht. Diese Idee findet ihren Niederschlag in den einzelnen Themen und Interessen, denen sich die Gruppe im Zeitablauf widmet und die sie behandelt. Die Interessen und Themen sind über einen gewissen Zeitraum stabil; wenn sie an Bedeutung verlieren, werden sie jedoch durch neue abgelöst. Die konkreten Prozesse (z. B. wiederkehrende Prozesse wie die Gestaltung des jährlichen Festes) und Ereignisse (Inhalte), mit denen die Nachhaltigkeitsgruppe konfrontiert ist, jedoch sind einem permanenten Wandel un- 184 terworfen, in dessen Rahmen diejenigen beibehalten werden, die sich als zielführend bzw. viabel erweisen, während die übrigen verworfen werden. Idee = Nachhaltige Entwicklung • verleiht der Gruppe Stabilität • ist festgeschrieben und konstant • hält die Gruppe über die Zeit hinweg am Leben Interesse Issue Initiative/Inhalt • umfasst die konkreten Inhalte des Handelns • ist das Mittel zur Zielerreichung der NaHaGru = Beweggründe des Handelns • bezieht sich auf konkrete Interessen bestimmter Personen • bestimmt das Ausmaß und den genauen Inhalt des Engagements Abb. 6: Das Triple-I-Modell der Nachhaltigkeitsgruppe, adaptiert (vgl. Holling 2001, S. 396) Damit sind die drei Ebenen von Nachhaltigkeitsgruppen festgelegt: Ausgehend von der gemeinsamen Vision bzw. Idee „Nachhaltige Entwicklung“ werden einzelne Themen (Issues) definiert und auf der Handlungsebene in konkrete Inhalte umgesetzt. Letztlich trägt die Erfüllung der Inhalte zur Erreichung der Interessen bzw. Bewältigung der Issues und damit zur Realisierung der Idee bzw. Vision bei. Die jeweils übergeordnete Idee-Ebene sorgt nach dem „Kollabieren“ eines Issue- Anpassungszyklus im Sinne der „Remember-Schleife“ dafür, dass weiterhin neue Issue-Gruppen als neue Anpassungsschleifen entstehen können. Eine panarchische Auffassung des Nachhaltigkeitsgruppenmodells erlaubt auch die Integration bzw. die Desintegration von Mitgliedern, die sich im Zeitablauf ebenso wie Ideen bzw. Werte, Issues und Ereignisse (Inhalte) abwechseln, vgl. Abb. 6. So kann die Nachhaltigkeitsgruppe überleben, auch wenn sie keinen kontinuierlichen Inhalt und keine kontinuierlichen gemeinsamen Interessen hat: Sie wird durch die Idee zusammengehalten und am Leben erhalten. Diese panarchische Interdependenz von grundlegender Idee, Richtung gebenden Themen und Interessen und kon185 kreten Inhalten wird in der vorliegenden Arbeit als „Triple-I-Modell“ von Nachhaltigkeitsgruppen bezeichnet. Die nachfolgenden Unterkapitel setzen sich mit den einzelnen Elementen des Modells auseinander. 5.6.1 Idee Ein wesentliches Element zur Konstituierung einer Nachhaltigkeitsgruppe ist ein gemeinsames Ideal bzw. eine gemeinsame Idee als Leitgedanke oder geistige Vorstellung. Hier ist „Idee“ zu verstehen als Merkmal, das für die Gruppe grundlegende Identität stiftet. In Anlehnung an Plato (427-347 v. Chr.) verharrt jede Idee als einfaches, für sich seiendes, selbständiges, vollkommenes, unkörperliches und unräumliches Wesen unveränderlich im Wechsel der Erscheinungen. „Als lebendige Kräfte sind die Ideen die ewigen Musterbilder, deren Abbilder die sinnlichen Einzeldinge sind“ (Kirchner; Michaelis 1911, S. 278f). Hier ergibt sich ein Anknüpfungspunkt an die Philosophie Kants (1724-1804), demzufolge eine Idee einerseits nur im Verstand entstehen kann und sich gänzlich der Erfahrung entzieht, andererseits ein notwendiger Vernunftbegriff von der durchgängigen Einheit der Verstandesbegriffe ist, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, dem also „kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann“ (Kant 1998, S. 325). Da die Vernunft nach Kant sowohl theoretisch als praktisch ist, unterscheidet er zwischen theoretischen und praktischen Gebrauch der Ideen (vgl. Kirchner & Michaelis 1911, S. 278), die beide ihren Niederschlag in der Nachhaltigkeitsgruppe finden. Die Idee beschreibt das langfristige Wertsystem der Gruppe, umgekehrt wird die Gruppe wird durch die gemeinsame kontinuierliche Idee am Leben erhalten. Die Idee der Nachhaltigkeitsgruppe ist nachhaltige Entwicklung bzw. eine nachhaltige Lebensweise im weitesten Sinne. Über allem steht die Idee der Erhaltung der Umwelt, der sozialen Gerechtigkeit und des ökonomischen Gleichgewichtes (vgl. Kempton et al. 2001, S. 561). Das entspricht dem Terminus der nachhaltigen Entwicklung, wie wir sie interpretiert haben (Drei-Säulen-Modell). Die Idee ändert sich kaum. Daher ist sie imstande, der Gruppe Identität und auch Stabilität zu verleihen und sie im Zeitablauf am Leben zu erhalten, auch wenn die behandelten Themen, die konkreten Inhalte und vor allem die handelnden Personen sich ändern. Im Grunde genommen ist die 186 die Idee ein Abbild der Emergenz der Nachhaltigkeitsgruppe. Dass die Idee einigermaßen festgeschrieben ist, heißt nicht, dass sie unveränderlich ist. Vielmehr entwickelt sich die Idee im evolutionären Sinne weiter und passt sich der Entwicklung der Gruppe an (vgl. Tognetti 1999, S. 689f), man kann auch hier wiederum von einer Art „dynamischer Stabilität“ sprechen (vgl. 5.2.2) Mit der Idee gleichzusetzen ist der Begriff des „Sinnes“. Luhmann differenziert drei Dimensionen des Sinnes. Die Sachdimension beschreibt das Thema bzw. den Issue oder das Interesse, die Sozialdimension die Person und die Zeitdimension den Zeitpunkt bei welchem eine Kommunikation stattfindet (vgl. Luhmann 1999, S. 124). Alle Dimensionen treten gleichzeitig auf und stellen eine Analogie dar zur so genannten operationalen Definition von Zielen, die in Hinblick auf ihren Inhalt, ihr Ausmaß, den Zeithorizont sowie eine verantwortliche Person beschrieben sein müssen. Die gemeinsame Idee entspricht im weitesten Sinne einer Vision, wie sie auch die oberste Spitze in einem Unternehmenszielsystem darstellt. Man kann also sagen, dass die Idee das oberste Element in einer „Zielpyramide“ der Gruppe ist (vgl. Winkelmann 2008, S. 54). Eine solche Vision ist die Voraussetzung dafür, dass in der Gruppe die gemeinsame Grundausrichtung und auch die Bereitschaft zur permanenten Veränderung entstehen, die nötig sind zum sensiblen Wahrnehmen von aktuellen Erfordernissen und zum beweglichen Umgang mit den kleinen und größeren Herausforderungen einer zunehmend dynamischer werdenden Welt (vgl. Kruse 2002, S. 5). Im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgruppen kann man die Idee der Nachhaltigkeitsgruppe eben mit der Nachhaltigkeit bzw. mit nachhaltiger Entwicklung im oben definierten Sinn (vgl. 3.1.6) festmachen: Unser Handeln muss darauf gerichtet sein, unser eigenes System weiterhin gedeihen zu lassen und nicht zu dessen Zusammenbruch beizutragen oder darauf zu bauen, dass Ressourcen von außerhalb der Systemgrenzen den Kollaps verhindern. Konkret heißt das, es muss auf Ausgleich der Möglichkeiten zur Befriedigung der Interessen der gegenwärtigen Generation gerichtet sein und gleichzeitig darauf achten, nicht die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zur Befriedigung von deren Interessen beschneiden. Um diese sehr abstrakte Idee zu operationalisieren, bedarf es einer Betrachtung einzelner Teilaspekte. Die Idee „Nachhaltige Entwicklung“ umfasst Aspekte wie „Umweltschutz“, „Ressourcenschonung“, „Solidarität“, „Gewaltfreiheit“, „Partizipation“, 187 „Nicht-Diskriminierung“ und ähnliche, wie sie in der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a) festgeschrieben sind. Diese Aspekte gehen aber schon in Richtung der nächsten Stufe, der einzelnen Interessen der Gruppe (vgl.5.6.2), die sich aus den eben erwähnten Teilaspekten ableiten lassen und die im nächsten Abschnitt beschrieben werden. Der Idee als solches selbst verpflichtet fühlen sich die Menschen im Zentrum der Nachhaltigkeitsgruppe (vgl. Kempton et al. 2001, S. 561). Diesem Gruppenkern ist gemeinsam, dass sie, anders als das Gros der Gruppenmitglieder, bereit sind, sich über einen längeren Zeitraum kontinuierlich oder immer wieder zu engagieren. Der Gruppenkern kann sehr klein sein und sich aus zwei bis vier Personen zusammensetzen, im Extremfall sogar einer einzigen Person. Er ist die treibende Kraft hinter der Nachhaltigkeitsgruppe. Zwar können die Mitglieder des Gruppenkerns im Zeitablauf wechseln, doch kann die Nachhaltigkeitsgruppe nicht weiter bestehen, wenn sich niemand mehr findet, der bereit ist, die Aufgabe(n) der Kerngruppe wahrzunehmen. 5.6.2 Interesse und Issue Der Begriff Interesse (von lat.: inter „zwischen, inmitten“ und esse „sein“) (vgl. Stowasser 1991) ist vielschichtig. Ursprünglich aus der Handels- und Rechtssprache kommend bezeichnet er dort das Interesse an „Zinsen, die geschuldet, bzw. Gewinne, die erwartet wurden. Darin wurzelt der heute bereits veraltete Wortsinn von Vorteil, Eigennutz und Egoismus“ (Schiefele; Krapp 1981, S. 192). Gleichzeitig findet der Begriff seine Bedeutung in der Pädagogik. „Die pädagogisch relevante Wortbedeutung entwickelte sich aus dem Französischen im Sinne von Anteilnahme, Vorliebe, Gerichtet sein“ (Schiefele; Krapp 1981, S. 192). Als Interesse bezeichnet man daher auch die Anteilnahme, die eine Person einem Sachverhalt bzw. einem Thema widmet. So ist der Begriff „Interesse“ auch eine „Bezeichnung für die Tendenz, bestimmte Gegenstände, Ereignisse, Sachverhalte usw. der Umwelt besonders zu beachten und ihnen gegenüber gesteigerte emotionale Anteilnahme zu zeigen, weil sie einen subjektiven Wert darstellen. Interessen werden erworben, sind relativ konstant und können Motive des Handelns werden“ (Grüner; Georg; Kahl 1982, S. 117). 188 Rheinberg definiert Interesse als besondere Motivationsform, die durch eine Ausrichtung auf einen bestimmten Gegenstand gekennzeichnet ist und als intrinsisch bezeichnet werden kann (vgl. Rheinberg 2010, S. 367), vgl. 8.4.2. Als intrinsisch motiviert können Individuen dann gesehen werden, wenn „ihr Verhalten durch aktuelle, antizipierte oder gesuchte Erlebnisse von Interesse motiviert ist“ (Sansone; Smith 2000, S. 345). Eine Konsequenz daraus kann die Inangriffnahme einer Kampagne sein. Darunter versteht man einen Veränderungsprozess, „bei dem es darum geht, ohne formelle Macht, durch eine geschickte Kommunikationsstrategie und gezielte Interventionen in Auseinandersetzung mit den spezifischen Interessen anderer ein gewünschtes Ziel zu erreichen“ (Eberlei 2005, S. 386). Aus Sicht einer Gruppe erwachsen Interessen aus den jeweiligen Anliegen, die von innen oder außen an sie herangetragen werden (vgl. Kempton et al. 2001, S. 573). Das Interesse entspricht dann dem Ziel bzw. dem Vorteil, den sich eine Person oder die Gruppe aus einer Sache erhofft. Das Interesse ist umso größer, je größer die persönliche Anteilnahme ist. Das englische Wort für „Sachverhalt“ bzw. „Thema“ ist Issue. Die beiden Begriffe Issue und Interesse stehen daher in einem direkten Zusammenhang: Das Interesse zeigt die Intensität an, mit der sich ein Individuum oder eine Gruppe mit einem Thema beschäftigen. Daher kann man die Interessen mit den Issues gleichsetzen, mit denen sich die Gruppe auseinandersetzt. Im Sinne der Operationalisierung nach Inhalt, Ausmaß und zeitlichem Bezug gilt: Interesse ist das Ausmaß, Issue der „Inhalt“ und der zeitliche Bezug steht fest, weil eine Issuegroup zeitlich begrenzt arbeitet. Der Begriff der „Issue-Gruppe“ wird seit einiger Zeit verschiedentlich eingesetzt, um Gruppen zu charakterisieren, die sich um Themen (meist mit erheblichem Problemcharakter) annehmen (vgl. Kempton et al. 2001, S. 559). Beispiele dafür sind etwa Bürger/inneninitiativen. Eine Nachhaltigkeitsgruppe ist keine solche Issue-Gruppe, wohl aber nehmen sich Teile bzw. einzelne Personen aus der Nachhaltigkeitsgruppe immer wieder verschiedener, aktuelle Relevanz erlangender Issues an, und zwar meist unter Mithilfe und Miteinbeziehung von Personen, die bislang nicht oder nicht 189 sehr nahe am Kern der Nachhaltigkeitsgruppe gestanden sind. Teilgruppen, die sich bezüglich einzelner Issues oder Interessen zusammenfinden, bilden damit eine zweite wesentliche Struktur innerhalb der Nachhaltigkeitsgruppe. Bezogen auf einen einzelnen Issue oder ein einzelnes Interesse bilden sie eine Issuegroup . Außerhalb des Gruppenkerns engagieren sich die Mitglieder der Gruppe also nicht kontinuierlich oder regelmäßig, bringen sich aber bezüglich einzelner Issues ein oder können von den Mitgliedern des Gruppenkerns aktiviert werden. Je näher die einzelnen Gruppenmitglieder dem Gruppenkern stehen, desto eher, häufiger und mehr werden sie bereit sein, sich für einzelne Issues zu engagieren. Ähnlich argumentiert Simmel „dass jetzt die Intellektualität, das Erkenntnisinteresse, Kreise bildet, deren Mitglieder aus vielerlei sonst bestehenden zusammenlegend, ist wie ein Intensiverwerden der Erscheinung, dass die relativ spät aufwachsenden Gruppenbildungen oft rationalen Charakter tragen, dass ihr Inhalt aus bewusster Überlegung und verständiger Zweckmäßigkeit heraus kreiert wird“ (Simmel 1983, S. 311). Der Übergang zwischen Gruppenkern und Gruppenmitgliedern ganz außen verläuft fließend. Den Rand bzw. die Systemgrenze der Gruppe bildet die gemeinsame Idee: Nur wer die gemeinsame Idee akzeptiert, kann „in“ der Nachhaltigkeitsgruppe sein. Eine einzelne Issuegroup besteht demgegenüber aus einem oder mehreren Mitgliedern des Gruppenkerns, gegebenenfalls aus einem oder mehreren Mitgliedern der weiter außen liegenden Gruppe und kann sogar Personen von außerhalb der Nachhaltigkeitsgruppe umfassen. Letzteres ist dann der Fall, wenn diese zwar ein gemeinsames Interesse mit der Nachhaltigkeitsgruppe verfolgen, sich aber letztlich mit der Idee nicht identifizieren können. Issuegroup -Mitglieder können nach Beendigung des Issues zu Mitgliedern des Gruppenkerns oder der äußeren Gruppe werden, müssen das aber nicht unbedingt. Vielmehr können Mitglieder der Issuegroup völlig von der Bildfläche verschwinden, wenn sich ihr Issue erledigt hat. Sie können sich (oft sogar nach einer längeren Pause) auch in anderen Issues engagieren. 190 5.6.3 Inhalte und Initiativen Die Inhalte und Initiativen übersetzen die Idee im Rahmen von Issues in konkretes Handeln und bilden so eine dritte Hierarchieebene im Zielsystem der Nachhaltigkeitsgruppe. Inhalte und Initiativen sind konkrete, operationale Ansätze zur Verfolgung der Interessen bzw. zur Bearbeitung der Issues. Sie stehen daher zu diesen in einem Zweck-Mittel-Verhältnis, denn sie umfassen die Mittel zur Erreichung der Interessen der Nachhaltigkeitsgruppe. Die Begrifflichkeiten sind dabei ziemlich deckungsgleich: Während die Inhalte eher auf die inhaltliche Ebene abstellen („Was?“), erfasst der Begriff „Initiative“ eher die prozessuale Ebene („Wie?“) und ist daher aus Sicht einer dynamischen Nachhaltigkeitsauffassung essentiell. Gemeint sind mit Inhalten und Initiativen letztlich die einzelnen Aktionen, die die Nachhaltigkeitsgruppe startet. Das kann von der Organisation von Protestmärschen oder –festen reichen über das Schreiben und Verteilen von Flugzetteln oder elektronischer Newsletters, das Organisieren von Vorträgen, Sammeln von Unterschriften bis hin zum Betreiben von Homepages mit entsprechenden Inhalten. Mit der Konkretisierung der Inhalte ist auch die Aktions- bzw. die Handlungsebene der Nachhaltigkeitsgruppe fundiert. Die gemeinsame Erarbeitung der Inhalte ist im weitesten Sinne der „Kitt“, der die Gruppe zusammenhält, da gemeinsames Arbeiten Gemeinsamkeit stiftet (nicht zu verwechseln mit der durch die Idee definierten Identität) und die Kohäsion der Gruppe stärkt. Dies gilt vor allem im Hinblick auf jene Mitglieder, die für einen bestimmten Issue engagiert sind, weniger für die gesamte Gruppe. Doch auch Gruppenmitglieder, die bei einem Issue nicht engagiert sind, nehmen die positiven Auswirkungen des Engagements anderer wahr. 5.6.4 Panarchische Interaktion im Triple-I-Modell Versucht man eine Beziehung zwischen den eben beschriebenen Elementen der Nachhaltigkeitsgruppe herzustellen, bietet sich als Ausgangspunkt Fuhses Ansatz an: „Das System erzeugt sinnhaft eine Unterscheidung zwischen System und Umwelt und nutzt diese zur Strukturierung der eigenen Operationen“ (Fuhse 2003, S. 6). Kombiniert man diese Theorie mit der bereits entwickelten Hierarchie von Idee, Interesse und Inhalt, so wird deutlich, dass eine gemeinsame Idee - also der gemeinsame „Sinn“ - zur Herausbildung von nachhaltigkeitsbezogenen Netzwerken führt. Erst 191 gemeinsame Interessen – aus teleologischer Sicht also ein bestimmter „Zweck“ bzw. „issue“ - führen dazu, dass kurz- bis mittelfristig systemähnliche Gebilde entstehen, die sich durch eine mehr oder minder stabile Grenze zwischen /innen und Außen auszeichnen. Sich wandelnde Interessen bewirken jedoch sich im Zeitverlauf ändernde Grenzen. Von den sich wandelnden Interessen lebt aber auch die Emergenz der Nachhaltigkeitsgruppe, da immer wieder neue Dyaden entstehen und zusätzliche Kanten in das Netzwerk einbringen. Damit ist ein Modell hergeleitet, das bereits dem beschriebenen Muster entspricht. Nur ein kleiner Kern von Dyaden (der „Gruppenkern“) bleibt über einen längeren Zeitraum aufrecht, während die im System näher an der Außengrenze gelegenen Knoten und die ihnen zugeordneten Kanten sich ändern können. Zugleich ist das Triple I-Modell auch als panarchisches, evolutionäres System beschrieben: Die Werte und die Idee der Gruppe entwickeln sich nur langsam weiter, was der Gruppe Identität und Dauerhaftigkeit verleiht. Doch die Prozesse (z. B. wiederkehrende Prozesse wie die Gestaltung des jährlichen Festes) und Ereignisse (also die konkreten Inhalte und Issues) sind einem permanenten Wandel unterworfen, in dessen Rahmen diejenigen beibehalten werden, die sich als zielführend bzw. viabel erweisen, während die übrigen verworfen werden. Die jeweils übergeordnete Idee-Ebene sorgt nach dem „Kollabieren“ eines IssueAnpassungszyklus im Sinne der „Remember-Schleife“ dafür, dass weiterhin neue Issue-Gruppen als neue Anpassungsschleifen entstehen können (vgl. 5.2.3). Die Tatsache, dass es zu einer panarchischen „Zerstörung“ der Gruppe selbst oder eines Teiles der Gruppe kommen kann, birgt in sich die Chance, den Eintritt der Zerstörung bewusst in Kauf zu nehmen bzw. diese „Zerstörung“ bewusst zu steuern. Diese Zerstörung kann etwa bei einer nachhaltigkeitsorientierten politischen Gruppe durch eine Wahl erfolgen, durch die die Karten ohne Möglichkeit zur direkten Einflussnahme durch die Gruppe neu gemischt werden. Das Wissen über panarchische Abläufe innerhalb eines Systems wie eben der Gruppe hilft ihr dabei, den Zerfall nicht als Versagen der alten Strukturen, sondern als Möglichkeit für eine Neuausrichtung, Neustrukturierung und somit als Chance für Erneuerung und Neubeginn zu sehen. 192 Die Auflösung und die darauf folgenden Neuorganisation bzw. die Freisetzung von Potenzial birgt in sich die Möglichkeit, neue Issues und Inhalte in Angriff zu nehmen. Einschränkend sind dazu aber zwei Dinge zu bemerken: Menschliche Systeme sind dem Panarchischen Zyklus nicht hilflos ausgeliefert und KÖNNEN gegensteuern Man darf nicht in den Fehler verfallen, die „Schuld“ an Misserfolgen der Panarchie in die Schuhe zu schieben. Dh., wenn ein Misserfolg bzw. ein Kollabieren der Panarchie auftreten, so müssen diese analysiert werden und externe (nicht beeinflussbare) von internen (selbst verschuldeten) Ursachen getrennt werden (vgl. Walker et al. 2004). Ähnlich wie moderne demokratische Gesellschaften entwickeln Nachhaltigkeitsgruppen ihre Stabilität durch Wandel. Denn in demokratischen Gesellschaften wird der Kollaps des übergeordneten Systems Gesellschaft dadurch verhindert, dass das untergeordnete politische System periodisch durch Wahlen zum Kollabieren gebracht wird: Die Akteur/innen des politischen Geschehens wechseln sich ab, dennoch hat das übergeordnete System der Gesellschaft Bestand. In ähnlicher Weise erlaubt eine panarchische Auffassung des Nachhaltigkeitsgruppenmodells auch die Integration bzw. die Desintegration von Mitgliedern, die sich im Zeitablauf ebenso wie Ideen bzw. Werte, Issues und Ereignisse (Inhalte) abwechseln. Damit ist eine grundlegende Struktur eines dynamisch-stabilen Nachhaltigkeitsgruppenmodells definiert, Befunde aus der empirischen Untersuchung werden im nächsten Kapitel dargestellt. 5.6.5 Befunde für das Existieren des Triple-I-Modells in der Praxis So gut wie alle Interviewpartner/innen lieferten – ohne von den Überlegungen zum Triple-I-Modell zu wissen – Beschreibungen von Strukturen und Prozessen, die diesem Modell entsprechen. Zunächst sind sich alle darüber einig, dass es eine grundsätzliche Idee in ihrer Gruppe gibt, die, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen, mit Themen der Nachhaltigkeit zu tun hat (vgl. 3.1.6): „Es muss ein Thema sein, dass zu der Nachhaltigkeitsgruppe passt“ (Amanda S. 4 1). Ein Befragter konkretisiert eine Idee einer neuen Gruppe: 193 „Wir sind gerade dabei eine Nachhaltigkeitsinitiative hochzuziehen. Berlin Marzahn (…) eine der schwierigsten Regionen für Berlin. Ein sozialer Brennpunkt mit hoher Arbeitslosigkeit mit hoher Durchmischung, hoher Ausländeranteil durchmischt mit weniger Türken, sondern mehr Vietnamesen und Russen. Wir haben uns die Kernaufgabe vorgenommen, kann man eine autarke Kreislaufwirtschaft in einer solchen Region in Verbindung mit dem Land hochziehen?“ (Stefan S. 1 2328). Insgesamt sehen die Interviewpartner/innen die Nachhaltigkeitsgruppe als einen losen Verband, „nicht so strukturiert wie ein Verein, aber es ist eine Gemeinschaft von Menschen. (…) Leute, die immer wieder dazu stoßen. (…) Es gibt natürlich Strukturen. Es gibt einen, der die Finanzen kontrolliert, aber es ist eher ein loser Verband“ (Anna S. 1 23-34). Eine andere Interviewpartnerin meint: „(M)an kennt sich über die Jahre, weil die Menschen treffen sich immer wieder. Vielleicht hat das mit dieser Gruppenstruktur zu tun“ (Amanda S. 2 1-2). Sie meint auch, dass es gerade für junge Leute uninteressant sei, einer Partei beitreten zu müssen, weil das Angebot und die Kommunikation nicht so gut passen. Doch sieht man auch den Gruppenkern, der über einen längeren Zeitraum stabil bleibt. Ein Beispiel dafür ist die Gruppe „3+x“, in der über mehrere Jahre Paula, Max und Lena den Gruppenkern bildeten. Die Gruppe war sogar genau wegen Paula, Max und Lena „3+x“ benannt, wobei das x für andere, wechselnde Gruppenmitglieder stand. Doch dieser Kern, wie auch andere, hat sich im Laufe der Zeit ebenfalls aufgelöst, weil Lebensanforderungen und –situation sich änderten. Ein Interviewpartner erzählt in ähnlicher Weise: „Der Kern war relativ stabil, aber ist auseinandergeflogen, als wir unsere Jobs hatten und nicht mehr Studenten waren“ (Heinrich S. 3 33-34). Doch sieht man genauer in die Arbeit der Nachhaltigkeitsgruppen hinein, zeigt sich, dass sie genau die Triple-I-Struktur abbilden: 194 „Eine Gruppe ist ja kein statischer Zustand, sondern die Gruppe verändert sich laufend. Die verändert sich mit den Mitgliedern, die verändert sich mit den Gegebenheiten, die verändert sich mit den Interessen und daraus entsteht ein dauernder Gruppenbildungsprozess“ (Anna S. 10 21-23). Bildung im hier verwendeten Sinn bezieht sich weniger auf Lernen und Kompetenzen, sondern auf die permanente Umformung, der die Gruppe durch die immer neuen Themen und Personen, die die Themen umsetzen, unterworfen ist. Die Interviewpartner/innen stellen gemeinsam fest, dass Menschen vor allem kommen um Themen behandelt zu sehen, die sie selbst betreffen: „Die Leute, die so kommen, bleiben nicht. Wenn diese Angelegenheit erledigt ist, die interessieren sich vielleicht für einen Teilbereich der Grünen, aber die bleiben nicht aktiv. Sie bleiben solange ihr Interesse besteht und dann gehen sie wieder“ (Anna S. 2 24-28). Und eine andere Interviewpartnerin ergänzt: „Das sind eher so Satelliten“ (Paula S. 2 40), während eine dritte meint: „Ich glaube nicht, dass es jemals nur eine Gruppe geben kann“ (Paula S. 6 4). Es finden sich auch Belege für die Kurzfristigkeit von Issue-Gruppen, da die Mitglieder die Gruppe verlassen, sobald ihr Anliegen im positiven oder negativen Sinne erledigt ist. Ein Interviewpartner beschreibt die Situation, wenn ein Thema abgehandelt ist kurz und bündig: „Wenn das Thema vorbei ist, fällt das Thema runter“ (Heinrich S. 3 38) und präzisiert: „Dann gibt es noch ein paar nette Leute drum rum, aber das reicht dann nicht mehr. Und nette Leute hat man im Freundeskreis, aber nicht in einer Initiative“ (Heinrich S. 7 5-6). (wobei Initiative in diesem Fall dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriff Issuegroup entspricht). Wenn dann alle Mitglieder die Gruppe verlassen und nicht einmal der Gruppenkern übrigbleibt, ist die Folge davon, dass 195 „dann (…) der innere Kern implodiert Es gibt den Treiber nicht mehr. Der Rest dattelt noch vor sich hin und erinnert sich, was die Altvorderen mal gemacht haben, um es ihnen nachzumachen, aber man ist nicht mehr mit der Passion dabei“ (Heinrich S. 4 3-5). Und ein weiterer Interviewpartner zieht über eine seiner Gruppen Resümé: „Es kamen neue Leute dazu und die alten fragten sich, was die wohl wollten. Da kamen neue hinzu, die oft nur bei Festen mithalfen, wobei man dabei nicht sicher sein konnte, dass die beim nächsten Mal wieder dabei sein werden. Man muss für neue highlights oder Aktivitäten immer wieder neue Leute dazu werben“ (Stefan S. 2 1-4). Auch dies ist ein Beleg dafür, dass die Menschen in den Nachhaltigkeitsgruppen in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen, für die sie gerne bereit sind sich einzubringen – aber nicht länger als erforderlich. Ein Interviewpartner beschreibt von sich aus, wie eine Triple-I-Struktur in Nachhaltigkeitsgruppen entsteht, indem „sich die Initiativen an sich um ein Thema organisiert haben und dann gab es innerhalb dieses Themas einzelne Aktionen, Maßnahmen, Veranstaltungen und so weiter“ (Heinrich S. 4 10-12). Schließlich zieht einer der Interviewpartner nüchtern Resümé über die Chancen, eine Issuegroup mehrfach einzusetzen: „Und dass die Gruppe, die sich untereinander nett findet, noch ein Mal ein gemeinsames Thema findet, schätze ich auf unter 10 %. Wenn man aus ökologischer Sicht das Aufleben und das Sterben betrachtet, lässt sich das am einfachsten damit beschreiben, was mit Initiativen passiert“ (Heinrich S. 7 12-15). Das Paradebeispiel für eine Nachhaltigkeitsgruppe im Sinne des Triple-I-Modells ist jedenfalls der Jour fixe der Berliner Nachhaltigkeitsgruppen: Ein Team von etwa vier Personen bildet über Jahre hinweg den Gruppenkern, wobei sich nur sehr selten Fluktuationen ergeben. Dieser Gruppenkern hält mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ die Idee der Gruppe hoch. Rund herum scharen sich verschiedene Initiativen und (Issue) Gruppen, die teilweise auf Dauer angelegt sein sollen, teilweise aber sich nur um ein einzelnes Thema annehmen. Der gemeinsame Nenner und die gemeinsame Platt- 196 form aller Gruppen ist neben der gemeinsamen Facebook-Plattform der zweimonatliche Jour fixe, zu dem immer „wieder neue Gruppen dazu (kommen), die sich bzw. ihr Projekt vorstellen“ (Amanda S. 3 31-32), um sich zu präsentieren und publik zu werden. Doch viele der Teilnehmenden besuchen den Jour fixe nur einmal oder nur sehr sporadisch. Eine echte Gruppenkohäsion entsteht nicht. Allerdings sehen dies die Beteiligten auch nicht als Nachteil, wie eigentlich die meisten Interviewpartner/innen der Meinung sind, dass Fluktuation für die Gruppe notwendig ist. Eine Interviewpartnerin bringt dies auf den Punkt: „Stabil heißt, dass neue, junge Gruppenmitglieder dazukommen, die den alten Kern etwas nachdenken lassen und eine neue Struktur reinbringen, weil ein verhärteter Kern immer schlecht ist. Eine Gruppe darf nicht verhärtet sein, sondern muss offen sein, weil sonst kommt man in eine Position, in der nichts mehr weitergeht. Wenn immer nur die gleichen Leute die gleichen Strukturen fahren, geht nichts weiter. Jede Einzelperson muss auch innerhalb der Gruppe offen sein. Ich muss bereit sein, mich veränderten Verhältnissen anzupassen. Die Gruppe muss auf die äußeren Gegebenheiten immer anders reagieren“ (Anna, S. 11 12-18). 5.7 Zwischenfazit Bereits in 3.2 wurde festgestellt, dass die klassischen Gruppenkonzepte nicht mehr genügen, um die komplexe Struktur von Gruppen in der Postmoderne zu charakterisieren. Stattdessen eignen sich System- und Netzwerkansätze, vor allem das Panarchiekonzept (vgl. 5.2), um den Zyklus der permanenten Veränderung in Nachhaltigkeitsgruppen zu erfassen. Eine übergeordnete Idee, die von einem kleinen Gruppenkern von zwei bis drei Menschen über einen längeren Zeitraum hochgehalten wird, dient als Klammer, um die die sich ständig ändernden Themen und Issues zu einem gemeinsamen Ganzen zusammenzufassen, die von sich kurzfristig bildenden Issuegroups betrieben werden. Diese Issuegroups wiederum setzen einzelne Aktionen bzw. Initiativen, um die konkrete Zielerreichung voranzutreiben. Auch wenn sich Is197 suegroups nach dem Erreichen oder Nicht-Erreichen der angestrebten Ziele auflösen, bleibt die Nachhaltigkeitsgruppe als Ganzes erhalten. In letzter Konsequenz ist es sogar so, dass die Gruppe die Veränderung benötigt, um auf die Dauer stabil zu bleiben, da nur so der Wandel vonstatten gehen kann, der die Anpassung der Gruppe an die jeweiligen Bedingungen ermöglicht, die von außen für die Gruppe vorgegeben werden. Im nächsten Schritt wird diese systemische Zugangsweise mit dem postmodernen gesellschaftstheoretischen Ansatz der „flüssigen“ Moderne in Verbindung gebracht. 198 6 Gruppen in der „flüssigen“ Moderne Der polnisch-britische Soziologe und Philosoph Zygmunt Bauman definierte einen Übergang von der „klassischen“ oder „festen“ zu einer „fließenden“, „fluiden“ oder „flüssigen“ Moderne. Die klassische Moderne will die Welt eindeutig machen und Mehrdeutigkeiten ausschließen. Für die alte Industriegesellschaft ist eine enge Verbindung von funktionalen Voraussetzungen bzw. individuellen Handlungsmotiven charakteristisch. Dadurch wird die Abwertung der unmittelbaren Befriedigung von Bedürfnissen bzw. des Genusses im Allgemeinen erforderlich. Belohnungen müssen aufgeschoben werden zugunsten eines vagen zukünftigen Nutzens bzw. zum Wohle des „großen Ganzen“ (Bauman 2007b, S. 151). Die von diesen Parametern geprägte klassische Moderne wirkt schwer bzw. solide, kondensiert und systemisch (vgl. Bauman 2003a, S. 35). Nach Bauman ist die „feste“ Moderne gekennzeichnet durch Ordnung und klare soziale Formen (Strukturen, Institutionen, traditionelle Verhaltensmuster). Doch unsere Gesellschaft ist übergegangen in eine „flüssige“ Moderne, in der diese sozialen Strukturen und Beziehungen so schnell verfallen, dass sie schon „geschmolzen“ sind, während sie entstehen“ (Bauman 2000, S. 14). „Die Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts ist so modern wie die am Beginn des 20. Bestenfalls ist es eine andere Art der Moderne. Was sie von allen bisherigen Formen menschlichen Zusammenlebens unterscheidet und sie gleichzeitig mit der Moderne des letzten Jahrhunderts verbindet, ist die getriebene, obsessive, durchgängige, unaufhaltsame und ewig unvollendete Modernisierung, das überwältigende und unauslöschliche nie zu stillende Streben nach kreativer Zerstörung“ (Bauman 2003a, S. 38). Über bleibt eine flüssige Gesellschaftsstruktur, die den Menschen beliebige Freiheit bietet, aber keinen sozialen Zusammenhalt. Daraus ergeben sich eine neue Leichtigkeit und Flüchtigkeit einer „increasingly mobile, slippery, shifty, evasive and fugitive power” (Bauman 2000, S. 14). Der Übergang zu dieser flüssigen Moderne vollzog sich ebenso langsam und fließend: Beginnend mit Großbritannien in den 1980ern geben Staaten zunehmend Funktionen an die Kräfte des Marktes ab und reduzieren ihr gesellschaftliches Engagement auf strafrechtliche Interventionen. 199 „There is no such thing as society. There are individual men and women, and there are families. And no government can do anything except through people, and people must look to themselves first. (…) People have got the entitlements too much in mind, without the obligations. There's no such thing as entitlement, unless someone has first met an obligation" (Thatcher 1987, S. 8). Somit wird aus dem Wohlfahrtsstaat zunehmend ein Sicherheitsstaat, der die Bürger/innen nicht vor sozialem Abstieg schützt, sondern vor Bedrohungen. „Die Zerstörung sozialer Fangnetze und staatlicher Hilfsorganisationen wird damit gerechtfertigt, dass die Wirtschaft der Staaten mehr Flexibilität brauche“ (Sennett 2006, S. 192): In der Folge kommt es zu einem gesellschaftlichen Wandel, der einen „unübersehbaren Trend mit sich (bringt): die Eigenverantwortlichkeit der Menschen wird betont. Individualisierung, weniger Solidarität, geringeres Vertrauen in traditionale Masseninstitutionen wie Gewerkschaft oder Kirche kennzeichnen die Gegenwart“ (Lenz 2008, S. 3). Zusätzlich wird durch den Wettbewerb die Spaltung unter den Menschen gefördert. Wir stehen einer neuen Form der Entfremdung gegenüber, die mit der Auflösung von Bindungen einher geht, die bisher individuelle Wahlmöglichkeiten in gemeinsamen Projekten und Handlungen gebündelt haben (vgl. Bauman 2000). Die klaren sozialen Formen und die Ordnung der Gesellschaft werden zu einem Netzwerk von individuellen und sehr variablen Verbindungen. Denn die Flüssige Moderne bietet keinen Nährboden für selbstbewusste Individuen, sondern fordert individuelle Flexibilität. Das bewirkt Verunsicherung und Ungewissheit, existenzielle Ängste und den schnellen Genuss einer Konsumgesellschaft. Daher bringt diese Entfremdung wieder Risiko und Unsicherheit mit sich, welche die Verletzlichkeit des/der Einzelnen eher steigern, denn Individuen vereinigen sich nicht mehr zur Verteidigung ihrer Rechte (vgl. Bauman 2001). Durch den daraus resultierenden Verfall von traditionell solidarischen Organisationen (z. B. Gewerkschaften) (vgl. Luhmann 1995, S. 215ff; Tacke 2000, S. 291ff) werden kollektives Handeln und gesellschaftliche Solidarität zunehmend unattraktiver. 200 6.1 Einflussfaktoren der „flüssigen“ Moderne Die neuen Einstellungen verändern im Sinne einer Verflüssigung unseres Alltags unser Leben radikal. Alte Konstrukte, mit deren Hilfe gesellschaftlicher Wandel bisher beschrieben wurde, bekommen eine neue Bedeutung „Es wäre unklug, wollte man die grundlegenden Veränderungen, die mit der ‚flüssigen Moderne‘ über die Lebensbedingungen der Menschen hereingebrochen sind, leugnen oder ihre Bedeutung herunterspielen. Die Unzulänglichkeit systemischer Strukturen verändert in Verbindung mit der Totalverflüssigung des Alltags diese Lebensbedingungen auf radikale Art und erfordert ein Überdenken altehrwürdiger Begriffe, mit deren Hilfe ihre Geschichte bisher erzählt werden konnte“ (Bauman 2003a, S. 15). Das Schlagwort schlechthin der neuen, flüssigen Moderne ist Flexibilität. Flexibilität war bislang begriffsmäßig eher positiv besetzt und bezog sich auf geistige Beweglichkeit und Intelligenz. Nunmehr bekommt der Begriff einen negativen Beigeschmack, denn propagiert wird die grenzenlose Flexibilität des Individuums: „Wer sich festlegt, hat schon verloren“ (Prisching 2009, S. 150). Der Begriff Flexibilisierung steht in diesem Zusammenhang für die Auflösung vormals festgefügter Strukturen durch Reformen, welche Veränderungsprozesse in der Wirtschaft und damit auch in der Gesellschaft bewirken und vice versa. Instabilität wird als normal angesehen, wir erleben Zeiten, in denen soziale und kulturelle Strukturen keineswegs mehr die Stabilität, Dauerhaftigkeit und Selbstverständlichkeit aufweisen, die für frühere Zeiten kennzeichnend waren (vgl. Soeffner; Zifonun 2008, S. 304). „In der postmodernen Welt werden alle Unterscheidungen verflüssigt, Grenzen lösen sich auf und alles kann als sein Gegenteil erscheinen. Da alles irgendwie auch anders, aber nie grundsätzlich oder radikal anders sein kann, verbreitet sich Ironie als Dauerhaltung“ (Bauman 2003a, S. 38). Neben der Flexibilität ist die Individualität ein wesentlicher Einflussfaktor der Flüssigen Moderne. Verstand man darunter bislang einen ausgeprägten Charakter und eine gefestigte Persönlichkeit, spielt Baumann auf die exponentielle Zunahme der Möglichkeiten an. 201 “Die moderne Gesellschaft existiert durch ihre fortlaufende Individualisierung, ebenso wie das Handeln der Individuen zum großen Teil aus der täglichen Gestaltung und Umgestaltung der Netzwerke gegenseitiger Abhängigkeit, die wir Gesellschaft nennen, besteht“ (Bauman 2003a, S. 42). Die Vielzahl der Möglichkeiten lässt Normen ins Wanken geraten und aufbrechen. Es ist schwer geworden, eine passende Identität zu entwickeln, denn was gestern noch normal war, erscheint uns heute unpassend (vgl. Bauman 2000, S. 100). Wie Individualität hat auch der Begriff der Emanzipation eine Bedeutungsänderung erfahren: Gemeint sind heute nicht mehr die Befreiung von gesellschaftlichen Abhängigkeiten und Zwängen, sondern die Befreiung und der Verlust von Traditionen, Gewissheiten und Routinen (vgl. Bauman 2000, S. 34). Bei Bauman hat die „flüssige“ Gesellschaft zur Folge, dass durch den Wegfall von Ordnungen das Individuum zwar emanzipierter denn je sein müsste. Aber de facto ist die Emanzipation geringer als zuvor, weil die öffentliche Ordnung fehlt, innerhalb derer sich Bürger/innen entfalten könnten. Emanzipation wird zum Privatprojekt in einer Kultur erklärt, die durch Bekenntnisshows, Fitnesskult und auf Flexibilität beruhende Ökonomie gekennzeichnet ist. Als Folge der Veränderung von Flexibilität, Individualität und Emanzipation haben sich die Konzepte von Zeit und Raum verändert. Die Zeitdimension berührt das Gefühlsleben der Menschen am tiefsten (vgl. Sennett 2006, S.29). „Bodenhaftung verliert an Bedeutung, wenn man zu jeder Zeit an jedem Ort sein und von dort auch wieder verschwinden kann. Festhalten, das Eingebundensein in gegenseitige Verpflichtungen kann sich sogar als definitiv schädlich erweisen, wenn sich neue Möglichkeiten an anderen Orten auftun“ (Bauman 2000, S. 21). Zu dieser „Disembeddedness“ trägt zweifellos auch das Internet bei. Gleichzeitig kommt es zu einer Entkopplung des Verhältnisses zwischen Raum und Zeit. Dieses ist nicht mehr stabil, sondern dynamisch, sprunghaft und veränderlich. Nicht zuletzt wegen der unzähligen Möglichkeiten, die moderne Kommunikationsmittel bieten, verlieren die tatsächlichen Räume an Bedeutung und werden nur mehr konsumiert (vgl. Bauman 2000, S. 140). Denn die Menschen teilen sich Räume wie Museen, Ferien- 202 anlagen, Sporteinrichtungen, Einkaufszentren oder Kaffeehäuser ohne dabei aber soziale Kontakte zu knüpfen (vgl. Bauman 2000, S. 116). Abb. 7: Reflexive Modernisierung: Fluide Gesellschaft. Adaptiert nach (Keupp 2010, S. 19) Zusammenfassend werden die Einflussfaktoren der flüssigen Gesellschaft und deren wesentliche Grundmuster in Abb. 7 dargestellt. Die Faktoren der Individualisierung, Pluralisierung, der Dekonstruktion von Geschlechterrollen, des Wertwandels, des Disembedding (der sozialen Entwurzelung), der Globalisierung und der Digitalisierung treiben die Entstehung bzw. die Intensität der fluiden Gesellschaft an. Die Folgen sind die Auflösung aller Arten von Grenzen im täglichen Leben und Handeln des/der Einzelnen und der gesamten Gesellschaft (so ist es etwa problemlos möglich, mit Personen „am anderen Ende der Welt“ jederzeit und ohne Verzögerung in direkten Kontakt zu treten), die Verschmelzung (Fusion) von Bereichen, die früher eindeutig voneinander getrennt waren (etwa was heute unter dem Begriff der „WorkLife-Balance“ diskutiert wird), die Durchlässigkeit der Gesellschaft (wie etwa die Web 2.0-Applikationen, mit denen sich Menschen einem weltweiten Publikum im Internet präsentieren) und schließlich der ständige Wechsel von Beziehungen bzw. Bezugsgruppen (etwa durch ständig wechselnde Teams oder „Lebensabschnitts- Partner/innen“). 203 6.2 Konsequenzen der „flüssigen“ Moderne Die neuen Parameter, die das menschliche Zusammenleben kennzeichnen, haben aber auch konkrete Auswirkungen darauf. Denn die Menschen leben ausschließlich für den Augenblick, wollen „Wunscherfüllung ohne Wartezeit“ ohne sich einerseits für ihre bisherigen Erfahrungen bzw. das bisher Gelernte zu interessieren und ohne sich anderseits mit den Folgen ihres Tuns für ihre eigene und die Zukunft der Menschheit auseinanderzusetzen. Das führt nicht nur zu einem Verlust der Nachhaltigkeit, sondern auch zu einem Verlust von Bindungen zu anderen Menschen. Der Freiwilligensurvey 2009 spricht in diesem Zusammenhang von einem „Kulturwandel von der privaten zur öffentlichen Integration“ und ergänzt: „Die Verlagerung sozialer Beziehungen in die Öffentlichkeit kann ein Gefühl des Verlusts inniger sozialer Verbundenheit mit sich bringen, wie es die private Vernetzung besser gewährt als die öffentliche“ (BMFSFJ 2009, S. 10). Das Streben danach, dass alles möglichst schnell und effektiv umgesetzt werden müsse, führt zum Verlust von Tugenden wie Geduld und Beharrlichkeit. „Wir können das Dauerhafte nicht mehr ertragen. Wir wissen nicht mehr sinnvoll mit der Langeweile umzugehen. Man muss sich fragen, ob der menschliche Geist das beherrschen kann, was er geschaffen hat“ (Paul Valery zitiert nach Bauman 2003a, S. 143). Dieses Prinzip des “no long term" löst jedoch Vertrauen, Loyalität und gegenseitiges Engagement auf (vgl. Sennett 1998, S. 25). Nur wenn gemeinsame oder gemeinschaftlich veranschlagte Interessen dauerhaft, transformiert oder mythisiert werden, ist eine Gemeinschaft stabil auch für den Fall, dass ihr ursprünglicher Entstehungszweck wegfällt oder in Vergessenheit gerät. Traditionale Gemeinschaften weisen für diesen Fall „typischerweise vielfältige solcherart kohäsionssichernde Sanktionspotentiale und Zwangsstrukturen auf, (…) die auf Etablierung und Stabilisierung eines klar definierten und geregelten /innen-Außen-Verhältnisses abzielen“ (Hitz- ler; Honer; Pfadenhauer 2008, S. 17). 204 Postmoderne Gesellschaften hingegen sind durch Phänomene wie mehr persönliche Verantwortung, Individualisierung und ein Mangel an Solidarität in Masseninstitutionen charakterisiert. Soziale Institutionen überlassen die Definition von Identitäten der Initiative Einzelner (vgl. Bauman 2000). Der kurze Zeithorizont moderner Institutionen behindert die Entwicklung informellen Vertrauens und führt zu einer Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen (vgl. Bauman 2003b). Die Situation wird dadurch verschärft, dass niemand mehr das Ziel kennt, denn auch die Ziele sind beweglich geworden bzw. liegen „himmelweit über allem Erreichbaren. (…) Vor dem, was die erhitzte Phantasie als realisierbar ansieht, verblasst jeder Wert der echten Realität“ (Prisching 2009, S. 289). Ein Kennzeichen dieser flüssigen Moderne ist ihr netzwerkartiger Aufbau (vgl. Bauman 2003a, S. 35). Unsere Ära wird dominiert von dem Glauben, „lockere Netzwerke seien offener für grundlegende Umstrukturierungen als die pyramidalen Hierarchien. (…) Die Verbindung zwischen den Knotenpunkten ist loser; man kann einen Teil entfernen, ohne andere Teile zu zerstören, zumindest in der Theorie. Das System ist fragmentiert, hierin liegt die Gelegenheit zur Intervention. Gerade seine Inkohärenz lädt zum entschiedenem Handeln ein“ (Sennett 2006, S. 60). Mithin sind netzwerkartige Gliederungen weniger schwerfällig als Befehlspyramiden, weil sie sich einfacher auflösen oder umorganisieren lassen als starre Hierarchien (vgl. Powell & Smith-Doerr 1994, S. 381). Ein Netzwerk individueller und wechselnder Beziehungen erhöht den Bedarf individueller Flexibilität, was wiederum zu Unsicherheit und Unklarheit beiträgt. Gleichzeitig darf das Netzwerk aber nicht zu dicht und vor allem nicht zu eng werden, denn “any dense and tight network of social bonds, and particularly a territorially rooted tight network, is an obstacle to be cleared out of the way“ (Bauman 2000, S. 14). All diese Veränderungen haben Auswirkungen auf wesentliche Parameter des menschlichen Zusammenlebens, insbesondere auf das (gemeinsame) Arbeiten und auf den Faktor Gemeinschaft insgesamt. 205 6.2.1 Veränderung der erwerbstätigen Arbeit als Motor der „flüssigen“ Moderne Der Begriff der (erwerbstätigen) Arbeit hat eine massive Änderung erfahren (vgl. Sennett 2006, S.25). Angewandt auf den Arbeitsmarkt kündet die neue Flexibilität vom Ende des “job as we know it” an. Denn die Arbeitswelt verliert durch ihre Flexibilisierung Wertvorstellungen und Tugenden wie Treue, Verantwortungsbewusstsein und Arbeitsethos ebenso wie die Fähigkeit auf sofortige Befriedigung von Wünschen zu verzichten und Ziele langfristig zu verfolgen. Diese Entwicklung resultiert aus den Veränderungen der Organisation der Arbeitswelt. Starre Formen der Bürokratie stehen unter Beschuss ebenso die Übel blinder Routine. Dies löst einen Wandel der Unternehmensstruktur aus, da die Unternehmen versuchen, flachere und flexiblere Organisationen zu entwickeln (vgl. Sennett 2006, S.26). Seinen Betrachtungen legt Sennett die Ablöse der Fließbandproduktion durch die Spezialisierung auf Produktions- und Zulieferunternehmen in der Automobilindustrie zu Grunde: Ausgehend vom so genannten Fordismus entsteht nun eine Arbeitsorganisation weitgehend ohne Vorgaben (vgl. Bauman 2003a, S. 36). In den strengen hierarchisch begründeten Vorgaben des Fordismus regeln Verträge zwischen ArbeitnehmerIn und ArbeitgeberIn Normalarbeitsverhältnisse, feste Arbeitszeiten, tarifvertraglich festgelegte Gehälter, Kranken- und Urlaubsgeld, Kündigungsschutz, bei gleichzeitiger Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers. Im nunmehr folgenden Toyotismus werden diese Strukturen durch kleine „selbstverantwortliche Gruppen“ mit hohem Risiko abgelöst. Die Arbeitnehmer/innen passen ihren Standort und ihre Arbeitsabläufe an die durch die Globalisierung der Wirtschaft geschaffenen Notwendigkeiten an. Sie müssen sich flexibel verhalten, offen für kurzfristige Veränderungen und weniger abhängig von Regeln und förmlichen Prozeduren sein (vgl. Sennett 2006, S.10). Die Beschleunigung und Globalisierung der Arbeitsprozesse fordern von den Arbeitnehmer/innen stetig wachsende Leistungen und die Bereitschaft, aus beruflichen Gründen den Wohnort zu wechseln. Mit der gestiegenen Mobilität sinkt die Bereitschaft zum freiwilligen Engagement (vgl. BMFSFJ 2009, S. 9). Gleichzeitig müssen Arbeitnehmer/innen ständig Risiken eingehen, und sie werden durch die Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse belastet. 206 „Die Betonung liegt auf der Flexibilität. Flexibilität bedeutet aber auch die Bedeutung der Arbeit selbst zu verändern und damit auch die Begriffe, die wir für sie verwenden. So werden anstatt des negativ besetzten Begriffes ‚Kapitalismus‘ Umschreibungen wie ‚freies Unternehmertum‘ oder ‚marktwirtschaftliches System‘ verwendet“ (Sennett 2006, S. 11). Der Ersatz der starren Bürokratien und der blinden Routine fordert von den Arbeitnehmer/innen die Akzeptanz kurzfristiger Arbeitsverträge anstatt die gerade Linie einer Laufbahn im alten Sinne zu verfolgen (vgl. Sennett 2006, S. 11). Dies stellt einen Einschnitt in der Freiheit der Lebensplanung der Arbeitnehmer/innen dar und hat Auswirkungen auf den Charakter. Auch hier zeigt sich im Freiwilligensurvey, dass Menschen, die nicht über planbare Freizeit verfügen, in ihrem Engagement im Dritten Sektor eingeschränkt werden (vgl. BMFSFJ 2009, S. 11). Der Arbeitsplatz, wie wir ihn kennen, wird abgelöst von kurzfristigen Arbeitsverträgen, gleitenden oder gar keinen Verträgen, befristeten Arbeitsplätzen, die sich kurzfristig verändern können und ständig Risiken ausgesetzt sind (vgl. Sennett 1998). 6.2.2 Veränderung der Gemeinschaft als Folge der „flüssigen“ Moderne Die durch die Veränderung der Arbeit erzwungene Flexibilität des/der Einzelnen hat Auswirkungen auf die Gemeinschaft als Ganzes. Nach Olson (vgl. M. Olson 2008, S.57) betont die traditionelle Theorie die „(angeblich) universale Erscheinung der Teilnahme an freiwilligen Vereinigungen innerhalb der modernen Gesellschaften.“ Doch die Menschen müssen für ihr Fortkommen selbst Verantwortung übernehmen, ohne die traditionelle Hilfe von Gemeinschaftsinstitutionen in Anspruch nehmen zu können. Das lässt sie isoliert und mit ihren persönlichen Problemen vollbeschäftigt werden (vgl. Gane 2001). Das soziale Konstrukt der Gemeinschaft und somit auch der Gruppe erfährt damit in der flüssigen Moderne wesentliche Änderungen. Die Gleichschaltung von Menschen ist eine Voraussetzung, damit soziale Systeme dauerhaft funktionieren. Die Entwicklung sozialer Systeme ist von der persönlichen Motivation und vom Engagement der Mitglieder abhängig. Nur wenn es gelingt, die Grundbedingungen eines Systems mit den persönlichen Motiven seiner Elemente, also Mitglieder, zur Übereinstimmung zu bringen, werden diese Mitglieder bereit sein, sich den Interessen des Kollektivs (Nation, Staat) unterzuordnen. Die Flüssige Moderne mit ihrer Konsumorientierung betreibt Uniformierung und Gleichschaltung viel 207 subtiler, indem sie durch offenen oder verborgenen Zwang bestimmte Verhaltensweisen oder Problemlösungsmuster vorgibt. Dadurch werden hier den Menschen Wahlmöglichkeiten durch fehlende Information über Handlungsalternativen vorenthalten (vgl. Bauman 2007b). Die neuen Formen des Kapitalismus und die daraus resultierenden neuen Formen der Arbeit nehmen Einfluss auf den Charakter der Menschen. „Charakter drückt sich durch Treue und gegenseitige Verpflichtung aus oder durch die Verfolgung langfristiger Ziele und den Aufschub von Befriedigung um zukünftiger Zwecke willen“ (Sennett 2006, S. 31). Es ist schwierig, in einer auf Kurzfristigkeit angelegten Gesellschaft, die aus Episoden und Fragmenten besteht, eine Identität oder konsistente Lebensgeschichte zu entwickeln, langfristige Ziele anzustreben oder dauerhafte soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten (vgl. Sennett 2006, S. 31). In dieser Situation suchen die Menschen wenigstens relative Sicherheit, indem „die als gemeinsam veranschlagten Interessen auf (eine gewisse) Dauer gestellt, transformiert und mythisiert werden“ (Hitzler; Honer; Pfadenhauer 2008, S. 16). Damit sind zwar die Sorgen einzelner Menschen einander ähnlich und werden in kurzfristigen Veranstaltungen wie etwa Talk-Shows in die Öffentlichkeit gebracht. Doch dadurch, dass man sie zusammenbringt, gegenüberstellt und aufeinander bezieht, werden sie nicht leichter handhabbar, und echte gegenseitige Hilfe ist dadurch nicht zu erwarten (vgl. Bauman 2003a, S. 47). „Die Idee der Gemeinschaft ist gereinigt von allen Vorstellungen, die ein Gefühl der Unterschiedlichkeit vermitteln könnten, von Konflikten über die Frage, wer wir sind, ganz zu schweigen. So gesehen ist der Mythos der Gemeinschaft nichts anderes als ein Reinigungsritual“ (Sennett 1996, S. 34–36). Letztlich muss jede/r selbst mit seinen/ihren Problemen fertig werden. „Die Koordination und Bündelung individueller Beschwerden zu gemeinsamen Interessen und ihre Überführung in gemeinsames Handeln ist eine entmutigende Aufgabe, da sich die häufigsten Probleme, mit denen die Schicksal-Individualisten konfrontiert sind, nicht addieren lassen“ (Sennett 2006, S. 29). So werden Distanz und oberflächliche Kooperationsbereitschaft Mittel zur Bewältigung der gegenwärtig herrschenden Bedingungen. Gruppen aller Art treffen damit 208 auf schlechte Vorbedingungen, denn ein Verhalten, das auf Loyalität und Dienstbereitschaft beruht, wird nicht gewürdigt. Die Flüchtigkeit des sozialen Umfeldes führt zu einer „Fragilität menschlicher Bindungen“ (Bauman 2007b, S. 14), die sich in den Werten einer flexiblen Gesellschaft niederschlägt:"Keep moving, don't commit yourself, and don't sacrifice” (Sennett 1998, S. 25). Als Ersatz erfindet man „Vergemeinschaftungen, die keine Gemeinschaften sind: temporäre Phänomene, die keine Folgen haben“ (Prisching 2008, S. 37). In diese tritt der/die Einzelne in der Regel „freiwillig, absichtlich und ohne viel Aufhebens ein, und ebenso (relativ) problemund folgenlos tritt er (oder sie) auch wieder aus ihnen aus“ (Hitz- ler; Honer; Pfadenhauer 2008, S. 17). Darunter fallen Events aller Art, doch die (längerfristige) Bindung an die Interessen einer Gruppe gehört nicht dazu. 6.3 Auswirkungen der „flüssigen“ Moderne auf Bildungsprozesse Hinzu tritt, dass nicht nur die Gruppen selbst instabil sind, sondern dass auch die Inhalte, mit denen sich die Gruppen auseinandersetzen, einer ständigen Veränderung unterzogen sind – und damit ändern sich auch die Anforderungen, denen die Menschen in ihrem Lernen als Individuen oder Gruppen ausgesetzt sind. Denn jede von uns gesetzte Handlung ist eine Antwort auf ein geändertes Set von Möglichkeiten, die unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten haben. Daher bedarf man in jeder neuen Situation einer neuen Ausprägung von Fertigkeiten und Zusammensetzung von Stärken (vgl. Bauman 2005, S. 304). Die gängigen Lerntheorien fokussieren jedoch traditionellerweise auf Prozesse, in denen ein Individuum “Wissen” oder “Kompetenzen” erwirbt, durch deren Anwendung sich sein Verhalten relativ dauerhaft verändert. Der Erfolg einer solchen Strategie setzt aber voraus, dass die erworbene Fähigkeit bzw. das erworbene Wissen selbst einigermaßen stabil und wohldefiniert ist und auch dass es einen kompetenten „Lehrer“ gibt, der weiß, was gelernt werden soll (vgl. Engeström 2001, S. 137f). Doch genau diese Faktoren treffen in der Praxis aber oft nicht zu: Menschen und auch Organisationen bzw. Gruppen von Menschen lernen ständig Dinge, die nicht stabil, nicht einmal wohldefiniert oder im Vorhinein verstehbar sind (vgl. Engeström 2001, S. 137f). Was in der Vergangenheit funktioniert hat, erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit für zukünftigen Erfolg. Ganz im Gegenteil müssen die in der Ver209 gangenheit erfolgreichen Methoden einer kontinuierlichen Überprüfung und Überarbeitung unterzogen werden, weil sie sich als nutzlos oder unter den je gegebenen Umständen sogar als kontraproduktiv erweisen können. Rasches und gründliches Vergessen von überkommener Information und langgeübten Gewohnheiten kann dem Erfolg weit zuträglicher sein als das Einüben bereits einmal erfolgreicher Schritte und das Aufsetzen neuer Erfolgsstrategien auf dem erstarrten Bodensatz früheren Lernens (vgl. Bauman 2005, S. 304). Gerade in Zeiten tiefgreifender Veränderungen müssen wir neuartige Aktivitäten lernen, die es schlichtweg noch nicht gibt (vgl. Engeström 2001, S. 137f). Zu diesen Veränderungen meint Illeris: „Die zunehmende Veränderung der Gesellschaft, das Aufbrechen von Grenzen und Kulturen im Rahmen der Globalisierung sowie der Zusammenbruch einer ganzen Reihe von religiösen, ideologischen, sozialen und sonstigen Traditionen und Vorstellungen, treiben immer mehr Menschen in die Flucht, in die Arbeitslosigkeit, in Scheidungen oder bringen andere Arten des persönlichen Verlustes mit sich. Das erzeugt tiefe Krisen. Gleichzeitig entsteht ein v. a. ökonomisch bedingtes Interesse an möglichst schnellen Lösungen für solch existenzielle Krisen“ (Illeris 2010, S. 56). Damit ist die Erziehungswissenschaft gefordert, die Menschen mit dem nötigen Rüstzeug für rasches und effektives Reagieren in Krisen auszurüsten, das nur durch ständiges, lebensbegleitendes Lernen und Trainieren adäquat erworben werden kann. Doch werden „Lernhandlungen (…) zunehmend aus sozialen Beziehungen und lebensweltlich abgesicherten Interaktionszusammenhängen herausgehoben. Demzufolge werden Bildungsräume zunehmen von einem Modus der vagierenden Bewegung, der permanenten Flexibilitätsanpassung angetrieben“ (Eg- ger 2008, S. 22). Bauman erklärt, dass man sich Bildung nicht als Gebäude vorstellen dürfe, das vom Fundament weg Geschoß um Geschoß errichtet wird, wobei die Fertigstellung des Daches anzeigt, dass das Gebäude fertig ist. Auch möge man sich Bildung nicht wie ein Menü vorstellen, das in einer feststehenden Reihenfolge verzehrt wird. Anstatt dessen würden die einzelnen Gänge in zufälliger Reihenfolge serviert, je nach den Bedürfnissen des Augenblicks. Die Bildung werde in kleinen Bissen angeboten und 210 konsumiert, von denen jeder separat gekocht und dann rasch gekaut und verdaut werde – um dann ebenso rasch aus dem Verdauungstrakt entfernt zu werden, um Platz für weitere Portionen zu schaffen. Es sei sogar passend, sich Bildung nach dem Fast Food Prinzip vorzustellen – rasch zubereitet, frisch, heiß und unzeremoniell verzehrt. Schließlich möge man sich Bildung vorstellen als Produkt mit relativ kurzem, klar definiertem Ablaufdatum: Die rasche Entfernung von „Abgelaufenem“ aus den Regalen sei ebenso wichtig wie (oder sogar wichtiger als) die Bereitstellung neuartiger Lebensmittel in einem Sortiment (vgl. Bauman 2005, S. 315f). Diese Aussagen sprechen gegen eine verschulte Bildung mit ihrer Vorliebe für starre Curricula und eine vorgegebene Lernreihenfolge. Die flüssige Moderne ist so rasch veränderlich, dass erlernte Rezepte schon versagen in dem Moment, wo man sie verinnerlicht hat. Dennoch stehen heute Bildungseinrichtungen unter dem Zwang, sich irgendwelchen „Kanons des Wissens“ und „Kompetenzkatalogen“ beugen zu müssen, deren Sinnhaftigkeit und Nützlichkeit zugleich aber immer heftiger bezweifelt werden darf (vgl. Egger 2008, S. 22). Letztlich wird „Flexibilität“ höher eingeschätzt als das kohärente Einhalten wissenschaftlicher Disziplinen (vgl. Bauman 2005, S. 316f). Hier gibt es eine massive Parallele zum nachhaltigen Lernen: Auch Nachhaltigkeit ist so komplex, dass man keine „Kochrezepte“ ausstellen kann. Man könnte so weit gehen zu behaupten: Flüssige Moderne braucht nachhaltiges Lernen. Die Konsequenz daraus müsste eine Abkehr von Curricula sein. Viel sinnvoller erscheint es, den Menschen ein gutes Denk-, Strukturierungs-, Selektions- und Entscheidungsvermögen an die Hand zu geben, damit sie in einer unsicheren, sich ständig wandelnden Zeit „gute“ Entscheidungen treffen können (vgl. 4.3 bzw. Sterlings intrinsisch-nachhaltige Bildung 4.4.4). Allerdings bieten die gängigen Lerntheorien zur Lösung dieses Dilemmas wenig an (vgl. Engeström 2001, S. 137f). Am ehesten bietet nach Baumans Auffassung Batesons Lerntheorie (vgl. 4.2.2.2) einen Ansatzpunkt, doch auch hier muss auf das Lernen III (tertiäres Lernen, Metanoia) zurückgegriffen werden. Lernen III geht über das „normale“ Lernen hinaus und unternimmt eine Reflexion der Lernprozesse, die umschrieben werden kann mit dem Begriff „Lernen lernen“: Etwas, das man irgendwan gelernt und (zumindest eine Zeitlang) als selbstverständlich angesehen hat, wird nunmehr reflektiert bzw. revidiert, neuen Zusammenhänge werden struktu211 riert, eine flexible Gesatltung der Lebensbedingungn ermöglicht. Dies ermöglicht ein „aufdeckendes Ent-Lernen und Verlernen von einengenden Sichtweisen“ (Mikula 2008, S. 60). Die verschiedenen Möglichkeiten, die sich hierfür ergeben, illustriert Bateson Lernen folgendermaßen (Bateson 1981, S. 392): „Das Individuum könnte lernen, bereitwilliger jene Gewohnheiten zu bilden, deren Bildung wir Lernen II nennen. Es könnte lernen, sich selbst die "Auswege" zu verbauen, die es ihm erlauben würden, Lernen III zu umgehen. Es könnte lernen, die Gewohnheiten zu ändern, die durch Lernen II erworben wurden. Es könnte lernen, daß es ein Geschöpf ist, das Lernen II unbewußt erreichen kann und dies auch tut. Es könnte lernen, sein Lernen II einzuschränken und zu steuern. Wenn Lernen II ein Lernen der Kontexte für Lernen I ist, dann sollte Lernen III ein Erlernen der Kontexte dieser Kontexte sein.“ Wie aus den Beispielen deutlich wird, erfordert Lernen III (Selbst-)Reflexion und Infragestellen der eigenen Persönlichkeit. Bateson selbst hält das sogar für potenziell gefährlich, da das Individuum sich seiner selbst nie mehr sicher ist, wenn es all sein Tun und seine Beweggründe permanent hinterfragt. Das mag im Zeitalter der Moderne und unter der Voraussetzung noch so gewesen sein, dass das Leben einer individuellen Person eher kurz und vor allem unberechenbar ist im Vergleich zu einer stabilen und berechenbaren Umwelt. In einem fließend-modernen Ambiente jedoch hat sich diese Beziehung zwischen Individuum und Umwelt ins Gegenteil verkehrt: Eine einzelne, relative lange lebende Person kämpft um ihr Überleben in einer Welt, die von einer Serie immer wieder neu zu bewältigender „Anfänge“ in einem fragilen und unberechenbaren Umfeld gekennzeichnet ist. Im Lichte dieser Tatsachen trifft Batesons Urteil über das Lernen III nicht mehr ganz zu: Wenn sich das Leben eines Menschen in Episoden vollzieht, die jede einen eigenen Anfang und ein eigenes Ende hat, kann er nicht viel mit einer Bildung anfangen, die ihn für eine unveränderliche Welt ausrüstet oder zumindest für eine Welt, deren Herausforderungen sich langsa212 mer verändern als das Wissen, das man braucht, um überleben zu können (vgl. Bauman 2005, S. 315). Bauman folgert, wir leben „through projects and by projects, moving from one project to another, to the projects-yet-to-come, undetermined by the projects already passed through. Don’t mind the breath-taking speed with which knowledge is changing track, old knowledge is ageing, and new knowledge is born only to start aging right away; the volatility of the disjointed, poorly integrated, and multi-centred liquidmodern world makes it certain that each successive episode of a life-through-projects will call for another set of skills and information, invalidating the skills already acquired and the information already memorized” (Bauman 2005, S. 315). Die Schlussfolgerung daraus lautet: Wer sich mit Information belastet, Informationen absorbiert und behält, nach Vollständigkeit und Geschlossenheit gesammelter Informationen strebt, macht sich selbst zu einer potenziellen Deponie für zukünftigen Informationsmüll (vgl. Bauman 2005, S. 315). Auf diesen Erkenntnissen aufbauend sucht Bauman nach einem Bildungsmodell, das er für die flüssige Moderne für tragfähiger hält als die Ansätze von Piaget, Illeris und anderen. Er nimmt Anleihe beim englischen Philosophen Dennett (vgl. Bauman 2005, S. 314f): Dieser argumentiert, dass die Steigerung der menschlichen Intelligenz und geistigen Fähigkeiten des Menschen nicht das Produkt von Assimilationen und einer Speicherung von Wissen durch die Menschen sei. Vielmehr habe die Entlastung des Gehirns durch die immer weiter fortschreitende Möglichkeit der Speicherung von Information in technologischen Artefakten den Fortschritt in der menschlichen Geisteskraft bewirkt: Beginnend mit den ersten primitiven Werkzeugen in der Steinzeit haben die Menschen es geschafft, ihr Gehirn von der Notwendigkeit zu entlasten, buchstäblich „das Rad immer wieder neu erfinden“ zu müssen, indem sie ihre Erkenntnisse explizit aufgeschrieben oder implizit in den erfundenen Gegenständen abgespeichert haben. In der heutigen Zeit mit den schier unendlichen Möglichkeiten, Informationen in elektronischen Medien abzuspeichern und an quasi jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit wieder abzurufen, haben sich die Möglichkeiten vervielfacht, das Gehirn von „unnötigem Ballast“ zu entlasten. Eine relativ kleine Menge von Indikatoren und Hinweisen reicht dem Gehirn aus, um einen quasi un213 endlichen Vorrat an Informationen zur Verfügung zu haben. Daraus kann das Individuum eine bewältigbare und vor allem problemadäquate Menge an Informationen aussuchen, um ein anstehendes Problem zu lösen. Nach der Erledigung der jeweiligen Aufgabe kann die Information wieder extern gespeichert (und so vom Gehirn „vergessen“ werden), da sie bei Bedarf wieder extern abgerufen werden kann (vgl. Dennett 1996, S. 144ff). In der flüssigen Moderne stehen mit den Möglichkeiten der Informationstechnologie mehr Gelegenheiten als je zuvor zur Verfügung – eine ungeheure Menge an Wissen kann ausgelagert werden und nur zu einem je notwendigen Zweck abgerufen werden. Das ermöglicht jedoch nicht nur Entlastung und Flexibilität, sondern fördert auch die Instabilität und Unsicherheit. Einen anderen Zugang als Dennett wählt der finnische Pädagoge Engeström, der die Ansätze von Piaget, Illeris, Holzkamp und anderen weiterführt. Er fragt danach, ob das Problem, das gelöst werden soll (das „Objekt“) bereits bekannt oder neuartig ist und ob bereits vorhandenes Wissen übertragen oder ob neues Wissen entwickelt werden muss. Daraus entwickelt er einen Lernraster, der vier Arten des Lernens enthält: Reflexive Modernisierung: Fluide Gesellschaft Wesentliche Grundmuster der Fluiden Gesellschaft: Individualisierung Pluralisierung Dekonstruktion v. Geschlechterrollen Entgrenzung: •Entgrenzte Normalbiographien •Wertepluralismus •Grenzenloser virtueller Raum •Kultur/Natur: z.B. Gentechnik, Schönheitschirurgie •„Echtes“/“Konstruiertes “ Fusion: •Arbeit-Freizeit (mobiles Büro) •Hoch- und Popkultur (z.B. „3 Tenöre“, Millionenshow) •Crossover, Hybrid-Formate •Medientechnologien konvergieren Durchlässigkeit: •Größere Unmittelbarkeit: z.B. Interaktivität, E-Commerce •Fernwirkungen, realtime •Öffentlichkeit/Privat (z.B. Facebook) •Lebensphasen („Junge Alte“) Wechselnde Konfigurationen: •Flexible Arbeitsorganisation •Patchwork-Familien, befristete Communities (z.B. FlashMobs) •Modulare Konzepte (z.B. Technik, Urlaub) •Sampling-Kultur (Musik, Mode) Wertwandel Disembedding Globalisierung Digitalisierung Neue Meta-Herausforderung: Boundary Management Grenzen geraten in Fluss, Konstanten werden zu Variablen Abb. 8 Vier Lerntypen nach Engeström (Engeström 2004, S. 13) Die beiden Formen der Exploitation (im Raster unten) entsprechen im Wesentlichen der Assimilation und Akkomodation. Im hier diskutierten Zusammenhang interessiert 214 vor allem die Exploration als Experimentieren mit neuen Lösungen, insbesondere für Probleme, die bislang noch nicht bekannt waren (rechter oberer Quadrant in Abb. 8) Sie werden buchstäblich gelernt, während und indem sie geschaffen werden. Es gibt dafür keinen kompetenten Lehrer oder Lehrerin (vgl. Engeström 2001, S. 137f). In der flüssigen Moderne treten solche Situationen eklatant häufiger auf als zuvor. Auf Basis der Tätigkeitstheorie, die einzelne Tätigkeiten/Aktivitäten ins Zentrum der Betrachtung stellt, entwickelt Engeström (vgl. Engeström 2001, S. 144) eine Vorgehensweise, wie vor allem Gruppen verschiedener in eine Problemsituation involvierter Individuen gemeinsam an die Lösung bzw. an die Entwicklung neuer Lösungsansätze herangehen können. Diese Vorgehensweise erinnert von der Konzeption her stark an den hermeneutischen Zirkel (vgl. Abb. 9). 7. Etablieren der neuen Vorgangsweise 6. Reflexion des Prozesses 1. Erhebung des Problems 2. Analyse von Widersprüchen 5. Modelleinführung 4. Modellüberprüfung 3. Modellentwicklung Abb. 9: Lernen nach Engeström (Engeström et al. 1996, S. 10f). Ein Lernzyklus nach Engeström sieht folgendermaßen aus: In den Schritten 1 und 2 erfolgt die Analyse der gegenwärtigen Situation, indem die gegenwärtige Situation infrage gestellt und problematische Aspekte gemeinsam analysiert werden. Auch werden systemimmanente und historische Gründe analysiert, die den zur Diskussion stehenden Problemen zugrunde liegen (könnten). Besonders wichtig ist Engeström, dass die inneren Widersprüche in der Systemstruktur der Aktivität aufgefunden werden, in der es Probleme gibt. In den Schritten 3 und 4 erfolgt die Neukonzipierung des Modells (Schritte 3,4), deren Basis die Darstellung der Systemstruktur einer Aktivität bildet, damit eine Neukonfigurierung der immanenten Inkompatibilitäten zwischen einzelnen Elementen der Aktivität möglich wird. Das erlaubt auch die Neuin215 terpretation des Zwecks einer Aktivität und gegebenenfalls einer neuen Logik der einzelnen Abläufe. Auf dieser Basis wird die Erstellung eines neuen Ablaufmodells für die Aktivität möglich. In Schritt 5 wird das neue Modell implementiert, wobei eine schrittweise Konkretisierung und Modifikation unter ständiger Überprüfung und Rückkoppelung erfolgt. Es bedarf also permanenter Reflexion – hier finden sich wieder Ansätze des Lernen III. Ergebnis ist ein neues Aktivitätsmodell, das mithilfe neuer Methoden und Ansätze die bisherigen Probleme zu lösen versucht. In den Schritten 6 und 7 erfolgen eine weitere Reflexion bzw. die Konsolidierung des Modells. Das neu Erlernte wird eventuell auch an Dritte weitergegeben, wozu neue Regeln gefunden und festgeschrieben werden müssen. Dieses Modell des Lernens beinhaltet Aspekte der bereits in 2.2 beschriebenen Mode-2 Forschung bzw.des in 4.4.2 entwickelten Mode-2 Lernens, bei dem das bereits entwickelte Vorwissen der Lernenden sowie die Orientierung auf die Lösung eines gegenwärtigen Problems aktiv in die Lehr- und Lernsituation mit aufgenommen werden. Der/die Lehrende wird mehr zum/zur TrainerIn und zum Coach, das Wissen wird von den lernenden Individuen selbst entwickelt. Es kommt also zu einer „ Abkehr von der Vermittlung zur Ermöglichung oder Aneignung“ (Mikula 2008, S. 60). Man könnte mit Varela von einer Viabilität des Lernens sprechen – gelernt wird, was in einer Problemsituation adäquat bzw. nutzbringend ist. Dadurch aber werde die Verantwortung für die Zusammensetzung des Lernens und folglich auch für den Lernerfolg dem/der einzelnen Lernenden zugeschoben, was sich in der fehlenden Bereitschaft der Lernenden zeigt, im Hinblick auf ihre (Aus-)Bildung langfristige Bindungen oder Verpflichtungen einzugehen (vgl. Bauman 2005, S. 304). Weiterhin sei die Tugend, die individuellen Interessen am besten dient, nicht das Befolgen von Regeln, sondern Flexibilität, als Bereitschaft kurzfristig die Taktik zu verändern, Engagement und Loyalität ohne Bedauern aufzugeben und sich bietende Chancen nach ihrer jeweiligen Verfügbarkeit zu nutzen. 6.4 Konsequenzen der „flüssigen“ Moderne für Nachhaltigkeitsgruppen Die Konsequenzen der aus der flüssigen Moderne resultierenden Instabilitäten für Nachhaltgkeitsgruppen sind vielfach. Nach Kruse (2002) lohnt es sich jedoch 216 “Instabilität zuzulassen, denn in einem sich ändernden Umfeld ist das Risiko der Stabilität immer größer als das Risiko der Instabilität. Wird ein bestehendes Muster aufgebrochen, führt dies notgedrungen immer zuerst in eine krisenhafte Situation. Die Bereitschaft, sich auf den Schmerz der Veränderung einzulassen, ist eine unverzichtbare Voraussetzung für Innovation“ (Kruse 2002, S. 4). Dieser eher positiven Sicht stehen Bauman und Sennett eher skeptisch gegenüber. Ihre Vorstellungen von Auswirkungen der flüssigen Moderne auf Nachhaltigkeitsgruppen werden nachfolgend beschrieben. 6.4.1 Cloakroom-Communities Die eben beschriebenen Entwicklungen entsprechen genau dem Bild der flüssigen Moderne, in der sich Zusammengehörigkeitsgefühl, Solidarität und gemeinsames Erleben zwischen den Menschen auflösen. Langfristige Verbindungen, wie sie für nachhaltige Gruppenbildung nötig sind, bedürfen starker Bindungen und großer Anstrengungen, mit anderen Kompromisse zu machen (vgl. Sennett 2006, S. 28). Das Maximum an Gemeinschaft, das erzielbar ist, ähnelt einer Ansammlung von Theaterzuschauer/innen, die sich in der Garderobe treffen, um ihre Mäntel abzugeben. Sie tun das allein oder in kleinen Gruppen, aber nur für die Dauer der jeweiligen Aufführung. Bauman bezeichnet sie als “cloakroom communities” oder auch “ghost communities, phantom communities, ad hoc communities, carneval communities” (Bauman 2007a, S. 111). In dieser Art von Gemeinschaft hat man ein Gefühl der Zugehörigkeit, allein deswegen, weil man dort ist, wo andere auch anwesend sind, oder weil man Abzeichen oder sonstige Merkmale gemeinsamen Stils oder Geschmacks trägt („Marken“). Diese Gemeinschaften sind auch zeitlich beschränkt: Man „fällt heraus“ in dem Moment, in dem sich die Menge zerstreut. Man kann die Gemeinschaft auch vorher verlassen, wann immer das eigene Interesse zu schwinden beginnt. Cloakroom Communities als informelle Gruppen brauchen keine Beitritts- oder Austrittserlaubnis. Sie haben auch keine Verwaltung und sind nicht berechtigt, Auswahlkriterien für die Aufnahme zu definieren (vgl. 6.2). Auf dieser Basis ist eine Nachhaltigkeitsgruppe schwer zu gründen, die per definitionem selbst nachhaltig im Sinne von dauerhaft sein soll. Denn in der modernen Gesellschaft stellt die Möglichkeit, einer Gemeinschaft willkürlich jederzeit beizutreten 217 und sie wieder zu verlassen, einen Vorteil dar gegenüber der unbequem festen einschränkenden und fordernden „echten Gemeinschaft“ (Bauman 2007a, S. 112). Ein Effekt der Cloakroom-Communities ist es demnach, erfolgreich die Herausbildung echter, umfassender und dauerhafter Gemeinschaft abzuwehren. Obwohl Menschen in solchen Cloakroom Communities annehmen, dass sie eine neue Form der Gemeinschaft hervorbringen, ahmen sie tatsächlich Gemeinschaft nur nach (vgl. Bauman 2000, S. 201). Und so treffen sich Menschen zu einem Event und bilden dabei eine kurze und spontane Pseudogemeinschaft, gehen dann auseinander und sehen sich vielleicht nie mehr wieder. Die kurze Verbundenheit der Zufallsgemeinschaft wird durch ein gemeinsames Thema (Issue) beschrieben, das meist in Form eines Events oder Spektakels erlebt wird (vgl. Bauman 2007b, S. 112): Cloakroom Communities brauchen ein Spektakel, das Interessen anspricht, die mehrere Personen teilen, obwohl sie sonst ganz verschieden sind. Auf diese Weise werden sie für eine Zeitspanne zusammengebracht, in der die anderen Interessen, die sie trennen und nicht vereinen, kurzfristig beiseite gelegt werden und sie sich einem gemeinsamen Thema (Issue) widmen (vgl. Bauman 2000, S. 200). In diesem Sinne sind zwar Single Issuegroups möglich, die sich kurzfristig zusammentun, um etwa gegen Castor-Transporte zu protestieren, übergreifende Nachhaltigkeitsgruppen haben hingegen schlechte Karten. Die Konsequenz ist, dass wir bei der Gestaltung unserer Lebensweise von einer permanenten und zunehmenden Individualisierung ausgehen müssen (vgl. Bauman 2000, S. 37). Daraus ergibt sich, dass wir auch die Formen der Gemeinschaft, die für die Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft notwendig sind wie politische Gruppen, Freiwilligenorganisationen und eben auch Nachhaltigkeitsgruppen im engeren Sinne nach einem neuen Muster und Prinzip strukturieren müssen. Denn auch wenn sich viele Menschen sich an einem bestimmten Ort aufhalten, haben sie wenige Gemeinsamkeiten, wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird. 6.4.2 Baumans „Schwärme“ Die für die flüssige Moderne typische Konsumgesellschaft tendiert zur Auflösung von Gemeinschaft, weil Konsum eine äußerst einsame Tätigkeit ist. Gruppen sind charakterisiert durch Vorhandensein von Führer/innen, Hierarchie und vor allem von Identität und Zusammenhalt. Sie werden in der flüssigen Moderne ersetzt durch ei218 nen Schwarm: „Ein Schwarm kommt ohne all jene Symbole und Strategien aus, die eine Gruppe zu ihrer Herausbildung und Festigung braucht. Schwärme bedürfen nicht der Selbstproduktion und Selbsterhaltung“ (Bauman 2007b, S. 160). Schwärme „versammeln sich bei Gelegenheit, lösen sich auf und finden bei einer anderen Gelegenheit, angelockt von neuen, beweglichen Zielen, wieder zusammen. Der Reiz dieser beweglichen Ziele reicht in der Regel aus, um die Schwärme zu koordinieren und jeden Befehl oder andere Mittel der Koordination ‚von oben‘ überflüssig zu machen“ (Bauman 2007b, S. 161). Betrachtet man diese Schwärme näher, erkennt man, dass sowohl die Richtung ihres Fluges als auch die jeweiligen Anführer/innen zufällig zustande kommen, allerdings nur für einen einzigen Flug. Die Nachhaltigkeit bzw. Nachhaltigkeitsgruppen betreffend, welche sich einer anhaltenden, allgemeinen und uneigennützigen Idee hingeben, ergeben sich aus diesen Erkenntnissen verschiedene Probleme: „Wie können Langzeitprojekte in einer kurzlebigen Gesellschaft aufrechterhalten werden? Wie können auf Dauerhaftigkeit ausgerichtete soziale Beziehungen nachhaltig aufrecht erhalten werden?“ (Sennett 1998). Die Antwort auf beide Fragen ist schwer zu geben, denn Gruppen können noch nicht einmal dadurch zusammengehalten werden, dass man gemeinsam konsumiert: „Die Bindungen zwischen den Verbrauchern überdauern nie den Akt selbst. Sie halten den Schwarm für die Dauer des Fluges zusammen (d. h. bis sich das Ziel wieder ändert), sie sind aber offenkundig an diesen einen Anlass gebunden und ohnedies derart dünn und zerbrechlich, dass sie auf die zukünftigen Bewegungen der Individuen keinen Einfluss haben“ (Bauman 2007b, S. 162). Selbst der als „Fest“ angelegte Protest gegen die Errichtung einer Deponie oder gegen Atommülltransporte verkommen zum Konsumieren kurzfristigen Gemeinschaftsempfindens, bei denen man gemeinsam singt, Bier trinkt oder die Polizei beschimpft 219 um des Empfindens, des Gefühls der Selbstverwirklichung, nicht um der Selbstverwirklichung im eigentlichen Sinne willen. Bei der Beschreibung eines Schwarmes durch Bauman (2007b) drängt sich der Vergleich mit einer Bürger/inneninitiative auf. Ein Schwarm und eine Bür- ger/inneninitiative versammeln sich bei Gelegenheit, lösen sich auf und finden bei einer anderen Gelegenheit, angelockt von neuen und beweglichen Zielen, wieder zusammen. Der Reiz dieser beweglichen Ziele reicht nach Bauman aus, um die Schwärme zu koordinieren und jeden Befehl oder andere Mittel der Koordination „von oben“ überflüssig zu machen (vgl. Bauman 2007a, S. 161). Der Schwarm ist, anders als eine Gruppe, die von Vertrauen zusammengehalten wird, „die Summe seiner (individuellen Motiven folgenden) Teile“ (Bauman 2007b, S. 161). Emergenz und Übersummativität gibt es daher hier seiner Ansicht nach nicht mehr, ebensowenig wie Autopoiesis in dem Sinne, dass Themen oder Muster für neuerliche Interaktionen oder Kommunikation entwickelt würden (vgl.5.1.4.1). Tatsächlich verwandeln sich Nachhaltigkeitsgruppen immer mehr in Schwärme oder Issue Gruppen, die weder Hierarchie, noch eine Ausrichtung, Wir-Gefühl oder eine gemeinsame Kultur haben. In diesen Schwärmen macht die „zufällige Richtung des Fluges … einige der Beteiligten, die aus eigener Motivation dabei sind, zu ‚Anführern‘, denen die anderen ‚folgen‘. Doch diese ‚Hierarchie‘ gilt höchstens für einen einzigen Flug – niemals länger“ (Bauman 2007b, S. 161). Gleichzeitig weist Bauman aber auch auf die Notwendigkeit eines Gruppenkerns hin. Diese(r) kann sich zwar immer je in Abhängigkeit vom Schwarmereignis bzw. dem Issue verändern, doch fraglos hält der Gruppenkern die Idee am Leben. Auch aus der Issuegroup können sich Mitglieder des Gruppenkerns rekrutieren; aus dem Schwarm können sich Mitglieder der temporären „Hierarchie“ bilden.Wenn ein Issue vorüber ist, können Issuegroup -Mitglieder zu Mitgliedern des Gruppenkerns oder zumindest der losen Gruppe werden. Sie können sich nach Beendigung des sie interessierenden Issues völlig aus der Gruppe zurückziehen oder nach längerer oder kürzerer Abwesenheit in neue Issues einbringen (vgl. 5.6.2). 220 6.4.3 Communities of Practice Doch muss diese Auflösung fester Beziehungen in der Flüssigen Moderne nicht nur negative Folgen haben. Vielmehr legen Wenger und ihm folgend Wenger, McDermott und Snyder mit dem Konzept der Communities of Practice einen Ansatz zu Social Learning Systems vor (vgl. Wenger; McDermott; Snyder 2002), der aus den Instabilitäten der flüssigen Moderne Nutzen zieht. Communities of Practice als Social Learning Systems basieren auf zwei Phänomenen: den Kompetenzen, die Gemeinschaften im Zeitablauf anhäufen (etwa das nötige Wissen, um als kompetentes Mitglied ebendieser Gemeinschaft zu gelten), und den Erfahrungen, die Individuen als Mitglieder dieser Gemeinschaft laufend machen. Diese Kompetenzen und Erfahrungen können untereinander völlig deckungsgleich sein, aber auch völlig divergierend (vgl. Wenger 2000, S. 227). Auf dieser Definition aufbauend beschreiben Wenger, McDermott und Snyder „Communities of Practice“, die am Arbeitsplatz, in der Schule, daheim oder bei unseren Hobbies bestehen können. Nach ihrer Ansicht handelt es sich dabei um Gruppen von Menschen, die ein Anliegen, ein Problem oder einfach eine Leidenschaft für eine bestimmte Sache teilen und die ihre Fähigkeiten und ihre Expertise in einem Bereich dadurch vertiefen oder erweitern, dass sie fortgesetzt darüber interagieren, ohne notwendigerweise zusammenarbeiten zu müssen (vgl. Wenger et al. 2002, S. 4f). Die Interaktion kann direkt face-to-face, aber auch mittels elektronischer Medien sowie synchron (z. B. Telefonat, Chat) oder asynchron (Email, Foren) erfolgen (vgl. Winkler & Mandl 2004, S. 3). Sie besteht darin, dass die Mitglieder Zeit miteinander verbringen, Informationen, Einsichten und Rat teilen, sich gegenseitig dabei helfen Probleme zu lösen, Situationen, Pläne und Bedürfnisse diskutieren. Themen werden gemeinsam abgewogen, Ideen erkundet und Resonanz oder Feedback gegeben. Möglicherweise entwickeln die Communities of Practice Werkzeuge und Instrumente oder aber einfach ein stillschweigendes Verständnis, das ihnen gemeinsam ist (vgl. Wenger et al. 2002, S. 6f). Diese Beschreibung lässt sich auch auf moderne Nachhaltigkeitsgruppen übertragen, denn typischerweise treffen sich Menschen hier in ihrer Freizeit, quasi bei einem Hobby und teilen konkrete Anliegen (Issues) oder eine Leidenschaft bzw. eine bestimmte Idee. Gemeinsam wird nach der Lösung von Nachhaltigkeits-Problemen gesucht, und dabei werden Ideen und Pläne für Aktionen entwickelt. Dabei entwickeln sie auch neue 221 Kompetenzen, wie etwa die Kompetenz eine Veranstaltung zu organisieren, eine Presseaussendung zu machen oder eine Unterschriftenliste zu betreiben. Unabhängig davon, welches und wie sie gemeinsam Kompetenzen und Wissen entwickeln, bauen sie informelle, wenn auch schwache Bindungen dadurch auf, dass das gemeinsame Lernen für sie einen Wert repräsentiert. Dieser Wert kann sich auf ein gemeinsames Anliegen beziehen, aber auch darin bestehen, persönliche Befriedigung dadurch zu erlangen, Kolleg/innen zu kennen, die gegenseitig ihre jeweiligen Ideen und Perspektiven verstehen oder zu einer interessanten Gruppe zu gehören. Gruppen dieser Art entwickeln über die Zeit eine einzigartige Perspektive auf ihre Themen und gemeinsames Wissen, gemeinsame Praktiken und Zugänge. Schließlich entstehen persönliche Beziehungen und sogar fixe Interaktionsschemata, manchmal sogar das Gefühl einer gemeinsamen Identität (vgl. Wenger et al. 2002, S. 6). Auch das ist typisch für Nachhaltigkeitsgruppen in der flüssigen Moderne – sie bauen keine starken Beziehungen auf, doch bekennen sich viele dazu, dabei zu sein und von Zeit zu Zeit ihren Beitrag zu leisten. Dabei können sie in Nachhaltigkeitsgruppen so wie in allen Communities of Practice Kernmitglieder oder nur gelegentliche Teilnehmer/innen sein. Alle diese Eigenschaften von Communities of Practice entstehen von selbst, daher darf man nicht der Versuchung erliegen, sie institutionalisieren und überregulieren zu wollen. Denn ihr Gedeihen hängt in erster Linie vom freiwilligen Engagement ihrer Mitglieder ab, und ihre Fähigkeit Wissen zu bewahren und schaffen hängt von einem gewissen Maß an Informalität ab. Für Nachhaltigkeitsgruppen in der flüssigen Moderne bedeutet dies, dass man sie, um ihren Bestand zu sichern, gar nicht zu sehr formalisieren darf, da sie sonst Gefahr laufen zu zerbrechen. 6.5 Empirische Befunde in Bezug auf die „flüssige Moderne“ Aspekte einer Verflüssigung der Gesellschaft finden sich in allen Interviews, die geführt wurde, unabhängig vom Grad des (partei-)politischen Engagements. Ein Interviewpartner bringt die Dinge auf den Punkt: „Früher haben Gruppen länger gehalten“ (Stefan S. 1 13). Und eine andere ergänzt: 222 „Die (die Gruppenmitglieder, A.d.V) wollen sich nicht so binden“ (Amanda S. 4 3536). Und sie erklärt auch über ihr eigenes Verhalten: „Ich habe dann öfters ausgesetzt, aber seit letztem Jahr bin ich jetzt öfters dabei und mache auch was für die. Auch bei den anderen Gruppen gibt es so eine Art Sinuskurve. Da gibt es so ein Auf und ein Ab. (…) Ich komme von einem Projekt zum nächsten, aber ich bleibe bei diesen Projekten und wechsle zwischen diesen hin und her. In nächster Zeit mache ich dann auch noch Wahlkampf und so bleibt mir nicht mehr so viel Zeit für anderes“ (Amanda S. 5 1-7). Das Handeln einer anderen Interviewpartnerin ist dadurch gekennzeichent, dass sie immer wieder neue Gruppen ins Leben ruft, diese Gruppen aber verlässt, sobald diese einigermaßen ins Laufen gekommen sind. Offenbar braucht diese Interviewpartnerin genau den Antrieb, sich immer wieder neu zu (er)finden, ohne sich längerfristig zu binden (Paula). Aus Sicht einer der Interviewpartner/innen ist es „(g)erade im politischen Bereich (…) sehr schwierig, Menschen zu motivieren, weil die Politik zur Zeit ein sehr schlechtes Renommee hat. Es war schon in den letzten Jahren sehr schwierig und wurde immer schwieriger, Leute für politische Arbeit zu motivieren. Das Hauptproblem, das politische Gruppen haben ist, dass sich keine Menschen finden, die sich vorn beteiligen wollen. Sie sagen: Ich unterstütze euch, aber nicht an vorderster Front“ (Anna S. 9 27-30). Die Gründe für die mangelnde Bereitschaft sich (längerfristig) zu engagieren, werden dabei von den Interviewparter/innen unterschiedlich gesehen. Als erstes wird die Heterogenität der Beteiligten angesprochen, die genau den Schwärmen entspricht, die auch Bauman definiert: „Du triffst dich bei einer Anti-Atom-Demo und fragst, was machst du sonst noch. Aha! Aber mit deinem anderen Thema möchte ich nichts zu tun haben; liquid politics“ (Stefan S. 4 25-28). Die meisten Interviewpartner/innen sind sich einig, dass die Menschen sich nur dann engagieren, wenn sie selbst davon in irgendeiner Form einen Nutzen haben: 223 „Verflüssigung bedeutet dann, dass das Bildungsbürgertum zum Beteiligungsbürgertum verwandelt und die Leute sich sagen: Bringt mir das etwas, wenn ich da mitmache? Oder: Ist es sinnvoll, meine Zeit so zu verwenden?“ (Stefan S. 4 3234). Das führt zu einem weiteren von Baumans Konstrukten, den Cloakroom Communities, die offenbar in den Nachhaltigkeitsgruppen eine sehr große Rolle spielen. Denn laut einer Interviewpartnerin kann Folgendes schon vorkommen: „Ich habe teilweise nicht einmal meine eigenen Leute gekannt und schon gar nicht die anderen. Also wir kannten uns nicht gut; teilweise gar nicht. Das war also anfangs nur eine spontan zusammengewürfelte Gruppe, das das Ganze auch ganz schön schwierig gemacht hat“ (Jasmin S. 2 17-20). Damit stellt sich weiter die Frage, „wie ich genauer weiß, wie die ticken und genau verstehe in ihrer Kommunikation“ (Jasmin S. 2 21-22), denn sonst wird die Arbeit sehr schwierig. Die Interviewpartnerin berichtet weiter: „Da sind auch Leute dazugekommen, die sonst nichts mit dem Projekt zu tun hatten. Die fanden das einfach interessant und haben einen Tag lang mitgedacht. Also haben wir auf verschiedenen Wegen versucht, Leute zu rekrutieren“ (Jasmin S. 4 24-27). Eine weitere Interviewpartnerin ist überzeugt: „Es sind alles relativ zufällige Begegnungen; auf einer Konferenz mal oder bei einer Performance. Das ist ganz komisch. Es war oft nur einen Blick, ein Wort oder einen Spruch und ich habe mir gedacht: Wir sollten uns mal weitersprechen. (…) Ich habe genug solche Leute und ich finde die immer wieder. Wir treffen uns schon“ (Paula S. 4 37-39, S. 5 29). Die Schlussfolgerung der Interviewpartner/innen fallen dabei aber divergent aus: „Diese Anonymität und dieser x, y, z- Modus erlaubt eine andere Form der Zusammenarbeit oder initiativ zu werden“ (Paula S. 6 17-18). Neben dieser eher positiven Sicht der Veränderung gibt es auch die Sorge: 224 „Wie schaffe ich Verbindlichkeiten bei Heterogenität?“ (Stefan S. 2 2-3). Denn einig ist man sich auch: „Es gibt ja heutzutage keine Strafmöglichkeiten mehr. Wenn man heute jemanden fragt: ‚Wo warst du den das letzte Mal?‘, fragt der: ‚Was soll das denn‘? Der Wert dieser Art der Verbindlichkeit ist weg“ (Stefan S. 1 20-22). Zu diesem Problem der geringen Bindungslust der Gruppenmitglieder tritt erschwerend ein Zeit- bzw. ein Koordinierungsproblem, mit dem alle zu kämpfen haben. Dieses tritt einerseits als Konkurrenzkampf zwischen mehreren Nachhaltigkeitsgruppen ,aber auch mit anderen Freizeitaktivitäten auf. „In Berlin gibt es verschiedene wöchentliche Aktionen wie den Blue Monday oder Green Thursday. Also es bekommt ein Termin einen Namen. Nach dem Motto: He, Leute kommt zum Green Thursday. Dann ist das so etwas wie ein stehender Event, wo man hinkommt und sich austauschen kann. Viele gehen da unregelmäßig hin“ (Stefan S. 2 21-24). Für viele kommt es auch zum Konflikt zwischen dem Beruf und den Nachhaltigkeitsinteressen, wenn dann der Beruf und/oder die Familie sehr viel Zeit in Anspruch nehmen oder „in dem Moment, wo man berufstätig ist, eigentlich in seiner Stadt so gefangen ist dass man nicht mehr wochenendweise durch die Gegend reisen kann und Leute trifft“ (Heinrich S. 3 20-22). Damit werden regelmäßige Treffen schwierig: „Wir haben uns auch überlegt eine Art Plattform einzurichten, zu der wir uns einmal im Monat zusammenkommen. Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass einmal im Monat zu oft ist“ (Amanda S. 3 21-22). Was sich allerdings auch findet, sind Muster, die den Communities of Practice im beschriebenen Sinne sehr ähnlich sind: „Das ist dann auch fließend, ob wir jobmäßig zusammenarbeiten oder ob wir am Wochenende einen Ausflug zusammen machen, ob wir uns gegenseitig Tennis beibringen oder eine komische Aktion starten“ (Paula S. 3 3-5), 225 meint eine Interviewpartnerin, und eine andere ergänzt, dass nach Abschluss der eigentlichen Arbeit die Gruppe sich wegentwickelt habe von „von einer persönlichen, informellen Arbeitsgruppe zu einem etwas größeren Netzwerk“ (Jasmin S. 4 16-17). Doch auch bei solchen Aktivitäten wenden einige der Interviewpartner/innen wieder Vorsicht an: „(D)as haben wir sehr bewusst nicht gemacht, ist, dass wir eine Betriebs- oder Funktionslogik angenommen haben: Dass wir alles auf die Karte “3+x“ setzen und alle anderen Aktivitäten und beruflichen oder sozialen Kontakte nur darüber spielen“ (Paula S. 4 17-19). 226 7 Der Wunsch nach politischer Mitbestimmung als Motor des Engagements in Nachhaltigkeitsgruppen Nach Bauman ist keine einzelne Institution in der Lage, im Alleingang eine umfassende Lösung für die Nachhaltigkeitsprobleme der heutigen Zeit zu entwickeln. Seiner Meinung nach liegen dieser Tatsache die Phänomene der Globalisierung, Individualisierung und Deregulierung zugrunde (vgl. Bauman 1998, S. 315f). „Globalisierung vollzieht sich in Räumen, für die noch keine Strukturen der Kontrolle und Rechenschaft erfunden sind, geschweige denn solche, die den einzelnen Bürger ermächtigen“ (Dahrendorf 1998, S. 51). So kann z. B. die Wissenschaft naturwissenschaftliche Phänomene oder die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten erforschen, ist aber nicht in der Lage, Konflikte zwischen einzelnen nachhaltigkeitsbezogenen Zielen zu lösen, denn hierfür sind normative, politische Entscheidungen notwendig. Der Markt ist als Mechanismus zu schwach, um etwa gesellschaftliche oder Umweltziele erfolgreich zu verfolgen. Nicht einmal gesetzliche Regelungen erhalten genug Zustimmung, um nachhaltige Entwicklung voranzutreiben, wie diverse Bürger/innenbefragungen in der jüngsten Zeit zeigen (etwa über Gemeindezusammenlegungen, Umweltzonen und ähnliches): Jede/r ist sich selbst der/die Nächste, gemeinschaftliche oder gar gesellschaftliche Interessen sind bedeutungslos. Die Ursachen dieser Entwicklung liegen in der voranschreitenden Individualisierung, deren Wurzeln liegen wiederum im zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehenden Industriekapitalismus. Waren im 18. und 19. Jahrhundert die traditionellen Rechte und Pflichten in der Tradition von Familie, Gemeinde und Glaubensgemeinschaften verwurzelt, so verschob sich mit der zunehmenden Industriekapitalisierung diese Tradition zu Gunsten ökonomischer Gewinnmaximierung. Die Menschen zogen sich immer mehr in die Privatheit und aus dem bürgerlichen Engagement zurück. Der Rückzug aus der Eigeninitiative der Bürger/innen wurde auch durch die Etablierung des Wohlfahrtstaates unterstützt (vgl. Vorländer 2001, S. 19) – auf Wohlfahrt bestand plötzlich Anspruch, es bedurfte nicht mehr des eigenen Engagements. Im Gefolge dieser Entwicklungen war in den meisten europäischen indirekten Demokratien Bürger/innenbeteiligung jenseits der Wege, an Wahlen teilzunehmen oder einer politischen Partei beizutreten, wenig ausgeprägt. 227 Diese Situation hat sich jedoch in den letzten Jahren grundlegend geändert. Neue politische Konzepte setzen auf Deregulierung. Sie fordern vom Individuum wieder mehr an (Eigen-)Initiative und wollen den Bürger/innen eine Form der Bildung vermitteln, die das Engagement für den Staat und das Verständnis für Demokratie stärkt: „Indem Menschen in den gesellschaftlichen Verhältnissen leben, bestimmen sie diese ja aktiv selbst mit. So kann eine gesellschaftliche-politische Teilhabe auch als Lerngrund interpretiert werden“ (Mikula 2008, S. 70). Denn Bildung vermag einen doppelten Beitrag für die verstärkte Wahrnehmung der Demokratie zu leisten: Einerseits soll sie dazu befähigen, „aktiv und selbstbestimmt am öffentlichen Leben teilzunehmen und Gegebenheiten kritisch zu hinterfragen“ (Editorial UNESCO 2013), anderseits sollen nach dem Wunsch der UNESCO für die Umsetzung ihrer Bildungsziele auch die so genannte Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft einbezogen werden (vgl. UNESCO 2013). Damit sind aus gesellschaftlicher Sicht die zwei Phänomene angesprochen, die Bauman als Deregulierung beschreibt. In einer positiven Sichtweise kann man hier sprechen von Empowerment als einer Form der intrinsischen, nachhaltigen Bildung (vgl. 4.3) und von Governance als einer neuen, weniger hierarchischen Form des Managements von Staaten anstelle eines hoheitlichen Regierens. Grundlage für beide Phänomene ist die Bereitschaft einerseits der Regierenden, die Bevölkerung in die Führung des Staates mit einzubinden, anderseits die Bereitschaft und Fähigkeit der Bevölkerung, dies zu tun. Damit bedarf es der Partizipation als Grundlage für Empowerment und Governance. Mit Nachhaltigkeitsgruppen sind die Begriffe der Partizipation, des Empowerment und der Governance in mehrfacher Weise verbunden. Zum Einen sind Nachhaltigkeitsgruppen wie insbesondere die Lokale Agenda 21 Gruppen (vgl. 3.3.5.1) eine direkte Folge von Absichten zur Stärkung der Partizipation wie der Agenda 21 und damit auch eine unmittelbare Antwort auf Nachhaltigkeitsbemühungen. Zum Anderen richten sich der Arbeitsinhalt von Nachhaltigkeitsgruppen bzw. ihre „Idee“ auf die Stärkung nachhaltiger Entwicklung im weitesten Sinne, die eben Partizipation, Empowerment und Governance mit einschließt. Schließlich sollen Nachhaltigkeitsgruppen per definitionem selbst auf Nachhaltigkeit im Sinne von Dauerhaftigkeit gerichtet sein, wozu es der Mitwirkung der Gruppenmitglieder und ihrer Fähigkeiten bedarf. Um diese Interdependenzen besser klären zu können, werden die Begriffe der Partizipation, des Empowerment und der Governance im Nachfolgenden näher erläutert. 228 7.1 Partizipation Der erste Schritt zur Änderung der politischen Systeme im Hinblick auf das Bedürfnis nach aktiver Teilhabe am politischen Geschehen erfolgte mit dem Aufkommen der Studentenbewegung und des Civil Rights Movements bzw. in den 1970ern und 1980ern mit dem Entstehen der ersten ökologisch motivierten Bürer/inneninitiativen (vgl. Webler & Renn 1995, S. 18), die sich in gewaltigen Demonstrationen, Boykotten oder Besetzungen artikulierten. Die öffentlichen Forderungen brachten die Regierungen dazu, Möglichkeiten zur Partizipation zu schaffen, vom besseren Zugang zu Informationen bis zur Einbindung der Bevölkerung in die (öffentliche) Entscheidungsfindung (vgl. Webler & Renn 1995, S. 19). Die in der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a), einem der auf der Umweltkonferenz von Rio 1992 verfassten Abschlussdokumente, verankerte Forderung nach Partizipation ist demnach auch eines der wesentlichen Ergebnisse dieser Konferenz. Hier wurde erstmals erkannt, dass eine nachhaltige Entwicklung nur mit breiter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen erreicht werden kann. Als Form der gesellschaftlichen Kooperation ist Partizipation in den ersten Anfängen auf sehr kleine Kreise beschränkt und soll eine möglichst umfassende Mitsprache aller Bürger/innen garantieren. Die lokale Agenda 21 versucht, diesen Ansatz auf lokaler und regionaler Ebene zu etablieren, um gemeinsam mit der Bevölkerung einen Weg zu finden, wie sich eine Gemeinde oder Region zukunftsfähig entwickeln kann. Bürger/innenbeteiligung auf der lokalen Ebene kann beitragen, „to provide a healthy political life within the large sphere of relative autonomy that democratic countries will still posses” (Dahl 1994, S. 33). Damit ist die Bedeutung von Nachhaltigkeitsgruppen festgelegt. Im Nachfolgenden wird Patizipation als Grundlage des Engagements in Nachhaltigkeitsgruppen untersucht und diskutiert. 7.1.1 Formen der Partizipation Die Literatur kennt viele Formen der Partizipation, von der einfachen Bürger/inneninformation bis hin zur Einbindung der Bürger/innen in die Entscheidungsfindung, und fast ebensoviele Klassifikationsschemata. Eine der ersten Klassifikationen stammt von Arnstein, die eine Typologie von acht Sprossen einer Leiter auf insgesamt drei Ebenen entwickelt (vgl. Abb. 10): Die unterste Ebene umfasst die Stufen 229 der Manipulation und der Therapie, die beide eigentlich mehr Bauernfängerei als Partizipation im engeren Sinne implizieren. Auf der zweiten Ebene finden sich Alibistrategien: Information, Beratung und Beschwichtigung, die allesamt ebenfalls keine direkte Einflussnahme ermöglichen. Erst auf der obersten Ebene werden Bürger/innen in zunehmendem Maße im Sinne einer „echten“ Partizipation in die Entscheidungsbildung eingebunden (Arnstein 1969, S. 216f). 9 Selbststeuerung Geht über Partizipation hinaus 8 Delegieren v. Entscheidungsmacht 7 Einräumen von Kontrollbefugnissen/ Durchführungsmacht Partizipation 6 Kooperation Partnerschaften 5 Gemeinsam Beraten und Entscheiden 4 Anhören, Erörtern Vorstufen der Partizipation 3 Informieren 2 Anweisen: Befrieden, Erziehen, Therapieren Nicht-Partizipation 1 Instrumentalisieren: Desinformieren, Manipulieren Abb. 10: Leiter der Bürger/innenpartizipation (in Anlehnung an Arnstein 1969, S. 216f) Eine ähnliche diskrete Einteilung entwickeln Bass, Dalai-Clayton und Pretty die eine sechsstufige Typologie vorschlagen. Wiederum reichen die Möglichkeiten zur Partizipation von „participants listening only” zu “participants being consulted” zu “participants being involved in decision-making on the policy, strategy or its components”. Auf jeder Ebene kann sich die Partizipation auf einzelne Akteur/innen, größere Interessengruppen oder die Regierung beziehen (vgl. Bass, Dalai-Clayton, & Pretty 1995, S. 46). Im Gegensatz zu Arnstein entwickeln von Alemann/Strünck (vgl. von Aleman & Strünck 1999, S. 24) dichotome Dimensionen der Partizipation. Sie definieren die folgenden Gegensatzpaare: 230 repräsentativ vs. plebiszitär indirekt vs. direkt/unmittelbar parlamentarisch vs. außerparlamentarisch verfasst/formell vs. nicht-verfasst/informell konventionell vs. unkonventionell Einen weiteren Schritt geht Alemann, der politische Partizipationsformen anhand der Dimensionen direkt bzw. indirekt und verfassungsmäßig verankert bzw. nichtverankert in einen Vierfelder-Raster einteilt (von Aleman; Strünck 1999, S. 24,), vgl. Abb. 11. verfasst nichtverfasst Abb. 11: direkt indirekt Volksbegehren, Volksentscheid, Referendum Wahlen, Parteimitgliedschaft, Anhörungen, Beiräte Protest, BürgerInneninitiativen Vierfelder-Raster politischer Verbände, BürgerInnenforen, Planungszellen Partizipationsformen (vgl. von Ale- man; Strünck 1999, S. 24). Ziel der Partizipation ist jedenfalls die Dezentralisierung staatlicher Aufgaben durch lokale Gemeinschaften, die eine direkte Demokratie und eine stärkere politische Bildung fördern (vgl. Rieger 2004, S. 433). Grundlage für eine gemeinwohlorientierte Politik sind daher bürgerliches Engagement und damit verbunden die Stärkung der Zivilgesellschaft sowie die Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Bürgertugenden. 7.1.2 Zivilgesellschaft und Zivilität als Motoren der Partizipation Wesentliche Basis hierfür ist die partizipative Demokratie, die in Österreich in vielfältigen Formen auf allen politischen Ebenen existiert - von den Gemeinden über die Länder bis hin zum Bund. Sie alle laden die Bürger/innen zum Mitdenken und Mitre231 den ein, denn die Politik hat erkannt, dass durch Partizipation die Bedürfnisse der Bevölkerung besser erkannt werden können und man ihnen entsprechend begegnen kann. Gleichzeitig versucht man, die Menschen zu mobilisieren, sich für die eigene Umgebung und Bedürfnisse einzusetzen. Für dieses Engagement für die eigene Umwelt im weitesten Sinne hat sich der Begriff der Zivilgesellschaft etabliert. Als Begründer der Partizipation gilt Barber, für den „die Zivilgesellschaft, der bürgerliche Raum, (…) die Mitte zwischen Politik und privatem Sektor (besetzt). (…) In diesem Bereich sind wir „öffentliche“ Wesen, wie eine Regierung haben wir einen Sinn für öffentliche Aufgaben und Achtung vor der Ausübung eines Gewaltmonopols, (…) aber anders als der Privatsektor strebt (die Zivilgesellschaft) Gemeinsamkeit und konsensuelle (…) Handlungsweisen an. Die Zivilgesellschaft ist somit öffentlich-politisch, ohne Zwangscharakter zu haben; sie ist freiwillig-voluntaristisch ohne privatisiert zu sein“ (Barber 2000, S. 28). Der Begriff der Zivilgesellschaft hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Der dieser Arbeit zugrundeliegende „enge Begriff von Zivilgesellschaft“ (Kocka 2003, S. 32) beschreibt einen „Raum gesellschaftlicher Selbstorganisation zwischen Staat, Markt und Privatsphäre, ein Bereich der Vereine, Zirkel, Netzwerke und Non-Governmental Organizations , von denen angenommen und erwartet wird, dass er ein Raum öffentlicher Diskussion, Konflikte und Verständigung, eine Sphäre der Selbständigkeit von Individuen und Gruppen, ein Bereich der Dynamik und Innovation und ein Ort der Anstrengung für das Gemeinwohl sein kann, so unterschiedlich dieses in einer pluralen Gesellschaft auch verstanden wird" (Kocka 2000, S. 21). Demnach sind Nachhaltigkeitsgruppen aller Art eindeutig Teil der Zivilgesellschaft. Weiter versteht ähnlich wie Kocka auch Habermas unter Zivilgesellschaft „nicht-ökonomische und nicht-staatliche Zusammenschlüsse und Assoziationen auf freiwilliger Basis, welche die Kommunikationsstrukturen der Öffentlichkeit in der Gesellschaftskomponente der Lebenswelt verankern“ (Haber- mas 1992, S. 443). Die Zivilgesellschaft besteht ihm zufolge aus mehr oder minder spontanen Vereinigungen, Organisationen und Bewegungen, 232 „welche die Resonanz, die die gesellschaftlichen Problemlagen in den privaten Lebensbereichen finden, aufnehmen, kondensieren und laut verstärkend an die politische Öffentlichkeit weiterleiten“ (Habermas 1992, S. 443). Auch das trifft auf Nachhaltigkeitsgruppen eindeutig zu. Ebenso unmittelbar auf Nachhaltigkeitsgruppen anwenden kann man Thierrys Beschreibung der „Zivilgesellschaft“ als „vorstaatliche oder vom Staat unabhängige Sphäre, in der Interaktionen in und zwischen gesellschaftlichen Assoziationen stattfinden oder – das ist wichtig – zumindest stattfinden können“ (Thierry 1992, S. 70). Die Zivilgesellschaft steht also strukturell innerhalb der Gesellschaft zwischen Staat, Wirtschaft und Privatsphäre. In dieser Auffassung lässt sich die Instititution einer Nachhaltigkeitsgruppe problemlos im Bereich zwischen Markt und Staat integrieren. Neben dieser institutionellen Ebene der Zivilgesellschaft wird mit dem Begriff auch eine prozessuale Ebene erfasst (vgl. Priller 2010, S. 14): Er steht hier für eine Entwicklung der Gesellschaft, in der sich der/die Einzelne bewusst, aktiv und eigenverantwortlich für die Anliegen der Allgemeinheit einsetzt und über die eigenen Anliegen hinausgehend in Verbindung mit Gleichgesinnten für eine gerechte Verteilung sozialer und kultureller Güter einsetzt und kämpft. Der Begrif „Zivilität“ bildet die Grundlage für die Moralvorstellung von Initiativen selbstständig agierender Bürger/innen, die die Akteur/innen und Promotor/innen der Zivilgesellschaft sind. Versteht man darunter zunächst Anstand, Höflichkeit, Artigkeit (vgl. Meyer 1909, S. 967), so umfasst der Begriff schon bald Grundwerte wie zivile Orientierung und ethische Ausrichtung, insbesondere Respekt, Gewaltfreiheit, Toleranz und Sensibilität für die Anliegen anderer (vgl. Priller 2010, S. 14). Diese Haltung ist eine Grundvoraussetzung für das Zustandekommen von Nachhaltigkeitsgruppen, in denen per definitionem engagierte und motivierte Menschen im Sinne einer gemeinsamen Idee von Nachhaltigkeit operieren. Ausgehend von Elias kann Zivilität als Maß für den sozialen Wandel einer Gesellschaft angesehen werden. Zivilität im gesellschaftlichen oder bürgerschaftlichen Handeln zeugt von Mäßigung, Zurückhaltung, Rücksicht und Selbstbeherrschung in einem friedlichen, toleranten und differenzierten Umgang miteinander (vgl. Elias 1997, S. 365f). Mitglieder einer „zivilisierten“ Gesellschaft pflegen eine in Denken und Tun gewaltfreie Konfliktlösung und halten auch Dritte dazu an (vgl. Priller 2010, S. 233 14). All diese Elemente bilden die Grundlage für die „zivile Behandlung anderer und Respekt vor ihren Gefühlen“ (Misztal 2001, S. 72). Allerdings scheint Zivilität innerhalb moderner Gesellschaft eher ab- als zuzunehmen: „Dass es ohne Zivilität keine Sicherheit geben kann, keine Moral, kein Recht und keine Politik, weiß man. Doch dieses Wissen gehört vor allem im pädagogischen Bereich zu den ignorierten und missverstandenen Selbstverständlichkeiten“ (Reichenbach 2007, S. 327). Auch Sennett sieht Zivilität eher negativ als „ein Verhalten, das die Menschen voneinander schützt, ohne gleichzeitig das gemeinsame Vergnügen geteilter Gemeinsamkeit einzuschränken. Das Wesen der Zivilität ist die Maske. Masken ermöglichen soziale Offenheit in Reinform, frei von Macht, Gebrechen und privaten Gefühlen ihrer Träger. Das Ziel der Zivilität ist es, andere nicht mit der eigenen Person, nicht mit den eigenen Problemen zu belasten“ (Sennett 1992, S. 264) Löst man sich von diesen negativen Betrachtungen, so kann man durchaus Zusammenhänge zwischen Zivilität und Nachhaltigkeitsgruppen herstellen: Wenn einem Individuum „das Wohl der ganzen Gesellschaft am Herzen liegt“ (Straus 2000, S. 230) und es seine „Vorstellung selbständig agierender Bürger mit der Vorstellung von Eigenverantwortung der Angehörigen eines Gemeinwesens für dessen Gestaltung" (Wendt 1998, S. 129) in einer Gruppe einbringt, so stehen die Entwicklung und der Alltag dieser Gruppe in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Entstehungsbedingungen von Zivilität und Bürgerschaftlichkeit innerhalb der Gruppe: „The evidence (…) is unambiguous: Civic context matters for the way institutions work. By far the most important factor in explaining good government is the degree to which social and political life in a region approximates the ideal of a civic community” (Putnam; Leonardi; Nanetti 1993, S. 120). Zivilität und Zivilgesellschaft stehen daher begrifflich beide in engem Kontext zu Nachhaltigkeitsgruppen bzw. bilden die gesellschaftspolitische Voraussetzung dafür, dass sich Nachhaltigkeitsgruppen entwickeln und zum Wohlergehen der Gesellschaft beitragen können. 234 7.1.3 Machtbedürfnis als Motor der Partizipation Eines der wesentlichen Motive für Menschen, sich in Nachhaltigkeitsgruppen zu engagieren, ist (über die Teilnahme an Wahlen hinaus) das politische Geschehen insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeitsanliegen mitzubestimmen und damit ein gewisses Maß an Macht auszuüben. Für Foucault hängen Macht und Wissen sehr eng zusammen, es gibt keine Machtbeziehung, ohne „dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert“ (Foucault 1994b, S. 39). Dabei hat Macht nicht nur einen negativen, auf Unterdrückung gerichteten Beigeschmack, sondern auch einen positiven Aspekt, weil durch Macht erst Dinge möglich werden. Je mehr Menschen Macht ausüben, desto breiter wird das Spektrum des in eine Entscheidung einfließenden „Wissens“, also der miteinbezogenen Aspekte und Themen. Entscheidungen finden dadurch dann nicht mehr als Auswahl zwischen zwei Extremen statt, sondern als Auswahl aus allen zwischen den Extremen befindlichen Möglichkeiten, wobei situationsspezifische Gegebenheiten berücksichtigt werden. Weiters unterscheidet Foucault zwischen disziplinärem und pastoralem Wissen bzw. entsprechend disziplinärer und pastoraler Macht. Disziplinäre Macht gibt es vor allem im Bereich der Wissenschaft bzw. in den zwischen Wissenschaftler/innen stattfindenden gleichsam „standardisierten“ Prozessen. Aus diesen ergeben sich disziplinäre Schubladen oder Klischees, anhand derer die einzelnen Individuen klassifiziert werden („der Studierende“, „der Politiker“ etc.). Die dargestellten Rollen erfüllen von der Umgebung erwartete Verhaltensweisen, durch die ritualhaft die Identitäten der Teilnehmenden definiert werden (vgl. Goffman 2008) (vgl. auch 3.2.4). Disziplinäres Lernen meint auch, dass Disziplin vermittelt wird, sich der/die Einzelne also in bestimmte Formen, Rollen oder Denkweisen pressen lässt. Im Gegensatz dazu steht nach Foucault die „pastorale“ als seelsorgerische Macht, die das „Selbst“ definiert als Objekt, das Wissen erwerben kann oder will, selbstbestimmt und sich selbst (weiter)entwickelt und verbessert. „In gewisser Hinsicht kann man den modernen Staat als eine Individualisierungs-Matrix oder eine neue Form der Pastoralmacht ansehen“ (Foucault 1994a, S. 249). Denn hier wird das Individuum nicht mehr durch den Staat diszipliniert oder Regeln unterworfen, sondern ist aufgefordert, sich selbst zu disziplinieren. In letzter Konsequenz wollen die Regie235 rungen die Menschen dazu erziehen, sich selbst zu regieren: Macht wird mehr durch Verführung ausgeübt denn durch Zwang (vgl. Edwards 1997, S. 9). Hier findet sich eine interessante Parallele zu Nachhaltigkeitsgruppen, denn auch diese lassen sich nicht durch Regulative steuern, sondern durch eine Strategie des „Brot und Spiele“ (vgl. 8.5). 7.2 Empowerment Empowerment bezieht sich auf den Prozess bzw. den darauf folgenden Zustand, in dem Individuen oder Gruppen für sich selbst ein Machtpotential entdecken und einfordern (vgl. Zimmerman; Rappaport 1988). Obwohl sich Chamberlin in ihrer „working definition of empowerment“ in erster Linie auf Menschen mit psychischen Störungen bezieht, konstatiert sie selbst essentielle Parallelen zu "oppressed and disadvantaged people, including racial and ethnic minorities, women, gays and lesbians, and people with disabilities” (Chamberlin 1997, S. 44ff), mithin genau zu jenen, denen sich die Aktivitäten von Nachhaltigkeitsgruppen widmen. Gemäß der eben zitierten working definition von Chamberlin gehört es zum Empowerment (Chamberlin 1997, S. 44ff), über Entscheidungsmacht zu verfügen, da niemand sich dauerhaft für irgendwelche Anliegen engagieren kann, ohne in Bezug darauf wichtige Entscheidungen selbst zu treffen. Weiter erfordert Empowerment Zugang zu Informationen und Ressourcen, um die verschiedenen Konsequenzen alternativer Handlungsmöglichkeiten abschätzen zu können. Echtes Empowerment beruht auch darauf, dass das Individuum ein breites Spektrum an Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung hat und nicht nur aus ein oder zwei vorausgewählten Alternativen die Wahl treffen kann. Schließlich muss Durchsetzungsvermögen erlernt und trainiert werden, um zu den eigenen Visionen zu stehen und für sich selbst einzustehen. Neben dem Durchsetzungsvermögen müssen auch andere Kompetenzen erlernt werden, etwa kritisches Denken, sachlicher Umgang mit Emotionen, Beachten von Rechten und Pflichten und die Tatsache, dass der eigene, individuelle Einsatz eine Veränderung bewirken kann und dass auch andere überzeugt werden müssen, dass die eigenen Handlungen etwas bewirken können. Schließlich muss das Individuum lernen den Rückhalt der Gruppe zu akzeptieren. Auch wenn Wir- Gefühl in Gruppen der modernen Gesellschaft kaum oder selten existent ist, kann man doch versuchen, 236 es zu stärken oder zu trainieren oder zumindest Personen, die ein bestimmtes Anliegen haben, das Gefühl vermitteln, dass sie in der Nachhaltigkeitsgruppe gut aufgehoben sind. Zusammenfassend müssen Fähigkeiten erlernt und trainiert werden, die man selbst für wichtig hält und die andere in Bezug auf die aktive Teilhabe am öffentlichen Leben für wichtig halten, um so die Barrieren des Nicht-Könnens (vgl. 8.5) zu überwinden (vgl. Gaye & Diallo 1997, S. 12). Betrachtet man diese Elemente genauer, so zeigt sich Empowerment im engsten Sinne als Fähigkeit, Macht auszuüben (vgl. Friedmann 1996, S. 164), während im weiteren Sinne die Voraussetzungen dafür genannt werden: Zurverfügungstellen von Information und Ressourcen sowie die Bereitstellung von Wahlmöglichkeiten. Im weitesten Sinne zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen Empowerment und lebensbegleitendem Lernen, da für die Ausübung von Macht eine Vielzahl von Fähigkeiten und Kompetenzen erlernt und trainiert werden müssen (vgl. Friedmann 1996, S. 164). Überträgt man diese Punkte auf Nachhaltigkeitsgruppen, so zeigt sich, dass sie alle zu den wesentlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen und Florieren von Nachhaltigkeitsgruppen gehören. Folgt man Chamberlins Argumentation weiter, so kann man schließen, dass ähnlich wie Nachhaltigkeit auch Empowerment ein iterativer, sich selbst entwickelnder und verstärkender Prozess ist und sich nicht auf einen Endzustand des „VollkommenEmpowered-Seins“ bezieht: „Effecting change in one’s life and one’s community, empowerment is about more than a “feeling” or a “sense;” we see such feelings as precursors to action. When a person brings about actual change, he or she increases feelings of mastery and control. This, in turn, leads to further and more effective change. Again we emphasize that this is not merely personal change, but has a group dimension” (Chamberlin 1997, S. 45f). Damit ist eine eindeutige Verbindung zwischen nachhaltiger Entwicklung und dynamischer Stabilität auf der einen Seite und zwischen Partizipation und Empowerment auf der anderen Seite hergestellt, der weit über die Forderungen der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a, Kapitel 3, Präambel) hinausgeht (vgl. Buckland 1998, S. 237). Nachhaltigkeitsgruppen bewegen sich in diesem Spannungsfeld, wobei Probleme im Hinblick auf die Partizipationsbereitschaft der Mitglieder insbesondere dann auftreten 237 können, wenn Individuen sich aus rationalem Eigeninteresse an einer Issue-Gruppe beteiligen und sich und ihre Leistung einbringen und Trittbrettfahrer dieselben Nutzen aus den Aktivitäten der aktiv Mitarbeitenden ziehen wie diese selbst (vgl. Olson 1965). 7.3 Governance Partizipation und Empowerment sind die Voraussetzungen dafür, dass in der flüssigen Moderne der Staat sich zunehmend von seiner Rolle als Wohlfahrtsstaat zurückziehen kann (vgl. 6): Außer dem Markt überlässt der Staat die Entscheidungs- und Leistungskompetenz vor allem der gesellschaftlichen Selbststeuerung. Ziel ist das „Management von Interdependenzen“ (Benz 2004, S. 17). Der Staat wandelt sich von einem direkten in einen kooperativen Akteur, indem er seinen Schwerpunkt auf Kooperation mit Akteur/innen aus der Gesellschaft legt und sich auf die Rolle eines Koordination leistenden Partners beschränkt. Willke spricht in diesem Zusammenhang von einer „dezentralisierten Gesellschaftssteuerung“ (Willke 1987, S. 3f). Dieser Wandel des Staats- und Verwaltungsverständnisses wird in der wissenschaftlichen und praktischen Diskussion mit dem Begriff „Governance“ bezeichnet. „Governance bezeichnet eine veränderte Sichtweise des Regierens, der Strukturen und Prozesse des ‚Politikmachens’, der Politikformulierung und -umsetzung. Neue Formen der Kooperation zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, der horizontalen Koordination und Integration, von Vertrauen und Legitimität geraten zunehmend in das Aufmerksamkeitsfeld der Forschung und gelten als Chance für die Gewinnung politischer Gestaltungsspielräume“ (Jann; Wegrich 2004, S. 196). Governance zeigt sich in „netzwerkartige(n) Strukturen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure“ (Benz 2004, S. 18), in denen diese als gleichberechtigte Partner/innen gesellschaftliche Steuerungsleistungen erbringen. Partizipation als Versuch einer Bürger/innengesellschaft, möglichst viele Bürger/innen an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen, und Empowerment durch den „aktivierenden Staat“ als Förderung der Selbstkompetenz der Bürger/innen durch den Staat drängen sich als stehende Begriffe auf: “Der aktivierende Staat ist der Staat, der die Bürgerinnen und Bürger dazu bringt teilzuhaben. Wer zu schwach ist, von den Mög238 lichkeiten zur Partizipation Gebrauch zu machen, der oder die wird aktiviert“ (Baer 2002, S. 170). Governance unterstützt Kommunen und Regionen in ihrem globalen Wettbewerb, indem sie durch die politisch-strategischen Steuerung einen Schwerpunkt auf die Partizipation der Bürger/innen legt. Governance verringert somit die Relevanz hierarchischer Strukturen und fördert die Dezentralisierung. „Vor diesem Hintergrund könnte und sollte sich staatliche Politik (auch und gerade innerhalb der Konzeption eines aktivierenden Staates) darauf richten und darauf beschränken, die ’Gelegenheitsstrukturen’ für eine intensivere Ausschöpfung des politisch-gesellschaftlichen Teilhabe-, Mitwirkungs- und Gestaltungspotenzials zu verstärken“ (Woll- mann 2002, S. 111). Einen wesentlichen Beitrag für das Gelingen einer partizipativen und auf Empowerment gerichteten Zusammenarbeit leistet ein funktionierender und regelmäßiger Informationsaustausch zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft während der Vorbereitung und Umsetzung politischer Entscheidungen (vgl. Bang & Sorensen 1998, S. 25). „Governance supplies that private actors are involved in decision-making in order to provide common goods and that nonhierarchical means of guidance are employed. (…) Where there is governance, private actors may be independently engaged in self-regulation, or a regulatory task may have been delegated to them by a public authority, or they may be regulating jointly with a public actor. The interaction may occur across levels (vertically) or across arenas (horizontally)” (WindhoffHeritier; Heritier 2002, S. 3). 7.4 Empirische Befunde aus den Bereichen Partizipation, Empowerment, Governance Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführte Untersuchung ergab wenige Hinweise auf Partizipation, Governance und Empowerment, denn die Interviewpartner/innen machten eigentlich wenige Aussagen oder konkreten Angaben zum Stellenwert ihres Handelns im politischen Gefüge. Insbesondere „Macht“ oder die vielzitierten „die da oben“ war für die Interviewpartner/innen kaum ein Thema. 239 Die beiden Interviewpartnerinnen, die sich (auch) innerhalb von Parteien betätigen (Anna, Amanda), sprachen über Machtbedürfnisse der Handelnden innerhalb der Partei bzw. ihrer jeweiligen Gruppe, doch hat dies nur bedingt mit Partizipation im staatlichen Gefüge zu tun. Eine dritte Interviewpartnerin (Jasmin) kooperierte mit dem Rat der Sachverständigen für Umweltfragen, und sie stellte fest, dass der Erfolg ihrer Nachhaltigkeitsgruppe massiv vom Interesse und Engagement ihrer Ansprechpartnerin bei diesem Gremium abhing. Ähnliche Befunde waren überall dort zu finden, wo Nachhaltigkeitsgruppen sich nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Impuls von NGOs oder öffentlicher Verwaltung initiiert hatten, etwa bei der Ashoka Initiative zur Förderung politischen Engagements von Jugendlichen (Amanda). Diese Ashoka Initiative war im Übrigen auch eine der Initiativen, die im Rahmen der empirischen Untersuchung identifiziert werden konnten, die konkret das Empowerment einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zum Ziel hatten. Zu diesen Initiativen gehört auch das Projekt zur Diversität im Berliner Stadtteil Marzahn (Stefan), das das Ziel hatte, eine nachhaltige Lebensweise in diesem von starker ethnischer Durchmischung gekennzeichneten Bezirk zu verankern. Auch das (gescheiterte) Projekt von Studierenden zur Vermittlung eines besseren Umgangs mit Energie in Migrant/innenhaushalten (Roman) ließe sich in diese Kategorie einordnen. Ansonsten könnten die verschiedenen studentischen Vortragsreihenprojekte eventuell noch als Empowerment durchgehen, wenn man davon absieht, dass hier keine benachteiligte Gruppe Zielgruppe der Aktion war. Versucht man eine Einordnung in das Vierfelder-Raster von Alemann und Strünck (vgl. 7.1.1), so zeigt sich, dass die meisten der im Rahmen dieser Arbeit erfassten Nachhaltigkeitsgruppen zu den nicht-verfassten, indirekten Aktivitäten zählen. Denn weder wurden (verfasste) Bürger/inneninitiativen erfasst, noch eine große Anzahl an formalen Aktivitäten, etwa im Rahmen von Parteien. Es handelte sich in den meisten Fällen um das Selbst-Engagement und die Eigeninitiative von Bürger/innen. In allen hier identifizierten Nachhaltigkeitsgruppen war daher auch die pastorale Macht des Staates zu finden, der froh darüber ist, wenn seine Bürger/innen Probleme selbst in die Hand nehem und eigenverantwortlich Aktionen setzen, um mit diesen Problemen umzugehen. 240 8 Individuelle Gründe für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen Neben den gesellschaftlich motivierten gibt es viele individuelle Gründe für Menschen, sich in Nachhaltigkeitsgruppen zu engagieren. Individuelle und gesellschaftliche Beweggründe hängen dabei eng zusammen. Insbesondere fungieren Werte als Brücke zwischen gesellschaftsbezogenem und individuellem Handeln, da sie einerseits gesellschaftlich geprägt sind, aber anderseits die Grundlage des individuellen Handelns bilden: Werte ebenso wie Einstellungen und Meinungen sind persönliche Eigenschaften von Menschen. Sie dienen „als das entscheidende Fundament für das sinnvoll koordinierte, aufeinander abgestimmte und wechselseitig berechenbare soziale Handeln“ (Hillmann 1986, S. 55). Dies allerdings bedingt, dass der Wertbegriff normativen Charakter hat und Werte im Alltag als allgemein verbindlich und damit als Maßstab für das Handeln gesehen werden. Dieser objektivierte Wertbegriff dient dann als „Kriterium zur Auswahl der Objekte, die wir anstreben sollen“ (Lautmann 1969, S. 105). Werte, Einstellungen und Meinungen hängen voneinander in hierarchischer Weise ab und werden über unterschiedlich lange Zeitdauern hinweg konstant gehalten: Werte leiten das Handeln des Individuums, sie schlagen sich in der Idee der Nachhaltigkeitsgruppe nieder und bilden die Grundlage für die Herausbildung von Einstellungen der Personen, die sich (potentiell oder auch tatsächlich) in der Nachhaltigkeitsgruppe engagieren. Diese Einstellungen bilden ihrerseits wiederum die Basis für sich relativ rasch ändernde Meinungen. Während Werte stabil sind und sich oft nur über Generationen verändern (vgl. Inglehart 1971), verändern sich Einstellungen innerhalb kürzerer Frist. Am instabilsten sind Meinungen, weil sie oft spontane, emotionale und unreflektierte Äußerungen und damit auch situationsbedingt sind (vgl. Kmieciak 1976, S. 187). Die Einstellungen sind aber die Motoren („Motivatoren“) des Handelns. Sie sind eine Art Brücke oder Bindeglied zwischen kulturell bedingten und sich wandelnden Werten einerseits und der persönlichen Handlungsmotivation andererseits. Letzteres spiegelt sich oft in der Bereitschaft, sich für eine bestimmte Sache im Rahmen einer Issuegroup zu engagieren. 241 Zusammen bilden Werte, Einstellungen und Meinungen das Grundgerüst für das soziale Handeln der Menschen, wobei die Werte meist in einer Hierarchie zueinander stehen. Im Nachfolgenden werden Werte, Einstellungen und (soziales) Handeln auf ihre Relevanz für die Gestaltung von Nachhaltigkeitsgruppen untersucht. Dabei wird immer wieder auf das eigentlich soziologisch begründete Konstrukt der Normen zurückgegriffen, das persönlichen Werten, Einstellungen und Meinungen zugrunde liegt. 8.1 Werte als Ausgangspunkt für das Engagement Die Definitionen des Begriffes „Wert“ und die Bezüge zu verwandten Begriffen sind vielfältig. Kluckhohn definiert einen Wert als „eine Vorstellung des Wünschbaren, die die Wahl verfügbarer Formen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflusst“ (vgl. Kluckhohn 1951, S. 395). Werte geben für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft Ziele vor. Diese Wertorientierungen wirken als Regulativ und als Richtschnur für Verhaltens- und Orientierungsmuster des eigenen und gesellschaftlichen Handelns. Trivial unterscheidet man z. B. moralische Werte wie Gerechtigkeit, religiöse Werte wie Frömmigkeit, politische Werte wie Freiheit, theoretische Werte wie Wahrheit, soziale Werte wie Liebe oder materielle Werte wie Besitz. Im Gegensatz zu Einstellungen oder gar Meinungen haben Werte einen hohen Abstraktionsgrad. Sie beschreiben kein konkretes Verhalten in bestimmten Situationen, sondern allgemeine Verhaltensweisen und Idealzustände und stellen letztlich ein „kulturelles Strukturmerkmal” dar (Maletzke 1996, S. 80). Betrachtet man in der Folge Werte als eher „abstrakte Ideale“, die sich nicht auf soziale Objekte, sondern auf Handlungen und Zustände beziehen (vgl. Goncarova 2003, S. 70), erhält man eine handlungsorientierte Komponente, durch die „Handlungen und Urteile beeinflusst (werden), und zwar über spezifische Objekte und Situationen hinaus” (Rokeach 1973, S. 160). Diese handlungsorientierte Komponente spiegelt sich letzlich auch in den Einstellungen des Individuums. Im Gegensatz zu sozialen Normen, die ein bestimmtes Verhalten in konkreten Situationen vorschreiben und daher allgemein akzeptiert werden (vgl. Rokeach 1973, S. 19), sind Werte jedoch persönlicher Natur. 242 Denn ein handelndes Subjekt muss in der Lage sein, aus individuellen Handlungsoptionen die für es passende auszuwählen und Entscheidungen zu treffen, denen Prioritäten zugewiesen werden müssen. Parsons und Shils betonen die Wichtigkeit von Entscheidungen innerhalb der persönlichen Wertestruktur und sehen diese als "a primacy to one alternative over the other in a particular type of situation“ (Parsons; Shils 1962, S. 78). Um daher eine Handlung zu setzen oder ein Ziel zu verfolgen (vgl. Kluckhohn & Strodtbeck 1973; vgl Kluckhohn 1951, S. 396), bedarf es einer nach Prioritäten gereihten Rangordnung von Werten: eines Wertesystems (vgl. Rokeach 1973, S. 5ff; Schwartz & Bilsky 1987, S. 551). Liegt ein solches nicht vor, werden Entscheidungen nicht oder nur fehlerhaft, ohne erkennbares Muster und nicht nachvollziehbar getroffen (vgl. Eckstein 1988, S. 790). Schließlich sind Werte auch als eine Art von Filtern zu sehen, mithilfe derer wir unser Verhalten organisieren, weil sie uns helfen die Außenwelt zu vereinfachen. Eine Veränderung der Filter kann zu einer Veränderung unserer subjektiven Welt führen, wie sie sich im Wertwandel widerspiegelt (vgl. Herdin 2005), vgl. dazu auch 9.1. Diese konstruktivistische Sicht spiegelt sich auch in Meads Überlegungen zur reflexiven Intelligenz: Die Entscheidungsfähigkeit innerhalb eines hierarchisch strukturierten Wertesystems ist demnach ein wesentlicher Teil der kulturellen Identität. „Reflexive Intelligenz“ (Mead 2008, S. 131) des sozial handelnden Subjekts ist die Voraussetzung dafür, Werte, Normen und Regeln einer Gruppe zu beurteilen, diese nach eigenen Prioritäten auszuwählen und zu vertreten. „Die Organisation der Identität ist einfach die Organisation einer Reihe von Haltungen des individuellen Organismus gegenüber seiner gesellschaftlichen Umwelt – und gegenüber sich selbst aus der Sicht dieser Umwelt oder als einem funktionierenden Element im gesellschaftlichen Erfahrungs- und Verhaltensprozess, der diese Umwelt ausmacht“ (Mead 2008, S. 131). Die Fähigkeit, individuelle Werte aus einem hierarchisch strukturierten System auszuwählen, beschreibt aber auch die Entwicklung persönlicher Identität. Hier ergibt sich ein Anknüpfungspunkt zur Integration der flüssigen Moderne nach Bauman: Denn in der flüssigen Moderne hat die persönliche Identität mehr Gewicht, da es eine „differentiated plurality of values, norms, interests, goals and membership“ (Parsons; Platt 1973, S. 171) gibt, die eine Entscheidung nach persönlichen Einstellun243 gen und Bedürfnissen erfordert „so that the personality is not torn by irresolvable conflicts“ (Parsons; Platt 1973, S. 171). Die flüssige Moderne ist hier ein geeignetes Konstrukt der Erklärung, dass Menschen ihre Meinung, ihre Interessen und ihre Loyalitäten ständig ändern und damit auch die Mitgliedschaft in Gruppierungen aller Art (inklusive der Nachhaltigkeitsgruppen) nicht permanent zu sehen ist. 8.2 Einstellungen als Determinanten des Engagements Mithilfe unseres Wertsystems bewerten wir in unserem täglichen Leben permanent verschiedene Objekte. Das können dingliche Gegenstände wie eine bestimmte Person oder eine Automarke sein, aber auch abstrakte Dinge wie Faschismus oder eben Nachhaltigkeit können im Zentrum unserer Bewertungen stehen. Einstellungen strukturieren die Umwelt und lenken unser Handeln, richten es auf Ziele und den Erwerb von Belohnungen bzw. die Abwehr von negativen Sanktionen aus (vgl. Bohner 2002, S. 267ff). Eine einheitliche Definition der Einstellung ist schwer möglich, da der Begriff von verschiedenen Autor/innen unterschiedlich belegt worden ist. Eine der ältesten Definitionen von Einstellungen liefert Allport. Ihm zufolge ist eine Einstellung „ein mentaler und neuraler Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung strukturiert ist und einen steuernden oder dynamischen Einfluss auf die Reaktionen eines Individuums gegenüber allen Objekten und Situationen hat, mit denen dieses Individuum eine Beziehung eingeht“ (Allport 1935, S. 810). Ähnlich abstrakt bezeichnet Bem Einstellungen als Selbstbeschreibung der Affinitäten und Aversionen eines Individuums gegenüber einigen identifizierbaren Aspekten seiner Umwelt (vgl. Bem 1974, S. 25). Auch Campell beschreibt die soziale Einstellung eines Individuums als „Syndrom der Reaktionskonsistenz“ gegenüber sozialen Objekten (vgl. Campbell 1950, S. 31). Sucht man nach konkreteren Ansatzpunkten, so kann man als Einstellung eine psychische Tendenz bezeichnen, "die dadurch zum Ausdruck kommt, dass man ein bestimmtes Objekt mit einem gewissen Grad von Zuneigung oder Ablehnung bewertet" (Eagly; Chaiken 1993, S. 1). Ähnliche und zum Teil nicht überschneidungsfreie Konstrukte sind Selbstwertgefühle oder Vorurteile (vgl. Smith & Mackie 2000, S. 247). Der Begriff „Einstellung“ stammt aus der Sozialpsychologie und muss von Konstruk244 ten wie Bedürfnis oder Motiv ebenso abgegrenzt werden wie von Persönlichkeitsmerkmalen und dem ebenfalls sozialpsychologischen Konstrukt der Werte (vgl. Kluckhohn 1951, S. 388), vgl. 8.1. Doch im Gegensatz zu Werten, die ein Idealziel anstreben, „situationsübergreifend“ und „objektunspezifisch“ sind (Kmieciak 1976, S. 150), haben Einstellungen keinen so hohen Abstraktionsgrad, sondern verfolgen unmittelbare und konkrete Ziele und sind „situations- und objektbezogen“ (Kmieciak 1976, S. 152). Aus pädagogischer Sicht bedeutsam ist, dass Einstellungen nicht angeboren sind, sondern erlernt werden: Eine Person hat direkten Kontakt mit Objekten und Situationen in ihrer Umgebung oder nimmt Werturteile anderer Menschen an. Daraus entwickelt sie Präferenzen und Aversionen. Sobald die Präferenzen und Aversionen fixiert und somit neue Schemata festgelegt sind, sind Einstellungen entstanden. Diese umfassen „die summarische Gesamtbewertung einer Person, einer sozialen Gruppe, eines Objektes, einer Situation oder einer Idee“ (Ajzen 2001, S. 27ff). Sherif & Sherif sehen Einstellungen als Menge derjenigen Kategorien, die ein Individuum zur Bewertung einer bestimmten Art sozialer Reize verwendet. Ihnen zufolge können sich Einstellungen auf Objekte, Personen, Werte, Gruppen oder Ideen beziehen. Das Individuum lernt Einstellungen, indem es entsprechende Erfahrungen mit bestimmten Klassen von Reizen macht und für bestimmte Untermengen dieser Klassen unterschiedliche positive oder negative affektive Beziehungen entwickelt (vgl. Sherif & Sherif 1969, S. 11). Einstellung ist folglich ein „seelischer und nervlicher Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung organisiert einen richtenden oder dynamischen Einfluss auf die Reaktionen des Individuums gegenüber allen Situationen und Objekten ausübt, mit denen es verbunden ist“ (Allport 1935, S. 810). Daher ist unter einer Einstellung eine gelernte und relativ dauerhafte Bereitschaft zu verstehen, gegenüber einem Einstellungsobjekt (einer Person, Situation oder einem Gegenstand) konstant positiv oder negativ zu reagieren (vgl. Fishbein 1965, S. 107; Hammann & Erichson 2000, S. 335). Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Konstrukt der Einstellung führt zu ein-, zwei- und dreidimensionalen Definitionsansätzen. Fishbein und Ajzen sehen Einstellungen eindimensional als „Ausmaß des Affektes für oder gegen ein Objekt“ 245 (Fishbein; Ajzen 1975, S. 11), Bohner und Wänke als „a summary evaluation of an object of thought“ (Bohner; Wänke 2002, S. 5). Zweidimensionale Definitionen sehen Einstellungen „als komplexes Konstrukt, das aus einer kognitiven und affektiven Komponente zusammengesetzt ist. Von diesen Komponenten wird angenommen, dass sie in gleicher Weise für Verhaltensintentionen oder tatsächliches Verhalten verantwortlich sind“ (Bagozzi; Burnkrant 1978, S. 296). Die kognitive Komponente beinhaltet Denkprozesse wie persönliche Überzeugungen, Meinungen, Vorstellungen. Die affektive Komponente beschreibt Gefühle und Bewertungen wie Zustimmung/Ablehnung oder positives/negatives Empfinden gegenüber einem Objekt oder Subjekt. Einstellungen haben damit engen Bezug zu sozialen Werten und Normen: Denn Individuen formen ihre Einstellungen oftmals im Zusammenhang mit den Werten und Normen der Gruppe aus, der sie angehören oder angehören möchten (vgl. Stroebe 1980, S. 142). Der motivationale Aspekt von Einstellungen findet seinen Ausdruck in der instrumentellen oder AnpassungsFunktion (vgl. Smith & Mackie 2000, S. 250ff). Einstellungen übernehmen die Aufgabe, die Erreichung von wünschenswerten Zielen voranzutreiben und das Eintreten unerwünschter Ergebnisse (etwa Bestrafung) hintanzuhalten. Neben kognitiven und affektiven umfasst das Dreikomponentenmodell der Einstellung schließlich auch konative Komponenten. Menschen haben eine relativ stabile Tendenz, auf bestimmte Einstellungsobjekte mit bestimmten Verhaltensweisen zu reagieren (vgl. Eagly & Chaiken 1993, S. 10). Der konative oder behaviorale Aspekt des Drei-Komponenten-Modells der Einstellung bezieht sich auf das Verhalten des Menschen gegenüber dem Einstellungsobjekt mit der Absicht der Unsicherheitsreduktion im Hinblick auf Wohlbefinden bzw. Unwohlsein. Diese Einstellungen sind oftmals bewusst und daher explizit, oft aber auch mit vorgefassten Meinungen und oft unbewussten Gefühlen verbunden, daher implizit, und damit Auslöser von Vorurteilen (vgl. Katz; Stotland 1959; Rosenberg; Hovland 1960). Urteile auf mehreren Bewertungsdimensionen machen daher die Wissens- oder Ökonmoniefunktion von Einstellungen aus (vgl. Smith & Mackie 2000, S. 250ff). In der Regel sind Einstellungen daher durch die beiden Pole negativ-positiv gekennzeichnet. Diese Bewertungen sind das Resultat subjektiver Bewertungsprozesse 246 (vgl. Dawes et al. 1980). So helfen Einstellungen Menschen bei der Orientierung, indem neue Informationen nicht permanent komplett neu bewertet werden müssen, sondern die Bewertung anhand vorhandener Schemata (eben der Einstellungen) vorgenommen werden kann. Die hier stattfindenden Lernvorgänge sind also assimilativer Natur. Kössler fasst dies zusammen, indem er meint, „,Bildung bewirke Identität“ (Kössler 1989, S. 56), denn durch sie werde ein System gesellschaftlich wünschenswerter Einstellungen mittels Vermittlung und Erwerb von Wissen dadurch erzeugt, dass Menschen im Kontext ihrer biographisch-gesellschaftlichen Welt (vgl. dazu auch Mikula 2009) eine Auswahl treffen, diese bewerten und auf dieser Basis ihre persönliche (Ein-)Stellung definieren. Dies ist auch Teil der Wertausdrucksfunktion von Einstellungen (vgl. Smith & Mackie 2000, S. 250): Das Individuum lernt, seine soziale Identität zu finden und festzulegen. Indem es eine bestimmte Einstellung entwickelt und nach außen demonstriert, ordnet es sich einer bestimmten Gruppe zu und distanziert sich zugleich von anderen. Dadurch wird die eigene soziale Identität gefördert als Möglichkeit, „sich anzupassen, sein Selbst zu bewahren, die eigenen Wertvorstellungen zu verwirklichen und seine Umwelt zu verstehen“ (Triandis 1975, S. 35). Menschen entwickeln in ihren Einstellungen ein Persönlichkeitsprofil bzw. Lebens- und Handlungsorientierung, die in ihrer Alltagswelt direkten Einfluss auf das soziale Handeln haben und in der Folge stabilisierend auf das gesellschaftliche Leben wirken (vgl. Krech, Crutchfield, & Ballachev 1962, S. 137). Einstellungen können diesen Überlegungen zufolge als eine Art Prädiktor für soziales Handeln gesehen werden (vgl. Benninghaus 1973, S. 671; Cohen 1966, S. 60; Wicker 1969, S. 135, 161). Die Funktion der Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls schließlich betrifft in Anlehnung an Freud den Abwehrmechanismus der Projektion: Man schreibt dabei einem oder mehreren anderen Eigenschaften zu, die man selbst als verachtenswert oder zumindest nicht als wünschenswert betrachtet, um sich selbst überlegen fühlen zu können (vgl. Bierhoff 2006, S. 335). Zumindest einige der eben beschriebenen Funktionen treiben auch die Mitgliedschaft in einer Nachhaltigkeitsgruppe: Die Einstellung gegenüber der Nachhaltigkeitsgruppe hilft dem Individuum Identität zu erhalten. Die Idee der Nachhaltigkeitsgruppe (eben die Nachhaltigkeit) übernimmt dabei die Wertfunktion und auch die Funktion, das 247 Handeln auf wünschenswerte Ziele auszurichten. Allerdings wird die grundsätzlich positive Beziehung, die im Rahmen des so genannten Konsistenztheorems zwischen Einstellung und Handeln gesehen wird, durchaus auch kritisch wahrgenommen (vgl. Opp 2002; Schnell; Hill; Esser 2005). Man muss sich aber bewusst sein, dass Einstellungen zwar mittelfristig fixiert sind, aber weder absolut, noch permanent sein müssen, sondern sich im Zeitablauf sehr wohl verändern können. Denn bei den Einstellungen handelt es sich um ein dynamisches Konzept: Sie verändern sich durch den Umgang mit einem Einstellungsgegenstand ebenso wie durch die Interaktion mit der Umwelt (vgl. Kelman 1980).In jedem Fall beeinflussen die Werte das so genannte soziale Handeln. 8.3 Soziales Handeln Die Diskussion von Werten und Einstellungen ist im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsgruppen wesentlich, da diese beiden Konstrukte die Basis für das Handeln der Individuen im Gruppenkontext bilden, jeweils aber nicht mit dem Handeln selbst gleichzusetzen sind. Für eine tiefer gehende Betrachtung des Begriffes „soziales Handeln“ bedarf es einer Abgrenzung und gleichzeitig einer Beschreibung der Beziehung „sozialen Handelns“ zu anderen Begriffen wie Tun, Verhalten, Handeln oder sozialer Beziehung (vgl. Abb. 12). Beziehung Soziales Handeln + dauerhafter gegenseitiger Sinngehalt Handeln + soziale Interaktion Verhalten + subjektive Sinnzuschreibung Abb. 12: Verhältnis der Begrifflichkeiten Verhalten, Handeln, Beziehung Die Vorstufe des Handelns ist das Verhalten. Es spielt in der naturwissenschaftlich orientierten Psycholgie eine wesentliche Rolle: „Verhalten meint die von außen beobachtbaren Aktivitäten organismischer Individuen in seiner gesetzmäßigen Abhängigkeit von (ebenfalls von außen angebbaren) Umweltbedingungen“ (Faulstich; Ludwig 2008, S. 17ff). Für Lewin ist das Verhalten direkte Resultierende aus 248 dem Zusammenspiel eines Individuums und der Umwelt, in der es sich befindet (vgl. Lewin 2007, S. 79). Das Individuum verbindet im Rahmen seines Verhaltens mit seinem Tun keinen subjektiv gemeinten Sinn: Das Verhalten kann einem Reflex oder einer Reaktion entspringen (vgl. Ondracek 2006, S. 20). Das Verhalten bildet die Grundlage des Handelns, das als „Zentralkonzept der ‚Subjektwissenschaft‘“ angesehen werden kann (Faulstich; Ludwig 2008, S. 17ff), wobei die Abgrenzung „sinnhaften Handelns gegen ein bloß reaktives, mit einem subjektiv gemeinten Sinn nicht verbundenes Sichverhalten (…) durchaus flüssig (ist)" (Weber 1972, S. 2). Weber beschreibt „Handeln“ als „ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden)“ (Weber 1972, S. 1), mit dem der oder die Handelnden einen subjektiven Sinn verbinden. Im Gegensatz zum objektiven Sinn, der eine allgemeine Akzeptanz erfährt, unterliegt die Beurteilung des subjektiven Sinns der subjektiven Beurteilung des oder der jeweilig Handelnden. Allerdings ist dieser subjektive Sinn dem/der Handelnden oft nicht bewusst, was die eingangs erwähnten Probleme der Abggrenzung zum bloßen Verhalten hervorruft. Handeln lässt sich weiterhin beschreiben als ein Tun, bei dem der/die Handelnde eine sinnvolle Beziehung vom Jetzt zu einem späteren Zustand setzt, und als „tätiges Verhalten von Menschen, das sich auf Objekte richtet“ (Bahrdt 1997, S. 31). Ein Mitglied in einer Nachhaltigkeitsgruppe richtet absichtlich sein Interesse etwa auf Aktionen, die zur Verminderung der Feinstaubbelastung führen sollen. Das Handeln der Menschen resultiert aus der Tatsache, dass es für Menschen immer Spielräume gibt, innerhalb derer sich ihre Aktionen bewegen können, denn im Gegensatz zu Tieren interpretieren und konstruieren Menschen ihre Welt (vgl. Faulstich & Ludwig 2008, S. 18). „Handeln im Vollsinn des Begriffs ist demnach die Lebenstätigkeit des Menschen, soweit er sich bewusst, ‚intentional‘ geplant o.ä., d.h. subjekthaft-aktiv auf ein Ziel bezieht, dabei ‚frei‘ und ‚begründet‘ sich für sein Tun und Lassen entscheidet, also auch für dessen Resultate und Konsequenzen verantwortlich ist. Damit ist nicht gemeint, dass jedes empirisch vorfindbare Handeln ‚durch und durch‘ frei, begründet, damit ‚rational‘ etc. ist, sondern dass allein auf menschliches Handeln die 249 Frage nach dessen Begründetheit, Verantwortlichkeit etc. sinnvoll beziehbar ist“ (Holzkamp 1995, S. 381). Hier wiederum schließt sich der Kreis zu den Identitätsdebatten, die in Bezug auf Gruppenidentitäten bereits in 3.2.3 begonnen wurden, bzw. zu George Meads symbolischen Interaktionismus: Das Individuum hat Interesse daran, sich selbst als Einheit aufzufassen, sowohl in Bezug auf seine eigene Biographie als auch durch die Abgrenzung zu anderen Individuen. „Identität ist ein Projekt, das zum Ziel hat, ein individuell gewünschtes oder notwendiges ‚Gefühl von Identität’ (sense of identity) zu erzeugen“ (Keupp 2010, S. 34). Grundlegende Voraussetzung dafür wiederum sind soziale Anerkennung und Zugehörigkeit, wie sie etwa in einer Nachhaltigkeitsgruppe gefunden werden können. Die im Vorangegangenen beschriebenen Konstrukte wie subjektiver Sinn, Interpretation und Konstruktion der Welt sowie persönliche Identität begründen zusammen das Konzept der Handlungsfähigkeit des Individuums. Aus diesem erwächst die Möglichkeit der Definition auch von Bildung in einer Weise, die nicht mehr strikt vorgibt, welche Art von „Wissen“ erworben werden soll, sondern die „die sich bildende Person, die gesellschaftliche Beschränkungen reflektiert, manchmal überwindet und gewahr sein muss, sich neuen Widerständen zu stellen“ ins Zentrum der Überlegungen rückt (vgl. Faulstich & J. Ludwig 2008, S.17ff). Im Gegensatz zum reinen Handeln, bei dem sich der/die Handelnde nicht an anderen Individuen orientiert, sondern nur „für sich selbst“ handelt, beziehen sich soziale Handlungen auf andere Menschen. „‚Soziales Handeln‘ aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. Sinn ist hier entweder a) der tatsächlich ) in einem historisch gegebenen Fall von einem Handelnden oder ) durchschnittlich und annähernd in einer gegebenen Masse von Fällen von den Handelnden oder b) in einem begrifflich konstruierten reinen Typus von dem oder den als Typus gedachten Handelnden subjektiv gemeinte Sinn“ (We- ber 1976, S. 8). Weber unterscheidet vier Motivationen sozialen Handelns: 250 „1. zweckrational: durch Erwartungen des Verhaltens von Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und unter Benutzung dieser Erwartungen als »Bedingungen« oder als »Mittel« für rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigne Zwecke, – 2. wertrational: durch bewußten Glauben an den – ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg, – 3. affektuell, insbesondere emotional: durch aktuelle Affekte und Gefühlslagen, – 4. traditional: durch eingelebte Gewohnheit“ (Weber 1972, S. 13). Arbeitet etwa das Mitglied der Nachhaltigkeitsgruppe mit anderen Menschen zur Lösung eines Nachhaltigkeitsproblems zusammen, wird aus der allgemeinen Handlung eine soziale Handlung, weil sein Handeln „seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (Weber 1972, S. 1). Je nachdem, ob das Mitglied der Nachhaltigkeitsgruppe nun mitarbeitet, weil es sich davon einen gewünschten Erfolg erwartet, weil es an die Idee der Gruppe glaubt, weil es sich gern in der Gesellschaft der anderen Mitglieder befindet oder schon sein längerer Zeit Mitglied der Gruppe ist, liegt eine zweckrationale, wertrationale, emotionale oder traditionale Motivation vor. Soziales Handeln bezieht sich also nicht nur auf das landläufig gute oder uneigennützige Handeln, sondern auf ein zu anderen Menschen in Beziehung stehendes bewusstes, vielfältig motiviertes Tun, selbst wenn die jeweils anderen Menschen sich nicht bewusst sind, dass jemand in Bezug auf sie sozial handelt. Beruht das soziale Handeln auf einem dauerhaften und gegenseitigen Sinngehalt, begründet dies eine soziale Beziehung. „Soziale Beziehung soll ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer heißen“ (Weber 1972, S. 13). Nach Weber haben Menschen (auch wenn sie sich nicht persönlich kennen) eine soziale Beziehung, wenn die Beziehung dauerhaft und gegenseitig auf einander bezogen ist (vgl. M. Weber 1972, S. 14). Bahrt hingegen wirft die Frage auf, ob schon einmaliges aufeinander bezogenes Handeln von zwei Individuen als soziale Beziehung zu betrachten ist, wenn auch nur kurzfristiger Natur. Diese Vorstellung lehnt Weber ab, auch wenn er einräumt, dass sich soziale Beziehungen dem Sinn nach verändern können und nicht enden, wenn die Handelnden eine Zeit lang nicht miteinander in Kontakt stehen (vgl. M. Weber 251 1972, S. 13). Im Gegensatz zu Weber, der einen deutlichen Unterschied zwischen sozialem Handeln und sozialen Beziehungen konstatiert, stellt Esser die beiden Begriffe auf dasselbe Niveau, denn er sieht soziale Beziehungen als „wechselseitig aufeinander bezogene Orientierungen und Akte, soziale Kontakte, Interaktionen, Kommunikationen, soziale Beziehungen oder Transaktionen aller Art, die man zusammenfassend auch als soziales Handeln“ bezeichnet (Esser 2001, S. 1). Für ihn stehen beide Konstrukte als begründend für soziale Systeme wie Gesellschaften (oder auch Nachhaltigkeitsgruppen). Hier wiederum macht Weber eine Unterscheidung, denn er bezeichnet Vereine, wie sie Nachhaltigkeitsgruppen oft sind, als geschlossene soziale Beziehungen (vgl. M. Weber 1972, S. 20ff). Die Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe haben demnach soziale Beziehungen, auch wenn sie nicht dauerhaft und regelmäßig Kontakt miteinander haben. Diese Beziehungen können im Lauf der Zeit Änderungen kleineren Ausmaßes unterliegen, wenn etwa der langjährige Kassier der langjährigen Vorsitzenden in dieser Rolle folgt und sich dadurch auch die Beziehungen zu den anderen Mitgliedern ändern. Größere Ausmaße haben Veränderungen der sozialen Beziehungen, wenn, wie in der modernen Nachhaltigkeitsgruppe üblich, die Akteur/innen in rascher Folge wechseln. Daher ist die Frage, ob es sich bei Nachhaltigkeitsgruppen um geschlossene soziale Beziehungen handelt, nur im Einzelfall konkret klärbar. Weber stellt Voraussetzungen, Abläufe und Folgen des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens von handelnden Menschen in einen Zusammenhang mit dem Sinn und den Strukturen ihres sozialen Handelns im Rahmen eines Werte- und Normensystems (vgl. M. Weber 1972, S. 1), vgl. 8.1. Kooperatives Handeln muss sich demnach an Regeln orientieren, und um in einem sozialen System erfolgreich bestehen zu können, muss das Individuum mit diesen Regeln und Normen umgehen können. Die Norm ist dabei als „Konkretisierung von Werten“ anzusehen (vgl. Borgwardt 2003, S. 25): Im Zuge des Prozesses der Zusammenarbeit entwickeln sich Regeln und Gewohnheiten, die als ungeschriebene Gesetze das Verhalten bestimmen und die im Zuge der Zusammenarbeit eingehalten werden müssen. Damit ist der Kreis zwischen Werten, Einstellungen und Handeln wiederum geschlossen. 252 Einen ähnlich stringenten Zusammenhang von Einstellungen, subjektiven Normen oder Werten und Verhalten postulieren Fishbein und Ajzen bzw. Ajzen. Die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen basiert auf der zuvor von ihm gemeinsam mit Fishbein aufgestellten Theorie des überlegten Handelns (vgl. Ajzen; Fishbein 1980). Die diesem zugrundeliegenden Konzepte sind die Verhaltensabsicht, die Einstellung und die subjektive Norm. Wenn Menschen ein vorgeschlagenes Verhalten als positiv bewerten (Einstellungskomponente) und der Meinung sind, dass dies auch für sie bedeutsame andere tun (subjektive Norm), werden sie dieses Verhalten an den Tag legen. Wenn die Menschen also der Meinung sind, es werde von wichtigen anderen Personen für sinnvoll erachtet, sich in einer Nachhaltigkeitsgruppe zu engagieren, so werden sie das ebenfalls tun. Ajzens Theory of Planned Behaviour (vgl. Ajzen 1991) ergänzt diese Komponenten um die so genannten Kontrollüberzeugungen über unsere Fähigkeiten, Wissen, Fertigkeiten, Ressourcen und Gelegenheiten unser Verhalten in die Tat umzusetzen. Wenn eine Umweltinterpretation daher bestimmte Einstellungen oder Verhalten beeinflussen will, wird sie daher oftmals bewusst genau diejenigen Verhaltens-, Norm und Kontrollüberzeugungen infrage stellen, auf denen Einstellungen und Verhaltenweisen basieren. Zudem werden Verhaltens-, normative und Kontrollüberzeugungen in den Vordergrund gestellt, die die angestrebten Ergebnisse erzielen können (vgl. Ballantyne; Packer 2005, S. 4). Alle zusammen bilden die Basis für (post)moderne Lebensstile, die wiederum das Engagement von Menschen in Nachhaltigkeitsgruppen beeinflussen (vgl. 9). 8.4 Die Rolle der Motivation Das Engagement und Interesse für Nachhaltigkeitsanliegen kann aus passivem Interesse – quasi als Beifall für das Handeln anderer – entstehen oder in Form aktiven Handelns im eigenen Lebensbereich oder darüber hinaus in Form von Engagement für nachhaltigkeitsrelevante Angelegenheiten, die auch andere Menschen betreffen wie soziales Engagement, Aktivität in Umweltgruppen etc. (vgl. Rogall 2004b, S. 27ff). Dieses Engagement entspringt in erster Linie der Motivation sich für eine Nachhaltigkeitsgruppe zu interessieren. Das Konstrukt der Motvation wird in den folgenden Unterkapiteln näher untersucht. 253 8.4.1 Das Spannungsfeld Motiv – Motivation - Handeln Ausgangspunkt der Suche nach den Motiven einer Gruppe sind die Fragen nach dem Handeln der Gruppenmitglieder und deren Zielen. Die Motive sind dabei die leitenden Hinter- und Beweggründe des Handelns, welche mit dem konkreten Ziel nicht ident sein müssen. Das Wort Motiv (genauso wie Motivation) leitet sich vom lateinischen „motus esse“ ab, was soviel heißt wie „bewegt werden“. Konkret bedeutet also ein Motiv etwas, wodurch die Menschen bewegt werden, in einer gewissen Weise zu handeln. Heckhausen versteht darunter „sehr abstrakte Inhaltsklassen von wertgeladenen – und im positiven Falle angestrebten – Folgen eigenen Handelns“, etwa Leistung, sozialer Anschluss, Macht und Aggressivität (vgl. H. Heckhausen 2003, S.16). Das Handeln orientiert sich in der Regel an den stärkeren Motiven (Gewöhnungen, Einstellungen oder Werthaltungen), während schwächere Motive nicht zum Zug kommen, wenn sie mit ersteren nicht vereinbar sind. Motive wirken daher spezialisierend und sind entweder emotional oder intellektuell-kognitiv beeinflusst. Allerdings liegen nur den wenigsten Handlungen einzelne Motive zugrunde, vielmehr handelt es sich meist um Bündel von Motiven (vgl. Häcker 2009). Aus den Motiven erwächst die Motivation einer Person als Menge der Prozesse, die Handeln in Gang setzen und ihm die Richtung weisen. Motivation erklärt – neben reinen Reiz-ReaktionsMechanismen -, warum sich ein Individuum in einer bestimmten Situation in einer bestimmten Weise verhält (vgl. Häcker 2009). Heckhausen sieht Motivation als „Sammelbezeichnung für vielerlei Prozesse und Effekte, deren gemeinsamer Kern darin besteht, dass ein Lebewesen sein Verhalten um der erwarteten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Energieaufwand steuert“ (Heckhausen 2003, S. 10). Laut Heckhausen umfasst Motivation die Ausrichtung des Verhaltens an Zielen, die Aufnahme und Beendigung eines bestimmten Verhaltens, die Wiederaufnahme eines Verhaltens, nachdem dieses unterbrochen wurde, die Veränderung einer Verhaltensweise und den Konflikt zwischen Zielen, die nur durch konkurrierende Verhaltensweisen gleichzeitig erreicht werden können, und dessen Bewältigung (vgl. H. Heckhausen 2003, S.10). Er schließt demnach die physiologischen Grundbedürfnisse (Hunger, Durst, Sexualität) aus den so genannten Handlungsmotiven aus, da letz254 tere nicht angeboren, nicht zyklisch und nicht für die Aufrechterhaltung des Organismus entscheidend sind. Motive umfassen nach der modernen Ansicht diejenigen Formen von Handlungszielen bzw. -folgen, die mit dauerhaften Wertungsdispositionen einhergehen und zu charakteristischen, relativ konstanten Persönlichkeitsdispositionen führen (vgl. H. Heckhausen 2003, S.9) Motivationsprozesse werden als Ergebnis des Zusammenwirkens von Person und Situation gesehen: Die gegenwärtige, persönliche Situation eines Menschen hängt von ihren Ressourcen (wie der verfügbaren Zeit oder den finanziellen Mitteln, bisherigen Erfahrungen, Vorbildung und Sozialisation, subjektiver Zumessung von Wertigkeit oder Bedeutung etc.) ab. Die situationsspezifischen Faktoren bilden in Wechselwirkung mit den Motiven einer Person „Anreize“. Diese wiederum lösen „Motivationen“ aus, von denen einige zu Intentionen, also Handlungsabsichten führen (vgl. H. Heckhausen 2003, S.16). So kann es dazu kommen, dass zwei Personen bei Vorliegen desselben Motives in derselben Situation ebenso unterschiedlich reagieren wie ein und dieselbe Person in unterschiedlichen Situationen. Zur Erklärung dieser Phänomene dienen die so genannten Motivationstheorien. Anreize und Motivationstheorien im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgruppen werden nachfolgend dargestellt. 8.4.2 Anreize zur praktischen Mitarbeit in Nachhaltigkeitsgruppen Motivation entsteht durch Anreize zum Handeln, die entweder vom Individuum selbst getragen werden oder aus seinem Umfeld kommen. Erste Hinweise auf die Motivation der einzelnen Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen lassen sich aus Untersuchungen zur Freiwilligenarbeit ableiten (vgl. Münzel 2004, S. 10). So erwarten sich die Erbringer/innen freiwilliger, unbezahlter Leistungen einen persönlichen Zusatznutzen aus ihrer Arbeit, der zumindest darin bestehen soll, dass man für die eigenen Leistungen entsprechend „gewürdigt“ und der finanzielle Gegenwert der erbrachten Leistungen wertgeschätzt wird. Im Extremfall bedarf es sogar staatlicher Anreize wie Steuererleichterungen oder Bildungsgutschriften, um Menschen zu Freiwilligenarbeit zu motivieren (vgl. Münzel 2004, S. 10). Diese Motivation sich zu engagieren kann auch als Form des Empowerment (vgl. 7.2) angesehen werden. Empowerment kann dann als Folge positiv bewerteter Erfahrungen bei der Aufgabenerfüllung entstehen. Die Aufgabe wiederum steht in Zu255 sammenhang mit Aktivitäten und dem Zweck Anliegen („Issues“, vgl. 5.6.2) zu bewältigen, die mit wesentlichen persönlichen Interessen zusammenhängen (vgl. Gelbmann; Peskoller 2009). Im Hinblick auf Nachhaltigkeitsgruppen bedarf diese Ausführung noch einer genaueren Analyse. Zum einen spielen die Anreize eine große Rolle, die entweder eben in den persönlichen Motiven oder Werten liegen und dann „intrinsisch“ sind (vgl. Myers 2004, S. 330f). Emotionales Engagement kann ein starker Motor sein, der hinführt zu Nachhaltigkeitsbildung und Nachhaltigkeitszielen (vgl. Ballantyne & Packer 2005, S. 11). Gerade die Teilnahme an einer an kurzfristigen Nachhaltigkeitszielen orientierten Issuegroup entspringt häufig einer erheblichen intrinsischen Motivation. Ein typisches Beispiel für intrinsische Motivation ist das Engagement in einer Issuegroup, die Verkehrsberuhigung entlang einer vielbefahrenen Straße zum Ziel hat, über die die eigenen Kinder zur Schule müssen. Zum anderen können aber auch extrinsische Anreize eine bedeutende Rolle spielen und der Befriedigung indirekter oder instrumenteller Bedürfnissen dienen (vgl. Frey; Osterloh 2002). Für das Individuum sind sie von Bedeutung, weil es sich davon eine bestimmte Belohnung erwartet oder die Vermeidung einer Bestrafung erhofft (vgl. Myers 2004, S. 330f). In Nachhaltigkeitsgruppen kann extrinsische Motivation aufgebaut werden, indem man auf eine intensive Kultur des Beifalles und Lobes für freiwilliges Engagement setzt. Oder man nimmt Anleihe bei Baumans „Cloakroom communities“: Wenn sich Menschen nicht über einen längeren Zeitraum in einer Nachhaltigkeitsgruppe engagieren wollen, kann man sie motivieren, indem man ihnen regelmäßig Events wie Parties, kulturelle oder wissenschaftliche Veranstaltungen bietet, die sie immer wieder anziehen und so einerseits durch Erfüllung eines Bildungsauftrages zur Nachhaltigkeit der Gruppe beitragen, anderseits aber die Dauerhaftigkeit und Beständigkeit der Gruppe selbst erhöhen. Aus dem eben Dargelegten lässt sich eine Analogie zum römischen „Panem et Circenses“ ableiten. Mit diesem spöttisch gemeinten Spruch bezichtigt Juvenal, der römische Satiriker des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, seine Mitbürger/innen, jegliches Interesse an der Politik verloren zu haben und sich nur mehr für einen vollen Magen und möglichst blutrünstige Spiele zu interessieren (vgl. Decimus Iunius Iuvenalis Satura X). Bei der Interpretation dieses Textes ist jedoch zu bedenken, 256 dass Juvenal seine Texte und das politische Desinteresse seiner Mitbürger/innen bewusst überzeichnete (vgl. Weeber 2012, S. 186). In der modernen Rezeption wird Juvenals Bild oft auf unsere gegenwärtige Gesellschaft umgelegt, als seien die Menschen dekadentes, hedonistisches und interessenloses Stimmvieh, das sich mit Wahlgeschenken und einer entsprechenden Eventkultur kaufen lässt. Sieht man jedoch genauer hin, so zeichnet Juvenal nicht ein Bild einer degenerierten, arbeitsscheuen und dem Vergnügen frönenden Gesellschaft, vielmehr war die Grundversorgung mit Brot die einzige Sozialleistung, die der römische Staat je aufbrachte, und die beschworenen Spiele waren das Einzige, was ein wenig Glanz und Ablenkung in das triste Leben der kleinen Leute im alten Rom brachte (vgl. Weeber 2012, S. 201). In Anlehnung an diese Interpretation ist der Spruch nicht so negativ und manipulativ zu sehen, wie er heute meistens zitiert wird. Daher kann man ihn auf die Notwendigkeiten der Motivation von Menschen zum Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen verwenden: Wenn Nachhaltigkeitsgruppen den Menschen Brot zur Verfügung stellen, so ist damit gemeint, dass sich Nachhaltigkeitsgruppen um die Interessen und Bedürfnisse der Menschen annehmen. Dies kann entweder geschehen, indem sich Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppe aktiv um die von Externen hereingebrachten Themen (Issues, vgl. 5.6.2) annehmen oder – vermutlich häufiger – dadurch, dass sie den Externen helfen, für bestimmte Themen eigene Issuegroups ins Leben zu rufen und diese Issuegroups dabei unterstützen, ihre Anliegen umzusetzen. Die Spiele bestehen, wie oben bereits dargestellt, aus der Bereitstellung von Vergnügungs-, Kultur- und Bildungsangeboten. Dieses Angebot ist ebenfalls nicht negativ zu sehen, da es ja gezielt dazu genutzt werden kann, Nachhaltigkeitsbildung zu vermitteln, wenn auch auf sehr informelle Art und Weise. Ideal ist, wenn sich die beiden Arten der Anreize, „Brot“ und „Spiele“, verbinden lassen, etwa in Form von Protestfesten für oder gegen geplante Aktionen (z. B. ein Protestfest gegen die Errichtung einer Deponie), Flashmobs (etwa der von Grazer Studierenden organisierte Flashmob zum Thema Reuse) oder Vernissagen von Kunstwerken, die von Langzeitarbeitslosen angefertigt wurden. 257 8.4.3 Motivationstheoretische Erklärungsansätze für Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen Motivationstheorien versuchen, das „Warum?“ des menschlichen Handelns zu erklären. Grundsätzlich unterschieden werden die so genannten „klassischen Motivationstheorien“, die sich mit der Frage des „Wodurch (wird jemand motiviert)?“ befassen, sowie die instrumentellen Motivationstheorien, die einen etwas anderen Blickwinkel anlegen und danach fragen, wie ein Individuum seine Wahl aus den vorhandenen Alternativen trifft. Die Vertreter/innen der ersten Gruppe sind weithin bekannt; dazu zählen Herzberg mit seiner Zwei-Faktoren-Theorie (vgl. Herz- berg; Mausner; Snydermann 1959), Maslow’s Bedürfnispyramide (vgl. Maslow 1943) oder Alderfer mit seiner ERG-Theorie, die im Wesentlichen eine Weiterentwicklung von Maslow ist (vgl. Alderfer 1972). Zu den instrumentellen Theorien zählen die (vgl. Valenz-Instrumentalitäts-)Erwartungstheorie (oder VIE-Theorie) von Vroom (vgl. Vroom 1964), die Zieltheorie von Locke (vgl. Locke 1976) oder das erweiterte kognitive Motivationsmodell von Heckhausen (vgl. Heckhausen 2003). Im Folgenden werden Maslows Bedürfnispyramide und Heckhausens Motivationsmodell auf ihren Erkenntniswert für die Beschreibung der Motivation zur Teilnahme an Nachhaltigkeitsgruppen untersucht. Sodann wird die Motivation von Menschen in der flüssigen Moderne als für die Erklärungsansatz der Teilnahme an Nachhaltigkeitsgruppen analysiert 8.4.3.1 Abraham Maslows „Bedürfnispyramide“ (1943) Auf einem bereits älteren, doch in der praktischen Anwendung nach wie vor sehr populären Ansatz kann man auf Maslows fünfstufiger Bedürfnispyramide zur Erklärung der Teilnahme von Menschen an Nachhaltigkeitsgruppen aufbauen (vgl. Maslow 1943). Sie orientiert sich an Mangelzuständen, die der Mensch abzubauen trachtet - beginnend bei physiologischen Bedürfnissen (Essen, Schlaf, Freiheit) über Sicherheitsbedürfnisse (Stabilität, Ordnung) weiter über Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen (Familie, Freundeskreis) nach sozialer Anerkennung (Respekt, Lob). Die ersten vier Stufen der Pyramide bezeichnet Maslow als Defizitbedürfnisse, die fünfte und höchste Stufe umfasst Wachstumsbedürfnisse wie das Streben nach Selbstverwirklichung (vgl. Maslow 1981). 258 Maslows Ansicht, dass die hierarchisch niedrigsten unbefriedigten Bedürfnisse das Verhalten antreiben und nach ihrer Befriedigung nicht mehr verhaltensrelevant sind, hat sich mittlerweile als unhaltbar erwiesen, da verschiedene Bedürfnishierarchien gleichzeitig relevant sein können. Insgesamt wird es tendenziell so sein, dass lebenserhaltende Bedürfnisse und Sicherheitsbedürfnis im Wesentlichen gestillt sein müssen, damit das Individuum Zeit und Interesse für ideelle Bedürfnisse wie die Befriedigung von sozialen und psychischen Interessen aufwenden kann. Für die Selbstverwirklichung gilt, dass sie nie abschließend befriedigt sein wird (vgl. Maslow 1981). Neben der Abkehr von Maslows Ansicht, dass Bedürfnisse streng hierarchisch gegliedert seien, meinen Kritiker weiter, dass er bedeutsame Phänomene menschlichen Verhaltens in seinen Überlegungen nicht berücksichtigt habe. Neugierde, Lust an der Herausforderung bei Sport und Spiel oder Interesse am Lernen sind keine Motive, die auf Beseitigung eines Mangelzustandes drängen (vgl. Berlyne 1966), sondern ganz im Gegenteil sogar Spannungen herstellen (vgl. Kretch, Crutchfield, Livson, Wilson, & Parducci 1985, S. 26ff). Sieht man Maslows Modell aber unter der einschränkenden Bedingung von Allports ideografischer Betrachtungsweise, die Motive und Handlungsweisen entkoppelt und Menschen flexibel zwischen Systemkonfigurationen wechseln lässt (vgl. H. Heckhausen 2003, S.71), so liefert es doch Hinweise auf die Motivation von Menschen, an Nachhaltigkeitsgruppen teilzunehmen. Zunächst lassen sich auf allen Ebenen von Maslows Modell Motive für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen anknüpfen. Auf der Ebene der physiologischen Grundbedürfnisse können Aspekte wie das Streben nach einer intakten Umwelt und damit einer Sicherung des Trinkwassers sowie der Nahrungsmittelversorgung, eine stabile Wirtschaft mit einem konstanten Wirtschaftswachstum und geringer Inflation, Erhaltung der Mobilität und der Lebensqualität eine Rolle spielen. Zu den Sicherheitsbedürfnissen als Motiv für Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen zählen Angst vor durch Umweltbelastung hervorgerufenen Krankheiten, Schutz vor Gefahren z. B. infolge des Klimawandels sowie Schutz vor Verlust der Arbeit und Absicherung der Vorsorge im Alter, aber auch starke Verteidigungskräfte zur Sicherung der Grenzen, Verbrechensbekämpfung und Erhalt der Öffentlichen Ordnung. Auf der Stufe der sozialen Bedürfnisse können Motive wie das Streben nach einer weniger unpersönlichen Gesellschaft, mehr Mitbestimmung am Arbeitsplatz oder politische Mitbestim259 mung, soziale Kontakte, Geselligkeit, Freundeskreis, gegenseitiger Austausch, Meetings und Events etc. Einfluss auf das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen haben. Anerkennungsmotive, die zum Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen führen können, sind Einfluss auf Entscheidungen, Prestige, Geltung oder Lobbying. Auf der höchsten von Maslows Ebenen betätigen sich Menschen in Nachhaltigkeitsgruppen, um sich selbst zu verwirklichen, etwa um ihre Kreativität, ihren Enthusiasmus und ihren Altruismus entfalten zu können, schöne Dinge wie Natur oder Kunst genießen zu können oder sich für die freie Meinungsäußerung einzusetzen. 8.4.3.2 Heinz Heckhausens erweitertes kognitives Motivationsmodell (EKM, 1980) Das EKM wird in der vorliegenden Arbeit vor allem deshalb näher beschrieben, weil es sich sehr gut zur Erklärung der unmittelbaren Leistungs- (und auch Lern-) Motivation eignet (vgl. H. Heckhausen & Rheinberg 1980). Das Modell besteht aus vier grundsätzlichen Komponenten: der Situation, den Handlungsoptionen, den erwarteten Ergebnissen der Handlung sowie den Folgen der Handlung, die in einer beobachtbaren, strikten Abfolge vonstatten gehen (vgl. Heckhau- sen; Heckhausen 2010, S. 2). In einer Situation wird ein bestimmtes Ergebnis erwartet (Situations-Ergebnis-Erwartung). Aus der Situation heraus bietet sich aber auch eine Handlungsoption an, von der erwartet wird, dass sie mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu einem bestimmten Ergebnis führt (Handlungs-ErgebnisErwartung) (vgl. Heckhausen; Heckhausen 2010, S. 5). Allerdings ist nicht nur das Ergebnis von Bedeutung, sondern auch die Folgen, die daraus entstehen mögen, und deren subjektive Wichtigkeit für das Individuum (Ergebnis‐Folgen‐Erwartung). Person Bedürfnisse, Motive Ziele H-E-Erwartung E-F-Erwartung Handlung Ergebnis Folgen intrinsisch intrinsisch extrinsisch Situation Gelegenheiten, mögliche Anreize S-E-Erwartung Abb. 13: Das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell in handlungstheoretischer Darstellung (nach Heckhausen; Heckhausen 2010, S. 5). 260 Für die Motivation zu handeln ergeben sich daraus mehrere Konsequenzen (vgl. Abb. 13): Ist die Situations-Ergebnis-Erwartung so niedrig, dass eine Situation auch ohne eigenes Handeln erwünschte Ergebnisse zeitigt, so ist die Handlungsmotivation des Individuums niedrig. Tritt zugleich eine hohe Handlungs-Ergebnis-Erwartung auf, dass eine bestimmte eigene Handlung zum gewünschten Ergebnis führt, ist die Handlungsmotivation hingegen sehr hoch. Sie wird noch weiter vergrößert, wenn die Ergebnis-Folge-Erwartung hoch ist, also positive Folgen aus dem Handlungsergebnis erwartet werden (vgl. Heckhausen; Heckhausen 2010, S. 2). Handlung und Ergebnis sind in diesem Zusammenhang als intrinsisch anzusehen, da sie ihren Ursprung im Individuum selbst haben. Die Folgen wiederum sind extrinsisch, da sie externe Belohnung versprechen (vgl. Heckhau- sen; Heckhausen 2010, S. 2). Das EKM stellt nur einen Ausschnitt eines vollständigen Handlungsmodells dar, das die Motivation beschreibt, die ein Individuum dazu führt, in einer bestimmten Weise zu handeln – es „lernt“ gewissermaßen in jeder beliebigen Situation, welche Handlungen wann wie Sinn ergeben. Beeinflusst werden diese Entscheidungen durch die Motivation, Interessenlage, verfügbaren Kompetenzen und die Bedürfnisse der Person selbst ebenso wie durch situative Faktoren wie externe Anreize oder Handlungsmöglichkeiten (vgl. Heckhau- sen; Heckhausen 2010, S. 3ff). Für Nachhaltigkeitsgruppen lässt sich dieses Modell am besten anhand eines Beispiels verdeutlichen: In einem Ort existiert etwa eine gefährliche, vielbefahrene Straße, die von den Schulkindern täglich überquert werden muss. Die Eltern erwarten, dass keine Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit ihrer Kinder gesetzt werden, wenn sie sich nicht extra dafür einsetzen (Situations-Ergebnis-Erwartung). Daher werden sie Handlungen setzen, von denen sie erwarten, dass sie für eine Entschärfung der Gefahr sorgen werden (z. B. Unterschriften für eine Geschwindigkeitsbegrenzung sammeln, einen Schülerlotsen engagieren etc.), die im Vergleich zur Situations-Ergebnis-Erwartung bei weitem größere Handlungs-Ergebnis-Erwartung löst also eine Handlung aus. Beides ist intrinsch motiviert: Es geht um die Interessen bzw. die Gesundheit der eigenen Kinder. Die Eltern können sich auch noch weitere Folgen erwarten, etwa, dass die Medien berichten oder man von den anderen Eltern Applaus bekommt. Dies ist als Ergebnis-Folge-Erwartung zu werten – eine positive 261 Ergebnis-Folge-Erwartung vergrößert die Motivation zu handeln weiter. Ähnliches ließe sich konstruieren für die Erweiterung des Öffentlichen Personen Nahverkehrs, für die Einrichtung einer kommunalen Förderung für Photovoltaik oder andere nachhaltigkeitsrelevante Belange. 8.4.3.3 Motivation in der flüssigen Moderne Geht man allerdings davon aus, dass in (post-)modernen Gesellschhaften die materiellen Bedürfnisse der Menschen im Wesentlichen befriedigt sind, muss man weitere Faktoren zur Beurteilung der Motivation zur Teilnahme an Nachhaltigkeitsgruppen heranziehen. Diese Erkenntnis ist im Wesentlichen nicht neu, schon 1960 formuliert der Deutsche Ausschuss für Erziehungs- und Bildungswesen: „Je mehr eine Gesellschaft in Bewegung gerät und je mehr in einem Umbruch die überkommenen Daseinsformen erschüttert werden, desto mehr wird jeder einzelne und jede soziale Gruppe genötigt, aus eigener Kraft und nach eigener Einsicht die neue Gestalt des Lebens suchen, die es dem Menschen möglich macht, sich in einer gewandelten Welt als Mensch zu behaupten“ (DAEBW 1960, S. 14). In manchen Zusammenhängen können Themen aus dem sozioökonomischen Umfeld des Individuums aus werte- und motivationspsychologischer Sicht in den Vordergrund treten (vgl. Gabriel, Kunz, Roßteutscher, & van Deth 2002, S. 218ff), und es entsteht ein so genanntes Issue (vgl. 5.6.2). Der englische Begriff „issue“ meint im konkreten Zusammenhang ein Thema oder Interesse, das für jemanden einen Mangelzustand auslöst, sodass er/sie sich beginnt für das Thema zu engagieren, um den Mangel zu beseitigen. Je dringlicher diese Interessen empfunden werden, desto eher werden die Menschen sich in einer Issuegroup engagieren. Der Aufbau dieses Engagements läuft über mehrere Stufen: Zuerst muss ein Thema überhaupt als Problem erkannt und sodann in ein persönlich relevantes Issue umgewandelt werden. Danach werden bestimmte Handlungsstrategien und -taktiken erarbeitet und eine ausreichende Zahl von Mitstreiter/innen aktiviert. Danach werden die Strategien umgesetzt und die Reaktion auf diese Umsetzung abgewartet, um schließlich die Dynamik und Bedeutung des Issues zu steigern (vgl. Perkins; Brown; Taylor 1996). Das Issue bleibt so lange wesentlicher Motor des Handelns, bis ein anderer Mangel als bedeutsamer empfunden wird, und so lange wird sich das Individuum auch be262 mühen, die durch das Issue ausgelösten Mangelzustände zu vermindern. Während das Individuum mit der Arbeit an einem Issue beschäftigt ist, sucht es die Koalition mit Gleichgesinnten in gruppenähnlichen Strukturen, um Unterstützung bei der Erreichung seines Anliegens zu bekommen. Auf diese Weise kann sogar eine Art „WirGefühl“ auftreten, welches sich aber nach dem Issue wieder verläuft. Je traditioneller die Themen und Inhalte, die derartigen Issue-Gruppen zugrundeliegen, desto traditioneller sind die Motivation und die Persönlichkeitsstruktur der Mitglieder und desto eher lassen sich diese auf Gruppen im herkömmlichen Sinne ein. Die Proponenten und Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen sind allerdings typischerweise nicht traditonellen Themen und Inhalten verhaftet. Das ist der Grund, warum klassische Gruppenmuster dort eher selten zu finden sind. Denn in der postmodernen Gesellschaft werden Menschen permanent mit Informationen „bombardiert“. Das Gehirn ist darauf ausgelegt, den Informationsüberfluss zu selektieren, Dinge aufzunehmen und andere zu ignorieren. Ein wichtiger Filter dabei ist das Interesse: Individuen lernen lieber und bewusster, wenn das Lernen in Zusammenhang mit ihrem persönlichen, themenspezifischen Interessen steht (vgl. Folke et al. 2003, S. 40). Wenn die Hauptmotivation für die Teilnahme an einer Issuegroup allerdings die Erreichung eines persönlichen Interesses ist, kann daraus auch ein Hindernis für die Teilnahme erwachsen in Fällen, in denen so genannte „Trittbrettfahrer/innen“ dieselben Nutzen aus dem Engagement anderer ziehen wie aktive Teilnehmer/innen. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich Rückschlüsse auf die Motivationsstruktur der Gruppenmitglieder ableiten: Durch die Abkehr von den alten Strukturen und Werten wie Solidarität und Treue gibt es keine mittel- oder längerfristigen Bindungen mehr. Die Gruppe entwickelt keine Identität oder „Wir-Gefühl“ und wird nur mehr durch die Idee zusammengehalten. Die Idee ist unverbindlicher und vager als die Identität. Durch die fehlende Identität der Gruppe ist die Vorstellung, man könnte die Gruppe als Ganzes motivieren, nicht haltbar. Vielmehr kann man nur an der Motivation der einzelnen Mitglieder arbeiten, damit sie Leistung für die Gruppe bzw. in der Gruppe erbringen. 263 8.5 Leistungsmotivation und -barrieren in Nachhaltigkeitsgruppen Die momentane Bereitschaft sich zu engagieren und dadurch neu zu lernen lässt sich folglich erklären aus dem Motiv, eine Leistung zu erbringen, dem sachbezogenen Anreiz, dem Bedürfnis nach Zustimmung und nach Anerkennung sowie der Stimulation (vgl. Heckhausen 2003, S. 6). In diesem Zusammenhang muss das Verhältnis zwischen Motivation und Leistung von Gruppen näher hinterfragt werden. In der Literatur finden sich zu diesem Thema mehrere Standpunkte: Der nach einem französischen Agraringenieur bezeichnete Ringelmann-Effekt (Soziale Faulheit) beschreibt die Tatsache, dass Menschen in der Gruppe eine geringere Gesamtleistung bringen, als die gemessenen Einzelleistungen erwarten lassen würden. Allerdings gilt dies nicht für physische Leistungen und die Fehlerhäufigkeit bei intellektuellen Aufgaben. Der Leistungsverlust in Gruppen wird begründet mit mangelnder Zurechenbarkeit der individuellen Beträge und den Koordinationsverlust und Mangel an den gleichzeitigen Bemühungen (vgl. Ingham et al. 1974, S. 371ff; Kravitz; Martin 1986, S. 936ff; Witte 2005). Der Begriff der Übersummativität beschreibt die Auffassung, dass es innerhalb einer Gruppe zu positiven Synergieeffekten kommt und somit das Gesamtergebnis der Gruppe die Summe der Einzelergebnisse der Gruppenteilnehmer/innen übersteigt. Besonders in Gruppenarbeiten in Arbeitskontexten wird nachdrücklich auf den positiven Einfluss der Gruppe auf die einzelnen Gruppenteilnehmer/innen hingewiesen, und zwar insbesondere hinsichtlich sachlicher Leistungsfähigkeit (vgl. Hackman; Morris 1975; Hertel 2000; Her- tel; Kerr; Messé 2000; Warnecke 1997; Witte 2005). Die Hypothese von der Unabhängigkeit motivations- und leistungssteigernder Effekte innerhalb einer Gruppe lehnt die oben beschriebenen Thesen ab (vgl. Harkins; Szymanski 1989; Shepperd 1993). Nach dieser Hypothese führt bei intrinsisch motivierten Akteur/innen die Gruppengröße weder zur Leistungssteigerung, noch zum Leistungsverlust, sondern unterschiedliche situative Anreize bewirken eine Steigerung oder Verminderung der Motivation und damit der Leistung. 264 Die drei eben beschriebenen Thesen gehen davon aus, dass es in Gruppen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Motivation und Leistung gibt. Betrachtet wird letztendlich nur die Motivation im Zusammenhang mit der daraus resultierenden Leistung. Mittlerweile gibt es auch Evidenzen für ein Auseinandertreten zwischen Motivation und Leistung. So haben Studien nachgewiesen, dass es bei Motivationsverlust zu positiven Auswirkungen kommen kann. Es kommt also zu einem inversen Verhältnis zwischen Motivation und Leistung; ein Paradoxon. So wurden in Gruppen mit bedeutsamen Aufgaben, aber mit weniger motivierten Teilnehmer/innen bessere Leistungen erzielt, als unter individuellen Arbeitsbedingungen (vgl. Brickner; Harkins; Ostrom 1986; Harkins; Petty 1982). Unter gewissen Voraussetzungen können also in bestimmten Gruppen trotz Motivationsverlust höhere Leistungen auftreten als bei einer Gruppe mit hoch motivierten Teilnehmer/innen. Es fällt auf, dass die vier beschriebenen Positionen sich ausschließen. Damit bleibt unklar, wie die Arbeit in der Nachhaltigkeitsgruppe zu gestalten ist, um ein maxiales Maß an Leistung und damit eine ideale Bewältigung komplexer Themen- und Aufgabenstellungen garantieren zu können. Eine „One fits all“-Lösung wird daher unmöglich. Zu berücksichtigen sind allerdings bei der Leistungsmotivation und -fähigkeit von Individuen und Gruppen Leistungshemmnisse oder –barrieren. Die Transition Initiative United States identifiziert „sieben Aber“, warum „transitions towns“ als eine mögliche Form von Nachhaltigkeitsgruppen meinen, nicht gelingen zu können: “but we’ve got no funding…” “but they won’t let us…” “but there are already green groups in this town, I don’t want to step on their toes…” “but no one in this town cares about the environment anyway…” “but surely it’s too late to do anything…” “but I don't have the right qualifications…” “but I don't have the energy for doing that!” (vgl. dazu Gray 2013, S. 12). Untersucht man diese „aber“ näher so fällt auf, dass sie sich in Anlehnung an Barrieren charakterisieren lassen, wie sie auch aus der Innovationsforschung bekannt sind (vgl. Gelbmann & Vorbach 2007, S. 120): 265 Eher dem Bereich der Partizipation zuzuordnen sind die Barrieren des Nicht-Dürfens (vgl. 7.1), die aus Ge- und Verboten erwachsen. Diese Barrieren werden von den politischen Entscheidungsträgern verursacht und sind demnach – mit dem entsprechenden, von der Agenda 21 eigentlich geforderten politischen Willen (vgl. 3.1.2) – durch positives Commitment der politisch Mächtigen behebbar. Behebbar ist auch die Barriere des Nicht-Wissens, die eher eine Barrerie des Nicht-Informiert-Seins bildet und auf ein Informationsdefizit der Bürger/innen zurückzuführen ist. Bei Nachhaltigkeitsgruppen bedeutet das konkret, dass sie bezüglich ökologisch und/oder sozial relevanter Sachverhalte über zu wenige, verzerrte oder falsche Informationen verfügen. Von Seiten der politisch Verantwortlichen kann dieser Leistungsbarriere mithilfe politisch gewollter, gezielter und sinnvoller Information entgegengewirkt werden. Wenn gezielte Opposition befürchtet wird, werden die Verantwortlichen aber gerade versuchen, sich um eine offene und aufrichtige Kommunikation herumzudrücken (vgl. 7.1.1). Doch prinzipiell sind beide Barrieren leicht zu beheben; ihr Ursprung liegt nicht in den handelnden Gruppen, sondern außerhalb begründet. Die beiden übrigen Barrieren haben ihren Ursprung hingegen in den handelnden Personen und Gruppen: Die Barriere des Nicht-Könnens erwächst aus fehlendem Wissen und Know-How. Man kann versuchen ihr entgegenzuwirken durch formale Bildungsprozesse bzw. die Vermittlung von Methodenkompetenz, etwa in Form von Schulungen, Zukunftswerkstätten, Worldcafes, LA21-Workshops, Rhetorikseminare, Kommunikationstrainings etc. Doch auch im Rahmen informeller und non-formaler Bildungsprozesse gibt es Möglichkeiten, die Barriere des Nicht-Könnens abzubauen (vgl. 4.4.1). Am schwierigsten umzugehen ist mit der Barriere des Nicht-Wollens. Sie entsteht dadurch, dass die Menschen keine Motivation haben sich einzubringen, entweder aus Trägheit oder aus dem Gefühl einer persönlichen Ohnmacht heraus (vgl. Valentino; Gregorowicz; Groenendyk 2007). Diese Barriere ist extrem schwer behebbar. Man kann einerseits mit bestimmten Weiterbildungsangeboten wie Selbstreflexion oder Motivationstrainings versuchen, diese Barrieren zu überwinden. In vielen Fällen aber muss man die Leute „austricksen“ oder sie „animieren“, indem man ihnen ausreichend positive Anreize im Rahmen einer Strategie des “panem et circenses“ zur Verfügung stellt (vgl. 8.4.2) 266 Den Barrieren des Nicht-Könnens und zum Teil auch die Barrieren des Nicht-Wollens kann daher mithilfe des Empowerment (Vgl. 7.2) begegnet werden, das eng mit dem Konzept der Partizipation in Verbindung steht: Obwohl beide Konzepte sehr vage und schlecht definiert sind (vgl. McArthur 1995), besteht letztlich Einigkeit darüber, dass Partizipation einerseits ein integraler Bestandteil des Empowerments ebenso ist wie die Ursache und die Wirkung des Empowerments (vgl. Zimmerman 1990) Empowerment ist damit gleichbedeutend mit “Macht geben” und bezieht dabei auf das Zugestehen von politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Macht an Individuen oder Gruppen (vgl. Barker 2003; Zippay 1995, S. 74). Nachgewiesen ist allerdings (vgl. Witte 2005, S. 23), dass Anleitungen die Leistungsfähigkeit der Gruppe erhöhen können. Dazu zählen neben traditionellen Anleitungen wie Geschäftsordnungen oder Routinen so genannte sozialpsychologische Formen wie Moderations- (Delphimethode), Diskurs- (z. B. Brainstorming) und Gruppenentwicklungstechniken (z. B. Themenzentrierte Interaktion). Dies führt wiederum zurück zur nachhaltigen Bildung bzw. deren instrinsischen Formen, die bereits in 4.4.4 erörter wurden. 8.6 Empirische Belege für individuelle Beweggründe zum Engagement in einer Nachhaltigkeitsgruppe Es finden sich in den Interviews wenige Belege für die Wertstruktur der Interviewpartner/innen und auch nicht für deren Einstellungen. Das hat seinen Grund vermutlich darin, dass die ausgewählten Interviewpartner/innen allein durch ihre Auswahl schlossen, dass ihre Wert- und Einstellungsstruktur als gegeben angesehen und nicht weiter hinterfragt wird. Befunde lassen sich nur aus der Art und dem Ziel ihrer Tätigkeiten ableiten. Im Hinblick auf Werte ist allen Interviewpartner/innen der Schutz der natürlichen Umwelt ein wichtiges Anliegen, wenn auch nicht alle dies ganz so explizit aussprechen wie der Interviewpartner, der sagt: „Alle, die an dem Thema Umwelt arbeiten, sind für mich Nachhaltigkeitsinitiativen. Die diese 3-Säulen Theorie so stark im Vordergrund haben, sind Schwätzer, die gehören nicht dazu“ (Heinrich S. 6 8-10). 267 Den meisten Interviewpartner/innen sind im Gegensatz dazu soziale Gerechtigkeit und soziales Gleichgewicht sehr wohl wichtige Werte, wie sich in den Projekten zur Verstärkung der Partizipation in den Berliner Bezirken Kreuzberg (Amanda) und Marzahn (Stefan) zeigt. Auch die Verbindung von Umwelt und sozialen Themen wird immer wieder zum Thema, wie bei der Unterstützung von benachteiligten Personen bei der effizienten Verwendung von Energie (Roman) oder bei den Kochstammtischen, bei denen bewusst nachhaltigkeitsorientiert gekocht wird (Roman). Demokratie und Partizipation scheinen den meisten fundamental wichtig zu sein, wenn auch nicht unbedingt in der jeweils eigenen Gruppe (so stellt die Leiterin der „3+x“ Initiative explizit fest, dass die bearbeiteten Ideen in erster Linie von ihr selbst stammen, Paula). Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Wertstruktur der Interviewpartner/innen sich in der Idee der jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppe, in der sie aktiv sind, spiegelt. Untersucht man die Motive, die die Interviewpartner/innen bewegen, sich in Nachhaltigkeitsgruppen zu engagieren, so findet man durchaus unterschiedliche, obwohl sich die Interviewpartner/innen im Rahmen der Interviews über ihre Motive eigentlich kaum direkt äußern. Von Webers vier Motivationen des sozialen Handelns spielen vor allem die wertrationale und die zweckrationale eine größere Rolle. Alle Interviewpartner/innen sind von den Werten getrieben, die eben auch schon im Hinblick auf die der jeweiligen Nachhaltigkeitsgruppe zugrundeliegende Idee dargestellt wurden. Ethische Motive im weitesten Sinne – ökologische, soziale, emazipatorische, antidiskriminative, auf Partizipation gerichtete etc. – bewegen alle Interviewpartner/innen. Da es sich bei allen Interviewpartner/innen um Mitglieder der jeweiligen Gruppenkerne handelt, ist die zweckrationale Motivation bei ihnen selbst nicht so stark ausgeprägt, es gibt darauf nur einzelne Hinweise: „Im Rahmen dieser Betreuung bekomme ich ein PR-Training bezahlt, welches mir dann auch in anderen Bereichen zu Nutze kommt“ (Amanda S. 3 17-18). Doch erwähnen einige zweckrationale Motive anderer, etwa, dass „Leute, die so (wegen eines speziellen Problems, A.d.V.) kommen, nicht bleiben. Wenn diese Angelegenheit erledigt ist, die interessieren sich vielleicht für einen 268 Teilbereich der Grünen, aber die bleiben nicht aktiv. Sie bleiben solange ihr Interesse besteht und dann gehen sie wieder“ (Anna S. 2 25-28). Ein anderer Interviewpartner meint: „Wenn einer oder eine an einem Issue mitmacht, kann man nicht davon ausgehen, dass der oder die beim nächsten Mal wieder mitmacht. Früher hatte man eine feste Mannschaft zum Kleben oder Zettel verteilen. Heute ist einer notwendig, der jedes Mal neu einberuft“ (Stefan S. 1 16-18). Und ein dritter sagt: „Man muss aber wirklich sagen, dass sich Leute aus der Initiative nur noch damit befasst haben und als das fertig war, waren die dann auch alle weg“ (Roman S. 2 2-39). Zusammenfassend meint eine Interviewpartnerin: „Gruppenmitglieder, das sind meistens Leute, die sich für irgendwas engagieren wollen kommen; für einen Bereich. Sie kommen aus eigenem Interesse. Wenn sie selber Schwierigkeiten haben mit der Stadt oder so, dann kommen die meisten her und wollen irgendwas, wobei das Mitglieder sind, die nicht lange dabei sind“ (Anna S. 2 17-20). Sehr wenige bzw. keine Belege wurden aus den Interviews für traditionale Motive gefunden, diese laufen einem dynamischen Nachhaltigkeitsverständnis ja wie oben in 8.4.3.3 dargelegt eher zuwider. Nicht ganz so einig sind sich die Befragten im Hinblick auf affektuelle Motivation, insbesondere die Frage, inwieweit sozio-emotionale Motive (Gruppenkontakt, Freundschaften etc.) eine Rolle spielen. Ein Befragter meint etwa, in manchen Gruppen hätte man ein „paar nette Leute drum rum, aber das reicht dann nicht mehr. Und nette Leute hat man im Freundeskreis, aber nicht in einer Initiative“ (Heinrich S. 7 16-17). Eine andere Interviewpartnerin meint über die Mitglieder ihrer Gruppen (sie hat davon im Laufe der Zeit mehrere geleitet): “Ich treffe auch immer wieder neue Menschen, die mit einem eine Weile parallel laufen und man sich die Bälle zuspielt. (…) Ich habe auch gerade darüber nachgedacht wie die sich rekrutieren. Das sind alles Leute, die ich bedingungslos und 269 loyal in ihrer Schrägheit und Klugheit schätzen gelernt habe“ (Paula S. 3 2-4, S. 4 35-36). Doch Berichte über echte, lang dauernde Freundschaften gibt es in den Interviews nicht. Einzige Ausnahme ist jene Interviewpartnerin, die ihren späteren Lebenspartner im Zuge des Engagements für ihre Nachhaltigkeitsgruppe kennengelernt hat. Doch dies war vermutlich eher ein Nebeneffekt des Engagements. Sucht man nach Anreizen für Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen, so findet man in den Interviews wenige Hinweise darauf, dass die Interviewpartner/innen das „Brot-und-Spiele“Prinzip gezielt einsetzen, um Menschen in ihre jeweiligen Gruppen zu ziehen. Doch scheint sich die Kombination von themenzentrierten Aktionen einerseits und kreativen oder eventartigen Ereignissen anderseits für die Betreiber/innen von Nachhaltigkeitsgruppen quasi „von selbst“ zu ergeben. Als Beispiele zu nennen sind hierfür das Low Carbon Dinner Project (Roman), das im nächsten Absatz näher beschrieben wird, Flashmobs, von denen die „3+x“ Gründerin erzählt (Paula), Protestfeste, die von der Grünen Gemeindegruppe durchgeführt werden anstelle von Demonstrationen (Anna) oder alle Aktionen im Rahmen der Berliner Nachhaltigkeitsgruppe „ÜberLebensKunstClub“, wo Nachhaltigkeit erlebt wurde bei diversen gestaltenden Aktivitäten wie Fahnenmalen, beim Theaterspielen, in Podiumsdiskussionen und ähnlichen Ereignissen (Paula). In all diesen Aktivitäten wurde den Menschen Gelegenheit gegeben, ihre Nachhaltigkeitsbedürfnisse auf einer kognitiven und einer emotionalen Ebene auszuleben. Diese Anreize lassen sich auch direkt umlegen in Maslows Bedürfnispyramide. Auf der Stufe der Grundbedürfnisse setzt eine Gruppe an, die zur Zeit der Interviews noch völlig neu war, das Low Carbon Dinner Project. Der Interviewpartner erzählt: „(I)ch habe 15 Aktive eingeladen, Nachhaltigkeitsengagierte, die ich am Rande kenne, die ich irgendwie interessant und spannend fand. Ich habe für die gekocht und ein low carbon Menü mit drei Gängen gemacht, regional, saisonal, bio und vegetarisch“ (Roman S. 3 25-27). Hier wird neben der Ebene der Grundbedürfnisse aber auch bereits ein Sicherheitsbedürfnis mit angesprochen: der Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Diese spielt in mehreren Initiativen eine Rolle, etwa im Photovoltaikprojekt auf dem 270 Dach der Freien Universität Berlin (Roman) oder in der Unterstützung von unterprivilegierten Menschen beim effizienten Umgang mit Energie durch Studierende der Umweltpsychologie (Roman). Wie oben im selben Abschnitt bereits erwähnt, scheinen eigene soziale Bedürfnisse wie das Bedürfnis nach Gesellschaft oder Freundschaft eine relativ geringe Rolle zu spielen. Doch sind es andere Motive, wie etwa die Unterstützung beim Aufbau von auf Neuen Medien basierenden Kommunikationstechniken für NGOs, die als soziale Motive gewertet werden können. Ein Interviewpartner sagt dies auch explizit: „Erstens bin ich sehr viel für das Gemeinwohl tätig“ (Stefan S. 2 37-38). Anerkennungsbedürfnisse sind für die Interviewpartner/innen weniger von Bedeutung, aber überragende Bedeutung kommt den Selbstverwirklichungsbedürfnissen zu, wo sich ein großer Teil der Motivation abspielen dürfte: Die Gemeindegruppenleiterin hat sich in eine alteingesessene Gruppe von Männern hineingekämpft (Anna), eine Berliner Interviewpartnerin hat im Laufe der Jahre gleich mehrere Gruppen gegründet, um sie dann zu verlassen, sobald diese Gruppen einigermaßen im Laufen waren (Paula), eine dritte hat sich in einer Gruppe von unbezahlten, freiwilligen Mitgliedern abgekämpft und dafür sogar ihre Dissertation vernachlässigt (Jasmin). Auch für das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell Heckhausens finden sich einige Anhaltspunkte, die in erster Linie wieder die Menschen betreffen, die sich kurzfristig vor allem in Issuegroups engagieren. „Gruppenmitglieder, das sind meistens Leute, die sich für irgendwas engagieren wollen kommen; für einen Bereich. Sie kommen aus eigenem Interesse. Wenn sie selber Schwierigkeiten haben mit der Stadt oder so, dann kommen die meisten her und wollen irgendwas, wobei das Mitglieder sind, die nicht lange dabei sind. (…) Die Leute sind bereit etwas zu tun, wenn das bedeutet, dass es ihm auch etwas bringt“ (Anna S. 10 9-10, S. 2 17-20). Ein anderer Interviewpartner meint: „Es kommen gerne Gruppen vorbei, die ein wirtschaftliches Interesse haben. Sie sagen sich ganz nüchtern: Da können wir vielleicht ein Geschäft daraus machen“ (Stefan S. 3 2-3). 271 Und eine dritte Interviewpartnerin zieht die folgende Bilanz: „Die meisten machten aber mit, weil sie ein persönliches, berufliches Interesse hatten und sich aus dem Network Vorteile für eigene Initiativen erhofften“ (Sophie S. 2 22-23). In all diesen Fällen ist offenbar die Handlungs-Ergebnis-Erwartung höher als die Situations-Ergebnis-Erwartung, und eine positive Ergebnis-Folgen-Erwartung liegt vor. Diese Beschäftigung mit Issues, wie sie in der Interpretation Heckhausens schon angesprochen wird, trifft noch mehr auf die Umlegung in die Flüssige Moderne zu: Die Menschen, die nur kommen, um ihre eigenen Interessen zu wahren, haben wenig bis kein Interesse an Gruppenkohäsion und Wir-Gefühl, sondern verschwinden nach Umsetzung ihrer Interessen. Ein Interviewpartner bringt dies auf den Punkt: „Man muss für neue highlights oder Aktivitäten immer wieder neue Leute dazu werben“ (Stefan S. 2 3-4). 8.7 Zwischenfazit Werte dienen als Verbindungsglieder zwischen gesellschaftsbezogenem und individuellem Handeln, da sie normativen Charakter haben und als Basis für die Entwicklung von persönlichen Einstellungen dienen, die wiederum gemeinsam mit den Werten und den kurzfristigen Meinungen der Mitglieder die Idee der Nachhaltigkeitsgruppe bilden. Außerdem beeinflussen die Einstellungen das soziale Handeln des Individuums, also auch sein Engagement in einer Nachhaltigkeitsgruppe. 272 9 Lebensstile in Postmoderne als Basis für das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen In diesem Kapitel wird argumentiert, dass mithilfe von Lebenstilforschung Aussagen über die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen und ihre Eigenschaften gemacht werden können. Als Ausgangsbasis dient in 9.1 zunächst der Wertwandel, der die Veränderung von Lebensstilen grundlegend antreibt. Dazu werden einige Ansätze vor- und einander gegenübergestellt. Sodann werden in 9.2 Lebensstilkonzepte und die diesen sehr ähnlichen Milieustudien präsentiert und auf ihre Funktion für Nachhaltigkeitsgruppen untersucht. 9.1 Wertwandel als Basis der Typisierung von Lebensstilen Als Basis für die nachfolgenden Ausführungen werden nach grundlegenden Aussagen zum Thema Wertwandel die Ansätze von Klages diskutiert und sodann die Hinweise in der empirischen Untersuchung aufgezeigt. 9.1.1 Grundlegende Theorien des Wertwandels Wie im vorhergehenden Kapitel dargelegt, stellen Werte eine langfristige Orientierungsgrundlage für das menschliche Handeln dar (vgl. Clark; Dutt 1991; Inglehart 1989). Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass persönliche Werte eine hohe Änderungsresistenz aufweisen (vgl. van Deth; Scarbrough 1995), vgl. 8.1. So beschreibt Inglehart in seiner Generationstheorie, dass gesellschaftliche Wertorientierungen schon in frühen Sozialisationsphasen erworben werden und weitgehend stabil bleiben (vgl. Inglehart 1971, 1977, 1989). Das Ausmaß der intra-individuellen Stabilität von Werthaltungen einer einzelnen Person stellt daher einen wesentlichen Einflussfaktor der Veränderung des gesellschaftlichen Wertsystems dar. Dieses wiederum verändert sich permanent und muss sich auch verändern, damit längerfristig das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft verankert werden kann. Zu einem ähnlichen Schluss gelangt man auch, wenn man unter Zugrundelegung eines sehr weiten Ansatzes für informelles Lernen argumentiert: Sich in informellen Lernsituationen wandelnde Gefühle und Emotionen gegenüber ökologischen oder 273 gesellschaftlichen Themen können zur Änderung von Einstellungen oder Werthaltungen sowie zu steigender Empathie oder Motivation führen (vgl. HooperGrennhill 2004). Letztlich können daraus geändertes Verhalten oder zumindest Verhaltensabsichten resultieren, wie Engagement in Freiwilligenprogrammen oder Spenden an Umweltorganisationen. Wissenschaftliche Arbeiten zum gesellschaftlichen Wertwandel datieren dessen Beginn in den 1950er Jahren beginnend und besonders augenscheinlich in den 1968er Jahren mit den Student/innenunruhen. Hier erkennen Noelle-Neumann und Petersen eine zunehmende Abkehr von ideellen Werten wie Kirche, Religion oder dem Glauben an die bestehenden Autoritätsverhältnisse, vor allem bei jungen Menschen (vgl. Noelle-Naumann & Petersen 2001, S. 16). Auch Inglehart konstatiert ab den 1970er Jahren in den wohlhabend-materialistischen Gesellschaften eine „stille Revolution“ (vgl. Inglehart 1971), in deren Rahmen die Menschen sich vom Erwerb materieller Werte abwenden und nach postmateriellen Werten streben. Diese umfassen „übergeordnete“ Werte wie Gesundheit, Glück, aber auch Tier- oder Umweltschutz. Nach Ingleharts Meinung bringt das in der Bevölkerung eine höhere Bereitschaft, sich für persönliche und allgemeine Anliegen sowie für Freiheit einzusetzen (vgl. Inglehart 1998). Inglehart geht davon aus, dass Menschen ihre Prioritäten aus der Erkenntnis eines Mangels entwickeln und denjenigen Dingen, die relativ knapp sind, den größten subjektiven Wert beimessen (Mangelhypothese). Gleichzeitig stellt er fest, dass der Mensch jene Wertvorstellungen weiter trägt, die er in seiner Jugend als wichtig erfahren hat (Sozialisationshypothese) (vgl. Inglehart 1989, S. 92). Die Arbeiten von Inglehart weisen Parallelen mit denen von Maslow auf (vgl. 8.4.3.1), denn bei beiden wenden sich die Menschen mit steigendem Wohlstand und damit einer besseren Absicherung der Lebensgrundlagen, von materiellen ausgehend, zunehmend ideellen Bedürfnissen zu. Inglehart differenziert allerdings mit der Unterteilung in „materialistisch“ und „postmaterialistisch“ eine direkte Abwendung von materiellen Grundsätzen und Hinwendung zu ideellen. Je nach ideologischer Einstellung wird der Wertewandel als positiv oder negativ beurteilt, denn der „Wertewandel gilt als unbestreitbar, umstritten ist allerdings die moralisch-normative Bewertung der ,neuen‘ Werte“ (Roßteutscher 2004, S. 408). Mittlerweile weiß man, dass Ingleharts 274 Ansatz keinen Automatismus beschreibt, sondern eine generelle Tendenz bezüglich Werten. Unterstellt man jedoch eine grundsätzliche Gültigkeit der wesentlichen Prämissen der beiden Modelle, so lassen sich für die vorliegende Arbeit mehrere Schlüsse ziehen: Ändern sich die Wertvorstellungen der Menschen, ändern sich auch ihre Gründe, sich in Gruppen einzubringen. Daher verlieren traditionelle Gruppen an Bedeutung, während Gruppen aufkommen, die sich den neuen, postmateriellen Werten widmen wie Bürger/inneninitiativen. Diese weisen aber eine andere Struktur auf als klassische Gruppen (vgl. Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ 2002, S. 9). Nach Worms werden Vereinigungen oft auch als „Reaktion auf neu entstehende soziale Bedürfnisse gegründet. Sie lassen diese Bedürfnisse als Problembereiche sichtbar werden und verleihen ihnen so lange Konsistenz, bis sie vom politischen System als politische Aufgabe aufgegriffen und in der Errichtung neuer sozialer Dienstleistungen verarbeitet werden“ (Worms 2001, S. 337). Allerdings konstatiert Münzel, dass sich auch die Freiwilligenarbeit im Wandel befinde, da die Menschen sich nicht mehr in großen Organisationen wie Kirchen oder Parteien zuhause fühlen und auch ein langdauerndes Eingebundensein in einen lokalen Verein oder eine Kirchengemeinschaft (vor allem) den jungen Menschen nicht mehr ausreicht. „Geringe Formalisierung, Partizipation und zeitlich beschränkte Einsätze sind gefragt. (…) Solidarität gründet heute nicht mehr auf traditionellen Bindungen, sondern sie entsteht immer wieder neu aufgrund von situativen, freiwillig eingegangenen Verpflichtungen der Individuen. Die Menschen fühlen sich zu selbstbestimmten, autonomen Organisationsformen mit geringer Formalisierung hingezogen“ (Münzel 2004, S. 19). Für diese Orientierung an der unmittelbaren Betroffenheit prägt Münzel den Begriff „solidarischer Individualismus“ (Münzel 2004, S. 19). 275 9.1.2 Helmut Klages‘ Charakterisierung von Menschentypen (1985) Während Ingleharts empirische Analyse zunehmend auf Kritik stößt, nimmt die Zustimmung zur Theorie von Klages zu (vgl. Bauer-Kaase; Kaase 1998; Bürklin; Klein; Ruß 1996; Klages 1992). Dieser bezeichnet den Abfall der Gesellschaft von seit Jahrhunderten geltenden Wertvorstellungen als Wertwandlungsschub (vgl. Klages 1985, S. 123) und meint Inglehart verkenne den wahren Charakter des Wertewandels: Klages lehnt die einseitige Sicht vom Wandel von ‚alten’ materialistischen zu ‚neuen’ postmaterialistischen Werten ab und beschreibt die Gleichzeitigkeit mehrerer unabhängiger Prozesse: Zunächst ändert sich nach Klages die Wertstruktur „schlagwortartig durch die Formel ‚Von Unterordnungs- und Fügsamkeitswerten zu Selbstentfaltungswerten’“ (Klages 2002, S. 31). Nach Klages ist das Vordringen dieser modernen Selbstentfaltungswerte in allen entwickelten Ländern erkennbar und ein zentrales Element des Wertewandels. Die postmoderne „Orientierung auf Selbstentfaltung“ bildet die Grundlage für persönliches Engagement. In Anknüpfung an Maslows Selbstverwirklichungsmotive kann man vermuten, dass sich Menschen typisch postmodernen Werten wie der Nachhaltigkeit zuwenden und sich deshalb in Nachhaltigkeitsgruppen engagieren. Traditionelle Werte sind keine geeignete Basis dafür. Klages meint sogar, dass eine hedonistische Einstellung das persönliche Engagement mehr fördere als die persönliche Einstellung zu „traditionellen“ Werten (vgl. Klages 1985, S. 17ff). Er schränkt aber gleichzeitig ein, dass die „hedonistische“ Lebenseinstellung in der Bevölkerung keinen solch hohen Stellenwert hat, wie es nach dem herrschenden „Zeitgeist“ den Anschein hat (vgl. Gensicke 2000a, S. 84). Denn nach Klages‘ Ansicht hat sich in der Gesellschaft die Vorstellung etabliert, dass die Wohlstandsentwicklung die Menschen korrumpiert habe und sie „verantwortungsscheue, nicht nur am Allgemeinwohl, sondern auch am Mitmenschen uninteressierte Egoisten mit ‚Vollkaskomentalität’“ werden habe lassen (vgl. Klages 2001, S. 7). In der Bevölkerung herrsche die Meinung, dass auf „traditionelle Werte wie ‚Moral‘, ‚Pflichtbewusstsein‘, ‚Recht und Ordnung‘“ zu wenig Wert gelegt werde, sich eine Egoistengesellschaft entwickle, in der der Mensch durch Schwarzarbeit, Sozialhilfeschwindel, Steuerhinterziehung, Vetternwirtschaft, Subventionsbetrug und Korruption nur auf seinen eigenen Vorteil schaue und so kriminelle Absahnerqualitäten entwick276 le (vgl. Klages 2001, S. 7). Klages relativiert dieses Eigenbild der Gesellschaft und stellt fest, dass im persönlich gestalteten Kleingruppenbereich diejenigen Werte einen gleichbleibend hohen Stellenwert haben, die das Bedürfnis nach Sicherheit und Berechenbarkeit befriedigen (vgl. Gensicke 1998; Klages 1998). In Übereinstimmung mit dieser Vorstellung haben verschiedene Untersuchungen ergeben, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung über 14 Jahren sich freiwillig und ehrenamtlich engagiert (vgl. Braun; Klages 2001; Pichot 2000; von Rosenblad 2000). Genau dieses freiwillige Engagement wiederum ist aber die Voraussetzung für das Zustandekommen von Nachhaltigkeitsgruppen. Allerdings vertritt Klages die Meinung, dass das große in der Gesellschaft vorhandene Potenzial an Menschen, die bei geeigneter Motivation bereit sind, sich zu engagieren, vor allem durch Freude an der Arbeit und Spaß motiviert wird. Als Spaß bezeichnet er „das Erlebnis aktiven und erfolgreichen Handelns in Verbindung mit Selbsterweiterungserfahrungen, nicht etwa nur Zerstreuung und Vergnügungen, wie sie Freizeitparks und Medienangebote bereithalten“ (Klages 2001, S. 8). Das Engagement in Nachhaltigkeitsgruppen ist demnach auch von einer Fun- und Erlebniskomponente geprägt. Schließlich stellt Klages fest, dass in der entwickelten Welt die Verantwortung für die Wohlfahrt der Menschen zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft neu verteilt wird. Nach der Übernahme der Verantwortung durch den Staat am Beginn des 20. Jahrhunderts wird diese nunmehr zwischen Gesellschaft und die Wirtschaft aufgeteilt. „Der Staat, der sich bisher für immer mehr Dinge verantwortlich sah, soll die Aufgabe eines aktivierenden Befähigers („Enablers“) übernehmen, das heißt, in der Gesellschaft Eigenkräfte wecken und fördern und auf diesem Wege zu einer günstigen Gesamtentwicklung beitragen“ (Klages 2001, S. 7). Dies unterstützt die Bildung einer Bürger/innen- oder Zivilgesellschaft, die von den Menschen Eigeninitiative und Eigenverantwortung fordert (vgl. dazu und zum Folgenden 7.1.2 und 7.3). Das deckt sich mit der Forderung nach Integration besonderer Gruppen nach der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a). Daraus lässt sich erklären, warum Einrichtungen wie NGOs und andere Nachhaltigkeitsgruppen immer 277 mehr an Bedeutung gewinnen. Insgesamt werden partizipative Aspekte und damit das Engagement des/der Einzelnen immer wichtiger. Auch hier findet sich wieder ein Anhaltspunkt für Nachhaltigkeitsgruppen.5 Für die Analyse potenzieller Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen von überragender Bedeutung ist aber Klages‘ Unterscheidung von fünf von verschiedenen Fähigkeiten und Neigungen geprägten Typen von Menschen. Er beschreibt die Entwicklung dieser Gruppen zwischen 1987 und 1999 anhand der „trendsensiblen Altersgruppe der 18- bis 30-jährigen“ (Klages 2001, S. 11)6.Klages unterscheidet folgende Typen: der „ordnungsliebende Konventionalist (9%), auch „Traditionalist“, der bei den jungen Menschen schon länger eine geringe Rolle spielt, der „perspektivenlose Resignierte“ (10%), als Verlierer des Wertewandels, der sich nicht weiterentwickelt, der nonkonforme Idealist (18%), der in den 60er Jahren ein Hoch erfuhr und seitdem an Bedeutung verloren hat, und der hedonistische Materialist (27%), der bis in die Mitte der 90er Jahre an Bedeutung gewann, aber seit dieser Zeit einen Niedergang erlebt (vgl. Gensicke 2000b; Klages 2001, S.11). In Klages Studien mit einem Wert von 34 % den größten Anteil der Bevölkerung repräsentieren die „aktiven Realisten“ (Franz; Herbert 1987, S. 40ff). „Menschen, die dieser Gruppe angehören, sind in der Lage, auf verschiedenartigste Herausforderungen ‚pragmatisch‘ zu reagieren, gleichzeitig aber auch mit starker Erfolgsorientierung ein hohes Niveau an ‚rationaler’ Eigenaktivität und Eigenverantwortung zu erreichen. Sie sind auf eine konstruktiv-kritikfähige und flexible Weise institutionsorientiert und haben verhältnismäßig wenige Schwierigkeiten, sich in einer vom schnellen Wandel geprägten Gesellschaft zielbewusst und mit hoher Selbstsicherheit zu bewegen. Mit allen diesen Eigenschaften nähern sie sich am ehesten dem Sollprofil menschlicher Handlungsfähigkeiten unter den Bedingungen moderner Gesellschaften an“ (Klages 2001, S. 8). 5 Klages stellt auch eine Wertesynthese fest und meint damit eine Vereinigung gegensätzlicher (z. B. moderner und traditioneller) Werte (Klages 1985, 1988). Roßteutscher kritisiert die Wertsynthese-Theorie und geht in ihrer Entgegnung von der Annahme aus, „dass das Wertesystem der Individuen bei weitem nicht so streng und eindeutig geordnet ist, wie von der „klassischen“ Wertetheorie postuliert (Roßteutscher 2004, S. 410). Sie beschreibt die allgemeine Akzeptanz, das Nebeneinander „unterschiedlicher Werte – ergänzender aber auch widersprüchlicher Natur – als gleich wichtig zu betrachten“ (Roßteutscher 2004, S. 410) und stellt fest, dass die Bildung einer eindeutigen Wertehierarchie wünschenswert wäre, aber „nicht unter allen Umständen und nicht für alle Menschen gleichermaßen möglich ist“ (Roßteutscher 2004, S. 410) Hier wird keinem der Ansätze weiter gefolgt. 6 Die Prozentangaben geben den Stand 1999 an; die Trends dürften sich bis heute im Wesentlichen fortgesetzt haben. 278 Damit beschreibt er typische Merkmale nicht nur einer modernen, sondern vor allem einer postmodernen Welt. Erste Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Ursachen für die Entstehung des Persönlichkeitstyps aktiver Realisten nicht genetischer Natur sind, sondern im Bereich der Sozialisation und im familiären Bereich liegen, also durch Internalisierungsprozesse (vgl. Geulen 2007; Schafer 1968, S. 9) beeinflussbar sind (vgl. Battegay 1996, S. 277; Buber 1965; Mentzos 1996). „Bei aktiven Realisten spielt (…) die Erfahrung elterlicher geistiger und kultureller Anregung die wichtigere Rolle sowie die Übertragung eigenständig zu bewältigender Aufgaben, verbunden mit anspornenden Lob durch Eltern und Bezugspersonen“ (Klages 2001, S. 12). Neben emotionaler und sozialer Vertrauensfähigkeit ist auch ein Bedürfnis nach produktiver Arbeit - entstanden als Prozess der Primärsozialisation im Elternhaus - Teil der Persönlichkeitsstruktur des aktiven Realisten (vgl. McClelland 1982, S. 290ff). Auf Grund ihrer Untersuchungen (vgl. Roßteutscher 1997, S. 191f, 366f) kann sich Roßteutscher der überragenden Bedeutung des „Realisten“ nicht anschließen, sondern erkennt ihn als durchschnittlichen Typen. Diese „Durchschnittlichkeit per se bestätigt weder Parsons These von der Handlungsunfähigkeit der Wertsynthese, noch belegt sie die Überlegenheit des Realisten (vgl. Roßteutscher 2004, S. 418). Für die vorliegende Arbeit ist davon auszugehen, dass es zu einer Dynamisierung der Wertestruktur kommt und sich die Werte in rascherer Abfolge ändern als bisher. Dadurch werden Verschiebungen der Ordnungen und Regeln bewirkt, die die berufliche und private Lebensgestaltung der Menschen beeinflussen. Wenn sich die Werte ändern und nicht mehr so stabil sind wie früher, also die Werte ebenso wie die Gesellschaft fließen, muss der Mensch auf die sich verändernden Umständen flexibel reagieren und seine privaten und beruflichen Netzwerke danach ausrichten: Die erhöhte Flexibilität bewirkt sich dauernd wandelnde Gegebenheiten im beruflichen Bereich, wie sie die flüssige Gesellschaft kennzeichnen: Menschen wechseln häufiger ihren Arbeitsplatz, werden bedenkenloser entlassen, das Unternehmen fühlt sich den Arbeitnehmer/innen nicht auf Dauer verpflichtet, das gegenseitige Vertrauen sinkt, Werte wie Firmentreue und Loyalität haben in der Unternehmensstrategie keinen Platz mehr. 279 Die Änderungen in der beruflichen Situation wirken sich auch privat aus. Geringe fehlende Loyalität und Treue finden ihren Niederschlag in der privaten Lebensgestaltung. Menschen sind nicht mehr bereit, sich längerfristig an eine Gruppe zu binden. Sie setzen sich für persönliche Anliegen ein und bilden Initiativen (vgl. Pfau-Effinger & Schmidt 2002, S.80). Wenn die Initiativen, erfolgreich oder nicht, abgeschlossen sind, löst sich die Initiative auf. Dies untermauert die Grundannahmen in Bezug auf die flüssige Gesellschaft (vgl. 6.4). Geht man von den Überlegungen von Klages bezüglich Eigenverantwortung und aktiver Realisten aus, dann sind genau sie diejenigen, die sich in einer Nachhaltigkeitsgruppe engagieren. Doch sind sie nicht auf der Suche nach langfristigen sozialen Kontakten, sondern sie wollen sich selbst, ihre Ideen und ihre Fähigkeiten einbringen, um von ihnen selbst definierte Ziele zu erreichen. Sie sind auch nicht willens, sich einer/m „Anführer/in“ anzuschließen, sondern wollen möglichst selbstbestimmt innerhalb der Gruppe agieren. Gerade für diese Struktur ist es zielführend, die Arbeit der Nachhaltigkeitsgruppe in Hinblick auf die „Idee“ in mehrere „Teilpakete“, also Issues zu zerlegen, die mehreren, kleinen Gruppen übertragen und von diesen relativ autonom abgearbeitet werden können. Besonders wichtig ist es dabei, einerseits die Fähigkeiten und Kompetenzen des/der Einzelnen zu würdigen und miteinzubeziehen, denn diese Menschen sind in erster Linie intrinsisch motiviert. Anderseits gehört zu dieser intrinischen Motivation in Kombination mit dem Zeitmangel der Individuen auch, dass das verfolgte Issue ihnen persönlich in gewisser Weise von Nutzen ist, da sie ihr Engagement nur dann vor sich und Dritten rechtfertigen können. 9.1.3 Hinweise auf Wertwandel in der empirischen Untersuchung Hinweise auf einen Wertwandel, wie ihn Inglehart beschreibt, finden sich in der empirischen Untersuchung, wenn auch nur versteckt. So engagieren sich nur zwei der acht Interviewpartner/innen im Rahmen von etablierten Parteien für ihr Nachhaltigkeitsanliegen, und von diesen beiden tut dies auch nur eine ständig und ohne auch für andere/in anderen Gruppen zu arbeiten: Die Tiroler Interviewpartnerin ist ausschließlich in ihrer Grünen Gemeindegruppe tätig, eine Berliner Interviewpartnerin arbeitet auch für die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands), reflektiert diese Arbeit aber durchaus kritisch: 280 „In der Masse zusammen kann man das subsumieren, deshalb habe ich mich entschieden, in der SPD Sachen nur noch zu mit zu unterstützen, die ich mit meinen Fähigkeiten unterstützen kann. Den Rest, wo ich die Welt verändern kann, mache ich dann woanders“ (Amanda S. 1 37-39). Offensichtlich ist die Bevorzugung offener, wenig formalisierter Formate durch beinahe alle Interviewpartner/innen, wobei aber auch deutlich wird, dass sie selbst durchaus willens sind, sich über einen längeren Zeitraum zu engagieren. So organisiert einer der Interviewpartner einmal im Monat den „Jour fixe der Berliner Nachhaltigkeitsgruppen“, stellt aber fest: „Es gibt Leute, die kommen nur hin einmal vielleicht im Jahr und dann vielleicht gar nicht mehr und es gibt Leute die wirklich sehr aktiv teilnehmen“ (Roman S. 4 9-10). Auch andere Interviewpartner/innen stellen fest, dass es in den Gruppen sehr viel Fluktuation gibt. Die angebotenen Formate sind mit der „Social Bar“, den „3+x“ Initiativen etc. sehr informal, es gibt keine fixen Mitgliedschaften, sondern die Teilnahme ist punktuell und auch nur für ein einziges Mal möglich. Ein Interviewpartner bemerkt dazu: „So haben wir verschiedene Ansichten hinsichtlich der Gestaltung der Gruppe. Es gibt manchen, der glaubt es wäre sinnvoll, einen Verein zu gründen. Ich glaube aber, damit beschädigen wir den Prozess, weil ein Verein mit weniger als 40 Menschen eine Lachnummer ist. Außerdem wirkt eine Formalisierung eher abschreckend. Das wird eher als Pfründesicherung angesehen“ (Stefan S. 3 9-12). Insgesamt weisen alle acht befragten Personen typische Merkmale von aktiven Realisten im Sinne von Klages auf: Ihre Aussagen charakterisieren sie als zwar idealistisch und sozial-orientiert, aber durchaus auch als pragmatisch und auf den Erfolg ihrer jeweiligen Konzepte für Nachhaltigkeitsgruppen bedacht – dafür sind sie sogar bereit, neben ihrer eigentlichen beruflichen oder Studientätigkeit ein erhebliches Maß an Zeit aufzubringen. Dennoch merken mehrere der Interviewpartner/innen an, dass berufliche Änderungen zu Änderungen in ihrer Tätigkeit für Nachhaltigkeitsgruppen geführt haben. So waren drei der Interviewpartner/innen schon explizit während ihrer Studienzeit für Nachhaltigkeitsgruppen tätig und haben meist Vortragsserien und 281 Diskussionsreihen mitorganisiert. Mit dem Studienabschluss haben sich hier Betätigungsfelder und Interessen geändert, auch weil (teilweise mehrfach) der Arbeitsort gewechselt wurde. Eine der Interviewpartner/innen merkt jedoch auch an, dass sich die erste von ihr mitorganisierte Nachhaltigkeitsgruppe „3+x“ durch persönliche Veränderungen massiv verändert hat, als bei 2 der „3+x“ private Veränderungen eingetreten sind: „Die gehören nicht zur Combo, weil sie schlicht und einfach zwei oder drei Kinder bekommen haben, geheiratet haben, straight Karriere gemacht haben“ (Paula S. 2 36-37). 9.2 Lebensstile und Milieus als Motoren von Nachhaltigkeitsgruppen Die Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen rekrutieren sich häufig aus relativ klar abgrenzbaren sozialen Einheiten. Da man heute von Schichten nicht mehr sprechen kann, werden im Folgenden Lebensstile und Milieus thematisiert, bevor auf die relativ klar umrissenen Konzepte der LOHAS und LOVOS näher eingegangen wird. 9.2.1 Grundlegendes über Lebensstile und Milieus Aktiv nachhaltiges Handeln kann sich in Form nachhaltiger Lebensstile (vgl. Reusswig 1994, S. 39) äußern, denn Lebensstilunterschiede bestimmen viel deutlicher die Gewohnheiten als Schichtunterschiede (vgl. Reusswig 1994, S. 40f). Lebensstile sind “gruppenspezifische Formen alltäglicher Lebensführung und -deutung von Individuen im ökonomischen, politischen und kulturellen Kontext einer Lebensweise. Sie vermitteln zwischen objektiver sozialer Lage und subjektiver Lebenswelt. Soziale Distinktion und individuelle Identität sind in Lebensstilen verklammert“ (Reusswig 1994, S. 127). Lebensstile sind demnach relativ stabile und unmittelbar handlungsorientierte relative Muster, die nicht hauptsächlich tradiert, sondern bewusst individuell gewählt werden. Neben der expressiven Note ist die relativ klare Abgrenzung der Lebensstile untereinander von Bedeutung (vgl. Lange 2005, S. 4). Nicht eindeutig allerdings ist die Ab- 282 grenzung der Lebensstile zu den Milieus, denn während Brand darin „Lebensstilgemeinschaften“ versteht (vgl. K.-W. Brand 2002, S.190), fasst Ueltzhoeffer sie auf als „soziale Gruppen, also Menschen, deren Wertorientierungen, Lebensauffassungen und Lebensweisen ähnlich sind“ und die „nicht ein einziges oder einige wenige subjektive Merkmale des Konsums, Geschmacks oder Lebensstils (isolieren)“ (Uelthhöffer 1999, S. 630). Der Unterschied zwischen Milieus und Lebensstilen besteht vor allem darin, dass erstere in der Regel zweidimensional konstruiert sind und die „Schichtzugehörigkeit“ als relativ konstante Größe gegenüberstellen der „Ausrichtung“ von konservativ (bewahren) über modern (verbrauchen, genießen) bis postmodern (Selbsterfüllung finden). Dabei werden tendenziell die konservativen Milieus schwächer und eine Drift hin in Richtung der moderneren Milieus findet statt (vgl. Vester 2009, S. 38). Wichtig für die Abgrenzung von Milieus sind nach Siebert die Begriffe Inklusion und Distinktion: „Inklusion verweist auf die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppierung und damit auf die soziale Identität. Distinktion meist Unterscheidung, Abgrenzung von anderen Gruppen (vgl. Siebert 2011, S. 23). Abstrahiert man von den Feinheiten der Unterscheidung (vgl. Tab. 9), bleiben Lebensstile und soziokulturelle Milieus ein möglicher Ansatzpunkt für die Erklärung des Umweltverhaltens bzw. die Differenz zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten (vgl. Lange 2005, S. 5) ebenso wie für das Lernen insgesamt und damit auch das Nachhaltigkeitslernen, da „Lernbiographien und Lernstile milieuspezifisch beeinflusst sind. Milieus unterscheiden sich hinsichtlich der Lerninteressen und Lernmotive (und) hinsichtlich der ‚generativen Themen‘ (…) (A)uch informelles und selbstgesteuertes Lernen ist in verschiedenen Milieus unterschiedlich geprägt“ (Siebert 2011, S. 24). Siebert weist auch darauf hin, dass zwischen Milieuangehörigkeit und Lernstilen Unterschiede bestehen, die jedoch noch einer genaueren Erforschung bedürfen (vgl. Siebert 2011, S. 133). Jahr Autor Richter 1990 Thema Umweltbewusste nicht-umweltbewusste Lebensstile Dimensionen Umwelt Arbeit Wirtschaft Erziehung Leistungsbewusstsein Religion Ehe und Familie Typenbildung Leistungsorientierte Materialisten (17%) Technokratischer Mainstream (17%) Zuversichtliche Konformisten (16%) Alternative (11%) Traditionelle Wertorientierte (22%) Naturbezogene Traditionalisten (17%) 283 Littig 1995 Götz/Schultz Empacher/ 2000 Schubert 2000 Schuster 2003 SIGMA 2006 SINUS 2013 Tab. Umweltbewusstsein Umweltbewusste Einstelund Umweltverhalten lungen Umweltrhetorik Tatsächl. Umweltverhalten Umweltbezogene Haushaltskommunikationsstile Einstellung zum Konsum Orientierungen Soziale Situation Kinder-/Familienzyklus Haushaltsorganisation Partnerschaft Regionalbezug Theoretischer Entwurf einer allgemeinen Typologie von ökologischen Lebensstilen Umweltbewusster Lebensstil Umweltbewusster Normalverbraucher Umweltbewusste Maulhelden Umweltbewusste Nonkonformisten Nicht-Umweltorientierte Durchorganisierte Ökofamilien Kinderlose Berufsorientierte Junge Desinteressierte Alltagskreative Konsumgenervte Ländlich-Traditionelle Schlecht gestellt Überforderte Unauffällige Familien Aktive Senior/innen Privilegierte Utilitärer Lebensstilpol: Idealtypische Abbildung der pluralen ökologie Lebensstilgrundtyp geringe ökologische orientierten LebensstilSensibilisierung wirklichkeit anhand einer Lebensstilgrundtyp BasiskonsumentIn metakategorialen Untertraditionell scheidung zw. einem Lebensstilgrundtyp BasiskonsumentIn utilitären und einem suffitechnomorph zienten Lebensstilpol Suffizienter Lebensstilpol: Lebensstilgrundtyp ökologische Suffizienzorientierung Identifikation natur- Wertorientierung Pragmatische Naturfreunde schutzbezogener Konsumorientierung Unabhängige Städter/innen Lebensstiltypen Alltagsästhetische Vor Gesundheitsbewusste Unabhängige lieben Besorgte Naturfreunde Körperbild Häusliche Ruheständler/innen Naturschutzeinstellung Erlebnisorientierte Materialisten Naturbilder Sicherheitsorientierte Identifikation ver- Schichtzugehörigkeit Traditionelles Arbeitermilieu (4,2%) schiedener Milieus (Einkommen, Status, Traditionell bürgerlliches Milieu (10,7%) Bildung) Etabliertes Mileu (9,6%) Wertorientierung (Tradi- Aufstiegsorientiertes Milieu (17,7%) tionell, modern, postmo- Konsum-materialisitisches Milieu (11,4%) dern) Hedonistisches Milieu (10,7%) Modernes Arbeitermilieu (8,4%) Modern bürgerliches Milieu (12,7%) Postmodernes Milieu (6,3%) Liberal-intellektuelles Milieu (7,6%) Lebensweltanalyse Wertorientierungen und Traditionelles Milieu (15 %) der Gesellschaft Alltagsroutinen (Traditi Hedonistisches Milieu (15 %) on, Individualisierung, Bürgerliche Mitte (14 %) Neuorientierung Konservativ-etabliertes Milieu (10 %) Lebensweisen (Einkom- Prekäres Milieu (9 %) men, Status,Bildung) Adaptiv-pragmatisches Milieu (9 %) Sozialökologisches Milieu (7 %) Liberal-intellektuelles Milieu (7 %) Milieu der Performer (7 %) Expeditives Milieu (6 %) 9: Lebensstile und Milieueinteilungen ziert und erweitert nach Degenhard 2006, 31ff, vgl. auch Ascheberg 2006), (modifivgl. weiter http://www.sinus-institut.de/de/loesungen/sinus-milieus.html 284 Für die Gestaltung von Nachhaltigkeitsgruppen besonders interessant ist die Frage, aus welchen Lebensstilen und Milieus überhaupt sich Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen rekrutieren und welchen Lernstilen sie anhängen. Noch weiter führt die Idee, dass man durch ein spezielles „Marketing“, also eine Konzipierung von Gruppenstruktur, -programm und –aktivitäten gezielt Mitglieder bestimmter Lebensstile und Milieus ansprechen kann (vgl. Lange 2005, S. 3). In Bezug auf Nachhaltigkeitsgruppen kann man hier allerdings weniger von Zielgruppen, man müsste vielmehr von „Quellgruppen“ für Mitglieder sprechen. Auf eine konkretere Darstellung der älteren Lebensstiltypologisierungen bzw. der bereits sieben Jahre alten Sigma Milieus wird hier verzichtet. Abb. 14: Die Sinus-Milieus (VuMA 2013, Anhang Xll) Betrachtet man die Sinus Milieus genauer (vgl. Abb. 14Tab. 9), so erkennt man die Parameter, anhand derer die horizontale Einstufung vorgenommen wird als Tradition: o Festhalten: Traditionsverwurzelung o Bewahren: Modernisierte Tradition Modernisierung/Individualisierung: o Haben und Genießen: Lebensstandard, Status, Besitz 285 o Sein und Verändern: Selbstverwirklichung, Authentizität, Emanzipation Neuorientierung: o Machen und Erleben: Multioptionalität, Beschleunigung, Pragmatismus o Grenze überwinden: Exploration, Refokussierung, neue Synthesen Sucht man in diesen Parametern nach Ansatzpunkten zur Identifikation potentieller Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe, so wird man am ehesten in den horizontalen Bereichen „Sein und Verändern“, „Machen und Erleben“ und „Grenzen überwinden“ sowie in den vertikalen Bereichen der mittleren Mittel- bis Oberschicht fündig. Damit erweisen sich die folgenden Milieus als potentielle Zuordnungsbereiche für Mitglieder von Nachhaltigkeitsgruppen (vgl. VuMA 2013, Anhang XlV): Liberal-intellektuelles Milieu: Aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung und postmateriellen Wurzeln, starker Wunsch nach Selbstbestimmung Milieu der Performer: Effizienz-orientierte Leistungselite, denkt global, hohe ITKompetenz, sieht sich als stilistische Avantgarde Expeditives Milieu: Unkonventionelle, kreative Avantgarde, individualistisch, sehr mobil, digital vernetzt, sucht nach neuen Grenzen und neuen Lösungen Adaptiv-pragmatisches Milieu: Zielstrebige, junge Mitte der Gesellschaft mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nutzenkalkül Sozialökologisches Milieu: Idealistisch, konsumkritisch, globalisierungsskeptisch, besitzt ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen Insbesondere das sozialökologische Milieu kommt als „Quelle“ potenzieller Mitgliedern von Nachhaltigkeitsgruppen in Betracht. Allerdings wird es einen einzig richtignachhaltigen Lebensstil nicht geben, vielmehr sind pluralistische Lebensentwürfe entsprechend zu würdigen und durch entsprechende Bildungs-, Beratungs- und Erlebnisangebote gezielt in den Köpfen der Menschen zu verankern: „Betrachtet man Nachhaltigkeit weniger als Inhalt, sondern vielmehr als gesellschaftlichen Veränderungsprozess, stellt sich zuallererst die Frage, wie die erfolgreiche Verbreitung nachhaltiger Lebensstile mit der bestehenden Pluralität von Lebensentwürfen zusammenpasst, wird doch damit eine Homogenisierung der 286 Gesellschaft im Sinne der Nachhaltigkeit angestrebt“ (Mert; Seebacher 2008, S. 47). 9.2.2 LOHAS und LOVOS als nachhaltigkeitsorientierte Lebensstile Effektiv und effizient umsetzen lässt sich das eben beschriebene Konzept, indem man mit den natürlichen Ressourcen sparsamer umgeht und dort verzichtet, wo es wenig weh tut. Diese Haltung spiegelt sich im so genannten LOHAS (vgl. „Lifestyle of Health and Sustainability“, Wenzel; Kirig 2009) wider. Das Akronym steht stellvertretend für eine ganze Subkultur von Menschen, die Wert auf gesunde Ernährung und ökologisch produzierte Lebensmittel legen. Demografie und Charakteristik der LOHAS sind nur schwer festzulegen. Zwischen 5% bis über 30 % (vgl. Nielsen 2008a) der Bevölkerung sind LOHAS im engeren oder weiteren Sinne. Frauen sind dem LOHAS-Lebensstil eher zugeneigt als Männer. LOHAS sind mittleren bis höheren Alters und verfügen über ein überdurchschnittliches Einkommen. In ihrer Lebenseinstellung bilden Dinge wie Genuss und Gesundheit, Naturverbundenheit und technisches Interesse, Umwelt- und Sozialbewusstsein oder Modebewusstsein und gadget-Bewusstsein keine Gegensätze, sondern ergänzen sich vielmehr in für LOHAS reizvoller Weise (vgl. Reichart 2007, S. 4–6). Abwertend werden sie auch als "Öko-Bohème" bezeichnet. Die LOHAS sind vorwiegend Mitglieder der gehobeneren Gesellschaftsschicht und können sich daher eine gesunde Lebensführung und eine entsprechende Gesundheitsvorsorge leisten. Ihre gehobene Position in den auf Individualität und Veränderung ausgerichteten Milieus der postmodernen Mittel- und Oberschicht erlaubt ihnen einen auf persönliche Entfaltung ausgerichteten Lebensstil. „Eine hinreichend gefüllte Geldbörse versetzt in die Lage, Eier von ‚glücklichen Hühnern‘ und Blätter von ‚glücklichen Salatköpfen‘ zu verschmausen“ (Gelbmann; Klampfl-Pernold; Moser 2009, S. 46). LOHAS interessieren sich für Gesundheit und „grüne“ Anliegen im Allgemeinen. Ein besonderes Kennzeichen der LOHAS ist ihre hohe Konsumorientierung. Aus diesem Grund meinen Kritiker, die LOHAS seien nur eine milieuspezifische Ausprägung des postmodernen Konsumismus. Laut Verbraucheranalyse kann man ca. 6 % der Deutschen (und wohl auch der Österreicher/innen) als „Kern-Lohas“ bezeichnen, aber insgesamt zählen 36 % der Bevölkerung zu diesem Lebensstil (vgl. Axel Springer Verlag 2009). Bei den Themen, die für LOHAS relevant sind, stehen dabei fairer Handel, biologische 287 Landwirtschaft, Gesundheit und Ernährung, aber auch etwa nachhaltiges Investment im Vordergrund (vgl. Schmitt 2005): LOHAS sind Kapitalist/innen. Im Gegensatz dazu sind auch den LOVOS («Lifestyles of Voluntary Simplicity») Nachhaltigkeit und Gesundheit zwar auch sehr wichtig, doch lehnen sie die konsumorientierte Welt der LOHAS ab. Sie kritisieren sowohl die Überbewertung des Materiellen als auch die Schnelllebigkeit und stellen jenseits des Materialismus den Menschen ins Zentrum. Doch auch sie sind letztlich zu den materialistisch Orientierten zu zählen. Die für sie relevanten Themen sind Eigenproduktion (etwa auch von Elektrizität), Energiesparen und Religion/Esoterik. Sie nutzen gerne die Neuen Medien, um Plattformen zu bilden, auf denen sie sich austauschen und halten nichts von „Mainstream-Medien“ wie dem Fernsehen. LOHAS (und implizit auch LOVOS) ist zum Modebegriff der Trendforscher und Thema zahlreicher Studien geworden (vgl. Burda 2007; Rössler; Brenken 2009; Wenzel; Kirig; Rauch 2008). „Sie gelten als ökologisch orientiert, gebildet, kaufkräftig, kritisch und meinungsbildend: die LOHAS. (…) Als neue soziokulturelle Bewegung sind sie immer häufiger Anlass für Berichterstattung und bildreiche Vermutungen. Gesicherte Kenntnisse gab es bislang jedoch kaum“ (Nielsen 2008, S. 1). Die LOHAS selbst sehen sich als Beginn einer Veränderung, mit dem Blickpunkt auf „Ausrichtung der Lebensweise auf Gesundheit und Nachhaltigkeit“ (LOHAS 2010, S. 1) und stellen den neuen Schwerpunkt an den Anfang ihrer Überlegungen: „Neue Werte, neues Bewusstsein, die Bedürfnisse der Menschen richten sich nach /innen, eine Umkehr der Lebensweise nach Selbstkenntnis, nach Stressfreiheit und Entschleunigung, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Beständigkeit. Dies alles mündet in eine Nachfrage von wirtschaftlich, gesundheitlich und ökonomisch sinnvollen Produkten und Dienstleistungen“ (LOHAS 2010, S. 1). Es gibt verschiedene Blickrichtungen auf die Definition der LOHAS. Während Aburdene die Gruppe der LOHAS als wichtigen Wirtschaftsfaktor sieht (vgl. Aburdene 2007, S. 92), beschreiben Ray und Anderson auf Basis einer Umfrage von etwa 100.000 US-Bürger/innen die „Kulturellen Kreativen“ als Menschen, die mittels 288 neuer Gedanken eine kulturelle Veränderung der Gesellschaft erreichen wollen – und damit als typische LOHAS (vgl. Ray & Anderson 2000, S. 39). Die „Kulturellen Kreativen“ unterteilen sich in zwei Gruppen: In die Kerngruppe, die sich auf ökologische und persönlichkeitsorientierte (Selbstverwirklichung, Spiritualität, Psychologie, Esoterik etc.) Wertvorstellungen orientiert und eine zweite Gruppe, die sich auf sozioökologische Themen konzentriert (vgl. Ray & Anderson 2000, S. 10). Diese Unterteilung ist insofern bemerkenswert, als ja auch die Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppen in Kern- und sonstige Mitglieder unterteilt wurden (5.6.4). Und noch ein weiterer Aspekt spricht nach Ray und Anderson dafür, dass LOHAS eine gute potenzielle Quellgruppe für Mitglieder einer Nachhaltigkeitsgruppe sind: LOHAS werden vorangetrieben von Authentizität als Übereinstimmung von Denken und Tun, Einstellung und dem daraus resultierenden Handeln (vgl. Ray & Anderson 2000, S. 8). 9.2.3 Analyse der im Rahmen der empirischen Untersuchung befragten Personen Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden in den acht Interviews acht Personen befragt, die eine oder mehrere Nachhaltigkeitsgruppen initiiert und/oder über einen längeren Zeitraum in einer führenden Position begleitet haben. Sieben dieser acht Personen, und zwar alle in Berlin befragten Personen, waren angehende oder bereits fertig ausgebildete Akademiker/innen. Lediglich die in Österreich befragte Frau ist Zahnarzthelferin und verfügt nicht über einen akademischen Hintergrund. Auch wenn dieses Ergebnis durch die Auswahl der Interviewpartner/innen über die selbst ernannte Plattform der Nachhaltigkeitsgruppen möglicherweise etwas verzerrt ist, so weist es dennoch eine eindeutige Tendenz auf, dass sich in Nachhaltigkeitsgruppen vor allem Personen mit höherem Ausbildungsniveau betätigen. Auch bezüglich des Alter der Interviewpartner/innen zeigt sich eine Übereinstimmung mit den theoretischen Befunden: Sechs waren um dreißig Jahre alt, eine Interviewpartnerin Mitte vierzig, nur ein Interviewpartner war zum Zeitpunkt des Interviews bereits über fünfzig Jahre alt. Es engagieren sich, nach den Ergebnissen der Interviews, tendenziell jüngere, wenn auch nicht unbedingt sehr junge Menschen in Nachhaltigkeitsgruppen. 289 Zwar wurde im Rahmen der Interviews nicht direkt nach der politischen Einstellungen und den persönlichen Werten der Interviewpartner/innen gefragt, aus den Antworten zeigt sich aber, dass die meisten eher einem eher „linken“, sozial-liberal orientierten Spektrum angehören. Eine Interviewpartnerin bezeichnet sich selbst als „Grüne“, eine spricht explizit von ihrer Arbeit für die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Auch dieser Befund ist konsistent mit den Befunden der theoretischen Arbeit. Betrachtet man die Sinus-Milieus näher, so lassen sich die meisten Interviewpartner/innen gut in die identifizierten Milieus einpassen: So scheint einer der Interviewpartner aus dem Milieu der Performer zu stammen, mit dem Hintergrund eines Betriebswirtschaftsstudiums, hoher Kompetenz im IT-Bereich und einer starken Effizienzorientierung (Heinrich). Eine der Interviewpartner/innen stammt aus dem Expeditiven Milieu: Sie strebt immer wieder danach, neue, unkonventionelle Projekte in Gang zu setzten, nutzt dazu intensiv neue Medien. Sobald ihre neuen Projekte ins Laufen gekommen sind, ist sie nicht mehr interessiert und sucht nach neuen Herausforderungen (Paula). Die jüngste Interviewpartnerin gehört eher dem adaptivpragmatischen Milieu an: Sie sieht ihr Engagement für eine Nachhaltigkeitsgruppe als Ausbildungszusatz und Möglichkeit entsprechende Kontakte zu knüpfen, auch wenn sie angibt, dass sie nur eine Praktikumsstelle hat und sie zeitliche Probleme hat, diese Arbeit neben ihrer Promotion voranzutreiben (Jasmin). Die übrigen Interviewpartner/innen gehören im Wesentlichen dem Sozialökologischen Milieu an. Sie sind ausgeprägt idealistisch und ihre wesentliche Motivation ist ihr sozialökologisches Gewissen und auch die Konsumkritik. Auch wenn daher eigentlich keine/r der Interviewpartner/innen explizit der LOHAS-Kerngruppe zugerechnet werden kann, wohl aber der sozial-ökologischen Gruppe. 290 10 Schlussfolgerungen Die vorliegende Dissertation unternimmt den Versuch zu erklären, warum Gruppen im Allgemeinen und Nachhaltigkeitsgruppen im Speziellen in der heutigen Zeit nicht mehr so stabil sind, wie dies Gruppen noch vor wenigen Jahrzehnten gewesen sind. Dazu wurden verschiedene Ansatzpunkte dargestellt und diskutiert. In diesem Kapitel erfolgt nun die Zusammenschau der Ergebnisse in Rahmen der Diskussion. Das Fazit bzw. ein Ausblick auf zukünftige weiter notwendige Forschungsarbeiten beschließt die vorliegende Dissertation. 10.1 Diskussion: Die Gruppe atmet Nachhaltigkeit ist Thema, das uns alle angeht, und kann nicht von einzelnen Personen umgesetzt werden (wiewohl jede/r Einzelne etwas zu Nachhaltigkeit beitragen kann). Bereits am Beginn der Nachhaltigkeitsdebatte wurde in der Agenda 21 (vgl. United Nations 1992a) die besondere Bedeutung des Engagements in Gruppen herausgestrichen, die Nachhaltigkeitsanliegen aufgreifen und nachhaltige Entwicklung vorantreiben. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit deuten jedoch darauf hin, dass wie andere soziale Phänomene auch Gruppen im beginnenden dritten Jahrtausend einer massiven Veränderung unterliegen: Die „lebenslange“ Mitgliedschaft, wie sie früher üblich war, spielt keine Rolle mehr. Vielmehr tendieren Menschen dazu, sich Gruppen für einen bestimmten Zeitraum anzuschließen, in dem sie die Mitgliedschaft in der Gruppe für sich selbst als nützlich und zielbringend erachten, um die Gruppe sofort wieder zu verlassen, sobald sie sich keinen Nutzen mehr von der Gruppe erwarten: „Commitment is an obstacle to be cleared out of the way“ (Bauman 2000, S. 14). Damit verliert die Struktur der „Gruppe“ an Stabilität. Dieser Befund scheint auf den ersten Blick negativ, da Mechanismen zur Steuerung und Entwicklung von Gruppen obsolet werden, die seit langen Jahren eingeübt und eingespielt waren. Jedoch macht nicht nur das soziale Phänomen „Gruppe“ diese Wandlung durch, sondern die natürlichen, technologischen, wirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Determinanten der Welt, wie wir sie wahrnehmen, unterlie- 291 gen einer zunehmenden Dynamik, der man mit den bisher gültigen statischen Strukturen nicht mehr beikommen kann. Dieser Befund stimmt auch mit den Ergebnissen der Arbeit zum Thema Motivation und Handeln überein, da Menschen beginnen, sich für Anliegen und auch für andere Menschen (nur) dann zu interessieren, wenn sie selbst einen Mangelzustand empfinden (vgl. Gabriel et al. 2002, S. 218ff), vgl. 8.4.3.3. Diese Anliegen oder Issues treiben das Handeln der Menschen und führen sogar dazu, dass sich die Individuen „Mitstreiter/innen“ in in gruppenartigen Strukturen suchen, doch nach Erreichung oder Nicht-Erreichung der jeweiligen Ziele verlieren diese Strukturen sofort an Bedeutung und die Menschen suchen sich neue Betätigungsfelder. Damit erfahren auch Werte wie Solidarität oder Treue eine Dynamisierung, und auch die Motivation der einzelnen Gruppenmitgllieder erweist sich als hochdynamisch. Daraus ergibt sich, dass die Dynamisierung auch der sozialen Strukturen nötig wird, mithin das, was Bauman abschätzig als Verflüssigung anprangert. Wenn die Anforderungen und Herausforderungen sich immer schneller ändern, müssen auch die Strukturen flexibel beschaffen sein. Doch das ist nicht unbedingt negativ. Nach Kruse (vgl. Kruse 2002, S. 6) ist Störung eine notwendige Voraussetzung für das Gelingen von Veränderung, auch im Sinne von kreativer Zerstörung (vgl. Schumpeter 1997), vgl. 5.2.1. Damit bestimmt langsame Evolution eines Systems (einer Institution, einer Organisation oder Gruppe) aber bereits dessen Niedergang, weil die kontinuierliche Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg Stabilität vorgaukelt und die Notwendigkeit des Wandels von Strukturen verdeckt (vgl. Holling 2001, S. 395). Dementsprechend wird die Struktur der Nachhaltigkeitsgruppe in der vorliegenden Arbeit panarchisch über adaptive Schleifen in der so genannten Triple-I-Struktur definiert (vgl. 5.6): Oberstes, nur über einen längeren Zeitraum veränderliches Element darin ist die Idee als grundsätzliche gemeinsame Vorstellung davon, was die Gruppe antreibt und was für sie wünschenswert ist. Die nächstuntere Ebene nehmen die Themen oder Issues ein, mit denen sich die Nachhaltligkeitsgruppe auseinandersetzt. Diese werden über einen gewissen Zeitraum hin verfolgt bis die jeweilig gesetzten Ziele erreicht werden oder eben nicht. Auf der untersten Ebene spielen sich konkrete Inhalte, also Aktionen und Handlungen, ab, die dazu dienen, die Issues umzusetzen und so die Idee zu realisieren. Wenn nun ein Issue beendet ist oder eine 292 Initiative umgesetzt und die dort involvierten Mitglieder die Gruppe (wieder) verlassen, so kann dies zum Zusammenbrechen der jeweils übergeordneten Ebene führen, wenn sich diese nah an einer (Zusammenbruch-)Schwelle befindet („Revolt“). So kann das jähe Ende einer Initiative z. B. durch Ausscheiden eines zentralen Mitgliedes ein ganzes Issue zu Fall bringen, wenn sich dieses bereits in einer prekären Situation befunden hat, etwa in einem Konflikt. In seltenen Fällen kann das Kollabieren eines Issue sogar die Idee und damit die Nachhaltigkeitsgruppe als Ganzes zu Fall bringen, wenn die Idee unter den Mitgliedern der Gruppe umstritten und damit einer (Zusammenbruch-)Schwelle nahe ist. Meist aber wird es so sein, dass die Idee relativ beständig ist und der gesamten panarchisch organisierten Gruppe Stabilität verleiht, auch wenn Issues und Initiativen wegbrechen (im Sinne eines „Remember“). Damit ist diese Darstellung der Nachhaltigkeitsgruppe ideal, wenn sich im Zeitablauf Aktionen, Themen und langfristig sogar die Idee ändern. Diese Expansion und Kontraktion der einzelnen Gruppenebenen sowohl was die Mitgliederzahl als auch was die Anzahl und die Intensität einzelner (Themen-)Gruppen betrifft, wird mit dem Begriff „Die Gruppe atmet“ umschrieben. Damit dieses Schema langfristig funktionieren kann, bedarf es des Erwerbs entsprechender Handlungskompetenzen durch die Bürger/innen ebenso wie einer Flexibilisierung der staatlichen Lenkungsstrukturen. Beidem wird durch das so genannte Empowerment entsprochen, in dessen Rahmen die direkte Mitwirkung an demokratischen Institutionen forciert wird. Ebenso vorangetrieben werden muss ein transparenter Zugang zu Informationen und Bereitstellung von Möglichkeiten, persönliche und soziale Kompetenzen zu erwerben, vgl. 7.2. Mit den in den letzten Absätzen beschriebenen Vorgaben umzugehen, erfordert die Resilienz der betroffenen Systeme – wie der Nachhaltigkeitsgruppen - in dem Sinne, dass die Systeme nach der als Störung empfundenen Änderung sich selbst (re)organisieren. Im Fall der Nachhaltigkeitsgruppe heißt dies, dass sich die Gruppe nach dem Ende eines Issues und/oder nachdem Ausscheiden eines oder mehrerer Mitglieder wieder neuen Aufgaben zuwendet, neue Mitglieder akquiriert und von neuem tätig wird. Nur wenn sie sich ändern, können sie dieselben bleiben. In letzter Konsequenz wird die Resillienz der Nachhaltigkeitsgruppe zu einem Maß für ihre Fähigkeit und Bereitschaft zu lernen und sich an Herausforderungen und an neue Gegebenheiten anzupassen und damit zu einem Ansatzpunkt für lebensbeglei293 tendes Lernen: In Anlehnung an Heinz von Foerster’s ethischen Imperativ „Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst“ (vgl. von Foerster 2000, S. 49), vgl. 5.4 entspricht dies der Vorstellung, dass Bildung beiträgt zu Vermehrung der Möglichkeiten des Erkennens und zur Aneignung von Welt (vgl. Egger 2008). Damit ist die Nachhaltigkeitsgruppe definiert als ein möglicher Ort, an dem lebensbegleitend Lernen stattfinden kann. Damit dieses Lernen allerdings fruchtbringend sein kann, gilt unter den gegebenen Bedingungen der zunehmenden Dynamisierung und Flexibilisierung der „Welt“, dass Beharrungstendenzen und so genannte Pfadabhängigkeiten überwunden werden müssen. Die Literatur zu Pfadabhängigkeiten ist mannigfaltig (vgl. 5.3 und die dort zitierte Literatur), doch befasst sich kaum eine der Publikationen als Nachhaltigkeitsbarriere mit den für eine grundlegende Änderung von eingeschlagenen Pfaden und Abweichung von eingeübten Schemata notwendigen Lernprozessen. Die damit für den nachhaltigen Bestand von Nachhaltigkeitsgruppen nötigen Lernprozesse beruhen daher auf einer Anpassung der gebildeten Schemata, mithin auf einer Akkomodation im Sinne von Piaget oder Illeris (vgl. Piaget 1975; Illeris 2010, S. 50), vgl. 4.2.2.1 bzw. dem Lernen 2 bei Bateson (vgl. Bateson 1981, S. 380ff), vgl. 4.2.2.2. Letzlich wird vielfach eine völlige Abkehr von tradierten Schemata nötig sein und daher transformatives Lernen im Sinne von Piaget oder Illeris oder Lernen 3 nach Bateson erfordern. Auch expansives Lernen, wie es Holzkamp beschreibt, ist in diesen Situationen ratsam (vgl. Holzkamp 1995, S. 245), vgl. 4.4.3. Hinweise lassen sich hier aber auch aus dem Lernen in der adaptiven Schleife ziehen (vgl. 5.3): Nur der Übergang r nach K vollzieht sich langsam und kontinuierlich, sodass mit denselben Schemata Wissen akkumuliert bzw. assimiliert werden kann. Je komplexer die Organisation bzw. die Struktur der Gruppe wird, desto weniger reicht einfaches, triviales Lernen aus. Im Rahmen der Exploitation werden bekannte Lösungen schrittweise ausgebaut. Wenn sich das System einer Schwelle nähert bzw. diese gar überschreitet, versagen klassische Lernmechanismen: In der Phase des Zusammenbruchs kommt es zu „schöpferischer Zerstörung“ (Ω nach ) – alte Schemata brechen zusammen, hier ist die radikalste Innovation und zugleich der stärkste Lerneffekt möglich, wobei mithilfe des transformativen Lernens völlig neue Schemata entwickelt werden müssen. Exploration findet statt, indem man sich mit 294 völlig neuen Situationen und Lösungswegen auseinandersetzen muss. Sobald der Zusammenbruch überwunden ist und eine neue einigermaßen stabile Wachstumsphase begonnen hat, können wieder Akkomodation und Assimilation greifen, insgesamt werden die Lernprozesse wieder einfacher, und Exploitation als Übertragung bekannter Lösungswege auf neue Anforderungen kann stattfinden. Die eben beschriebenen Zusammenhänge werden schematisch in Abb. 15 beschrieben. Handlungsstrategie Steuerung Systemzustand Regelung stabil Versuch und Irrtum Selbstorganisation instabil Ω- instabil -r einfach komplex stabil r-K Organisation Funktionsweise einfach UrsacheWirkung komplex Soll-IstAbgleich Suchbewegung MusterWechsel Management von Stabilität Management von Instabilität EXPLOITATION EXPLORATION Assimilation = Lernen 1 „Triviales Lernen“ Lernen 3 Akkomodation = Lernen 2 „Nichttriviales“ = Transformatives Lernen „Triviales Lernen“ Abb. 15: Zusammenschau von für Nachhaltigkeitsgruppen relevanten Lerntypen Damit dies möglich wird, müssen die Menschen jedoch auch über die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zum Entscheiden in komplexen, unübersichtlichen und durch das Vorhandensein einer Flut von Informationen gekennzeichneten Situationen fähig sein. Diese Kompetenzen erwerben sie durch so genannte intrinsische Nachhaltigkeitsbildung (vgl. Chamberlin 1997, S. 44ff), vgl. 4.4.4 Deren Ziel ist es, selbstreflektierte Individuen hervorzubringen, die in der Lage sind, die eigenen Werte durch systematisches Denken zu hinterfragen, in komplexen Entscheidungssituationen problemlösend zu agieren und die positiv in die Zukunft blicken (vgl. Tilbury 2011, S. 8). Um dieses Vorgaben letztlich in Nachhaltigkeitsgrup295 pen positiv umzusetzen, müssen diese in einer Weise gemanaget werden, die Instabilität bewusst in Kauf nimmt und den Wandel zum Erfolgsfaktor der Gruppe werden lässt. In Anlehnung an Konzepte aus dem so genannten Change Management:(vgl. Kruse 2002, S. 31) ist es dazu nötig Störungen als Anreize zur Veränderung zu akzeptieren aktiv danach zu trachten, vorhandene pfadabhängige Schemata aufzubrechen die Instabilitätstoleranz der Betroffenen (hier also der Mitglieder der Nachhaltigkeitsgruppe) zu erhöhen; diese bezeichnet man auch als persönliche Resilienz: den dynamischen Prozess der positiven Anpassung im Zusammenhang mit einer signifikanten Widrigkeit (vgl. Luthar; Cicchetti; Becker 2007, S. 543), einen sowohl für die Mitglieder als auch von außen transparenten Prozess zu schaffen, sodass weder gruppenintern, noch gruppenextern der Anschein entsteht, dass die Gruppe versagt, wenn mehrere Mitglieder sie verlassen, vorhandenes Wissen und vorhandene Kompetenzen zu vernetzen, eine offene, wertschätzende, aber trotzdem konstruktiv-kritische Kommunikationskultur zu etablieren, darauf zu achten, dass für die Gruppenmitglieder persönliche Nutzen aus dem Engagement in der Gruppe erwachsen. Die Schlussfolgerungen aus diesen Anforderungen implizieren, dass an der Steigerung der Resilienz sowohl der gesamten Nachhaltigkeitsgruppe als auch an der der einzelnen Mitglieder gearbeitet werden muss. Die Schlussfolgerungen implizieren aber auch, dass den Mitgliedern speziell zugeschnittene Angebote unterbreitet werden müssen, die einerseits die direkten Bedürfnisse und Interessen adressieren, anderseits den Mitgliedern über einen kurzen Zeitraum zu kollektiven Erlebnissen verhelfen. Zielführend ist daher die Anwendung einer „panem et circenses“ Strategie. 10.2 Fazit und Ausblick Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, eine neue Art der Gruppe zu definieren, die sich über einen längeren Zeitraum hin mit Nachhaltigkeitsanliegen im Sinne des Drei-Säulen-Modells der Nachhaltgkeit befassen. Nachhaltigkeit wird dabei aller296 dings nicht als zu erreichendes Ziel angesehen, sondern als dynamischer Sachverhalt, der die Arbeit und die Zusammensetzung der Gruppe permanent beeinflusst. Dies erfordert, dass sich sowohl die Aufgaben und Inhalte, als auch die Zusammensetzung der Gruppe ständig ändern können, ohne dass die Gruppe zugrundegeht. Als Ansatzpunkt für diese Anforderungen dient ein Konzept aus der Systemforschung, das Panarchiekonzept, dass die Möglichkeit beschreibt, wie mehrere, einander hierarchisch unter- und übergeordnete Systeme miteinander interagieren und jeweils teilweise Krisen und Kontraktionen erleben können, in die die anderen Teilsysteme sogar teilweise mit hineingezogen werden können, doch insgesamt bleibt das Gesamtsystem erhalten, wenn auch möglicherweise in Teilen massiv verändert. Nachhaltigkeitsgruppen auf dieser Basis werden in der vorliegenden Arbeit als das Tripel-I-Modell bezeichnet und dargestellt. Ausgehend von einer langfristigen Idee als Oberziel werden konkrete Themen (Issues) und Interessen als mittelfristige Ziele bearbeitet, die mithilfe der Inhalte oder Initiativen als kurzfristigen Handlungszielen umgesetzt werden. Mithilfe des Triple-I-Modells können die drei Ebenen der Nachhaltigkeitsgruppe beschrieben und analysiert werden im Hinblick auf die Inhalte, mit denen sich Nachhaltigkeitsgruppen befassen. Gesondert erfasst werden muss aber die zugrundeliegende Motivationsstruktur der Menschen. Denn angetrieben werden die Menschen dabei von ihren Werten und Einstellungen, vor allem aber von ihren konkreten persönlichen Interessen und den Erfolgen, die sie sich von ihrem Engagement erwarten. Allerdings prallen in der Arbeit sehr positive und sehr negative Menschenbilder aufeinander. Bauman und Sennett beschreiben ein sehr negatives Menschenbild, das die Menschen wenn nicht als unwillig und faul, dann doch als Getriebene darstellt. Demgegenüber gehen Theorien wie Partizipation, selbstbestimmtes Lernen usw. von einem sehr positiven Menschenbild aus. Die Schwierigkeit besteht jetzt darin, diese Menschenbilder miteinander zu vereinen bzw. sie in Beziehung zu bringen. Doch eröffnet genau diese Diskrepanz in einer dynamischen, instabilen Situation die Möglichkeit der Weiterentwicklung und Anpassung an sich wandelnde Verhältnisse. Denn durch die ständigen Expansion und Kontraktion der Gruppe werden Adaptions- und Lernprozesse angeregt. 297 Es gilt daher, die Instabilität als Chance aufzufassen, in einem dynamischen Feld langfristig Erfolg zu haben. Kruse bringt dies auf dem Punkt, indem er meint: „Stabilität macht handlungsfähig, Instabilität macht kreativ. (…) Vorgefertigte Konzepte gibt es im Management von Instabilität nicht. Die Lösung kann nur über eine Moderation der Intelligenz aller Beteiligten entstehen. Es gilt, die Vernetzung des Expertenwissens und aktives Querdenken (…) zu fördern“ (vgl. Kruse 2002, S. 6). Damit ist einer der wesentlichen Inhalte der Arbeit angesprochen: die Frage, welche Rolle Bildung in Nachhaltigkeitsgruppen einnimmt und vice versa welchen Beitrag Nachhaltigkeitsgruppen zu einer lebenslangen oder lebensbegleitenden Bildung leisten können. Hier ist festzuhalten, dass Nachhaltigkeitsgruppen offenbar ein geeigneter Ort für diese Form des Lernens sind, da Menschen hier weniger auf formaler als auf non-formaler und informeller Basis Wissen erwerben, das sie im Rahmen des jeweiligen Interesses, aber auch darüberhinaus einsetzen können – das Lernen erfolgt daher zugleich zweckorientiert und wird meist von den Lernenden selbst initiert und gesteuert. Erworben werden dabei nachhaltigkeitsspezifisches Wissen, doch vor allem so genannte Handlungskompetenzen, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsbildung essentiell sind, wie etwa die Fähigkeit, mit Konflikten umzugehen oder in unübersichtlichen Situationen und bei widersprüchlichen oder einem Übermaß von Informationen, dennoch eine zukunftsfähige Entscheidung treffen zu können. Das Triple-I-Modell als Beschreibungsmodell ist allerdings nicht in der Lage, Aussagen darüber zu machen, welche konkreten Instrumente für die Wissensvermittlung und die Steuerung der Nachhaltigkeitsgruppe vonnöten sind. Hier sind weiterführende Forschungsarbeiten nötig, die etwa eine Längsschnittanalyse einer einzelnen oder mehrerer Gruppen beinhalten. Dies ist nur eine der Limitationen der Studie: Denn der rein qualitative Zugang, der dem Anspruch der Erschließung eines neuen Forschungsgebietes gerecht wird, erlaubt nur eine teilweise Verallgemeinerung der Daten, hier wäre eine quantitativ-repräsentative Untersuchung notwendig, um repräsentative Daten zu erheben, etwa unter in den in einer Region erhebbaren Nachhaltigkeitsgruppen (wieder mit dem Problem, dass hier die Grundgesamtheit schwer definierbar ist). Damit wird eine weitere Einschränkung der Studie sichtbar: Wenn nicht einmal klar ist, welche Gruppierungen nun tatsächlich als Nachhaltigkeitsgruppen bezeichnet werden können, ist erst recht unklar, ob die Ergebnisse der vorlie298 genden Arbeit auf „alle“ Nachhaltigkeitsgruppen übertragbar sind. Entsprechend ergibt sich der zukünftige Forschungsbedarf als Ausbau der verfügbaren Datenbasis und dementsprechend Identifikation und Strukturierung verschiedener Arten von Nachhaltigkeitsgruppen. Schließlich sollten für die Praxis konkretere Hinweise zur Steuerung der Nachhaltigkeitsgruppen entwickelt werden. Damit legt die vorliegende Arbeit zwar ein konsistentes Konzept der Nachhaltigkeitsgruppen vor, sieht sich aber selbst nur als Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von weiteren Forschungsaufgaben, die für die zukünftige Entwicklung der Nachhaltigkeitsbildung, auch über das Ende der UN-Dekade der Nachhaltigen Bildung hinaus, notwendig sein werden. 299 11 Literaturverzeichnis Aburdene, P. (2007): Megatrends 2010: The Rise ism. Charlottesville: Hampton Roads Pub Co Inc. of Conscious Capital- Ackoff, R.L. (1999): „On passing through 80.“ In: R.L. Ackoff and the Advent of Systems Thinking, A Conference to Celebrate the Work of Russell L. Ackoff on his 80th Birthday and Developments in Systems Theory and Practice. . Ackoff, R.L. (1979): „The future of operational research is past.“ In: Journal of Operational Research Society. (= 30/2), S. 93–104. Ajzen, I. 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Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Deutschland Österreichisches Bundesministerium für Inneres Schwellenländer: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland beziehungsweise Chief Executive Officer Geschäftsführer Commission Internationale pour la Protection des Alpes Internationale Alpenschutzkommission das heißt Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen Amerikanischer Aktienindex Deutsche Studenten Partei et cetera und andere folgend fortfolgend Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH. Österreichische Organisation mit Kampagnenschwerpunkten in den Bereichen Atomenergie, Energie, Gentechnik, globale Erwärmung, Pestizide, Regenwald und Verkehr Grün-Alternative Sammlung Global Reporting Initiative Die Grünen – Die Grüne Alternative in Österreich, Bündnis 90/Die Grünen in Deutschland Human Development Index - Index für menschliche Entwicklung International Committee of the Red Cross, Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung Informationstechnik Kapitel Hamburger Kommunistische Bund Kraftwerk entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm zur nachhaltigen regionalen Entwicklung für das 21. Jahrhundert 341 LOHAS LOVOS MaxQDAâ MS Wordâ NGO NGO OECD OECD S. Social Bars SPD SRU SVP Tab. u. a. UBA UN UN UNCSD UNCSD UNESCO UNESCO v. a. vgl. WCED WCED WWF z. B. ZFES Lifestyles of Health and Sustainability - Lebensstil der Gesundheit und Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellt Lifestyle of Voluntary Simplicity - Lebensstil der freiwilligen Einfachheit Software tool zur computergestützten qualitativen Daten- und Textanalyse Textverarbeitungsprogramm der Firma Microsoft Non Governmental Organization Nicht-Regierungs-Organisation Organisation for Economic Co-operation and Development Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Seite Eine Initiative, bei der es um das Thema Social Media und Zivilgesellschaft geht Sozialdemokratische Partei Deutschlands Rat der Sachverständigen für Umweltfragen Sonstige Politische Vereinigungen DIE GRÜNEN Tabelle und andere Umweltbundesamt United Nation Vereinte Nationen United Nations Commission on Sustainable Development Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Offizielle Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur vor allem vergleiche World Commission on Environment and Development Weltkommission für Umwelt und Entwicklung World Wide Fund For Nature - Organisation, mit dem Ziel, die biologische Vielfalt der Erde zu bewahren, die naturverträgliche Nutzung erneuerbarer Ressourcen voranzutreiben, und Umweltverschmutzung und die Verschwendung von Naturgütern zu verhindern zum Beispiel Zukunftskommission der Friedrich Ebert Stiftung 342 Anhang Stellvertretend für alle anderen Interviews wird hier die Transkription des Interviews mit Roman Dashuber abgedruckt, geführt am 12.5.2011 in Berlin, Beginn 18.17 Uhr, Ende 19.39 Uhr. Die Transkription erfasst auch sprachliche Besonderheiten. Als typisch ausgewählt wurde dieses Interview, weil darin viele Nachhaltigkeitsgruppen Erwähnung finden und sehr viele Codezuweisungen vorgenommen werden konnten. Anton: Danke, dass Du dich bereit erklärt hast, an dem Interview teilzunehmen. Ich arbeite an meiner Doktorarbeit über Nachhaltigkeitsgruppen in der Flüssigen Moderne. Dies ist ein Begriff nach Zygmunt Baumann, der beschreibt, dass sich Gruppen nicht mehr herkömmlich bilden, sondern, dass Menschen nur noch bereit sind, sich zu treffen, wenn eigene Interessen befriedigt werden. Ich habe mich mit dieser Theorie beschäftigt und dieses Phänomen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsgruppen bearbeitet. Welche Beziehung hast du zu Nachhaltigkeitsgruppen bzw. hast Du eine solche initiiert oder bei einer mitgearbeitet? Roman: Ich war lange in der Initiative für nachhaltige Entwicklung aktiv. Das ist eine Hochschulgruppe in Berlin, die sich aus Studenten von allen Hochschulen zusammensetzt, einschließlich Potsdam. Also ist das ein offen Hochschulgruppe. In der bin ich aber mittlerweile nur mehr sehr gering aktiv. Ich habe mich ganz bewusst dazu entschieden. Ich bin jetzt seit einem Jahren mit dem Studium fertig, habe einen Beruf angefangen und deshalb habe ich das als Zäsur definiert und das mein äußerst aktiver Engagement damit aufhört. Diese Initiative für nachhaltige Entwicklung hat sich gegründet, weil im Jahre 2004 für drei Studentinnen bei den Sozialwissenschaften gab, denen zum Themenfels Nachhaltige Entwicklung das Lehrangebot viel zu schlecht bis nicht vorhanden war und die sich gesagt haben, das organisieren wir uns selbst. Wir können dabei einen doppelten Nutzen ziehen: Wie könne einerseits lernen, wie man Veranstaltungen organisiert und holen und den Input selber und noch dazu: wie haben auch noch die Möglichkeit zu netzwerken. Also laden wir uns die Leute, ein. Danach, nach dem Vortrag kommt man mit den Leuten ins Gespräch und geht noch ein biertrinken und so weiter. Diese Themenreihe geht jetzt in das 14 Semester und das habe ich lange Jahre mit organisiert. Das war so das Herzstück der Initiative für nachhaltige Entwicklung. Die Initiative ist mir ihren Mitgliedern immer stark geschwankt. Und wie das für so eine studentische Gruppe charakteristisch ist, schwankt natürlich die Anzahl der Aktiven immer wieder. Also die Leute werden mit dem Studium fertig und spätestens dann, scheiden die meisten aus der Gruppe aus. Deshalb war das immer geprägt von einer starken Fluktuation, auch während der drei Jahre, wo ich da dabei war. Zwei Jahre war ich dabei im Vorstand der Initiative. Das habe ich immer als so ein Charakteristikum der Gruppe wahrgenommen. Die Initiative für nachhaltige Entwicklung hat zur Zeit ungefähr 12 Aktive, die wirklich etwas machen und periphere noch einmal 10 Leute, die so assoziiert sind und insgesamt über die Jahre waren das bis zu 70 Leute, die sich dort mal eingebracht haben. Zu meiner Hochzeit waren wir mal 20 Aktive. Ich habe Psychologie studiert mit dem Schwerpunkt Umweltpsychologie. Das sah man gestern (bei dem Jour Fixe der Nachhaltigkeitsplattform). Das war ein Kuriosum, Melanie, Jasmin, Max und ich da waren. Dazu Julia, die eingeladen hat ist auch eine Umweltpsychologin. Da gibt es in Berlin eigentlich ziemlich viele, wo es in Deutschland eigentlich relativ wenige gibt. Irgendwann haben dann einige gesagt, das ist uns zu wenig, wenn wir nur diese Vorlesungsreihen machen ist ganz schön und gut, aber uns ist das zu verkopft und wir wollen mehr Bezug zur Praxis haben. Daraus sind dann so Sachen entstanden wie das Uni-Solarprojekt, eine darlehensfinanzierte Photovoltaik-Anlage. Mit der Idee des Crowdfounding haben wir Gelder eingesammelt. 343 Man konnte ganz kleine Darlehen zeichnen, mit denen dann diese Anlage finanziert wurde. Das ging los bei 250 Euro. Das ist sehr ungewöhnlich, weil, wenn man in Photovoltaik-Projekte einsteigt, dann fängt man bei 5000 Euro an. Wir haben aber gesagt, das geht so nicht, weil man so nicht Studenten ansprechen. Die Idee war immer, wie machen an der Uni unsere Energiewende selber. Wir haben dann ein Unternehmen gefunden, Solardach Invest, die sind ein Unternehmen der solidarischen Ökonomie, die sagten, wir finden das toll und unterstützenswert, deshalb machen wir das mit euch. Das Projekt ist sehr, sehr gut gelaufen. Wir haben insgesamt 100.000 Euro eingesammelt an Darlehen. Dann wurde noch einmal ein Kredit aufgenommen von Seiten der Solardach Invest. Damit hatte man ein Volumen von 300.000 Euro und es wurde eine sehr, sehr große Anlage. Wie waren etwas überrumpelt davon, was das Projekt eigentlich losgetreten hat. Während des Baues war das die 15. größte Anlage in Berlin. Das ist natürlich ein Projekt mit dem die Initiative sehr bekannt wurde. Wir wurden dann viel rumgereicht. Die sagten, die Studenten, die machen was, ganz toll. Man muss aber wirklich sagen, dass sich Leute aus der Initiative nur noch damit befasst haben und als das fertig war, waren die dann auch alle weg. Das Projekt war vorbei, das Teil ist jetzt gebaut und mittlerweile machen die Leute wieder ganz andere Sachen. Ich habe noch ein anderes Projekt gemacht. Eine Energiesparkampagne an der Uni. Die habe ich aufgesetzt, weil ich als Umweltpsychologe, das als mein Feld betrachtet habe. Wie bringt man Menschen zu umweltverträglichem Handeln. Wie hilft man ihnen beim Energiesparen. Ich habe da eine Kampagne initiiert für zwei Fachbereiche, die wollten wir miteinander vergleichen und die bekommen eine Intervention und die andern nicht. Ein typisches experimentalpsychologisches Design, um zu schauen, ob das geht. Das hat nicht so wahnsinnig gut funktioniert, weil klar wurde, an wie vielen strukturellen Problemen das scheitern kann. Da wurde Mails nicht weitergeleitet, weil der Administrator nicht will, man kann Sachen zum Beispiel kann man ganze Computer nicht in den Energiesparmodus stellen, weil der Administrator nicht will, dass das geändert wird; never change a running system. Da haben wir bald gemerkt, wie schwierig so was sein kann. Im konkreten hat sich gezeigt, dass das Ganze doch etwas zu groß war, etwas zu ambitioniert, aber war auch sehr lehrreich. Es gab noch weitere Projekte. Als diese Themenreihe ist dann später in eine Buchpublikation gemündet. Das heißt auch: Einstieg in ein Nachhaltige Entwicklung. Wurde dann auch bei einem kleinen Verlag herausgegeben und wir haben darüber hinaus noch Themenreihen zu ganz spezifischen Themen gemacht; zum Beispiel zu Biodiversität in Kooperation mit dem Naturkundemuseum, mit dem Ökowerk mit Exkursionen und dergleichen. Wir haben auch Jahrestage mit großen Podiumsdiskussionen organisiert, auch mit anderen Kooperationspartnern mit anderen Studenteninitiativen, vor allem an den Unis. Es gibt den technischen Umweltschutz an der technischen Universität. Mit denen haben wir mal kooperiert. Dann gab es ein Energieseminar, die bieten immer Kurse an, auch interdisziplinär, wo Leute Solarkühlschränke bauen. Dann haben wir auch mal etwas über Energieversorgung in der Zukunft gemacht. Das sind also so sie Projekte der Initiative für nachhaltige Entwicklung. Ich staune immer selbst darüber, dass über die selbst 7 Jahren immer etwas passiert ist. Als ich dann aufgehört habe, hing sehr viel an mir. Ich habe dann irgendwann mal gesagt, ich kann jetzt nicht mehr, ich will jetzt auch nicht mehr und ich hatte noch dazu einen Job und es fehlte mir einfach die Kapazität und habe es denen auch ein bisschen vor die Füße geworfen und habe gesagt, nun mach mal und erstaunlicher Weise , es hat funktioniert. Ich hatte dann lange Zeit die Befürchtung, dass das Herzstück dieser Initiative, diese Themenreihe, dass das sterben würde und erstaunlicher Weise, einige, die auch mit mir noch aktiv waren, haben dann eine gewissen Ehrgeiz entwickelt und das dann auch selbst in die Hand genommen. Jetzt läuft diese Themenreihe wieder und sie sind wieder neue Kooperationen eingegangen und es hat sich in einer gewissen Art und Weise aufs Neue blüht das auf. Aber trotzdem muss man sagen, dass es derzeit nicht die Größe hat, wie sie es damals hatte. Die Initiative für nachhaltige Entwicklung ist dann ziemlich früh wurden wir eingeladen, bei diesem Jour Fixe mitzumachen, den mit auszurichten, zuerst hat das ein guter Freund von mir gemacht, der auch bei der 344 Initiative war, der ist aber mittlerweile nach Brüssel gegangen und hat das so peu a peu an mich übergeben oder hat mich gebeten, das zu machen und ds fiel dann gerade so in die Zeit, als ich mit dem Studium zu Ende kam und als ich den neuen Job begann, dann musste ich auch für mich eine Entscheidung machen. Ich kann ja nicht beides machen. Ich kann nicht auf der einen Seite eine Jour Fixe organisieren im Ehrenamt und dann noch bei der Initiative mit machen und er Jour fixe schien mir auch, wo ich im Beruf stehe viel stärker anschlussfähig zu sein. Das Studium ist vorbei, damit ist auch die Hochschulgruppe auch vorbei. Und so bin ich zum Jour Fixe gekommen, da bin ich jetzt seit eineinhalb Jahren im Organisationsteam und bin immer stärker hineingerutscht. Ich bin jedes Mal überrascht und jedes Mal begeistert, wenn ich sehe, wie gut dieser jour Fixe funktioniert. Wie viel Leute uns ansprechen und bei uns etwas präsentieren wollen. Das wir dazu beinahe gar nichts tun müssen. Und mittlerweile ich viele Initiativen kenne und mir dazu viele Synergien einfallen. Den sollte man da einladen, dort sollten die sich kennenlernen. So findet oft ein sehr toller Austausch statt und es entstehen gute Kooperationen. Einen ganz großen Wert sehe ich darin, dass die Leute sehr inspiriert wieder hinaus gehen. Sie lernen also sehr unterschiedliche Leute kennen, es werden Emailadressen und Telefonnummern ausgetauscht. Deshalb organisiere ich das sehr gerne, wenn es manchmal auch sehr anstrengend ist und mir manchmal die Muße fehlt, nach der anstrengenden Büroarbeit sich hinter den Verteiler zu klemmen und Emails rauszuschicken. Mein Engagement für das Ehrenamt fällt mir oft auch sehr schwer. Das sind so die Initiativen, in denen ich aktiv war oder noch immer bin. Es gibt gerade noch ein eigenes Projekt, das ich selbst ins Leben gerufen habe. Ich habe im März das erste Mal ein low carbon network dinner organisiert. Das habe ich ein bisschen meiner Arbeit geschuldet, aber auch dem Jour Fixe geschuldet. Die Idee, Leute zusammenzubringen, finde ich sehr einleuchtend, das ist sehr inspirierend und motivierend, auch für mich. Das ist so die Erfahrung aus dem Jour Fixe. Ich arbeite bei Thema 1, das ist ein Klimaschutz-Projektentwickler und war machen viele Workshop-Formate und eines davon sind so Dinner, Networkdinner. Wir haben zum Beispiel ein Projekt, das heißt green music dinner. Wir laden dazu Leute aus der Musikbranche ein, dazu Vertreter von Politik, NGOs, Wissenschaft, um zu ermöglichen, dass sie über Projekte sprechen, dass sie sich austauschen und vor allem, Vertreter aus der Musikbranche auf das Thema Klimaschutz aufmerksam zu machen. Das ist wichtig, nehmt eine Vorreiterrolle ein. Ihr habt eine immense Strahlkraft, macht mal. Und denen werden dann die Vertreter der NGOs und die Wissenschaftler zur Seite gestellt, weil die sich ja sonst nie kennenlernen würden. Das machen wir unter network dinners. Das ist ein Galadinner. Das letzte war im Kempinsky in Hamburg, das davor war im Hotel de Rome in Berlin. Es ist also sehr highclass. Was ich mache ist die Idee eines Dinners. Ich habe gekocht, weil ich gerne koche und ich habe 15 Aktive eingeladen, Nachhaltigkeitsengagierte, die ich am Rande kenne, die ich irgendwie interessant und spannend fand. Ich habe für die gekocht und ein low carbon Menü mit drei Gängen gemacht, regional, saisonal, bio und vegetarisch. Das ist ein bisschen so mein eigenes Projekt. Das gab es bisher einmal. Es wird aber eine Fortsetzung geben. Das habe ich mit den Mädels von Glas und Bild gemacht. Glas und Bild ist mit Andrea Nienaus, die Nachhaltigkeitskommunikation macht. Die haben einen Projektraum gegründet, der auch so ein bisschen ihr Büro ist, aber auch zugleich ein Seminarraum, den man mieten kann und dort haben wir das gemacht. Die sind sehr offen für solche Formate. Sie haben vor 2 Wochen dort auch ein Buch vorgestellt, über urban gardening, das gerade erschienen ist. Dazu fand dann auch eine Diskussionsveranstaltung statt. Ich würde dieses Format noch weiter fortsetzen. Dazu bin ich mit den Prinzessinnengärten im Gespräch. Anton: Wir bildest du eine Gruppe? Roman: soll ich es an einem speziellen Beispiel erklären? Anton: Ja. Roman: Also So eine Format wie das low carbon network dinner ist sehr einfach. Das ist auch sehr einfach zu 345 bewältigen. Das ist nicht viel Aufwand und dafür lassen sich relativ einfach Leute mobilisieren. Es viel schwieriger, wenn man so was wie diese Themenreihe macht. Das ist sehr vielfältig. Anton: Wie kam gestern Dorian zu euch? Roman: Ja. Das ist eigentlich ganz lustig. Der wurde mir vorgeschlagen. Uns wurde ein Mal ein Projekt präsentiert. Maurice hat einmal die Nachhaltigkeitsampel präsentiert. Das ist eine Suchmaschine für Nachhaltigkeitsinformationen. Das war damals ein Forschungsprojekt der Uni und hat das damals im Nachhaltigkeits Jour fixe präsentiert und hat jemanden kennen gelernt, der sich mit Nachhaltigkeitsprodukte beschäftigt. Das funktioniert so, dass man zum Beispiel dieses Bier einscannt und dann bekomme ich Informationen darüber, nicht über das Produkt, sondern über die Firma, die dieses Produkt herstellt, wenn diese gerankt sind. Also würde dann schreiben, zum Beispiel, dass die Firma, die dieses Bier herstellt im Ranking der good companies auf Platz 2 von 100 steht. Die haben sich da kennen gelernt. Beim Jour Fixe gibt es verschiedene Leute. Es gibt Leute, die kommen nur hin einmal vielleicht im Jahr und dann vielleicht gar nicht mehr und es gibt Leute die wirklich sehr aktiv teilnehmen und Maurice ist einer davon. Er kommt dann zu mir und sagt, dass es sehr nett wäre, wenn wir den oder den einladen würden. Und so komme ich dann auf solche Leute wie Dorian. Also werden uns die aktiv vorgeschlagen. Leute schreiben uns an oder über Facebook werden uns Sachen geschickt. Man trifft Leute zufällig auf einem Kongress wieder und sagen, he hast du schon mal darüber nachgedacht oder auch im Jour Fixe, da sagt jemand, ja den kenne ich, den sollten wir einmal einladen. Ich sage den Bescheid, der sollte euch einmal schreiben. Und das ist ganz erstaunlich, wir müssen nur ganz wenig Eigeninitiative machen. Speziell beim Jour Fixe kommen die Leute zu uns. Wir laden also so gut wie keinen mehr ein, weil, also die vier, alle 2 Monate, die bekommen wir immer. Frage: Darf man ohne Einladung auch zum Jour Fixe gehen? Roman: Also. Teilnehmen darf jeder. Es dürfen alle da hin kommen. Wenn jemand etwas vorstellen möchte, dann müssen wir das einplanen. Also wenn es sagt, ganz kurz irgendwie und wir haben noch Zeit, dann kann er präsentieren, aber kurz. Wenn es zu lange dauert, unterbrechen wir ihn und sagen, du kannst das beim nächsten Mal vorstellen, aber jetzt nicht. Also gibt es schon eine gewisse Agenda, die wir verfolgen. Wir haben uns schon vorgenommen, diese Agenda sehr stringend durch zu moderieren. Es ist aber interessant, dass das Jour Fixe ein ganz anderer Stiefel ist, als die Themenreihe. Also bei der Themenreihe, die Initiative trifft sich einmal im Monat. Frage: Wie viele Leute kamen da? Roman: Also das hat sehr geschwankt. Wir hatten Treffen mit drei Leuten bis Treffen mit 25 Leuten. Frage: Waren die Macher der Initiative immer die gleichen? Roman: Das sich immer stark abgewechselt. Ich habe das ganz lange ganz, viel gemacht. Ich war als Vorstand eine sehr treibende Kraft und die Initiative war schon sehr mein Projekt, aber mit mir waren fünf, sechs Leute, die ganz viel gemacht haben. Später wurde ich dann ersetzt durch Ben, Laura, Adriana und Klaus, die sich das irgendwie aufgeteilt haben. Die legen da gerade so viel Herzblut rein. Das ist echt toll, zu beobachten. Erstaunlich ist das besonders bei Adriana und Laura, weil die schon so aktiv waren, als ich schon dort war und da aber gar nichts gemacht haben und jetzt auf einmal so Gas geben. Das ist ganz eigenartig. Anton: Mitglieder dazubekommen ist die eine Sache, aber die Mitglieder so zu sagen bei der Stange zu halten eine andere. Wie macht ihr das? Was habt ihr dazu unternommen? 346 Roman: Es gibt dazu keinen speziellen Modus. Die Leute kommen meisten zu uns, weil sie von uns gehört haben oder weil sie einmal bei einem Vortrag der Initiative waren. Die Initiative hat inzwischen einen Verteiler von 700 Leuten, der sich über die Jahre gesammelt hat und dadurch entsteht eine Bekanntheit. Es kommen dann immer wieder Reaktionen von Leuten, ich würde gerne einmal zu einem Treffen kommen, es klingt total spannend, was ihr da macht. Und daraus kamen immer wieder neue Leute dazu. Teile sind dann abgefallen, Teile sind geblieben sehr aktiv geblieben. Das Ganze ist hochkomplex, man kann überhaupt keine Regeln daraus machen. Warum sie zu uns gekommen sind, warum sie geblieben sind, weiß ich nicht. Also…wie bringt man Menschen dazu, aktiv zu bleiben? Ich weiß es nicht. Ich kann dafür überhaupt keine Formel nennen. Man muss dazu sagen, so was wie eine Themenreiht ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Da muss man 12 Vorträge organisieren, 12 externe Referenten, sie müssen alle kommen, sie kriegen nichts bezahlt, man muss die ganze Werbung dafür alleine machen. Wir haben auch keine Kohle, aus der wir das Ganze bezahlen hätten können. Das SOWI-Institut hat einmal angeboten, dass wir bei denen die Plakate machen dürfen. Später gab es Mitgliedsbeiträge, mit denen wir die Sache finanziert haben, aber sonst lief das Ganze immer über da Institut, die das Ganze betreut haben. Anton: Warum kommen die Menschen zu euch? Roman: Also speziell bei der Initiative würde ich sagen, weil wir gut Vorträge organisiert haben. Also bei der Themenreihe war es expliziert, wir hatten gute Referenten und sehr tolle Diskussionen darin und es gab dazu immer danach die Möglichkeit, mit den Referenten zu diskutieren. Das war für viele Leute einfach spannend. Das wurde uns auch immer wieder so zugetragen. Das war ein Grund, dass viele Leute dahin gekommen sind. Und viele haben auch die Möglichkeit wahrgenommen, da selbst mitzumachen. Die gesagt haben, ich finde dieses Thema total spannend. Wir haben dazu immer gesagt, ihr könnte etwas vorschlagen, ihr könnte etwas durch moderieren, das ist eine große Chance für euch, wir stellen euch die Räume zur Verfügung und wir unterstützen euch. Wenn es keine totaler Blödsinn ist, können wir das schon machen. Das hat so funktioniert. Es kamen also immer wieder Leute auf uns zu. Akive Mitgliederwerbung haben wir so nie gemacht, weil dazu immer die Kapazitäten gefehlt haben. Frage: Sind die dann auch geblieben oder sind die dann gegangen nachdem ihr Thema abgehandelt war? Roman: Teils, teils! Es gab viele, die haben wirklich nur einen Vortrag organisiert und waren danach gleich wieder weg, es gab viele, die sind mal nur zu einem Treffen gekommen und waren dann auch wieder weg und es gab einige, die geblieben sind. Die weiter gemacht haben. Frage: Wie lässt sich das auf das vorher beschriebene Solarprojekt anwenden? Roman: Also beim Solarprojekt war das eine sehr kleine Gruppe. Das Ganze Projekt hat zweieinhalb Jahre gedauert. Also von der Idee bis zur Inbetriebnahme der Anlage. Ich bin auch erst später dazu gekommen. Und da sind auch Leute, die von Anfang an dabei waren wieder weggefallen. Weil ihr Studium vorbei war, weil irgendetwas anderes wichtiger war, ein Auslandssemsester, bei studentischen Initiativer ist es halt immer sehr schwierig. Frage: Warum haben die Leute dabei mit gemacht? Roman: Ich glaube, weil die die Idee so geil fanden. Also wir machen, wir bauen eine Photovoltaik-Anlage. Das ist etwas sehr, sehr handfestes. Du kannst ganz klar kommunizieren, wir machen die Energiewende an der Uni selber und es war ganz klar, auf was dieses Projekt zuläuft. Entweder wir bauen die Anlage oder wir bauen sie halt nicht. Bei der Themenreihe die läuft halt ewig so weiter und da gibt es irgendwie auch kein Ende, aber das 347 war dort sehr, sehr klar. Und man muss dazu sagen, wir haben das damals an der freien Uni gemacht und wir hatten sehr, sehr großes Glück, weil es gab dort einen Umweltbeauftragten, der uns sehr wohlgesonnen war und immer noch ist. Mit dem habe ich damals diese Energiesparkampagne gemacht und der hat für uns an der Uni den Weg freigemacht. Nachdem dieses erste Projekt so erfolgreich war, gab es ein zweites Projekt: UniSolar-Projekt 2 und die wollten das halt an den anderen Unis machen, aber das war mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden. An der Humboldt und an der Technischen Uni war das Projekt nicht durchführbar. Das war eine Gruppe von bis zu 15 Mitgliedern und die haben sich an diesem Projekt schlicht und ergreifend die Zähne ausgebissen, obwohl das andere Projekt unglaublich erfolgreich war. Durch eine Verzögerungstaktik wurden die so mürbe gemacht, dass sie zum Schluss das Handtuch geworfen haben. Es also sehr schwierig, Gründe zu benennen, warum das eine Projekt funktioniert hat und das andere nicht. Anton: Wenn die Menschen zu euch kommen, dann wissen sie, dass es um Nachhaltigkeit geht. Es gibt also ein Überthema Nachhaltigkeit und darunter werden verschiedene Themen gestartet? Roman: Genau. Also es ist wirklich die Initiative für Nachhaltige Entwicklung, die gesagt habt, wir sind die Initiative und ihr könnt unter unserem Dach Projekte machen, wie ihr wollt. Es gab auch immer wieder die Idee, dass man eine Zeitschrift macht und heraus gibt, aber daraus wurde nichts, das ist versandet. Ein andere Aspekt ist auch die neue Gestaltung des Studiums. Früher hatten die Studenten mehr Freiheiten, heute sind sie wesentlich mehr eingeengt. Sie fragen sich, ich kann in meiner eingeschränkten Freizeit kaum Sport einbringen, wie soll ich da Zeit für Ehrenamtliches haben? Die aktiven, die es heute gibt sind Studenten, die nach dem alten Studienplan studieren, teilweise auch solche, die an ihrer Diss arbeiten, Leute, die vielleicht auch schon mit der Uni fertig sind und sich noch einem Projekt verpflichtet fühlen oder es sind Leute, die kurz vor dem Bachelor stehen und damit mehr Freiräume haben oder die im Mast stehen und damit mehr Freiräume haben. Ich würde sagen, das ist ein wichtiger Faktor. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum es vor ein paar Jahren noch viel mehr Aktive gab als heute. Ich muss aber auch sagen, dass auch ich von dem Ehrenamt aufgefressen wurde. Ich wäre viel früher fertig geworden, wenn ich die Zeit für mein Studium aufgewendet hätte, aber es hat mit auch viel gebracht, viel mehr als das Studium. Anton: Eine andere Frage, die mich beschäftigt sind Krisen. Wenn Menschen zusammen kommen, entstehen auch Konflikte oder Krisen. Hat es bei euch Krisen gegeben? Roman: Ja. Das gab es schon immer wieder. Ich überlege gerade, um ein gutes Beispiel zu nennen. Ein ganz großes Thema war immer die Themenreihe als das Herzstück der Initiative für Nachhaltige Entwicklung und damit verbunden der Druck, jedes Semester ein vollständiges Program abzuliefern, also mindestens 8 Termine zu machen. Man muss sagen, man braucht dazu realistischer Weise mindestens 5 bis 6 Leute sonst schafft man das nicht. Im letzten Jahr als ich dabei war, war die Basis sehr schlecht und das führte dann auch meinerseits dazu, dass wir durch den Emailverteiler Ansagen verteilten wie, he Leute, wenn es nichts wird, dann machen wir nur zwei Vorträge oder wir lassen es ganz sein. Ich mache ein gewisses Pensum, dass sind jetzt zwei Vorträge, aber mehr kann ich nicht machen, darüber hinaus organisiere ich nichts. Das war dann so mein Druckmittel und wenn wir uns monatlich getroffen haben, haben wir auch einen Appell an die anderen geschickt. Und das hat schon gezeigt, dass regelmäßige Treffen, dass immer ein Mal im Monat stattfand und das war auch schon institutionalisiert, früher haben wir uns nur sporadisch getroffen und so hat sich gezeigt, dass man sich bei regelmäßigen Treffen besser motivieren kann und wirklich verpflichten. Das hat dann schon immer funktioniert. Aber meistens war der Konflikt eher eine Klage, oh schon wieder und warum klappt das denn jetzt nicht. Aber zu starken Reibereien ist es nicht gekommen. 348 Anton. Deine Drohung, es zu lassen, hat genützt? Roman: Das ist glaube ich so eine Sache. Ich glaube, wenn man sich wieder persönlich getroffen hat, das dazu beigetragen hat, sich wieder gegenseitig zu motivieren. Das hat dann schon funktioniert. Es ist noch keine Themenreihe ausgefallen, obwohl es bei der 12. und 13. danach ausgesehen hat. Das war sehr erstaunlich. Anton: Und warum? Roman: Ich glaube, ein wesentlicher Beitrag war, dass sich die Leute sehr stark mit der Themenreihe identifiziert haben und gesagt haben, he Leute die Themenreihe darf nicht sterben. Also, dass Studenten eine Ringvorlesung organisieren, war für Berlin einmalig und das seit 14 Semestern. Die Reihe läuft, man findet immer wieder Vortragende, es gehen einem nicht die Themen aus, es funktioniert also die ganze Zeit. Viele haben sich als Teil der Reihe begriffen. Manchmal musste man die Leute auch rütteln und anschreiben mit, he Leute es ist kurz vor knapp. Es ist noch zwei Wochen hin. Jetzt müssen wir es machen. Als ich dann ging war die Gruppe sehr klein und es fanden nur mehr 6 Vorträge pro Semester statt. Aber jetzt ist es wieder in eine neue Phase gegangen und die hatten gerade vor 2 Wochen wieder einen Vortrag, eine Kooperation mit einer anderen Initiative und es waren 120 Leute da. Es bedarf also eine starke Identifikation mit dieser Reihe auf die man sehr stolz sein kann. Eine ähnliche Motivation würde ich auch benennen für den Jour Fixe. Dadurch, dass ich jetzt arbeite, bin ich nur mir Klimathemen beschäftigt, den ganzen Tag und dann soll ich auch noch diesen Jour Fixe organisieren und da habe ich manchmal die Schnauze bis oben hin voll. Dann denke ich mir, ich mag nicht und dann gehe ich doch hin und finde es dann wieder voll geil und denke mir super. Ich bin dann immer wieder total überrascht und ich habe nach spätestens nach 5 Minuten die allerbeste Laune, ich bin wieder total voll motiviert, finde immer wieder interessante Leute und denke mir immer wieder woow so tolle Leute und bin wahnsinnig motiviert und denke mir, dem musst mal die Adresse geben, dem diese Handynummer oder Mailadresse. Ich kann also keine neuen Projekte mehr zu machen, weil ich mit meiner Arbeit und dem Jour fixe total voll bin. So motivieren wir uns auch gegenseitig. Frage: Ein heftiges Maß an intrinsischer Motivation? Roman: Ja. Aber die auch dann wieder einschläft. Eine Bekannte von mir, auch eine Umweltpsychologin hat dazu eine Studie gemacht wie stark sich Umweltengagierte in ihrem Engagement auch ausbrennen. Ich habe die Ergebnisse noch nicht gelesen, aber ich denke mir, da bin ich auch so drin und muss mich mehr zurücknehmen. Es gab Wochen, da bin ich auch drei Mal in der Woche in Nachhaltigkeitsgruppen drin und habe diskutiert, was man noch alles machen kann. Montags Uni-Solar, mittwochs Sparkampagne und dann donnerstags noch einmal über die Themenreihe reden. Das war dann auch viel, viel, viel zu viel. Anton: Mir ist gestern beim Jour fixe aufgefallen, dass es in dieser Gruppe verschiedene Rollen gibt. Besonders ist mir Uwe aufgefallen. Roman: Ich glaube, da muss man unterscheiden. Uwe hat eine Rolle, weil es schon sehr lange dabei ist. Vor allem jene, die schon lange dabei sind, wissen wie der Laden läuft. Gestern waren beim Jour Fixe zwei Drittel neue Leute da und ein Drittel Leute, die schon öfter gekommen sind. Die neuen spielen keine Rolle in dem Sinn, wie ich es den Rolle verstehe. Anton: Allgemein zu Finanzierung zum Beispiel beim Solarprojekt. Wie seid ihr das angegangen? Roman: Also wir haben viel über Spenden finanziert. Wir haben Jürgen Trittin als Schirmherr angesprochen und haben gesagt, er kann wohl mal 500 Euro geben. Das hat er dann auch gemacht. Dann hatten wir als Koopera- 349 tionspartner die freie Uni Berlin, bei denen haben wir was gedruckt. Dann gab es noch den Deutschen Naturschutzring, die haben auch noch etwas Geld dazu gegeben. So hatten wir etwas Geld, um den Graphiker zu bezahlen, die webside, die Flyer und die Plakate. Die Finanzierung des Jour Fixe kostet eigentlich nicht viel. Berlin 21 zahlt uns das Flyer-Drucken. Die Siebdruckwerkstätte ist gratis. Die Initiative für Nachhaltige Entwicklung findet am Institut für Sozialwissenschaften statt, weil das meine Professorin so protegiert hat. Da kriegen wir immer wieder so einen Raum, obwohl das manchmal auch schön schwierig war, wir haben Partnerschaften mit der GEPA, die uns für die Referenten immer Schokolade und Kaffee schenken, da müssen wir jedes Jahr wieder neu anfragen und die Initiative hat Mitglieder mit minimalem Beitrag von 6 Euro bis 24 Euro. So sammelt sich das zusammen. Wir mussten das dann irgendwann als Verein organisieren, weil das Solarprojekt so nicht durchführbar gewesen wäre. Wir brauchten dazu eine rechtliche Form. Deshalb haben wir für das Solarprojekt einen Verein gegründet, das unheimlich mühselig war. Anton: Danke!! 350