stbi 16935

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stbi 16935
NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT
URTEIL
vom
14.12.2005
Az.: 3 K 234/05
Orientierungssatz:
Eigenheimzulage
Von einer Eigennutzung einer Wohnung kann nur ausgegangen
werden, wenn neben dem Aufenthalt in der Freizeit auch noch
weitere Tätigkeiten erfolgen.
Revision eingelegt - BFH-Az. IX R 12/06
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Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin ab 2004 Eigenheimzulage i.H.v. DM 5.000 (€ 2.556,46) für ihre
Eigentumswohnung zu gewähren ist.
Die Klägerin hat mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 20. Oktober 2000 die o.g.
105 qm große 2 ½ - Zimmer-Wohnung im Obergeschoss für DM 137.000 erworben. Zu
diesem Zeitpunkt war sie noch ledig. Im Juni 2001 hat sie den Eigentümer der Erdgeschosswohnung im selben Haus geheiratet. Sie ist dann ins Erdgeschoss zu ihrem Mann gezogen.
Danach wurde das Obergeschoss eingeschränkt genutzt. Ein 18 qm großer Raum wird als
Büro für den Ehemann der Klägerin genutzt. Ein weiteres Zimmer wird als Bügel- und
Wäschezimmer sowie als Abstellkammer genutzt. Der größte Raum wird als Fernseh-,
Hobby- und Fitnessraum genutzt. Eine Schlafgelegenheit ist nicht vorhanden. Eine Küche
war im dafür vorgesehenen Raum zumindest ab 2004 nicht eingebaut. Im Bad war bei der
Besichtigung im Juli 2005 eine Badewanne vorhanden, Dusche und Waschbecken waren
nicht installiert. Das Bad wurde jedoch nicht genutzt. In der Küche sind alle Anschlüsse
vorhanden.
Im Bescheid vom 4. Januar 2001 wurde der Klägerin ab dem Jahr 2000 Eigenheimzulage
i.H.v. jeweils DM 5.000 jährlich gewährt. Aufgrund einer Nachschau im Oktober 2002 wurde
die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 2003 mit Bescheid vom 16. Januar 2003 aufgehoben. Mit Schreiben vom 31. Dezember 2004 beantragte der Klägervertreter für die
Klägerin erneut Festsetzung der Eigenheimzulage. Das Schreiben ist am 30. Dezember
2004 eingegangen. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 13. Januar 2005 abgelehnt. Ein
hiergegen eingelegter Einspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 5. April 2005 als
unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Die Klägerin macht geltend, dass im Jahr 2000 die Voraussetzungen für die Gewährung der
Eigenheimzulage gegeben gewesen seien. Sie sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet gewesen. Es habe sich bei der Wohnung im Obergeschoss 2000 sowie 2004 um eine
abgeschlossene Wohnung gehandelt. Es seien keinerlei bauliche Veränderungen vorgenommen worden. Da die Erdgeschosswohnung zu klein gewesen sei, seien nach der Heirat
auch Räumlichkeiten im Obergeschoss genutzt worden. Es sei nicht erforderlich für die
Gewährung der Eigenheimzulage, dass in der Wohnung im Obergeschoss tatsächlich ein
selbständiger Haushalt geführt werde. Es sei auch nicht erforderlich, dass sie und ihr
Ehemann wegen der Förderung von 2 Wohnungen auch 2 voll eingerichtete Küchen
vorzuhalten hätten. Die entsprechenden Anschlüsse seien vorhanden, eine Küche habe
sowohl durch eine Fachkraft wie auch durch einen Laien jederzeit eingerichtet werden
können. Die bewertungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Wohnung seien somit gegeben.
Das Obergeschoss werde zwar teilweise als Büro für den Betrieb des Ehemannes der
Klägerin genutzt. Aufgrund der Größe sei jedoch wegen der Überschreitung der Bemessungsgrundlage von DM 100.000 weiterhin Eigenheimlage in voller Höhe zu gewähren.
Die Nutzung der Obergeschosswohnung sei auf Dauer angelegt gewesen. In diesen Fällen
komme es nicht auf die Häufigkeit bzw. Dauer der tatsächlichen Eigennutzung an. Die
Wohnung sei unstreitig nicht vermietet gewesen. Daraus könne auf eine Eigennutzung
zurückgeschlossen werden. Sämtliche Anschlüsse seien vorhanden. Eine eingeschränkte
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bzw. nur gelegentliche Eigennutzung sei ausreichend für die Gewährung von Eigenheimzulage.
Er macht geltend, dass keine Küche vorhanden gewesen sei. Eine Küche stelle jedoch einen
notwendigen Nebenraum für eine Wohnung dar. Es sei vorliegend nicht einmal eine
Kochgelegenheit vorhanden gewesen. Das Objekt stelle deshalb keine förderungswürdige
Wohnung i.S.d. Eigenheimzulagengesetzes dar. Von einer Nutzung zu Wohnzwecken könne
auch nicht ausgegangen werden, da eine spärliche Möblierung vorhanden gewesen sei. Es
habe in der Obergeschosswohnung keine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, sowie keine
Eigengestaltung der Haushaltsführung und keinen häuslichen Wirkungskreis gegeben. Damit
eine Wohnung i.S.d. Gesetzes vorliege, müsse diese zur Deckung des dauernden Wohnbedarfes geeignet sein. Ein Vorhalten bzw. eine Mitbenutzung genüge nicht. Im Obergeschoss sei jedoch kein selbständiger Haushalt geführt worden. Es hätten weder
Übernachtungen stattgefunden noch sei das Bad benutzt worden oder Essen gekocht und
eingenommen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Der Beklagte hat zu Recht die Eigenheimzulage ab dem Jahr 2004 nicht gewährt, da es
an der erforderlichen Eigennutzung der Wohnung durch die Klägerin fehlt.
a. Die streitbefangene Wohnung der Klägerin stellt trotz des räumlichen Zusammenhangs
mit der ebenfalls geförderten Wohnung des Ehegatten im Erdgeschoss des Hauses,
grundsätzlich ein förderungswürdiges Objekt im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes dar,
da die Klägerin bei Erwerb der Wohnung im Jahr 2000 noch nicht verheiratet war. Die
Einschränkung gem. § 6 Abs. 1 S. 2 EigZulG ist deshalb nicht einschlägig. Bei Anschaffung
der Wohnungen lagen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Einkommensteuergesetz
(EStG) für eine gemeinsame Veranlagung mangels Eheschließung noch nicht vor (so auch
FG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 14. Februar 2001 1 K 1553/99 juris).
b. Es fehlt jedoch an der erforderlichen Eigennutzung der Wohnung durch die Klägerin.
aa. Nach § 4 Abs. 1 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) besteht der Anspruch auf Eigenheimzulage nur für Kalenderjahre, in denen die Anspruchsberechtigten die Wohnung zu
eigenen Wohnzwecken nutzen. Eine Wohnung wird dann zu Wohnzwecken genutzt, wenn
sie tatsächlich bezogen ist und die Räume wenigstens notdürftig mit Möbeln und sonstigen
Einrichtungsgegenständen ausgestattet wurden, so dass dort ein selbständiger Haushalt
geführt werden kann (Urteil des BFH vom 29. November 1988 IX R 91/85, BStBl II 1989,
322; Beschluss des BFH vom 28. Mai 2002 XI B 208/01, BFH/NV 2002, 1284). Hierunter fällt
der tatsächliche Gebrauch der Wohnung zum Wohnen (Beschluss des BFH vom 4. Mai 1999
IX B 38/99, BStBl II 1999, 587; Urteil des Finanzgerichts Köln vom 22. November 2002
14 K 3507/01, EFG 2003, 539). Der Eigentümer muss an der Wohnung die tatsächliche
Sachherrschaft an den seinen persönlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechenden Räume inne haben. Es ist weder erforderlich, dass sich der Berechtigte in der Wohnung
überwiegend aufhält, diese seine einzige Wohnung darstellt, noch dass es sich bei der
Wohnung um die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen handelt (Urteil
des BFH vom 23. Juli 1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160). Für die Auslegung des Begriffs
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Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S.d. § 4 EigZulG gelten die gleichen Rechtsgrundsätze
wie sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die entsprechenden Regelungen im
Einkommensteuergesetz (EStG) entwickelt wurden (Beschluss des BFH vom 4. Mai 1999
IX B 38/99, a.a.O.). Diese erfordert eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises (Urteil des FG Köln vom
22. November 2002 14 K 3507/01, EFG 2003, 539). Es wird teilweise davon ausgegangen,
dass eine auf Dauer angelegte Haushaltsführung neben einer Einrichtung mit einem Wohnund/oder Schlafzimmer auch entsprechende Küchen- und Sanitärräume erfordert (Urteil des
Finanzgerichts des Saarlandes vom 24. September 2003 1 K 62/02, EFG 2003, 1762). Das
FG Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass das Vorhalten einer Wohnung zur Unterbringung
von Gästen ausreichen kann (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2001
1 K 1553/99, juris).
In der Literatur wird die Dauer der Wohnnutzung im jeweiligen Jahr des Förderzeitraumes für
unerheblich angesehen. Es muss weder eine ständige noch eine zeitlich überwiegende
Wohnnutzung durch den Eigentümer erfolgen. Nicht ausreichend ist jedoch ein bloßes
Bereithalten der Wohnung während des ganzen Jahres ohne tatsächliche eigene Wohnnutzung oder Nutzung durch einen Angehörigen (Wacker, Kommentar zum EigZulG, § 4
RdNr. 12). Förderziel des Gesetzes ist die Vermögensbildung durch Wohneigentum und die
Altersversorgung (Wacker, § 4 RdNr. 14). Das Objekt muss zum ganzjährigen Bewohnen
durch den Eigentümer bestimmt und geeignet sein. Es muss die Führung eines Haushaltes
ermöglichen. Nicht erforderlich ist jedoch die ununterbrochene Nutzung der Räume als
Wohnung. Eine zusätzliche genutzte Wohnung als Zweitwohnung ist nicht notwendigerweise
als Ferien- oder Wochenendwohnung i.S.d. § 2 Abs.1 Satz 2 anzusehen (Blümig-Erhard § 4
EigZulG RdNr. 2 – 4). Sofern einzelne Räume nicht oder zu anderen als Wohnzwecken
genutzt werden, führt dies zur anteiligen Kürzung der Bemessungsgrundlage (Frotscher, § 4
EigZulG RdNr. 3).
bb. Nach der Überzeugung des Senats war bis zum Tag der mündlichen Verhandlung seit
2004 durch die Klägerin keine Eigennutzung der Wohnung zu Wohnzwecken gegeben.
Weder die Rechtsprechung noch Kommentierung haben sich bislang zur Frage der
Ausgestaltung einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S.d. EigZulG detailliert geäußert.
Die Nutzung einer Wohnung zu Wohnzwecken umfasst nach der Auffassung des Senats im
Wesentlichen 4 Bereiche, nämlich den Aufenthalt in der Freizeit, das Schlafen, das Kochen
und Essen sowie den Bereich der Körperpflege. Unstreitig wurde in der streitbefangenen
Wohnung weder gekocht, gegessen, oder geschlafen noch wurde das Bad für Zwecke der
Körperpflege genutzt. Dieses war nicht vollständig eingerichtet. Eine Kochgelegenheit – auch
nicht in der Form eines einfachen Ein-Platten-Herdes – war nicht vorhanden. Zudem war
keine Schlafgelegenheit gegeben und die Klägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung
nicht vorgetragen, dass sie oder Angehörige in der Wohnung geschlafen hätten. Somit
wurden 3 der vorgenannten 4 Bereiche in der streitbefangen Wohnung nicht bedient. Die
hierauf entfallenden Verrichtungen wurden ausschließlich in der Wohnung des Ehemannes
der Klägerin im Erdgeschoss vorgenommen. Die Klägerin und ihr Mann haben sich in der
Wohnung nur in ihrer Freizeit, z.B. für Fitness-Training sowie zum Fernsehen mit Freunden,
aufgehalten. Diese Nutzung erfüllt deshalb nicht die Voraussetzungen für eine förderungswürdige Nutzung zu Wohnzwecken. Als nicht entscheidend hat es der Senat hierbei angesehen, dass nur eine zeitlich beschränkte Nutzung für wenige Stunden am Tag stattgefunden hat. Auch eine grundsätzlich spärliche Möblierung alleine kann noch nicht zur Versagung der Eigenheimzulage führen. Entscheidend ist vielmehr, ob die vorhandenen Ein-5-
richtungsgegenstände es zulassen, dass alle 4 Bereiche häuslichen Lebens bedient werden
können und ein solches Verhalten von Steuerpflichtigen auch gegeben ist. Dies ist hier
jedoch nicht der Fall.
Auch hat der Senat es als gegeben angesehen, dass eine Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne vorliegt. Die Abgeschlossenheit der Wohnung ist gegeben, zudem sind alle
erforderlichen Anschlüsse vorhanden. Der Senat sieht alleine den Umfang bzw. die Qualität
einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aufgrund der eingeschränkten Tätigkeiten, die im
Obergeschoss ausgeübt wurden, als nicht gegeben an. Bei der gegebenen Nutzung der
Räumlichkeiten haben diese nicht den Charakter einer eigenständig genutzten Wohnung,
sondern es ist lediglich eine Ergänzungsfunktion zur Wohnung im Erdgeschoss gegeben.
Die Nutzung der Wohnung im Obergeschoss ist eher der Nutzung eines Hobby- und
Hauswirtschaftsraumes vergleichbar, wie dies häufig z.B. in Kellerräumen von Häusern der
Fall ist. Eine solch eingeschränkte Funktion erfüllt jedoch nicht die Voraussetzung für eine
gesonderte Förderung nach dem EigZulG.
cc. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Nutzung eines Zimmers als Büro der Gewährung
von Eigenheimzulage grundsätzlich nicht entgegensteht, da diese allenfalls zu einer
entsprechende Kürzung der Bemessungsgrundlage führen würde, die sich jedoch nicht auf
die Höhe der Eigenheimzulage auswirkt. Es wäre eine Kürzung um 18/105 der
Bemessungsgrundlage von DM 137.000 vorzunehmen, so dass noch Anschaffungskosten
i.H.v. DM 113.514 verbleiben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -.
Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage des
Nutzungsumfanges einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken grundsätzliche Bedeutung
hat.