ii 15/05-03

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ii 15/05-03
Bundesfinanzhof
Urteil vom 04.11.2004
Aktenzeichen III R 13/04
Gründe
I. Die 1917 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete auf dem
Grundstück ihrer Tochter einen Anbau an das Haus ihrer Tochter. Diesen Anbau finanzierte sie aus eigenen Mitteln. Der Anbau hat einen eigenen Zugang von außen,
ist aber nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) auch durch eine Tür mit
der Wohnung der Tochter verbunden. Der Anbau besteht aus Flur, WC, Dusche, einem Abstellraum und einem Wohnschlafraum. Er hatte eine Wohnfläche von 24,92
qm zuzüglich der Nutzfläche für den Abstellraum und die Garage. Die Herstellungskosten betrugen mehr als 100 000 DM. Der Anbau wurde im Streitjahr 2000 fertig
gestellt und ab Fertigstellung von der Klägerin bewohnt. Er war auf ihre Wohnbedürfnisse als Pflegebedürftige zugeschnitten. Die Pflege übernahm die Tochter der Klägerin.
Die Klägerin beantragte ab dem Jahr 2000 Eigenheimzulage für den Anbau. Auf dem
Antragsformular gab sie folgende Erklärung ab:
„Vor Beginn des auf meine Kosten zu erstellenden Anbaus ist mit meiner
Tochter als Eigentümerin des Grundstücks mein Dauerwohnrecht vereinbart
worden. Meine Tochter und mein Sohn, die auch im X-Weg wohnen, sind
meine Alleinerben.”
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte die Gewährung
von Eigenheimzulage mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht Eigentümerin
des Grundstücks, auf dem der Anbau errichtet worden sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Während des Klageverfahrens legte die Klägerin eine vom 13. März 2001 datierende
Nutzungsvereinbarung vor, nach der ihr ein lebenslanges und vererbliches Nutzungsrecht an dem Anbau zustehe. Des Weiteren hat sie nach Aufforderung durch das FG
eine Zeichnung vorgelegt, in der eine Küchenzeile mit Herd, Spüle und Kühlschrank
eingezeichnet sind. Weiterhin legte sie eine Rechnung über den Kauf einer Spüle
sowie die Einrichtung der Anschlüsse vor.
Das FG gab der Klage statt. Es war der Auffassung, die Klägerin sei wirtschaftliche
Eigentümerin des von ihr errichteten Anbaus. Da die Räume des Anbaus die bewertungsrechtlichen Merkmale einer Wohnung erfüllten, insbesondere nach außen abgeschlossen und selbständig durch eine Haustür erreichbar seien, stehe der Klägerin
eine Eigenheimzulage nach § 2 Abs. 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) zu.
Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1285 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts (§ 2 EigZulG).
Das FG habe den Anbau, der über eine Verbindungstür zur Hauptwohnung verfüge,
zu Unrecht als selbständige, nach außen hin abgeschlossene Wohnung angesehen.
Denn nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Oktober 1998 X R
157/95 (BFHE 187, 445, BStBl 1999 II S. 91) liege eine Wohnung im Sinne der Eigenheimförderung dann nicht vor, wenn in einem Gebäude mit mehreren Wohneinheiten die bauliche Abgeschlossenheit fehle.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Unter Vorlage von Lichtbildern trägt sie vor, die Tür sei durch Rigipsplatten mit
Schaumstoffpolstern zur Dämmung verschlossen worden.
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Ein Anbau ist nach § 2 Abs. 2 EigZulG als Ausbau oder Erweiterung an eine Wohnung nur begünstigt, wenn der Anspruchsberechtigte auch (wirtschaftlicher) Eigentümer der Wohnung ist. Ist er lediglich wirtschaftlicher Eigentümer des Anbaus, steht
ihm —wie das FG zutreffend angenommen hat— eine Eigenheimzulage nur zu,
wenn er durch den Anbau eine Wohnung i.S. des § 2 Abs. 1 EigZulG hergestellt hat
(BFH-Urteile vom 7. März 2001 X R 82/95, BFHE 195, 214, BStBl 2001 II S. 481, zu
§ 10e des Einkommensteuergesetzes —EStG—, und vom 4. Dezember 2001 IX R
34/98, BFH/NV 2002, 761, zum EigZulG).
Nach der Rechtsprechung zu § 10e EStG ist der Begriff der Wohnung bei der Eigenheimförderung im bewertungsrechtlichen Sinn zu verstehen (BFH-Urteil in BFHE
187, 445, BStBl 1999 II S. 91). Hieran ist auch für das EigZulG festzuhalten. Unter
einer Wohnung i.S. des § 2 EigZulG ist hiernach die Zusammenfassung mehrerer
Räume zu verstehen, in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Es
müssen daher eine Küche oder zumindest eine Kochgelegenheit, Bad oder Dusche
und WC vorhanden sein. Außerdem müssen in Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten die Räume baulich gegenüber anderen Räumen abgeschlossen sein und einen
eigenen Zugang haben (BFH-Urteil in BFHE 187, 445, BStBl 1999 II S. 91, m.w.N.).
Abgeschlossenheit bedeutet eine baulich vollkommene und dauerhafte Trennung.
Das ist nicht der Fall, wenn die Wohneinheiten durch eine Tür miteinander verbunden
sind (BFH-Urteil vom 13. November 1991 II R 92/89, BFH/NV 1992, 723, m.w.N.;
BFH-Beschluss vom 13. August 1996 II B 102/95, BFH/NV 1997, 97, m.w.N.; vgl.
auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 1986 8 C 23/84 , Neue
Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1987, 785).
2. Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen und hat die Herstellung einer eigenen Wohnung durch die Klägerin angenommen, obwohl es im Tatbestand des Urteils ausführt, die Wohnung sei durch eine Verbindungstür mit der
Wohnung der Tochter der Klägerin verbunden. Das Urteil war daher aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat zwar festgestellt, dass sich zwischen beiden Wohnungen eine Verbindungstür befindet. Diese Annahme beruht zum einen auf
dem Vortrag des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Klageverfahren.
Zum anderen ist der Durchbruch aus den Bauplänen ersichtlich. Die Frage, ob die
Wohnungen gegeneinander abgeschlossen sind, war allerdings während des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht erörtert worden, weil das FA bereits das wirtschaftliche
Eigentum der Klägerin an dem Anbau bestritten hatte. Die Kläger hatten daher —wie
sie zu Recht geltend machen— keine Veranlassung vorzutragen und ggf. nachzuweisen, dass die Wohnungen gegeneinander abgeschlossen seien. Die Sache ist
daher zur Aufklärung dieses Punktes an das FG zurückzuverweisen.