Erosion
Transcrição
Erosion
Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Bodenerosion Unter Bodenerosion versteht man in der Bodenkunde die Abtragung von Bodenmaterial durch Wasser oder Wind. Die Erosionsgefährdung steht in engem Zusammenhang mit klimatischen, pedogenen und auch anthropogenen Einflüssen. Die Bodenerosion ist ein natürlicher Prozeß, der in der Erdgeschichte und Bodengenese eine große Rolle spielt. In unserem Bewußtsein viel wichtiger ist aber die Erosion als Bodenschutzproblem, als Gefährdung für die Fruchtbarkeit weiter Landstriche. Dabei fallen einem zunächst stets die dramatischen Erosionsvorgänge der klimatisch stärker gefährdeten semi-ariden oder humiden Gebiete ein. (vgl. Skript zum Block "Tropische Böden"). Diese Lehreinheit setzt den Schwerpunkt auf die Verhältnisse in Deutschland mit folgenden Lernzielen: -) Kenntnis der Prozesse und Faktoren von Wind- und Wassererosion -) Umsetzung dieser Kenntnisse zur Abschätzung von Erosionsrisiken -) Entwicklung eines Problembewußtseins und Fähigkeit zur Bewertung der ökologischen Konsequenzen der Bodenerosion Jede Erosion besteht aus 3 Phasen: Zunächst müssen Bodenteilchen mobilisiert werden, dann transportiert und zuletzt werden sie sedimentiert. Dabei entstehen Schäden im anthropozentrischen Sinne nicht nur durch den Verlust von Bodenmaterial (on site), sondern auch durch die Ablagerung in Kanalisationen, Straßen, Gewässern und Stauseen (off site). Dabei kann die wirtschaftliche Bedeutung der off-site Schäden kurzfristig viel bedeutsamer sein als die der on-site Schäden. Wichtigste Agentien der Erosion sind Wind und Wasser. Tabelle 1 zeigt die grundsätzlichen Unterschiede bei der Auslösung und Wirkung dieser Agentien. bevorzugte Substrate* Richtung Topographie Bodenfeuchte Geschwindigkeiten Erosionsformen Sedimentation Mobilisierung Wind Feinsande wechselnd eben niedrig größer Flächen stark sortierend "particle impact" Wasser Schluffe abwärts Hanglagen hoch geringer Linien und Flächen schwach sortierend "splash" *diese Korngrößenangabe bezieht sich darauf, welche Substrate bei uns durch das Zusammenspiel aller Faktoren überwiegend betroffen sind, physikalisch besser mobilisier- und transportierbar sind durch Wind kleinere Korngrößen (Schluff) als bei Wasser. Wir grenzen in diesem Fall den Massenversatz (z.B. Hangrutschen, Solifluktion etc.) von der Bodenerosion ab. Der Bodenabtrag durch Bodenerosion kann grundsätzlich als eine Funktion von Erosivität des Regens bzw. des Windes und der Erodierbarkeit des Bodens angesehen werden: Abtrag [t/ha] = f(Erosivität * Erodierbarkeit) -1- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Wegen der erheblichen Unterschiede in der Wirkung der Luftströmung und des Niederschlages in Bezug auf den Boden erfolgt die Beschreibung dieser Wirkungen im Folgenden getrennt. Winderosion: Erosivität: Dazu steht am Anfang die anscheinend triviale Aussage, daß die Erosivität von der Windgeschwindigkeit abhängt. Aber von welcher? Bedingt durch die Turbulenz der Luftströmung nimmt die Windgeschwindigkeit in Bodennähe mit der Höhe logarithmisch zu: FG IJ H K 1 z v (z ) v * ln z0 Darin repräsentiert v(z) die Geschwindigkeit in Höhe z, Ú (kleines Kappa) den KármánFaktor (bei neutraler Schichtung 0.4), z0 die Rauhigkeitshöhe, in der v(z) den Wert 0 annimmt (näherungsweise 1/30 der Höhe der Strukturen) sowie v* , die sogenannte Schubspannungsgeschwindigkeit. Die Schubspannungsgeschwindigkeit v* ist der Proportionalitätsfaktor der Geschwindigkeitszunahme mit der Höhe: Nimmt die Höhe um den Faktor 2.7 (e) zu, nimmt die Geschwindigkeit um den Wert v*/0.4 zu. Die Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen Windgeschwindigkeit, Schubspannungsgeschwindigkeit und Oberflächenrauhigkeit. Dabei zeigt sich bei gegebener Windgeschwindigkeit eine klare Zunahme der Schubspannungsgeschwindigkeit mit der Rauhigkeitslänge sowie bei gegebener Rauhigkeitslänge ein linearer Anstieg der Schubspannungsgeschwindigkeit mit der Windgeschwindigkeit in 10m Höhe. Dies ist jedoch kein kausaler Zusammenhang, denn alle drei Parameter (v*, v(z) und z0) ergeben sich als kompliziertes strömungsmechanisches Gleichgewicht aus der von der Oberfläche unbeeinflußten Windgeschwindigkeit, der Oberflächenbeschaffenheit auf allen Skalenebenen, der Temperaturschichtung und anderen Parametern. -2- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Mit großräumigen Winddaten ist es somit kaum möglich, quantitative Rückschlüsse auf die Erosivität an Einzelstandorten zu gewinnen. Die Mobilisierung von Bodenteilchen kann nun auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: a) "Fluid impact": Durch die Luftströmung wird ein "Winddruck" (Schubspannung) auf hervorstehende Teilchen ausgeübt, der mit dem Quadrat der Schubspannungsgeschwindigkeit ansteigt: 2 (v*) DLuft m2 kg kg [ 2 3 2 Pa ] s m s m Darin ist ã (kleines Tau) der "Winddruck", Dluft die Dichte der Luft. Diese Schubspannung wirkt auf die Oberfläche der Teilchen und setzt sie durch Schub und Drehung , wenn die durch das Eigengewicht und die Kohäsion mobilisierbaren Kräfte überschritten werden, in Bewegung. Die kritische Schubspannungsgeschwindigkeit steigt mit Dichte und Durchmesser der Partikel an. b) "Particle impact": Wird eine Partikel durch eine Windbewegung hochgeschleudert, erfährt es eine Beschleunigung im Abstand vom Boden (Geschwindigkeitszunahme). Das Teilchen nimmt dann eine ballistische Flugbahn an und trifft in flachem Winkel wieder auf andere Teilchen. Die Beschleuningung der vergleichsweise schweren Bodenpartikel verleiht ihnen eine erhebliche kinetische Energie, die die Mobilisierung auch größerer Teilchen bzw. das Zertrümmern von Aggregaten erlaubt. Die Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen Korngröße und kritischer Schubspannungsgeschwindigkeit für den Fall des reinen Strömungsdruckes und die durch losgerissene Partikel verstärkten Kräfte. So wird beispielsweise bei v* von 0.4m/sec durch Strömungsdruck nur Feinsand mobilisiert, mit "particle impact" auch der Mittelsand. In diesem Zusammenhang kommt bei einem Erosionereignis dem erstmaligen Herausreißen einzelner Partikel die Eigenschaft eines Schwellenereignisses, das eine Kettenreaktion auslöst: Jedes dieser beschleunigten Partikel kann wiederrum zahlreiche andere Partikel in Bewegung setzen. Dieser Effekt des schlagartigen Ansteigens des Auswehens wird "avalanching" genannt. Der Partikeltransport durch Wind kann in drei Typen aufgeteilt werden: -3- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 a) Kriechen: haupsächlich Grobsandpartikel (0.5-2mm), die, angestoßen durch springende Körner rollend oder reibend wenige Meter im Kontakt zur Bodenoberfläche fortbewegt werden. b) Saltation: Springende Bodenteilchen, i.d.R. bis 30cm Höhe bei einem Sprunghöhen/Weiten-Verhältnis von 1:10. Wichtigste Korngröße ist der Mittelsand. Die Hauptmasse der 'Winderosion erfolgt durch Saltation. c) Suspension: Mobilisierte Partikel, deren Fallgeschwindigkeit kleiner ist als die turbulente Vertikalkomponente des Windes (entspricht der Schubspannungsgeschwindigkeit) können über sehr weite Entfernungen in großen Höhen transportiert werden. Unter "normalen" Windbedingungen (v* <=1m/sec) unterliegen nur Schluffpartikel dem Transport durch Suspension. Ca. 10% der Erdoberfläche sind von staubförmig verblasene Sedimente mit dominierender Korngröße 10-50µm (Schluff) bedeckt in Schichtdicken bis zu 100m, die als Löß bezeichnet werden. Wird der Schwellenwert für die Mobilisierung (kritische Schubspannungsgeschwindigkeit) überschritten, steigt die Transportkapazität in Abhängigkeit von der Schubspannungsgeschwindigkeit mit der 3.Potenz an. Durch die Mobilisierung von Partikeln wird Energie verbraucht und es kommt bei gegebener Schubspannungsgeschwindigkeit zu einer Sättigung, d.h. durch die Mobilisierung wird die zur Verfügung stehende Energie verbraucht. Ein aggressives "Sandstrahlgebläse", das in der Lage ist Aggregate und Krusten aufzubrechen, tritt vor allem dann auf, wenn noch freie Energie im teilweise beladenen Luftstrom vorhanden ist. Die Erosivität der Winde steigt mit Nähe zum Meer sowie in denHochlagen stark an (warum wohl?). Die mittleren Windgeschwindigkeiten in weiten Gebieten Niedersachsens, Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns entsprechen mit Werten über 4m/sec den Werten in den Hochlagen des Schwarzwaldes. Tatsächlich bietet die mittlere Windgeschwindigkeit nur einen groben Anhalt für die Gefährdung, da wegen des Schwellencharakters der Mobilisierung sowie der extrem zunehmenden Transportleistung des Windes mit der Geschwindigkeit einzelne Starkwindereignisse das Erosionsgeschehen kontrollieren. -4- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Erodierbarkeit: Je kleiner die Körner sind, desto ungünstiger wird das Verhältnis zwischen Oberfläche und Gewichtskraft. Da aber mit zunehmender spezifischer Oberfläche die Kohäsion der Partikel zunimmt, liegt das Mobilisierungsoptimum im Bereich Schluff bis Feinsand. Humusarme, vegetationsfreie und trockene Feinsande und Grobschluffe ohne Verkrustungen können hinsichtlich ihrer Erodierbarkeit mit Windkanalexperimenten untersucht werden und erlauben die Aufstellung relativ einfacher mechanischphysikalischer Mobilisierungsmodelle (vgl. das obige Mobilisierungsdiagramm). Eine direkte Übertragung solcher Ergebnisse und Überlegungen auf Böden ist jedoch kaum möglich. Im Hinblick auf die Erodierbarkeit spielt jedoch die reale Korngrößenverteilung (d.h. einschließlich stabiler Aggregate) eine entscheidende Rolle. Konventionell wird in den empirischen Ansätzen zur Herleitung von K-Faktoren der Anteil erodierbarer Partikel mit Durchmessern < 0.6-0.8mm verwendet.. Dieser Anteil geht überproportional in die K-Faktoren ein, da kleine Anteile ausblasbarer Partikel von ihren gröberen Nachbarn geschützt werden können. Zweiter Faktor ist die Bodenfeuchte, denn nur trockene Böden werden verblasen. Das liegt daran, daß die Wassermenisken zwischen den Partikeln in der Grenzfläche zur Luft eine erhebliche Kohäsionswirkung aufweisen: Sobald man zwei vollständig benetzbare Partikel, zwischen denen ein Wassermeniskus liegt, von einander entfernt vergrößert sich die Luft-Wasser Grenzfläche, nähert man sie einander an, verkleinert sie sich. Insofern wirkt die Oberflächenspannung des Wassers als Kraft, die die Partikel aufeinander drückt.. Die Abbildung zeigt die kritische Schubspannungsgeschwindigkeit für Mittelsand (d= 0,44 mm) in Abhängigkeit vom Wassergehalt. (aus Funk und Frielinghaus) Die Bodenfeuchte ist jedoch, insbesondere bei Wind keine statische Größe. Windeinwirkung führt kurzfristig zur oberflächlichen Austrocknung. Dies kann z.B. an Stränden beobachtet werden, bei denen der Grundwasserspiegel nur wenige cm unter der Oberfäche liegt, die obersten cm dennoch völlig trocken sind. Da der erodierende Angriff an der Grenzfläche Boden-Luft erfolgt, ist es für die Erodierbarkeit unerheblich, ob nur wenige mm an der Oberfläche austrocknen oder das ganze Solum. Somit kommt der kapillaren Aufstiegsgeschwindigkeit im Falle der Erodierbarkeit eines Bodens ein be-5- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 deutsamer Einfluß zu. Sie kann durch die Abhängigkeit der ungesättigten Wasserleitfähigkeit vom Wassergehalt beschrieben werden. Allgemein gilt: Je grobkörniger ein Substrat ist, desto schneller bricht der kapillare Aufstieg bei Austrocknung zusammen. Mittel- und Feinporenreiche, schwach aggregierte Substrate weisen die höchsten ungesättigten Wasserleitfähigkeiten auf und sind schneller in der Lage, Wasser aus tieferen Bereichen an die Bodenoberfläche zu transportieren. Der Einfluß der Oberflächenrauhigkeit auf die Erodierbarkeit ist auf verschiedenen Skalenebenen zu betrachten: 1. Einzelne, prinzipiell verlagerungbereite Körner (<2mm), 2. grobe Aggregate (bis 100mm), 3. Mesotopographie (z.B. durch Bodenbearbeitung, bis 300mm) und 4. Topographie. Erfolgt bei gegebener Schubspannnunsgeschwindigkeit der Enegieverlust des Windes in Bodennähe durch die kleinste Skalenebene, kann dieser Energieverlust in Erosion umgesetzt werden. Eine grobschollige Bodenbearbeitung (2. bis 3. Klasse) kann hingegen sehr erosionsmindernd wirken. Die 4. Klasse hingegen sollte eher als Faktor der Erosivität als der Erodierbarkeit betrachtet werden. Je "rauher" die Bodenoberfläche durch den Pflanzenbestand wird, desto geringer wird die auf den Boden übertragenen Energie. Sobald die Höhe zo nicht mehr unmittelbar an der Bodenoberfläche, sondern an der Bestandesoberkante definiert ist, unterliegt der Boden keiner erosiven Kraft mehr. Die dem Wind entzogene Energie sinkt, wenn der Bewuchs flexibel reagiert. Lockere und sehr nachgiebige Ansaaten können die Schubspannungsgeschwindigkeit am Boden erhöhen. Der "klassische" Erosionsschutz gegen Winderosion sind Heckenpflanzungen oder Baumreihen zwischen den Schlägen. In Schleswig-Holstein werden solche schmalen Waldstreifen "Knicks" genannt. Wegen der begrenzten Reichweite dieser Einrichtungen bei nicht unerheblichem Flächenverbrauch, Störung der Maschinenbeweglichkeit und Beschattung ist der Erhalt von Windschutzpflanzungen in der industriellen Agrarlandschaft konfliktträchtig. Schäden durch Winderosion a) on site: Verlust von Feinanteilen im Oberboden mit relativer Anreicherung grober Bodenbestandteile. Damit Verlust an Kationenaustausch- und Wasserspeicherkapazität und Nährstoffen. Verlustraten von über 10t/ha/a sind in gefährdeten Lagen keine Seltenheit. (wieviel mm Boden gehen dabei verloren?) Da bereits wenige t Verlust pro ha i.d.R. die Bodenbildungsgeschwindigkeit weit überschreiten ist das Auftreten nennenswerter Winderosion nicht mit nachhaltiger Wirtschaftsweise vereinbar. b) off site: Verwehungen in Gräben und auf Verkehrswegen sind typische lokale offsite Schäden. Der staubförmige Ferntransport von Feinmaterial ("Suspension") hat bei -6- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 industrialisierter Landwirtschaft jedoch auch weitergehende ökologische Folgen. So werden solche Stoffe, die sehr fest an die Bodenmatrix gebunden werden wie Phosphat, unpolare Pestizide und Schadstoffe im Bereich der Bodenoberfläche angereichert. Bei Erosion werden besonders die feineren Partikel mit großer spezifischer Oberfläche von der Bodenoberfläche weggeführt und fallen als diffuser Eintrag in der Landschaft aus. Dabei werden auch empfindliche Ökosysteme wie Oberflächengewässer, Moore und andere dystrophe Pflanzengesellschaften belastet. Der Großteil der diffusen Phosphatbelastung der Landschaft muß der Erosion landwirtschaftlicher Flächen zugeschrieben werden. Wegen der oben beschriebenen relativen Anreicherung im erodierten Bodenmaterial bei gleichzeitig "grenzwertnaher" Belastung des Gesamtbodens können in Erosionsablagerungen Agrochemikalien über der Toxizitätsschwelle beobachtet werden. -7- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Erosion durch Wasser Wassererosion braucht grundsätzlich Wasserbewegung und ist somit an Gefälle gebunden. Hjulström-Diagramm zum Zusammenhang zwischen Fließgeschwindigkeit, Mobilisierung, Transport und Körnung. Eine Betrachtung des Wassers als erosives Medium kann mit dem Hjulström-Diagramm beginnen, daß den Zusammenhang zwischen Korngröße, Fließgeschwindigkeit und Mobilität zeigt. Befinden sich bereits dispergierte Körner im fließenden Wasser (Suspension), ist die Grenzfließgeschwindigkeit, bei der die Körner nicht mehr in der Schwebe gehalten werden können, nahezu linear von der Korngröße abhängig (Diesen Zusammenhang macht man sich auch bei der Korngrößenanalyse zu Nutze). Das heißt, grobe Körner werden nur bei hohen Fließgeschwindigkeiten transportiert (Gebirgsbäche), Feinpartikel auch bei minimalen Wasserbewegungen und somit auch über sehr weite Strecken. Ein ganz anderes Bild zeigt die für die Mobilisierung (also der Ablösung abgesetzter Körner) notwendige Geschwindigkeit: Sehr grobe Partikel werden mobilisiert, sobald sie der Wasserstrom in der Schwebe halten kann. Bei Schluff- und feinereren Partikeln gilt dies offenbar nicht. Durch Oberflächenkräfte haften die Partikel zusammen so zusammen, daß sie nur bei um Größenordnungen höheren Fließgeschwindigkeiten mobilisiert werden können, als für den Transport erforderlich wäre. Die höchste Erosionsgefähdung besitzen Sande, insbesondere Mittelsande. Der Schlüssel zum Verständnis der Bodenerosion liegt somit im Mechanismus der Mobilisierung, die durch den sogenannten "splash" (Zerplatschung) erfolgt. Die Wucht aufprallender Regentropfen zerschlägt Bodenaggregate und löst Bruchstücke ab, die zunächst in die Makroporen eingespült werden. Dadurch nimmt die Versickerung ab, es kommt zu oberflächlichem Abfluß. Hohe Fließgeschwindigkeiten ihrerseits sind Ursache weiterer Ablösung an den Fließbahnen. Der Oberflächenstrom nimmt Material bis zur Sättigung auf. Der Transport erfolgt in Rinnen oder an der Oberfläche als ein Gleichgewicht zwischen Ablösen und Ablagern. Reiner Transport erfolgt nur dann, wenn Scherwiederstände der Begrenzungen sehr hoch sind, wie es in Kanalisationsröhren oder oft in Flußrinnen der Gewässer der Fall ist. Wird die Fließgeschwindigkeit geringer (Rauhigkeit der Oberfläche, Hangneigung) weden gröbere Partikel, dann feinere Partikel abgelagert. Typisch sind Schwemmfächer mit kleinräumig variabler Kornsortierung. Das Einschwemmen von Sanden in Kanali-8- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 sationssysteme ist ein riesiges wirtschaftliches Problem in Städten mit erodierenden Böden. Die Bedeutung des splash wird an der Ausbildung von Erdpyramidchen deutlich: Ein Kieselstein an der Oberfläche genügt, um die Mobilisierung zu vermeiden. Wirkung des Niederschlages auf einen aggregierten Boden: Durch die Aufplatschenergie "splash" wird Bodenmaterial mobilisiert, das zum Teil die Bodenporen versiegelt und den Oberflächenabfluß beschleunigt. Erosivität der Niederschläge Als Erosivität kann man die erosionswirksame Energie des Regens ansehen. Diese ergibt sich aus der splash-Wirkung, also aus der Kraft der auftreffenden Tropfen und aus der Fähigkeit, erosionswirksame Oberflächenflüsse zu induzieren. Letztere treten auf, wenn die Niederschlagsintensität die Infiltrationsrate des Bodens übersteigt. Es ist somit sofort klar, daß die Erosivität nicht durch eine gemittelte Niederschlagsmenge hinreichend charakterisiert werden kann. Die kinetische Energie des Regenwassers, also die Energie die das Wasser aus der Bewegung bezieht, kann mit folgender Formel berechnet werden: m E kin v 2 2 darin ist Ekin die kinetische Energie, m die Masse und v die Geschwindigkeit. (J=N*m=kg* m /sec2 *m). Regentropfen Masse Geschwindigkeit Kinetische Energie Niederschlagsmenge R Endgeschwindigkeit 5m/sec R 52 12.5R 2 Abfluß Annahme, daß 50% oberflächlich abfließt, 50% versickert: R/2 Geschwindigkeit 1m/sec 0.5R 12 0.25R 2 An diesem kleinen Modellbeispiel wird zweierlei deutlich: Zum Einen wird die Energie im Wesentlichen durch die Geschwindigkeit kontrolliert. Die in dem Modellbeispiel angegebene Zahl von 5m/sec tritt auf bei Tropfendurchmessern von ca. 1-2 mm wie sie auch in unserem Klima auftreten. In den Tropen können sind insbesondere bei sehr intensiven Regen diese Geschwindigkeiten noch deutlich größer. Außerdem wird deutlich, daß selbst bei diesen konservativen Annahmen die durch die Regentropfen erosionswirksam auf den Boden gebrachte Energie weit größer als die durch den oberflächlichen Abfluß, da Abflußgeschwindigkeiten in der Größenordnung der Aufprallgeschwindigkeit sehr unwahrscheinlich sind. -9- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Zu- sammenhang zw. Tropfengröße und Endgeschwindigkeit. Häufigkeiten der Tropfengrößen in Abhängigkeit von der Niederschlagsmenge. Bei den Versuchen, den Bodenverlust mit Daten der jeweiligen Niederschlagsereignsisse zu korellieren hat nur diese kinetische Energie als einziger Einzelparameter bei noch hohem Reststreuungsanteil einen nennenswerten Anteil der Variation erklärt. Das konnten weder die Regenmenge, noch die auf verschiedene Zeitintervalle bezogenen stärksten Intensitäten leisten. Es hat sich aber darüberhinaus als bester Parameter der Erosivität das Produkt aus Ei und I30 herausgestellt. Der I30 ist die Niederschlagsintensität in mm/h der 30-Minuten Periode des Regens, in der die höchste Menge gefallen ist. Wie wird nun die kinetische Energie der Regentropfen berechnet? Die Aufprallgeschwindigkeit als Funktion im Wesentlichen der Tropfengröße (Effekte durch Wind, Turbulenzen, unterschiedliche Tropfenbildungsprozesse bleiben unberücksichtigt) wird empirisch aus der Niederschlagsintensität I [mm/h] abgeleitet. Die Kurve des Regenschreiberdiagramms wird in durch Anlegen von Geradenabschnitten in beliebig viele Bereich gleicher Niederschlagsintensität aufgeteilt (= Steigung!). Für diese Bereiche gleicher Niederschlagsintensität werden mit den empirischen Formeln der USLE (s. u. ) Energiewerte berechnet. Darüberhinaus wird der 30Minuten Abschnitt gesucht, in dem die höchste Niederschlagsmenge gefallen ist. Diese wird verdoppelt und mit der Gesamtenergie des Regenereignisses multipliziert. -10- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Die stärkste gemessene 30-min-Intensität während eines Niederschlages geht als I30 in die Erosvitätsbestimmung ein. Sie kann graphisch aus Regenschreiberdaten abgegriffen werden. Die mittlere jährliche Erosivität ergibt sich aus der jährlichen Summe der EI30 Werte der Einzelregenereignisse über einen mehrjährigen repräsentativen Zeitraum. Bei der Wahl dieses Zeitraumes ist zu beachten, daß besonders erosive Niederschlagsereignisse zum Teil nur sehr sporadisch auftreten. Erosive Niederschläge sind, im globalem Maßstab formuliert, ein Problem der niederen Breiten zwischen den 40° Nord und Süd. Zum einen sind die Niederschlagssummen z.T. sehr viel höher als in den mittleren und hohen Breiten, darüber sind auch in den semi-humiden bzw. ariden Gebieten mit durchaus bescheidenen Jahresniederschlägen die einzelnen Regenereignisse oft unvergleichlich viel heftiger als bei uns. In der folgenden Tabelle sind typische Werte für die mittlere jährliche Erosivität als EI30 für einige Gebiete der Erde dargestellt. In den Tropen und auch den USA treten um Größenordnung größere Erosivitäten auf, als bei uns. Land Deutschland USA Kamerun Paraná (Brasilien) EI30 [kJ mm m-2 h-1] 30-150 (>70 nur in Gebirgen) 90-1000 400-3500 600-1200 In der folgenden Karte der großräumigen Verteilung der mittleren Regenerosivitäten in Deutschland, Frankreich und Österreich wird folgendes Muster erkennbar: In Deutschland nimmt die Erosivität der Niederschläge von Nord nach Süd sowie in den Gebirgen zu. Eine Spitzenstellung bei den Mittelgebirgen nimmt vergleichsweise großflächig der Nord- und Südschwarzwald ein. In Österreich wird hauptsächlich der Verlauf der Gebirge wiedergegeben. In Frankreich fällt die starke Nord-Süd-Gliederung auf. Die hohen Erosivitäten in Südfrankreich sind ein Ausdruck der Klimazone, die bereits als "winterfeuchte Subtropen" bezeichnet wird. -11- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Erodierbarkeit der Böden In den vorigen Abschnitten wurde bereits die Bedeutung der Bodenbedeckung z.B. durch Steine oder Vegetation erwähnt. Experimente haben gezeigt, daß durch eine Abdeckung des Bodens mit Vlies oder Sackleinen die Verschlämmung und der oberflächliche Abfluß vollständig unterbunden werden konnte. Mobilisierbarkeit, Infiltrationsrate bzw. Abflußbildung als Ergebnis des Zusammenwirkens der Bodeneigenschaften. Wenn Bodenpartikel mobilisiert werden und es gleichzeitig zu oberflächlichem Abfluß kommt, wird Boden abgetragen. Wichtigster Faktor der Mobilisierung und der Verschlämmung ist der "splash" dessen Ausmaß insbesondere von der Aggregatstabilität abhängt. Die Aggragatstabilität ist schwierig zu quantifizieren. Übliche Methoden bestehen in der Beobachtung des Aggregatzerfalls bei Naßsiebungen oder Besprühung. Wichtigste -12- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Aggregatbindemittel sind geflockte Tone, Oxide, Ton-Humus-Komplexe und auch Wurzel- und Hyphengeflechte. Der kolloidale Zustand des Bodens spielt eine entscheidenden Rolle bei der Aggregatstabilität. Gehen die Tone in den peptisierten Zustand über, werden die Bodenaggregate sehr verschlämmungsanfällig. Förderung und Schonung des Humuskapitals und intensive Wurzelerschließung (z.B. Grasfilz!) tragen erheblich zur Aggregatstabilisierung bei. Über diese beiden Pfade besteht kann durch gezielte Bodenbewirtschaftung erheblicher Einfluß auf die Erodierbarkeit genommen werden. Eine starke Aggregatdestabilisierung kann von der Luftsprengung ausgehen, die dann auftritt, wenn Luft im Aggregatinnern durch eindringendes Kapillarwasser gefangen wird. Die Kapillarkräfte können dadurch erhebliche Luftdrücke aufbauen, die zum auseinanderbersten der Aggregate führen. Zusammenhang zwischen gesättigter Wasserleitfähigkeit und Körnung. Die körnungstypischen Werte (Primärporung) können durch Verdichtungen bzw. sekundäre Strukturbildung erheblich modifiziert werden. Es kommt zu Oberflächenabfluß, wenn die Niederschlagsintensität die Infiltrationsrate übersteigt. In Böden mit schwacher Strukturbildung wird die Infiltrationsrate im Wesentlichen durch die körnungsbedingte Primärporung gesteuert. Sobald jedoch eine Sekundärstruktur (abiotische oder biotische Strukturbildung) auftritt, können die Infiltrationsraten insbesondere bei feinkörnigeren Substraten um Größenordnungen höher werden. Besonders leistungsfähige Drainagekanäle, die den Oberflächeabfluß verhindern können sind Regenwurmgänge. Obwohl Ackerflächen mit "Zero Tillage" (Null-Bodenbearbeitung) oft ein deutlich dichteres Gefüge mit ungünstigerer Belüftung aufweisen als frisch bearbeitete Äcker, ist das Infiltrationsvermögen wegen der Häufigkeit dieser stabilen Makroporen oft wesentlich höher. Im Regelfall wirkt eine Erhöhung der Lagerungsdichte erhöhend auf den Oberflächenabfluß. Fahrspuren, in denen die Infiltrationsraten durch Bodenverformungen um Größenordnungen geringer sind als im umgebenden Boden, sind oft Angriffspunkte für die Bodenerosion, da sie nicht nur die Bildung von Abfluß erst ermöglichen, sondern dann auch noch durch ihre Morphologie zu "Rennbahnen" für das Wasser werden können. Große Oberflächenrauhigkeit (z.B. Steine, grobe Aggregate, sonstige Unebenheit der Bodenoberfläche) vermindert die Erodierbarkeit, da die oberflächlichen Fließgeschwindigkeiten herabgesetzt werden. Ist der Boden wassergesättigt, so muß alles Wasser oberflächlich abfließen. Bei langen Niederschlagsperioden nimmt somit die Erodierbarkeit zu. -13- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Alle diese bodeneigenen Faktoren der Erodierbarkeit sind aber letztendlich weniger bedeutsam als die Topographie und die Bodenabdeckung: Auf einem Boden, der durch eine Abdeckung vollständig vom "splash" geschützt ist, wird die Erosion nahezu unterbunden: Abb. 13: Wirkung einer Mulchauflage auf die Verschlämmungsneigung. Eine solche Abdeckung kann in der Natur durch eine Laubauflage oder durch eine dichte Vegetation bewirkt werden. So zeigen Experimente, daß die vollständig Beseitigung der Strauchschicht kaum Einfluß auf den Bodenabtrag hat, wohl aber eine Verwundung des Oberbodens. Im Allgemeinen schützt eine dichte Grasnarbe besser als ein dichter Wald, insbesondere wenn ein schneller Streuumsatz die Ausbildung einer Humusauflage nicht zuläßt. Die Transportleistung, also die transportierte Menge pro Volumen, eines Oberflächenabflusses wird im Wesentlichen durch die Fließgeschwindigkeit beschrieben (s.o.). Außerdem steigt mit der Fließgeschwindigkeit die Bodenablösungsarbeit durch den Abfluß selbst. Die Fließgeschwindigkeit steht in enger Abhängigkeit mit der Dicke der abfließenden Schicht, da mit zunehmendem Abstand von der + rauhen Bodenoberfläche die Wirkung der Reibung (Modellfall ist der laminare Fluß) nachläßt. Hohe Fließgeschwindigkeiten sind somit an große Abflußmengen gebunden. Da antreibende Kraft des Oberflächenabflusses die Gravitation ist, ist erste Steuerparameter die Hangneigung. Eine nennenswerte Schichtdicke kommt jedoch erst durch eine ausreichende Hanglänge zustande. So reicht die Länge der der Flanken eines Maulwurfhaufens trotz erheblicher Hangneigung kaum aus, um nennenswerte Oberflächenabflüsse zusammenzubringen. Andererseits sind selbst flach geneigte aber lange Maisschläge, bei denen obendrein auch noch in der Falllinie bearbeitet und gepflanzt wurde, ideale Angriffspunkte für die Erosion. Während durch den splash vorwiegend die flächige Erosion, die "interrill erosion" hervorgerufen wird, führt die Zunahme der Fließgeschwindigkeit bzw. der Schichthöhe zur Rillenerosion, englisch der "rill erosion". Die bekannten Erosionsformen von der Rille bis zur Grabenerosion "gully erosion" sind also durch große Abflußmengen charakterisiert. Ein weiterer Faktor der Erodierbarkeit kann in der Horizontierung der Böden liegen. Oftmals sind stark durchwurzelte, humose Oberbodenhorizonte erheblich weniger erodierbar als strukturarme Al- oder sandige Bv-Horizonte. Wird der Oberboden durch Holzschleifen, durch vorrausgehende Erosionsprozesse oder durch Baumaßnahmen beseitigt, kann die Erodierbarkeit dramatisch zunehmen. In einigen Fällen kommt es zur Tunnelerosion, das heißt, es bildet sich ein Erosionskanal unter dem stabilen Ah, z.B. entlang eines Drainagerohres oder eines Mäuseganges. Messung und Konsequenzen der Erosion -14- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Wichtigstes Verfahren zur Quantifizierung des Bodenabtrages sind Sedimentfangwehre unterhalb der untersuchten Flächen. Werden diese mit Regensimulatoren kombiniert, kann man neben der Erodierbarkeit auch die Erosivität experimentell kontrollieren. Eine weiteres Verfahren zur Abschätzung des Netto-Bodenabtrages auf der Auflösungsebene von Einzugsgebieten ist die Bestimmung der Sedimentfracht in Flüssen. Die erosionswirksamen Rodungsperioden im Mittelalter bei uns lassen sich beispielsweise in einer starken Zunahme der Sedimentation in den Fluß-Auen nachweisen. Eine dritte Möglichkeit zur Abschätzung langfristiger Erosion liegt in der Verwendung von Tracern, also Stoffe die auf den zu verfolgenden "Spuren" nur geringen stofflichen Umwandlungen unterliegen und gleichzeitig in definierbarer Weise Eingang ins System finden. Das kann bei kurzfristigen Experimenten der Zusatz von Farbstoffen in den Wasserfaden sein. Ein anderer Weg wird bei der Analyse von Immissionsblei, Cadmium oder 137Cs als beschritten. So wurden in den Jahren 1962-1964 viele oberirdische Nuklearexplosionen durchgeführtt die einen quantitativ weit bedeutsameren globalen Fall-Out bewirkten als z.B. der Unfall von Tschernobyl. Dieser Methode liegt die Annahme zugrunde, daß das 137Cs gleichmäßig in der Landschaft deponiert wurde. Da Cs wegen des großen Ionendurchmessers extrem stark an die Bodenfestphase adsorbiert wird, kann eine mögliche Umverteilung in der Landschaft auf Verlagerungsprozesse, in diesem Fall Erosion zurückgeführt werden. Ähnliches gilt für andere sehr stark an die Bodenfestsubstanz gebundene Stoffe. Das Ausmaß der Verarmung am Oberhang und der Gewinn am Unterhang ist die Basis der Abtragsberechnungen. Die on-site Folgen der Flächenerosion liegen nun zunächst in einem Verlust von Bodenmaterial. Bei einem Abtrag von 10t/ha/a, einer Lagerungsdichte von 1g/cm3, wieviel mm Boden gehen in jedem Jahr verloren? Bodenbildungsraten von 1mm /a sind äußerst unwahrscheinlich. In einer Untersuchung im Lößgebiet des Kraichgaus, einem alten Siedlungsgebiet, wurde durch Vergleich der Entkalkungstiefe zwischen ungestörten und erodierten Bereichen die gesamte Erosionsrate seit Beginn der Bodenentwicklung im Holozän abgeschätzt. Die aktuelle Erosionrate wurde anhand der Pb-Verteilung in Kolluvien ermittelt. Danach wurden in den 5000 Jahren seit der steinzeitlichen Rodung ca. 1-2t/a/ha erodiert. In den 40 Jahren seit Beginn der industriellen Landwirtschaft wurden drastisch höhere Erosionsraten erreicht, die in einzelnen Einzugsgebieten Werte von 90t/ha/a erreichen. Bei einer geschätzten Lagerungsdichte von 1g/cm3 bedeutet der Verlust von 10000t Bodenmaterial pro ha eine Tieferlegung um 1m! Betrachtet man die Höhenunterschiede zwischen Acker- oder Weinbauflächen in Lößgebieten, erkennt man, daß lokal sogar sehr viel größere Verluste sichtbar werden. -15- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Historische und rezente Bodenerosion im Kraichgau: Untersuchung aus 4 Einzugsgebieten. (aus Clemens und Stahr; Catena 22; 1994) Wie schon im Fall der Winderosion gilt auch für die Wassererosion, dass selektiv der Oberboden und insbesondere feinere Körnungen erodiert werden. Das gilt umso mehr, wenn die gesamte Erosion nicht durch einzelne Katastrophen, sondern durch eine Vielzahl schwächerer Erosionsereignisse erfolgt, wie es für die Erosivität unserer Niederschläge eher typisch ist. In diesen Fällen können in den Kolluvien hochgradig schädliche Konzentrationen von Stoffen auftreten, die in einer Oberbodenmischprobe des nicht-erodierten Bodens unterhalb von Grenzwerten liegen. In diesem Zusammenhang ist auch der Eintrag von Phosphat und Agrochemikalien in Fließgewässer zu nennen. Erosionsmodelle Angesichts der großen Bedeutung der Erosion für die Nachhaltigkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung hat die Erosionsforschung immer besonders großes Interesse daran gehabt, die Erosiongefährdung zu quantifizieren. Das heißt, welchen Bodenabtrag habe ich bei welcher Landnutzung an einer bestimmten Stelle zu erwarten? Dabei geht es natürlich um wirtschaftliche Entscheidungen im Blick auf alternative Verfahren, bodenschonende Nutzung, aktiver Erosionsschutz. Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war die USLE (Universal Soil Loss Equation), die WISHMEYER u. SMITH 1965 in mit einer ersten Datenbasis veröffentlicht haben. Die Gleichung lautet: A R K LS C P Darin ist A der Bodenabtrag in t/ha/a, R die mittlere Erosivität der Niederschläge, K die bodeneigen Erodierbarkeit, LS steht für Length und Steepness, also für die Topographie der Hänge, C für Crop, also die Vegetationsbedeckung und P für Erosionsschutzmaßnahmen. à R: Die mittlere Erosivität wird über den EI30 berechnet (s.o.). -16- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 Niederschlagsenergie E als empirische Modellfunktion von Niederschlagsintensität und Niederschlagsmenge. Basis der Berechnung des R-Faktors. à K: In den Bodenfaktor gehen ein: Körnung, Humus, Aggregierung Infiltrationsrate. Formel nach Wishmeyer und Smith: −6 1.14 K =2.77⋅10 ⋅si ffs⋅100−cl ⋅12−OM 0.043⋅SC−20.033⋅4−PC cl= Ton [%] si= Schluff [%] ffs= Sand 0.05 -0.1mm [%] OM= Humus [%] SC= Strukturklasse PC= Durchlässigkeitsklasse Das Ergebnis der Multiplikation von R und K ist der Bodenabtrag eines Standardhanges von 22m Länge und 9° Neigung im Zustand der Schwarzbrache. L LS USLE 22.1 m 0.15 0.2 0.3 0.4 0.5 m FSI G J H 9K 1.5 S [%] < 0.5 0.6-1.0 1.1-3.4 3.5-4.9 > 5.0 % Empirischer Berechnungsansatz für den LS-Faktor in der USLE. Bei Neigungen unter 5° wird der Hanglängeneinfluß über den Exponenten m reduziert. -17- Inst. Bodenkunde und Waldern. H. Schack-Kirchner Bodenschutz WS 2005 à LS: empirischer Reduktionsfaktor der eine Abweichung vom Normhang wiedergibt. lusle ist die tatsächliche erosive Hanglänge zwischen dem Entstehungsort des Oberflächenabflusses und dem Punkt, an dem Sedimentation einsetzt (z.B. Verflachung) oder der Abfluß in den Vorfluter übertritt. à C: die Bedeckung ist natürlich vom Wachstum der Feldfrüchte abhängig. Daher wird der C-Faktor zeitlich gestaffelt und mit dem saisonalen R multipliziert. Der CropFaktor erforderte die größten empirischen Versuchsanlagen, da die Entwicklung der Feldfrüchte regional sehr unterschiedlich ist. à P: Erosionsschutzfaktor für Maßnahmen zur Terassierung, Streifennutzung, Konturpflügen Erosionsschutz greift natürlich immer bei der Erodierbarkeit an. Die Einflußmöglichkeiten mit der stärksten Wirkung liegen in der Bedeckung (Minimalbodenbearbeitung, Zwischenfrüchte, Mulchen, Direktsaat, Belassen der natürlichen Vegetation) und beim "LS-Faktor" (Hanglänge/Hangneigung) (Konturpflügen, Terassierung, Ändern der Bearbeitungsrichtung, Schutzstreifen) Wegen der Art der Datenermittlung (immer im Verhältnis zur Standardparzelle) ist die USLE ein rein empirisches Modell . Die einzelnen Faktoren führen nicht kausal zu den physikalischen Gesetzen des Bodentransportes, sondern es werden im Prinzip nur einige lineare oder nicht-lineare beobachtete Zusammenhänge zusammengeführt. Es handelt sich bei der USLE somit um den typischen Fall eines technologischen Modells, das nicht wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, sondern brauchbare Prognosen liefern soll. Die allgemeine Verfügbarkeit von leistungsfähigen Rechenkapazitäten und die damit einhergende Fortentwicklung numerischer Methoden ermöglicht heute in vielen Bereichen den Ersatz von solchen empirischen Modellen durch stärker prozeßorientierte, kausal aufgebaute Modelle. Für die Wassererosion ist im letzten Jahrzehnt das WEPP (Water Erosion Prediction Project) begonnen worden. WEPP simuliert tageweise, d.h. Vegetationsfortschritt, Einzelniederschlagsereignisse, Schneeschmelze, Bodenbearbeitungen können berücksichtigt werden. Dabei werden die betrachteten Hänge in Kompartimente aufgeteilt und die Gesamterosion durch die numerische Verfolgung der Sedimentbefrachtung des Oberflächenabflusses ermittelt. Innerhalb der Kompartimente werden jedoch nach wie vor empirische Ansätze verwendet, um den Beitrag der "Rill-" und "Interrillerosion" zur Sedimentbefrachtung zu schätzen. Beim WEPP handelt es sich somit um ein "Grey-Box-Modell", das sowohl empirische Elemente, als auch einen Prozesskern besitzt. -18-