Kinderhandel
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Kinderhandel
Kinderhandel Strafrechtliche Anknüpfungspunkte Kindesentziehung (§235) Kinderhandel (§236 I StGB) – Käufer und Verkäufer Adoptionsvermittlung gegen Entgelt (§236 II StGB, früher §14a AdVermG) Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 2 Die Ausgangssachverhalte Kinderdiebstahl Kindesentziehung Kinderhandel/internationale Adoption Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 3 Fragestellungen Kinder- und Jugendschutz – Kinderprostitution – Kinderarbeit – Kinderpornographie Familien-, Adoptionsrecht Menschenhandel Transnationale, organisierte Kriminalität Schattenwirtschaften Immigration Strafrechtliche Regulierung vs. Marktwirtschaft Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 4 Internationale Adoption und Kinderhandel Internationale Adoption entsteht in den 1950er Jahren – Kinderschutzorganisationen suchen für verlassene und verwaiste Kinder aus der Dritten Welt Adoptionsgelegenheiten in Westeuropa und Nordamerika Ab den 1970er Jahren nimmt in Industriestaaten die Nachfrage nach Adoptivkindern zu – Kinderwunsch – Wenig zur Adoption freigegebene Kinder im Inland Kinderschutz- und Hilfeorganisationen ziehen sich aus der internationalen Adoption zurück Private und kommerzielle Adoptionsvermittlung entsteht Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 5 Rechtliche Rahmenbedingungen Kinderrechtskonvention 1989 Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption 1993 Antwort vor allem auf kriminelle Vorläufer der internationalen Adoption – Kinderdiebstahl und –entführung – Vaterschaftsanerkennung und Täuschung über Abstammungsverhältnisse Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 6 Kinderrechtskonvention Art. 35 Verpflichtung zu allen Maßnahmen zur Verhinderung des Handels mit Kindern Art. 32, 34 Besonderer Schutz vor sexueller und wirtschaftlicher Ausbeutung Art. 21 Besondere Kontrolle der internationalen Adoption Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 7 Das Haager Übereinkommen Durchsetzung von Art 21 der Kinderrechtskonvention 1989 – Einrichtung einer für Auslandsadoptionen zuständigen Zentralstelle – Setzung von Standards für zulässige internationale Adoption – Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen Entsendeund Aufnahmestaat Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 8 Standards Zielsetzung: Kindeswohl Berücksichtigung von Inlandsalternativen vor Auslandsadoption Beratung der Adoptionsparteien Informierte und freiwillige Einwilligung in die Adoption (auch der Kinder) Verbot finanzieller Anreize Untersuchung der Geeignetheit der Adoptionsfamilie Kontrolle des Verbleibs des Kindes und Dokumentation Struktur vergleichbar mit dem Organspenderecht Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 9 Die Frage der Gewinnerzielung und die Rolle des privaten Sektors Private Adoptionsvermittlung ist grundsätzlich zulässig (nach Zulassung durch zuständige Behörden) Art. 32 Haager Übereinkommen – Ungehörige (improper) Gewinne sind untersagt – Bezahlung von Vermittlungspersonal darf im Verhältnis zur Leistung nicht unverhältnismäßig sein Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 10 Die deutsche (strafrechtliche) Regelung 6. Strafrechtsreformgesetz §235 erfasst nunmehr auch den einfachen Diebstahl von Kindern §236 Verbot des Kinderhandels – §236 II ersetzt §14a des Adoptionsvermittlungsgesetzes – Pönalisiert Käufer und Verkäufer sowie – Unbefugte Adoptionsvermittlung – Qualifikation: gewerbs- und bandenmäßige Begehung sowie Gefahren für die Kindesentwicklung Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 11 Die Problematisierung des Kinderhandels Kinderhandel wird bereits Anfang des 20. Jahrhunderts problematisiert – Folge von – Kinderretterbewegung – Mädchenhandel und Prostitutionsabolitionismus – Frauenbewegung – Arendt-Berichte 1912-1913 – Offener Markt für Adoption und Pflege (Preise zwischen 200-2000 Reichsmark) – Beweggründe für Adoptionsfreigabe: Stigma uneheliches Kind und Armut Der Versuch, die Adoption unter stärkere Kontrolle zu stellen, ist langfristig erfolgreich Strafrechtssetzung erfolgt allerdings erst zum Ende des 20. Jahrhunderts Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 12 Erneute Problematisierung in den 1980er Jahren Kinderhandel, sexueller Missbrauch, Organhandel und Kinderpornographie – Keine gut dokumentierten Fälle des sexuellen Missbrauchs, des Organhandels und der Kinderpornographie – Allerdings Kommerzialisierung der Auslandsadoption Öffentlicher Sektor (Sozial- und Jugendarbeit) wehrt Privatisierungsansätze ab (Adoption ist der einzige positiv besetzte Arbeitsinhalt der Sozialarbeit) Aufgreifen des Problems in Kinderrechtskonvention und Haager Übereinkommen Zusatzprotokoll Frauen- und Kinderhandel zur Konvention „Transnationale Kriminalität“ 2000 – Beschränkt im Wesentlichen auf sexuelle und wirtschaftliche Ausbeutung Immigration Anpassung der nationalen Adoptionsgesetzgebung – Erhebliche Unterschiede in Strafrahmen – Erhebliche Unterschiede in der Zulassung privater Vermittler Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 13 Kataloge M is a beautiful 5 years-old girl from Bulgaria. She is in good health overall, but has some motor coordination difficulties and speech delay. She responds to her name, enjoys attention, and is very observant. M needs a good home in order to continue progressing in her development. Quelle: http://photolisting.adoption.com/international/children/m35425 Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 14 Herkunftsländer von Adoptionskindern China, Korea, Lateinamerika (insb. Guatemala, Brasilien und Kolumbien), afrikanische Länder Ab 1989/1990 insbesondere Rumänien, Baltische Länder, Russland, Ukraine Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 15 Folgen der Problematisierung Politische und soziale Sensibilisierung in den Herkunftsländern – Beisp. Rumänien: Moratorium Auslandsadoption 2001 Aufgreifen des Kinderhandels als Menschenrechtsthema (Kinderrechte) und Thematisierung in der Außenpolitik – Beispiel: Europäische Union vs. Rumänien, USA vs. Guatemala Internationale Adoptionsverfahren werden schwieriger als Folge zunehmender Regulierung – „Krasse“ Verkaufsfälle gehen zurück (vergleichbar der Geldwäsche) – Korruption (Beispiel Ukraine) – Adoptionszahlen sinken, der Anteil von Problemfällen nimmt zu Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 16 Auslandsadoptionen Entwicklung USA Deutschland Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 17 Schlussfolgerungen Es existiert ein Markt für Kinder Ursachen – Kinderwunschbedingte Nachfrage in Europa und Nordamerika – Armut in Entwicklungsländern Die Stärkung der rechtlichen Kontrolle des Adoptionsverfahrens führt zu einer Beschränkung der Kommerzialisierung, aber nicht zu ihrer Aufhebung Kinderhandel bleibt eine Frage der Abgrenzung von ungehörigen und gehörigen Gewinnen Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 18 Hasskriminalität und -gewalt Hasskriminalität Straftaten, die durch ein besonderes Motiv gekennzeichnet sind – Hass gegen Minderheiten – Gesetzgebung zu Hasskriminalität entsteht seit den 1980er Jahren in den USA – Das Opfer wird ausgewählt, weil es einer bestimmten Gruppe zugehört In Deutschland – Seit dem 19. Jahrhundert Straftatbestand der „Anreizung zum Klassenkampf“ (Pönalisierung von Aktivitäten der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie/Kommunisten, heute §130 StGB) – Seit dem Ende des Hitler-Faschismus » Besondere Tatbestände gegen Verwendung von NS Propaganda, HolocaustLeugnung (§§86, 86a, 130 III, IV StGB) » Besondere Beobachtung von Rechtsextremismus Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 20 Hassgewalt als (eine) Form rassistischer Herrschaft Vorurteil und Stigmatisierung, Diskriminierung durch unterschiedliche Behandlung Segregation in räumlicher und sozialer Hinsicht (Apartheid) Ghettoisierung durch Zwang zur Entwicklung paralleler sozialer Strukturen Ausschließende Gewalt – Interpersonelle Einschüchterung und Gewalt – Lynchen, Pogrom – Rassistischer Krieg und Holocaust Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 21 Welche Art von Daten stehen zur Verfügung? Polizeidaten zu rassistischer/Hassgewalt – Schweden, Dänemark, Finnland, Deutschland, Österreich, Grossbritannien, Frankreich, Spanien, Niederlande – Seit den 1990er Jahren – Einige Statistiken enthalten Differenzierungen entsprechend Opferkategorien (beispw. antisemitische Gewalt) Opferbefragungen – Längsschnitterfassung durch Opferbefragungen nur in Grossbritannien (British Crime Survey, European Crime Survey 2005) Ansonsten: lokale Studien Populationsdaten zu ethnischen Minderheiten – Existieren nicht Kriminologie 2 WS 2014 2015 Page 22