Alt sehen wir bestimmt nicht aus - Sudetendeutsche Landsmannschaft

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Alt sehen wir bestimmt nicht aus - Sudetendeutsche Landsmannschaft
Kabarettist Dieter Hildebrandt im HDO (Seite 8)
VOLKSBOTE
Sudetendeutsche
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Die Zeitung der Sudetendeutschen
Landsmannschaft
Jahrgang 62 | Folge 42 | 2,00 EUR . 60 CZK | München, 22. Oktober 2010
Diese Woche
Kolberg und Znaim
Heimat und Versöhnung:
Bernd Posselt in Hinterpommern und Südmähren.
Seite 2
Messe und Patrone
Visitator Monsignore Karl
Wuchterl, Pfarrer Professor Stefan Samerski und
die Böhmerwald Sing- und
Volkstanzgruppe München gestalteten im Sudetendeutschen Haus einen besinnlich-religiösen
Abend.
Seite 7
KURSE
1 CZK = 0,04078 EUR
1 EUR = 24,5200 CZK
PX 50 = 1136,50 (–1,10)
Der Onkel aus Preßburg
Thronfolger turtelt mit
Hofdame: Lesung von
Dietmar Grieser. Seite 7
Andechser Europatage
Landkarte statt Juchtenkäfer.
Seite 12
� Posselt will Kooperation
Donau
und Moldau
Mit einer Konkretisierung der
Donaustrategie befaßte sich eine Anfrage des CSU-Europaabgeordneten Bernd Posselt an
EU-Regionalkommissar Johannes Hahn.
D
er Wiener nannte die von
Posselt geforderte Regionalzusammenarbeit zwischen Bayern, Österreich und der Tschechischen Republik „eine hervorragende Chance, diesen Raum,
der allein in den Grenzgebieten
fünf Millionen Menschen umfaßt, wirtschaftlich, kulturell und
touristisch weiterzuentwickeln.
Dazu stehe in der laufenden Periode ein Fördervolumen von
knapp 430 Millionen Euro bereit. Posselt wies darauf hin, daß
mit der Entscheidung, Pilsen zur
Europäischen Kulturhauptstadt
2015 zu machen, mit zusätzlichen
Impulsen zu rechnen sei. Der
Kommissar schloß sich dieser
Wertung an: „Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, daß
es gerade auf kulturellem Gebiet
der grenzüberschreitenden regionalen Zusammenarbeit bedarf
und daß dies ein Schwerpunkt an
Donau und Moldau sein wird.“
Jetzt erst recht:
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Þ Seite 6
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B 6543
� Der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis geht an David Vondráček
Ehre auch für
die Massakrierten
Nach einer einstimmig getroffenen Entscheidung der Jury des Franz-WerfelMenschenrechtspreises wird der tschechische Filmemacher David Vondráček
mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2010 der Stiftung Zentrum gegen
Vertreibungen ausgezeichnet. Die Preisverleihung darf auch als späte Ehrung
der Opfer verstanden werden, um deren
Schicksal es in Vondráčeks Film geht.
D
as Zentrum gegen Vertreibungen
würdigt damit sein „mutiges Eintreten für Wahrheit und Anteilnahme“. In
seinem Dokumentarfilm „Töten
auf tschechische Art“ behandelt
der Regisseur die Ermordung
deutscher Zivilisten kurz nach
der Kapitulation Deutschlands.
Darin zeigt er auch Amateuraufnahmen eines Massakers an
deutschen Zivilisten mutmaßlich
durch tschechische Milizionäre
und Soldaten der Sowjet­armee.
In der Begründung der Jury
heißt es: „Der Film ist eine mutige Tat sowohl seitens des Regisseurs als auch des
tschechischen Fernsehen, das diesen Film
im Mai zur besten Sendezeit gezeigt hat.
Für diese Zeichen der Anteilnahme gebührt allen Beteiligten Dank. Die Aufnahmen sind erschütternd, und die Tatsache,
daß sie von Tschechen in Tschechien gezeigt werden, belegt, daß dort ein Aufarbeitungsprozeß in Gang gekommen ist,
der auch die bitteren Seiten der eigenen
Geschichte nicht ausspart.“
Die Preisverleihung erfolgt am 28. November in der Frankfurter Paulskirche unter Schirmherrschaft des Beauftragten der
Bundesregierung für Kultur und Medien,
Staatsminister Bernd Neumann. Die Laudatio hält der tschechische Publizist Petr
Uhl, Träger des Europäischen Karlspreises der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Uhl gehörte als Dissident zu den
ersten Unterzeichnern der „Charta ‘77“.
Vondráček steht damit in der Tradition
der bisherigen Preisträger
● 2009 Herta Müller, Schriftstellerin
und Literaturnobelpreisträgerin;
● 2007 György Konrád, Schriftsteller;
● 2005 Franjo Komarica, Bischof der
Diözese Banja Luka in Bosnien-Herzegowina;
● 2003 Mihran Dabag, Leiter des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung
an der Ruhr-Universität Bochum, und die
Initiatoren des „Kreuzes der Versöhnung“
in Wekelsdorf/Kreis Braunau, Bürgermeisterin a. D. Věra Vítová sowie Petr Kulíšek
und Jan Piňos.
Die Jury besteht aus Otto von Habsburg
(ebenfalls Karlspreisträger), dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, Klaus Hänsch, dem früheren Europaabgeordneten Milan Horáček, dem
einstigen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, dem Philosophen und Schriftsteller Professor Rüdiger Safranski und Erika Steinbach MdB,
der Präsidentin des Bundes der
Vertriebenen und Vorsitzenden
der Stiftung „Zentrum gegen
Vertreibungen“, ebenfalls Karlspreisträgerin.
Die Auszeichnung ist benannt
nach dem großen Schriftsteller Franz Werfel (geboren 1890
in Prag), der mit seinem Roman
„Die 40 Tage des Musa Dagh“
die Vertreibung der Armenier aus der Türkei und den Völkermord an
den Armeniern eindringlich, wirkungsvoll und mit großer künstlerischer Gestaltungskraft dargestellt hat. Der große jüdische Lyriker und Romancier ist auch in
seinem persönlichen Leben ein sprechendes Beispiel für das Schicksal der Vertreibung: 1933 wurde er von den Nationalsozialisten aus der preußischen Dichterakademie ausgeschlossen. 1938 flüchtete er
nach Frankreich, von wo er über die Pyrenäen entkam. 1940 gelangte er von Portugal aus in die USA, wo er bis zu seinem
Tod 1945 in Beverley Hills lebte.
Werfels Erbin Marina Mahler hat der
Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“
die Verwendung des Namens gestattet.
Der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis
wird an Einzelpersonen, Initiativen oder
Gruppen verliehen, die sich gegen die
Verletzung von Menschenrechten durch
Völkermord, Vertreibung und die bewußte Zerstörung nationaler, ethnischer, rassischer oder religiöser Gruppen gewandt
haben. Der mit 10 000 Euro dotierte Preis
wurde bislang alle zwei Jahre verliehen.
David Vondráček ist zu Gast beim Seminar der Sudetendeutschen Landsmannschaft auf dem Heiligenhof in Bad Kissingen vom 14. bis 19. November (Einzelheiten in Ý SdZ 41/2010, Seite 6), für das man
sich noch anmelden kann.
Auch ohne erzwungene Frauenquote hat Bayerns SL-Landesobmann Franz Pany zwei Stellvertreterinnen: Christel Wagner (links) und Sigrid Leneis (dritte von links). Dazu im Landesvorstand Hannelore Heller (dritte von rechts) als Vermögensverwalterin, Katharina Ortlepp (Mitte)
für die Sudetendeutsche Jugend und Margaretha Michel (rechts). Einen kleinen Blumenstrauß
als Dank für die Mitarbeit erhielt auch Landesgeschäftsführerin Magdalena Alraun (zweite von
Bild: Herbert Fischer
links).
� SL-Landesgruppe Bayern: Landesversammlung in München
„Alt sehen wir
bestimmt nicht aus“
Die Landesversammlung 2010 der Sudetendeutschen in Bayern wählte für
die nächsten vier Jahre die Führung der
Landesgruppe neu und freute sich über
tschechische Initiativen, eine Aufarbeitung der Geschichte einzuleiten.
D
ie Delegierten bestätigten Franz ­Pany
(Oberbayern) mit Zweidrittelmehrheit
– 101 von 152 Stimmen – im Amt des
Landesobmanns. Mit 49 Stimmen erhielt
der von der Kreisgruppe Dillingen vorgeschlagene Mitbewerber Felix Vogt-Gruber, Stellvertretender Bezirksobmann in
Schwaben, ein Achtungsergebnis. Er wurde im nächsten Wahlgang zu einem der
Landesobmann-Stellvertreter bestimmt
neben Eberhard Heiser (Bezirksobmann
Mittelfranken), Johann Slezak (Bezirksobmann Oberbayern), Sigrid Leneis (Niederbayern) und Christine Wagner (Oberbayern), die auch Schriftführerin bleibt.
Als Finanzverwalterin bestätigt wurde Hannelore Heller, als ihr Stellvertreter
Ehemann Dieter Heller (beide Mittelfranken). Neuer Kassenprüfer ist Leonhard
Schleich (Oberbayern); ihm soll wegen
des verschärften Gemeinnützigkeitsrechts
ein Wirtschaftsprüfer zur Seite gestellt
werden.
Unter den fünf Beisitzern sind Bernhard
Moder (Oberpfalz), Christian Weber (Nie-
derbayern) und Dieter Eder (Oberbayern)
neu im Vorstand. Edmund Liepold (Unterfranken) ist seit längerem dabei, Margaretha Michel (Oberfranken) ist zudem
Stellvertretende Schriftführerin. Die nicht
eigens in den Vorstand gewählten Bezirks­
obleute Hans-Werner Bruch (Oberfranken), Al­fred Kipplinger (Unterfranken),
Max Strecker (Niederbayern/Oberpfalz
und Ernst Wollrab (Schwaben) gehören
dem Gremium kraft Amtes an. Katharina
Ortlepp vertritt die Sudetendeutsche Jugend.
Johann Slezak begrüßte die Delegierten im Sudetendeutschen Haus in seiner Eigenschaft als örtlicher Kreis- und
Bezirks­obmann. „Wir sind nicht auf dem
absteigenden Ast“, stellte er in bezug auf
Verfassung und Kampagnefähigkeit der
Sudetendeutschen in Bayern fest. Leider
würde die Volksgruppe in deutschen Medien immer mit Adolf Hitler in Verbindung gebracht, werde sogar so getan, als
sei Hitler ein Sudetendeutscher gewesen.
Demgegenüber begännen insbesondere
die jungen Tschechen, ihren Blick auf die
geschichtliche Wahrheit zu richten: „Bei
denen passiert jetzt etwas.“ Und der ab 25.
November in den Kinos zu sehende Spielfim „Habermann“ (Ý SdZ 43/2010) zerstöre „alle Klischees über die SudetendeutFortsetzung Seite 3
schen“.
� Senats- und Kommunalwahlen in der Tschechischen Republik
„Brüxer für Brüx“ und „SOS für Troppau“
Die Kommunalwahlen in der
Tschechischen Republik sowie
die turnusmäßige Wahl eines
Drittels der Senatoren brachten
der Sozialdemokratie (ČSSD)
ansehnliche Zugewinne. Empfindliche Verluste mußte dagegen die frühere „Klaus-Partei“
ODS, die führende Kraft der Prager Regierungskoalition, hinnehmen. Die Wahlbeteiligung
lag bei 48,5 Prozent.
D
ie Schlacht um den prestigeträchtigen Prager Magistrat
gewann die ultraliberale Partei
TOP 09, die die bisher in Prag
regierende ODS damit auf Platz
zwei verwies. Die Kommentatoren waren sich einig: Vetternwirt-
schaft zwielichtiger unternehmerischer Seilschaften war der
Grund für diese Niederlage, die
auch anderswo die ODS Mehrheit und Stadtoberhaupt gekostet hat.
Der Prager Wahlsieger und
wahrscheinlich künftige Oberbürgermeister heißt Zdeněk
Tůma. Er wurde vor einem Jahr
als Gouverneur der Tschechischen Nationalbank bekannt. In
dem 63köpfigen Prager Magistrat
erreichte TOP 09 26 Sitze, gefolgt
von der ODS mit 20 Sitzen. An
dritter Stelle rangieren die Sozialdemokraten mit 14 und hinter
ihnen die Kommunisten (KSČM)
mit drei Mandaten. Zdeněk Tůma
hat unmittelbar nach seinem Sieg
Koalitionsgespräche mit der ODS
begonnen. Seine Bedingung hieß
allerdings, daß bestimmte ODSPolitiker für die Koalition nicht in
Frage kämen. Diese könnten sich
allerdings durch eine Koalition
mit den Sozialdemokraten retten
und die siegreiche TOP 09 in die
Opposition schicken. Außer in
Prag siegte TOP 09 nur noch im
mährischen Zlin.
Der eigentliche Sieger der
Kommunalwahlen war die Sozialdemokratie, die unter anderem in den 18 größten Städten des Landes gewann, darunter in Aussig, Brünn, Mährisch
Ostrau, Iglau, Königgrätz, Olmütz und Pardubitz. In Aussig
bietet sich eine Koalition mit der
ODS an, die im 37köpfigen Stadtrat 20 Sitze hätte. Die ODS gewann unter anderem in Gablonz,
Teplitz-Schönau, Pilsen, Kladno und Jungbunzlau, wobei in
Teplitz-Schönau die ODS sogar
allein regieren kann. Ihr Spitzenkandidat und bisherige Oberbürgermeister Jaroslav Kubera
will jedoch mit der TOP 09 regieren.
Einigermaßen kompliziert ist
die Lage in Reichenberg. Der
langjährige Oberbürgermeister
Jiří Kittner und seine ODS wurden von der Bürgervereinigung
„Veränderung für Reichenberg“
besiegt, und diese wird wahrscheinlich eine Koalition ohne die ODS eingehen, wobei ihr
Vorsitzender Jan Korytář Oberbürgermeister würde. In Gablonz
könnte nun nach vierjähriger Opposition die wieder stärkste Partei ODS den Bürgermeister stellen und in einer Koalition mit der
zweitstärksten örtlichen Vereinigung „Heimat an der Neiße“ regieren.
In Karlsbad siegte die „Karlsbader Bürgerliche Alternative“,
die zunächst nach einer Koalition mit kleineren Parteien strebte, deren Wähler die bisherige
Koalition von ODS und ČSSD
kritisierten, die jetzt ihre Mehrheit verlor. In Komotau siegten
die Sozialdemokraten und wollen eine Koalition ohne ODS, die
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