PDF-Datei - Hahn

Transcrição

PDF-Datei - Hahn
Inhaltsverzeichnis
Abschlussbericht
FV-Nr.: 15839N
Simulationsunterstützte Auslegung von
Kontaktelementen zur SMT-kompatiblen Montage
von 3D-MID Packages auf Leiterplatten
Kurzbezeichung:
MID auf Leiterplatte
Auftraggeber:
IGF – AiF
Projektleiter:
Dipl.-Ing.Ulrich Keßler
Dr. Marc Schober
Bearbeitungszeitraum:
01.11.2008 bis 28.02.2011
HSG-IMAT • Hahn-Schickard-Gesellschaft • Institut für Mikroaufbautechnik
Allmandring 9 B • 70569 Stuttgart • Telefon: +49 711 685-83712 • Telefax: +49 711 685-83705
Institutsleiter: Prof. Dr. H. Kück
Seite 1
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ............................................................................................................................. 4 2 Modellierung und Simulation ............................................................................................... 6 2.1 Geometrieerstellung ..................................................................................................... 6 2.2 Materialdefinition........................................................................................................... 9 2.3 Randbedingungen der Simulation .............................................................................. 12 2.4 Ergebnisse der Parametervariation ............................................................................ 13 3 Experimentelle Arbeiten zum Aufbau von MID auf Leiterplatten ....................................... 18 3.1 Versuchsausstattung .................................................................................................. 18 3.2 Bumpgeometrien ........................................................................................................ 19 3.3 MID Demonstratoren .................................................................................................. 19 3.4 Leiterplatten ................................................................................................................ 21 3.4.1 Layout „Lotmengenbestimmung“ .......................................................................... 21 3.4.2 Layout „Daisy Chain“ ............................................................................................ 22 3.4.3 Layout „Eckbump“................................................................................................. 23 3.4.4 Layout „Querschliff“ .............................................................................................. 24 3.5 Lotmengenbestimmung .............................................................................................. 25 3.6 Anpassung der Lotgeometrie im Modell ..................................................................... 26 4 Lebensdauerabschätzung ................................................................................................. 30 5 Experimentelle Zuverlässigkeitsuntersuchungen .............................................................. 39 5.1.1 Temperaturschocktest .......................................................................................... 40 5.1.2 Hochtemperaturlagerung ...................................................................................... 44 5.1.3 Drop-Test .............................................................................................................. 45 5.2 Analyse der Ausfallmechanismen............................................................................... 46 6 Analyse der Ergebnisse und Vergleich zwischen Simulation und Experiment .................. 49 6.1 Porenbildung............................................................................................................... 49 6.2 Integration des Porenmodells in die Simulation .......................................................... 50 6.3 Vergleich mit BGA ...................................................................................................... 54 7 Fazit und Ausblick.............................................................................................................. 58 8 Literaturverzeichnis............................................................................................................ 59 9 Danksagung....................................................................................................................... 60 Seite 2
Zusammenfassung
Ziel des Forschungsvorhabens war die Auslegung MID-seitiger Kontaktelemente für
zuverlässige Lötverbindungen von MID auf Leiterplatten. Dies wurde einerseits durch
Simulation mit Hilfe der finiten Elemente Methode (FEM) und andererseits durch
experimentelle Untersuchungen durchgeführt.
Zu Beginn des Projekts wurde ausgehend von einer Startgeometrie eine geometrische
Parametervariation mittels FEM durchgeführt. Ziel war es, den mechanischen Stress in der
Kontaktstelle durch die Wahl geeigneter Parameter zu minimieren, und dadurch die
Zuverlässigkeit der Baugruppe zu erhöhen. Durch Optimierung konnte eine Bumpgeometrie
mit einer deutlich verringerten Spannungsbelastung in der Lötstelle ermittelt werden. Die
Optimierte Bumpgeometrie zeigte gegenüber der Startgeometrie in der gesamten Lötstelle
eine deutlich geringere Spannungsbelastung. Zur experimentellen Untersuchung und
Verifikation der Simulationsergebnisse wurden entsprechende laserdirektstrukturierte MID
mit unterschiedlichen Kontaktelementen bereitgestellt. Um mögliche Auswirkungen der
Spritzrichtung, der geometrischen Einflüsse oder des Verhältnisses der MID-Größe zur
Anzahl der Kontaktstellen identifizieren zu können, wurden MID von verschiedener Größe
und Form untersucht. Weiterhin wurden FR4- und Flexleiterplattensubstrate mit geeigneten
Layouts aus für Daisy-Chain und Vierleitermessungen bereitgestellt. Mittels Reflowlöten
wurden die MID auf den Leiterplattensubstraten aufgebaut und elektrisch charakterisiert.
Anhand der aufgebauten Demonstratoren konnte die tatsächliche Lotausformung bestimmt
und in das Modell übernommen werden. Eine Lebensdauerabschätzung nach Coffin-Manson
bestätigte, dass die optimierten Bumps eine höhere Zuverlässigkeit erwarten lassen. Diese
Ergebnisse wurden schließlich mit experimentell durchgeführten Zuverlässigkeitstests
verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass Poren im Lot das Ergebnis erheblich beeinflussen
und die optimierten Bumps keine höhere Zuverlässigkeit besitzen als die nicht optimierten
Bumps. Durch Querschliffe konnte gezeigt werden, dass Porenposition und -größe stark von
der Form des Bumps abhängen. Die Poren beeinflussen damit die Lebensdauer der
Lötstellen abhängig von der Bumpgeometrie. Durch Erweiterung des Simulationsmodells um
Porenmenge und –position konnten die experimentellen Ergebnisse nachgebildet werden.
Einige der aufgebauten Varianten zeigten nach über 3000 Zyklen im Temperaturschocktest
(-40 / 125°C) keinerlei Ausfälle. Die Lebensdauerabschätzung aus der Simulation und die
Zuverlässigkeitsergebnisse aus den Experimenten stimmten dabei in erster Näherung gut
überein.
Das Ziel des Vorhabens wurde erreicht.
Seite 3
1
Einleitung
Für mechatronische Systeme mit komplexer Geometrie, hohem Miniaturisierungsgrad und
anspruchsvollen Anforderungen an die Aufbau- und Verbindungstechnik kann die MIDTechnik oft die entscheidende Schlüsseltechnologie für die Umsetzung sein. Aufgrund der
hohen Gestaltungsfreiheit von Moulded Interconnect Devices (MID) bieten diese ein hohes
Maß an geometrischer Freiheit. Bei der LPKF-LDS®-Technologie [12] lassen sich z.B. die
Vorteile der 3D-Gestaltung hervorragend zusätzlich mit Möglichkeiten der Miniaturisierung,
Erhöhung der Packungsdichte und minimalen Strukturbreiten verknüpfen.
Eines der Kernthemen bei der Anwendung der MID-Technik ist die zuverlässige elektrische
Verbindung der MID mit deren Umwelt. Häufig ist dabei eine dauerhafte elektrische
Kontaktierung
des
MID
auf
einer
Leiterplatte
notwendig.
Die
Kompatibilität
des
Fügeprozesses zu den bekannten Verfahren der SMT-Technik ist dabei von erheblichem
Vorteil. So kann das MID wie ein SMD-Bauteil behandelt werden und in einem hybriden
Aufbau idealerweise mit den anderen Komponenten gemeinsam bestückt werden. Daher
kommt für einen solchen Prozess vor allem das Reflowlöten in Betracht.
Leitfähiges Kleben bietet alternativ einige Vorteile, vor allem bezüglich der niedrigen
Prozesstemperaturen. Aufgrund der geringen Verfügbarkeit von geeigneten Bauteilen und
der hohen Anforderungen an die Klebeflächen bleibt aber Löten weiterhin das wichtigste
Verfahren. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des Projektes ausschließlich das bleifreie
Reflowlöten untersucht. Wichtige Einflussgrößen bei der Verwendung von thermoplastischen
Werkstoffen sind die Temperaturbeständigkeit und der thermische Ausdehnungskoeffizient
(coefficient of thermal expansion, CTE). Letzterer kann je nach Werkstoff und
Umgebungsbedingungen zu erheblichen thermomechanischen Spannungen zwischen MID
und Leiterplatte führen, welche von den Lötstellen aufgenommen werden müssen. Durch
den spritzgießtechnischen Herstellungsprozess des MID ist die Integration und individuelle
Formgebung von Kontaktelementen ohne zusätzliche Kosten möglich. Daher ist es
naheliegend die Form der Kontaktelemente innerhalb der herstellungsbedingten Grenzen so
zu optimieren, dass eine Minimierung der Spannungen erreicht werden kann. Abbildung 1.1
zeigt
exemplarisch
unterschiedliche
Formgebungsvarianten
um
die
weitreichenden
Möglichkeiten zu verdeutlichen.
Seite 4
Abbildung 1.1: Schematische Darstellung von Beispielen möglicher MID-seitiger
Kontaktelemente.
Als MID-Strukturierungsverfahren wurde im Projekt die LPKF-LDS®-Technologie (LaserDirekt-Strukturierung, LDS) eingesetzt. Als MID-Werkstoff wurde LCP Vectra E840i LDS, ein
Liquid Crystal Polymer [4] der Firma Ticona ausgewählt. Dieser Thermoplast zeichnet sich
durch einen niedrigen CTE aus.
Beim LPKF-LDS®-Verfahren werden die Leiterbahnen hergestellt indem die Oberfläche des
laseraktivierbaren Substratwerkstoffes mittels eines IR-Lasers aktiviert und aufgeraut wird.
Im
Anschluss
an
eine
Reinigung
wird
in
einem
außenstromlos
chemischen
Metallbeschichtungsprozess ein Metallschichtstapel aus ca. 5-10 µm Kupfer, ca. 5 µm Nickel
und ca. 0,1 µm Tauchgold selektiv auf den aktivierten Bereichen abgeschieden. Abbildung
1.2 zeigt den Prozessablauf schematisch.
Abbildung 1.2: Schematische Darstellung der LPKF-LDS®-Technologie
Seite 5
2
Modellierung und Simulation
Das Ziel der Modellierung und Simulation war die Entwicklung einer optimierten
Kontaktmöglichkeit für eine zuverlässige Montage von 3D-MID auf Leiterplatten mittels
Löten. Die Geometrieerstellung erfolgte durch das CAD-Systems Pro/Engineer, die finite
Elemente Analyse mit dem FEM-Tool Ansys®. Im ersten Schritt wurden diejenigen MIDspezifischen
Komponenten
thermomechanische
Stress
der
Lötstelle
eingeprägt
identifiziert,
wird.
Durch
in
die
denen
der
Variation
höchste
einzelner
Geometrieparameter konnte eine optimierte Bump-Geometrie gefunden werden, welche in
weiteren Schritten, unter einbeziehen von experimentellen Daten und Ergebnissen, auf ihre
Zuverlässigkeit untersucht wurde.
2.1
Geometrieerstellung
Für die Optimierung der Kontaktelemente wurde die räumliche Gestaltungsfreiheit bei der
Herstellung von MID ausgenützt. Es wurden zwei allseitig metallisierte Bump-Geometrien mit
variablen Parametern erstellt, ein rotationssymmetrischer Kegelstumpf und eine Halbkugel.
Diese sind schematisch in Abbildung 2.1 zu sehen.
a)
b)
LCP
LCP
Lot
Lot
LP
LP
Abbildung 2.1: a) Kegelstumpf-Bump, b) Halbkugel-Bump, jeweils allseitig metallisiert
Die Lotmenge wurde dabei so angenommen, dass eine konkave Ausformung der Lötstelle
entsteht. Das Lötpad auf der Leiterplatte wurde mit demselben Durchmesser modelliert wie
der des Bumps. Um eine Optimierung durchführen zu können wurde für beide Geometrien
jeweils ein parametrisiertes Modell erstellt. Die Parameter der Kegelstumpfvariante sind die
Höhe H, der Durchmesser D, der Flankenwinkel α und der Radius R1 am Fuß des Bumps
(Übergang des Kontaktelements zum MID). Der Radius R2 am Kopf des Bumps, der Pitch
sowie der Kontaktwinkel β des Lots wurden nicht verändert. Die Halbkugelvariante bietet
aufgrund der Geometrieeigenschaften weniger Variationsmöglichkeiten. Die Parameter sind
hier der Kugelradius RKugel sowie der Radius am Fuß des Halbkugel-Bumps R1. Der Pitch
Seite 6
sowie der Kontaktwinkel des Lots wurden in der folgenden Analyse ebenfalls nicht verändert.
Der Parametersatz für Kegelstumpf und Halbkugel ist jeweils in Abbildung 2.2 dargestellt.
Pitch
Pitch
D
R2
H
R1
R1
α
RKugel
R1
0,05 mm; 0,15 mm; 0,3 mm
R1
0,05 mm; 0,15 mm; 0,15 mm
R2
0,02 mm
RKugel 0,15 mm; 0,25 mm; 0,35 mm
H
0,05 mm; 0,15 mm; 0,3 mm; 0,5 mm;
Pitch 1,27 mm
0,8mm
D
0,5 mm; 0,8 mm; 1 mm
α
60°; 70°; 75°
β
60°
Pitch 1,27 mm
→ Parameterwerte der Startgeometrie sind fett gedruckt
Abbildung 2.2: Parametersatz für Kegelstumpf und Halbkugel
Die Abmessungen des Fußradius R1 sowie des Durchmessers D des Bumps waren durch
den Pitch begrenzt, die Höhe H durch den Flankenwinkel α. Die parametrisierten CAD
Modelle wurden mit den in Abbildung 2.2 fett gedruckten Standardparametern erstellt. Der
Aufbau des Kegelstumpfmodells ist in Abbildung 2.3 dargestellt.
Seite 7
b)
50 µm
20 µm
0,8 mm
a)
10 µm
d)
c)
60
1,55 mm
60
Abbildung 2.3: a) Metallisierter Kegelstumpf-Bump b) mit Lötpad der Leiterplatte c) mit
Lötpad und ausgeformtem Lot d) gesamter Aufbau
Das Modell des MID ist auf einer quadratischen Grundfläche aufgebaut, welche als
Kantenlänge das Maß des Pitches besitzt. Die Dicke der MID-Grundplatte beträgt 0,8 mm.
Die Metallschicht auf dem Bump hat eine Dicke von 10 µm. In Abbildung 2.3 b) ist
dargestellt, dass das Lötpad auf der Leiterplatte denselben Durchmesser wie der Bump hat.
Diese Eigenschaft ist bei der Parametervariation beibehalten worden. Das substratseitige
Pad hat eine Dicke von 50 µm. Der Abstand zwischen MID-seitiger und substratseitiger
Metallschicht beträgt 20 µm. Der Abstand wurde zunächst nicht variiert. Das Lot ist
rotationssymmetrisch zwischen MID-Bump und Lötpad angeordnet. Die Leiterplatte hat
denselben quadratischen Querschnitt wie die MID-Grundplatte und besitzt eine Dicke von
1,55 mm.
Das CAD Modell des Halbkugel-Bumps wurde nach dem gleichen Vorgehen und mit den
gleichen Abmessungen von MID-Substrat und Leiterplatte erstellt. Es ist in Abbildung 2.4 zu
sehen.
Seite 8
50 µm
0,8 mm
20 µm
b)
a)
10 µm
d)
c)
1,55 mm
60
60
Abbildung 2.4: a) Metallbeschichteter Halbkugel-Bump b) mit Lötpad der Leiterplatte c) mit
Lötpad und ausgeformtem Lot d) gesamter Aufbau
2.2
Materialdefinition
Die für die Simulation notwendigen Materialdaten wurden teils aus der Literatur teils aus
eigenen
Messungen
entnommen.
Der
E-Modul
sowie
der
thermische
Ausdehnungskoeffizient der FR-4 Leiterplatte [1] sind in Abbildung 2.5 dargestellt. Das
Materialverhalten
wurde
orthotrop
sowie
temperaturabhängig
modelliert.
Die
Glasübergangstemperatur Tg liegt oberhalb 140°C und wurde bei den Temperaturzyklen
(siehe Kapitel 4 und 6.2) nicht erreicht. Die Z-Richtung für E-Modul und CTE ist als senkrecht
zur Verschiebungsachse definiert.
Seite 9
18000
300
E-Modul-XY
E-Modul-Z
CTE-XY
15000
250
12000
200
9000
150
6000
100
3000
50
0
-50
0
50
100
150
CTE [ppm/K]
E-Modul [Mpa]
CTE-Z
0
200
Temperatur [ C]
Abbildung 2.5: E-Modul und CTE der FR-4 Leiterplatte [1]
Die weiteren Materialdaten, welche für die Simulation der Parametervariation in Kapitel 2.4
verwendet wurden sind in Tabelle 2.1 dargestellt. Für das substratseitige Lötpad wurde
Kupfer [2] gewählt. Die MID Metallschicht besteht aus Cu/Ni/Au [3]. Das Lot ist vom Typ
Sn96Ag03Cu0,4 der Firma EFD Inc. (Firmenbezeichnung 6-SN96,5-277). Das MID-Substrat
wurde orthotrop als LCP Vectra E840i LDS [4] modelliert.
Tabelle 2.1: In der Parametervariation verwendete Materialien
Komponente
Material
Materialverhalten
CTE [ppm/K]
E-Modul [MPa]
LP-Lötpad
Lot
MID Metallschicht
Cu
Sn96Ag03Cu0,4
Cu/Ni/Au
linear elastisch
linear elastisch
linear elastisch
18
17,6
14,9
110 000
50 000
76 000
MID-Substrat
LCP Vectra
E840i LDS
orthotrop
α║: 13
α┴: 30
E║:9300
E┴: 4000
Da der Trend in der Industrie zu Loten mit einem Ag-Gehalt von < 4% geht, wurde für die
Zuverlässigkeitsuntersuchungen zusammen mit dem PBA eine Sn96.5Ag3.0Cu0.5 Lotpaste
der Firma Heraeus [5] gewählt. Die temperaturabhängigen Materialdaten wurden im IGF Seite 10
Vorhaben 303 ZBG mittels DMA und TMA bestimmt [6]. Der E-Modul sowie die thermische
Dehnung sind in Abbildung 2.6 zu sehen. Auf das nicht lineare Materialverhalten des Lots
wird in Kapitel 4 näher eingegangen.
40000
0,003
35000
E-Modul [Mpa]
30000
0,001
25000
0
20000
15000
-0,001
10000
-0,002
E-Modul SAC-Lot
5000
Therm. Dehnung [mm/mm]
0,002
Therm. Dehnung SAC-Lot
0
-40
-20
0
20
40
60
80
100
120
-0,003
140
Temperatur [ C]
Abbildung 2.6: E-Modul (aus DMA) und thermische Dehnung (aus TMA) von
Sn96.5Ag3.5Cu0.5 Lot
Für die Berechnungen in Kapitel 6.2 wurden für das LCP zusätzliche Materialdaten ermittelt.
Hierfür wurden eine TMA sowie Zugversuche bei Raumtemperatur durchgeführt. Die TMA
Daten wurden nach ISO 11359 ausgewertet und sind in Abbildung 2.7 zu sehen. Die
Zugversuche ergaben einen gemittelten E-Modul in Einspritzrichtung von 9500 MPa und
quer dazu von 5874 MPa.
Seite 11
0,003
30
In Spritzrichtung
Quer zur Spritzrichtung
0,0025
27
y = 2,99E-05x - 1,23E-03
CTE quer zur Spritzrichtung
0,002
24
0,0015
21
y = 1,26E-05x - 4,12E-04
0,001
0,0005
15
0
12
y = 7,88E-06x - 1,52E-04
-0,0005
-0,001
18
CTE [ppm/K]
Therm. Dehnung [mm/mm]
CTE in Spritzrichtung
9
y = 1,39E-05x - 3,50E-04
6
-0,0015
-40
-20
0
20
40
60
80
100
120
3
140
Temperatur [ C]
Abbildung 2.7: Thermische Dehnung und daraus bestimmter CTE von LCP Vectra E840i
LDS
2.3
Randbedingungen der Simulation
Die parametrisierte CAD Geometrie wurde in Ansys® Workbench importiert. Zur Bestimmung
des mechanischen Stresses im Bauteil wurde eine statisch mechanische Analyse
durchgeführt. Es wurde immer nur ein Parameter variiert, die übrigen Parameter wurden auf
den Werten der Startgeometrie konstant gehalten. Es wurde adaptiv gerechnet, d.h. das
Netz wurde automatisch verfeinert bis ein Konvergenzkriterium von ≤ 5% erreicht war. Es
wurden die über das jeweilige Bauteilvolumen gemittelten Vergleichsspannungen nach von
Mises ausgewertet. Die für die Auswertung relevanten Bauteile waren das Lot, die
Metallisierung und der Bump (LCP). Diese sind in Abbildung 2.8 zu sehen.
Seite 12
Feste Einspannung
Feste Einspannung
LCP
LCP
Metallisierung
Metallisierung
Lot
Lot
Lötpad
Lötpad
Leiterplatte
Leiterplatte
Verschiebung in
x-Richtung um 1 µm
Verschiebung in
x-Richtung um 1 µm
y
x
y
x
Spannungsauswertung
Abbildung 2.8: Randbedingungen der Simulation
Um den mechanischen Stress in die Baugruppe einzuprägen, wurde das MID an seiner
Oberseite fest eingespannt und die Leiterplatte um 1 µm quer zur Einspritzrichtung des LCP
verschoben.
2.4
Ergebnisse der Parametervariation
Das Lot war bei jeder Berechnung das Element in welchem die höchsten Spannungen
auftreten. In Abbildung 2.9 ist gezeigt, welchen Einfluss die Veränderung des Fußradius R1
auf die Spannungsverteilung im Lot hat. Durch Vergrößerung von R1 ist bei gleichbleibendem
Kontaktwinkel mehr Lotvolumen vorhanden. Die Spannungen verteilen sich somit auf mehr
Material. Dies resultiert in einer niedrigeren Maximal- sowie Gesamtbelastung der Lötstelle.
Das Maximum der Vergleichsspannungen wird außerdem in Richtung Bumpfuß verschoben.
Zusätzlich zu einem Anriss in der Mitte der Lötstelle wäre eine Abhebung an dieser Stelle
eine mögliche Defektstelle.
Seite 13
mögliche
Risseinleitung
mögliche
Abhebung
R1 = 0,05 mm
R1 = 0,15 mm
Abbildung 2.9: Einfluss der Veränderung des Fußradius R1 auf die Vergleichsspannungen
In Abbildung 2.10 sind die Ergebnisse der Parametervariation des Kegelstumpfs dargestellt.
Die Vergrößerung des Fußradius R1 von 0,05 mm auf 0,3 mm erzielt die größte
Spannungsreduktion in allen 3 Elementen. Bei der Vergrößerung der Höhe H sowie des
Durchmessers D zeigt sich ein ähnliches Verhalten. Bei kleiner werdendem Flankenwinkel α
können zwei Trends beobachtet werden. Zum Einen nehmen die Spannungen im Lot ab,
zum Anderen ist eine Spannungserhöhung im LCP und in der Metallisierung erkennbar.
16
16
Lot
Lot
Metallisierung
14
Metallisierung
14
LCP
LCP
Vergleichsspannungen [MPa]
Vergleichsspannung [MPa]
12
10
8
6
4
2
12
10
8
6
4
2
0
0
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0
0,3
0,1
0,2
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
16
16
Lot
Lot
Metallisierung
14
14
Metallisierung
LCP
LCP
12
Vergleichsspannung [MPa]
Vergleichsspannung [MPa]
0,3
Höhe [mm]
Radius R1 [mm]
10
8
6
4
2
12
10
8
6
4
2
0
0,4
0,5
0,6
0,7
Durchmesser [mm]
0,8
0,9
1
0
55
60
65
70
75
Winkel [°]
Abbildung 2.10: Simulationsergebnisse Parametervariation Kegelstumpf
Seite 14
Die Parametervariation des Halbkugel-Bumps zeigt gleiche Tendenzen wie beim
Kegelstumpf-Bump. Der größer werdende Kugelradius RKugel sowie die Vergrößerung von R1
resultieren ebenfalls in einer Spannungsreduktion bei allen 3 Bauteilelementen. Die
Simulationsergebnisse zum Halbkugel-Bump sind in Abbildung 2.11 dargestellt.
24
24
LCP
22
Lot
18
Vergleichsspannungen [MPa]
Vergleichsspannung [MPa]
20
Lot
22
Metallisierung
16
14
12
10
8
6
4
2
Metallisierung
20
LCP
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
0,1
0,15
0,2
0,25
0,3
Radius RKugel [mm]
0,35
0,4
0
0,03
0,05
0,07
0,09
0,11
0,13
Radius R1 [mm]
Abbildung 2.11: Simulationsergebnisse Parametervariation Halbkugel
Bei beiden Bumpvarianten konnte durch Anpassung einzelner Parameter die Steifigkeit in
der Lötstelle erhöht werden. Dies ist auf das größere angenommene Lotvolumen
zurückzuführen.
Das Vergleichen der Ergebnisse von Kegelstumpf zu Halbkugel zeigt, dass die aufgebrachte
Last im Kegelstumpf eine geringere Spannungsbelastung erzeugt. Der Grund hierfür wird
beim Gegenüberstellen der Varianten mit vergleichbaren Geometrieabmessungen deutlich.
Die Halbkugel ist dabei mit einem Kugelradius von 0,4 mm, der Kegelstumpf mit einem
Durchmesser von 0,8 mm und einer Höhe von 0,4 mm modelliert worden. Der Fußradius R1
ist bei beiden 0,05 mm. In Abbildung 2.12 ist gezeigt, dass bei gleichem Kontaktwinkel β die
Stelle der geringsten Wandstärke des Lotes beim Kegelstumpfmodell dicker ist als bei der
Halbkugel. Die Spannungen können sich so beim Kegelstumpf auf mehr Lotvolumen
verteilen. Dies führt zu einer geringeren Spannungsbelastung im Bauteil.
Seite 15
0,15
Weniger Material
dadurch höhere
Spannungen
Abbildung 2.12: Vergleich Halbkugel mit Kegelstumpf
Aus diesem Grund wurde die Halbkugel in den folgenden Simulationen und Experimenten
nicht weiter betrachtet.
Mit den gewonnenen Erkenntnissen der Parametervariation wurde eine optimierte BumpGeometrie erstellt. Diese wird im Weiteren optimierter Bump genannt und ist in Abbildung
2.13 zu sehen.
•
R1 = 0,28 mm → vergrößert
•
H = 0,65 mm → vergrößert
•
R2 = 0,1 mm → vergrößert
•
D = 0,68 mm → verkleinert
Abbildung 2.13: CAD – Modell und Parameter des optimierten Bumps
Die Vergrößerung des Fußradius R1 hat den größten Einfluss auf die Spannungsreduktion.
Um bei gleichbleibendem Pitch einen möglichst großen R1 modellieren zu können, wurde der
Seite 16
Durchmesser D von 0,8 mm auf 0,68 mm verkleinert. Der Flankenwinkel α wurde aufgrund
der Prozessführung bei der Laserstrukturierung auf 70° belassen. Somit war eine maximale
Höhe H des Bumps von 0,65 mm möglich. Der Kopfradius R2 wurde auf 0,1 mm vergrößert,
um eine mögliche Risseinleitung an dieser Stelle im Lot zu vermeiden. Der optimierte Bump
wurde ebenfalls in Ansys berechnet, und mit dem mit den Startparametern modellierten
Kegelstumpf verglichen, welcher im weiteren Standard Bump genannt wird. Die
Gegenüberstellung der Spannungsauswertung beider Varianten ist in Abbildung 2.14 zu
sehen.
12
Standardbump
Optimierter Bump
Vergleichsspannungen [MPa]
10
8
6
4
2
0
1
LCP
2
Metallisierung
3
Lot
Abbildung 2.14: Vergleich Standard Bump mit Optimiertem Bump
Der Vergleich zeigt eine deutliche Spannungsreduktion in der optimierten Lötstelle
gegenüber der Standardlötstelle. Es wurde daher angenommen, dass durch die
Optimierungsmaßnahmen die Lebensdauer der Lötstelle erhöht werden könnte. Um diese
Ergebnisse zu verifizieren wurden MID mit beiden Bump-Geometrien konstruiert und
hergestellt, und anschließend experimentell auf ihre Zuverlässigkeit hin getestet.
Seite 17
3
3.1
Experimentelle Arbeiten zum Aufbau von MID auf Leiterplatten
Versuchsausstattung
In diesem Kapitel werden die verwendeten Materialien, die eingesetzten Anlagen und die
durchgeführten
Prozesse
vorgestellt.
Es
wurde
Wert
auf
die
Verwendung
von
Standardgeräten und -verfahren gelegt, um eine Implementierung des Prozesses in eine
bestehende SMT-Linie beim Anwender ohne große Hürden zu ermöglichen.
Durch Variation von Prozessparametern und Verfahren, sowie der verwendeten Substrate
wurden verschiedene Einflussgrößen verglichen und die Prozessführung optimiert.
Die untersuchten MID wurden aus LCP Vectra E840i LDS hergestellt. Neben dem weit
verbreiteten Metallschichtaufbau aus außenstromlos chemisch Kupfer, Nickel und Tauchgold
(ca. 5-10 µm, ca. 5 µm, ca. 0,1 µm) wurden MID mit außenstromlos chemisch Kupfer, Nickel,
Palladium und Tauchgold (ca. 5-10 µm, ca. 7 µm, ca. 0,1 µm, ca. 0,1 µm) beschichtet.
Als Substrate wurden FR-4 Leiterplatten mit einem standardisierten Schichtaufbau aus
Kupfer, chemisch Nickel und Tauchgold (35µm, 5µm, 0,1µm) gewählt. Alternativ wurden
auch MID auf flexiblen Leiterplatten (Flex Boards) aufgebaut, um den Einfluss der
Substratsteifigkeit
auf
die
thermomechanischen
Spannungen
und
damit
auf
die
Zuverlässigkeit des Aufbaus zu untersuchen. Diese Flex-Leiterplatten bestehen aus einer
50 µm dicken Polyimidfolie ohne Kleber und einer beidseitigen Kupferschicht mit einer Dicke
von 25 µm. Die Endoberfläche besteht aus ca. 4 µm Nickel und ca. 0,1 µm Tauchgold.
Die Bestückung der MID erfolgte manuell mit einem Chipbestücker Fineplacer 145 der Firma
Finetech.
Als Lot wurde in Absprache mit dem projektbegleitenden Ausschuss ein SAC-Lot mit einer
Zusammensetzung von 95,5 % Zinn, 4 % Silber und 0,5 % Kupfer festgelegt. Es wurde ein
Sn95,5Ag4Cu0,5 der Firma Heraeus [5] gewählt. Die verwendete Lotpaste besitzt einen
Metallanteil von 88 Gew.% und eine Pulvergröße von 25 µm bis 45 µm.
Das Aufbringen der Lotdepots für den Aufbau von Demonstratoren erfolgte mittels
Schablonendruck mit einem DEK 248 der Firma DEK.
Der Reflowlötprozess wurde in einem Dampfphasen-Reflowofen SLC 500 von IBL-Löttechnik
bei einer Peak-Temperatur Tmax = 235°C durchgeführt. Alternativ wurden Vergleichslötungen
in einem Konvektions-Durchlaufofen bei Rehm Thermal Systems GmbH durchgeführt.
Für
die
Umweltsimulationstests
wurde
ein
Zweikammer-Temperaturschockschrank
TSS-70/130 von der Firma CTS verwendet. Die Hochtemperaturlagerung wurde in einem
Umluftofen von Heraeus durchgeführt. Sowohl die elektrischen Onlinemessungen während
des Temperaturschocktests, als auch die elektrische Auswertung der in regelmäßigen
Abständen vermessenen Demonstratoren wurden mit Hilfe eines Multiplexersystems
MUX 2575 von National Instruments durchgeführt.
Seite 18
3.2
Bumpgeometrien
Wie in Kapitel 2 beschrieben, wurden die beiden Bumpgeometrien Standard Bump und
Optimierter Bump untersucht. Als dritte Variante wurden zusätzlich MID aufgebaut welche
über keinerlei Bumps verfügten (Abbildung 3.1). Hier wurden anstelle der Bumps ebene
Pads auf der Oberfläche erzeugt. Diese dienten als Vergleich, da sie den klassischen SMDProzess ohne spezielle spritzgießtechnisch hergestellte Kontaktelemente repräsentieren.
Abbildung 3.1: Untersuchte Bump-Geometrien: Standard Bump (links), Optimierter Bump
(Mitte) und flaches Pad (rechts)
Somit konnte untersucht werden inwieweit sich durch Optimierung der Bump-Geometrie eine
signifikante Erhöhung der Zuverlässigkeit erreichen lässt. Weiterhin wurde durch den
Vergleich von Lötstellen mit und ohne Bump eine Aussage darüber möglich, ob die
Verwendung
von
Bumps
überhaupt
vorteilhaft
ist.
Schließlich
konnten
die
Ausfallmechanismen von Lotstellen mit und ohne Bump identifiziert und charakterisiert
werden.
Die Höhe des Standard Bumps beträgt 0,5 mm, der Durchmesser der Grundfläche 0,87 mm.
Der Optimierte Bump ist 0,65 mm hoch, der Durchmesser beträgt 1,07 mm. Beim flachen
Pad wurde der Durchmesser ebenfalls auf 1,07 mm festgelegt. Die Neigung der
Seitenflächen wurden, da diese noch laseraktiviert werden müssen, auf maximal 70° zur
Substratoberfläche begrenzt.
3.3
MID Demonstratoren
Damit die MID je nach Anwendung individuell unterschiedlich gestaltet werden können,
wurde im Projekt Wert darauf gelegt, den Einfluss unterschiedlicher MID-Größen zu kennen.
Die Anzahl und Anordnung der vorhandenen Lötverbindungen ist dabei ebenfalls von
Bedeutung.
Als Basis dient das in Abbildung 3.2 schematisch dargestellte MID. Die Außenmaße
betragen 16 x 16 x 0,8 mm³. Die dargestellten Sägelinien geben das Verhältnis an, in dem
das MID in kleinere MID geteilt werden kann. Durch die dargestellte Anordnung der Bumps
kann eine solche Teilung umgesetzt werden. Durch die Teilung ergeben sich vier kleinere
Seite 19
MID unterschiedlicher Größe und Ausrichtung, davon zwei mit quadratischer Grundfläche
(9,3 x 9,3 mm² und 4,7 x 4,7 mm²) und zwei rechteckige MID (9,3 x 4,7 mm² bzw.
4,7 x 9,3 mm²).
Die beiden rechteckigen MID lassen später Aussagen darüber zu, welche Auswirkung die
Spritzrichtung und damit die Orientierung im Terhmoplasten auf die Zuverlässigkeit des
gesamten Aufbaus hat.
Der Pitch der Bumps wurde in Absprache mit dem projektbegleitenden Ausschuss auf
1,27 mm festgelegt. Dies ist ein verbreitetes Rastermaß in der SMT-Technik und ermöglicht
es, die untersuchten MID mit einer für ihre Größe typischen Anzahl an Kontaktstellen
auszustatten.
Abbildung 3.2: MID mit Bumpanordnung, Sägelinien und Spritzrichtung
Im Folgenden werden die MID wie in Abbildung 3.3 dargestellt bezeichnet. Die Bezeichnung
richtet sich nach der Anzahl der Bumps in Spritzrichtung und die Anzahl der Bumps quer zur
Spritzrichtung.
Bezeichnung:
9x9
6x6
3x6
6x3
3x3
Abbildung 3.3: Bezeichnung der MID-Varianten
Um eine Aussage darüber treffen zu können, welche Rolle die Größe des MID im Verhältnis
zur Anzahl der Kontaktstellen spielt, wurden zwei Ausführungen des Leiterbahnbildes
erarbeitet.
Seite 20
In einer Ausführung wurden nur die vier jeweils in den Ecken des MID liegenden Bumps
metallisiert und über Leiterbahnen auf dem MID elektrisch verbunden (vgl. Abbildung 3.4
links). Bei dieser Variante sind die Verbindungsstellen dem stärksten thermomechanischen
Stress ausgesetzt. Aufgrund der geringen Verbindungszahl und des maximalen Abstands
zum neutralen Punkt in der Mitte des MID sind hier die Spannungen am größten.
Bei der zweiten Ausführung wurden alle vorhandenen Bumps metallisiert, jeweils zwei
Bumps sind auf dem MID elektrisch miteinander verbunden (vgl. Abbildung 3.4 rechts).
Hierbei wird das MID durch die maximale Anzahl Verbindungsstellen mit dem Substrat
verbunden. Das Verhältnis von MID-Größe zur Anschlusszahl ist deutlich geringer und damit
thermomechanisch günstiger.
Die beiden Ausführungen wurden jeweils für alle MID-Varianten, von 3 x 3 bis 9 x 9,
untersucht. Damit konnten umfangreiche Erkenntnisse zum Einfluss der MID-Größe, der
Anspritzrichtung und der Anschlusszahl gewonnen werden.
Abbildung 3.4: Ausführung 1 (links) und Ausführung 2 (rechts) des Leiterbahnbildes auf
dem MID
3.4
Leiterplatten
Um die Lotverbindungen qualitativ und quantitativ zu untersuchen, wurden die in Kapitel 3.3
beschriebenen MID auf Leiterplatten aufgebaut. Als Substrat dienten doppelseitige FR4Platinen mit Cu/Ni/Au Leiterbahnstrukturen. Insgesamt wurden vier Leiterbahnlayouts für
unterschiedliche Tests entworfen. Der elektrische Anschluss wurde teilweise mittels 50poligen D-Sub-Steckern realisiert. Der Paddurchmesser auf der Leiterplatte wurde auf 1 mm
festgelegt.
3.4.1
Layout „Lotmengenbestimmung“
Um die Schablone für die Aufbringung des Lotes richtig auslegen zu können, musste
zunächst die notwendige Lotmenge bestimmt werden. Hierfür wurden MID auf Leiterplatten
Seite 21
mit vereinfachtem Testlayout aufgebaut. Abbildung 3.5 zeigt das Leiterplattenlayout. Es ist
für MID-Varianten mit verschiedenen Abmessungen geeignet und besitzt lediglich eine
Metallschicht an den Anschlusspads, hat aber ansonsten keine elektrische Funktion.
Abbildung 3.5: Leiterplattenlayout für Lotmengenbestimmung
3.4.2
Layout „Daisy Chain“
Um eine möglichst große Anzahl elektrischer Verbindungen auf einer Leiterplatte herstellen
und testen zu können, wurde das Leiterplatten-Layout „Daisy Chain“ (vgl. Abbildung 3.6)
erarbeitet.
Die
verwendeten
Leiterplatten
haben
das
Format
einer
Europlatine
(160 x 100 mm²). Auf einer Leiterplatte können fünf 9 x 9-MID und jeweils sieben vereinzelte
MID jeder Größe aufgelötet werden. Auf diese Weise können mittels 48 Einzelmessungen
672 Lötverbindungen auf einen Ausfall hin kontrolliert werden. Je Einzelmessung werden
zwischen 8 und 20 Verbindungsstellen zusammengefasst. Bei dieser Leiterbahnlayoutvariante sind alle Bumps des MID strukturiert, metallisiert und mittels Löten mit der
Leiterplatte verbunden.
Seite 22
Abbildung 3.6: Leiterplattenlayout „Daisy Chain“
Ziel dieses Demonstrators war der Test einer anwendungsnahen Anschlusssituation, das
heißt einer für die MID-Größe typischen Anzahl an Kontaktstellen. Die Widerstände wurden
in Zweileitermessanordnung ermittelt. Dies bedeutet, dass durch die Reihenschaltung einer
größeren Anzahl an Lotkontakten eine Widerstandsänderung keiner bestimmten Verbindung
zugeordnet werden kann. Weiterhin enthält der Messwert immer auch die Widerstände der
Leiterbahnen, der Messleitungen und der Steckerkontakte. Die Messmethode ist daher vor
allem dafür geeignet aus einer großen Menge an Kontaktstellen schnell Ausfälle zu
detektieren. Für eine genaue Zuordnung der Ausfallstelle stehen weitere Pads zur gezielten
manuellen Nachkontrolle zur Verfügung.
3.4.3
Layout „Eckbump“
Ziel des Leiterplatten-Layouts „Eckbump“ ist die Untersuchung einer „worst-case“-Situation.
Verwendet werden hierfür die MID mit der zweiten Ausführung des Leiterbahnbildes. Jedes
MID wird also nur über die vier Bumps in den Ecken auf die Leiterplatte gelötet (vgl.
Seite 23
Abbildung 3.7). Durch die geringe Anzahl an Kontaktstellen werden bewusst Ausfälle zu
einem frühestmöglichen Zeitpunkt provoziert. Dies ermöglicht dann den Vergleich mit der
Lebensdauervorhersage
aus
der
Simulation
und
die
gezielte
Untersuchung
der
Ausfallmechanismen.
Die Leiterplatte hat das Format einer halben Europlatine (100 x 80 mm²). Auf einer Platine
können zwei 9 x 9-MID und jeweils zwei vereinzelte MID aller Größenvarianten aufgelötet
werden. Als Widerstandsmessverfahren wird die 4-Leitermessung verwendet. Damit ist die
exakte Bestimmung des Widerstandes in der Kontaktstelle möglich und auch kleine
Veränderungen
können
erkannt
werden.
Auf
diese
Weise
werden
mittels
20
Einzelmessungen 20 Lotverbindungen auf beginnende Ausfälle oder Widerstandänderungen
kontrolliert. Pro Einzelmessung wird also stets nur eine Lotverbindung ausgewertet.
Abbildung 3.7: Layout „Eckbump“
3.4.4
Layout „Querschliff“
Für die Analyse der Fehlermechanismen und der Rissentstehung in der Lotverbindung
besteht neben der Widerstandsmessung auch die Möglichkeit anhand von Querschliffen den
Ort der Risseinleitung und den Rissverlauf zu bestimmen.
Hierfür wurde ein geeignetes Leiterplattenlayout erarbeitet (Abbildung 3.8). Die Leiterplatten
sind 30 x 23 mm² groß und für jeweils ein 9 x 9-MID ausgelegt, welches nur über die
Eckbumps angelötet wird. Zu verschiedenen Zeitpunkten wurden dann jeweils einige
Leiterplatten aus dem Temperaturschocktest entnommen und quergeschliffen.
Seite 24
Abbildung 3.8: Layout „Querschliff“
3.5
Lotmengenbestimmung
Die Lotmenge spielt für eine gute Verbindungsbildung eine entscheidende Rolle. Weiterhin
müssen die im Experiment verwendete Lotmenge und die geometrische Ausbildung des
Lotes in der Lötstelle im Simulationsmodell möglichst exakt nachgebildet werden um eine
bestmögliche Übereinstimmung zu erreichen.
Der Lotpastenauftrag wurde im Projekt üblicherweise mittels Schablonendruck durchgeführt.
Um aber die Schablone auslegen zu können, wurde zunächst die richtige Lotmenge
bestimmt. Dazu wurden mittels Dispensverfahren auf Leiterplatten mit dem Layout
„Lotmengenbestimmung“ Lotdepots unterschiedlicher Größe aufgebracht. Das Dispensen
bietet sich an, da auf diese Weise eine flexible Variation der Lotmenge möglich ist. Die mit
Lotdepots versehenen Leiterplatten wurden zur Lotmengenbestimmung abgewogen. Mittels
Röntgentomographie
und
Querschliffanalyse
(Abbildung
3.9)
konnten
die
fertigen
Lotverbindungen analysiert und verglichen werden. Schließlich wurde aus diesen Daten die
geeignete Lotmenge bestimmt. Auswahlkriterien waren eine gleichmäßige Lotausformung
entlang der gesamten Verbindungsstelle und das Ausbleiben von Kurzschlüssen.
Seite 25
Abbildung 3.9: Röntgentomographie (links) und Schliffbild (rechts) einer Lotverbindung
Als Ergebnis wurde eine Lotpastenmasse von ca. 0,9 mg je Depot als optimal befunden.
Dies entspricht einer Masse von ca. 0,8 mg Lot nach dem Umschmelzen. Anhand der
Angaben des Herstellers zu Dichte und Flussmittelanteil konnte daraus auf das benötigte
Volumen der Kavität in der Schablone rückgeschlossen werden. Es wurde eine 300 µm dicke
Schablone gewählt. Die Kavitäten sind rund und haben einen Radius von 500 µm, daraus
ergibt sich ein Depotvolumen von 0,23 mm³. Bei 88 % Gewichtsanteil Metall und 12 %
Flussmittel in der Lotpaste [5] ergibt sich nach dem Austreiben des Flussmittels durch den
Reflowlötprozess eine rechnerische Lotmasse von 0,79 mg.
Es wurde eine Schablone mit elektropolierter Oberfläche gewählt, da dies die
Auslöseeigenschaften der Lotpaste beim Drucken verbessert.
3.6
Anpassung der Lotgeometrie im Modell
Um die Lebensdauer der Lotverbindungen korrekt abschätzen zu können, muss im Modell
unter anderem die Geometrie des Lots an die experimentell durch Querschliffe ermittelten
realen Verhältnisse angepasst werden. Die rechnerisch ermittelte Lotmasse von 0,79 mg
bildet dabei den ersten Referenzpunkt zur Modellierung des Lots. Die in Abbildung 3.10
dargestellten Querschliffe des Standard Bump und des optimierten Bump wurden zum
Abgleich der Geometrie herangezogen. Die dargestellten Lotmassen entsprechen mit
hinreichender Genauigkeit den geforderten 0,79 mg (Masse der Lotpaste = 0,9 mg) hatte.
Seite 26
a
b
)
)
mLotpaste = 880 µg
mLotpaste = 940 µg
Abbildung 3.10: a) Querschliff Standard Bump mit Lotmasse 880 µg vor Reflowlöten,
b) Querschliff optimierter Bump mit 940 µg Lotmasse vor Reflowlöten
Der zweite Referenzpunkt der Geometrieerstellung ist der Benetzungswinkel zwischen
Metallschicht und Lot. Dieser wurde aus den Querschliffen gemessen und beträgt beim
Standard Bump 60° und beim optimierten Bump 28°. Der jeweilige Winkel wurde sowohl am
Fuß als auch am Kopf der Bumps gemessen und in das Modell übernommen. Um die
gewünschte Lotmasse zu modellieren wurde das Volumen im CAD Modell bestimmt und mit
einer Dichte von 7,4 g/cm³ multipliziert. Das Volumen des Lots wurde dementsprechend mit
Hilfe des Parameters Radius R angepasst. Der Abstand von Bumpspitze zum Leiterbahnpad
beträgt 20 µm. In Abbildung 3.11 a) und b) sind die Querschliffe den Geometriemodellen
gegenübergestellt. Im Weiteren werden diese beiden Modellgeometrien als zentrierte
Variante bezeichnet.
a)
60°
60°
R
60°
20 µm
60°
b)
28°
28°
R
28°
20 µm
28°
Abbildung 3.11: a) Modellierung der zentrierten Variante Standard Bump b) Modellierung
der zentrierten Variante optimierter Bump
Für eine umfangreiche Lebensdauerabschätzung wurde die Modellgeometrie um drei weitere
Parameter erweitert. Durch die Variation der Parameter „Dezentrierung“, „Bumpabstand“ und
Seite 27
„Lotmenge“ können prozessbedingte Schwankungen der geometrischen Verhältnisse
berücksichtigt werden. Der Benetzungswinkel zwischen Lot und Metallisierung wurde dabei
nicht verändert.
Die Toleranzmodelle sind in Abbildung 3.12 für den Standard Bump und in Abbildung 3.13
für den Optimierten Bump dargestellt.
a)
b)
10µm
50µm
c)
d)
mLot = 0,87 mg
mLot = 0,71 mg
Abbildung 3.12: Modellierte Toleranzen des Standard Bump
b) Verringerung Abstand c) +10 % Lotmasse d) -10 % Lotmasse
a)
Dezentrierung
In Abbildung 3.12 a) sowie in Abbildung 3.13 a) ist die Dezentrierung des MID zur
Leiterplatte von 50 µm in Spritzrichtung und quer zur Spritzrichtung gezeigt. Dies
repräsentiert die Platziergenauigkeit eines SMD Bestückers vom Stand der Technik. Um den
Einfluss des Abstands von Bump zu Lötpad zu untersuchen, wurde dieser auf 10 µm
verkleinert (Abbildung 3.12 b) sowie in Abbildung 3.13 b)). Die Schwankung der
Lotpastenmasse wurde experimentell bestimmt und beträgt ca. ± 10 %. Sie ist in Abbildung
3.12 c) und d) und in Abbildung 3.13 c) und d) dargestellt.
Seite 28
a)
b)
10µm
50µm
c)
d)
mLot = 0,87 mg
mLot = 0,71 mg
Abbildung 3.13: Modellierte Toleranzen des optimierten Bump a) Dezentrierung
b) Verringerung Abstand c) +10 % Lotmasse d) -10 % Lotmasse
Für die in Kapitel 4 beschriebene Lebensdauerabschätzung wurde mit der in Abbildung 3.14
gezeigten 9 x 9 Eckbumpvariante gerechnet. Die Abmessungen des MID sind 16 x 16 mm².
Der Abstand zwischen den Bumps beträgt 13,34 mm.
16 mm
16 mm
13,34 mm
13,34 mm
Abbildung 3.14: 9 x 9 Eckbumpanordnung
Seite 29
4
Lebensdauerabschätzung
Die homologe Temperatur TH wird gebildet aus dem Quotienten der Anwendungstemperatur
und der Schmelztemperatur Tm (beides in K). Bei typischen Anwendungsbereichen ist die
homologe Temperatur von SAC Loten (Tm = 217°C) relativ hoch, weshalb Kriechen die
dominierende Ausfallursache von Lotverbindungen ist. Ab einer Temperatur T > 0,4 Tm
(entspricht TH > 0,4; für SAC Lote T > -77°C) ist das Verhalten von Loten empfindlich
gegenüber Kriechen, ab T > 0,6 Tm (entspricht TH > 0,6; für SAC Lote T > 21°C) ist Kriechen
der dominierende Effekt, welcher zum Materialversagen führt. Die Härte über der
Temperatur ist schematisch in Abbildung 4.1 gezeigt.
Abbildung 4.1: Schematische Darstellung der Härte über der Temperatur für Metalle
Das Kriechverhalten des Lotes wurde daher im Modell abgebildet. In Abbildung 4.2 sind die
drei Teilbereiche des Kriechmechanismus zu sehen. Im ersten Teilbereich der Verformung
tritt primäres Kriechen auf. Die Dehnung nimmt dort im Lauf der Zeit zu. Dabei nimmt die
Dehnrate stetig ab, bis sich ein stationärer Zustand einstellt, welcher als sekundäres
Kriechen bezeichnet wird. Danach nimmt die Kriechgeschwindigkeit stark zu, bis es zum
Bruch kommt. Dies wird als tertiäres Kriechen bezeichnet und kann nicht durch die
Simulation abgebildet werden [7].
Seite 30
ε
x Bruch
I
II
III
ε& = const.
ε0
t
ε&
x Bruch
t
Abbildung 4.2: Schematische Darstellung der Dehnung ε und Dehnrate ε& von Lot über der
Zeit [7]
Für
die
Lebensdauerabschätzung
wurde
Kriechen
als
Materialmodell
in
Ansys®
implementiert. Dies erfolgte über die empirische Garofalo Beziehung, welche sekundäres
Kriechen
über
einen
längeren
Zeitraum
beschreibt
(z.B.
die
Haltezeit
eines
Temperaturzyklus). Für die unelastische Dehnrate ε& gilt:
C
ε& = C1 ⋅ [sinh(C2 ⋅ σ )] 3 ⋅ e
−
C4
T
4.1
Dabei ist σ die Vergleichsspannung, T die absolute Temperatur und C1 bis C4 sind
experimentell ermittelte Konstanten. Diese wurden für das verwendete Lot von Schubert et
al. [8;9;10] bestimmt und sind in Tabelle 4.1 abgebildet.
Tabelle 4.1: Deformationskonstanten für sekundäres Kriechen für Sn96.5Ag3.5Cu0.5
[8;9;10]
C1
277 984
C2
0,02447
C3
6,41
C4
6500
Die dazugehörigen temperaturabhängigen Kriechkurven sind in Abbildung 4.3 dargestellt.
Seite 31
Abbildung 4.3: Dehnrate in Abhängigkeit der Spannung und Temperatur [8;9;10]
Zur Lebensdauerabschätzung wurden zwei Zyklen eines Temperaturschocktests (TST) von
-40 °C bis 125 °C definiert (siehe Abbildung 4.4). Die Wechselzeit beträgt dabei 10 s, und die
Haltezeit je Temperatur 30 min. Die Referenztemperatur des gesamten Systems, und somit
der spannungsfreie Zustand, beträgt 20°C.
140
120
Temperatur [ C]
100
80
60
40
20
0
-20
-40
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
Zeit [s]
Abbildung 4.4: Für die Lebensdauerabschätzung definierter Temperaturzyklus.
Die Anzahl an TST-Zyklen bis zur Rissbildung Na wurde mittels der Coffin-Manson Gleichung
(4.2) abgeschätzt werden.
Seite 32
(
Na = Θ 1 ⋅ Δε akk
cr
)
Θ2
4.2
Δε crakk ist die akkumulierte Kriechdehnung in einem thermischen Zyklus. Diese wurde durch
Subtraktion der akkumulierten Dehnung am Ende des ersten Zyklus von der akkumulierten
Dehnung am Ende des zweiten Zyklus ermittelt. Die Koeffizienten Θ 1 und Θ 2 für die CoffinManson Gleichung wurden für µBGAs und VQFNs von Schubert et al. [8;9;10] experimentell
ermittelt. Diese in Tabelle 4.2 zu sehenden Konstanten wurden für eine erste
Lebensdauerabschätzung und Validierung verwendet.
Tabelle 4.2: Coffin-Manson Konstanten nach Schubert et al. [8;9;10]
Θ1
4,5
Θ2
-1,295
Um den Ort der Risseinleitung zu definieren wird das Element mit der höchsten
akkumulierten Kriechdehnung nach dem zweiten TST-Zyklus identifiziert, und für die
Berechnungen verwendet. Wie in Kapitel 3.5 erwähnt, wurde zur Berechnung der Anzahl der
Zyklen bis zur Rissbildung die 9 x 9 Eckbumpvariante modelliert.
In Abbildung 4.5 bis Abbildung 4.10 sind die ersten Lebensdauerabschätzungen von
Standard Bump zu Optimierten Bump gegenübergestellt. Um die Position der möglichen
Risseinleitung graphisch darzustellen, wurden die Vergleichsspannungen nach von Mises
betrachtet. Die dargestellte Größe Na für die Lebensdauer repräsentiert die ermittelte Anzahl
Zyklen bis zur Risseinleitung.
Seite 33
mögliche
Risseinleitung
FR
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 179
Na = 824
Abbildung 4.5: Lebensdauerabschätzung: Zentrierte Variante, links Standard Bump, rechts
Optimierter Bump
Wie
bei
den
Voruntersuchungen
zeigte
der
Optimierte
Bump
auch
nach
der
Geometrieanpassung an die experimentell ermittelten Verhältnisse eine niedrigere
Spannungsbelastung. Dies führt in der Lebensdauerabschätzung zu einer höheren Anzahl
an Zyklen bis zur Rissbildung. In Abbildung 4.5 ist zu erkennen, dass beim Standard Bump
durch thermische Belastung höhere Vergleichsspannungen eingeprägt werden als beim
Optimierten Bump. Die Anzahl an TST-Zyklen bis zum Ausfall ist beim zentrierten
Optimierten Bump um das 4,6 fache höher als beim Standard Bump. Eine mögliche Stelle
der Risseinleitung war bei beiden Lötstellen das Interface zwischen Lot und Lötpad. Der
Optimierte Bump zeigte zusätzlich einen möglichen Rissbeginn an der Stelle mit der
dünnsten Wandstärke des Lots (Mitte der Lötstelle). Die Spannungsbelastung ist quer zur
Faserrichtung FR am größten, da in dieser Richtung der thermische Ausdehnungskoeffizient
des MID-Substrats höher ist als parallel dazu.
Seite 34
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 172
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 795
Abbildung 4.6: Verringerung des Abstands auf 10 µm, links Standard Bump, rechts
Optimierter Bump
Durch Verringerung des Abstandes zwischen Bump und Lötpad von 20 µm auf 10 µm
reduziert sich bei beiden Bump-Varianten die Zahl der Zyklen bis zur Rissbildung (siehe
Abbildung 4.6). Dies ist darauf zurückzuführen, dass aufgrund des geringeren Abstands
zwischen Bump und Lötpad an dieser Stelle weniger Lot vorhanden war und der Bereich
dadurch geschwächt wurde. Die Stelle der möglichen Risseinleitung war am Interface Lot /
Lötpad.
mögliche
Risseinleitung
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 124
FR
Na = 804
Abbildung 4.7: Dezentrierung in Einspritzrichtung, links Standard Bump, rechts Optimierter
Bump
In Abbildung 4.7 ist die Dezentrierung des MID zur Leiterplatte in Spritzrichtung dargestellt.
Es sind hier zusätzliche Spannungserhöhungen an Kanten mit geringer Materialstärke des
Lotes zu erkennen. Beide Lötstellen zeigen bei dieser Variante weniger TST-Zyklen bis zur
Seite 35
Rissentstehung als die zentrierte Variante. Auffällig ist, dass die Dezentrierung eine größere
Auswirkung auf die Lebensdauerabschätzung bei der Standardkontaktierung hat als bei der
Optimierten. Die prozentuale Verringerung der Zyklen gegenüber der zentrierten Variante
beträgt beim Optimierten Bump 2,5%, beim Standard Bump 30,7%. Das gleiche Bild zeigt
sich auch bei der Dezentrierung quer zur Einspritzrichtung. Diese Ergebnisse sind in
Abbildung 4.8 zu sehen.
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 117
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 740
Abbildung 4.8: Dezentrierung quer zur Einspritzrichtung, links Standard Bump, rechts
Optimierter Bump
Die thermisch induzierten Spannungen sind bei der Dezentrierung quer zur Einspritzrichtung
am höchsten. Diese Variante hatte bei beiden Bumps das kleinste Na.
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 187
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 840
Abbildung 4.9: Vergrößerung der Lotmasse um 10 %, links Standard Bump, rechts
Optimierter Bump
Seite 36
Die Erhöhung der Lotmasse um 10% vergrößert Na. Dies bestätigt die Erkenntnis aus Kapitel
2.4, dass mehr Masse die Spannungen im Lot reduziert und auf eine erhöhte Lebensdauer
geschlossen werden kann. Dementsprechend zeigt eine Reduktion der Lotmasse um 10%
eine geringere Zahl an TST-Zyklen bis zur Risseinleitung.
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 162
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 742
Abbildung 4.10: Verringerung der Masse um 10 %, links Standard Bump, rechts Optimierter
Bump
In Abbildung 4.10 fällt auf, dass sich beim Optimierten Bump die am höchsten belastete
Stelle vom Interface Lot / Lötpad in die Mitte der Lotverbindung verlagert. Modellbedingt ist
dort die dünnste Stelle des Lots. Beim Standard Bump zeigt sich wie bei den anderen
Varianten die mögliche Stelle der Risseinleitung am Interface Lot / Lötpad.
In Tabelle 4.3 sind die Ergebnisse der ersten Lebensdauerabschätzung übersichtlich
zusammengefasst. Die prozentuale Abweichung wurde auf die zentrierte Variante bezogen.
Seite 37
Tabelle 4.3: Berechnete TST – Zyklen bis zur Rissbildung
Variation
Na
Standardbump
Abweichung
in %
Na
optimierter Bump
Abweichung
in %
Zentriert
179
---
824
---
Abstand 10 µm
172
-3,9
795
-3,5
+10% Lotmasse
187
+4,5
840
+2,0
-10% Lotmasse
162
-9,5
742
-9,9
Dezentrierung
in FR
124
-30,7
804
-2,5
Dezentrierung
quer zur FR
117
-34,5
740
-10,2
höchste Anzahl an Zyklen
niedrigste Anzahl an Zyklen
Die ersten Abschätzungen aus der Parametervariation in Kapitel 2.4 wurden erhärtet. Der
Optimierte Bump zeigte bei der ersten Lebensdauerabschätzung nicht nur eine geringere
Spannungsbelastung und somit eine höhere Zuverlässigkeit, sondern auch eine geringere
Empfindlichkeit gegenüber möglichen Prozessschwankungen als der Standard Bump.
Zusätzlich zu der Eckbumpvariante wurde auch noch eine Variante berechnet, bei der die
9 x 9 MID mit allen Bumps kontaktiert wurden. Dies entspricht nicht mehr der worst-case
Annahme, sondern repräsentiert eine typische Anschlussdichte für ein MID dieser Größe.
Dieses
Modell
wurde
mit
dem
zentrierten
optimierten
Bump
simuliert.
Die
Spannungsauswertung hierfür ist in Abbildung 4.11 zu sehen.
Seite 38
mögliche
Risseinleitung
FR
mögliche
Risseinleitung
FR
Na = 1460
FR
Abbildung 4.11: Lebensdauerabschätzung: MID Variante „9 x 9“, alle Bumps kontaktiert,
zentrierte Variante, Optimierter Bump. Rechts: Detaildarstellungen des höchstbelasteten
Bumps.
Der Einfluss der Spritzrichtung des MID ist gut zu erkennen. Parallel zur Spritzrichtung ist die
Spannungsbelastung der Lötverbindungen niedriger als quer dazu. Der am höchsten
belastete Bump ist der mit dem größten Abstand zur Mitte des MID, also zum neutralen
Punkt der Dehnung. Die mögliche Risseinleitung befindet sich am Interface Lot / Lötpad. Der
thermisch induzierte Stress verteilt sich bei dieser Variante auf eine größere Anzahl von
Lotverbindungen. Dadurch ist Na mit 1460 Zyklen beinahe doppelt so hoch wie bei den
vorangegangenen Berechnungen.
5
Experimentelle Zuverlässigkeitsuntersuchungen
Zur experimentellen Bestimmung der Zuverlässigkeit der Lötverbindungen wurden die mit
optimierten
Prozessen
aufgebauten
Demonstratoren
in
beschleunigten
Umweltsimulationstests gezielt thermomechanisch belastet. In Absprache mit dem projektbegleitenden Ausschuss wurden hierfür Temperaturschocktest und Hochtemperaturlagerung
ausgewählt, weiterhin wurde ein Drop-Test durchgeführt.
Als Ausfallkriterium für die mittels Vierleitermessung ermittelten Kontaktwiderstände wurde
die Überschreitung eines Schwellenwertes von 1,3 mΩ festgelegt. Dieser Wert entspricht der
doppelten Messgenauigkeit welche mit dem verwendeten Messaufbau unter den
vorliegenden Randbedingungen erzielt werden kann. Für die Zweileitermessung wurde als
Ausfallkriterium der Schwellenwert 4,5 Ω festgelegt. Dieser Wert wurde empirisch ermittelt.
Der Grund für den deutlich höheren Widerstandswert liegt vor allem darin begründet, dass
Seite 39
bei dieser Messmethode sowohl die Leitungswiderstände der Leiterbahnen auf der
Leiterplatte, die Kontaktwiderstände der verwendeten D-Sub-Stecker und die Zuleitungen
des gesamten Messaufbaus im Messwert addiert sind. Es ist mit der Zweileitermessung
daher nicht möglich, die beginnende Rissbildung an einzelnen Kontakten bereits im
Anfangsstadium am Widerstandsanstieg zu detektieren.
5.1.1
Temperaturschocktest
Für den Temperaturschocktest wurden für jede der drei Bump-Geometrien je zwei
Leiterplatten der Layout-Varianten „Daisy Chain“ und „Eckbump“ bestückt und untersucht.
Weiterhin wurden zusätzlich pro Bump-Geometrie jeweils zwei Leiterplatten mit dem Layout
„Eckbump“
verwendet
um
die
Prozesse
Cu/Ni/Au-Metallbeschichtung
und
Kondensationsreflowlöten mit Alternativprozessen zu vergleichen. Dazu wurden einmal
chemisch außenstromlos mit Cu/Ni/Pd/Au beschichtete MID verwendet und einmal wurde
der Lötprozess in einem Konvektion-Durchlaufofen durchgeführt. Beide Prozesse konnten
bei Mitgliedsfirmen des projektbegleitenden Ausschusses durchgeführt werden. Schließlich
wurden jeweils zwei Flex-Leiterplatten pro Bump-Geometrie, ebenfalls mit dem Layout
„Eckbump“ mit MID bestückt und im TST untersucht. Von der Layout-Variante „Querschliff“
wurden zehn Demonstratoren pro Bump-Geometrie aufgebaut und in regelmäßigen
Abständen aus dem TST entnommen und quergeschliffen.
Der TST wurde in einem Zweikammerschockschrank bei -40°C und +125°C durchgeführt.
Die Haltezeit je Kammer betrug 15 min, die Dauer des Temperaturwechsels war kleiner als
10 s.
Der Test wurde zu bestimmten Zeitpunkten unterbrochen und die Leiterplatten wurden
entnommen um die Widerstandswerte der Verbindungstellen zu analysieren. Weiterhin
wurde
an
ausgewählten
Proben
eine
kontinuierliche
Onlinemessung
der
Übergangswiderstände über den gesamten Testverlauf durchgeführt, um so bereits frühzeitig
abweichende Widerstandswerte und damit Ausfälle im Anfangsstadium erkennen und den
Ausfallzeitpunkt
exakt
detektieren
zu
können.
Weiterhin
können
dabei
auch
temperaturabhängige Widerstandsschwankungen sichtbar gemacht werden. Für diese
Onlinemessungen wurde pro Bump-Geometrie je eine Leiterplatte mit dem Layout
„Eckbump“ verwendet. Da Demonstratoren mit diesem Layout per Vierleitermessung geprüft
werden, können auch sehr geringe Widerstandsänderungen zuverlässig erkannt werden.
Die Ergebnisse der Demonstratoren mit dem Layout „Eckbump“ sind in den Tabellen 5.1 bis
5.3 nach Bump-Geometrie unterschieden dargestellt. Tabelle 5.2 zeigt die Ergebnisse der
Demonstratoren welche mit MID bestückt wurden die eine Cu/Ni/Pd/Au-Metallschicht
besitzen. Tabelle 5.3 zeigt die Ergebnisse Demonstratoren welche im Konvektionslötofen
Seite 40
gelötet wurden. Tabelle 5.1 zeigt die Ergebnisse der Demonstratoren ohne die
Vergleichsvarianten.
Eine Ausfallrate von 12,5 % entspricht einem ausgefallenen Kontakt.
MID-Varianten bzw. Bump-Geometrien, die bis zum Ende des jeweiligen Tests keine
Ausfälle aufwiesen sind in den folgenden Tabellen grün hinterlegt dargestellt.
Tabelle 5.1: Ausfälle im TST; Demonstratoren ohne Vergleichsvarianten; Layout „Eckbump“
Tabelle 5.2: Ausfälle im TST; Demonstratoren mit Cu/Ni/Pd/Au-Metallbeschichtung; Layout
„Eckbump“
Seite 41
Tabelle 5.3: Ausfälle im TST; Demonstratoren mit Konvektionslöten; Layout „Eckbump“
Es fällt auf, dass bei den 9 x 9-MID bereits vor Beginn des TST (0 Zyklen) erste Ausfälle
messbar sind. Das heißt, dass große MID auf Grund der Temperaturbelastung und des
CTE-Mismatch bereits während des Lötprozesses, bzw. während des Abkühlens auf
Raumtemperatur nach dem Löten ausfallen. Eine Vorschädigung der vor dem TST noch
nicht ausgefallenen Lotverbindungen von 9 x 9-MID kann als wahrscheinlich angesehen
werden.
Mit kleiner werdenden MID nimmt deren Zuverlässigkeit zu, 3 x 3-MID zeigen selbst nach
3200 Temperaturzyklen eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Größe der MID hat also
bei gleich bleibender Anzahl an Kontaktstellen deutlichen Einfluss auf die Zuverlässigkeit.
Ein Einfluss der Materialorientierung (Spritzrichtung) auf die Zuverlässigkeit ist nicht
erkennbar. Die thermomechanischen Spannungen auf die Verbindungen in den 3 x 6-MID
sollte aufgrund der größeren räumlichen Ausdehnung quer zur Spritzrichtung gegenüber den
6 x 3-MID
ebenfalls
größer
sein
und
somit
die
Zuverlässigkeit
verringern.
Die
experimentellen Ergebnisse zeigen aber eine im Rahmen der statistischen Schwankungen
vergleichbare Ausfallwahrscheinlichkeit.
Die Ergebnisse der TST Untersuchungen der Demonstratoren mit den Vergleichsprozessen
zeigen kein erkennbar anderes Verhalten. Es kann also geschlossen werden, dass die
untersuchten Alternativprozesse keinen signifikanten Einfluss auf die Zuverlässigkeit der MID
Verbindungen besitzen.
Der Einfluss der Bump-Geometrie hingegen ist klar ersichtlich. Wie aus Tabelle 5.1
hervorgeht zeigen MID mit Standard Bump die geringste Ausfallwahrscheinlichkeit. Die
Verbindungen ohne Bump und die Verbindungen mit optimierten Bumps zeigten beide eine
höhere Ausfallwahrscheinlichkeit. Dieses Ergebnis steht zunächst im Widerspruch zu den
Lebensdauervorhersagen aus der Simulation und wird in Kapitel 6 ausführlich diskutiert.
Seite 42
Tabelle 5.4 zeigt die Ergebnisse der Demonstratoren mit dem Layout „Daisy Chain“. Hierbei
wurden alle Kontakte der MID verlötet. Die Anzahl der Verbindungsstellen hängt bei diesem
Layout von der Größe des MID ab, ist aber bei allen Varianten größer als beim Layout
„Eckbump“ und spiegelt damit eher die typische Anschlusssituationen bei realen MID wieder.
Es wird deutlich, dass hier die Zuverlässigkeit deutlich höher ist als bei den MID mit
„Eckbumplayout“. Eine Verteilung der auftretenden thermomechanischen Spannungen auf
mehr Kontaktstellen erhöht also die Lebensdauer der Verbindungen stark. Bei den 9 x 9-MID
entspricht eine Ausfallrate von 10 % einem MID. Bei den vereinzelten MID entspricht eine
Ausfallrate von 7 % einem MID.
Tabelle 5.4: Ausfälle im TST; Demonstratoren ohne Vergleichsvarianten; Layout „Daisy
Chain“
Nach 1000 Temperaturzyklen ist bei keinem der untersuchten MID ein Ausfall zu erkennen.
Der Ausfall beim 9 x 9-MID mit Standard-Bump vor Testbeginn wird auf einen Messfehler
zurückgeführt, da dieser in den nachfolgenden Messungen nicht wieder detektierbar war. Die
beiden MID-Varianten 6 x 3 und 3 x 3 sind sogar nach 3200 Temperaturzyklen im
Temperaturschocktest ohne Ausfälle. Insgesamt schneidet die Bump-Geometrie Standard
Bump am besten ab.
Die für Vergleichsuntersuchungen auf Flex-Leiterplatten mit dem Layout „Eckbump“
aufgebauten MID zeigen selbst nach den insgesamt knapp 1000 durchgeführten
Temperaturzyklen keinen Ausfall. Selbst die 9 x 9-MID fallen nicht aus, wie dies bei FR-4
Leiterplatten der Fall ist. Die auftretenden thermomechanischen Spannungen sind hier auf
Grund des geringen E-Moduls des Substratmaterials deutlich geringer, die Zuverlässigkeit
verbessert sich daher deutlich (vgl. Tabelle 5.5). Der TST mit Flex-Leiterplatten wurde nach
1000 Zyklen abgebrochen, da zu diesem Zeitpunkt die erheblich verbesserte Zuverlässigkeit
gegenüber den FR4-Leiterplatten bereits ausreichend nachgewiesen werden konnte.
Seite 43
Tabelle 5.5: Ausfälle im TST; MID auf Flex-Leiterplatten; Layout „Eckbump“
5.1.2
Hochtemperaturlagerung
Für die Hochtemperaturlagerung (HTL) wurden je zwei Demonstratoren der LayoutVarianten „Daisy Chain“ und „Eckbump“ pro Bump-Geometrie aufgebaut und untersucht.
Hinzu kamen zehn Demonstratoren von der Layout-Variante „Querschliff“ pro BumpGeometrie, hiervon wurden in regelmäßigen Abständen Proben entnommen und
quergeschliffen.
Die Lagerung der Demonstratoren erfolgte 2000 h bei 150°C. Elektrische Messungen
wurden vor Beginn, nach 1000 h und nach Beendigung des Tests durchgeführt.
Die Ergebnisse der Demonstratoren mit dem Layout „Eckbump“ sind in Tabelle 5.6 für alle
Bump-Geometrien gemeinsam dargestellt, da kein Einfluss der Geometrie auf die
Ergebnisse erkennbar war. Tabelle 5.7 zeigt die ermittelten Ausfälle der Demonstratoren mit
dem Layout „Daisy Chain“, ebenfalls für alle Bump-Geometrien gemeinsam dargestellt.
Ein ausgefallener Kontakt entspricht etwa 4 %.
Seite 44
Tabelle 5.6: Ausfälle in HTL; Demonstratoren ohne Vergleichsvarianten; Layout „Eckbump“
Tabelle 5.7: Ausfälle in HTL; Demonstratoren ohne Vergleichsvarianten; Layout „Daisy
Chain“
Auch hier ist wieder erkennbar, dass große MID welche nur über die vier Eckbumps mit dem
Substrat verlötet sind, bereits während des Lötprozesses ausfallen. 9 x 9-MID mit mehreren
Verbindungsstellen wie in der Daisy-Chain Layoutvariante zeigen dieses Verhalten nicht. Sie
überstehen den Lötprozess unbeschadet. Bei allen MID gilt, dass über den gesamten
Testverlauf keine Ausfälle zu beobachten sind, welche nicht auf die Schädigung nach dem
Löten zurückzuführen sind. Nach 2000 h sind keine Widerstandsänderungen messbar.
5.1.3
Drop-Test
Mit Hilfe des Drop-Tests wird die Auswirkung von mechanischer Stoßbelastung auf die
Kontaktstelle untersucht, wie sie beispielsweise bei einem Sturz des Bauteils entsteht. Der
Testaufbau wurde dem Vorbild des in JEDEC Standard JESD22-B111 beschriebenen
Aufbaus nachempfunden. Die Durchführung des Tests erfolgte in Anlehnung an die
Vorgaben des JESD22-B110, gewählt wurden die Bedingungen für Standgeräte. Ausgehend
Seite 45
von dem zur Verfügung stehenden Testaufbau wurde eine Fallhöhe von 91,4 cm gewählt.
Untersucht wurden jeweils zwei Flex-Leiterplatten pro Bump-Geometrie mit dem Layout
„Eckbump“. Die Testleiterplatten wurden senkrecht auf dem beweglichen Schlitten montiert
um die Lotverbindungen auf Scherung zu beanspruchen. Nach JEDEC-Standard kann bei
diesen Testbedingungen von einer auf die Kontaktstellen wirkenden Beschleunigung von
etwa 105 G ausgegangen werden. Die Beurteilung von Ausfällen erfolgte mittels
Widerstandsmessung.
Die Ergebnisse des Drop-Tests sind in Tabelle 5.8 dargestellt. Kontaktstellen mit Standard
Bumps und Kontaktstellen mit Optimierten Bumps zeigen auch nach 100 Drop-Vorgängen
keinen Ausfall. Bei 9 x 9-MID mit Kontaktstellen ohne Bump wurden die ersten Ausfälle nach
zehn Drop-Vorgängen festgestellt. Nach weiteren 20 Drop-Vorgängen sind bereits alle
Kontakte ausgefallen. Nach 100 Drop-Vorgängen waren 25 % der Kontaktstellen von
6 x 6-MID ausgefallen.
Tabelle 5.8: Ausfälle im Drop-Test; Demonstratoren ohne Vergleichsvarianten; Layout
„Eckbump“
Die
Verbindungen
Beanspruchung.
zeigen
Weiterhin
also
lässt
eine
sich
gute
Festigkeit
feststellen,
dass
gegenüber
der
mechanischer
Einsatz
von
MID-
Kontaktelementen eine deutliche Verbesserung gegenüber der Variante mit flachen
Kontaktpads mit sich bringt.
5.2
Analyse der Ausfallmechanismen
Während des TST wurden an jeweils einem Demonstrator mit Layout „Eckbump“ pro BumpGeometrie
Bestimmung
Onlinewiderstandsmessungen
des
Ausfallzeitpunkts,
durchgeführt. Dies
was
für
den
ermöglicht
Vergleich
die
mit
genaue
den
Seite 46
Lebensdauerabschätzungen aus der Simulation notwendig ist. Weiterhin kann auf diese
Weise der Widerstandsverlauf bis zum Erreichen des Ausfallkriteriums aufgezeichnet
werden, was Rückschlüsse auf den Ausfallmechanismus und die Rissfortpflanzung
ermöglicht.
Abbildung 5.1 zeigt beispielhaft drei typische Verlaufskurven dieser Onlinemessung. Die drei
Kurven stammen von 6 x 6 Bauteilen mit unterschiedlicher Bump-Geometrie.
Die in blau dargestellte Linie zeigt den Widerstandsverlauf einer Kontaktstelle mit Standard
Bump.
Diese
weist
auch
nach
über
3000 Zyklen
keine
Veränderung
des
Übergangswiderstands auf.
Die rote Linie zeigt ebenfalls den Widerstandsverlauf einer Kontaktstelle mit Standard Bump.
Nach knapp 1000 Zyklen ist hier ein ansteigender Übergangswiderstand zu verzeichnen.
Nach insgesamt 2400 Zyklen steigt der Widerstandswert über den für Ausfälle festgelegten
Schwellenwert und gilt damit als ausgefallen.
Die gelbe Linie zeigt den Widerstandsverlauf einer Kontaktstelle ohne Bump. Während der
ersten 1700 Zyklen ist keine signifikante Veränderung des Kontaktwiderstands zu erkennen.
Der Ausfall der Kontaktstelle erfolgt dann sehr plötzlich und ohne sich bereits vorher
anzukündigen. Der teilweise Verlauf der gelben und roten Kurve im negativen Bereich des
Übergangswiderstands ist auf die Messungenauigkeit der verwendeten Messeinrichtung
zurückzuführen. Die Messungenauigkeit ist hier größer als der zu messende Widerstand,
weshalb die Messwerte teilweise vom Gerät als negativ dargestellt werden.
Der Kurvenverlauf und damit das Ausfallverhalten von Kontaktstellen mit Optimierten Bumps
entspricht qualitativ dem von Standard Bumps.
Abbildung 5.1: Widerstandsentwicklung im TST (Legende mit Varianten)
Um die Gründe für die unterschiedlichen Ausfallverhalten von Kontaktstellen mit Bump und
Kontaktstellen ohne Bump analysieren zu können, wurden die angefertigten Querschliffe
betrachtet.
Hierfür
Temperaturlagerung
wurden
in
während
regelmäßigen
des
Abständen
Temperaturschocktests
Demonstratoren
mit
und
dem
der
Layout
Seite 47
„Querschliff“ entnommen und quergeschliffen. Auf diese Weise kann der Risspfad bzw.
-verlauf dargestellt werden.
Die Abbildungen 5.2 und 5.3 zeigen Querschliffe durch Standard Bumps (Abbildung 5.2) und
Optimierte Bumps (Abbildung 5.3). Die beiden linken Bilder zeigen Lotverbindungen ohne
Beschädigung. Auf den beiden mittleren Bildern ist die beginnende Rissbildung sichtbar.
Dabei zeigt sich, dass sich der Riss jeweils an der Außenwand einer Pore bildet und sich
dann durch das Lot hindurch in Richtung Bumpspitze fortsetzt. Auf den jeweils rechten
Bildern ist der Riss bereits vollständig durch die Lotverbindung hindurch gewachsen, der
Bump hat nun keine Verbindung zur Leiterplatte mehr. Hier zeigt sich, dass der Riss im
schmalsten Bereich zwischen Bumpspitze und Kontaktpad nicht durch das Lot verläuft. An
dieser
Stelle
hebt
die
Metallbeschichtung
des
MID
ganz
oder
teilweise
vom
thermoplastischen Bumpkörper ab. Insgesamt liegt also ein Mischbruch vor. Die beiden
vorkommenden Brucharten sind Kohäsionsbruch innerhalb des Lotes, ausgehend von den
vorhandenen Poren und Adhäsionsbruch der Metallbeschichtung vom MID.
Der langsame Anstieg des gemessenen Widerstands, welcher sich vom Anfangsniveau bis
zur Ausfallgrenze über mehr als 1000 Zyklen erstrecken kann (vgl. Abbildung 5.1), spiegelt
die Verringerung des leitenden Querschnitts durch das kontinuierliche, langsame Wachstum
des Risses wider.
Abbildung 5.2: Querschliffe durch Lotverbindungen mit Standard Bumps: unbeschädigte
Lotverbindung (links); Risseinleitung (mitte); Abriss der Lotverbindung (rechts)
Abbildung 5.3: Querschliffe durch Lotverbindungen mit Optimierten Bumps: unbeschädigte
Lotverbindung (links); Risseinleitung (mitte); Abriss der Lotverbindung (rechts)
Die in Abbildung 5.4 gezeigten Querschliffe durch Lotverbindungen ohne Bumps zeigen
einen anderen Rissverlauf. Ein Risswachstum durch das Lot ist bei Lotverbindungen ohne
Seite 48
Bumps nicht erkennbar. Das Schadensbild zeigt hier ausschließlich ein Abheben der
Metallbeschichtung vom MID.
Der plötzliche Anstieg des Übergangswiderstands in Abbildung 5.1 lässt sich anhand der in
Abbildung 5.4 gezeigten Querschliffe erklären. Bei Kontaktstellen ohne Bump erfolgt die
Unterbrechung des elektrischen Leiterpfades nicht durch langsame Rissbildung durch die
Lötstelle, sondern durch Bruch der Metallschicht auf dem MID neben der Lötstelle in Folge
des Abhebens der Metallschicht vom Kunststoffkörper. Die MID-äLeiterbahn ist sehr spröde
und bricht daher innerhalb kurzer Zeit komplett durch, weshalb kein Widerstandsanstieg vor
dem Ausfall zu beobachten ist.
Abbildung 5.4: Querschliffe durch Lotverbindungen ohne Bumps: unbeschädigte
Lotverbindung (links); Abriss der Lotverbindung (rechts)
6
6.1
Analyse der Ergebnisse und Vergleich zwischen Simulation und Experiment
Porenbildung
Die bei der Querschliffanalyse festgestellten Poren im Lot stehen vor allem bei den Varianten
mit Bumps in offensichtlichem Zusammenhang mit der Rissbildung. Um diesen Umstand
näher zu betrachten wurden die Lötstellen mit Hilfe einer orthogonalen RöntgenDurchstrahlprüfung analysiert. Damit lässt sich sowohl die Lage und Größe der Poren als
auch deren Flächenanteil an der gesamten projizierten Lötfläche bestimmen. Die Bewertung
erfolgte in Anlehnung an etablierte Verfahren der SMD-Technik. Abbildung 6.1 zeigt
Röntgenbilder von Lötverbindungen mit den drei untersuchten Bump-Geometrien.
Abbildung 6.1: Röntgen-Durchstrahlprüfung von Lotverbindungen mit Standard Bump
(links), Optimiertem Bump (Mitte), ohne Bump (rechts)
Seite 49
Es wurde eine flächenbezogene Auswertung des Porenanteils bei jeweils 20 Proben pro
Bump-Geometrie durchgeführt. Im Durchschnitt nehmen die Poren bei Lotverbindungen mit
Standard Bump einen Flächenanteil von 13 % ein, bei Lotverbindungen mit Optimiertem
Bump liegt der Durchschnitt bei 9 % und bei Verbindungen ohne Bump liegt er bei 16 %.
Doch trotz des geringeren Flächenanteils der Poren bei Lötverbindungen mit Optimiertem
Bump als bei Lötverbindungen mit Standard Bump ist deren Zuverlässigkeit geringer. Die
Ursache
liegt
mutmaßlich
in
der
Anordnung
der
Poren
im
Lot.
Aufgrund
der
unterschiedlichen Geometrien der Bumps ordnen sich die Poren auch unterschiedlich an. Bei
beiden Varianten ordnen sich die Poren in einem Kreis um die Kante herum an. Beim
Optimierten Bump ist der Kopf jedoch deutlich spitzer als beim Standard Bump, der Radius
des Kreises ist daher deutlich geringer. Zusätzlich sind die einzelnen Poren größer als beim
Standard Bump. Die engere Anordnung der Poren und deren größerer Durchmesser haben
zur Folge, dass es lokal in diesem Bereich zu einer sehr hohen Porendichte und damit zu
einer Schwächung dieser Zone kommt. Diese wirkt sich negativ auf die Zuverlässigkeit der
Verbindung aus und erklärt die geringere Zuverlässigkeit der Optimierten Bumps in den
experimentellen Untersuchungen. Zur Überprüfung dieser These wurde das Modell der
Simulation nochmals angepasst.
6.2
Integration des Porenmodells in die Simulation
Aufgrund der beobachteten Vorschädigung der 9 x 9 Eckbump MID im Lötprozess wurden
diese in der Simulation nicht mehr weiter betrachtet. Für den Abgleich mit dem Experiment
wurde daher hier die 6 x 6 Eckbumpvariante gewählt. Da der Zeitpunkt der Risseinleitung im
Experiment nicht exakt genug zu ermitteln ist, wurden für die Simulationen im Folgenden
nicht mehr die Zyklen bis zur Risseinleitung, sondern die Anzahl der TST-Zyklen Nf bis zum
Ausfall abgeschätzt. Die für die Coffin-Manson Gleichung benötigte akkumulierte
Kriechdehnung wurde über das Volumen der Elemente des Risspfades gemittelt.
Um die neuen Annahmen im Modell mit den bisherigen Berechnungen zu vergleichen wurde
im ersten Schritt überprüft, ob der Optimierte Bump immer noch eine höhere Anzahl Zyklen
bis zum Ausfall zeigt als der Standard Bump. In Abbildung 6.2 ist der deutliche Unterschied
zu erkennen. Die Kriechdehnungen verteilen sich beim Optimierten Bump auf eine größere
Fläche als beim Standard Bump. Der Optimierte Bump zeigt daher mehr Zyklen bis zum
Ausfall als der Standard Bump.
Seite 50
Nf = 2111
Nf = 2789
Abbildung 6.2: Anzahl an Zyklen bis zum Bruch ohne Poren für zentrierte Variante, links
Standard Bump, rechts Optimierter Bump
Im zweiten Schritt wurde nun mittels einer vereinfachten Modellannahme der Einfluss der
Poren auf die Lebensdauer untersucht. Hierfür wurde für die weitere Abschätzung ein
einfaches Porenmodell erstellt. Wie die Querschliffuntersuchungen zeigten ordnen sich die
Poren vermehrt am Kopf des Bumps und weniger in der Mitte oder am Fuß an. Diese
Erkenntnis wurde in das Porenmodell mit übernommen. Es wurde ein 10 Vol.-% Porenanteil
verteilt auf 6 Poren modelliert. Die Poren mit einem Durchmesser von 150 µm wurden
gleichmäßig auf einer Ebene parallel zum Lötpad mit dem Abstand 10 µm verteilt. Dies ist für
den Standard Bump in Abbildung 6.3 und für den Optimierten Bump in Abbildung 6.4
dargestellt.
Seite 51
a
Abbildung 6.3: Modellierung der Poren für den Standard Bump
a
Abbildung 6.4: Modellierung der Poren für den Optimierten Bump
Es ist deutlich zu erkennen, dass der Abstand a der einzelnen Poren geometriebedingt beim
Standard Bump größer ist als beim Optimierten Bump. In diesem Bereich des Modells ist
daher mehr Lotmasse und damit eine höhere Stabilität vorhanden.
In Abbildung 6.5 sind die Kriechdehnungen des Porenmodells von Standard Bump und
Optimiertem Bump dargestellt. Es zeigt sich, dass die hier modellierten Poren den Risspfad
beeinflussen. Dies bestätigt die Beobachtungen aus den experimentellen Untersuchungen.
Des Weiteren zeigt sich, dass die Poren die Lebensdauer herabsetzen. Basierend auf dem
Porenanteil von 10 Vol.-% zeigte der Optimierte Bump weniger TST-Zyklen bis zum Ausfall
Seite 52
als der Standard Bump. Der Einfluss der Poren auf die Zuverlässigkeit ist beim Optimierten
Bump also tatsächlich ausgeprägter als beim Standard Bump.
Nf = 1664
Nf = 1500
Abbildung 6.5: Porenmodell und Risspfad aus dem Experiment
Das beschriebene Verhalten zeigt sich auch in der Simulation der weiteren MID Varianten.
Die Ergebnisse hierzu sind in Tabelle 6.1 dargestellt.
Seite 53
Tabelle 6.1: Berechnete TST-Zyklen der Kontaktierungsvarianten Standard Bump und
Optimierter Bump bei Berücksichtigung der Poren in der Lotverbindung
6x6
3x3
3x6
Optimierter Bump
Nf
Nf
Nf
4-Leiter (Eckbumps)
1500
2741
6124
2-Leiter (alle kontaktiert)
2158
3159
7264
4-Leiter (Eckbumps)
1664
2892
6230
2-Leiter (alle kontaktiert)
2626
3513
7352
Standardbump
Es wurden die Varianten mit Kontaktierung der Eckbumps sowie aller Bumps für die MID
Varianten 6 x 6, 3 x 6 und 3 x 3 berechnet. Wie erwartet zeigen die Eckbump-Varianten
gegenüber den komplett kontaktierten Anordnungen eine geringere Lebensdauer. Die
höchste Anzahl an Zyklen bis zum Ausfall wurde für die 3 x 3 Varianten mit Kontaktierung
aller Bumps berechnet, die niedrigste für die 6 x 6 Eckbump-Variante.
6.3
Vergleich mit BGA
Um die ermittelten Zuverlässigkeiten nicht nur innerhalb der MID Varianten vergleichen zu
können, sondern um eine Einordnung der Ergebnisse in etablierte Technologien zu
ermöglichen wurden die MID-Bumps zusätzlich mit einer Lötstellengeometrie verglichen wie
sie für Ball Grid Arrays (BGA) üblich ist. Als Bauteilmaterialien wurden LCP Vectra E840i
LDS für die MID Variante sowie die Mouldmassen LS#1 (Low Stress) und LS#2 [10] für die
BGA Variante angenommen. Die mechanischen Eigenschaften der Mouldmassen sind in
Abbildung 6.6 zu sehen.
Seite 54
60
30000
CTE [ppm/K]
50
25000
40
20000
30
15000
20
10000
10
5000
0
-50
0
50
100
150
E-Modul [Mpa]
LS#1 (CTE)
LS#2 (CTE)
LS#1 (E-Modul)
LS#2 (E-Modul)
0
200
Temperatur [ C]
Abbildung 6.6: CTE und E-Modul der Mouldmassen LS#1 und LS#2 [10]
LS#1 besitzt eine niedrigere Glasübergangstemperatur TG als LS#2.
Die Höhe H = 350 mm sowie der Durchmesser D = 600 mm der Lötstelle des BGA wurde
typischen Abmessungen aus der Praxis nachempfunden. Die auf dem LCP modellierte
Metallschicht ist 10 µm dick. Der in Abbildung 6.7 a) gezeigte Querschliff eines BGA [11]
besitzt das passende Aspektverhältnis von Höhe zu Breite. Daraus konnte der
Lötpaddurchmesser von 450 mm abgemessen werden. Das Modell des Lotballs ist in
Abbildung 6.7 a) zu sehen.
600 mm
a)
350 mm
450 mm
b)
Abbildung 6.7: a) Querschliff [11] b) Modellerstellung eines typischen Lotballs
Seite 55
Für den Vergleich wurde eine 6 x 6 Variante mit allen Kontakten modelliert. In Abbildung 6.8
sind die auftretenden Kriechdehnungen dargestellt. Der Risspfad verläuft beim BGA in Form
einer Schale durch das Lot. Anders als bei den MID-Bumps verläuft der Riss nicht am
Interface Lot / Lötpad, sondern oben oder unten vollständig durch das Lotmaterial. Die
Berechnung mit der Mouldmasse LS#1 zeigte die geringste Anzahl an TST-Zyklen bis zum
Ausfall. Dies ist auf die niedrige Glasübergangstemperatur und die dadurch bedingt höhere
CTE Differenz zum FR4 zurückzuführen. Die Lebensdauerabschätzung der BGA-Geometrie
ergab für LCP Vectra E840i LDS die größte Anzahl an Zyklen bis zum Bruch.
LS#1
LS#2
Nf = 662
Nf = 1587
LCP Vectra E840i LDS
Nf = 1680
Abbildung 6.8: Vergleich der BGA-Geometrie mit unterschiedlichen Substratmaterialien
In Tabelle 6.2 ist der Vergleich der 6 x 6-BGA zu den 6 x 6-MID mit allen Kontakten gezeigt.
Der Standard Bump sowie der Optimierte Bump wurden mit Poren gerechnet.
Seite 56
Tabelle 6.2: Vergleich BGA mit MID-Bumps
Kontaktierung
Material
Nf
Standardbump
Vectra E840i LDS
2626
Optimierter Bump
Vectra E840i LDS
2158
BGA
Vectra E840i LDS
1680
BGA
LS#2
1587
BGA
LS#1
662
Die vereinfacht modellierten BGA-Varianten zeigten hier deutlich weniger TST-Zyklen bis
zum Ausfall als die MID-Bumps. Bei gleichem Substratmaterial konnte für den Standard
Bump eine 56 % höhere Lebensdauer abgeschätzt werden als für den BGA.
Seite 57
7
Fazit und Ausblick
Im Rahmen des Vorhabens wurden verschiedene Kontaktgeometrien für das Löten von MID
auf Leiterplatten entwickelt und verglichen. Dazu wurden in mehreren Iterationen
thermomechanische Simulationen mittels FEM und Lebensdauerabschätzungen mittels
Coffin-Manson-Gleichung durchgeführt. Weiterhin wurden im Rahmen von experimentellen
Untersuchungen drei verschiedene Kontaktgeometrien auf ihre Zuverlässigkeit überprüft und
mit den Ergebnissen der Simulation verglichen.
Es zeigte sich, dass die Annahmen, die für die erste Optimierung der Kontaktgeometrie
getroffen wurden, die für die Zuverlässigkeit entscheidenden Parameter nicht vollständig
widerspiegeln. Die von der Simulation vorhergesagte höhere Zuverlässigkeit der Optimierten
Bumpgeometrie gegenüber der Standard Bumpgeometrie wurde von den experimentellen
Untersuchungen nicht bestätigt. Dort zeigten die Standard Bumps eine höhere Anzahl Zyklen
bis zum Ausfall. Als Ursache konnte die Porenverteilung in der Lötstelle identifiziert werden.
Porenanzahl, -größe und -anordnung spielen bei MID-Bumps eine erhebliche Rolle. Durch
Erweiterung des Simulationsmodells durch eine erste Implementierung der Poren konnten
die experimentellen Ergebnisse qualitativ nachvollzogen werden. Eine Übereinstimmung von
Experiment und Simulation in erster Näherung wurde so erreicht.
Es konnte gezeigt werden, dass durch Integration von MID-Bumps als Kontaktelemente die
Zuverlässigkeit von gelöteten MID auf Leiterplatten gegenüber herkömmlichen, flachen
Kontaktstellen verbessert werden kann.
Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass viele der untersuchten MID-Varianten in den
durchgeführten Umwelttests bereits eine sehr gute Zuverlässigkeit besitzen. Die Ergebnisse
sind dabei neben der Bumpgeometrie vor allem abhängig von MID-Größe und
Anschlusszahl. MID mit typischen Abmessungen und Kontaktzahlen zeigen selbst nach
3200 Zyklen im Temperaturschocktest bzw. nach 2000 Stunden in der Hochtemperaturlagerung keine Ausfälle. Es zeigte sich aber auch, dass große MID mit geringer Anschlusszahl bereits durch die Temperaturbelastung des Lötprozesses geschädigt werden können.
Es kann abschließend gesagt werden, dass Poren bei Verwendung von Lötverbindungen mit
MID einen größeren Einfluss auf die Zuverlässigkeit besitzen, als dies aus der SMD-Technik
sonst bekannt ist. Für die Zukunft kann daher einerseits durch die weitere Verfeinerung des
Simulationsmodells durch eine realitätsnahe Abbildung der Porensituation die Grundlage für
eine
Geometrieoptimierung
und
eine
quantitativ
belastbare
Lebensdauerprognose
geschaffen werden. Andererseits können Untersuchungen zur gezielten Verringerung der
Porenbildung und lokalen Porenanhäufung die Zuverlässigkeit erhöhen und die Verarbeitung
größerer MID ermöglichen.
Seite 58
8
Literaturverzeichnis
[1] Weinberg, K., Müller, W.H., “A strategy for damage assessment of thermally stressed
copper vias in microelectronic printed circuit boards'', Elsevier Ltd.2007, pp.68-82
[2] ANSYS Workbench 12.1 material database
[3] Dissertation, Warkentin, D., “Untersuchungen zu kapazitiven Beschleunigungssensoren
aus
metallbeschichtetem Kunststoff“, Institut für Zeitmesstechnik, Fein- und Mikrotechnik
Universität Stuttgart, 2005
[4] Datenblatt Ticona, www.ticona.de, 13.8.2010
[5] Datenblatt Heraeus, Solder Paste Series F 640, www.heraeus.de
[6] IGF - Vorhaben 303 ZBG: „Zuverlässigkeit mikromechatronischer Systeme mit Chip auf
MID und flexiblen Substraten“
[7] Rösler J., Harders H., Bäker M., „Mechanisches Verhalten der Werkstoffe“, 2. Auflage,
Teubner Verlag Wiesbaden, 2006
[8] Schubert, A., Dudek, R., Auerswald, E., Gollhardt, A., Michel, B., Reichl, H.,
''Fatigue life models of SnAgCu and SnPb solder joints evaluated by experiments and
simulations'', 53rd ECTC Conference Proc., 2003, pp. 603-610
[9] Dudek, R., Rzepka, S., Dobritz, S., Doring, R., Keyssig, K., Wiese, S., Michel, B.,
“Fatigue Life Prediction and Analysis of Wafer Level Packages with SnAgCu
Solder Balls”,
Proc.
1st
Electronics
Systemintegration
Technology
Conf,
2006,
pp. 903-911
[10] Wilde, J., Zukowski, E., “Comparative Sensitivity Analysis for μBGA and QFN
Reliability”, Proc. Int. Conf. Thermal, Mechanical and Multi-Physics Simulation
Experiments in Microelectronics and Micro-Systems EuroSime 2007, pp. 1-7
[11]
Robert
Darveaux
et.al.,
„Shear
Deformation
of
Lead
Free
Solder
Joints”,
th
Proc. 55 Electronic Components and Technology Conf, 2005, pp. 882-893
[12]
Heininger, N.: „Selektive Metallisierung von thermoplastischen Spritzgießteilen durch Laser
Aktivierung“, Firmeninformation der LPKF Laser & Electronics AG
Seite 59
9
Danksagung
Das IGF-Vorhaben 15839N der Forschungsvereinigung Hahn-Schickard-Gesellschaft für
angewandte Forschung e. V. – HSG, Wilhelm-Schickard-Straße 10, 78052 VillingenSchwenningen wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der
industriellen Gemeinschaftsforschung und –entwicklung (IGF) vom Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
gefördert. Für diese Förderung sei gedankt.
Dem projektbegleitenden Ausschuss sei für die Unterstützung und die Hinweise aus den
zahlreichen Diskussionen gedankt. Namentlich sind dies:
-
Dyconex AG
-
Festo AG & Co. KG
-
Gramm Technik GmbH
-
HARTING AG Mitronics
-
HASEC – Elektronik GmbH
-
KIRRON GmbH & Co. KG
-
LPKF Laser & Electronics AG
-
Rehm Thermal Systems GmbH
-
Robert Seuffer GmbH & Co. KG
-
SIGMA Engineering GmbH
Seite 60

Documentos relacionados