Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang
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Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang
Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Kerstin Kleem Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege DIVI 03.12.2014 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Inhalt • Definitionen • Ursachen für eine Bewusstseinsveränderung • Hirndruckpathologie • Hirndruckfolgen • Bewusstseinseinteilungen • Bewusstseinsbeurteilung • Fallbeispiel Kerstin Kleem, DIVI 2014 2 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Definition Vigilanz → Aufmerksamkeit, ein Teilaspekt des Bewusstseins Bewusstsein → Der Begriff hat im deutschen Sprachgebrauch eine sehr vielfältige Bedeutung • Das Erleben • Die Wachheit • Das gedankliche Bewusstsein • Das Selbstbewusstsein Kerstin Kleem, DIVI 2014 3 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Ursachen für Bewusstseinsveränderungen • Trauma mit oder ohne Hirnblutung • Hirnödem • Meningitis • Intoxikation • Stoffwechselentgleisung • Hypoxie • Krampfanfälle Kerstin Kleem, DIVI 2014 4 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Formen von Bewusstseinsstörungen • Somnolenz • Amnesie • Koma • Locked-in-Syndrom (vorgetäuschte Bewusstseinsstörung) • Hirntod Kerstin Kleem, DIVI 2014 5 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Wie kommt es zur Hirndrucksteigerung? • Natürliche räumliche Begrenzung durch den Schädelknochen • Schädelinhalt ist in drei Kompartimente aufgeteilt: Hirnmasse (ca. 1400ml) 85% Liquor (ca.150ml) 7,5% Blut (150ml) 7,5% Kerstin Kleem, DIVI 2014 6 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Monroe-Kellie-Doktrin physiologisch Es werden natürliche Kompensationsmöglichkeiten ausgenutzt, um den Hirndruck stabil zu halten • Ca.50ml (akut) und bis zu 150ml (chron.) Liquor, können in den Spinalkanal verteilt werden Hirnmasse Blut Liquor pathologisch Hirnmasse • Bis zu 70ml Blutvolumen können z.B. durch Hyperventilaton verteilt werden Kerstin Kleem, DIVI 2014 Blut Liquor 7 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Hirndruck Normwerte Erwachsene: 7-15mmHg Kinder < 5mmHg Pathologische Werte 20-30mmHg 30-40mmHg 40-50mmHg >50mmHg Kopfschmerzen und Somnolenz, Erbrechen („im Schwall“), Psychosyndrom Sopor → Koma akut lebensbedrohlich, Koma mit Cheyne-Stockes-Atmung, weite, lichtstarre Pupillen nach 30 Minuten Hirntodsyndrom Kerstin Kleem, DIVI 2014 8 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Ursachen der Hirndruckerhöhung • Zunahme der Hirnmasse Tumor Blutung Hirnödem • Zunahme des CBV (CerebralenBlutVolumens) Venöse Abflussbehinderung Arterielle Vasodilatation • Zunahme des Liquorvolumens Abflussstörungen Resorptionsstörungen Erhöhte Produktion Kerstin Kleem, DIVI 2014 9 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Hirnödem Formen • Vasogenes Hirnödem Störung der Blut-Hirn-Schranke Extrazelluläre Flüssigkeitsansammlung Ursachen: z.B. Tumor, Entzündungen • Zytotoxisches Hirnödem Intakte Blut-Hirn-Schranke Zellschwellung der grauen und weißen Substanz Ursache: Schädel-Hirn-Trauma • Ischämisches Hirnödem Kombination aus beiden Initial intakte Blut-Hirn-Schranke Ursache: z.B. nach zerebraler Ischämie oder Blutung Kerstin Kleem, DIVI 2014 10 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Klinische Zeichen Kopfschmerzen Übelkeit / Erbrechen Wesensveränderungen Bewusstseinstrübung Nackensteife, Opisthotonuns Epileptische Anfälle vegetative Symptomatik Hypertonie, Bradykardie, Atemstörungen (Cushing Reflex) Kerstin Kleem, DIVI 2014 11 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Was passiert bei erhöhtem Hirndruck? Erhöhter Hirndruck vermindert die Hirndurchblutung CerebralPerfusionPressure ergibt sich aus arteriellen Mitteldruck (MAP) abzüglich des Hirndrucks (ICP) CPP = MAP – ICP Kerstin Kleem, DIVI 2014 12 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Auswirkungen einer Volumenzunahme Sind die Reservevolumen aufgebraucht steigt der Druck exponentiell an Der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt! Hirndruck (mmHg) 100 80 60 dekompensiert 40 20 kompensiert 0 0 2 4 6 Volumen (ml) Kerstin Kleem, DIVI 2014 13 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Bewusstseinsstörungen • Qualitative Störungen Störungen des inhaltlichen Bewusstseins • Quantitative Störung Einschränkungen des Wachbewusstseins und der Reaktionsfähigkeit Kerstin Kleem, DIVI 2014 14 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Bewusstseinsstörungen • Qualitative Störungen Einfache Fragen zu Ort, Zeit und Situation • Quantitative Störung Reaktion auf die gestellten Fragen Kerstin Kleem, DIVI 2014 15 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Bewusstseinslage • Wachheit → orientierter Patient, öffnet die Augen auf Ansprache, „normale“ Antwort auf Ansprache • Somnolenz → Abnorme Schlafneigung, der Patient kann jedoch durch Außenreize jederzeit erweckt und zu bestimmten Reaktionen veranlasst werden • Sopor → schlafähnlicher Zustand, der Patient ist nur durch starke Stimuli erweckbar, dann jedoch zu voller Reaktivität • Koma → Unerweckbare Bewusstlosigkeit Kerstin Kleem, DIVI 2014 16 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Koma • Komastadium I → Leichtes Koma Gezielte Abwehrbewegung auf Schmerzreiz • Komastadium II Abwehrbewegungen zeigen sich ziellos und als grobe Massenbewegung • Komastadium III → Tiefes Koma Beuge- und Strecksynergismen, erhöhter Muskeltonus • Komastadium IV Auf Schmerzreize nur noch inkonstante Streckbewegungen Muskeltonus wird schlaff, Reflexe fallen nach und nach aus Spontanatmung ist erhalten aber meist mit pathologischem Atemmuster Kerstin Kleem, DIVI 2014 17 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Glasgow-Koma-Skala • Exakte Einstufung des Schweregrades einer quantitativen Bewusstseinsstörung über die Summe aller Punkte • Berücksichtigt werden Augenöffnen/Wachheit Motorik Sprache • Methodische Mängel der Skala beachten (z.B. intubierte Pat., unbekannte Hörbehinderung) Kerstin Kleem, DIVI 2014 18 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Glasgow-Koma-Skala Kategorie Reaktion Punktwerte Augenöffnen Spontan Auf Aufforderung Auf Schmerzreiz Keine 4 3 2 1 Motorische Reaktion Befolgt Aufforderungen Lokalisiert Reize Zieht die Extremitäten zurück Flexionshaltung Extensionshaltung Keine Bewegung 6 5 4 3 2 1 Sprachliche Reaktion Orientiert Verwirrt Einzelne Wörter Unartikulierte Laute Keine 5 4 3 2 1 Kerstin Kleem, DIVI 2014 19 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Bewusstseinsbewertung Neuropsychologische Untersuchungen: • Intelligenzprüfung Erfahrungs- und Bildungswissen Logisches Denken und Schlussfolgerungen Verbale Ausdruckfähigkeit • Überprüfung der Sprachlichen Leistung (Aphasie) Beobachtung der Spontansprache auf z.B. Sprachmelodie, Flüssigkeit des Sprechens Sprachverständnis Artikulationsstörungen • Überprüfung von Schreiben und Lesen Kerstin Kleem, DIVI 2014 20 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Vier Aphasie Typen • Motorische Aphasie (Broca-Aphasie) Das Sprachverständnis ist erhalten, mündliche Aufforderungen werden verstanden Der Patient kann selbst keinen normalen Satz bilden „Telegrammstil“ • Sensorische Aphasie (Wernicke-Aphasie) Das Sprachverständnis ist gestört bei gleichzeitig flüssiger Sprache Gesprochene Sätze sind verständlich, ergeben aber keinen Sinn • Amnestische Aphasie Wortfindungsstörungen Sprachverständnis ist leicht gestört und die Sprachproduktion flüssig • Globale Aphasie Sprachverständnis und Sprachproduktion sind erheblich gestört Kerstin Kleem, DIVI 2014 21 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Auf was schauen die Leitlinien Exemplarisch die Leitlinie Intrakranieller Druck (ICP), Stand September 2012, von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie Kerstin Kleem, DIVI 2014 22 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Fallbeispiel • Frau K., 56 Jahre, guter Allgemein- und Ernährungszustand • In den letzten Wochen vermehrt Übelkeit, Schwindelgefühl, Konzentrationsschwächen und stetige Müdigkeit • Im CCT → Nachweis eines Tumors im III. Ventrikel mit Liquor-Abflussstörungen • Anlage einer EVD und Aufnahme auf der IMC-Station Kerstin Kleem, DIVI 2014 23 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Fallbeispiel • Frau K., 56 Jahre, guter Allgemein- und Ernährungszustand • In den letzten Wochen vermehrt Übelkeit, Schwindelgefühl, Konzentrationsschwächen und stetige Müdigkeit • Im CCT → Nachweis eines Tumors im III. Ventrikel mit Liquor-Abflussstörungen • Anlage einer EVD und Aufnahme auf der IMC-Station Kerstin Kleem, DIVI 2014 24 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Fallbeispiel • Frau K., 56 Jahre, guter Allgemein- und Ernährungszustand • In den letzten Wochen vermehrt Übelkeit, Schwindelgefühl, Konzentrationsschwächen und stetige Müdigkeit • Im CCT → Nachweis eines Tumors im III. Ventrikel mit Liquor-Abflussstörungen • Anlage einer EVD und Aufnahme auf der IMC-Station Kerstin Kleem, DIVI 2014 25 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Fallbeispiel • Frau K., 56 Jahre, guter Allgemein- und Ernährungszustand • In den letzten Wochen vermehrt Übelkeit, Schwindelgefühl, Konzentrationsschwächen und stetige Müdigkeit • Im CCT → Nachweis eines Tumors im III. Ventrikel mit Liquor-Abflussstörungen • Anlage einer EVD und Aufnahme auf der IMC-Station Kerstin Kleem, DIVI 2014 26 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Fallbeispiel • EVD geschlossen, wird nur zur ICP Messung genutzt • Frau K. wird zunehmend müder, spricht nur noch wenig und gibt eine beginnende Übelkeit an • ICP Werte steigend • Wechsel von flacher Seitenlage auf eine leichte Oberkörperhochlage • Schnelle Minderung der Übelkeit, deutliche Verbesserung der Vigilanz Die Vigilanz ist der beste Indikator zum erkennen einer ICP-Erhöhung Kerstin Kleem, DIVI 2014 27 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Zusammenfassung • Suchen Sie das Gespräch • Hinterfragen Sie das Gehörte • Zerebrale Funktionsstörungen auf ihre Ursache hin untersuchen • Hypotension, Hypoglykämie, Hypoxie und Hyperkapnie ausschließen • Vorhergehende Sedierung abklären • Patientenanamnese/Autobiographie beachten Kerstin Kleem, DIVI 2014 28 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Quellennachweis • Dietrich, W.; Erbguth, F. (2013): Hirndruck und Hirnödem; In: MedKlin Intensivmed Notfmed 108, Berlin-Heidelberg, Springer: 157-171 • Hacke, W. (2010): Neurologie; 13.Auflage; Berlin/Heidelberg, Springer • Hauptführer, K. (2013): Fallbeispiel Neurochirurgie-Hirndruck, In: Busch, J.; Trierweiler-Hauke, B. (Hrsg.): Pflegewissen Intermediate Care, Berlin-Heidelberg, Springer:239-251 • Jüttler, E. (2012): S1 Leitlinie Intrakranieller Druck ICP, AWMF-Registernummer: 030/105 • Kany, A.; Manville, J. (2014): Das Nervensystem, In: Brock, A.; Kany, A.; Knipfer, E. (Hrsg.): Handbuch Intensivpflege, München: Elsevier, Urban&Fische: 262-286 • Rickels, E.(2009). Monitoring des Hirndrucks. In Der Anästhesist, Springer.58: 400 • Topka,H.; Eberhardt, O. (2010): Neurologische Ursachen von Bewusstseinsstörungen; In: Intensivmed Notfmed 47, BerlinHeidelberg, Springer: 109-116 Kerstin Kleem, DIVI 2014 29 Vigilanz- und Bewusstseinsstörungen im Zusammenhang von Hirndruckveränderungen Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kerstin Kleem, DIVI 2014 30