Konzept Pflegeüberleitung

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Konzept Pflegeüberleitung
Landeshauptstadt
München
Sozialreferat
Konzept Pflegeüberleitung
für die vollstationären Pflegeeinrichtungen der Altenpflege
in der Landeshauptstadt München
März 2010
Impressum: Sozialreferat der Landeshauptstadt München
Amt für Soziale Sicherung
Hilfen im Alter und bei Behinderung
Tel: 089 / 233-48351
Email: [email protected]
Internet: www.muenchen.de/soz/altenhilfe
Dipl. Pflegewirtin FH Cornelia Allgeyer, Kirchheim
Vorwort
Der Münchner Stadtrat beschloss am 07.10.1998 ein Soforthilfeprogramm über drei Millionen
DM (= 1,56 Mio. EURO). Die Beschwerdestelle für Probleme in der Altenpflege hatte in ihrem
zweiten Bericht die problematische Personalsituation in der Pflege beschrieben und die
zwangsläufig damit verbundenen Qualitätsmängel aufgezeigt. Es sollte hier durch ein
Soforthilfe-Programm schnell und spürbar die Situation in der stationären Altenpflege
verbessert werden.
Das Sozialreferat, die Abteilung Altenhilfe wurde beauftragt, dieses Soforthilfeprogramm mit
Leben zu füllen. Es entstand in gemeinsamer Arbeit mit der Beschwerdestelle für Probleme in
der Altenpflege und einzelnen Vertretungen der Berufsfachschulen für Altenpflege in München
das Soforthilfeprogramm mit dem Titel Pflegeüberleitung. Zunächst wurde ein eigenes
Konzept der Schulungsinhalte für die Weiterbildung zur Pflegeüberleitung entwickelt und die
Zugangsvoraussetzungen für die Münchner Pflegeeinrichtungen festgelegt. Die Umsetzung der
Pflegeüberleitung wurde in die Hände der Pflegefachlichkeit gelegt. Den Pflegeüberleitungen
wurden zunächst Weiterbildungsmaßnahmen zur Fachkraft für Pflegeüberleitung finanziert. Die
Pflegeüberleitungen wurden von Beginn an mit aktuellen fachlichen Fortbildungsangeboten,
Workshops und Supervisionen begleitet. Alles wurde durch die Fachabteilung im Sozialreferat
organisiert.
Die Finanzierung der jeweiligen Planstellen wurde wie folgt festgelegt:
Pflegeeinrichtungen mit 30 bis 79 vollstationären Pflegeplätzen können die
Förderung einer halben Planstelle für eine Fachkraft zur Pflegeüberleitung und
Pflegeeinrichtungen mehr als 80 vollstationären Pflegeplätzen einer ganzen Stelle
erhalten.
Der Stadtrat bewilligt jeweils die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel des freiwilligen
Programms.
Die Auswirkungen des Programms „Pflegeüberleitung“ waren bei den Pflegenden schnell und
deutlich spürbar. Mittlerweile sind in 42 Alten- und Pflegeheimen examinierte Pflegefachkräfte
in der Funktion „Pflegeüberleitung“ eingesetzt.
Eine im Jahr 2006 durchgeführte Studie1 konnte nachweisen, dass die hohe Kompetenz der
Pflegeüberleitung die Qualität der Pflegeleistung und damit die Zufriedenheit der
Bewohnerinnen und Bewohner und ihrer Angehörigen direkt positiv beeinflusst. Die Entlastung
der Pflegenden durch dieses Programm wurde von den Befragten eindeutig bejaht. In der
abschließenden Bewertung wurden dessen Notwendigkeit und Wirksamkeit bestätigt und die
Weiterführung empfohlen. Der Münchner Stadtrat beschloss am 10.05.2007 entsprechend der
Empfehlungen der Studie die Weiterführung dieses Programms.
Das hier vorliegende Konzept „Pflegeüberleitung“ wurde in gemeinsamer Arbeit mit 55
Pflegeüberleitungen unter fachlicher Begleitung von Cornelia Allgeyer, Helma Kriegisch und
Felicitas Ruhlig weiterentwickelt, spezifiziert und fertiggestellt. Es wurde 2008 im Rahmen von
Workshops erarbeitet und 2009 mit den Münchner Heimträgern abgestimmt. In der
kooperativen Zusammenarbeit spiegelt sich auch hier das gemeinsame Interesse für diese
wichtige Unterstützung wieder.
Bis zum heutigen Tag ist die Funktion der Pflegeüberleitung im vollstationären
Altenpflegebereich innerhalb Deutschlands einmalig. Die Bedeutung dieser Funktion hat sich in
den letzten Jahren immer weiter herausgestellt und wird von allen Beteiligten sowie den
Unterstützerinnen und Unterstützern (Landeshauptstadt München, Berufsstandsvertretungen,
Bildungsträgern etc.) als nicht mehr wegzudenkendes Qualitätsinstrument geschätzt.
Die Tatsache, dass über 30% dieser Pflegeüberleitungen in der Funktion seit Beginn des
Programms 1998 geblieben sind, spricht für sich. Es ist mit diesem Programm ein wichtiges
Beispiel dafür gefunden worden, dass ein Angebot guter Rahmenbedingungen in der Pflege
1
Reinspach, Kraus, 2006.
1 von 42
dazu führt, dass dort auch gerne und mit großem Engagement gearbeitet wird.
Durch die Funktion der Pflegeüberleitung ist eine wichtige Brücke zwischen zukünftigen
Bewohnerinnen und Bewohnern, deren Angehörigen bzw. Bezugspersonen und der
vollstationären Pflegeeinrichtung entstanden, die in gemeinsamer Arbeit und gegenseitigem
Vertrauen geschaffen und aufgebaut wurde.
Das vorliegende Konzept zeigt auch den Unterschied zum Case Management z. B. aus dem
Krankenhausbereich auf. Es sagt deutlich aus, was es nicht ist bzw. was es nicht sein soll. Bei
der Erarbeitung dieses Konzepts wurde allen Beteiligten sehr klar, wie sehr sich das Programm
„Pflegeüberleitung“ weiterentwickelt hat. Ebenso wurden die Abgrenzungen zu anderen
Bereichen wesentlich deutlicher.
Die Fachabteilung Hilfen im Alter und bei Behinderung des Sozialreferats möchte mit der
Veröffentlichung dieses Konzeptes der Fachwelt eine Orientierungshilfe an die Hand geben,
die sich aus der Bündelung des Fachwissens aller Mitarbeitenden in der Pflegeüberleitung hier
in München entwickelt hat.
Wir wünschen allen Pflegeüberleitungen weiterhin Kraft, Idee und Kreativität für Ihre wichtige
Funktion und bedanken uns bei allen Beteiligten für die großartige Unterstützung.
Helma Kriegisch Felicitas Ruhlig
Landeshauptstadt München
Sozialreferat
Amt für Soziale Sicherung
Abteilung Hilfen im Alter und bei Behinderung
2 von 42
Cornelia Allgeyer
Dipl. Pflegewirtin FH
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
4
1.1
1.2
1.3
1.4
Einleitung
Zielsetzung
Formales Vorgehen
Mitwirkende
4
5
5
5
2.
Konzept Pflegeüberleitung
8
2.1
Präambel
2.2
Grundsätze
2.3
Aufgabenbereiche der Pflegeüberleitung
2.3.1 Beraten und Informieren
2.3.2 Öffentlichkeitsarbeit
2.3.3 Akquise bzw. Anwerbung neuer Heimbewohnerinnen/ Heimbewohner
2.3.4 Organisation und Koordination der Überleitung
2.3.5 Informationsübergabe an das Pflegeteam
2.3.6 Begleitung in der Eingewöhnungszeit
2.3.7 Organisation und Begleitung von Arztbesuchen
2.3.8 Pflegeüberleitung bei Krankenhausaufenthalten
2.4
Kooperationen/Schnittstellen
2.5
Dokumente der Pflegeüberleitung
2.6
Rahmenbedingungen der Pflegeüberleitung
2.7
Qualitätsmanagement in der Pflegeüberleitung
2.8
Qualifikation der Pflegeüberleitung
2.8.1 Anforderungen der Qualifikation
2.8.2 Inhalte der Weiterbildung
8
9
11
11
11
12
12
13
14
15
15
17
18
20
21
23
23
24
3.
4.
5.
25
26
27
Literaturhinweise
Glossar
Anlagen
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1.1
Einleitung
Einleitend zitieren wir einen Auszug aus der Rede einer Pflegeüberleitungskraft „der ersten
Stunde“ anlässlich der Feier zum 10-jährigen Bestehen des Programms im November 2008:
„... In Abgrenzung zum ’Entlassungsmanagement in der Pflege’, wie im Expertenstandard
vorliegend, möchte ich auf die Besonderheit der Überleitung ins Pflegeheim hinweisen.
Natürlich ist es Teil unserer Aufgabe, eine kontinuierliche bedarfsgerechte Pflege sicher zu
stellen, alle Schnittstellen, die damit einhergehen, zu verknüpfen und das alles in sehr vielen
Bereichen, punktgenau für den Zeitpunkt des Einzugs.
Darüber hinaus kommt aber die – nicht so leicht zu beschreibende und dennoch so zentrale
– Leistung, ein Leben zu begleiten. Die Menschen – eines Tages sind wir selbst oder unsere
Angehörigen diese Menschen –, deren Kraft auf vielen Ebenen so abgenommen hat, dass
sie nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben selbstständig zu meistern, müssen oder wollen in
eine Einrichtung umziehen. Eine Einrichtung, die ihnen die unbedingt nötigen Hilfen anbietet.
Das heißt, aus gesundheitlichen Gründen kommt es zum Verlust der Selbstständigkeit, und
so zieht ein Mensch mit tausend Eigenheiten, mit lieben Gewohnheiten, mit Erinnerungen,
mit allem, was zu einem 80- oder 90-jährigen Leben gehört, von zu Hause aus und muss
sich in diesem hohen Alter auf eine neue Umgebung einlassen.
Und wir, die Pflegeüberleitungen, begleiten diesen Weg. Den Weg vom bisherigen Zuhause
– oft über die Zwischenstationen Krankenhaus und Reha – in diese zunächst völlig fremde
Welt des Pflegeheims. Vertrauen aufbauen, Sicherheit geben, Möglichkeiten aufzeigen und
oft einfach DA-SEIN und zu hören: Diese emotionalen, empathischen Fähigkeiten gehören
genauso zu unserem Beruf wie das Organisieren von Ärzten, Therapeuten und allen nur
denkbaren Hilfsmitteln, Verbandstoffen, Medikamenten und vieles mehr. Darüber hinaus darf
natürlich der ganz alltägliche Lebensvollzug auch nicht zu kurz kommen. Im Alltag ist es zum
Beispiel wichtig, dass das gewohnte Getränk bereit steht oder dass am Abend das richtige
Fernsehprogramm eingeschaltet wird, und auch das Bild des verstorbenen Partners sollte
am gewohnten Platz stehen. Wir begleiten, wenn es uns möglich ist, in den ersten Wochen,
bis die neue Umgebung sich schon ein kleines bisschen vertraut anfühlt. Bis bei allen am
Prozess Beteiligten Ruhe einkehrt und Vertrauen die ersten Wurzeln schlägt.
Sie sehen:
PFLEGEÜBERLEITUNG
ist ein anspruchsvoller und äußerst vielfältiger Beruf! ...“
4 von 42
1.2
Zielsetzung
Ziel des Programms „Pflegeüberleitung“ ist eine stabile, bedarfsgerechte Versorgung jedes
Menschen beim Einzug in eine vollstationäre Münchner Pflegeeinrichtung, unter
Berücksichtigung seiner Persönlichkeit, seiner Lebensgewohnheiten und der Integration seiner
Angehörigen bzw. Bezugspersonen. Dieser Anspruch beinhaltet ein Agieren über die Grenzen
der Einrichtung hinaus. Ein in diesem Sinn leistungsstarkes Überleitungsmanagement bedarf
der konstruktiven Zusammenarbeit und der gemeinsamen Anstrengungen der
Pflegeeinrichtungen, des Sozialreferats der Landeshauptstadt München und der
Pflegeüberleitungen. Eine gelungene Umsetzung des Programms liegt in den Händen aller
Beteiligen, nicht nur bei den Akteurinnen und Akteuren vor Ort.
In seinen Ausführungen gibt das Konzept einen Gestaltungskorridor vor, der für alle
Einrichtungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflegeüberleitung
richtungsweisend ist.
1.3
Formales Vorgehen
Die Entwicklung des vorliegenden Konzeptes umfasste den Zeitraum von Juni 2007 bis
Dezember 2008. In der ersten Phase wurde das Thema „Pflegeüberleitungskonzept“ definiert,
eine Liste der erforderlichen Inhalte aufgestellt und ihre Prioritäten festgelegt. Die Methode der
folgenden Phasen war, ausgewählte Themen in Gruppen zu bearbeiten und die Ergebnisse
wechselseitig zu validieren. Um einen möglichst breiten Konsens zu erzielen, sollten alle
Pflegeüberleitungen in dieser Zwischenphase den Stand der zusammengefassten Arbeit
beurteilen und ihre Einschätzung zurück melden. Die Pflegeüberleitungen bekamen dazu den
aktuellen Konzeptentwurf ausgehändigt und konnten ihn, mit entsprechenden Anmerkungen
versehen, anonym zurückschicken.
Die Methoden der Gruppen- und Einzelarbeit sollten ungewollte Ergebnisse, bedingt durch
gruppendynamische Prozesse, minimiert werden und gleichzeitig die Vorteile der Prozesse,
Ausgleich von Defiziten im Know-how einzelner Expertinnen und Experten, nutzen.
Die Strategie orientierte sich an der Delphi-Methode, ein mehrstufiges, auf Konsens
angelegtes Design, das versucht, Fehleinschätzungen der Expertinnen/Experten zu
vermeiden.
Noch offene und strittige Punkte wurden in einer abschließenden schriftlichen Abfrage anonym
bewertet. Die Ergebnisse beeinflussten die Inhalte des Konzepts in der Schlussphase.
Das Konzept wurde mit den Geschäftsführungen der Münchner Alten- und Pflegeheime
abgestimmt.
1.4
Mitwirkende
Mitwirkende am „Konzept Pflegeüberleitung“
Leitung und Organisation
des Programms
„Pflegeüberleitung“:
Helma Kriegisch,
Felicitas Ruhlig,
Landeshauptstadt München – Sozialreferat
Amt für Soziale Sicherung
Abteilung Hilfen im Alter und bei Behinderung
Leitung/Moderation der
Workshops,
Zusammenstellung der
Ergebnisse:
Cornelia Allgeyer, Kirchheim
5 von 42
Expertinnen und
Experten der
Pflegeüberleitung:
Andreas Ahrweiler, St. Elisabeth
Thekla Asam-Weidling, St. Antonius
Anita Baier, BRK-Senioren- und Pflegeheim Alt-Lehel
Jenny Baron, Haus der AWO Gravelottestraße
Bozena Block, Seniorenzentrum Residenzia
Barbara Brunner, Seniorenheim Pasing-Westkreuz
Heidi Dialer, Kreszentia-Stift
Monika Dilloo, Haus an der Tauernstraße
Edeltraud Feth, Haus St. Martin
Erna-Maria Fürst, Leonhard-Henninger-Haus
Gabriele Förster, Alfons-Hoffmann-Haus
Petra Gröber, Altenheim St. Franziskus
Elke Görl, Seniorenheim Vincentinum
Brigitte Hagemann, Münchner Bürgerheim
Angela Habermeier, Haus St. Josef
Beate Heine, Seniorenresidenz
Doris Heppert, Marienstift
Franziska Herdzina, Altenheim St. Willibrord
Angelika Huber, Haus St. Josef
Maria Isfort, St.-Josefs-Heim
Claudia Jäger, Seniorenheim Vincentinum
6 von 42
Expertinnen und Experten
der Pflegeüberleitung:
Jutta Jelle, Hans Sieber Haus
Karin Jung, Horst-Salzmann-Seniorenheim
Marianne Kailer, Haus St. Maria Ramersdorf
Ilona Kauerauf, St.-Josefs-Heim
Christa Klaß-Fuchs, St.-Josefs-Heim
Elke Klein-Heinrich, Haus an der Tauernstraße
Silvia Kren, Bethel
Katja Krumpe, Seniorencentrum am Partnachplatz
Marion Liegel, Seniorenheim Kieferngarten
Martin Lindauer, Alfons-Hoffmann-Haus
Ottilie Maier, Münchener Bürgerheim
Heike Mattheis, Luise-Kiesselbach-Haus
Zlatan Mihotek, Altenheim St. Michael
Ulla Neffgen-Pohl, Haus an der Rühmannstraße
Martina Piggot, Senioren-Wohnen Westpark
Clemens Pinieck, Damenstift am Luitpoldpark
Maria-Luise Ruhm, Kursana Domizil Pullach
Sabine Schmidt, Hans-Sieber-Haus
Hanna Schwanke, Diakoniewerk Maxvorstadt
Ulrike Seeger, Haus St. Martin
Jutta Segschneider-Diekmann, Haus St. Josef
Svetlana Sicius, Sozialzentrum Hasenbergl
Jasmin Sonnweber, Sozialzentrum Giesing
Viola Spillner, Zitaheim
Anna-Maria Steiner, Haus Ludwigshöhe
Ariane Steuer, Seniorenzentrum Residenzia
Vesna Stoces, Horst-Salzmann-Seniorenheim
Elisabeth Streinik, Seniorenheim Pasing-Westkreuz
Christiane Thiel, Seniorenheim Saul Eisenberg
Susanne Troiano, Seniorenzentrum Bethel
Isolde Ulm, Georg-Brauchle-Haus
Gabi Wagner, Damenstift
Angelika Yetgin, Fritz-Kistler-Haus
Gabriela Zemke, Haus an der Rümannstraße
7 von 42
2
Konzept Pflegeüberleitung
Die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand der Fachdiskussion zum
Thema Pflegeüberleitung und zehn Jahre Praxiserfahrung als Pflegeüberleitung im damaligen
Soforthilfeprogramm sind in vorliegendem Konzept zusammengefasst.
Das Konzept beruht zugleich auf dem Bemühen, die unterschiedlichen Interessen der
Beteiligten (Träger, Einrichtungen, Landeshauptstadt München) mit den beruflichen
Grundsätzen des Pflegeberufes in Einklang zu bringen. Aktuelle fachliche Entwicklungen,
Erfahrungen aus verschiedenen Projekten und Inhalte des Expertenstandards2 zum Thema
wurden aufgegriffen und an die spezifischen Gegebenheiten des Programms der
Landeshauptstadt München angepasst.
2.1 Präambel
Jeder Mensch kann in die Situation kommen, pflegebedürftig zu werden, was nicht per se ein
Altersproblem ist. Dies kann z.B. auch bedeuten, mit 40 Jahren chronisch körperlich krank zu
sein, mit 50 unter den Folgen eines Hirntraumas zu leiden oder mit 60 das Gedächtnis zu
verlieren.
Erfordert die Pflegebedürftigkeit letztlich den Umzug in eine Pflegeeinrichtung, ist dieser
Umstand bei den Betroffenen und deren Angehörigen3 u.a. mit großen Verlustängsten und
Sorgen verbunden.
„Lotsen in der neuen Umgebung“ war 1998 die Schlagzeile einer Münchner Tageszeitung, der
dazugehörige Artikel handelte von dem Soforthilfeprogramm „Pflegeüberleitung“. Gestartet
wurde es nach dem Stadtratsbeschluss von der Landeshauptstadt München mit dem Ziel, den
Umzug in eine Münchner Pflegeeinrichtung für die Betroffenen so sicher und schonend wie
möglich zu gestalten. Schnell und effektiv sollten die überlasteten Pflegenden in den Heimen
Unterstützung erhalten. Konsequent wurden durch das jeweilige Heimmanagement
Pflegeüberleitungskräfte in 40 örtlichen Pflegeeinrichtungen institutionalisiert. Damit wurde ein
nachhaltiges und bis heute (leider) einzigartiges Programm in Deutschland gestartet.
Projekte mit dem Ziel, sektoren- und professionsübergreifend die Stabilität und Kontinuität der
Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten, gibt es viele. Sie etablieren sich überwiegend in
Krankenhäusern, um dem zunehmenden Kostendruck zu begegnen und „Drehtüreffekte“ bei
der Entlassung zu vermeiden. Das zeigt eine Bestandsaufnahme des Deutschen Instituts für
angewandte Pflegeforschung e.V. . Analysiert wurden dabei bundesweit 20 Projekte zur
Pflegeüberleitung4. In keinem der analysierten Projekte stand die Altenpflege im Fokus, ging die
Initiative von einer Kommune aus oder kann von einer vergleichbaren finanziellen Förderung
der beteiligten Einrichtungen gesprochen werden.
Mit seiner Besonderheit musste das Münchner Programm „Pflegeüberleitung“ von Beginn an
eigene Wege gehen und eigene Erfahrungen sammeln. Zudem hatte das Thema
Pflegeüberleitung in den 90er Jahren in Deutschland noch einen echten „Exotenstatus“5.
Die in den letzten Jahren steigende Bedeutung des koordinierten Entlassungs-managements
in Krankenhäusern erklärt sich vor allem durch die immer kürzer werdende Verweildauer der
Patientinnen und Patienten, resultierend aus der Einführung eines pauschalierenden
Entgeltsystems (den Diagnosis Related Groups – DRGs). Allerdings scheinen auch heute noch
Ausgangspunkt und Initiative für die koordinierte Überleitung, laut Veröffentlichungen in einer
Fachzeitung6, ausschließlich im klinischen Bereich vorstellbar.
2
3
4
5
6
DNQP, Expertenstandard für Entlassungsmanagement in der Pflege, 2004.
Mit dem Begriff Angehörige sind die jeweiligen Bezugspersonen gemeint, das können die Partnerin, der
Partner sowie Nachbarschaft, rechtliche Vertretungen oder auch andere Personen sein.
Vgl. Dörpinghaus et al., 2004.
Vgl. Schaeffer, 2004.
Vgl. Ausgabe 10/08 Die Schwester/Der Pfleger.
8 von 42
Unter diesen Voraussetzungen erscheint die Leistung der „Geburtshelferinnen und
Geburtshelfer“ des Programms Pflegeüberleitung umso beachtlicher. Ist es ihnen doch
gelungen, ein nachhaltiges Programm im Sektor Altenpflege mit zu gestalten und zu
institutionalisieren, dessen Effektivität und Effizienz inzwischen auch wissenschaftlich bestätigt
wurde. Die entsprechende Studie bestätigt die Funktion der Pflegeüberleitung als deutliches
Kennzeichen einer Versorgung auf hohem fachlichen Niveau7.
Auch die positiven Rückmeldungen seitens der Bewohnerinnen und Bewohner, der
Angehörigen und der Pflegenden sprechen für die Qualität des Konzepts und den
unerschütterlichen Pioniergeist der Umsetzenden, d.h. der Pflegeüberleitungen vor Ort.
Wenn das Sozialreferat, seit Beginn Projektleitung des Programms, heute mit Unterstützung
der Pflegeüberleitungen das Ursprungskonzept überarbeitet und in eine neue Form bringt, hat
dies im Wesentlichen zwei Gründe:
10 Jahre Praxiserfahrung und zwischenzeitlich deutlich veränderte Rahmenbedingungen,
verursacht durch die Entwicklungen im Gesundheitssystem und eine veränderte
Bevölkerungsstruktur.
Beispiele für die Auswirkungen der veränderten Rahmenbedingungen auf die vollstationären
Pflegeeinrichtungen:
➢ Zunahme von chronischen Erkrankungen und Multimorbidität mit
➢ zunehmend komplexeren, fachlich anspruchsvollen und damit zeitintensiven
Überleitungen
➢ Zunahme der Zahl von Menschen mit Demenz und/oder herausforderndem
Verhalten und damit besonderer Berücksichtigung bei der Ermittlung des
individuellen Pflegebedarfs
➢ Stark gestiegenes Eintrittsalter
➢ immer mehr Überleitungen in immer kürzeren Zeitabständen durch kürzere
Verweildauern der Bewohnerinnen und Bewohner
➢ Zunahme der spezifischen Betreuungsangebote in den Pflegeeinrichtungen
(Kurzzeitpflege, Wohngruppen, Palliativpflege, Wachkoma-Bereiche usw.)
erfordern ein entsprechend vielfältiges und differenziertes Vorgehen bei der Überleitung.
2.2
Grundsätze
Begriffsdefinition „Pflegeüberleitung“
Pflegeüberleitung beinhaltet sämtliche Interventionen, die bei einem Einzug eines
pflegebedürftigen Menschen in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung, einem Umzug innerhalb
der Einrichtung sowie in Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt
Versorgungsbrüche verhindern und die Kontinuität der Pflege sicherstellen. Sie impliziert die
gezielte Vorbereitung von Bewohnerinnen bzw. Bewohnern und deren Angehöriger sowie den
Informationsaustausch und die Kooperation zwischen den verschiedenen beteiligten
Professionen innerhalb und außerhalb der Pflegeeinrichtung.
Die Pflegeüberleitung ist integraler Bestandteil des Pflegeprozesses.
Die Pflegeüberleitung koordiniert die Aufgaben und Abläufe aller an der Bewohnerversorgung
beteiligten Stellen in einem systematisch geführten, kooperativen Prozess über professionelle
und institutionelle Grenzen hinweg.
Die Pflegeüberleitung ist als Brückenfunktion zwischen der eigenen Häuslichkeit und dem
Heimbereich bzw. zwischen den verschiedenen Institutionen des Gesundheitswesens (z.B.
Alten- und Pflegeheim – Krankenhaus) zu verstehen. Pflegeüberleitung setzt bei dieser
Unterstützung sowohl auf der rein organisatorischen als auch auf der persönlichen Ebene an.
Essentiell sind die berufsethischen Grundsätze der Pflegeberufe8.
7
8
Siehe Reinspach, Kraus, 2006.
Vgl. Deutscher Pflegerat, Rahmenberufsordnung für professionell Pflegende, 2004.
9 von 42
Eine Orientierung an rein ökonomischen Schwerpunkten verstößt gegen diese Grundsätze.
Das Konzept stellt den hilfebedürftigen Menschen mit seinen Wünschen und Bedürfnissen
sowie seine Angehörigen in den Mittelpunkt des Geschehens.
Dieser individuelle und ganzheitliche Ansatz deckt sich mit den Aussagen zur Sichtweise des
Pflegebedürftigen in relevanten Pflegetheorien9. Damit besteht eine Übereinstimmung mit den
Pflegemodellen (z.B. von Krohwinkel, Roper, Henderson, Orem), die auch häufig den
Leitbildern der Pflegeeinrichtungen zugrunde liegen.
Es werden bewusst Methoden des Case-Management, wie z.B. Netzwerkarbeit, Fallsteuerung
etc. eingesetzt. Case-Management ist ein Handlungsansatz zum Aufbau eines zielgerichteten
Systems von Zusammenarbeit, das am konkreten Unterstützungsbedarf der einzelnen Person
ausgerichtet ist und an deren Herstellung die betroffene Person konkret beteiligt wird. Dieser
Ansatz deckt sich in vielen Bereichen mit dem hier formulierten Verständnis von
Pflegeüberleitung.
In den verschiedenen Konzepten des Überleitungs- oder Fallmanagements wird zwischen der
indirekten Form (Schaffung von Stabsstellen) und der direkten Form der Überleitung (durch
vorhandene Bezugspflegekräfte) unterschieden. Im Programm Pflegeüberleitung wählte man
die indirekte Form.
Die Vorteile der indirekten Überleitung sind:
• Spezifikation des Aufgabengebietes in einer Stelle,
• geringerer organisatorischer Aufwand durch die überschaubare Zahl
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesem speziellen Aufgabengebiet,
• effektivere und effizientere Steuerung der Arbeitsprozesse,
• niedrigere Kosten für Qualifikation und fortlaufendes
Wissensmanagement.
Die dezentrale oder direkte Organisationsform delegiert die Aufgaben der Pflegeüberleitung an
die vorhandenen (Bezugs-)Pflegekräfte des Wohnbereiches.
Soll die Qualität vergleichbar mit der indirekten Form der Überleitung sein, steigt der
Ressourceneinsatz um ein Vielfaches. Wie groß der Wille seitens der Pflegenden auf den
jeweiligen Wohnbereichen ist, bei bestehender Arbeitsüberlastung zusätzliche
Aufgabengebiete zu übernehmen, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.
9
Vgl. Marriner-Tomey, 1992.
10 von 42
2.3
Aufgabenbereiche der Pflegeüberleitung
2.3.1 Beraten und Informieren
Kernaufgabe der Pflegeüberleitung ist die Beratung und Information von Betroffenen und deren
Angehörigen vor, während und nach dem Einzug in die vollstationäre Pflegeeinrichtung.
Die Beratung ist einer der Schwerpunkte der Pflegeüberleitung. Auch Interessentinnen und
Interessenten, die sich „nur“ einen Überblick über das Leistungsangebot und die Vorgänge
rund um einen Einzug zum besseren Vergleich der Pflegeeinrichtungen verschaffen wollen,
erwarten aktuelle und kompetente Informationen. Bedingt durch das steigende Marktangebot
und zunehmend sehr gut informierte, selbstbewusste Betroffene wächst die Herausforderung
in diesem Arbeitsbereich seit Jahren stetig an.
Das Beratungsspektrum beginnt mit der Teilnahme an allgemeinen
Informationsveranstaltungen der Pflegeeinrichtung, geht über die detaillierten Informationen zu
Leistungen der Pflegeüberleitung bis zum umfassenden, differenzierten Entlassungsgespräch
z.B. aus der Kurzzeitpflege, mit dem die nachfolgende Versorgung sichergestellt wird.
Der Umfang der Beratung wird durch zwei Voraussetzungen bestimmt. Erstens durch den
Umfang der Pflegeleistungen, die eine potentielle Bewohnerin/ein potentieller Bewohner
beansprucht und zweitens durch das Leistungsangebot der Pflegeeinrichtung. Die
Kurzzeitpflege erfordert in diesen Tätigkeiten die selbe Sorgfalt und damit mindestens den
gleichen Zeitaufwand wie bei einem dauerhaften Heimeinzug.
Inhaltlich dominieren die Themen, welche die Kontinuität und Konsistenz der Pflegeleistung
sicherstellen. Es gilt hierbei Versorgungsbrüche zu verhindern.
Vertragsinhalte
Die Abklärung der Finanzierungsmöglichkeiten oder die Besprechung vertraglicher Regelungen
gehören nicht in den Zuständigkeitsbereich der Pflegeüberleitung. Sie betreffen andere
Verantwortungsbereiche der Einrichtung (z.B. Management, Verwaltung).
Beispiele für Umfang und Inhalt der Gespräche finden sich in den Leitfäden der Anlage:
• Anlage 3 – Unverbindliches Erstgespräch
• Anlage 4 – Strukturiertes Überleitungsgespräch
Häufigkeit und Umfang der Gespräche richten sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls
und liegen im Entscheidungsspielraum der Pflegeüberleitung. Nach Abschluss der
Überleitungsphase, in der Regel vier bis sechs Wochen nach dem Einzug, zieht sich die
Pflegeüberleitung aus der Beratungsfunktion zurück.
Verantwortliche Ansprechpersonen in allen Belangen bleiben neben allen Pflegenden des
Wohnbereiches insbesondere die persönliche Bezugspflegekraft bzw. die
Wohnbereichsleitung. Ab diesem Zeitpunkt ist die Pflegeüberleitung nicht mehr erste
Ansprechperson und verweist bei Anfragen o.ä. an die zuständige Stelle. Im Rahmen eines
Abschlussgesprächs kann dies der Bewohnerin bzw. dem Bewohner und ihren bzw. seinen
Angehörigen gut vermittelt werden.
2.3.2 Öffentlichkeitsarbeit
Im Zusammenhang mit der aktiven Pflege eines multiprofessionellen Netzwerks, wie im
Kontakt mit Interessentinnen und Interessenten übernimmt die Pflegeüberleitung automatisch
Tätigkeiten aus dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Die Pflegeüberleitung ist sich in diesem
Rahmen ihrer Rolle als Repräsentantin/Repräsentant der Pflegeeinrichtung bewusst.
Weiterreichende Tätigkeiten im allgemeinen Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit für die
gesamte Pflegeeinrichtung über das spezifische Fachgebiet der Pflegeüberleitung hinaus fallen
11 von 42
nicht in ihr Aufgabengebiet. Diese Position bestätigen die Ergebnisse der Evaluationsstudie der
Katholischen Stiftungsfachhochschule (KSFH München)10.
2.3.3 Akquise bzw. Anwerbung neuer Bewohnerinnen und Bewohner
Die Pflegeüberleitung akquiriert keine neuen Bewohnerinnen bzw. Bewohner und ist nicht für
die quantitative Belegung des Hauses verantwortlich (siehe Studie der KSFH München).
Ihr Einsatz beginnt erst nach Anfrage einer Interessentin bzw. eines Interessenten mit den
Überlegungen, welche Wohnmöglichkeiten bzw. Pflegeleistungen der zukünftigen Bewohnerin
bzw. dem Bewohner angeboten werden können.
2.3.4 Organisation und Koordination der Überleitung
Unter Pflegeüberleitung fallen alle Tätigkeiten, die bei einem Übergang in eine neue
Betreuungssituation zur Sicherstellung des Versorgungsbedarfs einer pflegebedürftigen Person
entstehen und die die Person nicht mehr selbstständig bewältigen kann.
Übergangssituationen sind:
➢ Einzug aus dem häuslichen Bereich,
➢ Einzug über Krankenhaus oder Rehabilitationsklinik,
➢ Umzug innerhalb der Einrichtung,
➢ Einweisung in und Entlassung aus dem Krankenhaus (evtl. ausgenommen
Notfalleinweisungen),
➢ Auszug aus einer anderen Pflegeeinrichtung.
Ein Heimeinzug stellt für jede zukünftige Bewohnerin/ jeden zukünftigen Bewohner eine große
emotionale, von Verlustängsten gekennzeichnete Belastungssituation dar. Es liegt in der
Fachlichkeit und in der Verantwortung der Pflegeüberleitung, ihr Vorgehen an die Erfordernisse
der individuellen Lebenssituation anzupassen. Ein ausschließlich standardisiertes Vorgehen
würde den berechtigten Ansprüchen der Betroffenen und der Vielfalt der Umstände nicht
gerecht werden.
Kommen Bewohnerinnen bzw. Bewohner direkt aus einer Rehabilitationsklinik, liegt es im
Entscheidungsbereich der Pflegeüberleitung, auch noch nach dem Einzug einen Vor-OrtTermin in der ehemaligen Wohnung zu organisieren, um nur eine mögliche Variation vom
Regelablauf zu nennen.
Richtungsweisend für die Entscheidung der Pflegeüberleitung ist die Stabilität der Versorgung
und damit das Wohlbefinden der Bewohnerin bzw. des Bewohners.
Zwei Leitfäden im Anhang beschreiben beispielhaft die Tätigkeiten und deren Ablauf:
• Anlage 1 – Einzug von zu Hause
• Anlage 2 – Einzug über ein Krankenhaus oder eine Rehabilitationsklinik
Im Rahmen der Überleitungstätigkeit gilt es, den folgenden Veränderungen Rechnung zu
tragen:
Veränderungen der äußeren Bedingungen
Die realen Bedingungen für die Überleitung in vollstationäre Pflegeeinrichtungen haben sich
unter Einfluss der Veränderungen im Gesundheitssystem und dem demografischen Wandel
stark verändert.
10
Vgl. Reinspach, Kraus, 2006.
12 von 42
Zunehmend hoch anspruchsvolle Versorgungssituationen
Durch die hohe Bewohnerfluktuation finden in immer kürzeren Zeitabständen immer mehr hoch
komplexe, umfangreiche Überleitungen statt, wie sie z.B. bei schwerst Pflegebedürftigen oder
hochgradig Demenzkranken der Fall sind. Die Mehrheit der Überleitungen lassen sich heute
einer dieser beiden Bewohnergruppen zuordnen und gestalten sich daher sehr individuell und
zumeist zeitintensiv.
Steigender Zeitdruck
Seit Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs) entstehen Zeitnöte bei der Überleitung
auch dadurch, dass mit Blick auf die Fallpauschalen Krankenhäuser bei Patientinnen/
Patienten und deren Angehörigen auf eine zügige Entlassung drängen. In diesen Fällen ist es
notwendig, im Austausch mit den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Krankenhauses, im Idealfall mit der dortigen Pflegeüberleitung bzw. dem
Krankenhaussozialdienst, kurzfristig Lösungen zu entwickeln, um die Situation zu entspannen
und die Betroffenen zu entlasten.
Bestehende Lücken zwischen den Sektoren des Gesundheitswesens
Zum Teil besteht bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den klinischen Einrichtungen ein
nicht unerhebliches Wissensdefizit bzgl. der Verfügbarkeit von Medikamenten und Hilfsmitteln
in den Pflegeeinrichtungen. Organisationsspezifische Arbeitsweisen lassen sich nicht ohne
weiteres auf andere Organisationen ausweiten (z.B. die spezifische Behandlungspflege). Die
Abstimmungsprobleme hinsichtlich der weiteren Versorgung nach Entlassung führen zu
Reibungsverlusten bei der Überleitung11.
Braucht eine zukünftige Bewohnerin bzw. ein Bewohner Medikamente, Hilfsmittel oder eine
spezielle pflegerische Versorgung, kann ohne einen gewissen zeitlichen Vorlauf die
Versorgungskontinuität ohne Qualitätseinbußen nicht gewährleistet werden. Gleiches gilt für
Überleitungen ohne Pflegeüberleitungsbogen oder für Bögen mit mangelhaftem
Informationsgehalt. In den Überleitungen aus den Krankenhäusern steckt noch
Verbesserungspotential.
Leider stagniert in diesem Bereich nach den mehrheitlichen Erfahrungen der
Pflegeüberleitungen in den Münchner Pflegeeinrichtungen die Entwicklung.
Ein weiteres Problem ist z.B. der Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus bzw. der
Rehabilitationseinrichtung. Obwohl sich die Bewohnerinnen und Bewohner meist eine
Rückfahrt in Laufe des Vormittags wünschen, weil sie zu dieser Tageszeit noch über mehr
Kraftreserven verfügen, wird es in der Regel Nachmittag oder noch später. Anscheinend richtet
sich der Zeitpunkt mehr nach den Strukturen der Einrichtung und nach den
Transportkapazitäten als an nach den Bedürfnissen der jeweils Betroffenen.
Überleitung in der letzten Lebensphase
Eine Überleitung in der Sterbephase widerspricht den ethischen Grundsätzen in der
Altenpflege12. Der ausdrückliche Wunsch des sterbenden Menschen ist maßgeblich zur
Befürwortung einer Überleitung in der letzten Lebensphase.
Alle Abläufe orientieren sich ausschließlich an seinen Bedürfnissen. Der Mensch ist bis zum
letzten Augenblick seines Lebens wichtig. Es ist uns ein Anliegen, in Bezug auf die HospizIdee, ihm in dieser schwierigen Phase seines Lebens zugewandt und achtungsvoll zu
begegnen.
2.3.5 Informationsübergabe an das Pflegeteam
Wenn der Einzug in die Pflegeeinrichtung entschieden ist und der zukünftige Wohnbereich
feststeht, beginnt der Austausch relevanter Informationen mit dem Pflegeteam. Die
Pflegeüberleitung übermittelt ihre Einschätzung des zukünftigen Versorgungsbedarfs (z.B.
Wünsche, Alltagsgewohnheiten, spezifischer Pflegebedarf, interdisziplinäre Zusammenarbeit
11
12
Vgl. Döhner, 2002 ebd.
Vgl. Bünemann, 2006.
13 von 42
usw.). Erste Ansprechpartnerin/ erster Ansprechpartner ist hierbei die zukünftige
Bezugspflegekraft bzw. die Wohnbereichsleitung. Gemeinsam wird im Bezug auf die
personellen, strukturellen und materiellen Ressourcen der Pflegeeinrichtung, das weitere
Vorgehen geplant. Der Planungsaufwand hängt von der zu erwartenden Betreuungssituation
ab, die sich nicht zwangsläufig in der Pflegestufe widerspiegelt.
Organisiert werden Hilfsmittel, Pflegematerialien und die individuelle Anpassung des
Wohnraums. Dazu kommen ggf. Schulungen von Pflegenden sowie die Beauftragung
zusätzlich an Pflege und Versorgung beteiligter Berufsgruppen, z.B. die Heiminterne
Tagesbetreuung, Verwaltung, Hauswirtschaft, technischer Dienst, Ergo- und Physiotherapie,
Ernährungsberatung, Logopädie, Stomatherapie, usw., um nur einige zu nennen (siehe auch
Punkt 2.3 Kooperationen/Schnittstellen).
Die endgültige Übergabe der kompletten Daten- und Informationssammlung findet rechtzeitig
vor dem Einzug des pflegebedürftigen Menschen statt. Um möglichst viele an der zukünftigen
Versorgung beteiligte Pflegende zu erreichen, bietet es sich an, den Besprechungstermin in
eine reguläre Übergabezeit des Wohnbereiches zu legen. Von besonderer Wichtigkeit ist die
Anwesenheit der zuständigen Bezugspflegekraft.
Im persönlichen Gespräch müssen erfahrungsgemäß einige Punkte der Informationssammlung
erläutert und präzisiert werden (siehe auch Face-to-face-Austausch unter Punkt 3.3
Kooperationen/Schnittstellen). Von Vorteil ist eine ruhige, weitgehend störungsfreie
Atmosphäre, die eine konzentrierte Arbeit im Sinne der Bewohnerin bzw. des Bewohners
zulässt und ermöglicht.
Schwierige Lebensaufgaben wie z.B. ein Umzug ins Heim sind gekennzeichnet von starken
Emotionen. Sie stellen für die Bewohnerin bzw. den Bewohner und ihre bzw. seine
Angehörigen große Belastungsproben dar, auf die die Menschen höchst unterschiedlich
reagieren. In der Praxis zeigen sich hier die Grenzen der schriftlichen Pflegedokumentation, sie
kann diese stark wechselhaften Situationen häufig nicht in befriedigendem Umfang abbilden.
Eine ausschließlich schriftliche Übergabe auf Basis der Pflegedokumentation ohne den
persönlichen Kontakt zwischen der Pflegeüberleitung und mindestens einer verantwortlichen
Pflegenden erfüllt daher erfahrungsgemäß nicht die Anforderungen an eine qualifizierte
Überleitung und ist abzulehnen.
Inhaltlich umfasst die Übergabe die komplette bisherige Informationssammlung, einschließlich
einer zusammengefassten pflegerischen Beurteilung der momentanen Situation durch die
Pflegeüberleitung. Es ist fachlich geboten, diese zusammengefasste Beurteilung im Bericht mit
Einzugsdatum und Handzeichen festzuhalten. Sie hat sich in der Vergangenheit in der Praxis
als guter Bezugspunkt bei den regelmäßigen Evaluationen des Pflegeprozesses bewährt.
Ergänzt wird sie mit einer vorläufigen Einschätzung des Pflegeaufwandes. Dabei kann es sich
aber immer nur um eine vorläufige Einschätzung handeln.
Die Erfahrung zeigt insbesondere in der ersten Zeit nach dem Einzug, dass der individuelle
Hilfebedarf starken Schwankungen unterliegt und sich erst nach und nach konkretisiert. Daher
muss die vorläufige Einschätzung der Pflegeüberleitung in bzw. nach den ersten zwei Wochen
des Aufenthalts durch die (Bezugs-)Pflegekraft überarbeitet werden.
2.3.6 Begleitung in der Eingewöhnungszeit
Vertrauensbasis
Für ca. vier bis sechs Wochen nach Einzug des pflegebedürftigen Menschen ist die
Pflegeüberleitung neben den anderen an der Betreuung und Pflege beteiligten Personen
wichtigste Ansprechperson für die Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen. Die
Erfahrungen der ersten Tage in der neuen Umgebung sind entscheidend für die Qualität des
zukünftigen Zusammen-lebens. Aus Sicht der Bewohnerinnen / Bewohner handelt es sich um
ein Zusammenleben, eine Beziehung, die weit über ein klassisches Arbeitsverhältnis
14 von 42
hinausgeht.
Erfahrene Pflegeüberleitungen erkennen diese Dimension und unterstreichen, dass es in
dieser ersten Zeit für die Betroffenen das Wichtigste ist, „gehört zu werden“, ernst genommen
zu werden. Die Bemühungen um das eigene Wohlergehen zu spüren, sind der Grundstein für
eine zukünftige vertrauensvolle Beziehung.
Edukation
Der zweite Tätigkeitsschwerpunkt in der Eingewöhnungszeit ist die sog. Edukation der
Bewohnerinnen und Bewohner. Dazu zählt die individuelle und bedürfnisorientierte Beratung,
die zielorientierte, strukturierte und geplante Vermittlung von Wissen sowie die Bereitstellung
und die Vermittlung des Umgangs mit verschiedenen Hilfsmitteln.
Wie intensiv der Kontakt und die Beziehungspflege in diesen Wochen sein muss, hängt vom
Einzelfall ab und wird von der Pflegeüberleitung entschieden. Leitgedanke ist die
Ressourcenorientierung und die Stärkung der Selbstbestimmung und Selbstpflegekompetenz
unter dem Stichwort: Empowerment.
Übergabe
Den Abschluss der Überleitungsphase bildet ein gemeinsames Gespräch unter Leitung der
Pflegeüberleitung.
Die Teilnehmenden des Abschlussgesprächs sind, außer der Bewohnerin bzw. dem Bewohner
und ihren bzw. seinen Angehörigen nach Bedarf variabel. Bei einigen Pflegenden hat sich in
diesem Zusammenhang die Durchführung eines multiprofessionellen Abschlussgespräches
(dito: multiprofessionelle Sozial- oder Abschlussvisite) sehr gut bewährt. Vertreterinnen und
Vertreter aller Fachbereiche, von der Verwaltung bis zur Hauswirtschaft, die in der
Überleitungsphase unterstützend tätig waren, nehmen an dem gemeinsamen Gespräch teil.
In diesem Rahmen wird die Bewohnerin bzw. der Bewohner auch auf die zukünftigen primären
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die verantwortliche Fach- bzw. Bezugspflegekraft,
hingewiesen.
Es empfiehlt sich für alle professionell Beteiligten, dieses Instrument auch im Sinne der
eigenen Qualitätssicherung zu nutzen. Dies erfolgt, indem man sich bezogen auf seine
Leistungen während der Überleitungssituation Rückmeldung holt, sich direkt bei der
Bewohnerin bzw. beim Bewohner vergewissert, ob die Interventionen zur Zufriedenheit
beitrugen oder ob noch Handlungsbedarf besteht (siehe auch Punkt 2.7 Qualitätsmanagement
in der Pflegeüberleitung). Die multiprofessionellen Abschlussgespräche werden erfahrungsgemäß von Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Angehörigen sehr positiv bewertet.
2.3.7 Organisation und Begleitung von Arztbesuchen
Das Konzept sieht vor, dass eine Überleitungssituation durch den Übergang von einer
Betreuungsform in eine andere gekennzeichnet ist (siehe Punkt 2.1 Grundsätze). Diese
Merkmale treffen bei einem Arztbesuch nicht zu.
Die Organisation und Begleitung von Arztbesuchen fällt daher nicht in den Aufgabenbereich
der Pflegeüberleitung.
2.3.8 Pflegeüberleitung bei Krankenhausaufenthalten
Die Praxis hat gezeigt, dass in akuten Fällen das Überleitungsmanagement in ein
Krankenhaus dem Verantwortungsbereich des betreffenden Wohnbereiches obliegt.
Mehrere Gründe sprechen für diese Vorgehensweise:
Die Begleitinformationen zur Bewohnerin/zum Bewohner kommen aus erster Hand. Durch den
Wegfall der Informationsübergabe an die Pflegeüberleitung wird Zeit gespart, zudem sind die
verantwortlich Pflegenden im Gegensatz zu den Pflegeüberleitungen Tag und Nacht präsent.
Handelt es sich um eine geplante Einweisung, ist nach entsprechend rechtzeitiger Information
durch den Wohnbereich die Pflegeüberleitung zuständig.
Sobald der Entlassungstermin der Bewohnerin/des Bewohners bekannt ist, übernimmt die
Pflegeüberleitung die Koordination der Überleitung. Der Versorgungsbedarf wird mit den
15 von 42
Pflegenden sowie den Ärztinnen bzw. Ärzten im Krankenhaus besprochen und das weitere
Vorgehen abgestimmt. In dieser Phase ist der persönliche Kontakt zum Krankenhaus und zur
Bewohnerin/zum Bewohner unersetzlich. Idealerweise findet die Übergabe am
Krankenhausbett13 unter Einbezug aller Beteiligten (siehe multiprofessionelle Sozialvisite unter
Punkt 2.2.6) statt. Ein schriftlicher Pflegeüberleitungsbogen (dito: Pflegebericht oder
Pflegeexpertise) wird eingefordert. Im Anschluss werden die Pflegenden in der
Pflegeeinrichtung über die Situation informiert und der Aufnahmeprozess geplant und
organisiert.
Welche Stellen in der Pflegeeinrichtung den Kontakt mit dem Krankenhaus und der
Bewohnerin bzw. dem Bewohner während des Aufenthalts zuverlässig (telefonisch oder
persönlich) pflegen, ist abhängig von den individuellen Gegebenheiten und ist in erster Linie
die Entscheidung der Pflegeüberleitung. Eine größere Pflegeeinrichtung (>100 Pflegeplätze)
mit nur einer Pflegeüberleitung wird deren persönliche Begleitung bei jedem
Krankenhausaufenthalt nur zu Lasten anderer originärer Überleitungsaufgaben sicherstellen
können.
An der sehr komplexen Thematik „Überleitung bei Krankenhausaufenthalten“ wird deutlich, wie
eng die Qualität der Überleitung an die interne Zusammenarbeit von Wohnbereichen und
Pflegeüberleitungen gekoppelt ist.
Voraussetzung für eine reibungslose Kommunikation ohne Informationsverluste ist ein
funktionierendes Informationssystem. Aufbau und Pflege tragfähiger interner und externer
Informationssysteme benötigen die entsprechende Beteiligung der Pflegeüberleitung.
Beispiel aus der Praxis einer Münchner Pflegeeinrichtung
Die Pflegeüberleitung wird rechtzeitig über jede Überleitung informiert. Für jede
Bewohnerin/jeden Bewohner existiert eine „Überleitungsmappe“. Inhalt sind neben dem
Pflegeüberleitungsbogen (vorab ausgefüllt mit den Stammdaten), notwendige Unterlagen in
Kopie oder als Duplikat (Versicherungskarte, Hilfsmittelbefreiung, Schwerbehindertenausweis,
evtl. Spezialausweise bei bestimmten medizinischen Diagnosen etc.) auch alle aktuellen
Arztbriefe in Kopie. Die Mappe wird bei Einzug angelegt und fortlaufend aktualisiert. Die
Pflegeüberleitung ergänzt diese bei Rückverlegung aus dem Krankenhaus um die Arztbriefe
und kontrolliert die Mappen regelmäßig auf Vollständigkeit und Aktualität. Sie steht für interne
Informationsgespräche zum Thema zur Verfügung.
13
Vgl. Wirnitzer B., 2002.
16 von 42
2.4
Kooperationen/Schnittstellen
Die Bewohnerinnen und Bewohner befinden sich beim Einzug in unterschiedlich komplexen
Problemlagen, zu deren Lösung, ergänzend zu den Möglichkeiten der Pflegeeinrichtung, auch
externe Leistungserbringer (Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner) notwendig
sind. Die Pflegeüberleitung strukturiert und steuert die interne Zusammenarbeit und bindet die
externen Partnerinnen und Partner in einem kooperativen Prozess in das Leistungsgeschehen
mit ein.
Die Grafik zeigt exemplarisch, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, welche internen und
externen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner der Pflegeüberleitung zur Seite
stehen.
Netzwerke
Die Pflegeüberleitung ist verantwortlich für den Aufbau eines leistungsfähigen Netzwerks und
verfügt über detailliertes Wissen zum fachlichen Leistungsspektrum jeder einzelnen
Partnerin/jedes einzelnen Partners. Bezogen auf ihr Handlungsfeld aktualisiert sie laufend ihr
interdisziplinäres Fachwissen und passt den Kooperationsbedarf (innerhalb des Netzwerkes)
den aktuellen Erfordernissen an.
Aspekte der Kooperationstätigkeit:
➢ Vermittlung des Leistungsangebotes der Pflegeeinrichtung,
➢ Vermittlung eines spezialisierten, externen Fachangebots
(z.B. Fachärztinnen/Fachärzte usw.),
➢ Vermittlung von Angeboten, die die Selbstbefähigung der Bewohnerin/des
Bewohners steigern (z.B. spezielle Schulungsangebote, Fachberatungen zu
Hilfsmitteln, etc.),
➢ Vermittlung von Angeboten, die es der Bewohnerin/dem Bewohner ermöglichen,
seine Situation generell besser zu bewältigen (Selbsthilfegruppen, spirituelle Angebote
etc.).
17 von 42
Eindeutige Informationen des Managements der jeweiligen Pflegeeinrichtung an alle
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Tätigkeitsprofil, Verortung und Weisungsbefugnis der
Pflegeüberleitung sind die beste Voraussetzung für eine gute und konstruktive interne
Zusammenarbeit.
Das Zusammenwirken mit Berufsgruppen über die institutionellen Grenzen hinweg kann durch
Kooperationsverträge geregelt werden, wie sie vereinzelt schon zwischen Pflegeeinrichtungen
und Krankenhäusern sowie niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten getroffen wurden.
Ergänzend ermöglichen regelmäßige interdisziplinäre Besprechungen und/oder Konferenzen
die Bildung leistungsfähiger Arbeitsverhältnisse.
Multiprofessionelle Visite
Umgesetzt wird dieser Ansatz in einigen Überleitungsprojekten auf Ebene der Patientin/ des
Patienten bzw. der Bewohnerin/des Bewohners mit der Durchführung einer
multiprofessionellen Sozialvisite, an der neben Pflegenden, Sozialarbeiterinnen und
Sozialarbeitern auch Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeiterinnen wie Mitarbeiter der
nachsorgenden Einrichtung teilnehmen14. Einige Pflegeüberleitungen des Münchner
Programms haben dieses Vorgehen in ihre Einrichtung adaptiert. Dort werden nach dem
Heimeinzug in einem multiprofessionellen Abschlussgespräch unter Beteiligung der
Bewohnerin/des Bewohners und ihrer/seiner Angehörigen sowie aller an der Versorgung
Beteiligten wesentliche Belange im Sinne der Prozesssteuerung besprochen.
Den nicht unerheblichen organisatorischen Aufwand rechtfertigen die äußerst positiven
Rückmeldungen aller Beteiligten und daraus entstandene stabile Vertrauensverhältnis
zwischen Bewohnerin/Bewohner und Pflegeeinrichtung.
Dieses Vorgehen bestätigen auch die Ausführungen im Expertenstandard für
Entlassungsmanagement in der Pflege. Neben der Gestaltung einer reibungslosen
Zusammenarbeit wird es dort als Aufgabe der Pflegeüberleitung beschrieben, die Bewohnerin/
den Bewohner und ihre/seine Angehörigen an weitere Ansprechpartnerinnen und
Ansprechpartner zur Klärung von Detailfragen (z.B. zur Heiminternen Tagesbetreuung) zu
vermitteln.
Je komplexer die Situation im Einzelfall ist, um so eher empfiehlt sich ein direkter Face-to-faceAustausch aller Beteiligten mit entsprechender Dokumentation der getroffenen
Vereinbarungen15.
Der Ausbau und die Pflege des o.g. Versorgungsnetzwerks wird, insbesondere auch für neu
hinzu kommende Pflegeüberleitungen, durch den Informationsaustausch innerhalb der Gruppe
der Pflegeüberleitung des Programms enorm erleichtert. Die regionale Nähe ist hier von
Vorteil.
2.5
Dokumente der Pflegeüberleitung
Die Dokumente, mit denen bei der Überleitung gearbeitet wird, sind vielfältig. Die
Pflegeüberleitung tauscht im Verlauf des Überleitungsprozesses umfangreiche Informationen
mit der zukünftigen Bewohnerin/dem Bewohner aus. Sie bzw. er erfährt alles Wissenswerte
über die Pflegeeinrichtung sowie rund um den Einzug. Die Pflegeüberleitung erhebt und
speichert die Daten und Fakten der Bewohnerin/des Bewohners, die für eine bedarfsgerechte
Versorgung notwendig sind.
In der Anlage 5 sind die bei Einzug einer Bewohnerin/eines Bewohners derzeit erforderlichen
Dokumente und Informationsmaterialien aufgelistet. Man kann die Übersicht bei einem
Neuzugang im Sinne einer Checkliste benutzen.
Die Datenerhebung durch die Pflegeüberleitung bezieht sich auf ein erstes Assessment mit
folgenden Schwerpunkten:
14
15
Vgl. Dörpinghaus et al., 2004.
Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege, 2004.
18 von 42
Allgemeine Informationen
zur Person, Angehörige, behandelnde Ärztinnen/Ärzte, Grund des Einzugs etc. .
Aktuelle Lebens- und Versorgungssituation
Wünsche und Bedarf zur zukünftigen Wohn- und Lebenssituation.
Gesundheitliche Situation incl. derzeitige therapeutische Versorgung.
Vorhandene oder benötigte Hilfsmittel.
Kognitive Fähigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten.
Selbstständigkeit im Bereich der Lebensaktivitäten (z.B. AEDL), Ressourcen.
Risikoeinschätzung, Bedarf an Prophylaxen.
Spezieller Versorgungsbedarf.
Es muss betont werden, dass die erhobenen Daten zunächst auf ersten Eindrücken beruhen,
die noch vor dem eigentlichen Umzug festgehalten wurden. Sie dienen dazu, Schwerpunkte
des zukünftigen Unterstützungsbedarfs zu ermitteln und zu entscheiden, welche Stellen
dementsprechend in die Versorgung einbezogen werden müssen.
Ein weitergehendes Assessment in den ersten zwei Wochen nach dem Einzug (derzeit
überwiegender Standard in den Münchner Pflegeeinrichtungen) durch die verantwortliche
Bezugs- oder Fachpflegekraft ist unumgänglich. In den Aufgabenbereich der Pflegeüberleitung
fällt auch die erste Erhebung einer Biografie entsprechend des Leitfadens zur Biografiearbeit in
Einrichtungen der stationären Altenpflege in Bayern (Anlage7).
Wichtig ist, dass von Beginn des Aufenthalts an die Bewohnerin/der Bewohner gemäß
ihrer/seiner Lebensgewohnheiten und Wünsche versorgt wird. Die Informationen dazu werden
per Checkliste (Anlage 5) eingeholt. Daten zur persönlichen Lebensbiographie von Seiten der
zukünftigen Bewohnerin/des zukünftigen Bewohners preiszugeben setzt ein gewachsenes
Vertrauensverhältnis voraus, das zum Zeitpunkt der Überleitung in der Regel noch nicht
bestehen kann. Die vertrauensvolle Beziehung zur zukünftigen Bezugs- oder Fachpflegekraft
ist die geeignete Basis für die auf Freiwilligkeit beruhende Erhebung der biografischen Daten
zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt. Die Ausnahme stellen demenzkranke Personen
dar, wenn bei der individuellen Versorgung Bezug auf biographische Details genommen
werden muss. Voraussetzung hierzu sind kooperative und auskunftswillige Angehörige.
Pflegeexpertise versus Pflegeplanung
Die Überleitung ist ein kooperativer Prozess und richtet sich im Umfang nach der Komplexität
des Einzelfalls. Entsprechend unterschiedlich ist die Beschreibung des durch die
Ersteinschätzung begründeten Versorgungsbedarfs. Die Einschätzung der Pflegeüberleitung
zum Einzugstag, die Pflegeexpertise, findet sich im Pflegebericht unter dem betreffenden
Datum. Die sogenannte Pflegeexpertise ersetzt keine umfassende Pflegeplanung. Die
differenzierte Pflegeplanung fällt in den Verantwortungsbereich der Bezugs- oder
Fachpflegekraft.
Einheitliche Dokumentation
Die Qualitätsbestrebungen des Münchner Programms „Pflegeüberleitung“ zielen unter
anderem auf eine Vereinheitlichung des Dokuments für die erste Einschätzung der
Versorgungssituation. Idealerweise wird es von den Benutzerinnen und Benutzern selbst
entwickelt. Die Kompatibilität mit den von den Pflegeeinrichtungen geforderten Daten dürfte
dabei kein Problem darstellen, sind sie doch mit geringen Variationen deckungsgleich.
Fachliteratur und Expertenstandard betonen ausdrücklich die Chancen und den Nutzen einer
einheitlichen Dokumentation.
19 von 42
2.6
Rahmenbedingungen der Pflegeüberleitung
Strukturmerkmale der Pflegeüberleitung im Programm der Landeshauptstadt München:
Das Programm subventioniert auf der Basis der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ein
bis maximal 1,5 Stellen der Pflegeüberleitung pro vollstationärer Pflegeeinrichtung (gemäß §
72 Pflegeversicherungsgesetz) in München. Die Förderung bezieht sich auf die jeweilige
tarifliche Vergütung (gem. KR, TVÖD bzw. E).
Das bedeutet nicht, dass das Aufgabengebiet nicht mit mehr Stellen besetzt werden kann,
vielmehr steht es den Pflegeeinrichtungen frei, mit zusätzlichen (nicht subventionierten) Stellen
ihr Überleitungsmanagement weiter zu optimieren.
Offizielle Kennzahlen zu Planstellen der Pflegeüberleitungen sind nicht bekannt. Joosten
veranschlagt mindestens 1,3 Planstellen auf 90 Krankenhausbetten16. Ob der Wert auch für
eine Einrichtung der Altenpflege richtungsweisend ist, ist zu diskutieren. Im Krankenhaus
benötigt ein vergleichsweise geringer Anteil der Patientinnen und Patienten eine Überleitung.
In der vollstattionären Pflegeeinrichtung dagegen ist jede neue Bewohnerin/jeder neue
Bewohner betroffen. Berücksichtigt man die Entwicklung der letzten Jahre, u.a. immer mehr
Einzüge in immer kürzer werdenden Abständen, sind mehr Stellen in der Pflegeüberleitung mit
Sicherheit eine sinnvolle Investition.
Auch die Evaluationsstudie der Katholischen Stiftungsfachhochschule München weist auf eine
wachsende Bedeutung der Pflegeüberleitung hin17.
„...
➢ Der Überleitungsprozess ist in der Regel zeitlich begrenzt auf vier bis sechs
Wochen.
➢ Im Organigramm ist die Pflegeüberleitung idealerweise der Pflegedienstleitung als
Stabsstelle zugeordnet. Sie ist die Auftraggeberin/ der Auftraggeber, dem
Rechenschaft über die Tätigkeit abzulegen ist. Sie ist verantwortlich für die adäquate
Vertretungsregelung bei Ausfallzeiten (Urlaub, Krankheit etc.).
➢ Die Arbeitszeiten sind flexibel (kundenfreundlich) geregelt.
➢ Die Pflegeüberleitung umfasst die Leistungsbereiche Informationsweitergabe,
Beratung, Anleitung sowie auf Systemebene die Steuerung von Versorgungsprozessen,
die Anwendung von Konzepten und Methoden der Vernetzungsarbeit.
➢ Der Arbeitsplatz umfasst ein Einzelbüro mit entsprechender Ausstattung incl.
Informationssystem und bietet Raum für vertrauliche Besprechungen.
➢ Die Pflegeüberleitung erstellt jährlich einen Tätigkeitsnachweis im Rahmen der
Berichterstattung für die städtische Förderung und nimmt an Veranstaltungen des
Sozialreferates teil...“
16
17
Vgl. Joosten, 1993.
Vgl. Reinspach, Kraus, 2006.
20 von 42
2.7
Qualitätsmanagement in der Pflegeüberleitung
Über die Vorteile eines leistungsfähigen Qualitätsmanagements herrscht mehrheitlich Konsens
bei den Pflegeüberleitungskräften.
Es ist für die Pflegeüberleitung von großer Bedeutung, differenziert Auskunft darüber zu
erhalten, ob mit der Gestaltung des Überleitungsprozesses Versorgungskontinuität und
Bewohnerzufriedenheit hergestellt werden konnte und gleichzeitig Anhaltspunkte darüber zu
erhalten, an welchen Stellen Versorgungsdefizite bestehen. Die Evaluationsergebnisse sind
eine wichtige Voraussetzung für Qualitätsverbesserungen im Rahmen des
Überleitungsmanagements18.
Die Evaluation bestätigt, dass es keine einheitliche Vorgehensweise im Zusammenhang mit
der Evaluation der Überleitung. Der Zeitpunkt ist variabel, zum Ende der Überleitphase,
maximal ein bis zwei Wochen danach. Eingesetzt werden Fragebögen und/oder protokollierte
Abschlussgespräche. Beide Instrumente haben Vor- und Nachteile. Breiter Konsens besteht
unter den Pflegeüberleitungskräften zugunsten des Abschlussgesprächs, deren Teilnehmerzahl
sich am individuellen Bedarf orientiert. Die Pflichtgröße umfasst Bewohnerin/Bewohner, Fachoder Bezugspflegekraft und Pflegeüberleitung. Das Abschlussgespräch kann im Sinne einer
multiprofessionelle Fallbesprechung nach Bedarf auf weitere an der Versorgung beteiligte
Berufsgruppen ausgeweitet werden.
Trotz Befürwortung aus fachlicher Sicht befürchten viele Pflegeüberleitungen, dass dieser
Anspruch die Grenzen der Organisationsmöglichkeiten in einigen Pflegeinstitutionen weit
überschreitet.
Vor- und Nachteile des Mediums Fragebogens:
Vorteile
Nachteile
- In der Regel niedriger Organisations- und
- Bewohnerinnen und Bewohner brauchen
Planungsaufwand
in der Regel Unterstützung beim
- gut zu standardisieren
Bearbeiten
- kann ohne Beteiligung der
- Hilfe muss organisiert werden
Pflegeüberleitung durchgeführt werden
- Verwertbarkeit der Aussagen teilweise
- „unverblümtes“ Feedback.
eingeschränkt
- Individualität des Überleitungsprozesses
wird nicht berücksichtigt
- Es gibt noch kein standardisiertes
Instrument
Vor- und Nachteile des Abschlussgesprächs/multiprofessionelle Fallbesprechung:
Vorteile
Nachteile
- hoher Informationsgehalt der
- bei größerer Runde hoher OrganisationsRückmeldung
und Planungsaufwand nur bedingt zu
- Problemlösungen können sofort entwickelt
standardisieren
werden
- Bewohnerinnen/Bewohner und
- Einbezug von Bewohnerinnen/Bewohnern
Angehörige scheuen sich unter
und Angehörigen
Umständen die Meinung zu sagen
- Bemühen um tragfähige,
- höherer Dokumentationsaufwand
zufriedenstellende Lösungen wird
persönlich erkennbar
- Überleitungsphase kann damit erkennbar
abgeschlossen
- auf die zukünftigen primären
Ansprechpartnerinnen und
Ansprechpartner kann hingewiesen werden
18
Vgl. Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege, 2004.
21 von 42
Über die Ebene der Bewohnerin/des Bewohners hinaus sollten die Pflegeüberleitungen an
allen Maßnahmen zur Qualitätsentwicklungen beteiligt werden, soweit dies ihr Tätigkeitsfeld
„Pflegeüberleitung“ berührt.
Ein weites Betätigungsgebiet sind hier u.a. schriftliche Kooperationsvereinbarungen zwischen
Pflegeeinrichtung und Krankenhaus. Die Schnittstellenprobleme an dieser Stelle könnten in
diesem Rahmen besprochen und geklärt werden.
Stellenbeschreibungen, Standardisierung
Weitere Initiativen zur Qualitätssicherung betrafen bisher überwiegend Stellenbeschreibungen
und Standards zur Überleitung. Um den zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein
und die Weiterentwicklung der Überleitungsqualität voranzubringen, ist es notwendig, dass
oben genannte Instrumente mit vorliegendem Konzept kompatibel sind und in allen
Einrichtungen eingesetzt werden.
Zudem ist das Ziel, sich zukünftig zusätzlicher qualitätssichernder Maßnahmen zu bedienen,
wie z.B.:
➢ Chancen des gegenseitigen Feedback, hier sind auch gegenseitige Hospitation
und Peer-Review-Verfahren denkbar,
➢ Gezielte Evaluation der Kooperationen mit den verschiedenen Berufsgruppen
(z.B. den Pflegemitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, externen Therapeutinnen und
Therapeuten usw.),
➢ Benchmarking verbunden mit Best Practice unter Regie der Leitung des
Programms,
➢ Erfahrungsaustausch mit Überleitungskonzepten, die in Krankenhäusern
angesiedelt sind, z.B. Klinikum Neuperlach19,
➢ Regelmäßiger Erfahrungsaustausch der am Programm beteiligten
Pflegeüberleitungen.
Voraussetzung für die Beurteilung der Situation der Pflegeüberleitungen vor Ort ist die
Auswertung der jährlichen Tätigkeitsberichte durch die Projektleitung des Programms
(Sozialreferat). Je detaillierter, sorgfältiger und zuverlässiger die enthaltenen Informationen
sind, desto zielgenauer können Maßnahmen geplant und umgesetzt werden. Basis für den
Bericht können Daten aus einer laufenden Statistik sein, die von der Pflegeüberleitung
selbstständig gepflegt werden und auch kurzfristig Aussagen zum derzeitigen
Leistungsspektrum erlauben.
Die Evaluationsstudie der Katholischen Stiftungsfachhochschule bewertet die Entwicklung des
Qualitätsmanagements im Bereich der Pflegeüberleitung insgesamt als sehr erfreulich.
Für die aufgezeigten, allerdings weniger gravierenden Defizite bei der Entwicklung von
Pflegeüberleitungskonzepten und Überleitungsstandards20 in einzelnen Pflegeeinrichtungen
bietet das vorliegende Konzept eine hohe Fülle von Anregungen.
19
20
Siehe Wirnitzer B., 2002.
Siehe Reinspach, Kraus, 2006.
22 von 42
2.8
Qualifikation der Pflegeüberleitung
Zwei grundlegende Orientierungen pflegerischer Qualifikation für die Pflegeüberleitung lassen
sich unterscheiden:
die weitgehend theoretisch ausgebildeten Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten
und die spezialisierten Fachkräfte.
Überwiegend verantwortlich für die Überleitung im Zusammenhang mit dem Programm sind
derzeit Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten mit hoher Praxiserfahrung, Fachfortbildungen
oder entsprechender Weiterbildung.
Die Pflegeüberleitungen legen in Kooperation mit der Leitung des Programms beim
Sozialreferat der Landeshauptstadt München regelmäßig bedarfsorientierte
Fortbildungsthemen fest. Die Organisation der einzelnen Fortbildungsangebote übernimmt die
entsprechende Fachabteilung des Sozialreferats. Die Teilnahme der Pflegeüberleitung an
diesen Veranstaltungen ist Inhalt des Stadtratsauftrags und somit verbindlich.
Seit 2009 organisieren die Pflegeüberleitung eigenständig Arbeitstreffen und legen dazu
spezifische Fachthemen fest. Dieses Forum findet in unterschiedlichen Pflegeeinrichtungen
statt, so dass neben der Behandlung von Fachthemen auch ein Kennenlernen anderer
Pflegeeinrichtungen gelingt.
2.8.1 Anforderungen der Qualifikation
Mit vorliegendem Konzept wird für die Tätigkeit als Pflegeüberleitung im städtischen
Förderprogramm folgende Anforderungen an die Qualifikation empfohlen:
Grundvoraussetzungen:
➢ Examinierte Altenpflegekraft oder examinierte Kranken- bzw.
Gesundheitspflegekraft
➢ Fachkompetenz, drei Jahre Pflegeerfahrung, davon mindestens ein Jahr
fachspezifische Erfahrung in der Altenpflege, Geriatrie oder
Gerontopsychiatrie
➢ regelmäßige fachbezogene Fortbildungen
➢ Weiterbildung zur Fachkraft für Pflegeüberleitung/Case-Management,
alternativ die Qualifikation zur Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitung oder
ein entsprechender Hochschulabschluss
(z.B. Pflegemanagement).
Schwerpunkte liegen in folgenden Kompetenzen und Kenntnissen:
➢ Berufliches Selbstverständnis/Rollenklarheit als Pflegeüberleitung
➢ Kenntnisse der Pflegeüberleitung/des Case Managements
➢ Verfahrenssicherheit in der Fallsteuerung
➢ Strategien und Phasen der Überleitung
➢ Ethische Dimensionen der Überleitung, z.B. Wertschätzung, Empathie,
positive Einstellung (z.B. Kundenorientierung)
➢ Bedarfsermittlung, Assessments und Angebotssteuerung
➢ Ressourcenanalyse und Ressourcensicherung
➢ Bewohner- und Angehörigenedukation
➢ Zuständigkeit und Leistungsfähigkeit anderer Professionen im
Zusammenhang der Überleitung, interdisziplinäres Fachwissen
➢ Multidisziplinäre Zusammenarbeit, Koordinierung und Vernetzung
➢ Umfassende Kenntnisse des Gesundheits-, Pflege- und
Versorgungssystems incl. gesetzlicher Regelungen
➢ Konzeptentwicklung
➢ Qualitätssicherung in der Pflegeüberleitung
➢ Moderation und Präsentation
➢ Kommunikation und Interaktion (Gesprächsführung als Fertigkeit)
23 von 42
➢ Techniken der Supervision
➢ EDV-Anwendung.
Begleitet von:
➢
➢
➢
➢
➢
➢
➢
Sozialkompetenz
Motivation
Fähigkeit zur Selbstreflexion
Empathie
Durchsetzungsstärke
Teamfähigkeit
positivem, sicherem Auftreten.
2.8.2 Inhalte der Weiterbildung
Die hohen Anforderungen, die an eine Pflegeüberleitung gestellt werden, verlangen eine
spezifische Weiterbildung. Die notwendigen Ausbildungsinhalte ergeben sich aus den
genannten erforderlichen Kompetenzen und Kenntnissen. Entsprechende Standards bietet
auch die Weiterbildung für das Case-Management im Sozial- und Gesundheitswesen und in
der Beschäftigungsförderung21.
Die Ausbildungsinstitute für die Weiterbildung „Pflegeüberleitung“ sollten eine Anerkennung
durch die Deutsche Gesellschaft für Care- und Case Management nachweisen.
21
Vgl. Deutsche Gesellschaft für Care und Case Mangement, 2004.
24 von 42
3 Literaturhinweise
Bünemann M., 2006, Zwischen Fürsorge und Autonomie – Ethische Herausforderungen in der
Altenpflege, Vortrag – Fachtag des Instituts Gerontologie und Ethik und dem Bayerischen
Sozialministerium am 07.12.2006 in Nürnberg,
http://www.stmas.bayern.de/pflege/dokumentation/ftep-buenemann.pdf
Dangel B., Pflegerische Entlassplanung, München (Urban & Fischer) 2004
Dash K., Zarle N.C., O´Donnell L., Vince-Whitman C., Entlassungsplanung Überleitungspflege,
München (Urban & Fischer) 2000
Deutsche Gesellschaft für Care und Case Mangement, Standards und Richtlinien für die
Weiterbildung: Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen und in der
Beschäftigungsförderung, 2004, http://www.dgcc.de/download/cm_wb_richtlinien_neu.pdf
Deutscher Pflegerat, Rahmenberufsordnung für professionell Pflegende, Berlin 2004,
http://deutscher-pflegerat.de
DNQP – Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege, Expertenstandard
Entlassungsmanagement in der Pflege, Fachhochschule Osnabrück, 2004
Döhner H. et al., Synopse innovativer Ansätze zur vernetzten Versorgung älterer Menschen in
Deutschland“ ProNETZ, Institut für Medizin-Soziologie, Universität Hamburg, 2002
http://www.uke.eu/institute/medizin-soziologie/downloads/institut-medizinsoziologie/ProNETZ_BERICHT_030614.pdf
Dörpinghaus et al., Überleitung und Case Management in der Pflege, Schriftenreihe des
Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V., Hannover (Schlütersche
Verlagsgesellschaft) 2004
Joosten M., Die Pflege-Überleitung vom Krankenheus in die ambulante Betreuung und
Altenheimpflege, Herdecke (Eigenverlag) 1993
Marriner-Tomey A., Pflegetheoretikerinnen und ihr Werk, Basel (Recom) 1992
Pfefferkorn A., Fritsch A., Wirtschaftlich arbeiten durch Kooperation in der Alten- und
Behindertenhilfe, München (Urban & Fischer) 2000
Reinspach R., Kraus R.,
Projektbericht Evaluation des Programms „Pflegeüberleitung“, Forschungs- und
Beratungsprojekt der Katholische Stiftungsfachhochschule München im Auftrag des
Sozialreferates der Landeshauptstadt München 2006,
http://www.ksfh.de/fachbereiche/FB_Pflege/forschung .
Spitter A., Gittler-Hebestreit N., Pflegeüberleitung – ein pflegewissenschaftlich begleitetes
Projekt zur Einführung und Evaluation, PrintNet Ausgabe 03/05
Trabitzsch A. und Vogler K., in Dibelius et al., Pflegemanagement aktuell – Beiträge aus der
praxisorientierten Forschung, Frankfurt am Main (Mabuse) 2000
Wirnitzer B., Von der koordinierten Entlassung zum Case-Management – Pflege in integrierten
Versorgungsformen, in Pflege aktuell 6/2002, S. 332-335
25 von 42
4 Glossar
Benchmarking: ist die kontinuierliche Vergleichsanalyse von Produkten (Dienstleistungen),
Prozessen (z.B. Überleitungsprozess) und Methoden des eigenen Unternehmens mit denen
von Konkurrenten. Zweck ist es, die Leistungslücke zum führenden Unternehmen in der
Branche systematisch zu schließen.
Best Practice: Auch Erfolgsmethode genannt, dabei werden bewährte und erfolgreiche
Verfahren und Vorgehensweisen aus vergleichbaren Institutionen in die eigene Einrichtung
übernommen. Dieses Vorgehen ist nach einem Benchmarking möglich, wenn sich mehrere
vergleichbare Pflegeeinrichtungen ausgetauscht haben, um den oder die Besten dieser
Gruppe, z.B. bei der Gestaltung des Überleitungsprozesses, herauszufinden.
Delphi-Methode: Ein systematisches, mehrstufiges Befragungsverfahren mit Rückkopplung,
das dazu dient, Situationen und Entwicklungen möglichst gut einschätzen zu können.
Edukation: Individuelle Schulung von Bewohnerinnen und Bewohnern und Angehörigen, die
sowohl Wissensvermittlung und Förderung technischer Fertigkeiten als auch Beratung mit dem
Ziel einer Verhaltensänderung umfasst.
Empowerment: bezeichnet Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, den Grad an
Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen zu erhöhen und es ihnen
ermöglicht, ihre Interessen (wieder) eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu
vertreten und zu gestalten.
Peer-Review-Verfahren: Übertragen auf die Thematik bei der Pflegeüberleitung überprüft hier
eine erfahrene Pflegeüberleitungskraft die Dokumentation einer ihr unbekannten
Pflegeüberleitungssituation in wichtigen Kategorien (z.B. Assessmentergebnisse,
Versorgungsplanung etc.) auf vorhandene Mängel.
Eine andere Variante: Auf Basis der schriftlichen Einschätzung einer Versorgungssituation vor
dem Umzug plant eine andere Pflegeüberleitungskraft, die den betreffenden Fall nicht kennt
und die Daten nicht erhoben hat, den zukünftigen Versorgungsbedarf. Der Vergleich mit der
tatsächlichen Situation bedingt das Auswertungsergebnis.
Pflegeexpertise: Die begründete Darstellung und Beurteilung der Versorgungs- und
Pflegesituation eines pflegebedürftigen Menschen.
Pflegeüberleitungsprozess: 1 Aufnahme abklären 2 Assessment/ Situation und Bedarf
einschätzen  3 Versorgungs- und Unterstützungsangebote planen  4
Durchführung/Leistungsorganisation und -steuerung  6 Evaluation
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5 Anlagen
Anlage 1: Verlauf – Heimeinzug von zu Hause
Anlage 2: Verlauf – Heimeinzug über Krankenhaus oder Rehabilitationsklinik
Anlage 3: Gesprächsleitfaden – Erstgespräch
Anlage 4: Gesprächsleitfaden – Aufnahmegespräch
Anlage 5: Dokumente der Pflegeüberleitung bei Einzug der Bewohnerin/des
Bewohners
Anlage 6: Stellenbeschreibung
Anlage 7: Leitfaden „Biografiearbeit“
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Anlage 1: Verlauf - Heimeinzug
von zu Hause - Teil 1
Erstkontakt
durch
Anfrage
Beratungsgespräch
Überleitungs-/
Informationsgespräch,
evtl. mit Besichtung
des Hauses
Versenden von
Informationsmaterial
Interesse an
einem Einzug
- Anmeldung
- ärztliche
Stellungnahme
- Informationen
über die
Einrichtung
Formblätter
(s. Punkt 2.5)
vorbereiten
Aushändigen der
auszufüllenden Dokumente,
Terminvereinbarung für das
Gespräch
Umfassendes, persönliches
Einzugsgspräch mit Beratung,
nach Möglichkeit im häuslichen
Umfeld:
Austausch aller erforderlichen
Informationen (Beratung zu Kosten,
Finanzierung und Heimvertrag ist
Aufgabe der Verwaltung)
Information zum spezifischen
Leistungsangebot
Beratung zu Wohnform/ Zimmer incl.
Einrichtung
Abstimmung zum möglichen Einzugstermin
Abklärung des noch offenen
Handlungsbedarf, Festlegen der
Verantwortlichen
Beratung bzgl. Beantragung einer
Pflegestufe
...
Interne Klärung von
Wohnmöglichkeit
und Versorgungsangeboten
Bewohnerdokumentation
anlegen, Details zu den
Inhalten unter Punkt 2.5
Anlage 1: Verlauf - Heimeinzug
von zu Hause – Teil 2
Nachbereitung des Einzugsgesprächs
und Organisation des Einzugs
Zusammenarbeit und
Informationsaustausch mit
den erforderlichen
Berufsgruppen /
Kooperationspartnerinnen
und -Partnern
Rechtzeitige
Informationsübergabe an das
Pflegeteam
Einzugstag
Empfang und/oder Verwaltung
informieren
Empfang und Begrüßung
Begleiten auf den Wohnbereich
Vorstellen der Wohnbereichsleitung, der (Bezugs-)Pflegekraft
Vorstellen der neuen Bewohnerin/
des neuen Bewohners im
Rahmen der Übergabe, offene
Fragen mit Wohnbereich klären
Schrittweise mit Umgebung
Vorhandensein benötigter Hilfsmittel
sicherstellen
spezielles Pflegematerial
organisieren
den individuellen Pflegebedarf,
insbesondere bei sehr komplexen
und intensiven Situationen,
gemeinsam mit der Pflege und den
Therapeutinnen/ Therapeuten im
Haus abstimmen, vorbereiten und
sicherstellen
Zimmervorbereitung managen
Kontakt mit zukünftiger Bewohnerin/
zukünftigemBewohner pflegen
Bewohnerdokumentation
bei Bedarf ergänzen
vertraut machen
Begleiten in der Eingewöhnungsphase
Anlage 1: Verlauf - Heimeinzug
von zu Hause - Teil 3
Begleiten in der Eingewöhnungsphase,
erster Besuch an Tag nach dem Einzug
Zusammenarbeit und
Informationsaustausch mit
den erforderlichen
Berufsgruppen /
Kooperationspartnerinnen
und -Partnern
Weitere Besuche nach Bedarf,
max. für 4 - 6 Wochen
Beratung / Edukation
Weiterleiten von noch offenen
Wünschen und Bedürfnissen
Versorgungsdefizite und
Probleme erkennen und in
Kooperation mit den
Pflegekräften des
Wohnbereiches beheben
Persönliches Abschlussgespräch (z.B. multiprofessionelles Abschlussgespräch
und Fragebogen zur Sicherung
der Pflegeüberleitungsqualität)
Bewohnerdokumentation
bei Bedarf ergänzen
Offizielles Ende der
Überleitphase in der
Regel nach ca. 4 – 6
Wochen
Anlage 2: Verlauf - Heimeinzug
über Krankenhaus oder
Rehabilitationsklinik - Teil 1
Konkreter Einzugswunsch der Bewohnerin/des Bewohners, der Angehörigen
oder seitens des Krankenhauses bzw.
der Rehabilitationsklinik
- Anmeldung
- ärztliche
Stellungnahme
- Informationen
über die
Einrichtung
Unterlagen,
Dokumente
vorbereiten
Voraussetzungen klären:
Kontakt zum Ansprechpartner z.B.
Pflegeüberleitung/Sozialdienst der Einrichtung aufnehmen
Verlegungstermin abklären
Termin für Gespräch mit Betroffenen
absprechen
notwendige Formulare an zukünftige Bewohnerin/Bewohner bzw. Angehörige
schicken
ärztlichen Fragebogen an die Einrichtung
faxen
Besuchstermin in der Einrichtung vereinbaren, Ziel: Übergabe am Bett /
Multiprofessionelle Sozialvisite
Pflegeüberleitungsbogen anfordern
Umfassendes, persönliches
Einzugsgespräch mit Beratung:
Austausch aller erforderlichen
Informationen
(Information und Beratung zu Kosten,
Finanzierung und Heimvertrag ist
Aufgabe der Verwaltung)
Information zum spezifischen
Leistungsangebot
Beratung zu Wohnform/ Zimmer incl.
Einrichtung
Abstimmung zum möglichen Einzugstermin
Abklärung des noch offenen
Handlungsbedarf, Festlegen der
Verantwortlichen
Beratung bzgl. Beantragung einer
Pflegestufe
...
Wohnmöglichkeit und
Versorgungsangebote
intern und extern klären,
Bewohnerdokumentation
anlegen
Anlage 2: Verlauf - Heimeinzug
über Krankenhaus oder
Rehabilitationsklinik - Teil 2
Nachbereitung des Einzugsgesprächs
und Organisation des Einzugs
Zusammenarbeit und
Informationsaustausch mit
den erforderlichen
Berufsgruppen /
Kooperationspartnerinnen
und -Partnern
Rechtzeitige
Informationsübergabe an das
Pflegeteam
Einzugstag
Empfang bzw. Verwaltung
informieren
Empfang und Begrüßung
Begleiten auf Wohnbereich
Vorstellen der WBL/, der
(Bezugs-)Pflegenden
Vorstellen der neuen Bewohnerin/
des neuen Bewohners im
Rahmen der Übergabe,
offene Fragen mit Wohnbereich
klären
Schrittweise mit Umgebung
vertraut machen
Vorhandensein benötigter Hilfsmittel
sicherstellen
spezielles Pflegematerial
organisieren
den individuellen Pflegebedarf,
insbesondere bei sehr komplexen
und intensiven Situationen, gemeinsam mit der Pflege und den
Therapeuten im Haus abstimmen,
vorbereiten und sicherstellen
Zimmervorbereitung managen
Kontakt mit zukünftigen
Bewohnerinnen und Bewohnern
pflegen
Bewohnerdokumentation
bei Bedarf ergänzen
Begleiten in der Eingewöhnungsphase
Anlage 2: Verlauf - Heimeinzug
über Krankenhaus oder
Rehabilitationsklinik - Teil 3
Begleiten in der Eingewöhnungsphase,
erster Besuch an Tag nach dem Einzug
Zusammenarbeit und
Informationsaustausch mit
den erforderlichen
Berufsgruppen /
Kooperationspartnerinnen
und -Partnern
Weitere Besuche nach Bedarf,
max. für 4 - 6 Wochen
Beratung / Edukation
Weiterleiten von noch offenen
Wünschen und Bedürfnissen
Versorgungsdefizite und
Probleme erkennen und in
Kooperation mit den Pflegenden
des Wohnbereichs beheben
Persönliches Abschlussgespräch (z.B. multiprofessionelles Abschlussgespräch
und Fragebogen zur Sicherung
der Pflegeüberleitungsqualität)
Bewohnerdokumentation
bei Bedarf ergänzen
Offizielles Ende der
Überleitphase in der Regel
nach ca. 4 – 6 Wochen
Anlage 3 – Gesprächsleitfaden – Erstgespräch
Bedingungen:
➢ mit Terminvereinbarung, rechtzeitig vor geplantem Heimeinzug
➢ Gesprächspartnerin bzw. Gesprächspartner ist die Bewohnerin bzw. der Bewohner mit
den Angehörigen, Betreuerin bzw. Betreuer, nach Bedarf: Ärztin bzw. Arzt,
Überleitungskraft bzw. Sozialdienst der derzeitigen Versorgungseinrichtung, Vertretung
des ambulanten Pflegedienstes
➢ in einer persönlichen Gesprächsatmosphäre, unter Wahrung der Intimsphäre und des
Datenschutzes,
➢ telefonisches Einzugsgespräch nur in Notfällen
Inhalte:
➢ Allgemeine Informationen über die Einrichtung und die möglichen Wohnformen (Beispiel
Appartement oder Zimmer)  Informationsmappe der Einrichtung aushändigen
➢ Besonderheiten (konfessionell geprägt, exponierte Lage, usw.)
➢ Besondere Leistungen der Einrichtung (z.B. Mitbringen von Haustieren, besondere
Arztbetreuung, Facharztangebote im Haus, spezifische Therapieangebote, usw.)
➢ Spezielle Wohnformen der Einrichtung (z.B. Kurzzeitpflege, Tagespflege, DemenzWohngruppe, etc.)
➢ (Beschäftigungs-)Angebote der Einrichtung, Freizeitangebote
➢ Veranstaltungskalender
➢ Einrichtungsmöglichkeiten
➢ Gründe für den Heimeinzug
➢ Ungefähre Kosten des Heimaufenthalts
➢ Besichtigungstermin vereinbaren (wenn machbar direkt im Anschluss)
➢ Probewohnen gewünscht  Terminvereinbarung
➢ Anmeldeunterlagen gewünscht Verschicken der Anmeldeunterlagen
➢ Wunschtermin für den Einzug
➢ Information zu Voranmeldezeiten und -Bedingungen
➢ Besonderheiten (schöne Lage, gute Verkehrsanbindung, neu renoviert, große, helle
Zimmer, etc.)
Dauer: unbestimmt, zwischen 10 und 90 Minuten (incl. Hausführung)
Anlage 4 – Gesprächsleitfaden - Überleitungsgespräch
Bedingungen:
➢ mit Terminvereinbarung, rechtzeitig vor geplantem Heimeinzug
➢ Gesprächspartner ist die Bewohnerin bzw. der Bewohner mit den Angehörigen,
Betreuerin bzw. Betreuer, nach Bedarf: Ärztin bzw. Arzt, Überleitungskraft bzw.
Sozialdienst der derzeitigen Versorgungseinrichtung, Vertretung des ambulanten
Pflegedienstes
➢ in einer persönlichen Gesprächsatmosphäre, unter Wahrung der Intimsphäre und des
Datenschutzes,
➢ telefonisches Einzugsgespräch nur in Notfällen
Inhalte:
➢ Aktuell offene Fragen seitens der Bewohnerin/des Bewohners und der Angehörigen
➢ Bewohnerdaten
➢ Gründe für den Heimeinzug
➢ Zeitpunkt des Heimeinzugs
➢ Probewohnen gewünscht  Terminvereinbarung
➢ Medizinische Diagnosen (ärztlicher Stellungnahme)
➢ Daten der behandelten Ärztinnen/ Ärzte und Therapeutinnen/ Therapeuten
➢ Pflegebedarf bzw. Pflege- und Sozialanamnese (Assessment), Berücksichtigung eines
evtl. vorhandenen Pflegeüberleitungsbogens
➢ Persönliche Lebensgewohnheiten und Wünsche
➢ Hilfsmittelbedarf, spezifischer Pflegebedarf
➢ Ressourcenorientierte Risikoerfassung
➢ Arzneimittel, Arzneimittelbefreiung
➢ Beratung zu Beantragung einer Pflegestufe, bzw. wenn schon vorhanden deren Verlauf
➢ Wünsche bzgl. Zimmer und Zimmergestaltung (was kann mitgebracht werden?)
➢ Beratung zu den Versorgungsangeboten des Hauses
➢ Angebote des Hauses bzgl. Freizeitgestaltung, Veranstaltungskalender
➢ Wäschebedarf und Wäschevorbereitung (Kennzeichnung der persönlichen Wäsche)
Weitere Inhalte:
➢ Information zu Angeboten ehrenamtlicher Mitarbeitenden
➢ Bei Informationen zu Vertragsinhalt und dessen Abschluss Vermittlung an die
entsprechende Stelle im Haus
➢ ggf. Beschluss zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
➢ Information zu den Hygienebestimmungen des Hauses
➢ Einverständnis für Fotoaufnahmen
➢ Seelsorge gewünscht
➢ Wünsche für die Sterbebegleitung/ Bestattung (notwendige Regelungen, z. B. wer ist im
Bedarfsfall zu informieren, Begleitung erwünscht, Übernachtung im Zimmer gewünscht
usw..
➢ Information zu Sterbekultur/ Hospiz
➢ Führung durch das Haus
Dauer: in der Regel mindestens 90 Minuten
Entsprechend der persönlichen Situation und/oder der körperlichen und psychischen
Konstitution der Bewohnerin/des Bewohners müssen die Inhalte des Aufnahmegesprächs auf
mehrere Termine verteilt werden.
Anlage 5 – Dokumente
der Pflegeüberleitung bei Heimeinzug der
Bewohnerin bzw. des Bewohners
DOKUMENTENART
1. Dokumente die der Bewohnerin/dem Bewohner
vor dem Einzug zugehen
1.1 Hausprospekt mit Anmeldeunterlagen
1.2 Ärztliche Stellungnahme (durch die/der behandelnde Ärztin
bzw. Arzt auszufüllen)
1.3 Preisliste mit Leistungsangebot
1.4 Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung
1.5 Patientenverfügung
1.7 Informationen zu Abschiedskultur / Palliativ Care / Hospiz
2. Pflegespezifische Dokumente
2.1 Pflegeanamnese ressourcenorientiert (Ist-Zustand) nach
AEDLs bzw. mit fachlich strukturiertem Anamneseinstrument
2.2 derzeitige Wohn – und Lebenssituation, inkl. Gewohnheiten
2.3 Risikoerfassung (Einbezug und Information der Betroffenen):
Sturzassessment / Sturzrisiko
Ernährung (BMI) / Dehydration / PEG
Mobilität/ Dekubitusrisiko (Braden-Skala, o.ä.) / Lagerungen
Schmerz
Inkontinenzform, wie versorgt, mit körpernahen Inkontinenzvorlagen, DK oder
Infektiöse Erkrankungen (z.B. Hygienefragebogen)
Chronische Wunden
Diabetes
Antikoagulanzien
Allergien
Herzschrittmacher
Prothesen
Hinlauftendenz
Richterlicher Beschluss zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
 Erledigt am
DOKUMENTENART
2.4 Dokumentation der benötigten bzw. vorhandenen Hilfsmittel
2.5 Dokumente zu Arztverordnungen wie:
Logotherapie
Krankengymnastik, Ergotherapie
3. Dokumente, die bei Einzug benötigt bzw. ausgefüllt werden
3.1 Stammblatt, incl.:
Krankenversicherungskarte
Spezifische Ausweise bei chronischen Erkrankungen
Impfpass
3.2 Dokumente für die Verwaltung:
Rentenbescheid
Befreiungsausweis
3.3 Einverständnis schriftlich (Datenschutz), für Fotoaufnahmen
z. B. bei Hautläsionen, für Datenweitergabe im Rahmen der
Pflegeüberleitung, z. B. bei Verlegung ins Krankenhaus
4. Dokumente, die beim Einzug übergeben werden
4.1 Hausprospekt (wenn noch nicht erhalten), möglicher Inhalt:
Lageplan mit Grundriss der Einrichtung
Namen (mit Foto) und Telefonnummern der Geschäftsleitung,
der Pflegedienstleitung, deren Stellvertretung sowie der
Pflegeüberleitung
Daten der Heimfürsprecherinnen/Heimfürsprecher bzw. /
Heimbeirätin/ Heimbeirat
Heimzeitung
Veranstaltungskalender/ Programm
4.2 Information über den Wohnbereich
Telefonnummern (des Wohnbereichs/ des eigenen
Anschlusses) Erreichbarkeit
Terminvereinbarung für Abschlussgespräch in ca. 6 Wochen
 Erledigt am
Anlage 6 –
Stellenbeschreibung der Pflegeüberleitung
Aufgaben und Verantwortungs- und Kompetenzbereiche:
✔ Durchführung von strukturierten Beratungsgesprächen im Bezug auf die Pflegeüberleitung
✔ Anwendung verschiedener Instrumente und Assessments nach Bedarf zur Einschätzung
der derzeitigen Versorgungssituation
✔ Erstellung einer ressourcenorientierten Pflegeanamnese und erste Einschätzung des zu
erwartenden Versorgungsbedarfs (Pflegeexpertise)
✔ Beratung bei der Gestaltung des Bewohnerumfeldes
✔ Organisation von notwendigen Hilfsmitteln
✔ Planung und Koordination der Pflegeüberleitungen bei Einzug in die Einrichtung
✔ Betreuung, Beratung und Anleitung von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie deren
Angehörigen („Bewohner- und Angehörigenedukation“)
✔ Unterstützung und Begleitung in der Eingewöhnungsphase
✔ Sicherstellung des Informationsflusses für alle an der Versorgung beteiligten
Berufsgruppen, insbesondere an die verantwortliche Fach- oder Bezugspflegekraft
✔ Entwicklung und Pflege eines fachlichen fundierten Pflegeüberleitungsprotokolls
✔ Koordination von Umzügen innerhalb der Einrichtungen oder in eine andere
Versorgungssituation
✔ Aufbau und Pflege eines tragfähigen multiprofessionellen Netzwerks
(Kooperationsbeziehungen) zur umfassenden Versorgung der Bewohnerin/des
Bewohners, Mitwirkung bei Kooperationsverträgen
✔ Kooperation und konstruktive Zusammenarbeit mit allen an der Betreuung und Pflege
beteiligten internen und externen Berufsgruppen
✔ Begleitung von Bewohnerinnen und Bewohnern bei stationären Aufenthalten im
Krankenhaus im Sinne des Pflegeüberleitungskonzeptes des Sozialreferats der
Landeshauptstadt München
✔ Konstruktive und produktive Zusammenarbeit mit dem Sozialreferat der Landeshauptstadt
München, einschließlich jährlicher Berichtserstattung
✔ Aktive Teilnahme und konstruktive Mitwirkung an den Fortbildungsangeboten des
Sozialreferates sowie an den Supervisionen/ Coachings
✔ Entwicklung/ Weiterentwicklung des Pflegeüberleitungskonzeptes
✔ Wechselseitige Hospitation, Reflexion und Beratung mit den Pflegeüberleitungen aus dem
Soforthilfeprogramm der Landeshauptstadt München
✔ Aktive Entwicklung und Weiterentwicklung von Qualitätsmanagementinstrumenten
✔ Präsentation der Überleitung in Zusammenhang mit allgemeinen
Informationsveranstaltungen des Hauses
Leitfaden zur Biographiearbeit in Einrichtungen der stationären
Altenpflege in Bayern
- Beschluss des Landespflegeausschusses vom 23. November 2006 -
Ziel der Biographiearbeit
Ziel der Biographiearbeit ist die Unterstützung der Individualität des Pflegebedürftigen durch
die Pflegenden. Es werden Informationen aus der Biographie des zu pflegenden und zu
betreuenden Menschen gesammelt, um durch die Einbeziehung dieser Informationen in den
Pflegeprozess eine persönlichkeitsfördernde und individuelle Pflege und Betreuung zu ermöglichen. Im Pflege- und Betreuungsprozess älterer Menschen ist Biographiearbeit unverzichtbar.
Basis der Datenerhebung
Biographiearbeit erfolgt auf der Basis eines Vertrauensverhältnisses zwischen Pflegenden
und Pflegebedürftigem sowie unter dem Anspruch der Sensibilität, Sorgfalt und Diskretion.
Die Biographiearbeit erfolgt dabei unter Beachtung des Rechts jeder Heimbewohnerin/jedes
Heimbewohners auf informationelle Selbstbestimmung.
Umfang der Datenerhebung und Umgang mit vorgefertigten Erhebungsbögen
Im Rahmen der Biographiearbeit ist es nicht so wichtig, Fakten zu sammeln, sondern es
kommt darauf an, sensibel aufzuspüren, welchen Stellenwert bestimmte Bereiche für die
betroffenen Menschen derzeit haben. Der Pflegebedürftige ist daher in erster Linie dazu anzuregen, aus seiner Sicht aus seinem Leben zu erzählen. Das Zuhören und Beobachten ist
dem Stellen von umfangreichen Detailfragen vorzuziehen. Deshalb ist auch der Umfang der
Informationserhebung individuell und unter Beachtung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit auf den jeweiligen Pflegebedürftigen abzustimmen. Dabei spielt es u. a. eine Rolle, ob der Pflegebedürftige demenzkrank ist oder seine Wünsche und Vorstellungen vollständig artikulieren kann und ob Angehörige vorhanden sind. In erster Linie sollen die Daten
beim Pflegebedürftigen selbst erhoben werden. Sofern keine auskunftgebenden Personen
-2da sind, ist zu akzeptieren, dass Biographiearbeit nicht möglich ist. Eine besondere Prüfung
der Erforderlichkeit der Datenerhebung im Einzelfall ist vorzunehmen, wenn es sich um sensitive Daten handelt. Da der Pflegebedürftige selbst entscheidet, welche Lebensbereiche er
thematisiert, gibt es keinen Bedarf, gezielte Fragen zur politischen oder sexuellen Ausrichtung im Rahmen der Biographiearbeit zu stellen. Fragen solcher Art könnten als distanzlos
und als Verletzung der Intimsphäre empfunden werden. Vorgefertigte Erhebungsbögen können immer nur eine Hilfestellung sein, ein reines Abarbeiten zum Zwecke der Dokumentation
ist nicht zielführend und verbietet sich schon aus datenschutzrechtlichen Gründen.
Zum Zweck der Biographiearbeit dürfen Daten nur erhoben und dokumentiert werden, wenn
sie im Rahmen eines in der Einrichtung nach den oben genannten Grundsätzen praktizierten
Konzeptes zur Biographiearbeit verwendet werden. Der Umfang der Datenerhebung darf
über die für die Durchführung des Konzeptes notwendigen Daten nicht hinausgehen. Das in
der Einrichtung angewandte Pflegemodell legt den Rahmen der Biographiearbeit fest.
Informiertes Einverständnis der Betroffenen bzw. der gesetzlichen Vertreter
Biographiearbeit ist nur auf freiwilliger Basis möglich. Dazu gehört die vorherige umfassende
Information des zu Pflegenden bzw. gegebenenfalls des Betreuers und evtl. einbezogener
Angehöriger über Sinn und Zweck der Biographiearbeit, über die Dokumentation der Daten
und unter Hinweis auf den freiwilligen Charakter. Das informierte Einverständnis des Pflegebedürftigen bzw. gegebenenfalls des Betreuers ist einzuholen; das kann auch im Rahmen
der Heimaufnahme erfolgen. Die Freiwilligkeit bezieht sich selbstverständlich auch auf die
Beantwortung einzelner Fragen bzw. das Schweigen zu einzelnen Themenblöcken. Wenn
der Pflegebedürftige, auch zu einzelnen Themen, keine Auskunft geben will, verbietet sich
ein Insistieren.
Verantwortung der Pflegefachkraft
In Zweifelsfällen hat sich die Pflegefachkraft zu vergewissern, ob ihr eine Information zur
weiteren Dokumentation gegeben worden ist oder ob die/der Betroffene dies nicht wünscht.
Weiter sollte in der Dokumentation transparent gemacht werden, aus welcher Quelle die Daten stammen (Pflegebedürftiger, Angehörige, Betreuer, Pflegende, u. a.). Lehnt ein zu Pflegender die Erhebung von biographischen Daten ab, ist dies in der Dokumentation zu vermerken.
-3-
Dokumentation der Daten
Die Dokumentation der Daten zur Biographiearbeit erfolgt in der Pflegedokumentation, die
ausschließlich den der Schweigepflicht unterliegenden zuständigen Mitarbeitern zugänglich
ist. Die Einrichtungsleitung trägt auf Dauer dafür Sorge, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die, auch strafrechtlich sanktionierte, Schweigepflicht kennen. Ziel ist nicht die formelle
Erklärung der Schweigepflicht, sondern die inhaltliche Auseinandersetzung damit. Die Einrichtung weist außerdem gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darauf hin, dass
der Pflegebedürftige/Betreuer jederzeit in seine Dokumentation und damit auch in die im
Rahmen der Biographiearbeit erhobenen Daten Einblick nehmen kann.
Beschluss des Landespflegeausschusses vom 23. November 2006
1. Der Landespflegeausschuss nimmt den vorgelegten Leitfaden zur Biographiearbeit in
Einrichtungen der stationären Altenpflege in Bayern zustimmend zur Kenntnis.
2. Die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen verpflichten sich, den Leitfaden
allen ihren Mitgliedseinrichtungen zugänglich zu machen und darauf hinzuwirken,
dass Biographiearbeit in ihren Mitgliedseinrichtungen nur in dem vom Leitfaden vorgegebenen Rahmen geschieht.

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