Studienarbeit Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
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Studienarbeit Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Studienarbeit Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Hochschulen in Nordamerika Photograph by Rick Firedman. Photo illustration by Rob Bryson FH Erfurt – Studiengang Landschaftsarchitektur Studienarbeit in Freiraumplanung Vorgelegt bei Prof. Dr. Schumacher Henriette Brunk, Matrikelnummer: 141031851 Abgabetermin: 17.10.2008 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Inhaltsverzeichnis Aufgabenstellung........................................................................................................ 3 1. Einleitung................................................................................................................ 3 2. Der Weg zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)....................................... 4 2.1 Brundtland-Report............................................................................................. 5 2.2 Agenda 21......................................................................................................... 5 2.3 BNE................................................................................................................... 6 3. Die Rolle der Hochschulen ..................................................................................... 8 4. Theorie und Praxis ............................................................................................... 11 4.1 Lehre............................................................................................................... 12 4.2 Forschung ....................................................................................................... 14 4.3 Betrieblicher Ablauf ......................................................................................... 15 4.4 Freiräumliche Strukturen................................................................................. 16 4.5 Komplexbetrachtung Campus-Life .................................................................. 18 5. Fazit...................................................................................................................... 19 Quellenverzeichnis ................................................................................................... 22 Anhang ..................................................................................................................... 23 2 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Aufgabenstellung Gemeinden und Städte haben sich schon seit längerem auf eine Strategie 21 eingeschworen, d.h. sich darauf verständigt, wie eine nachhaltige Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert vonstatten gehen sollte. Nachhaltige Entwicklung (NE) sollte auch für Hochschulen eine erhebliche Relevanz haben. Doch wie sieht es aus damit? Definieren sich Hochschulen inzwischen über Nachhaltigkeits-Themen? Sie sollten es! Aber tun sie es auch? 1. Einleitung „Planst Du für ein Jahr, so säe Korn, planst Du für ein Jahrzehnt, so pflanze Bäume, planst Du für ein Leben, so bilde Menschen.“ – Kuan Tzu Dieser von dem taoistischen Philosophen Kuan Tzu verfasste Aphorismus, befasste sich schon vor 2000 Jahren mit dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit - lange bevor dieser überhaupt in unserer Gesellschaft angekommen war. Gerade im Hinblick auf das Thema dieser Studienarbeit ließe er sich treffend weiterführen: ….planst du für die Zukunft, so bilde Menschen nachhaltig. Und dies möglichst umfassend. Nachhaltiges Handeln ist in allen Lebensbereichen wichtiger denn je. Insbesondere in den diversen Bereichen der Bildung, vom Kindergarten bis zu Kursangeboten für Senioren, rückt die Thematik des generationenübergreifenden Denkens und Handelns immer mehr in den Mittelpunkt. Einen Teil dieser Bildungskette soll diese Studienarbeit herausgreifen. Inwieweit hat sich nachhaltiges Handeln an Hochschulen inzwischen durchgesetzt? Welche Fortschritte machen solchen Nachhaltigkeitsaspekten? Einrichtungen Identifizieren sich in der Hochschulen Umsetzung von inzwischen mit Nachhaltigkeitsthemen oder richten gar ihr Leitbild daraufhin aus? 3 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Die Bearbeitung dieser Thematik erfolgt im Rahmen dieser Studienarbeit im Lehrfach Freiraumplanung. Neben der allgemeinen Recherche zu den Themen der Bildung für nachhaltige Entwicklung werden best-practice-Beispiele nordamerikanischer Hochschulen dokumentiert und beleuchtet. Aufgrund der Vielzahl von höheren Bildungseinrichtungen in den USA und Kanada muss leider auf ein paar wenige herausragende Beispiele zurückgegriffen werden. Dennoch wird versucht, in dieser Studienarbeit einen Blick auf die Gesamtsituation der nachhaltigen Hochschuldbildung in Nordamerika zu werfen. Für eine Vertiefung des Themas sei auf die weiterführende Literatur verwiesen. 2. Der Weg zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) „Unter allen Bemühungen des Forstwirts ist wohl keine wichtiger und verdienstlicher, als die Nachzucht des Holzes, oder die Erziehung junger Wälder, weil dadurch die jährliche Holzabgabe wieder ersetzt, und dem Wald eine ewige Dauer verschafft werden muss.“1 Vor etwa 200 Jahren waren dies mit die ersten Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit. Was einst als Fiktion für eine beständige Forstwirtschaft begann, lässt sich auch hervorragend auf die heutige Bildungssituation übertragen. Frei übertragen ließe sich sagen: Bilde und erziehe junge Menschen, weil dadurch der Welt eine Zukunft verschafft wird. „Denn die Grundidee der Nachhaltigkeit ist eben keine bloße Anleitung für ein effizientes Ressourcenmanagement. Sie formuliert vielmehr das ethische Prinzip, dass die Bedürfnisse der nachfolgenden Generationen schon heute zu beachten sind. Sie handelt von unserer höchsten Verantwortung, nämlich der Pflicht, das Leben selbst und dessen natürliche Grundlagen zu bewahren, um den Planeten auf Dauer bewohnbar zu erhalten. Sie ist – in den Worten des kürzlich verstorbenen Südtiroler Soziologen, Künstlers und Bergsteigers 1 Georg Ludwig Hartig: „Anweisung zur Holzzucht für Förster“ auf http://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit_(Forstwirtschaft) am 12.10.08 4 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Hans Glauber – „ein neuer zivilisatorischer Entwurf“. Dessen Maxime aber lautet: „Langsamer, weniger, besser, schöner.“2 2.1 Brundtland-Report Obwohl die ersten Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit schon Anfang des 18. Jahrhunderts formuliert wurden, dauerte es etwa weitere 150 Jahre, bis mit der Veröffentlichung des 1987 erschienenen Brundtland-Reportes „Unsere gemeinsame Zukunft“ das Thema Nachhaltige Entwicklung in das Bewusstsein der Öffentlichkeit trat. Herausgeber des Berichtes war die 1983 von den Vereinten Nationen als unabhängige Sachverständigenkommission gegründete, Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED). „Das von der Kommission vorgestellte Konzept einer nachhaltigen Entwicklung bildete zum ersten Mal die Grundlage einer integrativen globalen Politikstrategie. So wurden herkömmlich als getrennt betrachtete Problembereiche wie u.a. Umweltverschmutzung in Industrieländern, globale Hochrüstung, Schuldenkrise, Bevölkerungsentwicklung und Wüstenausbreitung in der Dritten Welt in einem Wirkungsgeflecht gesehen, das durch einzelne Maßnahmen nicht würde gelöst werden können.“3 2.2 Agenda 21 Um die Ziele des Brundtland-Reportes umsetzen zu können wurde 1992 auf der „Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen“ (UNCED) in Rio de Janeiro die Agenda 21 beschlossen. Dieses entwicklungs- und umweltpolitische Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert wurde von 172 Staaten beschlossen und setzt einen weltweiten Rahmen für Nachhaltigkeitsziele, den die einzelnen Nationen von der Ebene der Regierung (nationaler Umweltplan) bis hinunter zur Kommunalverwaltung (Lokale Agenda 21) ausgestalten sollen. Hierbei wird erstmals grob zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen unterschieden. Die 2 3 vgl. Ulrich Grober „Der ewige Wald“ in DIE ZEIT Nr. 31, vom 24. Juli 2008 vgl. Brundtland‐Bericht auf http://www.nachhaltigkeit.info am 11.10.2008 5 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Agenda besteht aus insgesamt 40 Kapiteln und ist thematisch in 4 Bereiche aufgeteilt. Im 4. Bereich „Möglichkeiten der Umsetzung“ finden sich im Kapitel 36 „Förderung der Schulbildung, des öffentlichen Bewusstseins und der beruflichen Aus- und Fortbildung“ Handlungsgrundlagen sowie Ziele, Maßnahmen und Instrumente zur Umsetzung der "Neuausrichtung der Bildung auf eine nachhaltige Entwicklung". Daraus entwickelte sich der feststehende Begriff Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE).4 Abgeleitet daraus veröffentlichte das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2004 den Bericht „UNI 21 – Hochschulbildung für eine nachhaltige Entwicklung“5. Darin geht es um die Möglichkeiten und Pflichten von Hochschulen zur Umsetzung der Bildung für nachhaltige Entwicklung. 2.3 BNE Bildung ist der Schlüssel, um einen gesellschaftlichen Wandel in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu realisieren. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein neues Bildungskonzept, welches auf dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung basiert. Es zielt darauf ab, den gegenwärtigen Bedarf zu decken, ohne die Fähigkeiten kommender Generationen zu schmälern ihre Bedürfnisse zu befriedigen.6 „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist Teil einer allgemeinen Bildungsaufgabe mit der Intention, bei der breiten Bevölkerung und insbesondere in der heranwachsenden Generation zur Humanisierung der Lebensverhältnisse und zu einem verständigen Umgang mit der Lebenswelt beizutragen.“7 Ziel der Bildung ist es, einen gesunden Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft zu leisten. Der Mensch an sich wird dabei jedoch nicht zu einem Werkzeug für ein fixes Ziel degradiert, sondern er soll das Wissen darüber erlangen, was ist. „Damit ist in erster Linie das analytische Wissen gemeint, das vielfach in der 4 Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit ‐ Agenda21; http://www.nachhaltigkeit.info am 15.10.08 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, UNI21; http://www.bmbf.de am 15.10.08 6 Vgl. hierzu 2.1 Brundtland‐Bericht 7 Was ist Bildung für nachhaltige Entwicklung?; http://www.umweltbildung.at am 12.10.08 5 6 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) formalen, non-formalen und informellen Bildung bereitgestellt wird. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung ist besonders der kritische Blick auf Systemgrenzen wichtig. Es ist notwendig, sich systemische Zusammenhänge über Beobachtung, Analyse und auch Bewertung zu erschließen.“8 Einfacher formuliert könnte man sagen, die BNE soll Menschen dazu befähigen, die Folgen ihres Tuns mit allen Auswirkungen auch auf andere Bereiche der Umwelt vorher zu durchdenken, zu erkennen und erst dann entsprechend zu handeln. „Bildung bedeutet aber auch Selbstbildung. Im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung steht dieser Aspekt besonders in Verbindung mit der Diskussion von eigenen Zielen und von gesellschaftlichen Zielen im Verhältnis zu biophysikalischen und gesellschaftlichen Normen und Grenzen. Es geht darum zu lernen wie die Zukunft im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gestaltet werden kann – welche Größen und Grenzen aber auch Werte dabei berücksichtigt werden können. Es sollen sowohl kognitive Ansprüche gestellt werden als auch die Freiheit und Möglichkeit gegeben werden sich selbst weiterzuentwickeln.“9 Oft reicht es nicht aus, den Menschen Systemwissen und Zielfähigkeit zu vermitteln. Als dritter wichtiger Punkt sollten ihnen auch Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, sowie Kompetenzen vermittelt werden, die sie befähigen, selbst aktiv einen Wandel umzusetzen. Hierzu zählen Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Personalkompetenz.10 Insbesondere fällt in diesem Zusammenhang immer wieder der Begriff der Gestaltungskompetenz. Er bezeichnet die Fähigkeit, Wissen über nachhaltige Entwicklung anzuwenden, aber auch zu erkennen, welche Probleme nicht nachhaltiges Handeln mit sich bringt. Das heißt, aus Gegenwartsanalysen und Zukunftsstudien Schlussfolgerungen über ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungen zu ziehen und darauf basierende Entscheidungen zu treffen und sie dann auch individuell, gemeinschaftlich oder politisch umzusetzen. 8 Was ist Bildung für nachhaltige Entwicklung?; http://www.umweltbildung.at am 13.10.08 Was ist Bildung für nachhaltige Entwicklung?; http://www.umweltbildung.at am 12.10.08 10 BLK‐Programm: Transfer 21 – Bildung für eine nachhaltige Entwicklung; http://www.globaleslernen.de 9 7 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Mit dem Jahr 2005 startete die UNESCO-Dekade für eine „Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005-2014)“. Die Ausrufung dieser Weltdekade war ein direktes Ergebnis des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002. Ziel der Dekade ist es, die Regierungen an ihre Verantwortung zur Entwicklung von politischen Strategien für die BNE und die Schaffung von Rahmenbedingungen zu erinnern und somit einen wichtigen Beitrag zu deren Umsetzung zu leisten. Von der UN werden verschiedene Schlüsselthemen (z.B. Ländliche Entwicklung, Gleichberechtigung, Nachhaltige Stadtentwicklung u.a.) genannt, mit denen sich verschiedene Programme und Aktivitäten beschäftigen könnten und sollten. Die Entwicklung und Umsetzung einzelner Programme ist vollständig auf die nationale bzw. regionale Ebene übertragen. Daher ist es möglich, dass in verschiedenen Ländern oder Kontinenten auch widersprüchliche Vorstellungen von nachhaltiger Entwicklung existieren. Einen gemeinsamen globalen Ansatz gibt es nicht. Da die Dekade der Bildung für nachhaltige Entwicklung nicht bindend ist, wird sie von den einzelnen Ländern auch völlig unterschiedlich bewertet und finanziert. Deutschland finanziert die Dekade mit 300.000 Euro im Jahr, andere Länder stellen dagegen wenig oder keine Mittel bereit.11 3. Die Rolle der Hochschulen Hochschulen haben einen herausragenden Stellenwert im globalen Prozess einer Nachhaltigen Entwicklung. Als integrative Ausbildungsstätten zukünftiger Generationen und als Motor wissenschaftlicher Erkenntnis haben Universitäten die Möglichkeit, ihre institutionelle Verantwortung für eine soziale und umweltgerechte Entwicklung auf breiter Basis wahrzunehmen. „Universitäten haben die Verantwortung, einen Beitrag zur Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu leisten. 11 Vgl. Die UN‐Dekade international; http://de.wikipedia.org am 15.10.08 8 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Die UNESCO geht so weit, zu fordern, dass Universitäten als Vorreiter für alle anderen Bildungseinrichtungen, auf welcher Ebene auch immer, ‚literacy in sustainable unabdingbar development‘ die gewährleisten allseitig propagierte müssen.“12 Laut UNESCO Informationsgesellschaft ist zu es einer Wissensgesellschaft zu transformieren, denn Wissen ist grundlegend für Nachhaltige Entwicklung. COPERNICUS-CHARTA Insbesondere Hochschulen verfügen über Wissen in allen Forschungsgebieten. Dies umfasst sowohl neue Technologien als auch Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Es ist ihre Aufgabe heutige und zukünftige Generationen auszubilden und gleichzeitig bei ihnen ein Verständnis für die Umwelt zu schaffen. Um dies unter einheitlichen Prinzipien zu verwirklichen, wurde 1994 die COPERNICUS-Charta verfasst. Sie ist ein Ergebnis mehrerer Hochschulinitiativen, die sich mit Umweltbewusstsein und –verantwortung befasst haben. Neuste Beispiele solcher Initiativen sind:13 • Magna Charta of European Universities, Bologna, September 1988, • University Presidents for a Sustainable Future, Talloires-Erklärung, Oktober 1990, • Urgent Appeal des CRE, vorgelegt beim Vorbereitungsausschuß für die UNKonferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED), Genf, August 1991 und • Creating a Common Future: An Action Plan for Universities, Halifax, Dezember 1991 „Hochschulen werden in der Tat immer häufiger gebeten, eine führende Rolle bei der Entwicklung einer fächerübergreifenden und ethisch-orientierten Art von Bildung zu übernehmen, um Lösungen für die mit der nachhaltigen Entwicklung verbundenen Probleme zu finden. Angesichts der Konsequenzen der Umweltzerstörung, 12 Vgl. Mag. Gebriele Eschig, Nachhaltige Universitäten – der Beitrag der UNESCO in Nachhaltige Universitäten 2004, Seite 15 13 Vgl. COPERNICUS – Die Hochschulcharta für nachhaltige Entwicklung; http://www.eco‐campus.net 9 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) einschließlich deren Auswirkungen auf die globale Entwicklung, sowie der Bedingungen für eine nachhaltige und gerechte Welt muss die Information, die Bildung und die Mobilisierung aller relevanten Teile der Gesellschaft als fortdauernder Prozess angelegt sein.“14 Die COPERNICUS-CHARTA ist eine freiwillige Selbstverpflichtung der Hochschulen und wird derzeit von 328 deutschen Einrichtungen gebilligt. Sie umfasst 10 Handlungsprinzipien: 1. Institutionelle Verpflichtung 2. Umweltethik 3. Weiterbildung von Beschäftigten 4. Programme zur Umweltbildung 5. Interdisziplinarität 6. Wissenstransfer 7. Vernetzung 8. Partnerschaften 9. Fortsetzung von Weiterbildungsprogrammen 10. Technologietransfer Die Unterzeichnung der Charta durch die Hochschulrektoren verpflichtet die Hochschule, ihre Lehrenden und Studierenden bei der Annahme und Ausführung der der Charta entsprechenden Umweltrichtlinien zu unterstützen. Die zehn Handlungsprinzipien sind allgemein und stellen einen Handlungsrahmen dar. Sie können von den Hochschulen je nach örtlicher Gegebenheit umgesetzt werden, sollen jedoch ein wichtiges Element in der Aufgabenstellung der entsprechenden Hochschule sein. Da dies jedoch eine europäische Charta ist, hat sie für die Hochschulen Nordamerikas keine Bedeutung. „Aber auch in den USA wurden – früher als in Europa – im Zuge der „Greening the Campus“-Bewegung durch groß angelegte 14 Vgl. COPERNICUS – Die Hochschulcharta für nachhaltige Entwicklung; http://www.eco‐campus.net 10 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Umweltschutzkampagnen die ersten Brücken Universitäten geschlagen (Eagan & Orr, 1992).“ 15 zwischen Nachhaltigkeit und Darüber hinaus haben jedoch viele Universitäten und Colleges in den USA und Canada ihre eigene Charta entwickelt, in der sie sich selbst zu nachhaltigem Handeln verpflichten. Zusätzlich gibt es diverse Vereinigungen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit an Hochschulen beschäftigen. So ist z.B. AASHE (Association for the Advancement of Sustainability in Higher Education) ein Verband vieler amerikanischer und kanadischer Hochschulen, die zusammen an dem Ziel nachhaltiger Hochschulbildung arbeiten. Ein anderer Zusammenschluss ist die Green Report Card.16 Eine Vereinigung, die Hochschulen auf gewisse nachhaltige Aspekte hin untersucht und sie dann entsprechend ihrer Bewertung auf der Webseite listet. 4. Theorie und Praxis Wer einem Ertrinkenden noch so anschaulich einen Rettungsring beschreibt, wird trotzdem nicht sein Leben retten.- © Walter Ludin, (*1945), Schweizer Journalist, Redakteur, Aphoristiker und Buchautor Neben den ganzen theoretischen Denkansätzen die Lehre zu verbessern, Wissenschaft zu tätigen und Wissen zu produzieren und dem Lehrauftrag an sich, sind die Hochschulen aber natürlich auch dazu aufgefordert, die innovativen und nachhaltigen Prozesse zu verinnerlichen und selbst umzusetzen. Energieeffizienz, Mülltrennung, Wassermanagement, Betreuungsplätze für studierende Eltern, Frauenanteil im Lehrpersonal, Gestaltung der Außenanlagen und Freiräume, Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel oder die Sanierung der Gebäude nach ökologischen Baustandards sind nur einige der Themen, die es aktiv umzusetzen gilt. Hier ist Kommunikation und Kooperation zwischen den diversen Hochschuleinrichtungen, den Studenten und dem Lehrpersonal gefragt. Im zweiten Teil der Arbeit werden die einzelnen Handlungsfelder der Hochschulen im Hinblick 15 16 Pilotstudie zu Indikatoren einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, S. 24 Vgl. http://www.greenreportcard.org/ am 15.10.08 11 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auf ihre Nachhaltigkeitsprozesse weitergehend untersucht, sowie mit best-practiceBeispielen aus der Hochschullandschaft Nordamerikas dokumentiert. Hierzu muss man jedoch anmerken, dass es allein in Nordamerika ca. 10.000 individuelle Einrichtungen wie Colleges und Universitäten gibt, die in ihrer Region ein enormer Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber sind. So kommen an der University of Victoria auf 18000 Studenten etwa 4000 Angestellte. Somit ist die Hochschule der viertgrößte Arbeitgeber in der Region. An anderen Hochschulen sieht es ähnlich aus. In Washington DC sind die vier größten privaten Arbeitgeber die Universitäten und die Universitätsklinik.17 Gleichzeitig ist auch die Finanzierung der Hochschulen anders geregelt als in Deutschland. Dadurch ist ein direkter Vergleich zur Situation in Deutschland schwierig und nicht immer möglich. Er wird jedoch angestrebt. 4.1 Lehre Nachhaltige Hochschule bedeutet auch, dass die angebotene Hochschulbildung nachhaltig ist. Es gilt nicht nur umweltrelevantes Wissen oder neue Technologien zu vermitteln. Auch gesellschaftliche Normen und Werte, die nach einer sozialgerechten und ökologisch verträglichen Entwicklung streben, müssen und sollen an die Studierenden weitergegeben werden. „Die Integration von Nachhaltigkeit in die Curricula heißt vor allem auch gelebte Interdisziplinarität und die Vermittlung von Kompetenzen der Nachhaltigkeit wie Systemwissen, Zielwissen und Handlungswissen. Damit einhergehend kann nachhaltige Hochschulbildung kaum auf Hörsäle oder Laboratorien begrenzt werden. Problemorientierung und die Integration von verschiedenen Stakeholder-Gruppen bedingen einen stark anwendungsorientierten Charakter der Lehre und einen klaren Fokus auf Praktika unter Einbeziehung von Unternehmen, NGOs, Kommunen, etc.“18 Nachhaltige Lehre bedeutet mehr als Seminare und Vorlesungen. So gibt es eine Anzahl von anderen wichtigen Fragen, die genauso wie Vorlesungen zu einer nachhaltigen Lehre beitragen. Inwieweit werden Schlüsselkompetenzen (wie etwa 17 18 Vgl. Michael M’Gonigle, Planet Earth, S., 97 Vgl. Ideenkoffer für eine nachhaltige Hochschulbildung; http://www.umweltbildung.at am 11.10.08 12 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Gestaltungs-, Kommunikations-, Konfliktlöse-, Innovations- oder Systemkompetenz der Nachhaltigkeit) unterrichtet? In welchem Umfang werden in der Lehre Paradigmen kritisch hinterfragt? Gibt es genügend Kinderbetreuungsplätze für studierende Eltern? Sind die Lehrprogramme auch für berufstätige Studierende geeignet (z.B. in Abendvorlesungen)? Wie hoch ist der Frauenanteil unter den Lehrenden? Welches Verhältnis haben Studienabbrüche zu Immatrikulationen in einem Studiengang? Dies sind nur einige Beispiele an Themen, die den normalen Vorlesungsablauf überschreiten und dennoch für eine nachhaltige Lehre enorm wichtig sind. An den meisten nordamerikanischen Hochschulen hat die Nachhaltigkeit längst Einzug in den Unterricht gehalten. „For a course at the University of Minnesota-TwinCities, undergraduates must keep a ‚trash journal‘ , recording every scrap of paper or banana peel they chuck in the garbage. At Miami Dade College, interior-design students experiment with ‚green‘ material, such as bamboo and nontoxic paint and carpeting. And at Rochester Institute of Technology, engineering students help test methods for turning used automobile parts into new products. In the academic curriculum, sustainability has officially arrived.“19 Wenn man allerdings die weiteren Merkmale für nachhaltige Lehre, wie Betreuungsplätze für Kinder von studierenden Eltern oder den Frauenanteil im Personal untersuchen will, stellt man schnell fest, dass Informationen in vielen Fällen schlichtweg nicht vorhanden, nicht dokumentiert oder nicht zugänglich sind. 19 Piper Fogg „The sustainable university – Saving the Planet, by Degree“ in The Chronicle of higher education, veröffentlicht am 20.10.06 20 Vgl. Ideenkoffer für eine nachhaltige Hochschulbildung; http://www.umweltbildung.at am 11.10.08 21 Vgl. Ideenkoffer für eine nachhaltige Hochschulbildung; http://www.umweltbildung.at am 12.10.08 22 Vgl. Get involved, Research ‐ http://www.sustainablecampus.cornell.edu 23 Vgl. About us, Sustainability Office; http://www.sustain.ubc.ca am 13.10.08 24 Vgl. Programs, Sustainability Office; http://www.sustain.ubc.ca am 15.10.08 25 Vgl. Cornell sustainable Campus, Green Buildings ‐ http://www.sustainablecampus.cornell.edu 26 Vgl. Michael M’Gonigle, Planet Earth, S., 104 und http://www.univercity.ca 15.10.08 27 Zu finden unter http://campusmap.ufl.edu am 14.10.08 28 Vgl: Jan‐Martin Wiarda, Die Luft ist raus in die Zeit Nr. 38 vom 11.09.2008 13 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) 4.2 Forschung Generierung von neuem Wissen durch multidisziplinäre Forschung ist eine der Hauptaufgaben von Hochschulen. Neben privaten Forschungseinrichtungen sind sie eine Quelle wissenschaftlicher Erkenntnis und ein wichtiger Impulsgeber für gesellschaftliche Innovationen. Im Gegensatz zu privaten Forschungsstellen, die ihre Forschung häufig mit einem betriebswirtschaftlichen Zweck verbinden müssen, haben Hochschulen die Möglichkeit ihre Forschung nach einer ethischen oder problemorientierten Perspektive auszurichten.20 „An sehr vielen Universitäten und Fakultäten jeglicher Richtung wird heute schon Forschung zu verschiedensten Themen der Nachhaltigkeit forciert. Einerseits gibt es viele "grüne" Universitäten, die sich eher umweltbezogenen Themen widmen und sich nachhaltiger Entwicklung primär aus naturwissenschaftlicher oder technischer Sicht nähern. Andererseits kristallisieren sich nachhaltigkeitsbezogene Forschungsschwerpunkte immer stärker auch an sozialen und wirtschaftlichen Fakultäten heraus. Nachhaltigkeitsforschung an Universitäten und Fachhochschulen muss aber auch gefördert werden. Da Interdisziplinarität und Nachhaltigkeit in wissenschaftlichen Fachzeitschriften immer noch sehr spärlich reflektiert werden, und Finanzierungen in diesem Bereich rar sind, müssen Universitäten Nachhaltigkeitsforschung im eigenem Haus aktiv promoten: durch Förderungen, Preise und die Integration in internationale Forschungsnetzwerke.“21 Während man auf den Webseiten der nordamerikanischen Hochschulen enorm viele Informationen über die nachhaltige Entwicklungen der anderen Bereiche findet, lässt sich im Themenfeld nachhaltige Forschung nur mühsam etwas finden. Wie auch an vielen Universitäten in Deutschland wird Forschung nicht hauptsächlich nach nachhaltigen Aspekten ausgerichtet. Lediglich die Untersuchungsgebiete, die auch tatsächlich auf ein Ergebnis abzielen, welches nachhaltigem Handeln dient, sind dokumentiert. So werden zum Beispiel auf der Webseite der Cornell-Universität diverse studentische Studienarbeiten und -projekte zum Thema Nachhaltigkeit auf dem Campus vorgesellt.22 14 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) 4.3 Betrieblicher Ablauf Neben den vorangegangenen Themen wie Lehre und Forschung ist eine Hochschule natürlich auch eine komplexe Institution, die wie jede andere Einrichtung auch ein Energie-, Wasser- oder Abfallmanagement benötigt. Dazu kommen noch die ökonomischen Aspekte wie Investitionen, Löhne, Materialbeschaffung dergleichen. Auch hier ist nachhaltiges Handeln gefragt. und Es gilt die Balance zu halten zwischen ökologischen Zielsetzungen und ökonomischer Machbarkeit. An dieser Stelle lassen sich wieder eine Vielzahl von Dingen im universitären Ablauf hinterfragen. Sind die Gebäude thermisch saniert, bzw. werden Sanierungen und Neubauten unter Berücksichtigung bauökologischer Prinzipien durchgeführt? Gibt es Projekte oder Mechanismen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Energiesparen? Werden in den Kantinen und Mensen ökologische Produkte angeboten? Wie groß ist die Schere zwischen Niedrigstgehalt und Höchstgehalt bei den Universitätsangestellten? Was tut die Hochschule in Punkto Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsbedingungen? Gerade in den USA und Canada scheint die enorme Wichtigkeit des Themas Nachhaltige Bildung schon einen festen Platz im universitären Ablauf bekommen zu haben. So besitzt beispielsweise die University of British Columbia, Canada ein eigenes Nachhaltigkeitsbüro mit 5 Angestellten. In einer Beschreibung auf der Website des Büros bezeichnen sie sich selbst mit: „The Sustainability Office is here to promote, coordinate, and implement the most effective sustainability practices possible. By harnessing UBC's immense physical and intellectual resources, we're working to develop positive solutions for today's ecological challenges.“23 Es wurde also eine Stelle geschaffen, die übergreifend über alle Hochschulbereiche Nachhaltigkeit fördert, koordiniert und diverse hoch effektive nachhaltige Programme einführt. Sie bietet Programme zum Energiemanagement, zur Klimakontrolle, zu green buildings, zur Papierreduzierung und noch vielen weiteren Bereichen an. Und in der Tat sind schon viele neue green-buildings errichtet oder alte umgerüstet worden. Der CO215 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Austoß von Gebäuden hat bereits um 11 % reduziert werden können. Der Wasserverbrauch konnte sogar um 32% gesenkt werden.24 Eine ähnliche Koordinationsstelle hat die Universität von Florida mit ihrem Projekt „Greening UF“. Sie ist vielleicht die globale Vorreiterin in Sachen nachhaltiger Hochschule. Von der eigenen bereichsübergreifenden „Sustainability task force“, über das zentrale Nachhaltigkeitsbüro, bis hin zum detaillierten Nachhaltigkeitsreport und dem expliziten Nachhaltigkeitsfokus im Leitbild - Florida zeigt, wie strukturelle Integration von Nachhaltigkeit in den universitären Alltag ausschauen kann. 4.4 Freiräumliche Strukturen Wie sieht es jedoch mit der freiräumlichen Gestaltung der diversen Campus aus? Wie ist die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel oder generell die Eingliederung in städtische Strukturen? Ist die Außenraumgestaltung der Hochschulen in den USA teilweise auch so zubetoniert, wie es in Deutschland in den 70er Jahren bei Bildungseinrichtungen üblich war? Dazu muss man sich erst einmal ein Bild über den typischen amerikanischen Campus verschaffen. Im Gegensatz zu deutschen Hochschuleinrichtungen haben amerikanische Hochschulgelände oft die Ausmaße deutscher Kleinstädte und liegen auch meist isoliert außerhalb der Stadt oder in Stadtrandlagen. Die Areale sind oft so groß, dass eigene Buslinien auf dem Campus verkehren, es eigene Supermärkte, Buchläden, Kinos und Restaurants gibt. Dies ist weit entfernt von den wenigen Campusuniversitäten, die es in Deutschland gibt. Hier beschränkt sich das Angebot oft auf die Lehreinrichtungen, ein paar Wohnheime, 2 Sportplätze und eventuell noch ein Cafe oder eine Dönerbude. Betrachtet man die im Anhang beigefügte Sustainability Map des Campus der University of British Columbia wird man schnell sehen, wie weitläufig das Areal ist. Eingebettet in die grüne Umgebung direkt auf einer Landzunge im Pazifik liegen zwischen den Gebäuden riesige Freiflächen, die fast durchgehend als Grünanlagen gestaltet sind. Wen wundert es da, dass die 16 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hauseigenen Architekten und Landschaftsarchitekten auch eine Webseite betreiben, auf der sie ihre Intentionen und Planungen darstellen. Neben eigenen Grünflächenplänen für die Areale, kümmern sich die Landschaftsarchitekten momentan auch um die Einführung eines campusumspannenden Wegeleitsystems. Im Sommer werden kostenlose Rundgänge, quasi Stadtführungen für Besucher angeboten. Es gibt Webseiten, die über die vorhandenen Gärten informieren und schöne Wanderwege darbieten. Man kann je nach Bedarf Campuspläne kaufen. Lieber einen für Erstsemester, mit allen wichtigen Einrichtungen gesondert markiert oder doch lieber einen Plan für einen Rundweg an Kunstobjekten vorbei? Und die University of British Columbia ist damit bei weitem kein Einzelfall. Viele andere Universitäten bieten Ähnliches an. Die Universität Cornell in Ithaca, N.Y. schreibt dazu auf ihrer Webseite: „A key player in the push for promoting sustainable futures will be the Cornell University Planning Office and the Campus Planning Committee. Balancing the needs of campus growth, community members, and visitors with the stewardship of Cornell's uniquely beautiful campus is a challenging task. Campus-wide planning incorporates and promotes long-term sustainability goals through strategies such as efficient land use, integrating transportation and landscape systems, collaborative stakeholder engagement, and ultimately results in a safe and accessible environment for the campus community.“25 Das Nachhaltigkeitsbüro der University of Florida hat neben einer allgemeinen Broschüre über nachhaltige Möglichkeiten auf dem Campus, sogar eine Anleitung veröffentlicht, wie die Studenten ihren Vorgarten nachhaltig wertvoll gestalten können. Sie können erfahren, welche Pflanzen dem heimischen Ökosystem entsprechen, welche Bodenbeläge sie verwenden sollen um anfallendes Regenwasser versickern zu lassen und ähnliches. Dies scheint aber an manchen Campus tatsächlich immer noch nicht ausreichend zu sein. Es gibt an einigen Standorten neue städteplanerische Bestrebungen die 17 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Campusgelände in neue Communities einzugliedern. So entsteht momentan an der Simon Fraser University in Vancouver, die neue UniverCity, eine nachhaltige städtische Vorstadtgemeinde mit geplanten 10.000 Einwohnern. „SFU’s UniverCity is intended to be a model of sustainable community development, indeed, of a ‚new suburbanism‘ built on the four cornerstones of environment, equity, economy and education.“26 Der Campus als schöne, heile, grüne Welt, den man für die Dauer seines Studiums eigentlich gar nicht mehr verlassen müsste? Fast scheint es wie ein Paralleluniversum. Fast unnatürlich schön. Beängstigend. 4.5 Komplexbetrachtung Campus-Life In der Tat müsste der Student einer solchen CampusUni außer von Besuchen daheim mal abgesehen, das Campusgelände nicht mehr verlassen. Es ist für alles gesorgt. Von ärztlichen Einrichtungen über diverse Cafés und Restaurants, Schreibund Buchläden, Schwimmbäder, Sportplätze bis hin zu wie Museen. Und die Wohneinrichtungen sind nur einen Katzensprung entfernt. Natürlich gibt es auch Wohnbereiche für Universitätsangestellte. Und wer den Kilometer zur nächsten Bücherei nicht laufen will, nimmt einfach den nächsten campuseigenen Busshuttle. Für jede Interessengruppe gibt es Angebote an Kursen oder sonstigen Gruppenaktivitäten. Dies alles fördert neben den ökonomischen und ökologischen Aspekten der Bildung für Nachhaltigkeit auch den dritten wichtigen Part, den sozialen Aspekt des Ganzen. Wer besonders interessiert ist, kann auch Praktika in den diversen Nachhaltigkeitsbüros der Hochschulen absolvieren oder in einen der vielen studentischen Nachhaltigkeitsclubs (z.B. allein 18 an der Cornell Universität) eintreten. Die Möglichkeiten sich zu engagieren und am Prozess des nachhaltigen Handelns teilzunehmen ist nahezu unendlich. Es gibt ganze Broschüren, in denen steht, was die Studenten aber auch das Lehrpersonal tun kann, um eine nachhaltigere Lebensweise auf dem Campus zu 18 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) verwirklichen (Beispiele siehe Anhang). Es gibt Anleitungen zum Papier- und Wassersparen, zur Mülltrennung, aber auch zu sozialen Aspekten, wie dem Kauf von Fairtrade-Produkten oder Gesundheitsprogrammen. Es werden ausdrücklich Hilfsangebote offeriert, die Leuten helfen sollen, die mit der Umsetzung noch nicht klar kommen. Auf der Webseite des Sustainability Office der UBC, läuft kontinuierlich ein Zähler mit, der den aktuellen Verbrauch an Papier, Wasser und Strom anzeigt, aber gleichzeitig auch die Ersparnis, die durch nachhaltiges Handeln schon geschehen ist. Auf der Webseite der University of Florida kann der Student dann online auf den Nachhaltigkeits-Campusplan zugreifen und sich raussuchen, wo er gleich nachhaltig essen gehen könnte oder wo sich die nächste Papiersammelstelle befindet. 27 Es gibt auf den verschiedenen Campus in den USA und Canada ein enormes Angebot an modernen und komfortablen Möglichkeiten, Nachhaltigkeit in sein Leben zu integrieren und es zur Normalität werden zu lassen. Und auch wenn Nachhaltigkeit in Deutschland immer noch leicht den Charme von Ökospinnerei hat, so ist es zumindest auf den Campus in den USA und Canada längst zu einem Trend geworden, dem der vielen studentischen Initiativen zufolge, viele Studenten längst folgen. 5. Fazit Nachhaltigkeit auf dem Campus ist IN. Die nordamerikanischen Hochschulen werben und identifizieren sich damit. Sie stellen eigens für dieses Thema informative gut gestylte Webseiten ins Netz. Es gibt universitätsübergreifende Organisationen und Programme wie das „Campus-Zero-Waste“ -Program oder „Campuses for Climate Action“. Es gibt ein eigenes Fachjournal, das sich ausschließlich mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Hochschulbildung befasst. Hochschulen richten ihre Forschung auf das Thema Nachhaltigkeit aus, initiieren neue Projekte, wie das „UBC Sustainabilty Street“ – Programm, welches die neuen Erkenntnisse der Forschung z.B. bei der Außenraumgestaltung in Verbindung mit neuen Technologien sofort auf dem Campus umsetzt. 19 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Aber dafür bedarf es adäquater Mittel und es drängt sich eine andere Frage auf. Sind nachhaltige Hochschulen auch eine Frage des Geldes? Je intensiver man sich mit dem Thema auseinandersetzt, desto mehr kommt man zu dem Schluss, dass Nachhaltigkeit neben ihren ganzen ethischen Grundsätzen und ihrer indiskutablen Notwendigkeit, irgendwie doch auch vom schnöden Mammon abhängig ist. Grade im Vergleich der amerikanischen Hochschulen sind es die Universitäten, die durch ihren elitären Ruf, ihre Geschichte und ihre finanziellen Möglichkeiten ihr nachhaltiges Image gewaltig aufpolieren. Keine Frage, die bisherige Umsetzung der nachhaltigen Projekte, die weiteren geplanten Dinge – all das ist notwendig, beispielgebend und für eine bessere Zukunft der Welt wichtig und unabdingbar. Doch wie sieht es mit Hochschulen, wie den meisten Community Colleges aus, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, ihre gesamten Gebäude energiefreundlich umzurüsten? Die nicht die Möglichkeiten haben, durch enorme Spenden von ehemaligen Studenten alle Freiflächen wertvoll zu gestalten oder ein komplettes öffentliches Verkehrsnetz auf dem Campus zu integrieren und dies dann auf hübschen Webseiten zu dokumentieren? Was ist mit denen, die es grade so schaffen, mit den finanziellen Möglichkeiten die Lehre an ihrer Einrichtung aufrecht zu erhalten? Darüber lässt sich wenig finden in Literatur und Internet. Sicherlich können die weniger privilegierten Hochschulen auch mit weniger verfügbaren Mitteln kleine Schritte erreichen, wie z.B. Papier sparen oder wenn schon nicht das ganze Gebäude klimafreundlich umzubauen, wenigsten die Umstellung auf Energiesparlampen zu initiieren. Auch das sind alles kleine wichtige Puzzleteile und in der Masse sogar ein großer Schritt in Richtung bessere Zukunft für künftige Generationen. Dennoch überkommt einen irgendwie das ungute Gefühl, dass nachhaltige Hochschulbildung oder zumindest die Identifikation der Hochschulen damit grade in den USA auch eine Frage des Status ist. Dies steht komplett im Gegenteil zu einem der Aspekte nachhaltigen Handelns, der sozialen Gerechtigkeit.28 Aber unabhängig von irgendwelchen verfügbaren Geldern ist nachhaltiges Handeln zuallererst immer noch eine Sache der eigenen Einstellung und getreu dem Motto „Jedes Handeln 20 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) beginnt im Kopf“ kann man nur hoffen, dass viele junge Menschen, die in den kommenden Jahren die nordamerikanischen Hochschulen verlassen, den Gedanken der Nachhaltigkeit verstehen, leben und weitervermitteln. „Do your little bit of good where you are; it’s those little bits of good put together that overwhelm the world.“ - Desmond Tutu - 21 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Quellenverzeichnis Literatur Barlett, P.F. & Chase Geoffrey W.C.: Sustainability on Campus – Stories and Strategies for Change, Massachusetts Institute of Technology, (2004) Grober, U.: Der ewige Wald in DIE ZEIT, Ausgabe Nr. 31 vom 24.07.2008 M’Gonigle, M. & Starke, J.: Planet U – Sustaining the World, Reinventing the University, Canada (2006) Umweltdachverband (Hrgb.): Nachhaltige Universitäten 2004 – Am Vorabend der Bildungsdekade, eine Tagungsnachlese; Wien (2004) Umweltdachverband (Hrgb.); Schriften zur Bildung für nachhaltige Entwicklung – Pilotstudie zu Indikatoren einer Bildung für nachhaltige Entwicklung; Wien (2006) Wiarda, J.-M.: Die Luft ist raus in DIE ZEIT, Ausgabe Nr. 38 vom 11.09.2008 Verwendete Webseiten http://chronicle.com/indepth/sustainable/ http://de.wikipedia.org/ http://www.eco-campus.net/ http://www.greenreportcard.org/ http://www.nachhaltigkeit.info/ http://www.sustain.ubc.ca/ http://www.sustainable.ufl.edu/ http://www.sustainablecampus.cornell.edu/ http://www.umweltbildung.at/ 22 Fachhochschule Erfurt Fachbereich Landschaftsarchitektur Henriette Brunk, L01/F1 Studienarbeit – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) Anhang Beispiele für amerikanische Campus-Pläne 1. The University of British Columbia – Campus Map 2. The University of British Columbia - Sustainable Map 3. Cornell University, Ithaca, N.Y. – Campus Map Beispiele für studentische Anleitungen für nachhaltiges Campusleben 4. The University of British Columbia - The Sustainability Strategy and you 5. The University of Florida – A Gators Guide to sustainable living Beispiel für einen Campus-Masterplan 6. The University of Florida – Campus Masterplan 2005 - 2015 23