Leitlinien der Kinder- und Jugendhilfe zur geschlechterbewussten

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Leitlinien der Kinder- und Jugendhilfe zur geschlechterbewussten
Leitlinien der Kinder- und Jugendhilfe
zur geschlechterbewussten Arbeit mit
Mädchen und Jungen in Stuttgart
Herausgeber: Zentrale Trägerkoordination (ZTK)
Stand: Februar 2007
Inhalt
Seite
Grußwort
Bürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch
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Kapitel 1:
Einführung
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Kapitel 2:
Ziele der mädchen- und jungenspezifischen Arbeit
2.1. Ziele der mädchenspezifischen Arbeit
2.2. Ziele der jungenspezifischen Arbeit
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Kapitel 3:
Strukturelle Standards einer geschlechterbewussten Arbeit
3.1. Fachkräfte
3.2. Qualifizierung
3.3. Personelle Absicherung
3.4. Materielle Absicherung
3.5. Konzeptionelle Absicherung
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Kapitel 4:
Verankerung der Leitlinien
4.1. Ebenen der Umsetzung
4.2. Kooperation mit Partnern außerhalb der Jugendhilfe
4.3. Fach-Arbeitskreis
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Teil I
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Teil II
Kapitel 1:
Entwicklung der Mädchen- und Jungenarbeit in Stuttgart
1.1. Entwicklung der Mädchenarbeit in Stuttgart
1.2. Entwicklung der Jungenarbeit in Stuttgart
Kapitel 2:
Grundlagen
2.1. Gesetzliche Grundlagen einer geschlechterbewussten
Kinder- und Jugendhilfe
2.1.1. Gender Mainstreaming in Stuttgart
2.2. Begriffsklärung und Definition einer geschlechterbewussten
Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen sowie Jungen und
jungen Männern
2.3. Unterschiedliche Lebenslagen von Mädchen und
Jungen, jungen Frauen und jungen Männern – Einführung
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Kapitel 3:
Kapitel 4:
Leitlinien zur Praxis der Mädchenarbeit
3.1. Grundlagen geschlechterbewusster Arbeit mit
Mädchen und jungen Frauen
3.2. Ausgewählte Lebenslagen von Mädchen und
jungen Frauen
3.2.1. Mädchen und Gesundheit
3.2.2. Mädchen und Sucht
3.2.3. Mädchen und Gewalt
3.2.4. Lebenslagen von schwangeren Mädchen
3.2.5. Mädchen mit Behinderungen
3.2.6. Mädchen/ junge Frauen in Ausbildung und Beruf;
Mädchen/ junge Frauen und Arbeitslosigkeit
3.2.7. Mädchen und Migration
3.2.8. Mädchen und Freizeit
3.2.9. Mädchen und Wohnen
3.3. Fachliche Standards der mädchenspezifischen Arbeit
3.3.1. Offene, mobile und verbandliche Jugendarbeit,
Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe
3.3.2. Hilfen zur Erziehung
3.3.3. Beratungsstellen
3.3.4. Kindertagesbetreuung
Leitlinien zur Praxis der Jungenarbeit
4.1. Was heißt Jungenarbeit?
4.2. Lebenslagen von Jungen
4.3. Fachliche Rahmenbedingungen
4.3.1. Jungen benötigen Männer in der Erziehung!
4.3.2. Jungenarbeit machen: Implementierung,
Weiterentwicklung und Vernetzung der Jungenarbeit
4.3.3. Jungenpädagogische Arbeit durch Frauen und Männer
4.4. Themenstellungen aus der Praxis
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Literatur
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Ansprechpartnerinnen Leitlinien zur Mädchenarbeit
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Ansprechpartner Leitlinien zur Jungenarbeit
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Verfasserinnen und Verfasser
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Grußwort
„Weil ich ein Mädchen bin und sowieso gewinn“ hieß es vor über zehn Jahren in einem Lied und im Vorwort der Grundsätze und Leitlinien der Mädchenarbeit in Stuttgart – dort natürlich kritisch hinterfragend. Was hat sich nun in den letzten Jahren
geändert? Die PISA-Studie und andere Untersuchungen zeigen uns deutlich Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und ihrer Leistungen beispielsweise im
Bildungssystem, die sich zu Lasten der Jungen verschoben haben. Mit Eintritt in die
Ausbildungs- und Berufsphase dreht sich jedoch das Problem, und es entstehen
häufig Nachteile für Mädchen und jungen Frauen. Ähnliches gilt auch für den Bereich
der Gesundheit, in dem die Mehrzahl der Jungen schlechtere Untersuchungsdaten
aufweisen. Mit Eintritt der Pubertät wandelt sich dies aber zu Ungunsten vieler Mädchen und jungen Frauen.
Ich begrüße daher sehr, dass wir, auf Initiative der Fachbasis, nunmehr ergänzend
zu den fortgeschriebenen Mädchenleitlinien auch eine entsprechende Grundlage für
die Arbeit mit Jungen und jungen Männern haben und beide Fachkonzepte in dem
Querschnittsthema „Geschlechterbewusste Arbeit“ zusammengeführt wurden. Geschlechterbewusste Arbeit hat das Ziel, Mädchen und junge Frauen sowie Jungen
und junge Männer in ihren unterschiedlichen Lebenslagen und ihren je spezifischen
Fragen der Lebensplanung und Identitätsentwicklung zu unterstützen, Stereotypen
zu hinterfragen und die Handlungsmöglichkeiten für beide Geschlechter zu erweitern.
Das vorliegende Papier wurde von der AG Mädchenpolitik und dem AK Jungen initiiert und in einem umfassenden Prozess mit breiter Beteiligung der Fachbasis aus
allen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe erarbeitet, zunächst in zwei verschiedenen Prozessen. Es war die Entscheidung der Zentralen Trägerkoordination,
die beiden Fachpositionen in einem gemeinsamen Papier zusammenzuführen und
die Kinder- und Jugendhilfe unter der Querschnittsperspektive Geschlechterbewusstes Arbeiten weiterzuentwickeln. Das Thema enthält noch viel Entwicklungspotential
und insofern ist auch das vorliegende Papier als „Work in Progress“ zu sehen.
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Ich wünsche mir, dass die Leitlinien eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem
Thema anstoßen, das seiner gesellschaftlichen Bedeutung entspricht – und dass die
Kreativität, die Produktivität und auch die Lust, die der Geschlechterdichotomie inhärent ist, fruchtbar wird und neue Ansätze in der Arbeit und entsprechende Rahmenbedingungen hierfür hervorbringt.
Mein herzlicher Dank gilt all den Fachleuten der AG Mädchenpolitik und des AK Jungen, die an der Erarbeitung der Leitlinien zur geschlechterbewussten Arbeit mit hohem persönlichem Engagement und großer Sachkenntnis beteiligt waren. Ich bin
überzeugt, dass diese Fachleute die Umsetzung der Leitlinien auch weiterhin wachsam begleiten und weiterführen werden. Ich danke auch der Zentralen Trägerkoordination, die sich des Themas angenommen hat und damit den Rahmen gesetzt hat,
dass alle Stuttgart Träger der Kinder- und Jugendarbeit ihre Angebote und Arbeitsansätze mit großer Verbindlichkeit entsprechend dieser Leitlinien weiterentwickeln.
Gabriele Müller-Trimbusch
Bürgermeisterin für Soziales, Jugend und Gesundheit
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Teil I
Kapitel 1: Einführung
Geschlechterbewusste Arbeit, die die je spezifischen Bedürfnisse von Mädchen und
jungen Frauen sowie von Jungen und jungen Männer reflektiert und aufgreift, wurde
nicht zuletzt durch aktuelle Untersuchungen aus dem Bildungs- und Gesundheitsbereich in das Blickfeld des fachlichen Interesses gerückt. Der Blick auf Mädchen und
Jungen, ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe, Lebenslagen und daraus resultierende Probleme hat sich in den letzten Jahren geändert. Jungen und junge Männer
wurden als Problemgruppe erkannt, ohne jedoch strukturelle Hindernisse für Mädchen und junge Frauen, die nach wie vor existieren, auszublenden. Die Leitlinien
sind in diesem Sinne als Instrument zu verstehen, strukturelle und fachliche Standards verbindlich einzuführen, um die geschlechterbewusste Weiterentwicklung der
Kinder- und Jugendhilfe in Stuttgart voran zu bringen.
Die Leitlinien der Kinder- und Jugendhilfe zur geschlechterbewussten Arbeit mit
Mädchen und Jungen wurden im Auftrag der Zentralen Trägerkoordination (ZTK)1,
dem gesamtstädtischen Gremium der Kinder- und Jugendhilfe in Stuttgart, von zwei
Fachgremien – der AG Mädchenpolitik und dem AK Jungen – erarbeitet und in der
vorliegenden Fassung beschlossen.
Ursprünglich waren die Leitlinien zur Mädchenarbeit und die Leitlinien zur Jungenarbeit in zwei unabhängigen Entwicklungsprozessen entstanden, die den unterschiedlichen Entwicklungsstand der beiden fachlichen Positionierungen widerspiegeln (s.
dazu Teil II, Kapitel 1). Die Leitlinien zur Mädchenarbeit sind bereits seit über zehn
Jahren eingeführt. Sie wurden in den letzten zwei Jahren mithilfe einer umfangreichen Fragebogenerhebung (2005) und einer Vielzahl von Expertinnengesprächen in
unterschiedlichen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe (2006) optimiert und fortgeschrieben. Unabhängig davon hatte der AK Jungen im Jahr 2003 begonnen, im Auftrag des ZTK Leitlinien zur Jungenarbeit zu entwickeln. Erst zu einem relativ späten
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Die Zentrale Trägerkoordination bildet die Zentralen der Trägerlandschaft der öffentlichen und freien
Träger in Stuttgart ab. Ihr gehören seitens der freien Träger die Geschäftsführer oder Vorstände des
örtlichen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, des Stuttgarter Jugendhaus e.V., des Stadtjugendrings,
der Evangelischen Gesamtkirchenpflege Stuttgart und je ein evangelischer (eva) und katholischer
Träger (Caritas) als Vertreter des Arbeitsgremiums der freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe der
Liga der Wohlfahrtspflege an. Mitglieder der ZTK seitens des öffentlichen Trägers sind der Jugendamtsleiter, der Verwaltungsleiter des Jugendamts, die drei regionalen Abteilungsleiter/-innen sowie die
Leiterin der Jugendhilfeplanung.
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Zeitpunkt wurden, aufgrund der Entscheidung der Zentralen Trägerkoordination, beide Prozesse und beide Leitlinien zusammenzuführen als „Leitlinien zur geschlechterbewussten Arbeit mit Jungen und Mädchen“. Daher sind die Kapitel, die sich auf
die Besonderheiten der Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen bzw. von Jungen und
jungen Männern beziehen, teilweise unterschiedlich gestaltet.
Durch die Fülle des Materials wurde es notwendig, die Leitlinien der Kinder- und Jugendhilfe zur geschlechterbewussten Arbeit mit Mädchen und Jungen in Stuttgart in
zwei Teile zu gliedern.
Im Teil I geht es um die Ziele von mädchen- bzw. jungenspezifischer Arbeit, die
strukturellen Standards, die zur Umsetzung dieser Ziele nötig sind sowie die Struktur
zur verbindlichen Verankerung der Leitlinien. Dieser Teil wendet sich in erster Linie
an die freien und den öffentlichen Träger in ihrer Verantwortung für die strategische
fachliche Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe in Stuttgart.
Der umfangreichere Teil II richtet sich insbesondere an die Praxis der Kinder- und
Jugendhilfe, also an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen. Er enthält
einen Bericht über die bisherige Geschichte der Mädchen- und der Jungenarbeit in
Stuttgart, geht auf die wesentlichen gesetzlichen und begrifflichen Grundlagen ein,
und stellt in zwei Kapiteln die Leitlinien für die Praxis der Mädchenarbeit bzw. die
Jungenarbeit dar. Hier geht es um die fachlichen Grundpositionen der Mädchenbzw. Jungenarbeit, um die je spezifischen Lebenslageaspekte, um fachliche Standards sowie die Anforderungen und Themenstellungen in verschiedenen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe. Außerdem finden sich am Schluss Literaturhinweise, Adressen und Ansprechpartner zu unterschiedlichen Belangen sowie die Verfasserinnen und Verfasser dieser Leitlinien.
Um zu überprüfen, inwiefern die Leitlinien in die Praxis der freien Träger und des öffentlichen Trägers aufgenommen werden, sollen auf regelmäßig organisierten Fachtagen Praxisbeispiele und Maßnahmen für die Umsetzung vorgestellt und diskutiert
werden. Diese Fachtage sind neben dem Finanz- und Fachcontrolling auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen eine weitere Form des Controllings.
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Eine Evaluation der Implementierung der Leitlinien wird fünf Jahre nach Erscheinen
der Leitlinien durchgeführt.Die Leitlinien werden regelmäßig den zukünftigen Anforderungen und Veränderungen angepasst und fortgeschrieben.
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Kapitel 2: Ziele der mädchen- und jungenspezifischen Arbeit
2.1. Ziele der mädchenspezifischen Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen
Geschlechterbewusste Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen
•
stärkt das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl und die Selbständigkeit
von Mädchen und jungen Frauen;
•
fördert die Konflikt- und Entscheidungsfähigkeit von Mädchen und jungen
Frauen;
•
fördert die persönliche Autonomie und erweitert dadurch die eigene Handlungskompetenz von Mädchen und jungen Frauen;
•
unterstützt Mädchen und junge Frauen bei der Entwicklung einer eigenständigen positiven Geschlechtsidentität;
•
befähigt Mädchen und junge Frauen, eine selbstbestimmte Sexualität zu entwickeln;
•
ermöglicht Mädchen und jungen Frauen, ihre eigene Situation als Ergebnis
von individueller und gesellschaftlicher Geschichte zu begreifen und in Frage
zu stellen;
•
ermutigt Mädchen und junge Frauen über gängige Geschlechtsrollenbilder
nachzudenken, sie kritisch zu hinterfragen und eigenständige Lebensentwürfe zu entwickeln;
•
schafft Freiräume, in denen Mädchen und junge Frauen ihre Eigenständigkeit
entwickeln, spüren und stärken und in denen sie neue Erfahrungen erleben
können;
•
bietet Schutzraum für Mädchen und junge Frauen mit Gewalterfahrungen,
damit sich früher erlittene Erfahrungen nicht wiederholen;
•
unterstützt Mädchen und junge Frauen in ihren Bestrebungen nach beruflicher
Qualifikation und ökonomischer Unabhängigkeit.
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2.2. Ziele der jungenspezifischen Arbeit mit Jungen und jungen
Männern
Geschlechterbewusste Arbeit von Männern mit Jungen und jungen Männern soll inszeniert, ausgebaut und nachhaltig weiter entwickelt werden. Sie
•
orientiert sich an dem Bedürfnis von Jungen, Männer im Alltag als authentisches Vorbild zu erleben;
•
richtet sich am lebensweltlichen Kontext bzw. an den jeweiligen Lebenslagen
der Jungen aus;
•
ermöglicht Jungen, entwicklungsfördernde Alternativen zu „handelsüblichen“
Geschlechtermustern kennen zu lernen und bestärkt sie in ihrer individuellen
Entwicklung;
•
trägt dazu bei, dass Jungen ihre Handlungsspielräume im Umgang mit anderen Jungen und Mädchen in Alltagssituationen erweitern und zu einer selbstbewussten Geschlechtsidentität gelangen;
•
fördert den respektvollen Kontakt zu Mädchen und wirkt damit auf ein gleichberechtigtes Zusammensein mit dem anderen Geschlecht hin.
Darüber hinaus
•
knüpfen die Leitlinien an das Interesse von Männern an, die sich in der pädagogischen Arbeit mit Jungen engagieren und geschlechterbewusste Prozesse
mit gestalten und weiterentwickeln wollen;
•
leisten sie einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung der Institutionen, die Männern mit pädagogischen Berufen den Zugang zu Tätigkeitsfeldern (v.a. in Elementarbereichen), in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, ermöglichen wollen;
•
kommen dem erfahrungsgeleiteten Wunsch vieler Frauen nach männlichen
Kollegen in der pädagogischen Praxis entgegen und stiften zu konzeptionellen
Diskursen in den Einrichtungen an.
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Kapitel 3: Strukturelle Standards einer geschlechterbewussten Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen sowie Jungen und
jungen Männern
Ziel ist eine mädchen- und jungengerechte Jugendhilfe, die geschlechterbewusste
Arbeitsansätze initiiert, fachlich begleitet und unterstützt und dabei interkulturelles
und altersübergreifendes Lernen berücksichtigt. Alle Angebote und Maßnahmen der
Kinder- und Jugendhilfe müssen, ob koedukativ oder geschlechtsspezifisch, regelmäßig die Lebenslagen von Mädchen und Jungen berücksichtigen. Es ist darauf hin
zu arbeiten, dass geschlechterbewusste Arbeit zu einem selbstverständlichen Bestandteil des pädagogischen Wirkens wird.
Hierzu sind auf der Verantwortungsebene der Träger personelle, finanzielle und organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, die die pädagogische Praxis unterstützend begleiten und es darüber hinaus ermöglichen, praktische Erkenntnisse in Verwaltungshandeln umzusetzen. Folgende strukturelle Standards werden für erforderlich gehalten, die vom öffentlichen und den freien Trägern umzusetzen sind.
3.1. Fachkräfte
•
Bei Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe sind die Vermittlung geschlechterbewusster Kompetenzen und die Sensibilisierung für eine geschlechterbewusst ausgerichtete Pädagogik sicherzustellen.
•
Der öffentliche und die freien Träger benennen je eine Ansprechpartnerin und
einen Ansprechpartner für eine geschlechterbewusste pädagogische Arbeit
mit Jungen und Mädchen („Jungenbeauftragte /Mädchenbeauftragte“). Sie
sollen für Fragen zur genderrelevanten Entwicklung von Konzepten, Methoden, Fachstandards, etc. zuständig sein, pädagogische Fachkräfte aus Kinder- und Jugendeinrichtungen und -projekten beraten und unterstützen sowie
die fachliche Vertretung der Jungen- und Mädchenarbeit in internen Gremien
übernehmen.
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•
Grundsätzlich ist darüber nachzudenken, wie eine Aufwertung der sozialen
Berufe (insbesondere der erzieherischen) auch über eine bessere Vergütung
erreicht werden kann.
•
In Stellenausschreibungen für sozialpädagogische Fachkräfte der Jugendhilfe
ist die Kompetenz zur geschlechterbewussten pädagogischen Arbeit im Stellenprofil zu bezeichnen und bei Stellenbesetzungen als wesentliches Qualitätskriterium zu berücksichtigen.
3.2. Qualifizierung
•
Geschlechterbewusste Qualifizierung muss Bestandteil der Aus- und Fortbildung für die Kinder- und Jugendhilfe werden. Ein Ausbildungs- und Fortbildungskonzept ist zu entwickeln, das zur Vermittlung von Gender-Kompetenz
in allen Bereichen der Jugendarbeit und -hilfe beiträgt. Damit wird zu einer gesellschaftlich bedeutsamen Aufwertung der pädagogischen Arbeit beigetragen. Die mit der Trägerberatung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Jugendamtes sowie Leitungskräfte des öffentlichen und der freien Träger
sind zu qualifizieren.
•
Geschlechterbewusste Bearbeitung aller angebotenen Themen ist für alle Referentinnen und Referenten als Qualitätsanforderung zu formulieren (aufzunehmen bei Honorarverträgen).
•
Ein regelmäßiges Angebot an Fachtagungen oder -veranstaltungen, die den
Fachaustausch gewährleisten und relevante Forschungsergebnisse präsentieren, ist sicherzustellen.
3.3. Personelle Absicherung
•
Die Fachkräfte erhalten einen klaren und im Stellenprofil ausgewiesenen Arbeitsauftrag für eine geschlechterbewusste Arbeit mit Mädchen und Jungen.
•
Geschlechterbewusste Arbeit gehört zu den Aufgaben fest angestellter Fachkräfte, um eine Kontinuität einer geschlechterbewussten Pädagogik und Mädchen- und Jungenarbeit sowie langfristige pädagogische Beziehungen zu gewährleisten.
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•
In koedukativen Einrichtungen sollen die Teams möglichst geschlechtsparitätisch zusammengesetzt werden. Regelmäßige Diskussionen einer geschlechterbewussten Pädagogik und Entwicklung von entsprechenden Konzepten
sind Bestandteil gemeinsamer Sitzungen.
•
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund, die sowohl über
ein Identifikationsangebot als auch kritisches Verständnis für kulturspezifische
Rollenbilder verfügen, sind für die Arbeit mit jungen Migrantinnen und Migranten unerlässlich.
•
Ziel der Personalpolitik der Stuttgarter Träger muss sein, ein ausgewogenes
Verhältnis von Frauen und Männern in den sozialen und erzieherischen Berufsfeldern zu erreichen, insbesondere in der frühkindlichen Erziehung.
3.4. Materielle Absicherung (vgl. auch Kap. 4, Verankerung)
•
Jungenspezifische Einrichtungen und Arbeitskreise sind finanziell dauerhaft zu
sichern.
•
Mädchenspezifische Einrichtungen und Arbeitskreise sind finanziell dauerhaft
zu sichern.
3.5. Konzeptionelle Absicherung
•
Die konzeptionelle Arbeit hat sich an der Lebenswelt und dem Lebensumfeld
von Mädchen und Jungen zu orientieren. Die angebotenen Maßnahmen sind
aufeinander abzustimmen.
•
Fachkräften in allen Bereichen der Jugendhilfe ist ausreichend Zeit einzuräumen für die Erarbeitung und Aktualisierung geschlechterbewusster pädagogischer Konzeptionen. Dies gilt auch für deren Umsetzung, Erprobung und Reflexion in der Praxis.
•
Die Erfahrungen von Mädchen und Jungen aus nichtdeutschen Herkunftsfamilien mit struktureller Benachteiligung und Diskriminierung sind in die pädagogischen Konzeptionen einzubeziehen.
•
In koedukativen Einrichtungen sind geschlechtsspezifische Angebote für Mädchen und Jungen anzubieten. Struktur und Zielgruppen sind deshalb zu berücksichtigen und eventuell parallele Angebote zu entwickeln.
•
Geschlechtshomogene Einrichtungen und Angebote sind zu gewährleisten.
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•
Nach Möglichkeit sind in koedukativen Einrichtungen Räume – eventuell auch
nur zeitweise – ausschließlich Mädchen und ausschließlich Jungen zur Verfügung zu stellen. Mädchen und Jungen sind bei deren Planung und Gestaltung
einzubeziehen und ihre Vorstellungen und Wünsche zu berücksichtigen.
•
Der öffentliche und die freien Träger fördern interne und externe Vernetzung.
Kapitel 4: Verankerung der Leitlinien
4.1. Ebenen der Umsetzung
Die Umsetzung der Leitlinien erfolgt im Rahmen
(1) der Gesamtverantwortung des öffentlichen Trägers für die Kinder- und Jugendhilfe (das betrifft die Bereiche Jugendhilfeplanung, Förderung und die
Steuerung des Trägers Jugendamt),
(2) der Trägerverantwortung und der Trägerautonomie
(3) und der Regionalen Trägerkoordination (RTK).
Zu (1)
Die Jugendhilfeplanung berücksichtigt geschlechterbewusste Fragen und Anforderungen bei der Sozialberichterstattung (geschlechterdifferenzierende Datenerhebung
und –aufbereitung), bei Planungs- und Beteiligungsprozessen (unterschiedliches
Partizipationsverhalten der Geschlechter) und bezieht in allen Fach- und Planungsgruppen die Sichtweisen von Männern und Frauen angemessen ein.
Die finanzielle Förderung von Trägern und Angeboten soll der geschlechterbewussten Arbeit gerecht werden.
Voraussetzungen für die Förderung sind, dass
•
die Träger die im Grundgesetz formulierten Grundwerte anerkennen und einhalten und
•
sie sich verpflichten, diese Leitlinien umzusetzen.
Die finanzielle Förderung ist damit gebunden an
•
die Anerkennung der Grund- und Menschenrechte;
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•
die Erfüllung der Vorgaben des KJHG § 9 (Abs 3: Berücksichtigung der Lebenslagen von Mädchen und Jungen, Gleichberechtigung), § 74 (Kriterien für
Förderung), § 75 (Anerkennung als Träger);
•
die Verfolgung der Ziele der sozialen Integration;
•
die in den Zuwendungsverträgen formulierten konkreten geschlechterbewussten Anforderungen.
Die Fördervoraussetzungen werden sowohl bei Erstanträgen als auch im Verlauf der
Arbeit und Umsetzung regelmäßig überprüft.
Die Einhaltung der in den Zuwendungsverträgen formulierten Anforderungen durch
die freien Träger und den Träger Jugendamt wird im Rahmen eines Finanz- und
Fachcontrollings überprüft.
Alle zwei Jahre werden Fachtage von der AG Mädchenpolitik und dem AK Jungen
durchgeführt, die die Auseinandersetzung fördern, die Umsetzung dokumentieren
und damit dem fachlichen Controlling dienen.
Über die Umsetzung und Weiterentwicklung der Leitlinien wird im Jugendhilfeausschuss regelmäßig alle zwei Jahre Bericht erstattet.
Zu (2)
Im Rahmen der Trägerverantwortung und Trägerautonomie entwickeln freie Träger
und öffentliche Träger ihre internen Organisationen und die Ausrichtung der Dienstleistungen und Angebote im Sinne der Leitlinien weiter.
Zu (3)
Die Leitlinien werden in den RTK und HFK-Gremien innerhalb eines Jahres nach
Veröffentlichung der Leitlinien zum Thema gemacht. Die Einrichtungen vor Ort analysieren die Situation der geschlechterbewussten Arbeit in den Stadtbezirken und
Stadtteilen, überprüfen, ob die dort bestehenden Angebote den geschlechterbewussten Zielsetzungen gerecht werden und wie ggf. durch träger-/ einrichtungsübergreifende Kooperation diese Ziele noch besser erreicht werden können und entwickeln
die Praxis vor Ort entsprechend weiter.
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4.2. Kooperation mit Partnern außerhalb der Jugendhilfe
Die Träger der Jugendhilfe vertreten in Kooperation mit Partnern außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe die in den Leitlinien benannten Haltungen und Zielsetzungen.
4.3. Fach-Arbeitskreis
Mindestens ein Mal jährlich treffen sich die AG Mädchenpolitik und der AK Jungen
unter Federführung der Jugendhilfeplanung zu einem gemeinsamen Treffen.
Dieser Fach-Arbeitskreis soll die Auseinandersetzung mit geschlechterbewussten
Themen in der Fachöffentlichkeit fördern und die Umsetzung der Leitlinien im Gesamtbereich der Jugendhilfe und auf Trägerebene begleiten. Dem Fach-Arbeitskreis
gehören Expertinnen und Experten von unterschiedlichen Trägern und Arbeitsfeldern
an. Im Fach-Arbeitskreis ist die Stuttgarter Trägerstruktur hinreichend abgebildet.
Zu den Aufgaben des Fach-Arbeitskreises gehören:
•
fachliche Konzepte und Ansätze zu erarbeiten und zu diskutieren;
•
methodische Fragen zu erörtern (z.B. zur Sozialberichterstattung, zur Datenerhebung);
•
alle zwei Jahre einen Fachtag zu konzipieren und vorzubereiten;
•
den Stand der Fachdiskussion und Entwicklungen in anderen Kommunen im
Blick zu haben.
Fünf Jahre nach Erscheinen der Leitlinien wird eine Evaluation der Implementierung
der Leitlinien durchgeführt.
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Teil II
Kapitel 1: Entwicklung der Mädchen- und Jungenarbeit in Stuttgart
1.1. Entwicklung der Mädchenarbeit in Stuttgart
1994 schlossen sich in Stuttgart Fachfrauen aus den verschiedensten Bereichen der
Mädchenarbeit zusammen und gründeten die „Arbeitsgemeinschaft Mädchenpolitik“,
mit dem Ziel, sich mit ihrer Fachkompetenz in Zusammenarbeit mit der Stuttgarter
Jugendhilfeplanung für mädchenspezifische Belange einzusetzen. Ende 1994 wurde
die AG Mädchenpolitik nach § 78 KJHG anerkannt.
Die AG Mädchenpolitik repräsentiert das Spektrum mädchenspezifischer Kinder- und
Jugendhilfe in Stuttgart. Die Fachfrauen sind als Vertreterinnen ihrer Träger delegiert, sie haben ein offizielles Mandat.
1995 wurde das Grundsatzpapier „Mädchenarbeit in Stuttgart - Grundsätze und Leitlinien“ im Jugendhilfeausschuss und dem Gleichstellungsbeirat der Landeshauptstadt Stuttgart angenommen und damit verbindliche fachliche und strukturelle Standards der Mädchenarbeit in Stuttgart für alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe
verabschiedet. Sowohl auf kommunaler Ebene, auf Landesebene als auch auf Bundesebene bestand ein reges Interesse an der Arbeit der AG Mädchenpolitik und dem
Grundsatzpapier zur Mädchenarbeit. Die erste Auflage (1000 Stück) war innerhalb
kurzer Zeit vergriffen.
Als trägerübergreifender kommunaler Arbeitskreis wird die AG Mädchenpolitik Stuttgart Mitglied in der LAG Mädchenpolitik Baden - Württemberg (Gründung im November 1996) und entsendet seither eine Delegierte in die LAG. Die Erfahrungen der AG
Mädchenpolitik Stuttgart und ihre mädchenpolitischen Positionen werden über die
LAG Mädchenpolitik BW auf Landesebene transportiert und somit in ihrer Wirkung
potenziert.
Die AG Mädchenpolitik veranstaltete seit 1995 vielfältige Aktivitäten wie beispielsweise 1999 den Fachtag „Qualitätsstandards der Mädchenarbeit in Stuttgart“, dessen
Dokumentation im darauf folgenden Jahr veröffentlicht wurde. Jährlich wird das Mädchenstadtspiel in Stuttgart durchgeführt, im Jahr 2003 wurde die „mädiale“, das 6.
bundesweite Mädchenkulturfestival, in Stuttgart ausgerichtet.
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Die Arbeit der AG Mädchenpolitik hat die Diskussion über die Notwendigkeit geschlechterdifferenzierender Jugendhilfe in Stuttgart entscheidend vorangetrieben.
Fachliche und strukturelle Standards wurden geschaffen, mit denen sich der öffentliche und die freien Träger der Jugendhilfe verbindlich auseinandersetzen müssen.
Mädchenarbeit wurde als Querschnittsaufgabe in allen Bereichen der Jugendhilfe
eingeführt. Auch wenn Chancengleichheit vordergründig erreicht scheint, bleiben
dennoch viele Widersprüchlichkeiten und Brüche im Leben der Mädchen.
Mädchenarbeit und Mädchenpolitik stellen deshalb auch weiterhin zentrale Aufgaben
von Jugendarbeit und -politik dar.
Die Aussagen zur Mädchenarbeit im Rahmen der „Leitlinien zur geschlechterbewussten Arbeit in Stuttgart“ stellen eine Weiterentwicklung der „Mädchenarbeit in
Stuttgart – Grundsätze und Leitlinien“ dar. Ergebnisse aus einer umfangreichen Fragebogenerhebung aus dem Jahr 2005 und Expertinnengespräche im Jahr 2006 in
unterschiedlichen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe flossen in diese Überarbeitung ein.
1.2. Entwicklung der Jungenarbeit in Stuttgart
Auf Initiative des Jungengesundheitsprojektes Stuttgart (JunGs e.V. Stuttgart) – wurde im Herbst 1999 der Facharbeitskreis Jungenarbeit Stuttgart gegründet – voraus
gingen unterschiedliche Projekte zur Jungenarbeit. Die Idee eines Facharbeitskreises stieß beim öffentlichen und den freien Trägern auf unterschiedliches Interesse,
was sich in der Beteiligung an den Sitzungen des Facharbeitskreises widerspiegelte.
Anfangs wurde eine erste Bestandsaufnahme der Jungenarbeit in Stuttgart erstellt
sowie die Idee entwickelt, den Facharbeitskreis Jungenarbeit als Arbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII (KJHG) anerkennen zu lassen, um damit die Wichtigkeit
des Themas und seine Querschnittsbedeutung zu unterstreichen. Allen Beteiligten
war damals bewusst, dass dazu eine inhaltliche Unterfütterung erforderlich war. Der
Facharbeitskreis entschloss sich deshalb, ein Positionspapier zur Jungenarbeit in
Stuttgart zu erstellen. Das Positionspapier wurde Ende 2001 der Öffentlichkeit auf
einem Fachkongress in Stuttgart vorgestellt. Im April 2002 stellte JunGs e.V. im Auf-
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trag des Facharbeitskreises den Antrag auf Anerkennung als Facharbeitsgemeinschaft nach § 78 SGB VIII.
Die Zentrale Trägerkoordination (ZTK) entschied im Frühjahr 2003, dass zuvor ausformulierte Handlungsperspektiven der Jungenarbeit vorliegen sollten und beauftragte den Facharbeitskreis, der mit Vertretern aller ZTK-Mitglieder erweitert wurde, jungenpolitische Leitlinien zu entwickeln. Eine erste Fassung der jungenpolitischen Leitlinien wurde im darauf folgenden Jahr der ZTK präsentiert. Im Juli 2005 fand im Bürgerhaus Feuerbach mit etwa 100 interessierten Frauen und Männern aus der Kinderund Jugendhilfe ein Fachtag statt. Ein zentraler Punkt war die Diskussion, wie die
Leitlinien zur Jungenarbeit umgesetzt werden sollen. Aufgrund der Rückmeldungen
des Fachtags wurden die Leitlinien überarbeitet und im Mai 2006 in der ZTK vorgestellt.
Die Aussagen zur Jungenarbeit um Rahmen der „Leitlinien zur geschlechterbewussten Arbeit in Stuttgart“ sind Resultat dieses Prozesses.
Kapitel 2: Grundlagen
2.1. Gesetzliche Grundlagen einer geschlechterbewussten Kinder- und Jugendhilfe
Eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen existieren auf allen politischen Ebenen von der Europäischen Union bis zur Landesregierung, die zur Gleichstellung der
Geschlechter verpflichten. Sowohl für Mädchen- als auch für Jungenarbeit gelten
dieselben gesetzlichen Grundlagen.
Die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen, von Frauen
und Männern ist das Ziel der Mädchen- und der Jungenarbeit.
Europäischer Gemeinschaftsvertrag („Amsterdamer Vertrag“) 1999
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichten sich mit der Strategie des
Gender-Mainstreaming (GM) die festgeschriebenen Gleichstellungsziele zu verfolgen:
Artikel 2: „Aufgabe der Gemeinschaft ist es, ….. die Gleichstellung von Männern und
Frauen … zu fördern“.
3
Artikel 3, Absatz 2: Bei allen ihren Tätigkeiten „ … wirkt die Gemeinschaft darauf hin,
Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu
fördern.“
Die Strategie des GM spiegelt sich in der gemeinsamen Arbeitsmarktpolitik und findet ihren Ausdruck in den beschäftigungspolitischen Leitlinien und den EUStrukturfonds – im Europäischen Sozialfonds (ESF) wurde es ausdrücklich als Förderkriterium verankert. Die Umsetzung wird jährlich von der Kommission kontrolliert
und in einem Bericht veröffentlicht.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG) hat 1949 die Gleichberechtigung mit einer hohen Priorität definiert:
Grundgesetz Artikel 3:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fordert die tatsächliche
Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die
Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung (...) oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden.
2006 wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verabschiedet, um
die europäische Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in nationales Recht umzusetzen:
Artikel 1: Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Gender Mainstreaming im Kinder- und Jugendplan des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat im
Dezember 2000 die Verpflichtung Gender Mainstreaming umzusetzen in die Richtlinien des Kinder und Jugendplanes (KJP) als Querschnittaufgabe aufgenommen.
Kinder und Jugendplan (KJP), Absatz 2c der allgemeinen Grundsätze der Richtlinien
besagt:
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„Der Kinder- und Jugendplan soll darauf hinwirken, dass die Gleichstellung von Mädchen und Jungen als durchgängiges Leitprinzip gefördert wird (Gender Mainstreaming). Dabei soll Gender Mainstreaming die bisherige Frauen- und Mädchenpolitik
nicht ersetzen, sondern ergänzen.“
Dies bedeutet auch, dass alle Organisationen/Träger der Kinder- und Jugendhilfe,
die vom BMFSFJ im Rahmen des KJP gefördert werden, ihre Angebote und Maßnahmen sowie die Träger- und Personalstrukturen entsprechend der Strategie auszurichten haben. Sowohl Anträge als auch Sachberichte müssen zur Umsetzung von
GM Stellung nehmen.
(vgl. auch Teil II, Kap. 2.1.1.. Gender Mainstreaming in Stuttgart)
Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wurde der Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes 1990 im Kinder- und Jugendhilfegesetz aufgenommen und
gefordert, dass Jugendhilfe im Querschnitt geschlechterbewusst und gleichstellungsorientiert ausgerichtet werden muss:
Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG/SGB VIII)
Artikel 9, Absatz 3: Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind …die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern.
Daraus leitet sich ein umfangreicher gesetzlicher Auftrag für die geschlechtsspezifische Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe in Baden-Württemberg ab.
Kinder- und Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg (LKJHG)
- in der Fassung vom 14. April 2005 -
Artikel 9, Absatz 1: Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe …sorgen dafür, dass die
erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII eingerichtet werden, und legen die Förderung
nach § 74 SGB VIII fest. Maßnahmen für Mädchen und junge Frauen sind gesondert
darzustellen.
Absatz 2: Anregungen und Wünsche junger Menschen, insbesondere zur Förderung
der Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen, sind angemessen zu berücksichtigen.
5
Artikel 12, Absatz 7: Jugendhilfe fördert die Gleichberechtigung von Mädchen und
Jungen sowie von jungen Frauen und jungen Männern. Leistungen der Jugendhilfe
berücksichtigen unterschiedliche Lebenszusammenhänge und bauen Benachteiligungen zwischen den Geschlechtern ab. Jugendhilfe stellt spezifische Angebote für
Mädchen und Jungen bereit, unterstützt die jungen Menschen bei der ganzheitlichen
Entfaltung ihrer Persönlichkeit und bereitet sie auf die partnerschaftliche Lösung der
Aufgaben im Erwachsenenleben vor. Dazu gehören mädchen- und jungenbezogene
Angebote zu einer Berufs- und Lebensplanung, die für beide Geschlechter grundsätzlich Erwerbstätigkeit und Familienaufgaben umfasst. Jugendhilfe trägt dazu bei,
Gefährdungen und Schädigungen durch Misshandlung und sexuelle Gewalt mit differenzierten Hilfen für die betroffenen Mädchen und Jungen abzuwenden.
Artikel 21, Absatz 2: Betreuungskräfte der Jugendhilfe sollen mit geschlechterdifferenzierenden Inhalten, Methoden und Arbeitsformen vertraut sein. Entsprechende
Fortbildung und Praxisberatung sollen angeboten werden.
2.1.1. Gender Mainstreaming in Stuttgart
Im Jahr 2001 hat sich die Landeshauptstadt Stuttgart auf die Doppelstrategie „Gender Mainstreaming“ und „Frauenförderung“ verpflichtet, um die tatsächliche Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen zu erreichen und aufrecht
zu erhalten. Bezogen auf die Kinder- und Jugendhilfe bedeutet dies ebenfalls eine
Doppelstrategie: Bei allen Vorhaben und Entscheidungen sind die spezifischen Bedarfe, Anforderungen und Wünsche von Mädchen und jungen Frauen wie auch von
Jungen und jungen Männern regelmäßig zu berücksichtigen anstatt sie jeweilig als
Problem- oder Randgruppe wahrzunehmen. Es wird keine Defizitperspektive fortgeschrieben. Dabei ist ein Perspektivenwechsel vom Objekt zum Subjekt unerlässlich.
Die politische „top-down-Strategie“ des Gender-Mainstreaming soll Geschlechterpolitik als Querschnittaufgabe in allen öffentlichen relevanten Handlungsfeldern implementieren und damit die Rahmenbedingungen einer pädagogischen und sozialen
Arbeit sichern bzw. ihre Bedeutsamkeit hervorheben. Um jedoch weiterhin professionelle Konzepte und Methoden der Mädchen- und Jungenarbeit, die die subjektiven
und strukturellen Dimensionen der Geschlechterthematik einbeziehen, zu entwickeln
und anzuwenden, ist es unabdingbar, sich mit der konkreten Lebenswelt, den Le6
bensentwürfen, den Bedürfnissen und Wünschen der Mädchen und jungen Frauen,
der Jungen und jungen Männer – in der so genannten „bottom-up-Strategie“ – auseinanderzusetzen. Eine dauerhafte Sicherung von spezifischer Mädchenarbeit und
Jungenarbeit ist deshalb notwendig.
Die Arbeitsansätze der geschlechtsspezifischen Mädchen- und Jungenarbeit sowie
geschlechterbewusste Koedukation sind unterschiedliche Wege zum Ziel der Gleichberechtigung. Durch die Strategie des Gender Mainstreaming wird diese Arbeit unterstützt und ergänzt.
2.2. Begriffsklärung und Definition einer geschlechterbewussten Arbeit mit
Mädchen und jungen Frauen sowie Jungen und jungen Männern
Nachfolgende Begriffe werden in den Leitlinien für die Beschreibung pädagogischer
Ansätze, die das Geschlecht als zentrale Kategorie einbeziehen, verwendet:
geschlechterbewusst
geschlechtsspezifisch
•
mädchenspezifisch
•
jungenspezifisch
koedukativ
geschlechtshomogen
Geschlechterbewusste Arbeit
•
reflektiert die gesellschaftlichen Normen bzgl. der Geschlechterrollen und des
Geschlechterverhältnisses;
•
findet sowohl in geschlechtshomogenen/ geschlechtsspezifischen als auch in
koedukativen Zusammenhängen statt;
7
•
bezieht bewusst die Geschlechtsidentität der Pädagoginnen und Pädagogen
mit ein;
•
umfasst Angebote, die sich auf die Überwindung sozialer Ungleichheit, auf die
Erweiterung der Lebensentwürfe von Mädchen und Jungen sowie auf die Bewältigung belastender Lebenslagen beziehen;
•
bezieht sich auch auf die Umsetzung des Bildungsauftrages in Kindertageseinrichtungen.
Geschlechtsspezifische Arbeit
•
beinhaltet geschlechtshomogene Mädchen- bzw. Jungenarbeit;
•
bietet Angebote, die nach Geschlecht differenzieren;
•
ist häufig verbunden mit der Aussage, dass Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen Lebenslagen, Rollenanforderungen und Gesellschaftsbildern
konfrontiert sind. Sie sind zu berücksichtigen und zu erweitern.
Mädchenarbeit ist sowohl die koedukative als auch die geschlechtsspezifische Arbeit
von Frauen für Mädchen und jungen Frauen und ihre Belange. Im Verständnis von
Mädchenarbeit verbinden sich pädagogische mit gesellschaftspolitischen Zielsetzungen.
Analog zur Mädchenarbeit ist Jungenarbeit die koedukative und geschlechtsspezifische pädagogische Arbeit von Männern mit Jungen. Jungenarbeit entwickelt Verständnis für geschlechtstypische Stärken und Schwächen von Jungen. Gesellschaftliche Männlichkeitskonstruktionen sollen aufgedeckt und reflektiert werden, um sie
dekonstruieren zu können.
Koedukative Arbeit:
•
thematisiert im Miteinander von Mädchen und Jungen Geschlechterhierarchien und –stereotypen mit dem Ziel, sie abzubauen und stattdessen individuelle Unterschiede ohne Erfahrungen von Benachteiligungen für Mädchen und
Jungen erlebbar zu machen und ein System des Miteinanders zu entwickeln.
8
2.3. Lebenslagen von Mädchen und Jungen, jungen Frauen und jungen Männern
Geschlechterbewusste – geschlechtsspezifische wie auch koedukative - Arbeit mit
Mädchen und Jungen erfordert die Berücksichtigung der je spezifischen Lebenslagen.
Nie zuvor war Mädchen oder Junge zu sein so vielfältig, so reich an Wahlmöglichkeiten und gleichzeitig so uneindeutig wie heute. Individualisierungs- und gesellschaftliche Pluralisierungsprozesse, die Zunahme unterschiedlicher Nationalitäten in der
Bundesrepublik und damit religiöser und ethnischer Orientierungen und die durch die
Frauenbewegung ausgelöste Modernisierung gesellschaftlicher Rollenvorstellungen
ließen diese Vielfalt entstehen. Dies betrifft die Lebenslagen von Mädchen und Jungen gleichermaßen. Dichotomes Denken führt in der Beurteilung der Lebenslagen
von Mädchen und Jungen nicht weiter. Mädchen und Jungen sind heute weder generell gleich, noch sind sie immer verschieden.
Dennoch: Weder ist die Gleichberechtigung der Geschlechter durchgesetzt, noch
erfahren Mädchen in allen Lebensbereichen eine Zurücksetzung, auch wenn strukturelle Benachteiligungen in wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen immer noch
geschlechtsspezifisch bedingt sind. Beispielsweise schlägt sich die höhere Bildung
von Mädchen häufig noch nicht positiv auf ihre Chancen in Ausbildung, Beruf und
Karriereplanung nieder. Andererseits sind Jungen häufiger krank als Mädchen, sie
sind im Kindergarten, in der Schule oder in ihrer Freizeit sozial erheblich auffälliger,
sind in Erziehungsberatungstellen, Sonderschulen, Jugendgefängnissen und in der
Kinder- und Jugendpsychiatrie häufiger anzutreffen als Mädchen.
Die Geschlechtszugehörigkeit beeinflusst die Situation von Mädchen und Jungen
also in zentraler Art und Weise. Darüber hinaus bedingen jedoch auch Schicht, Bildung, Kultur, Religion, Migration, Alter und regionale Faktoren über den Zugang zu
Ressourcen und Gestaltungsmöglichkeiten. Das bedeutet, Geschlechtszugehörigkeit
entscheidet in Verbindung mit anderen Merkmalen über Lebenslagen und Lebenschancen.
Nur mit einem dauerhaften Angebot an sowohl geschlechtsspezifischer als auch geschlechterbewusster Arbeit haben Mädchen und Jungen die Chance, die Vielfalt von
9
Weiblichkeit und Männlichkeit, die Differenzen zwischen den Geschlechtern wie auch
innerhalb der Geschlechter zu erfahren, sich der Fülle des Lebens bewusst zu werden und die Chancen zu ergreifen, die sich ihnen – so ist zu wünschen – immer
wieder bieten.
(siehe auch die spezifischen Kapitel zu Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen (Teil II,
Kap. 3.2.) bzw. Lebenslagen von Jungen und jungen Männern (Teil II, Kap. 4.2.)
So ist beispielsweise im Rahmen des Bildungsauftrages bei der individuellen Beobachtung und Förderung von Mädchen und Jungen in Kindertageseinrichtungen isdarauf zu achten, dass
•
einerseits die einzelnen Interessen von Mädchen und Jungen wahrgenommen, gefördert und in Bildungsprozessen begleitet werden
•
und andrerseits geschlechtsspezifische Ausprägungen der Interessen im Sinne eines Erziehungsauftrages erweitert werden. Mädchen und Jungen werden
dadurch herausgefordert, Neues zu entdecken, anzuwenden und weiter zu
entwickeln.
Die freien und der öffentliche Träger haben auf diese Ausgewogenheit der Förderung
zu achten.
10
Kapitel 3: Leitlinien zur Mädchenarbeit
3.1. Grundlagen geschlechterbewusster Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen
Neben den Zielen der Mädchenarbeit (vgl. Kap. 2.1.) sind folgende Grundlagen Voraussetzung für eine erfolgreiche geschlechterbewusste Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen:
•
Mädchen und junge Frauen sind Zielgruppen, nicht „Problemgruppen“
(vgl. auch Kap. 6.1.1. Gender Mainstreaming in Stuttgart)
•
Geschlechterbewusste Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen ist eine
Querschnittsaufgabe
Mädchenarbeit ist in allen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe in Theorie und
Praxis als Querschnittsaufgabe zu betrachten.
In der Umsetzung erfordert dies, Konzeptionen und Handlungsansätze, die die
Lebenswelten von Mädchen konsequent berücksichtigen, und bedürfnisorientierte Angebote für Mädchen aller Altersgruppen zu gestalten. Dies beinhaltet
sowohl mädchenspezifische und geschlechtshomogene als auch koedukative
Angebote und Einrichtungen. Belange von Mädchen mit Migrationshintergrund
sind spezifisch zu berücksichtigen.
•
Ganzheitlichkeit und Parteilichkeit
Der ganzheitliche Ansatz stellt die gesamte Person in den Mittelpunkt des Interesses. Mädchen werden mit ihren Stärken, Fähigkeiten und Fertigkeiten, ihren Erfahrungen und auch ihren Schwächen unter Berücksichtigung ihres individuellen Lebenszusammenhangs wahr- und ernst genommen. Parteilichkeit
für Mädchen und junge Frauen stellt die Mädcheninteressen klar in den Vordergrund.
Mädchen werden in den Situationen und Prozessen, in denen sie sich jeweils
mit allen Widersprüchlichkeiten und Konflikten befinden, unterstützt. Dabei ist
eine Vielfalt unterschiedlicher und gleichberechtigter Handlungsmöglichkeiten
denkbar.
11
•
Selbstbestimmter Lebensraum
Es werden Räume für Mädchen und junge Frauen geschaffen, in denen sie ihre Eigenständigkeit entwickeln, spüren und stärken können. „Raum“ in diesem
Sinne bedeutet also gleichzeitig Freiraum wie Entwicklungsraum, aber auch
Experimentierraum und – wenn nötig - Schutzraum. Den Mädchen und jungen
Frauen werden neue Erfahrungen ermöglicht, die ihre Entscheidungs- und
Wahlmöglichkeit in Bezug auf ihre Lebensplanung erweitern. Selbstbestimmung, Autonomie und Abgrenzung können so praktisch „geübt“ werden.
•
Öffentlichkeitsarbeit
Mädchenarbeit braucht zu ihrer Durchsetzung und Verdeutlichung kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit. Dadurch soll eine breite Öffentlichkeit über die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen und deren Auswirkungen auf die Handlungsspielräume und Erlebnismöglichkeiten informiert
werden. Öffentlichkeitsarbeit dient dazu, geschlechtsspezifische Handlungsorientierungen, Normen und Werte zu hinterfragen und auf eine tatsächliche
Gleichberechtigung der Geschlechter hinzuwirken, also Bewusstseinsarbeit zu
leisten.
•
Regelmäßige Bestandsaufnahmen
Regelmäßige Bestandsaufnahmen zur Situation von Mädchen und jungen
Frauen in allen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe sind zu erstellen, politisch
zu diskutieren und strategische Ziele und Handlungsfelder daraus abzuleiten.
3.2. Ausgewählte Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen
Die Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenslagen von Mädchen und Frauen gehört zum Basisrepertoire geschlechterbewusster Arbeit. Mädchen haben heutzutage
im Durchschnitt nicht gekannte Wahlmöglichkeiten, ihr Leben zu entwerfen und zu
gestalten. Andrerseits unterliegen sie aber damit auch erheblichen Entscheidungszwängen. Das weibliche Rollenverständnis ist geprägt von selbstbewussten, autonomen, starken Mädchen, die attraktiv und sexuell aktiv sind, ihren Weg selbst wählen, sich alles zutrauen und vieles können. Vielen Mädchen scheint die Gleichbe12
rechtigung erreicht, Geschlechterbarrieren scheinen überwunden zu sein ohne dass
strukturelle Benachteiligungen in gesellschaftlichen Bereichen wahrgenommen werden. Im Folgenden werden ausgewählte Lebenslagen beschrieben, für die in der
Kinder- und Jugendhilfe Handlungsbedarf besteht.
3.2.1. Mädchen und Gesundheit
Im Kindesalter sind Mädchen gesünder und robuster als Jungen. Mit Einsetzen der
Pubertät kehrt sich dieses Verhältnis jedoch um. Ab diesem Alter zeigt sich bei Mädchen eine anwachsende Zunahme von psychosomatischen Beeinträchtigungen (z.B.
Schlafstörungen), Befindlichkeitsstörungen (z.B. depressive Verstimmungen) und
psychischen Auffälligkeiten(z.B. autoaggressives Verhalten). Zudem hat sich in den
letzten Jahren das gesundheitlich relevante Risikoverhalten von Mädchen verstärkt:
so rauchen mittlerweile mehr Mädchen als Jungen täglich Zigaretten und ihr Alkoholkonsum ist deutlich angestiegen. Gesundheitlich relevant ist auch die Tatsache, dass
Mädchen mit zunehmendem Alter ihre körperlichen Aktivitäten einschränken und
sich nicht mehr in ausreichendem Maße bewegen (vgl. JuGS 2005). Der größte Risikofaktor ist jedoch das subjektive Körperempfinden und die daraus resultierenden
Folgen für die Ernährung. 40% der Mädchen fühlen sich trotz Normal- oder Untergewicht zu dick. Hier können durch riskante Diäten, gestörtes Essverhalten sowie manifeste Essstörungen (Anorexie und Bulimie) schwerwiegende langfristige Gesundheitsbeeinträchtigungen entstehen. Eine weitere Risikogruppe ist die wachsende
Zahl von übergewichtigen und adipösen Mädchen und jungen Frauen (nach Angaben der JuGS sind dies 17, 2%).
Da in der Kindheit und Jugend die Grundlagen für die Gesundheit und Lebensqualität
im späteren Lebensalter gelegt werden, haben Gesundheitsförderung und Prävention für diese Altersgruppe eine herausragende Bedeutung. Eine differenzierte mädchenspezifische Gesundheitsförderung umfasst neben der geschlechtsspezifischen
Suchtprävention und der mädchenspezifischen Prävention im Ernährungsbereich
erprobte Programme zur Stärkung der allgemeinen Lebenskompetenz („life skills“).
Sie versteht sich als ganzheitliche Gesundheitsförderung, die neben Einzelmaßnahmen gesundheitsfördernde Strategien in Familie, Schule, Freizeit und Kommune beinhaltet.
13
Literaturhinweis:
Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Gesundheitsamtes zur Jugendgesundheitsstudie Stuttgart 2005 - JuGS (2005). Hrsg.: Gesundheitsamt, Referat Soziales, Jugend und Gesundheit, Landeshauptstadt Stuttgart.
Hurrlemann, Klaus u.a. (Hrsg.) (2003). Jugendgesundheitssurvey -Internationale Vergleichsstudie im
Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Weinheim.
3.2.2. Mädchen und Sucht
Das Geschlechterverhältnis beim Konsum von Drogen unter Jugendlichen scheint
zunehmend ausgewogen. So sind beispielsweise die Lebenszeitprävalenzen hinsichtlich der Drogenerfahrung mit Cannabis, Ecstasy oder Alkohol von Mädchen und
Jungen annähernd ausgeglichen. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich hingegen
geschlechtsspezifische Differenzen, vor allem in Bezug auf die Häufigkeit des Konsums und die gewählten Konsumformen.
Wie aktuelle europäische und internationale Schüler/innenvergleichsstudien2 zeigen,
gilt: je härter die Substanz, je extremer die Konsumform und die Wirkungen der konsumierten Substanzen (z.B. Heroin, „Kampftrinken“), desto höher ist der Anteil der
Jungen. Mädchen wählen eher legale und unauffälligere Suchtformen (z.B. Essstörungen, Medikamente) sowie internalisierende Konsumstile, d.h. nach innen gerichtete Befindlichkeitsmanipulationen. Entsprechend überwiegt der Anteil von Mädchen
deutlich bei Medikamenten und Essstörungen sowie in geringerem Ausmaß bei den
(tablettenförmigen Drogen) Ecstasy und Amphetaminen. Mehrfachkonsum ist insgesamt eher die Regel als die Ausnahme. Mädchen, die illegale Drogen konsumieren,
haben meistens auch Erfahrungen mit legalen Suchtmitteln. Entsprechendes gilt für
Essstörungen, die oftmals alternierend mit stoffgebundenen Süchten auftreten.
Suchtgefährdenden Verhaltensweisen kommt eine zentrale Funktion in der Adoleszenz zu. Sie sind subjektiv funktional und geschlechtsdifferent bedeutsam im Kontext
der Herausbildung einer eigenen Identität als Frau und der Lösung von Entwicklungsaufgaben.
Mädchenspezifisches Suchtverhalten kann darüber hinaus als ein, wenn auch inadäquater Problembewältigungsversuch (traumatischer) Belastungen, wie sexuellem
Missbrauch, verstanden werden. Einem frühen Beginn des Substanzmissbrauchs
liegt oftmals eine Leidensgeschichte in der Kindheit zugrunde, entsprechend hoch ist
2
Drogenaffinitätsstudien der BZGA, Europäische Schülervergleichsstudie (ESPAD), HBSC – Health Behaviour
of school-aged-children (Vergleichsstudie der WHO)
14
die Komorbidität mit psychischen Störungen – mit Konsequenzen für die kognitive,
psychischen und körperlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Mädchen.
Das Wissen um mädchenspezifische Aspekte bei der Suchtgefährdung und entwicklung impliziert Konsequenzen für die Kinder- und Jugendhilfe auf fachlicher
und struktureller Ebene. Es bedarf konzeptionell fundierter, mädchenspezifischer
Angebote im Bereich der primären und sekundären Suchtprävention, der Beratung
sowie der stationären Betreuung durch Fachfrauen mit suchtspezifischem Handlungswissen.
Literaturhinweis:
Hurrlemann, Klaus u.a. (Hrsg.) (2003). Jugendgesundheitssurvey - Internationale Vergleichsstudie im
Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Weinheim.
Kraus, Ludwig, u.a.: Die Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD). (2004).
München.
Schwarting, Frauke: Mädchen. In: Fengler, Jörg (Hrsg.) Handbuch der Suchtbehandlung. Beratung –
Therapie – Prävention. 100 Schlüsselbegriffe. (2002). Landsberg/Lech. S. 320 – 324.
3.2.3. Mädchen und Gewalt
Das Thema Gewalt ist in der Arbeit mit Mädchen in allen Alterstufen ein wichtiges
Thema, das unterschiedlichste Facetten umfasst. Durch veränderte Sozialisationsbedingungen und Mädchenbilder sind Mädchen kompetenter im Umgang mit Gewalt
geworden, und trotzdem oder gerade deshalb sind die Auseinandersetzung mit Gewalt und Selbstbehauptung wichtige Bezugspunkte ihrer Entwicklung.
Gewalt gegen Mädchen und junge Frauen ist in unserer Gesellschaft leider alltägliche Praxis; sie umfasst Formen der physischen, sexuellen, psychischen, sozialen
und emotionalen Gewalt. Gewalt gegen Mädchen und junge Frauen ist in den meisten Fällen männliche Gewalt. Es geht dabei um Dominanz und Herrschaft, um Macht
und Kontrolle.
Für Mädchen und junge Frauen bedeutet Gewalt eine psychische Belastung und
oftmals auch traumatische Erfahrung, die sich langfristig schädigend auf sie auswirkt.
Dass es sich dabei um Straftaten und die Verletzung der Menschenrechte handelt,
dringt immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Gewalt von Mädchen und jungen Frauen ist ein neueres Phänomen, das in der
Jugendhilfe zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies beinhaltet sowohl körperliche
Gewalt gegen andere und Mobbing als auch Formen autoaggressiven Verhaltens.
15
Mädchenspezifische Gewaltprävention umfasst neben Selbstbehauptungskursen
Angebote zur Stärkung der Konfliktkompetenz und Programme zum produktiven
Umgang mit Wut und Aggression (z.B. auch Antiaggressionstraining).
Die Einrichtungen der Jugendhilfe setzen sich mit den Gewalterfahrungen und den
Gewalthandlungen der Mädchen und jungen Frauen auseinander, entwickeln bedarfsgerechte Angebote und regen zur öffentlichen Diskussion dieses Themas an.
Mädchenspezifische Beratungsstellen, Zufluchtstätten und Angebote sollten so ausgestattet sein, dass sie ausreichende Angebote im Bereich Prävention und der Intervention bereithalten können.
Literaturhinweis:
Preiß, Dagmar. (2006) Wohin mit meiner Wut? Aggression und Autoaggression als zwei Seiten einer
Medaille. Vortrag unter www.eva-stuttgart.de/veranstaltungen.
3.2.4. Lebenslagen von schwangeren Mädchen
Minderjährige Schwangere sind zahlenmäßig betrachtet nur ein geringes gesellschaftliches Problem. Die Lebenssituation von jungen Müttern zeichnet sich durch
Überforderung, Unsicherheiten, Abhängigkeiten und Illusionen aus.
Individuell gesehen sind Teenagerschwangerschaften mit einem hohen Armutsrisiko
verbunden und können zu gravierenden Problemen in der Entwicklung und für die
Lebensperspektiven der jungen Frauen und Mädchen führen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eines der zentralen Themen bei der Alltagsbewältigung und Lebensplanung. Nicht nur die Balance zwischen Kinderbetreuung, Schule und Ausbildung, sondern auch die konträren Anforderungen von Adoleszenz und Mutterschaft
gilt es zu bewältigen.
Es sind unterstützende und förderliche Rahmenbedingungen notwendig, die finanzielle und berufliche Seiten beinhalten und sichern. Eine stufenweise Heranführung
in den Schul- und Ausbildungsmarkt muss ein Teil dieser Unterstützung werden. Die
Angebote einer adäquaten Kinderbetreuung für unter Dreijährige müssen flächendeckend - auch im ländlichen Raum - gesichert werden. Durch ausreichend gesundheitliche und soziale Aufklärung können weitere (ungeplante) Schwangerschaften
vermieden werden.
Literaturhinweis:
Evelyn Laue: Schwangerschaftsabbrüche und Geburten minderjähriger Schwangerer - die amtliche
Statistik, in BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) Forum 4/2004.
16
3.2.5. Mädchen mit Behinderungen
Mädchen und junge Frauen mit Behinderung haben strukturell größere Schwierigkeiten als Jungen und junge Männer in der gleichen Situation. Ihre besonders schwierigen Lebensbedingungen sind noch zu wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert.
Die Situation innerhalb des privaten Bereiches (Wohnung/Familie) wird im allgemeinen öffentlichen Bewusstsein oft tabuisiert. Behinderte Mädchen und junge Frauen
werden im Hinblick auf Sexualität und Mutterschaft oft zu Bedürfnislosigkeit erzogen.
Ihre weibliche Identität wird ihnen aberkannt. Viele Mädchen und junge Frauen können kaum eine eigene, selbst bestimmte Wahrnehmung entwickeln. Dabei ist eine
Akzeptanz der eigenen Sexualität als Lebensanteil sehr wichtig. Einzelne Initiativen
innerhalb der "Behinderte-Frauen-Bewegung" nehmen sich dieses Themas inzwischen an, auch Initiativen, die zu Problemen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften arbeiten. Sexuelle Gewalt - im privaten Alltag sowie in Heimen - stellt eine
ganz besondere Problematik dar. Aufgrund der zuvor geschilderten Sozialisationserschwernisse sind die meisten der bei Gewalterfahrung von Mädchen und Frauen
bisher angewandten Verarbeitungsstrategien für Mädchen und Frauen mit Behinderungen nicht anwendbar. Beratungen erfordern hier eine besondere Sensibilität und
besondere Kenntnisse der Therapeutinnen. Es ist deshalb wichtig, dass sich Beratungsstellen, insbesondere die von Leistungsträgern, im Rahmen ihrer üblichen Aufgaben auf diese Fragen besonders vorbereiten. Eine flächendeckende qualifizierte
Beratung für die betroffenen Mädchen und junge Frauen ist unerlässlich.
Literaturhinweis:
Homepage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: www.bmfsfj.de
3.2.6. Mädchen/ junge Frauen in Ausbildung und Beruf; Mädchen/ junge Frauen und Arbeitslosigkeit
Der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist weiterhin geschlechtsspezifisch fragmentiert.
Selbst in Zeiten, da die bislang bestausgebildete Frauengeneration ins Berufsleben
eintritt, gilt das für alle Qualifikationsebenen. Die Jugendhilfe sieht sich dabei qua
17
Aufgabenstellung besonders mit der Situation auf dem Lehrstellenmarkt konfrontiert.
Diese ist über die Jahre generell – für Mädchen und jungen Frauen wie Jungen und
jungen Männern – schwieriger geworden. Gegenwärtig gelingt nur der Hälfte der Abgängerinnen und Abgänger von Haupt- und Realschulen der nahtlose Übergang in
das duale Ausbildungssystem. Obwohl Mädchen und junge Frauen im Durchschnitt
die besseren Abgangsnoten mitbringen, sind sie von der Lehrstellenknappheit besonders betroffen. Nur 47,5 % der betrieblichen Ausbildungsverträge werden von
ihnen abgeschlossen. Dass die Spanne zwischen der individuellen schulischen Begabung und den Chancen auf dem Lehrstellenmarkt im Fall der Mädchen und jungen
Frauen besonders weit auseinanderklafft, ist von einem ganzen Bündel von Ursachen abhängig. Eine fatale Rolle spielt die Konzentration auf wenige als typisch
weiblich geltende Berufe. Sie hängt mit dem - teils auch nur antizipierten - Einstellungsverhalten von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ebenso zusammen wie mit
Bildern von Weiblichkeit, die im familiären und sozialen Umfeld der Mädchen und
jungen Frauen sowie in den Medien genährt werden. Die Folge dieser Konzentration
auf wenige Ausbildungsberufe sind eine verschärfte Konkurrenz um die verfügbaren
Lehrstellen und die Verdrängung von Mädchen und jungen Frauen mit weniger angesehenen oder schlechten Schulabschlüssen. Gerade Schulabgängerinnen mit
Migrationshintergrund, die aufgrund sprachlicher Probleme häufiger unterdurchschnittliche Abgangszeugnisse besitzen und oft mit konservativen Rollenbildern aufgewachsen sind, sind hiervon betroffen. Es ist kein Zufall, dass sie auffallend häufig
auf das Berufsvorbereitungsjahr in einer der hauswirtschaftlichen Schulen ausweichen.
Die ungleiche Chancenverteilung zwischen den Geschlechtern endet nicht mit dem
Beginn der Lehrzeit. Sie fällt vielmehr noch deutlicher aus, wenn es nach den abschließenden Prüfungen um die Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb geht.
Diese wird nur rund 55 % der weiblichen, aber rund 70 % der männlichen Auszubildenden angeboten. Die Zahlen spiegeln nochmals, dass sich die jungen Frauen und
Männer nicht gleichmäßig auf die verschiedenen – unterschiedlich aufnahmefähigen
– Branchen verteilen. Stärker fallen nun aber altbekannte Faktoren ins Gewicht, die
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von der Einstellung junger Frauen zurückschrecken lassen. Zu nennen sind hier vor allem die Angst vor Ausfallzeiten aufgrund von
Schwangerschaft und Kinderbetreuung.
18
Insgesamt gilt: Mädchen und junge Frauen bekommen auf dem Ausbildungs- und
Arbeitsmarkt nicht die Ihnen zustehenden Erwerbschancen. Um der Arbeitslosigkeit
zu entgehen, sind sie in der Regel schneller bereit, der Schulzeit einen weiteren
Schulbesuch, eine berufsvorbereitende oder qualifizierende Maßnahme „anzuhängen“. Einige wenige Mädchen und jungen Frauen, „flüchten“ aus der Perspektivlosigkeit in die Mutterschaft. Je länger sich aber die Abwesenheit vom regulären Ausbildungs- und Arbeitsmarkt hinzieht, desto geringer sind die Chancen auf eine gelingende berufliche Integration. Zudem sind Mädchen und junge Frauen ohne eigenes
Erwerbseinkommen eher gezwungen, in unbefriedigenden familiären Konstellationen
auszuharren. Nach der Neuregelung der Hartz-IV-Leistungen erhalten junge Erwachsene nur dann Unterstützung für eine eigene Wohnung, wenn schwerwiegende
soziale Gründe oder die Eingliederung in den Arbeitsmarkt einen Auszug aus der
elterlichen Wohnung zwingend notwendig machen. Eine vorherige Genehmigung
durch die Behörden ist notwendig.
Insbesondere chancenarme junge Frauen und Mädchen in prekären Lebenslagen
(aus sozial belasteten Familien, von Arbeitslosigkeit und Armut bedroht, mit Gewaltoder Suchterfahrungen, in zwei Kulturen aufwachsend, etc.) benötigen zugleich umfassende und passgenaue Hilfe- und Förderangebote, um ihnen einen Berufseinstieg
und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Literaturhinweis:
Gender-Datenreport, Kommentierter Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der
Bundesrepublik Deutschland. (2005) DJI-Studie. Cornelißen, Waltraud (Hrsg). München.
3.2.7. Mädchen und Migration
Neue Studien belegen: junge Migrantinnen sind überwiegend optimistisch, bildungsund familienorientiert, suchen finanzielle Unabhängigkeit und partnerschaftliche
Gleichberechtigung und sind am interreligiösen Austausch stark interessiert.
Die Lebenssituationen von jungen Migrantinnen sind ebenso vielschichtig wie die
deutscher Mädchen und junger Frauen. Das gilt auch für die Konflikte, die aus ihren
Lebenssituationen erwachsen. Sie haben Konflikte mit ihren Eltern, haben Liebeskummer, Stress mit Freund/innen, Schulprobleme, Pubertätskonflikte, Identitätsfindungsschwierigkeiten, Schwierigkeiten, geeignete Ausbildungsplätze zu finden, einen eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, darüber hinaus zum Teil einen ungeklärten Aufenthaltsstatus, manche sind rassistischen Diskriminierungen ausge19
setzt. Im Gegensatz zu deutschen Mädchen und jungen Frauen werden ihre Probleme allerdings oftmals reduziert begründet als Folge des Aufwachsens mit zwei verschiedenen Kulturen, als Folge des Aufeinandertreffens verschiedener Wertemaßstäbe, die sich unvereinbar und unveränderbar gegenüber stehen.
Durch die permanente Zuschreibung zu einer anderen Nationalkultur – inklusive dem
entsprechenden Klischeebild - geraten die Mädchen und jungen Frauen in einen
doppelten Rechtfertigungszwang. Bei Übereinstimmung mit dem Klischeebild müssen sie ihre Unterschiedlichkeit zu den Deutschen, bei Abweichung vom Klischee
ihre Unterschiedlichkeit zu ihren „Landsleuten“ begründen.
Deshalb muss ihre Fähigkeit, sich in den verschiedenen Teilwelten, die nebeneinander, miteinander und teilweise gegeneinander existieren, zurechtzufinden als Ressource verstanden und genutzt werden. Es gilt, die jungen Migrantinnen auf ihrem
jeweilig individuellen Hintergrund mit dem Ziel einer realistischen Lebensplanung
zwischen Wunschvorstellungen und gegebenen Möglichkeiten zu begleiten. Dafür
braucht es u. a. Pädagoginnen mit interkultureller Kompetenz und / oder Migrationshintergrund und gezielte Fördermaßnahmen im Bildungs- und Ausbildungsbereich.
(Migration ist ein Querschnittthema – siehe hierzu auch die Ausführungen in anderen LebenslagenKapiteln)
Literaturhinweis:
Reader zur Arbeit mit Mädchen mit Migrationshintergrund (2003). LAG Mädchenpolitik BadenWürttemberg (Hrsg). Stuttgart.
Boss-Nünning, Ursula, Karakasoglu, Yasemin. Viele Welten. Zur Lebenssituation von Mädchen und
jungen Frauen mit Migrationshintergrund. (2005). Münster, New York.
3.2.8. Mädchen und Freizeit
Das Freizeitverhalten der Mädchen und jungen Frauen ist geprägt durch ihre soziale
Herkunft. Schule, Ausbildung, Familienarbeit, Nebenjobs und institutionalisiertes
Freizeitverhalten (Tanzkurs, Musikunterricht, Nachhilfe, Sport etc.) führen dazu, dass
den Mädchen und jungen Frauen immer weniger unverplante Freizeit zur Verfügung
steht. Viele Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund haben einen eingeschränkten Zugang zu öffentlichen Räumen. Bei der Herausbildung einer eigenständigen Identität, d.h. der Ausprägung und Festigung der eigenen Persönlichkeit,
ist der Freizeitbereich einer der wichtigsten sozialen Räume.
Mädchen und junge Frauen brauchen dafür sowohl nicht pädagogisierte Treffpunkte
und Räume als auch Angebote und Maßnahmen im Freizeit- und Bildungsbereich
20
zum Erwerb von Lebenskompetenzen und Qualifikationen. Diese Angebote und
Maßnahmen müssen so ausgestaltet sein, dass aktuelle Themen, Interessen und
Bedürfnisse von Mädchen und jungen Frauen berücksichtigt werden. Darüber hinaus
brauchen Mädchen außerhalb des Elternhauses erwachsene Ansprechpartnerinnen,
die sie in ihrer teilweise widersprüchlichen Lebenswelt und unklaren Perspektive
ernst nehmen und begleiten.
Literaturhinweis:
Jugend 2006. 15. Shell Jugendstudie. (2006). Shell AG (Hrsg.). Frankfurt/Main.
Betrifft Mädchen 1/2001: Selbst- und Fremdinszenierungen von Mädchen; Betrifft Mädchen 2/2002:
Mädchenkulturarbeit; Betrifft Mädchen 3/2004: Mädchen und Körperkult; Betrifft Mädchen 4/2004:
Generationenverhältnisse in der Mädchenarbeit.
3.2.9. Mädchen und Wohnen
In der Ablösung von der Familie ist eigener Wohnraum eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Verselbständigung. Ausbildungen und der Start ins Berufsleben erfordern häufig ebenso einen Auszug wie prekäre Lebenssituationen im Elternhaus.
Unter den wohnungslosen Minderjährigen („Straßenkinder“) steigt der Anteil der
Mädchen überproportional an. Bei jungen wohnungslosen Erwachsenen ist der Anteil
an jungen Frauen unter 25 Jahren im Vergleich zu erwachsenen Frauen doppelt so
hoch. Vor allem bei konflikthaften Eltern-Kind-Beziehungen stehen nur wenige Soforthilfen zur Verfügung, diese sind zusätzlich mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. In Stuttgart herrscht zudem Wohnungsknappheit, vor allem im unteren Preissegment. Mädchen und junge Frauen haben aufgrund ihres häufig fehlenden oder geringen Einkommens nur wenige Chancen auf dem Wohnungsmarkt. Dies
hat auch zur Folge, dass die Jugendwohnheime lange Wartelisten aufweisen.
Je nach Lebenssituation, persönlichen Voraussetzungen sowie ggf. Hilfebedarfs gibt
es für Mädchen und junge Frauen mehrere Möglichkeiten: das Wohnen bei den Eltern, eine Betreute Wohnform (§27 ff SGB VIII und §41 SGB VIII, ab dem 18. Lebensjahr gem. §67 ff SGB XII oder §16,2 SGB II) und selbständiges Wohnen.
Die Möglichkeiten müssen die vielfältigen Bedarfe und Lebenslagen von Mädchen
adäquat berücksichtigen, finanziell leistbar sein und ein umfassendes Angebot an
geschlechtshomogenen Wohnalternativen beinhalten. Letzteres gilt insbesondere für
mädchenspezifische Schutz- und Inobhutnahmeplätze, Wohnheime für Schülerinnen,
21
Auszubildende und Studentinnen sowie für Mädchenwohngruppen im Bereich Hilfen
zur Erziehung.
Literaturhinweis:
Gender-Datenreport, Kommentierter Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der
Bundesrepublik Deutschland. (2005) DJI-Studie. Cornelißen, Waltraud (Hrsg). München.
3.3. Fachliche Standards der mädchenspezifischen Arbeit
Akteurinnen und Akteure der geschlechterbewussten Arbeit sind tagtäglich mit der
sozialen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, den unterschiedlichen Lebenslagen von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen und den gesellschaftlich etablierten Geschlechterordnungen konfrontiert.
Auch die Akteurinnen und Akteure bewegen sich nicht geschlechts- und identitätslos,
sondern sie haben ihre biographischen Prägungen und Erfahrungen als Frauen und
Männer erlebt, sie haben ihre Entscheidungen für Lebenswege und Lebensformen,
ihre sexuellen Orientierungen, ihre Werteorientierungen, ihr berufliches Engagement,
ihre Wünsche etc. entwickelt. Sehr oft ist deshalb in der geschlechterorientierten pädagogischen und sozialen Arbeit die Entscheidung für oder gegen bestimmte Zielvorstellungen, Konzepte und Methoden so eng verwoben mit der eigenen Identität,
dem eigenen Lebensweg.
3.3.1. 0ffene, mobile und verbandliche Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und
Jugendberufshilfe
Ziele
Ziel ist es, die Mädchen in der Entwicklung und Verwirklichung ihrer Lebenspläne zu
begleiten. Dabei ist es wichtig, die Vielfalt der Lebenswelten von Mädchen zu kennen
und zu respektieren.
Zentral sind die Förderung der Konflikt-, Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit
sowie die Entwicklung eines positiven Körpergefühls und einer selbst bestimmten
Sexualität. Angesichts des eingeschränkten Berufswahlspektrums gilt es, Mädchen
darin zu unterstützen neue Zukunftsperspektiven zu entwickeln und breite Wahlmöglichkeiten für Mädchen zu schaffen.
22
Diese Ziele werden in Form von geschlechtshomogenen und gemischtgeschlechtlichen Angeboten umgesetzt.
Angebote
Die Jugendarbeit bietet zielgruppengenaue, vielseitige Angebote und Maßnahmen im
Freizeit- und Bildungsbereich. Die Angebote und Maßnahmen in der Jugendarbeit
sind so ausgestaltet, dass aktuelle Themen, Interessen und Bedürfnisse von Mädchen und jungen Frauen berücksichtigt werden. Mädchen und junge Frauen partizipieren bei der Planung und Durchführung von Angeboten und wirken im Gemeinwesen mit.
Auf dem Hintergrund veränderter Rollenbilder und Rollenerwartungen haben die
Mädchen einerseits erweiterte Chancen, sind aber gleichzeitig auch mit sehr widersprüchlichen Anforderungen sowie unterschiedlichen strukturellen Zwängen konfrontiert (vgl. Teil II, Kap. Lebenslage 3.2.6. Mädchen/ junge Frauen in Ausbildung und
Beruf; Mädchen/ junge Frauen und Arbeitslosigkeit). Jugendarbeit entwickelt auch
zeitgemäße geschlechtsspezifische Angebote zur beruflichen Orientierung von Mädchen und zur Förderung des Ausbildungs- und Berufseinstiegs von Mädchen und
jungen Frauen in das gesamte Berufsspektrum.
Angebote finden in Kooperation und Vernetzung mit anderen relevanten Bereichen
der sozialen Arbeit statt (Schulen, Schulsozialarbeit, Agentur für Arbeit, Beratungsstellen, Stadtteilgruppen …).
Jugendarbeit orientiert sich an den unterschiedlichen Lebenswelten der Mädchen
und gestaltet die Angebote lebensweltorientiert aus. Der Zugang zu den Angeboten
ist freiwillig und niedrigschwellig. Jugendarbeit fördert die Partizipation von Mädchen
auf allen Ebenen und unterstützt Mädchen dabei, ihre Ansprüche öffentlich geltend
zu machen.
23
Konzeptionelle Rahmenbedingungen
Die Konzeption beinhaltet eine geschlechterbewusste Sichtweise. Mädchenarbeit ist
als eigenständiger Ansatz in das Konzept integriert und spiegelt sich wider in den
Angeboten und den methodischen Ansätzen.
Personal
Neue Mitarbeiter/innen werden in geschlechterbewusste Arbeit mit Mädchen und
Jungen als Querschnittsaufgabe in allen Angebotsbereichen eingeführt.
Mädchenarbeit braucht professionelle Ansprechpartnerinnen, die sich mit den Mädchen und jungen Frauen auseinandersetzen und je nach Situation Vorbild, Identifikationsperson oder Reibungsfläche sind. Das Fachwissen zur geschlechterbewussten
Arbeit wird regelmäßig reflektiert und weiterentwickelt (im Team, in Arbeitsgremien,
durch Fortbildungen und Fachtage, Evaluation). Teams werden paritätisch besetzt;
auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund wird Wert gelegt.
Mädcheninteressen werden in politischen Gremien vertreten.
Räume und Ausstattung
Die Einrichtung und die Freiflächen sind so zu gestalten, dass Mädchen und junge
Frauen einen gleichwertigen Zugang wie Jungen und junge Männer haben. Die Interessen beider Geschlechter werden berücksichtigt, didaktisches Material thematisiert
die Lebensrealitäten von Mädchen und jungen Frauen wie von Jungen und jungen
Männern.
Räume werden ganz oder für bestimmte Zwecke Mädchen und jungen Frauen zur
freien Gestaltung zur Verfügung gestellt.
Besondere Bedingungen der Jugendverbandsarbeit
Die Umsetzung der Leitlinien hinsichtlich der Verankerung und Gewährleistung von
Mädchenarbeit in der Jugendverbandsarbeit bedarf der besonderen Berücksichtigung der dort dominierenden ehrenamtlichen Struktur.
24
Absicherung personeller und materieller Ressourcen
zur Unterstützung von Mädchenarbeit in der Jugendverbandsarbeit
Die (ehrenamtlichen) Jugendleiterinnen brauchen die Möglichkeit der Beratung und
Unterstützung durch eine Fachreferentin für Mädchen-/Frauenarbeit um die geschlechtsdifferenzierte Qualifizierung zu gewährleisten und die Mädchenarbeit der
Vereine weiterzuentwickeln. Zentral ist dabei die:
•
Verankerung von Mädchenarbeit in der Grundausbildung der Ehrenamtlichen
•
Vernetzung/Austausch für Mädchenarbeit in der Jugendverbandsarbeit
•
Unterstützung von Frauen in Leitungspositionen in der Jugendverbandsarbeit (Vorbildfunktion, Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen)
3.3.2. Hilfen zur Erziehung
Mädchen und junge Frauen in den Erziehungshilfen sind vielfältigen Belastungen
ausgesetzt: z.B. Armut, Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen, belasteten
Familienverhältnissen (Gewalt, Sucht, Trennung/Scheidung etc.); in Folge davon leben sie häufig in wenig gesicherten Beziehungsmustern.
Daraus ergibt sich ein vielfältiger und ausdifferenzierter Bedarf an Hilfen zur Erziehung.
Ziele
Die Selbstdeutungen von Mädchen und jungen Frauen über ihre Problemsituationen
und Beziehungskonstellationen sind von großer Bedeutung. Ebenso die Vorstellung
darüber, was sie zukünftig erreichen wollen.
Mädchen und junge Frauen werden bei ihrer weiblichen Identitätsentwicklung umfassend unterstützt. Dazu gehören das Erlernen von Bewältigungsstrategien (z.B. bei
Gewalterfahrung) und die Erweiterung von Handlungspotentialen und Ressourcen.
Weitere Ziele sind Hilfe zur Selbst-Ermächtigung und Selbstständigkeit.
25
Konzeptionelle Rahmenbedingungen
Die mädchenspezifischen Standards müssen in Konzeption und Leistungsbeschreibung schriftlicht fixiert und verbindlich umgesetzt werden.
Die spezifischen Bedarfe von Mädchen und jungen Frauen in den Hilfen zur Erziehung müssen auch in koedukativen bzw. gemischtgeschlechtlichen Kontexten
Grundlage pädagogischen Handelns sein.
Angebote
Mädchen und junge Frauen zeigen nach wie vor ein unauffälligeres Bewältigungsverhalten als Jungen und sind auch deshalb in den Hilfen zur Erziehung nicht ihren
(angenommenen) Bedarfen entsprechend vertreten. In der Hilfeplanung, den Angeboten und Zugängen zu den Hilfen zur Erziehung müssen die spezifischen Bedürfnisse und Bedarfe von Mädchen und jungen Frauen immer berücksichtigt werden.
Die subjektorientierte Erarbeitung von Zielen für die Hilfen sowie die Wahl des adäquaten Angebotes müssen auf dieser Grundlage erfolgen. Das kann bedeuten, dass
eine Belegung sozialraumübergreifend bzw. extern erfolgen muss.
Darüber hinaus müssen in allen Hilfebereichen geschlechtshomogene Angebote bestehen. Des Weiteren müssen für Mädchen und junge Frauen separate und geschlechtshomogene Schutz- und Inobhutnahmeplätze vorgehalten werden.
Personal
Die Mitarbeiterinnen arbeiten entsprechend den Grundsätzen der feministischen
Mädchenarbeit: parteilich, subjektorientiert, ressourcenorientiert und ganzheitlich.
Ihre Qualifizierung umfasst Wissen um die vielfältigen Lebenslagen von Mädchen
und jungen Frauen (Sucht, Migration, (sexuelle) Gewalt etc.) und ermöglicht ein methodenvielfältiges und transparentes Arbeiten.
Räumliche Ausstattung
Räume ausschließlich für Mädchen haben eine doppelte Funktion: sie sind sowohl
Schutzräume als auch Frei- bzw. Selbstermächtigungsräume.
Die Räume müssen entsprechend den Bedürfnissen der Mädchen ausgestaltet sein
und Mitgestaltungsmöglichkeiten ermöglichen, auch bezüglich der Ausstattung mit
26
Medien und Materialien. In koedukativen bzw. gemischtgeschlechtlichen Angeboten
wird für Mädchen ein gleichberechtigter Zugang gewährleistet.
Kooperation mit Eltern und Familien
Eltern und Herkunftsfamilie sind ein zentrales Thema für Mädchen und junge Frauen
und werden in der Arbeit mit ihnen entsprechend berücksichtigt.
Die konkrete Ausgestaltung muss individuell und je nach spezifischer Ausgangslage
gestaltet werden, d.h. die Einbeziehung des Familiensystems kann direkt oder indirekt erfolgen. In der Arbeit mit in der Familie traumatisierten Mädchen (z.B. durch
sexuelle Gewalt) sollte die Auseinandersetzung mit der Familie ohne direkten Einbezug derselben erfolgen. Dies muss in der Hilfeplanung berücksichtigt werden.
3.3.3. Beratungsstellen
Das Selbstverständnis von Beratungsstellen beinhaltet eine individuelle und geschlechtsspezifische Sichtweise, die gesellschaftliche Rahmenbedingungen beachtet. Um den besonderen Bedürfnissen von Mädchen und jungen Frauen gerecht zu
werden, sind folgende Standards benannt:
Ziele
Mädchen und junge Frauen werden durch das Beratungsangebot angesprochen und
erreicht.
Die individuellen Lebenslagen der Mädchen und jungen Frauen werden ebenso wie
deren Interessen und Meinungen in der Zusammenarbeit ermittelt und im Beratungsprozess berücksichtigt. Mädchen und junge Frauen werden bei der Wahrnehmung
ihrer Bedürfnisse und ihren Veränderungswünschen ernst genommen und sensibel
unterstützt.
Mit jedem Mädchen und mit jeder jungen Frau werden individuelle Ziele vereinbart,
die am Ende des Beratungsprozesses gemeinsam mit dem Mädchen bzw. der jungen Frau überprüft werden.
Während des Prozesses werden die Mädchen und jungen Frauen so umfassend wie
möglich in ihrer Identitätsentwicklung unterstützt, wobei hier altersspezifische Entwicklungsschritte berücksichtigt werden.
27
Mädchen und junge Frauen werden ermuntert, ihre eigene Fähigkeiten und Stärken
auszubauen, um sich dadurch aktiv an einer positiven Veränderung ihrer Lebenssituation zu beteiligen. Die Arbeitsweise der Beratungsstelle ist hierbei ressourcenorientiert ausgerichtet und hat eine Erweiterung des Handlungsspektrums der Mädchen
und jungen Frauen im Blick.
Konzeptionelle Rahmenbedingungen:
Den Beratungsstellen liegt ein Konzept vor, wie die einzelfallorientierte Arbeit mädchenspezifisch gestaltet sein kann. In diesem Konzept sind auch interkulturelle Fragestellungen einbezogen.
Die Beratung ist geschlechterdifferenziert gestaltet und hat die sich verändernden
Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen im Blick. Berücksichtigung findet
hierbei, dass Mädchen individuell, kulturell und sozialisationsbedingt unterschiedliche
Verarbeitungsmuster zeigen (z.B. in den Bereichen Gewalt, Sucht, Gesundheit, Risikoverhalten).
Der Zugang zu der Beratungsstelle ist für die Mädchen und junge Frauen
niedrigschwellig gestaltet; dies beinhaltet auch, dass zeitnah auf Beratungsanfragen
reagiert wird. Erstgespräche werden innerhalb von zwei Wochen vereinbart, längerfristige Beratungen können nach dem Erstgespräch innerhalb von drei Monaten angeboten werden.
Angebote
Die Angebote tragen den Bedürfnissen und Wünschen der Mädchen und jungen
Frauen Rechnung. Dies wird besonders auch bei einer möglichen Weitervermittlung z.B. in eine stationäre Einrichtung - berücksichtigt.
Mädchen und junge Frauen sind berechtigt, eine Vertrauensperson zur Beratung mit
zu bringen. Auf Wunsch der Mädchen und jungen Frauen werden Eltern oder andere
Bezugssysteme in den Beratungsprozess einbezogen.
Die Beratungsstelle verfügt über Informationen über weiterführende mädchen- bzw.
frauen- sowie problemspezifische Angebote und Einrichtungen.
Es finden Kooperationen zwischen der Beratungsstelle und anderen relevanten Bereichen der Jugendhilfe statt, z.B. durch die Handlungsfeldkonferenzen.
28
Personal
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifizieren sich zur geschlechterbewussten Arbeit.
Persönliche Sichtweisen und Haltungen zu geschlechtsspezifischen Fragestellungen
werden im Team oder in der Supervision reflektiert.
Das gesamte Team trägt die Verantwortung für Beratungsprozesse, in denen geschlechtsspezifische Themen und Fragestellungen berücksichtigt werden.
Bei der Bereichsleitung findet alle zwei Jahre ein Austausch über den Standard der
Mädchenarbeit statt.
3.3.4. Kindertagesbetreuung
Kindertagesstätten sind häufig das erste außerfamiliäre Erfahrungsfeld für Mädchen.
Wesentliche Grundlagen für die Entwicklung einer eigenständigen Identität und Persönlichkeit werden in dieser Altersstufe gebildet. Deshalb ist es in der Kindertagesbetreuung besonders wichtig auch geschlechtsbezogene Arbeit zu leisten, um die
Herausbildung einer positiven Geschlechtsidentität zu unterstützen.
Biographiearbeit/ Eigenreflexion
95% aller Erziehungsfachkräfte sind immer noch Frauen. Vor diesem Hintergrund ist
es wichtig und hilfreich, sich mit der eigenen Biographie und Geschlechtsidentität
auseinander zu setzen, um Mädchen ihre eigenen Entwicklungs- und Erfahrungsräume zu ermöglichen und sie umfassend entsprechend ihren Anlagen und Interessen zu fördern und zu fordern.
Leitfragen:
•
Welche Erziehungsvorstellungen /-ziele und welche Erfahrungen haben mich
in meiner Geschlechtsidentität geprägt?
•
Was ist mir in meiner pädagogischen Arbeit mit Mädchen ganz besonders
wichtig?
•
Über welche Fähigkeiten und Kompetenzen sollten Mädchen aus meiner Sicht
verfügen, wenn sie erwachsen sind?
29
Geschlechtsidentität
Mädchen lernen frühzeitig, sich mit ihrem Geschlecht auseinander zu setzen. Ziel ist
es, sie in dieser Auseinandersetzung über kulturelle Grenzen hinweg zu unterstützen
und zu fördern, damit sie eine positive Geschlechtsidentität entwickeln können. Diese
Auseinandersetzung ist durch Respekt und eine wertschätzende Haltung gegenüber
beiden Geschlechtern geprägt.
Leitfragen:
•
Wie wird das Thema „Ich bin ein Mädchen“ in unserer Einrichtung aufgegriffen?
•
Wie werden Stärken von Mädchen anerkannt und weiter gefördert?
•
Wie können Mädchen Verständnis für Jungen und Jungen Verständnis für
Mädchen erwerben? (Verständnis entwickeln für das Anders-Sein?)
Räume, Spielmaterial und Medien
Jedem Mädchen sollten unterschiedlichste Bildungs- und Erfahrungsräume eröffnet
werden, die mit den unterschiedlichsten Materialien ausgestattet sind. Soweit es
möglich ist, sollten Räumlichkeiten zumindest partiell auch nur von Mädchen genutzt
werden können.
Leitfragen
•
Haben Mädchen in Ihrer Einrichtung die Möglichkeit, sich Räume entsprechend ihren Bedürfnissen und Wünschen eigenständig zu gestalten?
•
Gibt es Rückzugsmöglichkeiten für Mädchen?
•
Wie werden Bilderbücher/ Medien ausgewählt, um eine gelungene Auseinandersetzung über Rollenbilder von Mädchen/ Frauen anzuregen?
Soziales Lernen – Kommunikation und Konflikte
Jedes Mädchen kann sich in der Einrichtung selbst und mit anderen spielend bilden.
Hierbei wird sie in ihrer Neugier und ihrem Eigensinn von den Fachkräften unterstützt. In diesem Klima werden Mädchen auch in einem offenen Kommunikationsund Konfliktverhalten gefordert und gefördert.
30
Leitfragen:
•
Wie unterstütze ich Mädchen darin, ihre Bedürfnisse und Wünsche offen und
klar sowohl gegenüber Gleichaltrigen als auch gegenüber Erwachsenen zu
äußern?
•
Wie unterstütze ich Mädchen darin, Konflikte offen und konstruktiv zu lösen?
Zusammenarbeit mit Müttern und Vätern
Mit jeder Mutter und jedem Vater wird ein kontinuierlicher Dialog über Erziehung und
Entwicklungsziele geführt und eine Erziehungspartnerschaft angestrebt. Inhalte können dabei auch geschlechtsspezifische Themen und Entwicklungsschritte des Mädchens sein (z.B. Sexualentwicklung, Rollenspiele).
31
Kapitel 4: Leitlinien zur Jungenarbeit
4.1. Was heißt Jungenarbeit?
Zum besseren Verständnis der Leitlinien folgt eine Definition von Jungenarbeit anhand einiger zentraler Entwicklungslinien:
„Eine reflektierte Jungenarbeit muss einsichtig machen, warum es sich lohnt, Männlichkeit anders zu begreifen als das unreflektiert erfahren wird. Sie muss einsichtig
werden lassen, warum es Jungen gut tut, Qualitäten bei sich zu entwickeln, die gesellschaftlich nicht hoch im Kurs stehen“ (Uwe Sielert 1989).
Seit etwa 20 Jahren hat sich Jungenarbeit zum eigenständigen pädagogischen Tätigkeitsfeld entwickelt und hält mittlerweile ein beachtliches Methoden- und Anwendungsspektrum für die Praxis bereit. Diese Entwicklung wurde auch von verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven auf dem Hintergrund des Macht- und Geschlechterdiskurses angestoßen. Ausgangspunkt sind Ungleichheiten und Hierarchien zwischen Männern und Frauen in verschiedenen Lebensbereichen (Familie,
Beruf, politische Beteiligung, ökonomische Privilegien usw.), die neue Handlungskonzepte in Theorie und Praxis erforderlich machen. Leitend dabei ist die Annahme,
dass das Geschlechterverhältnis auch als Resultat einer sozialen Praxis begriffen
werden muss, das nicht einseitig auf biologische Kriterien zurückführen ist, sondern
vielmehr durch Strukturmomente wie Arbeitsteilung, Kindererziehung, berufliche Orientierung usw. zustande kommt.
Darauf bauen die Erziehungs- und Bildungskonzepte für Jungen auf, die auf der
praktischen pädagogischen Ebene umgesetzt werden. Jungenarbeit knüpft bei Jungen an sozial-emotionale Beziehungen in Bezug auf Gefühlswelt, Freundschaften,
Familie, Herkunft, Selbstbezug, Lernen, Wissen, Beruf an und bezieht das körperliche Befinden (Sexualität, Gesundheit, Sport und Bewegung) in die Praxis mit ein.
Dabei gehen Männer gezielt auf Stärken und vermeintliche Schwächen ein. Jungen
und junge Männer sollen auf dieser Ebene in ihren emotionalen Bedürfnissen, die im
Alltag nicht die gewünschte bzw. erforderliche Aufmerksamkeit finden, wahrgenommen und bei der Gestaltung ihrer sozialen Beziehungen gestärkt werden. Eine damit
verbundene Aufgabe dieser Männer ist es, Jungen bei der Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität und ihres Selbstwerts zur Seite zu stehen und ihnen dafür differenzierte Angebote und entsprechende Lern- und Erfahrungsräume zu eröffnen. Die
Praxis der Jungenarbeit zeigt, dass Jungen in verschiedenen Lebenslagen und Al32
tersgruppen einen geschützten Rahmen brauchen, um Probleme und Fragen offen
artikulieren und benennen zu können.
4.2. Lebenslagen von Jungen
Zu diesem Thema besteht großer Bedarf an aussagekräftiger Literatur und praxisnahen Materialien, vieles ist Spekulation und beruft sich auf Annahmen, die der Prüfung
bedürfen. Es fehlt bisher an kleinteiligen Forschungsergebnissen, die differenziert
Aufschluss über Lebenslagenkonzepte von Jungen geben. Eindimensionale Wahrnehmungen, Jungen seien Repräsentanten der starken und überlegenen Männerwelt, sind ausdrücklich zu hinterfragen.
Anhand eigener Beobachtungen gehen wir von Lebenslagen bei Jungen aus (vgl.
Kap. 4.2), die auf verschiedenen Aspekte basieren: Sie sind u.a. abhängig von der
Situation des Elternhauses und der Familie, vom Zugang zu Lern- und Bildungsorten,
von sozialen und gesundheitlichen Diensten und auch von Gruppen und Szenen, zu
denen sie sich zugehörig fühlen. In den sozialen Bezugssystemen kommt es darauf
an, welche Freiräume Jungen haben, welchen Zwängen sie dort unterliegen, aber
auch welche Partizipationsmöglichkeiten sie haben. Es liegt an der Verteilung von
Chancen, Unsicherheiten und Risiken, wie sie im Prozess des Heranwachsens ausbalanciert werden. Dabei können ethnische, soziokulturelle, materielle und soziale
Faktoren ausschlaggebend sein - welche männlichen Lebensformen finden Akzeptanz, welche Geschlechterordnungen sind dabei prägend?
Die Leitlinien sollen dazu anregen, dass die geschlechterbewusste Arbeit mit Jungen
und jungen Männern biographische und sozialisatorische Bezugssysteme verstärkt in
den Blick nimmt und sensibler für lebenslagenbedingte Situationen und Entwicklungen wird.
4.3. Fachliche Rahmenbedingungen
4.3.1. Jungen benötigen Männer in der Erziehung!
Der Kanon der Leitlinien ist die Forderung nach pädagogischer Präsenz von Männern, insbesondere im Elementarbereich. Von dort werden eindeutige Signale in Bezug auf geschlechterbewusste Arbeit gesendet, die von Frauen und Männern gemeinsam geleistet werden muss. Dieser Ruf aus dem Elementar-, Vor- und Grund33
schulbereich macht deutlich, dass Jungen von Anfang an Männer für die soziale
Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität brauchen. Und nicht erst im Jugendalter.
Neben der Bedeutung des Vaters in der Erziehung von Jungen (und Mädchen) wird
nicht nur in sozialpädagogischen Fachkreisen immer wieder auf die notwendige Präsenz von Männern im Alltag aufmerksam gemacht. Neuere Ergebnisse aus der Bildungs- und Sozialisationsforschung oder entwicklungspsychologische Erkenntnisse
machen sichtbar, dass männlichen Bezugspersonen für die Jungenerziehung nicht
nur innerhalb der Familie eine zentrale Rolle zufällt. Sondern auch in außerfamiliären
Bereichen wie Kindergarten, Schule oder Jugend- und Vereinsarbeit machen Jungen
dort in verschiedener Art und Weise auf ihre Bedürfnisse aufmerksam, die eine
männliche Positionierung geradezu herausfordert. Oft werden händeringend Männer
gesucht, die als Bezugspersonen in Kontakt zu Jungen gehen und bereit sind, ihnen
zuweilen Grenzen zu setzen.
Männer sind für Jungen in allen Lebensbereichen als Identifikationspartner für ihre
persönliche Entwicklung richtungsweisend. Jungen brauchen auf ihrem Weg zum
Mannsein Väter und männliche Bezugspersonen, die sie verstehen, ihnen Halt und
Orientierung in verschiedenen Lebensbereichen (Familie, Schule, Vereine, Freizeit
usw.) vermitteln und dabei Vorbild sein können.
Eine zentrale Rolle haben dabei qualifizierte Männer aus dem Feld Sozialer Arbeit,
die sich kontinuierlich als originäre Bezugspersonen und Ansprech- bzw. Reflexionspartner anbieten. Grundsätzlich betrifft dies Themen, die Jungen im Umgang mit sich
und anderen bzw. bei der Entwicklung von Handlungsalternativen im Alltag unterstützen. Mit kreativen Lösungsansätzen aus der Jungenarbeit können „jungentypische“ und ritualisierte Verhaltensformen aufgegriffen, thematisiert und bearbeitet
werden.
Wesentliche Themen und Fragen (vgl. Kap. 4.4.), die Jungen und junge Männer erfahrungsgemäß zum Ausdruck bringen, sind:
•
Männliche Autonomie, die Jungen und junge Männer befähigt, ein eigenverantwortliches Leben zu führen und für sich selbst zu sorgen.
•
Umgang mit ihrer Gesundheit und mit Suchtgefahren im Hinblick auf die Förderung ihrer seelischen, geistigen und körperlichen Gesundheit.
•
Fragen zur Sexualität, die für die Entwicklung einer eigenständigen sexuellen Identität wichtig sind.
34
•
Umgang mit Gewalt und Aggression, insbesondere nach Ursachen und Entstehung zu fragen und alternative Strategien zu Gewalthandlungen aufzuzeigen und
einzuüben.
•
Gezielte Begleitung und Förderung bei Bildungs- und Ausbildungsprozessen. Dazu gehört auch, dass neue Zugänge zu Bildungsmöglichkeiten im schulischen wie
außerschulischen Bereich ermöglicht werden.
•
Verständnis für Jungen auch in schwierigen Lebenssituationen. Besonders in
sog. Zwangskontexten ist Konfrontation mit Verhaltensmustern genauso gefragt
wie das Erarbeiten von Perspektiven, die zur Veränderung beitragen.
•
Aspekte ethnischer, kultureller und religiöser Prägungen im Hinblick auf Herkunft,
Tradition und Familie und damit verbundene Rollenbilder. Dazu gehören auch Erfahrungen, die Jungen im Verhältnis von Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten,
z.B. Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen bei Migranten, machen.
•
Zugänge zu Medien im Hinblick auf deren Einflüsse auf Männlichkeitsentwürfe
und Rollenbilder.
4.3.2. Jungenarbeit machen: Implementierung, Weiterentwicklung und Vernetzung der Jungenarbeit
Der Prozess der Implementierung und Weiterentwicklung der Jungenarbeit ist von
gesellschaftlicher Bedeutung, weil er einen direkten Beitrag zu mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen leistet. Dazu bedarf es fachlicher Standards,
einer strukturübergreifenden, dauerhaften Vernetzung der beteiligten Institutionen
und Verbände und einer fortwährenden Überprüfung der Praxis. Zu diesem Prozess
gehören gleichermaßen der Austausch mit Forschung und Lehre sowie regelmäßige
Fachforen und Fortbildungen.
Deshalb besteht die wesentliche Aufgabe darin, Jungenarbeit nach Möglichkeit dort
einzurichten, wo es an jungenpädagogischen Angeboten fehlt und dort zu stärken,
wo sie bereits gemacht wird. Dies kann nicht nur im Interesse einzelner “Jungenarbeiter” geschehen, sondern wesentlich im Interesse der Jungen. Um mehr Männer
für pädagogische Handlungsfelder (z.B. Kinderbetreuung, Grundschule) zu gewinnen, sind neue Wege zu beschreiten und Anreiz fördernde Konzepte zu entwickeln.
Zur Qualifizierung der Mitarbeiter ist die Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsangeboten zu fördern, zur Überprüfung des eigenen Handelns und des fachlichen
Ansatzes müssen Reflexionsangebote zur Verfügung stehen. Ohne den Innovationsdruck der Führungsebenen scheint Jungenarbeit eher Privatsache einzelner Männer
35
zu sein, ist also personenabhängig und erlangt dadurch lediglich temporäre Bedeutung. Sie endet z.B. dann, wenn der Fachmann die Stelle wechselt.
4.3.3. Jungenpädagogische Arbeit durch Frauen und Männer fördern
Die praktische erzieherische Arbeit in öffentlichen Einrichtungen wird mehrheitlich
von Frauen erbracht. Daraus resultieren folglich viele fachlichen Impulse, Fragen und
Anliegen von Frauen, die die pädagogische Arbeit mit Jungen vor Ort betreffen. Oft
fehlt es noch an praxistauglichen Differenzierungen im Hinblick auf Jungenarbeit und
jungenpädagogische Arbeit. Die Erörterung geschlechterpädagogischer Sichtweisen
und Standpunkte setzt voraus, dass Frauen in der Praxis sich mit Männern auseinander setzen können, die zur Klärung und Förderung geschlechtsbezogener Perspektiven beitragen.
Das bedeutet, dass das geschlechterpädagogische Engagement der Frauen vor Ort
durch wirksame männliche Präsenz mindestens ergänzt werden muss. In den Einrichtungen muss geklärt werden, wie und wodurch jungen- bzw. mädchenspezifische
Schwerpunkte gesetzt werden und welche Aufgaben von Männern im Sinne von
Jungenarbeit übernommen werden müssen. Ausgangspunkt dafür ist der Dialog zwischen Frauen und Männern anhand geschlechterdifferenzierender Betrachtungsweisen, um in den jeweiligen Einrichtungen gemeinsame Lern- und Erfahrungsfelder
schaffen zu können - Jungen- bzw. Madchenarbeit und koedukative Methoden bedingen sich dabei wechselseitig.
4.4. Themenstellungen aus der Praxis
Aus der Praxis ergeben sich Themen, die hier im Einzelnen skizziert werden und
gleichzeitig als Ansatzpunkte für die Umsetzung der Leitlinien dienen können. Diese
Themen berühren gleichermaßen Lebenslagen von Jungen und jungen Männern
bzw. entstehen aus ihnen. Im Wesentlichen sind folgende Punkte zu nennen:
36
Jungen brauchen Begleitung und Unterstützung im Umgang mit ihrer Gesundheit und mit Suchtgefahren
Zur Förderung der seelischen, geistigen und körperlichen Gesundheit, die wesentlich
auch mit der sozialen und kulturellen Situation zusammenhängt, bedarf es der Kooperation mit Personen und Institutionen, die in der Lage sind, jungenspezifische
Aspekte von Gesundheit aufzugreifen. Dazu gehören Fachkräfte, die die Bedürfnisse
und Nöte von Jungen kennen und bei der Beratung oder Behandlung aufgreifen.
Jungen brauchen erwiesenermaßen auch in dieser Hinsicht männliche Vertrauenspersonen, die für Gesundheitsfragen aller Art in beratender und begleitender Weise
zur Verfügung stehen.
Neben kreativen Lösungsansätzen und Methoden aus der Jungenarbeit ist hier auch
die Zusammenarbeit mit Ärzten und Gesundheitsdiensten von großer Bedeutung.
Jungen brauchen eine eigenständige, enttabuisierte und selbst bestimmte Sexualität
Jungen benötigen sensible und reflektierte Männer, die ihnen innerhalb eines geschützten Rahmens als Ansprechpartner Orientierung und Rat bei der Entwicklung
ihrer sexuellen Identität geben. Berücksichtigt werden müssen individuelle, religiöse,
kulturelle, soziale und emotionale Einstellungen und Orientierungen zur Sexualität.
Mit Hilfe sexualpädagogischer Ansätze können die eigenen Bedürfnisse der Jungen
erkannt, ihre Phantasien und Ängste und die ihres Umfeldes wahrgenommen und sie
zu verantwortlichen Formen sexueller Kommunikation und Beziehung angeregt werden. In der Praxis zeigen sich hier häufig Ängste und Vorurteile im Umgang mit Homosexualität genauso wie mangelnder Respekt gegenüber der Sexualität der Mädchen. Es muss auf eine positive Bestimmung der männlichen Sexualität hingewirkt
werden, die Jungen bei der Findung und dem Leben sexueller Identität unterstützt.
Jungen brauchen Alternativen im Umgang mit Gewalt
Jungen machen auch durch Gewalthandlungen auf sich aufmerksam. Diese Aufmerksamkeit zeigt sich in Form von personenbezogenen Gewalthandlungen, sowie
in der Zerstörung von Gegenständen. Sie tritt auf als physische oder psychische
Gewalt, ist nach außen oder nach innen gerichtet. Jungen sind aber nicht nur Täter,
sondern genauso Opfer von Gewalt.
37
Hier greift jungenarbeiterische Praxis ein, indem sie Ursachen, Entstehungsbedingungen und Folgen kritisch reflektiert und mit den Jungen Strategien und Konzepte
erarbeitet, die jenseits von dominanten bzw. aggressiven Männlichkeitsstilen liegen
und im Alltag erfolgreich angewendet werden können. Diese Arbeit ermöglicht, dass
Jungen mit Nachdruck über ihr Handeln nachdenken, sich über ihre Stärken und
Schwächen bewusst werden und erfahren, wo ihre Grenzen sind. Ansätze dazu finden sich z.B. in Arbeitsformen wie Mediation, Verhaltenstrainings, Soziale Trainingskurse, Erlebnispädagogik und Anti-Gewalt-Training.
Jungen brauchen in Zwangskontexten eine besondere Unterstützung durch
Jungenarbeit
Erprobte Methoden der Jungenarbeit müssen auch bei Jungen in sog. Zwangskontexten und anderen nicht freiwilligen Maßnahmen angewendet werden. Gerade dort
ist es eine besondere Herausforderung, Verhaltensstrukturen und Rahmenbedingungen aufzuarbeiten und Perspektiven für eine nachhaltige Veränderung zu schaffen.
Es gilt, Strategien, Konzepte und Methoden auf nicht freiwillige Maßnahmen auszudehnen und sie konzeptionell zu sichern. Nur so kann eine reflektierte, geschlechtsspezifische und zielorientierte Betreuung ermöglicht werden. In der Eingliederungsarbeit bietet Jungenarbeit daher genderorientierte Ansätze und die dazu notwendigen Lern- und Erfahrungsfelder.
Interkultureller Ansatz innerhalb der Jungenarbeit
Jungen stehen innerhalb einer von Globalisierung und kultureller Vielfalt geprägten
Gesellschaft in einer ständigen Auseinandersetzung zwischen kultureller Anpassung
und Abgrenzung. Jungen brauchen deshalb Verständnis für ihre persönliche Herkunft, Wissen um ihre Tradition und die Wertschätzung ihrer Person. Dies ist bei der
Jungenarbeit zu berücksichtigen und zu reflektieren. Der interkulturelle Ansatz muss
als Querschnittsthema verstanden werden. Er konkretisiert sich in den zuvor beschriebenen Themenfeldern.
Jungenarbeit schafft durch die Kenntnis der besonderen Bedingungen im Migrationsbereich und der Erarbeitung reflektierter, jungenpädagogischer Konzepte Zugänge zu Jungen, auch aus anderen Kulturen und Ethnien (vgl. Leitlinien zur Integration
und interkulturellen Orientierung der Kinder- und Jugendhilfe in Stuttgart).
38
Jungen brauchen spezifische Angebote im Umgang mit Medien
Die männlichen Rollen in den Medien sind überwiegend eindimensional und fiktiv, sie
stehen im Gegensatz zu einem umfassenden Realitäts- und Identitätsverständnis.
Unreflektierte bzw. unangemessene Bilder von Männlichkeit in Verbindung mit Gewalt verherrlichenden Aktionsmustern und einsilbigen Frauenbildern spielen im Alltag
von Jungen oft eine prägende Rolle. Sie können sich solange ungehindert verfestigen, solange ihnen keine Alternativen entgegen gesetzt werden. Hier braucht es
pädagogische Angebote, die zur Reflexion dieser Rollen anregen und die Vielfalt
männlichen Verhaltens thematisieren. Jungenarbeit ist aufgefordert, dazu Angebote
zu entwickeln, die unmittelbar an der Lebenswirklichkeit ausgerichtet sind.
39
Literatur
Beck, Ulrich. Riskante Freiheiten. (1994). Frankfurt/Main.
Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Gesundheitsamtes zur Jugendgesundheitsstudie Stuttgart 2005 - JuGS (2005). Hrsg.: Gesundheitsamt, Referat Soziales, Jugend und Gesundheit, Landeshauptstadt Stuttgart.
„Im Gender-Dschungel“. Die Kinder- und Jugendhilfe auf neuen Wegen zur Gleichberechtigung. (2005). Hrsg.: Sozialpädagogische Fortbildung Jagdschloss Glienicke.
Berlin.
Jugend 2006. 15. Shell Jugendstudie. (2006). Hrsg.: Shell AG. Frankfurt/Main.
Kommunale Leitlinien zur Förderung der Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen in
der Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen. (2001). Hrsg.: FUMA Frauen unterstützen
Mädchenarbeit e.V. Gladbeck – Text und Kommentar: Claudia Wallner
Leitlinien zur Integration und interkulturellen Orientierung der Kinder- und Jugendhilfe
in Stuttgart. (2005). Hrsg.: Zentrale Trägerkoordination (ZTK) c/o Jugendamt, Referat
Soziales, Jugend und Gesundheit, Landeshauptstadt Stuttgart.
Leitlinien zur Verankerung der geschlechterbewussten Ansätze in der pädagogischen Arbeit mit Mädchen und Jungen in der Jugendhilfe“ (Berliner Leitlinien).
(2004). Hrsg.: Landesarbeitsgemeinschaft „Geschlechterdifferenzierte Arbeit mit
Mädchen und Jungen in der Jugendhilfe“. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und
Sport, Berlin.
Mädchenarbeit in Stuttgart. Grundsätze und Leitlinien. (1995). Hrsg.: Landeshauptstadt Stuttgart, Referat Soziales, Jugend und Gesundheit, Jugendamt. Stuttgart.
Sielert, Uwe. Praxishandbuch für die Jugendarbeit Bd. 2. (1989). Weinheim.
Strohmaier, Jürgen. Sind Sozialpädagogen „neue“ Männer? Konstruktion von Männlichkeit im Feld sozialer Arbeit. (2003). Hamburg.
40
Adressen und Ansprechpartnerinnen für die Leitlinien zur Mädchenarbeit in Stuttgart und mädchenspezifische Belange
AG Mädchenpolitik Stuttgart
Frau Ernst, C/o Stabsstelle für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern der Landeshauptstadt Stuttgart, 70161 Stuttgart, Telefon: 0711/ 216-6395,
E-Mail: [email protected]
Vertreterin für geschlechtsspezifische Belange im Jugendhilfeausschuss
Frau Preiß, MädchenGesundheitsLaden, Lerchenstraße 54, 70176 Stuttgart,
Telefon: 0711/2239982, E-Mail: [email protected]
Facharbeitskreise
Arbeitskreis Mädchenarbeit der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.V.
Frau Hauser (Geschäftsführerin), eva, Abteilung Dienste für junge Menschen, Hackstraße 89, 70190 Stuttgart, Telefon 0711/ 260877, E-Mail: [email protected]
Arbeitskreis Mädchenarbeit der Abteilung Erziehungshilfen des Jugendamts
Stuttgart
Frau Prpic, Jugendamt Stuttgart, Abteilung Erziehungshilfen, Kinderhaus Corneliusstraße, Corneliusstraße 46 A, 70619 Stuttgart, Telefon: 0711/ 4797551,
E-Mail: [email protected]
Arbeitskreis Migrantinnen
Frau Mucke, IN VIA Kath. Mädchensozialarbeit, Offene Dienste, Olgastraße 62,
70182 Stuttgart, Telefon 0711/248931-13, E-Mail: [email protected]
Frauenteam der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart
Frau Zöller, Mobile Jugendarbeit Freiberg/Mönchfeld, Rilkeweg 19, 70457 Stuttgart
Telefon 0711/843874, Fax 0711/8709514, E-Mail: [email protected]
Treff Mädchenarbeit des Stuttgarter Jugendhaus e.V.
Frau Kircher, Stuttgarter Jugendhaus e.V., Schlossstraße 56, 70176 Stuttgart,
Telefon: 0711/23728-20, Email: [email protected]
41
Ansprechpartnerinnen nach Bereichen
Bereich: Bildung, Freizeit, Kultur
Frau Hauser, eva, Abteilung Dienste für junge Menschen, Hackstraße 89, 70190
Stuttgart, Telefon 0711/ 260877, E-Mail: [email protected] (Weitere Schwerpunkte: Wohnen, wohnungslose junge Mädchen und Frauen)
Frau Kircher, Stuttgarter Jugendhaus e.V., Schlossstraße 56, 70176 Stuttgart,
Telefon: 0711/23728-20, E-Mail: [email protected]
Bereich: Gesundheit, Essstörungen, Sucht
Frau Preiß, MädchenGesundheitsLaden, Lerchenstraße 54, 70176 Stuttgart,
Telefon: 0711/2239982, E-Mail: [email protected] (Weitere
Schwerpunkte: Sexualität, Gewalt)
Bereich: Hilfen zur Erziehung, Ambulante Hilfen, Stationäre Hilfen, Wohnungslose Mädchen
Frau Neuwirth, JELLA / Lagaya e.V., Hohenstaufenstraße 17 B, 70178 Stuttgart,
Telefon 0711 / 5406960, E-Mail: [email protected] (Weiter Schwerpunkt: Sucht)
Frau Österle, Kinderzentrum St. Josef, Haußmannstraße 16, 70188 Stuttgart, Telefon: 0711/ 2536090-11, E-Mail: [email protected]
Frau Prpic, Jugendamt Stuttgart, Abteilung Erziehungshilfen
Kinderhaus Corneliusstraße, Corneliusstraße 46 A, 70619 Stuttgart
Telefon: 0711/ 4797551, E-Mail: [email protected]
Bereich Migration, Zwangsheirat, interkulturelle Kompetenz
Frau Mucke, IN VIA Kath. Mädchensozialarbeit, Offene Dienste, Olgastraße 62,
70182 Stuttgart, Telefon 0711/248931-13, E-Mail: [email protected] (Weitere
Schwerpunkte auch: Migration, junge russisch-sprechende MigrantInnen und Sucht,
Zwangsheirat, sexuelle Gewalt / häusliche Gewalt)
ROSA / eva e.V., Postfach 401067, 70469 Stuttgart, Telefon 539825, E-Mail:
[email protected]
Bereich: Sexualität, Verhütung
Frau Staufer, Pro familia Stuttgart, Theodor-Heuss-Straße23, 70174 Stuttgart, Telefon 0711/65679073, E-Mail: [email protected]
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Bereich: Sexuelle Gewalt
Frau Specht, Kobra e.V., Hölderlinstraße 20, 70174 Stuttgart, Telefon 0711/ 162970
E-Mail: [email protected]
Bereich: Tageseinrichtungen für Kinder
Frau Müller, Bereichsleitung Kindertagesbetreuung, Emil-Schuler-Platz 1, 70435
Stuttgart, Telefon 0711/216-5219, E-Mail: [email protected]
Bereich: Übergang Schule, Ausbildung, Beruf
Frau Mucke, IN VIA Kath. Mädchensozialarbeit, Offene Dienste, Olgastraße 62,
70182 Stuttgart, Telefon 0711/248931-13, E-Mail: [email protected]
Überregional
LAG Mädchenpolitik Baden-Württemberg
Frau Sammet, Siemensstraße 11, 70469 Stuttgart, Telefon 0711/8382157,
E-Mail: [email protected]
Die aktuellen Namen und Bereiche der sieben Sprecherinnen sind über die Geschäftsstelle zu erfahren oder unter www.lag-maedchenpolitik-bw.de
Akademie der Jugendarbeit Baden-Württemberg e.V.
Frau Liedtke, Siemensstraße 11, 70469 Stuttgart, Telefon 0711/ 89691554,
E-Mail: [email protected]
AGJF Baden-Württemberg e.V.
Frau Suerkemper, Siemenstraße 11, 70469 Stuttgart, Telefon 0711/ 896915-20
BDKJ Diozösanstelle / Bischöfliches Jugendamt
Antoniusstraße 3, 73249 Wernau, Telefon 07153/3001-132, www.bdkj.info
Evangelische Frauen in Württemberg (EFW)
Gymnasiumstraße 36, 70174 Stuttgart, Telefon 0711/2068-279, E-Mail:
[email protected]
Evangelisches Jugendwerk in Württemberg
Frau Volz, Frau Ulmer, Häberlinstraße 1-3, 70563 Stuttgart, Telefon 07111/9781-255
Landesjugendring Baden-Württemberg e.V.
Frau Reichert, Siemensstraße 11, 70469 Stuttgart, Telefon 0711/16447-0, E-Mail:
[email protected]
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Adressen und Ansprechpartner für die Leitlinien zur Jungenarbeit
in Stuttgart und jungenspezifische Belange
Facharbeitskreis Jungenarbeit Stuttgart
Herr Stein, c/o Stadtjugendring Stuttgart e.V., Junghansstr. 5, 70469 Stuttgart
Tel.: 0711/23726-21, E-Mail: [email protected]
Arbeitskreis Jungenarbeit der Abteilung Erziehungshilfen, Jugendamt Stuttgart
Herr Nagel, Jugendamt Stuttgart, Abteilung Erziehungshilfen, Wilhelmstraße 3
70182 Stuttgart, Tel.: 0711/8160809, E-Mail: [email protected]
Männerteam der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart
Herr Götz c/o Mobile Jugendarbeit Stuttgart-Ost, Hackstr. 89, 70190 Stuttgart
Tel.: 0711/ 260 877, E-Mail: [email protected]
Arbeitskreis Männer-/Jungenarbeit des Stuttgarter Jugendhaus e.V.
Herr Dobers, Stuttgarter Jugendhaus e.V., Schlossstr. 56, 70176 Stuttgart
Tel.: 0711/23726-16, E-Mail: [email protected]
pro familia Stuttgart
Herr Schütz, Theodor-Heuss-Straße 23, 70174 Stuttgart, Tel.:0711/ 656790-73
E-Mail: [email protected]
JunGs – Jungengesundheitsprojekt Stuttgart e.V.
Herr Caesar, Graf-von-Galen-Straße 33, 70565 Stuttgart, Tel.: 0711/ 7155437
E-Mail: [email protected]
Web: www.jungengesundheitsprojekt.de
überregional
LAG Jungenarbeit Baden-Württemberg e.V.
Herr Bocka c/o Haus der Jugendarbeit Baden-Württemberg, Siemensstr. 11
70469 Stuttgart, Tel.: 0173/3431464, E-Mail: [email protected]
Hier auch weitere regionale Ansprechpartner für Jungenarbeit
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Akademie der Jugendarbeit Baden-Württemberg e.V.
Herr Bocka, Siemensstr. 11, 70469 Stuttgart, Tel.: 0711/896915-54
E-Mail: [email protected]
Evangelischer Gemeindedienst
Herr Burghardt, Fachbereich Männerarbeit und Kirchentag, Postfach 101352,
70012 Stuttgart, Tel.: 0711 / 2068-256, E-Mail: [email protected]
Bischöfliches Ordinariat
Herr Kugler, Hauptabteilung Kirche und Gesellschaft, Fachbereich Frauen und Männer, Jahnstraße 30, 70597 Stuttgart, Tel.: 0711/9791-233,
E-Mail: [email protected]
Paritätisches Jugendwerk Baden-Württemberg e.V.
Herr Kabs , Haußmannstr. 6, 70188 Stuttgart, Tel.: 0711/2155 - 204
E-Mail: [email protected]
Sowit –Sozialwissenschaftliches Institut GbR
Herr Dr. Winter, Ringstraße 7, 72070 Tübingen, Tel.: 07071/975 813
E-Mail: [email protected]
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Die Leitlinien zur geschlechterbewussten Arbeit wurden verfasst von:
Mädchenleitlinien:
Susanne Alex, eva e.V.
Sylvia Beck, Stadtjugendring (bis Aug. 06)
Astrid Burkard, eva e.V.
Hannelore Ernst, Stabsstelle für Chancengleichheit, Stadt Stuttgart
Sonja Hauser, eva e.V.
Gabi Kircher, Stuttgarter Jugendhaus e.V.
Irmtraud Müller, Jugendamt, Abt. Kindertagesbetreuung
Ulrike Mucke, IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit
Heidrun Neuwirth, JELLA/Lagaya e.V.
Monika Österle, Kinderzentrum St. Josef
Dagmar Preiss, MädchenGesundheitsLaden
Christa Specht, Kobra e.V.
Kristina Staufer, Pro familia Stuttgart
Barbara Straub, Jugendamt, Jugendhilfeplanung
Natascha Zöller, Mobile Jugendarbeit Freiberg/Mönchfeld
Jungenleitlinien:
Wolfgang Caesar, Jugendamt, Abt. Erziehungshilfen
Gert Dannenmann, Stadtjugendring/Sportkreisjugend
Andreas Dobers, Stuttgarter Jugendhaus e.V.
Edgar Götz, Evangelische Gesellschaft, Mobile Jugendarbeit
Werner Kübler, Jugendamt, Abt. Jugendgerichtshilfe
Georg Nöth, Katholischer Stadtverband, Kinderhaus Wilde Wanne
Giuseppe Sassano, Caritasverband, psychologische Beratungsstelle
Joachim Stein, Stadtjugendring
Dr. Jürgen Strohmaier, Jugendamt, Jugendhilfeplanung
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