Marlene Dietrich und Alfred Lion
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Marlene Dietrich und Alfred Lion
KUNST UND KULTUR № 3 (3) September 2014 JÜDISCHE RUNDSCHAU Marlene Dietrich und Alfred Lion 29 Ein Flüchtlingsgeistergespräch Von Ralf FRODERMANN AL: Die Sandrock – Adele – hat mir irgendwann auch so etwas erzählt. MD: So? AL: Ja. «Falls Sie es interessiert», meinte sie, «und unter uns: Meine besten Liebhaber waren immer Juden.» MD: Über so etwas rede ich gewöhnlich nur am Telefon. Und nicht mit jedem. Nicht jeder ist eben ein Remarque, Hemingway, Gabin oder Mario Simmel. AL: Nicht jeder schwingtingt, sage ich dazu. Und schwingen muss der Laden! MD: Deiner wie meiner. Konkurrenz machte wetterfest und nährte den Neid. AL: Und die Schadenfreude, seine innig geliebte Stiefschwester. – Ein Gläschen Chartreuse? MD: Nicht für mich! Zigarette? AL: Danke vielmals! MD: Männer, die nicht rauchen, sind mir verdächtig. AL: Darf ich eine Platte auflegen? MD: Wer, wenn nicht du! Als wollte Yves Saint Laurent mich fragen, ob er mir ein Kleid oder einen Hut zeigen darf. AL: Als Hiroshima mon amour der Duras erschienen war, sollst du gereizt gesagt haben, dass du nun deinerseits Auschwitz mon petit chou verfassen würdest. MD: Das ist wahr. Was soll’s! Das zynische Handwerk dieser Künstler ist nicht meins. – Mit der Befreiung der Lager war der Antisemitismus nicht erledigt. AL: Dann ist alles machtlos dagegen. MD: SO darf eben der Bogen nicht brechen, die Sehen nicht reißen! für Coco Schumann Aufblende Marlene Dietrich (1901–1992) und Alfred Lion (1908–1987), beide aus Schöneberg in Berlin und als Kinder fast Nachbarn, kannten einander nicht persönlich. Nach der Emigration 1933 in die Vereinigten Staaten wurden sie dort rasch zu maßgeblichen Protagonisten genuin amerikanischer Kunstformen: Film und Jazz. Zwei Filme – «Marlene – Portrait eines Mythos» (1984) von Maximilian Schell und «Blue Note – A Story of Modern Jazz» (1996) von Julian Benedikt – geben Einblicke in Leben, will sagen Denken und Arbeit zweier Weltbürger aus Schöneberg, deren Humanität in Deutschland nicht gefragt war. Das nachfolgende «Geistergespräch» enthält neben Originalzitaten, die nicht eigens gekennzeichnet sind, Intuitionen des Verfassers, die sich einer universellen Moral verpflichtet wissen wollen, für welche die Namen Marlene Dietrich und Alfred Lion einstehen, und um die es heute wie damals schlecht bestellt ist. Sequenz 1 MD: In unserer Klasse waren alle Mädchen Jüdinnen, außer mir und einem anderen Mädchen. An jüdischen Feiertagen hatten wir schulfrei. Das war großartig! Nach ein paar Jahren änderte sich die Zusammensetzung der Klasse, und nur noch ein Drittel waren Juden. Das Niveau der Klasse ging sofort zurück, das ist eine Tatsache. Ich will nicht sagen, dass es keine hochintelligenten Goyim gibt, aber im allgemeinen ist der jüdische Geist stets profunder und brillanter. In der Klasse schrieben wir immer heimlich aus den Heften der jüdischen Mädchen ab. Sequenz 2 Musik von Lou Donaldson AL: You are listening to Mr. Lou Donaldson, Marlene. MD: Richard Tauber wäre mir heute lieber, Alfred. AL: Den haben wir nicht unter Vertrag gehabt bei Blue Note. MD. Sidney Bechet? AL: Ja; der floh in die Gegenrichtung, von New Orleans nach Paris. Abblende (Codizill) legt eine Bechet - Platte auf MD: Auch der Kreole hatte nirgendwo ein Zuhause. Ist grober Unfug, Heimat, Zuhause. Das Exil war immer mein Zuhause. AL: Ich starb in San Diego, zuhause im Exil. Nicht alles geschieht zuhause. MD: Meistens nur das Schlimmste! Das ist unser beider Tod ja nicht gewesen. AL: Nein, gewiss nicht. So verschieden wir sonst voneinander sind, der zurückhaltende Jazz-Produzent und die flamboyante Entertainerin, Sängerin, Schauspielerin. MD: Bitte um umgekehrte Reihenfolge. AL: Jede Bitte ist erfüllt! «Marlene marschierte an der Seite der Widerstandskämpfer und unversöhnlichen Feinde alles Deutschen...es wäre für sie und für uns besser, sie bliebe dort, wo sie ist.» Badisches Tagblatt, 24. März 1960 «Mein Orchester hatte Persönlichkeit, das waren 16 verrückte Jungs mit derselben Idee. Swing, das war damals Avantgarde. So wie heute Hip-Hop oder Rap. Da wurde Musik gegen den Strich gebürstet und dem Mainstream eine lange Nase gezeigt. Wir haben, kann man sagen, Revolution gemacht in der Musik.» Teddy Stauffer Sequenz 3 «die Arche suchend rückwärts in der Wandelgängen der Erinnerung» Nelly Sachs, Teile dich Nacht AL: Mich fragte einer, ob sich Jazzstandards zu ihrer Improvisation verhalten wie Thora zu Talmud. Habe erst kein Wort verstanden. MD: Und dich dann an die Vorstellung gewöhnt, eine Art Jazzrabbi zu sein? AL: Erlaube mir bitte, die Kirche im Dorf zu lassen. Aus Aufschneiderei bescheiden zu sein, liegt mir so wenig wie dir. MD: Wie verhält es sich denn nun mit jenem Verhältnis? AL: Text und Auslegung, diese folgt jenem. MD: Wie der Schauspieler seinem Textbuch. AL: Eine Improvisation entzündet sich wie ein Streichholz. MD: Und verlischt, einer Geste gleich. AL: So viel Verständnis hatte ich kaum mehr erwartet. MD: Ich bitte dich, Alfred. Wir sind alte Schule. AL: Das heißt wohl der Geschmacklosigkeit entwöhnt, wie? MD: Auf dich ist Verlass; legst du noch eine Platte auf? AL: Jetzt kommt für dich der Tauber. Auf Schellack! MD: Keep swinging, Al! AL: Certainly, Marlene. Katalog zur Ausstellung «Marlene Dietrich» 10. November 1995 – 21. Januar 1996 (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn.) 1995/1998 Ralf Frodermann, geb. 1959 in Bad Salzuflen, ist Autor (Publikationen u.a. in Jazzpodium, jungle world, Prodomo; Buchautor von «Im Rücklicht der Gegenwart /Inventionen I» Berlin, 2012), lebt und arbeitet in Watzum, Niedersachsen, seine Website ist: www.universitaet.bock- SKI L A OW A L S K I K N E W r aße st JOCH M A X KO Ry k e e g T o NG nag SI | Sy | 20 h . 9 . 4 AND B V Y & sic E L IN mu e o M YAS ad – Ladinge Rykestraß rt o Libe ag | Syn h . | 20 10. 9 N W ße E H O tra AI C goge Rykes H S I a AV | Syn 0h .|2 14. 9 10 0 . 84 e: 03 tlin etho tick I TR TH S ING S 9 89 0 4. in l r e b 014 9. 2 ge.org . 4 1 urta 9. – jue e-k disch ult