Polizeiliche und behördliche Begleitung

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Polizeiliche und behördliche Begleitung
Landtag von Sachsen-Anhalt
Drucksache 6/2786
14.02.2014
Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung
Abgeordnete Henriette Quade (DIE LINKE)
Polizeiliche und behördliche Begleitung Rechtsrockfestival „In.Bewegung“ am
10. August 2013 in Berga II
Kleine Anfrage - KA 6/8165
Vorbemerkung des Fragestellenden:
Am 20. November 2013 antwortete die Landesregierung auf meine Kleine Anfrage
„Polizeiliche und behördliche Begleitung Rechtsrock-Festival 'In.Bewegung' am
10. August 2013 in Berga“ in der Drucksache 6/2588. Aus den Antworten ergeben
sich mehrere Fragen.
Laut Antwort der Landesregierung wurden die Musikstücke „Ruhm und Ehre der
Deutschen Wehrmacht“ (Oidoxie) und „Kraft für Deutschland“ (Strafmaß) trotz Indizierung per Auflage zur Darbietung genehmigt. Erst bei einer Überprüfung unter Einbeziehung der BPjM im Nachgang sei diese Indizierung offenkundig geworden. Laut
Auskunft der BPjM bzw. aus ihren Entscheidungen ersichtlich, sind folgende Titel
ebenfalls indiziert und als jugendgefährdend klassifiziert, konnten aber dennoch dargeboten werden:
- „Trotz Verbot nicht tot“, „Unser Land“ und „Deutsche Jugend“ der Gruppe „Kraftschlag“
- „Terrormachine" (hier von „Strafmaß“ dargeboten), „Deutschland“ und „Rechtsrockmafia“ der Gruppe „Oidoxie“.
Laut Auskunft der Landesregierung wurde die vom Veranstalter vorgelegte Liste der
vorgesehenen musikalischen Darbietungen im Vorfeld durch die Polizeidirektion
Sachsen-Anhalt Süd auf strafrechtliche und jugendschutzrechtliche Relevanz
überprüft.
(Ausgegeben am 17.02.2014)
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Antwort der Landesregierung
erstellt vom Ministerium für Inneres und Sport
Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:
1.
Wie erfolgte diese Überprüfung, welche Referate und Fachbereiche der PD
oder des Ministeriums für Inneres und Sport waren daran beteiligt und
welche Datenbanken bzw. Fachstellen wurden in diese Überprüfung einbezogen?
Der Veranstalter hatte am 29. Juli 2013 dem für versammlungsrechtliche Angelegenheiten zuständigen Dezernat 21 der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd
(im Folgenden PD Süd) eine Auflistung der Interpreten, Liedtitel und Liedtexte
per E-Mail übersandt. Insgesamt waren 106 Liedtitel aufgelistet, die von bestimmten Musikgruppen vorgetragen werden sollten. Die Auflistung wurde dem
Bereich Zentrale Kriminalitätsbekämpfung (ZKB), Fachkommissariat 5 (Polizeilicher Staatsschutz), zur Prüfung auf straf- und jugendschutzrechtliche Relevanz übergeben.
Die Prüfung erfolgte daraufhin ausschließlich durch Recherche in der „Datenbank Rechtsextremismus (DAREX)“ des Bundeskriminalamtes. Die PD Süd
verfügt über einen Online-Zugriff auf die Datenbank. Die Datenbank enthält neben gerichtlichen Entscheidungen zur Beschlagnahme von Tonträgern auch die
Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (im Folgenden BPjM). Am 31. Juli 2013 übergab das Fachkommissariat 5 das Ergebnis der Überprüfung an das Dezernat 21.
2.
Wie erklärt die Landesregierung die Diskrepanz zwischen der in der Antwort auf meine Kleine Anfrage genannten Zahl und der in der zitierten
Auskunft der BPjM genannten Titel? Wie gestaltete sich die „Einbeziehung der BPjM“, von der die Landesregierung in der Antwort auf meine
Kleine Anfrage berichtet?
Den weiteren Ausführungen ist voranzustellen, dass die BPjM keine einzelnen
Liedtitel indiziert, sondern Trägermedien (z. B. Tonträger). Die erfragte „Einbeziehung der BPjM“ erfolgt durch telefonische oder schriftliche Anfrage an die
BPjM dahingehend, ob bestimmte Musikstücke indiziert sind. Dabei sind neben
dem Liedtitel grundsätzlich auch der Interpret und der Tonträger zu benennen,
worauf die BPjM bei zurückliegenden Anfragen mehrfach hingewiesen hat. Diese Benennung setzt voraus, dass der anfragenden Stelle auch der Tonträger
bekannt ist, auf dem sich der Liedtitel befindet.
Zur Überprüfung der sechs Liedtitel, die nunmehr Gegenstand dieser Kleinen
Anfrage sind, hat die PD Süd insgesamt 98 Tonträger durchgesehen und mit
den vom Veranstalter vorgelegten Liedtiteln und Liedtexten abgeglichen. Dabei
wurde festgestellt, dass die Liedtitel teilweise auf verschiedenen Tonträgern einer Musikgruppe - häufig auch in unterschiedlichen Textversionen - veröffentlicht wurden. Auch wurde festgestellt, dass einige Musikgruppen Liedtitel anderer Musikgruppen spielen bzw. diese auf ihren Tonträgern veröffentlichen.
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Zum Ergebnis ihrer Prüfung im Einzelnen hat die PD Süd wie folgt berichtet:
Liedtitel „Trotz Verbot nicht tot“ - Gruppe „Kraftschlag“
Der Titel befindet sich auf mehreren Tonträgern, die wegen ihres strafrechtlich
relevanten Inhalts indiziert sind (Strafbefehl AG Pinneberg, Beschluss AG Tiergarten und Urteil LG Stuttgart wegen Verstoßes gegen §§ 86a, 130 und
131 StGB).
Nach den aus DAREX gewonnenen Erkenntnissen war jedoch nicht ersichtlich,
dass der in Berga vorgetragene Liedtitel „Trotz Verbot nicht tot“ maßgeblich für
die Bewertung der genannten Tonträger war. Im Übrigen weicht der in Berga
vorgetragene Liedtext inhaltlich von dem auf den Tonträgern enthaltenen Text
ab. Dieser abweichende Text enthält nach Einschätzung der PD Süd keine Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Relevanz.
Liedtitel „Deutsche Jugend“ - Gruppe „Kraftschlag“
Dieser Titel ist auf acht Tonträgern zu finden. Der Liedtext wurde in einer Entscheidung des AG Pinneberg wegen Verstoßes gegen § 130 StGB als strafrechtlich relevant eingeschätzt .
Der in Berga vorgetragene Liedtext weicht allerdings inhaltlich von dem Text,
welcher der Bewertung durch das AG Pinneberg zu Grunde lag, ab.
Liedtitel „Unser Land“ - Gruppe „Kraftschlag“
Dieser Titel ist auf zehn Tonträgern zu finden. Der Liedtext wurde in einer Entscheidung des AG Pinneberg wegen Verstoßes gegen §§ 130 und 131 StGB
als strafrechtlich relevant eingeschätzt.
Der in Berga vorgetragene Liedtext weicht allerdings inhaltlich von dem Text,
welcher der Bewertung durch das AG Pinneberg zu Grunde lag, ab.
Nach Sichtung der in Berga vorgetragenen abweichenden Texte der Titel
„Deutsche Jugend“ und „Unser Land“ hatte die PD Süd zunächst keinen Anhaltspunkt für eine Straftat gesehen. Gleichwohl wurden diese Texte nunmehr
der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung auf strafrechtliche Relevanz vorgelegt.
Liedtitel „Terrormachine“ - Gruppe „Strafmass“
Bei dem Liedtitel „Terrormachine“, der in Berga von der Gruppe „Strafmass“
vorgetragen wurde, handelt es sich um einen Titel, den die Gruppe „Oidoxie“
auf ihrem Tonträger „Oidoxie 10 Jahre Terrormachine“ veröffentlicht hat.
Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Stuttgart erfüllt der Liedtext den
Straftatbestand des § 126 StGB (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten). Eine gegenteilige Auffassung wird von der Staatsanwaltschaft Dresden vertreten, die den Text nicht als strafrechtlich relevant ansieht.
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Die BPjM führt den Tonträger auf der Indizierungsliste B (Tonträger mit strafrechtlich relevantem Inhalt). Maßgeblich war u. a. auch der Liedtitel „Terrormachine“.
Da wegen des Liedvortrages in Berga ein Anfangsverdacht einer Straftat nicht
ausgeschlossen werden kann, wurde der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft
vorgelegt.
Im Übrigen war die PD Süd zum Zeitpunkt der Recherche im Vorfeld der Versammlung davon ausgegangen, dass es sich um einen Titel der Gruppe
„Strafmass“ handele. Es war nicht bekannt, dass es sich tatsächlich um einen
Titel der Gruppe „Oidoxie“ handelt.
Die daher zunächst mit der Kombination Interpret / Gruppe und Musiktitel geführte Recherche in DAREX führte zu keiner Anzeige eines indizierten Tonträgers.
Liedtitel „Deutschland“ - Gruppe „Oidoxie“
Die Gruppe „Oidoxie“ hat auf dem Tonträger „Terrormachine“ einen Liedtitel
„Deutschland“ veröffentlicht. Dieser wird bei einer DAREX - Recherche zunächst als zu einem indizierten Tonträger gehörig angezeigt; er war jedoch
nicht maßgeblich für die Indizierung dieses Tonträgers. Zunächst war davon
ausgegangen worden, dass die Gruppe „Oidoxie“ eben diesen Titel in Berga
vorgetragen hat.
Die nunmehr erfolgte Recherche hat jedoch Folgendes ergeben: Das in Berga
vorgetragene Lied hat einen englischen Text. Dieser Liedtitel ist auf dem Tonträger „Deutsch-Schwedisches Freikorps Vol. 2 / Split CD“ enthalten, den die
Gruppen „Vinterdis“ und „Oidoxie“ gemeinsam herausgegeben haben. Bei dem
Liedtitel „Deutschland“, der sich auf diesem Tonträger befindet, handelt es sich
ursprünglich um einen Titel der Gruppe „No Remorse“. Die Gruppe „No Remorse“ hat diesen Titel auf dem Tonträger „Deutschland“ veröffentlicht, der aufgrund einer Entscheidung der BPjM (Indizierungsentscheidung Nr. 76324 V
vom 16. November 2006) auf Liste B geführt wird. Ob nun dieses Lied als strafrechtlich relevant anzusehen ist und damit zur Aufnahme des Tonträgers in die
Liste B geführt hat, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen.
Da jedoch ein Anfangsverdacht einer Straftat beim öffentlichen Vortragen des
Liedes nicht auszuschließen ist, wurde der Sachverhalt der Staatsanwaltschaft
zur Prüfung vorgelegt.
Liedtitel „Rechtsrockmafia“ - Gruppe „Oidoxie“
Der Liedtitel „Rechtsrockmafia“ befindet sich auf dem Tonträger „DeutschSchwedisches Freikorps Vol. 2 / Split CD“, herausgegeben von den Gruppen
„Vinterdis“ und „Oidoxie“. Der Tonträger wird auf Liste A der BPjM geführt. Allerdings war der Titel offensichtlich nicht maßgeblich für die Indizierung, da sich
in der hierzu veröffentlichten Begründung der Entscheidung kein Hinweis darauf
findet.
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3.
Laut Auskunft der Landesregierung kamen auch Titel, u. a. acht Titel des
Liedermachers Frank Rennicke, die nicht im Vorfeld angezeigt wurden,
zur Darbietung. Vor Ort wurde gegenüber dem Versammlungsleiter verfügt, dafür zu sorgen, dass das Vortragen von Musikstücken, die nicht in
der Beschränkungsverfügung als „genehmigt“ aufgelistet sind, unterbleibt. Eine abschließende Auskunft zur Zahl der nicht im Vorfeld eingereichten, aber dennoch dargebotenen Titel, sei jedoch erst nach der vollständigen Auswertung des vorhandenen Videomaterials möglich. Wann
ist mit der abschließenden Auswertung des Videomaterials zu rechnen?
Die Auswertung des Videomaterials ist zwischenzeitlich abgeschlossen. Danach wurden acht Liedtitel durch den Liedermacher Frank Rennicke vorgetragen, die nicht Gegenstand der Anmeldung waren. Außerdem hat die Gruppe
„Kraftschlag“ das Lied „Ha, Ha, Antifa“ vorgetragen, was ebenfalls nicht in der
Anmeldung angegeben war.
Die Liedtexte der Gruppe „Painful Awakening“ waren im Fall von acht Musikvorträgen akustisch unverständlich, so dass keine Zuordnung möglich ist.
4.
Warum wurden die festzustellende Auflagenverletzung (Darbietung nicht
angemeldeter Titel) und der Verstoß gegen die Verfügung vor Ort nicht
zum Anlass genommen, die Veranstaltung abzubrechen oder anderweitig
zu intervenieren? Welche Konsequenz hat dieses Verhalten des Veranstalters und der auftretenden Musiker mit Blick auf künftige Veranstaltungen,
insbesondere bezüglich der behördlichen Einschätzung ihrer Zuverlässigkeit?
Die Verfügung enthielt keine Beschränkung, wonach das Vortragen von Liedtiteln, die nicht Gegenstand der Anmeldung waren, untersagt war. Daher liegt in
diesem Fall auch kein Verstoß gegen eine Beschränkung vor. Es handelt sich
hier vielmehr um eine Abweichung von der Anmeldung. In diesem Fall liegt es
gemäß § 13 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 VersammlG LSA im Ermessen der Versammlungsbehörde, die Versammlung aufzulösen.
Die Abweichungen im Fall der Vorträge des Liedermachers Frank Rennicke
wurden jedoch erst nach Auswertung des Videomaterials und damit nach Beendigung der Veranstaltung festgestellt. Gleiches gilt für eine eventuelle Abweichung zwischen der Anmeldung und den Vorträgen der Gruppe „Painful Awakening“.
Hinsichtlich der Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Vortrag des Liedes
„Ha, ha, Antifa“ der Gruppe Kraftschlag wird auf die Ausführungen der Antwort
auf die Frage 5 der Kleinen Anfrage KA 6/8073 verwiesen. Da dieses Lied am
Ende der Veranstaltung vorgetragen wurde, erübrigte sich ein weiteres Einschreiten.
Die gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen angekündigten und tatsächlich vorgetragenen Liedern werden bei der Erstellung
künftiger Gefahrenprognosen berücksichtigt.
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5.
Laut Auskunft der Landesregierung waren ca. 160 Polizeibeamte unmittelbar am Versammlungsraum im Einsatz. Bereits in meiner ersten Kleine
Anfrage fragte ich die Landesregierung allerdings, wie viele Beamte unmittelbar auf dem Konzertgelände, also nicht am, sondern im Versammlungsraum im Einsatz waren. Daher stellt sich die Frage nach wie vor.
Wie viele Beamte waren unmittelbar auf dem Konzertgelände, im Versammlungsraum, im Einsatz? Wie viele Beamte der Polizei oder anderer
Behörden, die auf rechte und neonazistische Musik und/oder indizierte Titel spezialisiert sind und/oder besondere Qualifikationen haben, waren im
Versammlungsraum im Einsatz?
Eine Kontrolle im Versammlungsraum wurde nicht durchgeführt. Allerdings war
das Geschehen auf dem Gelände von der Aufstellfläche der Polizei visuell und
akustisch wahrnehmbar. Zwei sprachkundige Polizeibeamte (englische Sprache) befanden sich unmittelbar im Versammlungsraum.

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