reim, m. I. Herkunft und verwandtschaft. neben dem erst mhd

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reim, m. I. Herkunft und verwandtschaft. neben dem erst mhd
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Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. Online-Version vom 20.01.2017.
reim, m.
I. Herkunft und verwandtschaft. neben dem erst
mhd. erscheinenden rîm, nhd. reim versus,
homoioteleuton steht ein ahd. rîm (einmal auch
mit vorgetretenem h hrîm), series, numerus
Graff 2, 506. letzteres ist altes gemeingermanisches besitzthum; gothisch mangelt ein beleg,
altn. entspricht rîm, das die besondere bedeutung
verzeichnis, calendarium angenommen hat, alts.
rîm zahl in unrîm grosze menge Hel. 409, ags.
rîm zahl, reihenfolge. hierzu gehört ein schwaches verb. ags. rîman, ahd. gi- und irrîman zählen, altn. fehlt ein entsprechendes verbum; daneben im ahd. das starke verbum girîman, prät.
gireim, zu etwas gezählt werden, zukommen; vgl.
unter reimen. Fick2 389 vergleicht griech.
ἀριθμὸς, ἀριθμέω; altirisch rími- rechnen, zählen,
do-rimi erzählen, rimaire rechner, bildungen, aus
indogermanischem ar fügen entsprossen. mhd.
rîm, nhd. reim in dem sinne gereimter vers, endreim eines solchen und in davon abgeleiteten
bedeutungen ist ebenfalls durch alle späteren germanischen sprachen verbreitet und im romanischen sind gleiche bildungen vorhanden. den germanischen worten rîm im nord. mhd. mnd. fries.,
nld. rijm, mittelengl. rime (das aber vielleicht
dem franz. entlehnt ist), neuengl. rhyme (wol auf
grund der herleitung von rythmus) entsprechen
franz. rime, ital. span. portug. provenz. rima;
auch neugriech. ῥῖμα ist zu vergleichen. dem
mhd. rîmen steht ebenso zur seite das romanische rimar, rimer. die viel erörterte frage nach der
herkunft des mhd. rîm, franz. rime, und ihrem
verhältnis zu einander kann nur durch eine sorgfältige untersuchung der entstehung und ersten
entwicklung der mittelalterlichen reimpoesie
beantwortet werden, viel wahrscheinlichkeit hat
die ansicht für sich, dasz (vergl. Zeusz grammatica celtica 2, 911. 1133) franz. rime auf den
keltischen stamm rîm = numerus zurückgehe, den
die volkssprache, durch die klangs- und bedeutungsverwandtschaft geleitet, gewählt habe, um
das mlat. rythmus wiederzugeben, welches den
accentuierenden, dann auch gereimten vers (im
gegensatz zu metrum dem quantitierenden verse)
bezeichnete. diese ansicht stützt sich auf die reiche anwendung des endreimes in den ältesten keltischen denkmälern. einen gleichen entwicklungsgang könnte das deutsche rîm numerus unter einwirkung von rythmus zu mhd. rîm, gereimte
verszeile, genommen haben, ohne dasz es nötig
wäre, an einwirkung des romanischen zu denken.
die verengung des begriffs von gereimter verszeile
zu endreim tritt erst später ein und wird nie völlig durchgeführt. von Deutschland ist die neue
bedeutung des wortes nach dem skandinavischen
norden vorgedrungen.
II. Geschlecht und flexion: die hd. sprache vom
ahd. bis zum nhd. kennt nur rîm, reim männlichen geschlechtes. das alts. unrîm Hel. 410 läszt
sein geschlecht nicht erkennen, mnd. rîm ist masculinum, ebenso fries. rîm (Richthofen 427a, 34),
im mnl. steht neben dem masc. rîm ein fem. rîme
die erzählung (Frank mnld. gr. glossar), im
neunl. ist rijm neutrum. das gleiche geschlecht
zeigen ags. und altn. rîm, im altn. begegnet auszerdem das fem rîma, genit. rîmna, plur. rîmur
eine gattung epischer gedichte bezeichnend. dän.
und schwed. rim ist neutrum.
Neben der starken flexion, welche im ahd. mhd.
und ausgebildeten nhd. die durchaus herrschende
ist, treten im älteren nhd. schwache formen von
reim auf, die sich bis in die neuere zeit forterhalten: der nom. ein reymen. Maaler 331b; ein
reimen neben der reim verzeichnet Schmeller
2, 93; schweiz. der rime Hunziker 205. wider d.
Fausti verstockung, ist dieser versz und reymen
wol zusagen. volksbuch vom dr. Faust 21 neudr.;
so kamen wir all in gefahr,
und war an uns der reymen war.
Rollenhagen froschm. (1595) S 7a;
genitiv: ausz unterschied der distinction desz
strichleins vermerckte ich, dasz der alte verstand desz reymens verendert were worden.
Schuppius 752. dativ und acc.: als auch das
unsere vorfaren mit disem reimen gemerkt und
furbilden haben wellen. Zimm. chron. 3, 195, 29;
darumb pflag er ein reimen einzufiern. 4, 280,
22. ebenso nd.: den so lopet de kocheler .. unde
ropet dussen rymen. Theophilus 1, 369 (Schiller-Lübben 3, 482a);
auch soltu niemands schencken ein,
so du im becher sichst mehr wein,
ist etwas drinn so sauffs bald ausz,
und mach ein feinen reymen drausz.
alte freihait, übergab, briefe, chronica, rüef, reimen, sprüch, lieder. Aventinus 1, 6, 31 (neben
gekürztem starken plural: von im hat noch den
nam der maruscatanz und etlich reim und lieder
im latein und in kriechischem. 1, 413, 21); damit
aber die syllben und worte in die reimen recht
gebracht werden, sind nachfolgende lehren in
acht zue nemen. Opitz poet. 175 Witkowski; zu
ende der reimen, wann ein vocalis den folgenden versz anhebet, kan man das e stehen lassen
oder weg thun. 177 (gleich darauf aber: welchem
die reime nicht besser als so von statten gehen,
mag es künlich bleiben lassen. 178) u. a., im 17.
jh. noch sehr häufig; später nur ausnahmsweise:
die dumme reimen. Klinger theater 2, 316; ein
paar hochdeutsche reimen zum besten geben.
Hebel (1832) 3, 404 (geändert in reime ausgabe
von 1853 3, 94). ältere nebenformen mit eu statt
ei (s. unten reimen verb.): darab war ein reumen:
sic his, qui diligunt. Zimmer. chron. 3, 495, 35;
nach dem alten reumen. Simplic. 3, 64 Kurz.
III. Bedeutung.
1) ursprüngliche bedeutung, schon im mhd.
untergegangen, zahl, reihenfolge:
thes nist zala, noh ouh rîm,wio manag wuntar ist
sîn.
Otfrid 3, 14, 1;
waʒ thaʒ nezzi zeinit,ther rîm thero fisgo meinit.
5, 14, 19;
Grobianus
1883 neudruck;
ward after thiu irscritan sâr,sô moht eʒ sîn, ein
halb jâr,
1, 5, 1;
altsächs. unrîm unzahl, grosze anzahl:
manodo after rimethria stunta zwêne.
ein reimen machtend ihm die affen,
der laut also: Metz und die magd (Magdeburg)
habend dem kaiser tanz versagt.
Opel u.
Cohn 53, 80.
[Bd. 14, Sp. 664]
plural: aber die wort und reimen (im koran) sind
wol fein. Luther 8, 27a; allerlai handschriften,
reht sô he thô that uuord gisprac,
so uuarð thâr engilô te them ênununrîm kuman,
Hel. 409.
im mnd. unrîm ungehöriges, unordnung Schiller-Lübben 5, 72b; das ags. neutr. rîm ist in der
bedeutung zahl, reihe reichlich belegt (Grein
sprachschatz 2, 381, auch mit zahlreichen zusamhêlag heri - scepifan hean - uuange.
mensetzungen); der übergang zu der bedeutung
berechnung, kalender, der hier schon auftritt (vgl.
rîmcräft Bosworth - Toller 799), ist im altnord. durchaus erfolgt.
2) mhd. und nhd. gebrauch.
a) gereimter vers, zeile eines gedichtes, reimpaar:
ricmus eyn rym. Dief. 497c. in dieser bedeutung
ist im mhd. rîm meist zu verstehen, sodasz es
rythmischen bau und reimschmuck zugleich
umfaszt: rîme setzen, meʒʒen, in rîme ziehen,
die rede ze rîmen rihten, rîme lîmen u. ä.:
nû wil ich die selben sachen
von slehtem diutsch ze rîmen machen.
ges.
abent. 3, 197, 11;
daʒ hât er wæne wol getân,
swâ ers die volge mohte hân
an rîmen unde an sinnen.
Lamprecht v. Regensburg Franc. 381;
ein rîm ist kurz der ander ist lanc,
daʒ macht der kurzen worte gedanc.
swer den rîmen iren swanc
niht reht gibt, der dient âne danc.
ein rîm an drîen worten stêt,
ofte, sô einer fürbaʒ gêt
über siben oder acht wort.
H. v. Trimberg 17778;
swâ der sin was sô gelegen
daʒ ich nicht mochte ûʒ brengen
ich enmûste den rîm lengen,
sô was beʒʒer gesprochen
lanc rîm dan sin zubrochen.
H. Hesler (Germ. 1, 196, 1448);
an sümelîch rîme sprach er mê,
dan ê dran wære gesprochen.
ouh hât er abe gebrochen
ein teil, da der worte was ze vil.
Reinh. fuchs
2258;
sîne capellane er hieʒ
die rede suchen an den schriften
und bat daʒ sie es tichten
an rimen wolden.
Germ. 17, 408;
du sagest mir vil von der silmen zalund nymst
dich solches ane,
und weist doch weder mauss noch zal,waz yeg-
3, 311;
belangend die anzal der syllaben in reimen,
weis ich niemandts eigentliche ordnung fürzustellen. jedoch aber achte ich nicht für künstlich, in einem reymen oder versz mehr als 13
syllaben zu machen, weil mans am athem nicht
wol haben kan, mehr syllaben auff einmahl ausz
zu singen. Puschmann gründlicher bericht 9
neudruck; nach essens berueft er der schreiber
ein; mit dem zecht er, und under der zech macht
er reimen von dem Berner und den risen. Zimmer. chron. 4, 161, 23; ebenso etwas in reime
bringen, mit spöttischem nebensinne reime
schmieden. reymen stellen, versz oder carmina
machen. Maaler 331b; ein reim, oder teutscher
vers, ist eine kunstmessige ordnung der wörter, vermittelst erforderter
lich reym sol hane.
[Bd. 14, Sp. 665]
gewisser reimmaassen, mit gehörigem reimlaute sich schlieszend. Schottel 844; synonyma
enim sunt nobis vers et reim. Stieler 2510;
reime aus einem gebetbuche für zwei fromme
kinder. Arndt ged. 454. Adelung bemerkt, dasz
in diesem sinne der plural reime 'in der anständigern sprechart' gebraucht würde, um verse zu
bezeichnen, die auszer dem reim nichts poetisches
enthielten; doch trifft diese beobachtung nur in
sehr beschränktem grade zu; reime sind gereimte
verse im gegensatze zu reimlosen: alle seine
gedichte sind in reimen geschrieben;
uns laszt mit bestem hirtenklang,
mit bestgefügten reimen,
dasz meisterlich zun ohren prang,
auf hirtisch weidlich leimen.
Spee trutzn. 138, 21 Balke;
der leser musz mirs borgen,
kombt nichts in meine reim.
97, 175;
du lehrest, wie man sol kunstrechte reimen schrei-
ben,
und wilt den dichtergeist in enge schranken treiben.
Grob versuchgabe (1678) 54;
glück zu, jhr grünen bäume,
ihr hausz der sicherheit,
ihr vorraht guter reime,
schatz aller fröligkeit.
S. Dach ged. des Königsb. dichterkr. 25
neudr.;
hierzwischen lasz ich nun zur zeit mit unterlauffen
die viel-gefüszten reim und führe sie zu hauffen.
Logau 1, 97, 3;
dies ganze hündel, das mir mein Agathon
aus schalen reimen, bibliotheken und
romanzen drehte.
Hölty 89 Halm;
herr Nicolaus Klimm erfand
mehr länder, als ich reime.
Hagedorn 3, 49;
da die natur mich reime lehrte,
empfindung mir vom herzen flosz.
Gotter ged. 1, 467;
jetzt, dächt ich nun, war's hohe zeit zum schlieszen,
denn wenn man so zwey bogen reime schreibt,
der j.
Göthe 1, 34;
da wollen sie zuletzt nicht flieszen.
so nenn' ich sie (nymphe), damit der reim sich
füllen lasse,
doch war sie in der that von einer andern klasse.
Wieland 17, 268;
nimm, edles weib, was diese reime singen,
in edler liebe blühte mir gesang.
Arndt ged. 171;
der wächter aber singet schon
das neue jahr im alten ton,
doch flieszet ihm, wie honigseim,
zum alten spruch manch neuer reim.
Uhland ged. 321;
den leichten soccus, mir fremd vor allen,
wag' ich an die flüchtige ferse zu schnallen,
und so, mit wenig gehobelten reimen
erbauliche possen zusammen zu leimen.
Platen 161a.
b) reim als gleichklang zweier worte in betontem vocal und den diesem folgenden lauten bei
ungleichheit der dem betonten vocal vorhergehenden, besonders am schlusse zweier oder mehrerer verse: der reim liebe zu trübe ist nicht rein.
in wendungen wie den reim, einen reim zu, auf
mensch suchen bezeichnet reim das wort, welches den verlangten gleichklang mit dem ersteren
aufweist: geschwinde, meine damen, einen reim
auf ungeheuer —. Gotter 3, 387; wer sieht
nicht, dasz die reime pein und seyn wider das
natürliche dieser stelle sich empört haben. Gellert 1, 316. mannigfache namen der reimgattungen: stumpfe, klingende (Puschmann gründlicher bericht 7 neudruck), männliche, weibliche,
steigende, fallende (Schottel 858) reime; rührende, schnurrende, schillerreime, schlagreime
(Wagenseil 519 ff.), end-, binnen-, klappreime,
gepaarte, gekreuzte, umschlungene reime,
reine, ungenaue, reiche reime u. a., s. das verzeichnis bei Stieler 1513. ein wort steht im
reime, im reime binden. also, dasz es nur nöthig
scheinet, im reime sich desz einheimischen auszspruches (aussprache) zu gebrauchen. Logau 1,
vorrede; ich bemerke, ungeachtet ihrer gemachten verbesserungen, einen gewissen zwang in
ihren erzählungen, der sich bald von der kurzen
und sich immer gleichen versart, bald von der
tyranney der reime herschreibt. Gellert 4, 135;
ich unterschreibe Wielands zweite foderung,
dasz der reim zum wesen des guten dramas
gehöre, so wenig, dasz ich ihn vielmehr für
einen unnatürlichen luxus des französischen
trauerspiels, für einen trostlosen behelf jener
sprache, für einen armseligen stellvertreter des
wahren wohlklangs erkläre — in der epopee
versteht sichs, und in der tragödie. Schiller 51,
4;
diu liet diu wâren meisterlîch
unde ir rîm gar sinnerîch.
Ulrich v. Lichtenstein 564, 2 (von einem
sehr künstlich gereimten liede);
waisz iemant, wie es darumb sei komen?
Wisel ain paur erfült den reim und spricht:
ja, gevatter Englmair, ich habs wol vernomen.
fastn. sp. 417, 18;
[Bd. 14, Sp. 666]
es war ja nur ein spasz und nicht so arg gemeynt:
man setzt gar offt ein wort der lieben reime
wegen.
Günther 530;
uns plagt ja schon mit seinem schellenklang
der feind von geist und witz, der reim, zu lang.
Drollinger 296;
ein inniges ergetzen,
wenn man den reim erhascht, weis alles zu ersetzen.
Rabener sat. 2, 223;
mannreime sind, die schnell dem ohr vorüber
eilen,
und weibliche, die hier mit einem knix verweilen.
Gotter 3, 341;
und wenn die muse heut,
des tanzes freie göttin und gesangs,
ihr altes deutsches recht, des reimes spiel,
bescheiden wieder fordert — tadelts nicht.
Schiller Wallenstein, prolog;
gieb acht, dasz man dich nicht hinausbaxt,
mit deinem reimen, leicht und schwer.
Voss 6, 117;
es war so leicht! es war gedicht: — doch schellen
des reims zu hängen an dies wittwenkleid —
ich mocht' es nicht.
Freiligrath 1, 79;
mich graute, doch ich sprach dem grauen hohn,
ich hielt das bild in reimes netz gefangen.
A. v. Droste-Hülshoff 147;
reim auch = reimpaar: ein jeder reimschlusz
(strophe) dieser art bestehet in vier zeilen und
zweien reimen, davon der eine reim steigend,
der ander aber fallend ist. Chytraeus poet. wegzeiger (1654) s. 23.
c) der singular in den bedeutungen spruch, kleines gedicht: eyn reim, gedicht, rhythmus,
metrum. Dasypodius. Adelung kennt diese in
der nhd. schriftsprache aufgegebene anwendung
noch als mundartlich. einen reim sagen, einen
spruch aufsagen. Lexer kärnt. wb. 206; nd. hat
besonders das diminutiv rîmel die bedeutung
kleine erzählung angenommen: läuschen und
rimels; dann er waisz den alten reymen wol, das
es gesundt ist, als nämlich: halt die brust warm
und geusz nit zvil in darm! meyd schöne frauwen! so wirdst du allt werden und grauwen.
Lindener 182 Lichtenstein; Lünenburger heid,
armer brüder weid, schreiben etliche für iren
reim an die wende. Kirchhof 1, 308 Österley;
nach dem reimen des alten Philippi Melanchthonis, was mir nicht werden kan, da wende
mir gott mein hertz davon. Chr. Weise erzn.
121 neudr.; unter dem volke in Württemberg
hört man zuweilen noch einen reim, der diesen
merkwürdigen moment bezeichnet. W. Hauff
10, 200. so auch der plural: also thunt etwan
die walhen und die sprecher, die sagen daher
sprüch und reimen, die ander gemacht haben,
die sie nit verstond. Keisersberg narrensch.
155b; die poeten nahmen geld, und machten
ehren - reime. Schuppius 492; wie man dan
auch in unsern alten teutschen baierischen liedern, reimen und chronica sagt und singt.
Aventinus 1, 361, 15;
er bringt mich an die pforten,
die in den himmel führt,
daran mit güldnen worten
der reim gelesen wird:
wer dort wird mit verhöhnt,
wird hier auch mit gekrönt;
wer dort mit sterben geht,
wird hier auch mit erhöht.
P. Gerhardt 76 Goedeke;
gar lustig fliegt der fromme reim
geflügelt zu den höchsten höhen:
was gott gebrechlich schuf aus leim,
mit dem wird er auch spasz verstehen.
des nächsten jars darnach gestorben. sein reim
ist: allain. 2, 514, 24;
die müllerin wust den reimen,
die seck kund sie wol scheumen,
Arndt ged. 436.
d) reim bezeichnet auch im älteren nhd., indem
die beziehung auf die poetische form schwindet,
einen spruch, aufschrift, überschrift, die spruchverse der bibel, wahlspruch, grundsatz u. ä.: es
haben gleich wol unser fursten ainstails disen
reimen auch gelernt, das sie nit weichen, so
lang die profant in kellern, im casten und in
der kuchen thut weren. Zimmer. chron. 2, 205,
33; das er doch mit vil wenigerm, waver er den
rechten reimen gewist (wenn er die sache recht
verstanden hätte), oder villeucht sovil glücks het
sollen haben, het künden erlangen. 466, 27;
damit ist nu die art und glück des euangelij
angezeigt, wie es jm in der welt gehe, das man
wol möchte diesen spruch dem euangelio zum
reim und titel zuschreiben, das schlechte freude
davon kompt, wenn es viel leute annemen.
Luther 3, 175b; derhalben alleine der einige
lebendige gott den namen und den reim füret,
das er sey ein nothelffer. 205b; und die welt
hasset sie. da stehet unser titel, .. bistu des herrn
Christi schüler, und hast sein wort lieb, so
scheme dich nicht diesen reim umb seinen willen zu füren. 6, 194a; wie dan solch gelert und
geistlich ... überall der geistlich poet künig
David in seinen versen liedern und reimen
[Bd. 14, Sp. 667]
'viros sanguinum', das ist 'pluethund' nent.
Aventinus 1, 445, 17; ir kreiden und reim ist:
'nur vil in mich und wenig in mein gesellen'. 1,
11, 14; diser zeit hat gestift den stift zu Vilshofen Heinrich Tuschel mit seinem sun Schweitger Tuschel, dem letzten dises geschlechts; ist
als jr gewonheit was.
Ambr. lb. 220, 14;
das wer nit ein gefiegter reim (das wäre unlogisch).
Murner narrenbeschw. 172, 31 Goedeke.
e) freiere wendungen: der singular bezeichnet bisweilen ganz allgemein die poetische form, so
mhd. etwaʒ mit rîme sagen, zu rîme bekant tûn
(Lexer mhd. wb. 2, 437). holländ. onrijm ist die
prosa;
darumb wird euch kein wunder sein,
das meine frösch in ihrem reym,
jhr muttersprach nicht auszpoliert,
artig versetzet und maniert.
Rollenhagen froschm. (1595) A 5a;
sie (die fabel) war bekannt vor tausend jahren;
ihr ändert nur mein reim die äuszere gestalt;
und keine wahrheit wird zu alt.
Hagedorn 2, 44;
poesie als fiction gegenüber der wirklichkeit,
mnd.:
we da eyne krone hefft van papyr,
Koker 331.
Schiller-Lübben 3, 482b.
der begriff verschlechtert sich, mnd. spöttisch von
der rede Bellins, des hofkaplans:
de is eyn konnych in dem ryme.
de konnink sprak: wat schal de rîm
unde de velen unnutten wort,
de hir van ju werden gehôrt.
Reinke de vos
2734;
vergl. bair. reimen unnützes reden Schm. 2, 95.
im tirol. nimmt reim von dem sinne des gleichklangs, des zusammenpassens ausgehend die
bedeutung segen, glück an, häufig mit negationen: êr hàt gôr kàon reim er hat gar kein glück,
vergl. ûnreim unstern Hintner 4, 192. Lexer
kärnt. wb. 206.
f) sprichwörtliches: es ist ein reym auff allen
dingen. S. Franck sprichw. 1, 161a. in Nürnberg
stand ein reim, der den leser aufforderte, ihn auszuwischen, wenn er unter seinem geschlecht keine
huren oder buben habe. dieser reim von Nürnberg war in sprichwörtlichen wendungen weit
bekannt: also sagt man, wie uf ain zeit kaiser
Maximilianus gen Nurnberg kommen, do hab er
dem reimen, darvon er darvor gehert, nachgefragt, und als er darzu gefurt und den gelesen,
hab er gelechlet und gesprochen: nun, nun, der
reim soll von mir nit uszthon werden. Zimmer.
chron. 3, 484, 13; dazu das man sehe, wie Christus komen sey, umb der sünder willen, jnen
zu helffen, und sich gar nichts schemet, das er
huren und buben in seinem geschlecht hat, und
den reim nicht ausleschen wil, so müssen wir
jn auch wol stehen lassen. Luther 4, 199b; manche hure und ehebrecherin fraget zwar nichts
darnach, dasz man von ihr rede, sondern saget:
wer keine huren und buben in seinem
geschlechte hat, der gehe nach Nürnberg und
wische den reimen aus. Schuppius 507; — nd.
beter eyn rym wen eyn swyn verloren. Schiller - Lübben 3, 482b.
g) dunkel ist der winzerausdruck reim m. von
der reife, dem weichwerden der weinbeeren: das
reben - wipfeln geschiehet meistentheils erst im
Augusto, wann die weinbeer schon weit über
die helfte sich ergröszert haben, und nach dem
reim sind, dasz sie bald wollen anfangen weich
zu werden. Hohberg 1, 344b; zum drittenmal
hauet man zu ende des junii oder mittel des
julii, das heist man bandhauen, ehe als die
weinbeer in den reim gehen. 343a u. öfter.

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