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Zeitschrift für
Imm obilienrecht
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4.]ahrgang
Heft 7
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17.]uli 2000, S. 501
Aufsätze
Kai-Oliver Knops ,t)
Tilgungsverrechnungsklauseln bei der Sicherungsgrundschuld
In den Formularen der Kreditwirtschafl zur Bestellung von Siche­
rungsgrundschulden finden sich regelmäßig Tilgungsverrechnungs­
klauseln zu Gunsten des Kreditgebers. Danach werden Zahlungen
des Schuldners auf die persönliche Forderung und nicht auf die
Grundschuld angerechnet. Der Veifasser hält diese Klauseln für un­
wirksam.
Inhaltsübersicht
I.
Verrechnungsklauseln der Kreditinstitute
II. Vereinbarkeit mit Normen des Hypothekenrechts
'
.
1.
Verstoß gegen § 1142 BGB
2.
Verstoß gegen § 1136 BGB
III. Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz
1.
Verstoß gegen § 10 Nr. 5 AGBG
2.
Verstoß gegen § 9 AGBG
IV. Ergebnis
I. Verrechnungsklauseln der Kreditinstitute
Zahlt der persönlich schuldende Eigentümer auf die Grund­
schuld, geht diese kraft Gesetzes als Eigentümergrundschuld
entsprechend den §§ 1142, 1143 BGB1) auf ihn über, während
die zugrunde liegende Forderung erlischt.2) Zahlt ein ablö­
sungsberechtigter Dritter, erwirbt er die Grundschuld nach
den §§ 1150, 268 BGB in Verbindung mit § 1192 BGB.3) Wird
dagegen auf die gesicherte Forderung gezahlt, geht diese zwar
'�Dr. iur., Rechtsanwalt in Köln, Sozietät Knops Stempel
Barthelmd?
durch Erfullung unter, die Grundschuld bleibt aber in der
Hand des Sicherungsnehmers bestehen, ebenso wie die per­
sönliche Haftungsübernahme.4)
Um sich zum einen gegen den Untergang der Sicherheit zu
schützen und zum anderen zu gewährleisten, dass auch zu­
künftige Forderungen durch die Grundschuld ge.sichert
den,5) finden sich deshalb in den meisten Formularen der Kreditwirtschaft Klauseln, wonach Zahlungen ni�ht auf die
Grundschuld, sondern auf die persönliche Forderung anzu­
rechnen sind. Entsprechende Formulierungen lauten in der
Praxis etwa: "Zahlungen werden auf die Forderungen, nicht
auf die Grundschuld verrechnet"6) oder ausführlicher: "Mit
der Gläubigerin ist vereinbart, dass Z<;lhlungen, die aus irgend­
einem Grund an sie geleistet werden, weder auf die Grund­
schuld, noch auf deren Zinsen und Nebenleistungen, sondern
auf die persönliche Forderung anzurechnen sind."7) Darüber
hinaus bestimmen die Formulare der Kreditwirtschaft, dass
1) BGH ZIP 1986, 900, 905, dazu EWiR 1986, 573 (Gaberdiel);,BGH ZIP
1985, 732,733, dazu EWiR 1985,775 (Räjle); BGH NJW 1976, 2340, 2341.
Weitere Folge soll sein, dass die Grundschuld nach Maßgabe der §§ 1178,
1192 BGB erlischt, BGH BB 1965, 931; Kohls, Bankrecht, 2. Aufl., 1997,
Rz.254.
2) BGH ZIP 1992, 1536, 1537
NJW 1992, 3228, 3229, dazu EWiR 1992,
1173 (5elb); BGH NJW-RR 1990,813; BGH NJW 1987,838,839,dazu EWiR
1987,237 (Gaberdiel); BGH ZIP 1987, 156, 158
NJW 1987,503,504, dazu
EWiR 1987,201 (5torz); BGH WM 1980,982,983.
=
=
3) BGH ZIP 1983, 1044, 1046, wonach sich bei fehlendem Ablösungsrecht
die Grundschuld zur Eigentümergrundschuld wandelt.
4) Zu deren Wirksamkeit im Rahmen der Grundschuldbestellung
1998,577,588 f.
5)
Knops,
ZfIR
Hager, EWiR 1997,583,584; Gerhardt, ZIP 1980,165,166.
6) Vgl. etwa Formular 192245 000 (Fassung September '97) des Deutschen
Sparkassenverlages.
7) elemente, Recht der Si�heru�gsgrundschuld, 3. Aufl., 1999, Rz. 370 mit
weiteren Beispielen.
502
Knops, Tilgungsverrechnungsklauseln bei der Sicherungsgrundschuld
dem Gläubiger das alleinige Recht zustehen soll, auf welche
von mehreren Forderungen er Zahlungen des Schuldners ver­
rechnet. Fraglich ist, ob derartige Tilgungsverrechnungs- und
Anrechnungsklauseln gegen zwingende Normen des Sachen­
rechts oder gegen das AGB-Gesetz verstoßen.
stimmung berechtigt angesichts dieses zwingenden Eigen­
tumsrechts die Bank nicht, eine ihr nicht entsprechende Leis­
tung zurückzuweisen und verstößt damit im Ergebnis gegen
§ 1142 in Verbindung mit § 1192 BGB.
2.
11.
Vereinbarkeit mit Normen des Hypothekenrechts
Üblicherweise kommt für die Überprüfung von allgemeinen
ZflR 7/2000
Verstoß gegen § 1136 BGB
Darüber hinaus bestehen Bedenke"n in Bezug auf
§ 1136 BGB.
Die Norm schützt primär die wirtschaftliche Bewegungsfrei­
Geschäftsbedingungen alleine das AGB-Gesetz zur Anwen­
heit des Grundstückseigentümers. Im Vordergrund steht des­
dung. Allerdings hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre
sen Handlungs- und Dispositionsfreiheit, die durch Hingabe
1980 entschieden, dass sachenrechtliehe Normen bei ihrer
der auf dem Grundstück lastenden Grundschuld nicht aufge­
Ausgestaltung als zwingende Vorschriften nicht lediglich Mo­
hoben oder wesentlich beeinträchtigt werden darf.20) Durch
dell zur subsidiären Ausfüllung von Dispositionsspielräumen
die in Rede stehende Verrechnungsldausel, wonach Zahlun­
etwa im Rahmen des
gen nicht auf die Grundschuld, sondern auf die Forderung
§ 9 Abs.2 Nr. 1 AGBG sind, sondern
sich auch Formularklauseln an ihnen selbst - und nicht erst
verrechnet werden und zwar auch dann, wenn der Grund"
über den "Umweg" des AGB-Gesetzes - messen lassen müs­
stückseigentümer ausdrücklich das Gegenteil bestimmt hat,
sen.8) In Betracht kommt insoweit, dass die genannten Klau­
könnte der Kreditgeber verhindern, dass der Eigentümer das
seln gegen
§ 1142 BGB und § 1136 BGB verstoßen.
Grundstück etwa zum Verkauf lastenfrei stellt. Teilweise ist
die Veräußerung - wie auch der Bundesgerichtshof und die
1.
herrschende Auffassung in der Literatur anerkennen - erst
Verstoß gegen § 1142 BGB
Gemäß
§ 1142 Abs.1 BGB ist der Eigentümer berechtigt, den
Gläubiger zu befriedigen, wenn die Forderung ihm gegenüber
fällig geworden ist oder wenn der persönliche Schuldner zur
Leistung berechtigt ist. Die Norm ist auf die Grundschuld ent­
sprechend anwendbar,9) wobei das Wort "Forderung" durch
nach einer Lastenfreistellung (faktisch) möglich. Mit der ge8) BGH NJW 1980, 1625; ebenso Winter, in: AK-BGB, 1980, §1136 Rz. 5;
PalandtlHeinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, §9 AGBG Rz.19; Brandner, in:
UlmeriBrandneriHensen,AGBG, 8. Aufl., 1997, §9 Rz.41, 134; Becker, Die
Auslegung des §9 Abs. 2 AGBG, 1986, S.l03; Lorenz, VersR 1996,106; a.A.
MünchKomm-Eickmann, BGB, 3. Aufl., 1995, §1136 Rz. 5 unter Hil1weis auf
"Grundschuld" zu ersetzenlO) und daher lediglich wie folgt zu
Löwe, BB 1980, 1241 f.
lesen ist: "Der Eigentümer ist berechtigt, den Gläubiger zu be­
9) BGHZ 108, 372, 379 = ZIP 1989, 1449, 1451, dazu EWiR 1989, 1243
(Muth); ErmanlWenzel, BGB,10. Aufl.,2000,§ 1142 Rz. 6.
friedigen, wenn die Grundschuld fällig geworden iSt."l1) Fällig­
keit des Grundpfandrechts bedeutet bei der Hypothek Fällig­
keit der gesicherten Forderung, bei der Grundschuld aber Fäl­
ligkeit dieser selbstP) Nach
§ 1193 BGB wird die Grund­
schuld erst fallig, wenn eine ordnungsgemäße Kündigung er­
folgt ist, deren Frist sechs Monate beträgt. Der nach der ge­
setzlichen Norm des
§ 119 3 Abs.1 BGB vorgesehene Fall ist
aber die Ausnahme, da die Vordrucke der Banken üblicher­
weise bestimmen, dass die Grundschuld sofort fällig ist.13) Leis­
tet nun also der Eigentümer auf die fällige Grundschuld,
müsste diese entsprechend
§ 1142 BGB beim Gläubiger unter­
gehen und sich in eine Eigentümergrundschuld umwan­
deln.14) Dem steht die oben genannte Klausel entgegen, wo­
nach die Zahlung nur auf die Forderung, nicht aber auf die
Grundschuld verrechnet wird und somit die Fremdgrund­
schuld in Händen des Gläubigers und Sicherungsnehmers be­
stehen bliebe. Nach dem Wortlaut der Klausel könnte der Ei­
gentümer nicht einmal eine drohende Zwangsverwertung sei­
nes Grundstücks durch Zahlung der valutierten Grundschuld­
summe verhindern. Indes gehört das Befriedigungsrecht zum
zwingenden Eigentumsinhalt und ist daher auch nicht mit
dinglicher Wirkung ausschließbar.15) Zwar darf der Eigen­
tümer gegen den Willen des Gläubigers nicht nur einen Teil
der Grundschuld ablösen,16) eine entgegenstehende Anrech­
nungsvereinbarung kann aber die Ablösung nach
§ 1142 BGB
nicht verhindernl7) ebenso wie bei einem Ausschluss der Hin­
terlegung oder der Aufrechnungl8) oder gar, wenn der Eigen­
tüm�r mit der Zahlung die Zwangsvollstreckung in das Grund­
stück abwenden will.19) Die formularmäßige Verrechnungsbe-
_
10) MünchKomm-Eickmann (Fußn. 8), §1192 Rz. 3; PalandtlEdenhofer, BGB,
50. Aufl., 1991, §1192 Rz. 1 (nicht mehr in den Folgeauflagen); Jauernig,
BGB, 9. Aufl., 1999, §1192 Rz. 3; vgl. auch StaudingerIWol[steiner,BGB, 13.
Bearb.,1997,§1142 Rz. 8.
11)
StaudingerlWol[steiner (Fußn. 10),§1142 Rz. 8; Endemann,JW 1933,64.
Bülow, Recht der Kreditsicherheiten, 4. Aufl., 1997, Rz.133, 147,
12) Siehe
157.
RGRK{oswig, BGB, 12. Aufl., 1995, §1193 Rz.5; MünchKomm­
Eickmann (Fußn. 8), § 1193 Rz.2; Westermann, Sachenrecht, 9. Aufl., 1994,
§91 I 1; BaurlStürner, Sachenrecht, 17. Aufl., 1999, §45; Clemente (Fußn. 7),
§ 2 I 2, Rz. 5 ff.; Merke!, in: Schimansky/BuntelLwowski, Bankrechts-Hand­
buch,1997, Bd. II, §94 Rz.180 mit Formular des Bank-Verlages im Anhang 1
13) Siehe
zu §94 (unter I Nr.2 des FormularS);
kassen verwendete formular 192060 000 (Fassung Juli '98) des Deutschen
.
Sparkassenverlages.
•.
14) Dass §1142 Abs.1 an sich nur den Fall betrifft, dass Eigentümer und
Schuldner verschiedene Personen sind - StaudingerlWol[steiner (Fußn. 10),
§1142 Rz. 8;fauernig (Fußn. 10), §1142 Rz.1 - und dies bei Leistung des per­
sönlich schuldenden Grundstückseigentümers nicht zutrifft,steht einer analo­
gen Anwendung der Norm nicht entgegen; BGH ZIP 1986, 900, 905; BGH
ZIP 1985,732,733; BGH NJW 1976,2340,2341.
15) BGHZ 108, 372 = ZIP 1989, 1449 = NJW 1990, 258;
BGB,59.Aufl.,2000,§ 1142 Rz.1.
PalandtlBassenge,
16) BGHZ 108,372,379 =ZIP 1989,1449,1451.
17) BGH ZflR 1997,409,410 = ZIP 1997, 929, 930 = NJW 1997,2046,2047,
dazu EWiR 1997, 513 (Hager); .BGH ZIP 1990, 34 = WM 1989, 1208, dazu
EWiR 1989, 1181 (Gaberdiel); BGH NJW 1976,2340,2341; BGH NJW 1976,
2132, 2133; StaudingerlWol[steiner (Fußn. 10), §1192 Rz.18; Staudingerl
Scherübl, BGB, 12. Aufl., 1978 ff., § 1192 Rz.19; EnnecceruslLehmann, Schuld­
recht, 15. Aufl., 1958, § 62 Fußn. 1; Medicus, Bürgerliches Recht, 18. Aufl.,
1999, Rz. 501; Wolf, Sachenrecht, 15.Aufl., 1999, Rz. 692; Huber, Die Siehe"
rungsgrundschuld, 1965, S.219; Rimmelspacher, Kreditrecht, 2. Aufl., 1987,
Rz. 796; Seibert, JuS 1984, 526, 528; Gerhardt, ZIP 1980, 165, 166; a.A. noch
BGHZ 91, 375, 379 = ZIP 1984, 1236, 1238 m. w. N.,dazu EWiR 1997, 921
(Medicus); BGH WM 1964,677,678; RGZ 66,57.
18) LG Aachen RPfleger 1988,99.
19) BGH NJW 1980,2108,2112; Wo![(Fußn. 17),Rz. 692.
20) So explizit BGH ZflR 1997,596,598 f. = ZIP 1997,1641,1643 (m. Anm.
Köndgen) =NJW 1997,2875,2877,dazu EWiR 1997,921 (Medicus).
.
i
ZfIR 712000
Knops, Tilgungsverrechnungsklauseln bei der Sicherungsgrundschuld
503
will und es auch zum Ausdruck bringt. Eine Fingierung der
nannten Klausel könnte also der Gläubiger die Lastenfreistel­
lung verhindern und würde so die Dispositionsfreiheit des Ei­
Willenserklärung des Schuldners scheidet im letztgenannten
Fall ohnehin aus, so dass die Klausel diesbezüglich ihren Sinn
gentümers aufheben, weil dieser nun keine freie Verfugung
über seinen Grund und Boden treffen kann. Zudem könnte
verliert und keine Wirkung entfaltet. Im erstgenannten Fall
der Eigentümer das Grundstück unter Umständen nicht zu
wird sie als Erklärung von erheblicher materiellrechtlicher Be­
einer weiteren Kreditaufnahme nutzen/I) so dass schon bei
deutung vom Klauselverbot des § 10 Nr. 5 AGBG erfasst.
. Vertragsschluss die abstrakte Gefahr besteht, dass die wirt­
schaftliche Bewegungsfreiheit des Grundstückseigentümers
2. Verstoß gegen § 9 AGBG
eingeschränkt wird. Zur Feststellung einer anfänglichen, unter
Daneben könnten derartige Klauseln den Kreditnehmer unan­
§ 138 BGB fallenden Übersicherung muss es nicht tatsächlich
gemessen im Sinne des § 9 AGBG benachteiligen. Nach § 366
zum Entzug der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des
Abs.
1 BGB steht dem Schuldner das Recht zur Tilgungsbe­
Schuldners gekommen sein, sondern es reicht aus, wenn die
stimmung
ZU.27) Die Norm kann zwar von den Parteien for­
Gefahr des Entzuges oder der Einschränkung abstrakt be­
mularmäßig
abbedungen werden/S) jedoch müssen die Inte­
steht.22) Sowohl den Willen des persönlich schuldenden
ressen
des
Schuldners
bei einer Übertragung des Leistungsbe­
Eigentümers zur Lastenfreistellung des Grundstücks zum
stimmungsrechts auf den Gläubiger in angemessener Art und
Zwecke des Verkaufs als auch seine Absicht, das Grundstück
zu einer weiteren Kreditaufnahme einzusetzen, hat der Bun-· Weise berücksichtigt werden.29) Die dem Schuldner zustehen­
de Wahl, worauf er bei der Sicherungsgrundschuld zahlt, wird
desgerichtshof jüngst für so gewichtig erklärt, dass er dem
durch den Klauselverwender gänzlich beseitigt. Die Klausel
Schuldner unter Berufung auf § 1136 BGB eine Lösungsmög,a lichkeit aus dem langfristigen Darlehensvertrag zugebilligt . weicht daher von wesentlichen Grundgedanken der schuld­
rechtlichen Regelung des § 366 BGB ab, wonach dem Schuld­
"hat.23) Eine Klausel, die eine Verwendungsmöglichkeit des Ei­
ner allein - und eben nicht dem Gläubiger - das Recht zu­
gentümers hindert oder gar aufhebt, mit seinem Grundstück
steht zu bestimmen, auf welche Schuld und auch wie seine
nach Belieben zu verfahren, verstößt dann erst recht gegen die
Leistung anzurechnen ist. Dagegen ist das gesetzlich vorgese­
in § 1136 BGB geschützte wirtschaftliche Bewegungsfreiheit,
hene Bestirnmungsrecht auch sinnvoll und notwendig, weil
insbesondere wenn sie nicht individualvertraglich, sondern
der Schuldner fur den Umstand darlegungs- und beweispflich­
formularmäßig von der Bank vorgegeben wird.
tig ist, dass seine Schuld erloschen ist und dies nicht kann,
wenn klauselmäßig eine Tilgungsbestimmung zu Gunsten der
Forderung vorgegeben ist, er also niemals - auch nicht im
III. Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz
Falle der Zwangsverwertung des Grundstücks aus der Grund­
Selbst wenn man dem soeben Ausgeführten nicht folgen will
schuld - die Zahlung auf das dingliche Recht beweisen
und annimmt, die in Rede stehenden Klauseln stünden nicht
könnte. Darüber hinaus beeinträchtigt die einseitige Vorgabe
mit zwingendem Gesetzesrecht im Widerspruch, heißt dies
der Bank die Rechtsposition des Schuldners entscheidend,
noch lange nicht, dass sie mit wesentlichen Grundgedanken
weil sie trotz Zahlungen auf die Grundschuld eine Freigabe
der gesetzlichen Regelung im Sinne des § 9 AGBG im Ein�
der entsprechenden Grundschuldteile verweigern und zudem
klang stehen24) und deswegen gültig sind. Somit bleibt weiter
bei vollständiger Ablösung die sofortige Entstehung der Eigen­
zu prüfen, ob die genannten Klauseln einer Kontrolle nach
tümergrundschuld verhindern könnte.3D) Zwar gehört die so­
dem AGB-Gesetz standhalten. In Betracht kommt ein Verstoß
fortige Umwandlung der Sicherungsgrundschuld in eine Ei­
gegen § 10 Nr. 5 und § 9 AGBG.
gentümergrundschuld bei Zahlung auf dieselbe nicht zu dem
,
gesetzlichen Leitbild der Grundschuld, weil § 1163 Abs.l
BGB nur auf die Hypothek anwendbar ist.31} Eine entspre�
1. Verstoß gegen § 10 Nr. 5 AGBG
chende Anrechnungsklausel würde aber letztlich zu einer Ab­
Fraglich ist, ob eine Bestimmung, wonach bei der Sicherungs­
bedingung von § 1142 in Verbindung mit § 1192 BGB fuhren,
grundschuld Zahlungen als auf die Forderung und nicht auf
weil dem Eigentümer das Recht genommen würde, mit sei­
die Grund�chuld erbracht gelten, mit§ 10 Nr. 5 AGBG zu ver­
nem Grundstück nach seinem Willen zu verfahren. Eine ent­
einbaren ist. Dagegen spricht vor allem, dass nach der gesetz­
gegen der gesetzlichen Regelung des § 366 Abs. 1 BGB stehenlichen Beweislastverteilung der Schuldner das Erlöschen der
Forderung beweisen muss25) und es daher auch grundsätzlich
21) Siehe die Fallgestaltung bei BGH ZIP 1997, 1646, 1648
NJW 1997,
2878,2879,dazu EWiR 1997,923 (Metz).
seine Sache ist zu bestimmen, worauf gezahlt wird und seine
22) Lwowski, in: Festschrift Schirnansky,1999,S. 389,390.
Erklärung nicht ftngiert oder ein anderer Inhalt als ausdrück­
23) BGH ZfiR 1997, 596, 598 f.
ZIP 1997, 1641, 1642; BGH ZIP 1997,
lich erklärt untergeschoben werden darf.26)
1646,1648.
.
=
=
Im Rahmen eines laufenden Immobiliarkredits wird der
Schuldner dadurch im Ergebnis sogar gezwungen, sich seine
eigene Leistung auf noch gar nicht fällige Zins- und Tilgungs­
forderungen des Gläubigers anrechnen zu lassen, obwohl dies
entweder der Verkehrsanschauung widerspricht, etwa bei Zah­
lungen, die als Leistungen auf die Grundschuld und nicht auf
die Forderung verstanden werden, oder aber er dies gar nicht
24)
25)
26)
27)
28)
29)
Brandner (Fußn. 8),§ 9 Rz. 134.
Grün, WuB I F 3. - 1.96 S. 28.
Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher,AGBG, 4. AufI.,1999,§ 9 G 206.
Grün, WuB I F 3. - 1.96 S. 28 rn.w. N.
BGHZ 91,375 f. ZIP 1984,1236 für den Mietvertrag.
BGHZ 91,375 ZIP 1984,1236; Grün, WuB I F 3. - 1.96 S. 28,29.
=
=
30) Vgl. ähnlich für die Wirkung einer nachschüssigen Tilgungsverrechnungs­
klausel: BGH NJW 1992,1097.
31)
Winter (Fußn. 8),§ 1163
Rz. 22.
504
de generelle Zurückstellung der Interessen des Schuldners hin­
ter diejenigen des Gläubigers wäre sowohl mit dem Sinn und
Zweck des § 1142 BGB, wonach der Eigentümer zur Befriedi­
gung des Gläubigers bei Fälligkeit der Grundschuld berechtigt
ist, als auch mit dem Sinn und Zweck des § 1136 BGB, wo­
nach der Eigentümer das Grundstück zum Verkauf lastenfrei
stellen können muss, nicht zu vereinbaren.
Wenn der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Abdingbarkeit
einer Anrechnungsklausel lediglich fordert, dass der Schuldner
bei der Eirullung nur wissen müsse, auf welche Forderung er
leistet,32) mag dies rur den dort entschiedenen Mietvertragsfall
akzeptabel sein. Bei der Sicherungsgrundschuld geht es aber
nicht nur um Rechte des Schuldners, sondern auch' und vor
allem· um die des Eigentümers. Sind persönlicher Schuldner
und Eigentümer verschiedene Personen, verstoßen Verrech­
nungsklauseln ohnehin gegen
ZflR 712000
&ops, Tilgungsverrechnungsklauseln bei der Sicherungsgrun dschuld
§ 9 AGBG, weil sie den Eigen­
tümer faktisch verpflichten würden, eine fremde Schuld, näm­
lich die Forderung des Schuldners, zu tilgen. Andererseits ist
bei Zahlung des persönlichen Schuldners, der nicht Eigen­
tümer ist, kein überwiegendes Interesse erkennbar, auf die
Grundschuld und nicht auf die Forderung zu leisten. So wird
es aber meist nicht liegen, da bei Personenverschiedenheit an
sich auch ga� kein Fall des § 366 Abs.1 BGB vorliegt, weil je­
der nur zu einer Leistung verpflichtet ist. Die Unwirksamkeits­
folge trifft daher primär Klauseln, in denen der Grundstücks­
nicht billigenswert, da der Sicherungsumfang allein durch die
Sicherungsabrede bestimmt wird, wobei gegen die Ausdeh­
nung der Grundschuldhaftung auf alle gegenwärtigen und zu­
künftigen Forderungen (sog. weite Sicherungsabrede) auch unter Berücksichtigung der "Anlassrechtsprechung" tiefgreifende
Bedenken bestehen.36) Das Tilgungsbestimmungsrecht des
Schuldners nach
§ 366 Abs.1 BGB und die bei Fehlen einer
Tilgungsbestimmung
vorgesehene
Tilgungsreihenfolge
des
§ 366 Abs. 2 BGB sind auch jüngst vom Bundesgerichtshof als
dispositive gesetzliche Normen mit (die berechtigten Gläubi­
gerinteressen berücksichtigendem) Gerechtigkeitsgehalt gewertet worden, so dass eine noch günstigere Gläubigerbestim­
mung ausscheiden muss.37) Der Gläubiger wird im Übrigen
schon dadurch geschützt, dass er gemäß
§ 266 BGB nicht zur
Annahme von Teilzahlungen verpflichtet ist und dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung ein Bestimmungsrecht nach
§ 366 Abs.1 BGB nicht zugestanden wird. 38) Ein überwiegen­
des, bei aller Würdigung des gesetzgeberischen Zwecks der an­
gesprochenen Regelungen zu berücksichtigendes Interesse
kann der Gläubiger also nicht geltend machen, wonach die in
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die gegenwärtig ver­
wandten Klauseln der Kreditwirtschaft in Bezug auf die
Schuldnerzahlungen zumeist nicht die notwendige Klarheit
vermitteln. Zwar wird bei einem privaten Durchschnittskun­
eigentümer auch der Kreditschuldner ist.
den bei' Vettragsschluss nicht die intellektuelle Vorstellung
Das gegenteilige Ergebnis kann auch nicht damit begründet
selbe. Vielmehr wird er voraussetzen, dass schlechthin die
werden, mit der Zahlung auf die Grundschuld und dem Ent­
stehen der Eigentümergrundschuld würde dem Sicherungsge­
ber die Sicherheit entzogen.33) Vielmehr statuiert die Klausel
das Gegenteil: Trotz der ratenweisen Zahlungen des Schuld­
ners wird die Rückübertragung der gesamten Grundschuld bis
zur vollständigen Tilgung des Kredits aufgeschoben:34) Der,
Gläubiger bleibt somit im vollständigen Besitz der Grund­
schuld, obwohl gegebenenfalls nur noch ein Bruchteil der Va­
luta offen steht. Unabhängig von den sich daraus ergebenden
Übersicherungsfragen erhält der Gläubiger mit der Leistung
auf die Grundschuld alles, was er beimspruchen kann, näm­
.'
Rede stehenden Klauseln Bestand haben könnten.
herrschen, nur die Zahlung auf die Grundschuld beseitige die­
Rückzahlung und Ablösung des Kredits das Grundstück nicht
mehr rur den Kredit haften lässt. Transparenz bedeutet aber
auch Klarheit und Verständlichkeit der Klausel an sich und
der damit verbundenen Rechtsfolgen. Die Folgen des Aus­
schlusses der Grundschuldzahlung und der damit rur den Ei­
gentümer abbedungenen Möglichkeit zur Lastenfreistellung
wird diesem nicht klar, wenn die Klausel lediglich die Verrech­
nung wiedergibt, aber nicht einmal ansatzweise deren Folgen.
Insoweit liegt zudem noch ein Verstoß gegen das aus
§9
Abs. 1 AGBG folgende Transparenzgebot vor.
lich die valutierte Grundschuldsumme. Die Grundschuld war
zur Sicherung der Forderung, also zumeist des Darlehens, be­
stellt. Eine doppelte Zahlung bezüglich
Forderung und
Grundschuld kann der Gläubiger nicht verlangen, weil Forde­
rung und Grundschuld zwei Schuldgründe ein und desselben
Leistungserfolges sind. Es geht daher schlicht an der Sache
vorbei zu behaupten, der Schuldner könne dem Gläubiger
ohne eine derartige Klausel die Sicherung aus der Hand schla­
gen. "Mehr" als die Forderung konnte der Gläubiger von Ane
IV. Ergebnis
Entgegen dem Wortlaut wird durch die üblichen Anrech­
nungs- und Verrechnungsklauseln das Leistungsbesti'mmungs­
recht des Schuldners nicht wirksam eingeschränkt. Entspre­
chende Klauseln sind gemäß
§§ 1142, 1136, 1192 BGB oder
§ 10 Nr.5, § 9 AGBG i. V. m. § 366 Abs.1, §§ 1142, 1136,
1192 BGB unwirksam.39) Fehlt aber mangels Wirksamkeit eine
fang an nicht verlangen. Erhält er diese über den Betrag aus
der Grundschuldzahlung ist seinem Interesse Genüge getan.
Für den Verlust der Grundschuld erhält er die valutierte
Grundschuldsumme und verliert daher nichts, im Gegenteil:
Die Zahlung auf die Grundschuld ist insofern als eine - per­
fekt verlaufene - Vorwegnahme der Verwertung anzusehen,
um die sich der Gläubiger nicht einmal hat kümmern müssen.
Schließlich ist auch das Ziel der Gläubigerbanken, über solche
Anrechnungsklauseln zu gewährleisten, dass auch zukünftige
Forderungen durch die Grundschuld gesichert werden,35)
32) BGHZ 91,375 =ZIP 1984,1236.
33) Vgl.
Gerhardt, ZIP 1980,165.
Rimmelspacher (Fußn. 17), Rz. 795.
35) Hager, EWiR 1997,583,584; Gerhardt, ZIP 1980,165,166.
36) Knops, Verbraucherschutz bei der Begründung, Beendigung und Fortset­
zung von Immobiliarkreditverhältnissen, 2000, S. 52 f.; ders., ZflR 1998, 577,
34)
582f.
37)
Derkder,
EWiR 2000,57,58 zu BGH ZflR 1999,433 = ZIP 1999,744.
38) BGH Z 140,391 = ZIP 1999,550.
39) Knops (Fußn. 36), S. 65 f.; a. A. noch Gaberdiel, Kreditsicherung durch
Grundschulden,5. Aufl.,1990, Rz. 12.l.3,und Ckmente (Fußn. 7), Rz.374.
Grafvon Baudissin, Erbbauzinserhähung bei fehlender Anpassungsklausel
ZfIR 7/2000
entsprechende Vereinbarung gilt uneingeschränkt
§ 366 Abs.l
505
ändert werden, etwa in dem eine zunächst nur auf die Forde­
BGB, wonach der Schuldner bestimmen kann, ob er auf die
rung geleistete Zahlung auf die Sicherungsgrundschuld er­
Forderung oder die Grundschuld· zahlt. Der Gläubiger darf
streckt wird.44)
eine entsprechende Zahlung nicht zurückweisen, ohne da­
durch selbst in Annahmeverzug zu geraten.40) Schadensersatz­
verpflichtungen4l) sind logisch ausgeschlossen, weil keine Ver­
tragsbestimmung vorhanden ist, die verletzt werden konnte.
Trifft der Schuldner aber bei seiner Leistung keine Bestim­
mung, lässt sich für die Frage, ob auf die Grundschuld oder
auf die Forderung oder aber auf beide gemeinsam gezahlt
wird, keine allgemeingültige, immer passende Antwort fm­
den.42) Die Willensrichtung ergibt sich immer aus den Um­
ständen des Einzelfalls.13) Schließlich kann .die Zweckbestim­
mung der Zahlung auch noch nachträglich durch Vertrag ge-
40) So wohl auch Huber (Fußn. 17),S. 219.
41) Für eine Schadensersatzpflicht bei .nicht entsprechender Zahlung vgl.
etwa - vor Geltung des AGB-Gesetzes Huber (Fußn. 17),S. 219. Darüber hi­
nausgehend wurde früher überwiegend angenomme·n,dass der Ausschluss des
Bestimmungsrechts Bindungscharakter besitze,der eine spätere andere Bestim­
mung ausschließe,vgL BGH WM 1966,337; RGZ 66,54,57 f. m. w. N. auch
zur Gegenansicht.
-
42) RGRK-Schuster, BGB,10.111. Aufl.,1960,§ 1191 Anm. 8.
43) Siehe BGH NJW 1976,2340,2341; BGH NJW 1976,2132,2133; BGH
NJW 1969,2237,2238; OLG DüsseidorfWM 1998,1875,1880.
44) BGH NJW 1969,2237f.; Medicus (Fußn.17), Rz. SOL
e Karl-Ludwig Graf von Baudissin >l;!
'
Erbbauzinserhöhung bei fehlender Anpassungsklausel nach den Grundsätzen
des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Nicht alle Erbbaurechtsverträge enthalten Anpassungsklauseln für
die Höhe des Erbbauzinses. So kann es nach Jahren auf Grund von
Inflation zu Missverhältnissen zwischen Leistung und Gegenleis­
tung kommen. Eine Anpassung könnte über die Anwendung der
Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eifölgen. Der
Veifasser untersucht, ob der kausale Erbbaurechtsbestellungsvertrag
oder ein mit der dinglichen Erbbauzinsreallast entstehendes "Be­
gleitschuldverhältnis " h,ieifür geeignete Anknüpfungspunkte sein
können.
IV. Geschäftsgrundlage des gesetzlichen Begleitschuldverhält­
msses
1. Rechtsprechung des LG und AG Hamburg
2. Stellungnahme
V.
Geschäftsgrundlage auf Grund des Erbbaurechtsbestel­
lungsvertrages
VI. Zusammenfassung
I. Einfiihrung
• Inhaltsübersicht
1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei
Erbbaurechtsverträgen, die keine Anpassungsklausel enthal­
ten, eine nachträgliche Änderung des Erbbauzinses bei Vorlie­
Einführung
1. Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im
Sachenrecht
2. Anknüpfungspunkte für
zinserhöhungsanspruch
11.
§ 242 BGB beim Erbbau­
gen besonderer Umstände ausnahmsweise in Betracht kom­
men,l) wenn das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung
so stark gestört ist, dass die Grenze des übernommenen Risi­
kos (Kaufkraftschwund der Währung) überschritten wird und
der Empfinger des Erbbauzinses sein Interesse nicht mehr
100 Parallelverfahren in Hamburg
auch nur annähernd gewahrt sieht.. Dabei kann die Grundlage
1. Sachverhalt
eines Anspruchs auf Erbbauzinserhöhung wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage
2. Divergierende Entscheidungen
III. Schuldrechtliche Anknüpfungspunkte für
§ 242 BGB
1. Erbbaurechtsbestellungsvertrag als Anknüpfungspunkt
für
§ 242 BGB nach Auffassung des LG Hamburg
2. Gesetzliches Begleitschuldverhältnis als Anknüpfungs­
punkt fur
Hamburg
§ 242
BGB nach Auffassung- des AG
'� Rechtsanwalt in Hamburg
(§ 242
BGB) nach Ansicht des Bundesge­
richtshofs2) nur der schuldrechtliche Vertrag über die Bestel­
lung des Erbbaurechts sein. Aus den dinglichen Rechtsbezie­
hungen zwischen dem Inhaber des Erbbaurechts und dem Ei­
gentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks
allein kann ein Erbbauzinserhöhungsanspruch nicht hergelei­
tet werden.
1) BGHZ 119,220
jeweils m. w. N.
=
NJW 1993, 52; BGHZ 111, 214
2) BGH NJW 1986,1333.
=
NJW 1990,2620,