MultiConcord – Ein paralleles Konkordanz

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MultiConcord – Ein paralleles Konkordanz
Annette GROSS (Anglistik – Bergische Universität Gesamthochschule Wuppertal)
MultiConcord
– Ein paralleles
Konkordanzprogramm für
den Fremdsprachenunterricht
Im folgenden werden
zunächst wesentliche
Programmfunktionen von
MULTICONCORD
beschrieben. Danach
möchte ich auf die
Bedeutung von parallelen
Konkordanzprogrammen
für die Förderung
fremdsprachlicher
Lernprozesse eingehen.
Praktische
Anwendungsbeispiele
sollen andeuten, welche
Möglichkeiten es gibt,
parallele Konkordanzen
im
Fremdsprachenunterricht
einzusetzen. Zum Schluß
werden zentralen Aspekte
nochmal kurz
zusammengefaßt und
einige Überlegungen dazu
angefügt, was vom
Lehrenden beim Einsatz
von MULTICONCORD im
Unterricht berücksichtig
werden sollte.
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1. MULTICONCORD:
EIN PARALLELES
KONKORDANZPROGRAMM
In diesem Beitrag soll das parallele
Konkordanzprogramm MULTICONCORD und ein dazugehöriges multilinguales Textkorpus vorgestellt werden. Beide wurden im Rahmen eines
SOCRATES Projektes gemeinsam
von verschiedenen europäischen
Hochschulen entwickelt. MULTICONCORD ist ein Konkordanzprogramm, das Texte einer Sprache
nach Morphemen, Wörtern oder
Phrasen durchsuchen und die Suchergebnisse in ihrem lexikalischen
Kontext gleichzeitig mit ihren Entsprechungen in einer anderen Sprache auflisten kann. Das Korpus
zeichnet sich besonders dadurch aus,
daß es authentische Texte in sechs
verschiedenen sprachlichen Versionen enthält: in Dänisch, Englisch,
Französisch, Griechisch, Italienisch
und Deutsch. Es wurden sowohl literarische Textsorten, wie z.B. Romane und Kurzgeschichten, als auch
Materialien wie beispielsweise Gebrauchsanweisungen, Informationstexte usw. in das Korpus aufgenommen. Aus jeder Sprache kommt mindestens ein Originaltext, der häufig
auch als Übersetzung in den meisten
der genannten Sprachen im Korpus
vorzufinden ist. Die Ausgangs- und
die Zielsprache des Suchprozesses
können frei gewählt werden, so daß
der Benutzer selbst bestimmt, in
welchen beiden Sprachen das Programm parallele Konkordanzen erstellt.
2. DIE PROGRAMMFUNKTIONEN VON
MULTICONCORD
Die Bedienung der Programmfunktionen von MULTICONCORD und
die Navigation durch das Programm
ist leicht zu lernen. Das Konkordanzprogramm kann daher sowohl von
Lehrenden zur Unterrichtsvorbereitung als auch von Schülern im Unterricht eingesetzt werden. Der Navigationspfad durch das Programm
gliedert sich in drei Teile, in denen
es dem Benutzer nacheinander in unterschiedlichen Dialogboxen ermöglicht wird, die Suche paralleler Konkordanzpaare zu aktivieren, die Ergebnisse zu analysieren und ausgewählte Textstellen auszudrucken
oder auch zu einem Lückentext aufzubereiten. Die folgende Beschreibung gibt einen Überblick über die
verschiedenen Programmoptionen
von MULTICONCORD.
2.1 Auswahl der Sprachen und
Eingabe der Suchwörter
Wie die Abbildung 1 verdeutlichen
soll, erscheinen unter dem Menüpunkt Searching gleichzeitig mehrere Optionen für die Steuerung des
Suchvorgangs. Per Mausklick muß
zunächst in einer Auswahlliste die
Suchsprache und die Zielsprache
festgelegt werden, in denen Konkordanzen erstellt werden sollen. In einer weiteren Auswahlliste kann bestimmt werden, welche Texte das
Programm durchsucht. Tritt das
sprachliche Phänomen, das der Benutzer analysieren möchte, relativ
selten auf, ist es sinnvoller, mehrere
Texte auszuwählen; kommt es dagegen häufiger vor, sollten nur wenige
Texte berücksichtigt werden, da
sonst die Liste mit den Suchergebnissen eine unüberschaubare Länge
annimmt. In einem Dialogfeld können mehrere Suchwörter für die Ausgangssprache eingegeben werden.
Wird das Suchwort mit einer Wildcart markiert, wie z.B. *geh*, in*,
*able, dann erfaßt die Suchroutine
Lexeme mit dem gleichen Stamm,
Prä- oder Suffix wie beispielsweise
gehen, gehst, geht. Außerdem ist es
möglich, mit der Angabe eines Context Word die Anzahl der Suchergebnisse einzuschränken. Mit verschiedenen Schaltern kann bestimmt werden, ob sich dieses Context Word im
gleichen Absatz, demselben Satz
oder in unmittelbarer Nähe des
Suchwortes befinden soll.
Die Reduzierung der Suchergebnisse
ist besonders bei Lexemen sinnvoll,
die häufiger in unterschiedlichen Be-
MultiConcord
deutungen und Funktionen auftreten,
wie z.B. have im Englischen. Sollen
Konkordanzen zum englischen Perfekt in der Verlaufsform gesucht
werden, ist die Eingabe des Suchworts have wenig sinnvoll, da MULTICONCORD eine große Anzahl
von Konkordanzen ausgibt, in denen
das gewünschte Tempus nicht vorzufinden ist, wie z.B. das Präsens oder
das Perfekt in der Simple Form. Es
mit Schaltern festzulegen, ob nur die
linke, nur die rechte oder beide Seiten des lexikalischen Kontexts berücksichtigt werden sollen. Auf diese
Weise stellen die angebotenen Optionen sicher, daß beim Durchsuchen
der Texte nur Wörter mit dem Suffix
ing gefunden werden, die in unmittelbarer Nähe von been stehen. Die
Konkordanzen, die schließlich mit
diesen Suchangaben erstellt werden,
deren Sprache. Nach der Suche in
den einzelnen Texten gibt das Programm jeweils an, wie oft das Suchwort gefunden wurde. Ist die Anzahl
der Ergebnisse bereits schon nach
dem Durchsuchen eines von mehreren gewählten Texten ausreichend
für die Analyse der Konkordanzsätze, so ist es möglich, den Suchvorgang abzubrechen. Die übrigen ausgewählten Texte werden dann nicht
mehr berücksichtigt.
2.2 Analysieren und Edieren der
Konkordanzen
Abbildung 1: Optionen zur Einschränkung der Suchergebnisse
ist deshalb nützlich, wie in Abbildung 1 dargestellt, been als Suchwort einzugeben und das mit einer
Wildcard versehene Suffix ing,
(*ing) als Context Word aufzunehmen. Um nun Partizipformen oder
nominalisierte Verben, die ebenfalls
als Context Word identifiziert werden und im Englischen häufiger am
Satzanfang stehen, für das Suchergebnis auszuschließen, sollte zudem
der Schalter Proximity aktiviert werden. Mit einem Scrollbar kann die
Größe des lexikalischen Umfeldes
bestimmt werden, in dem das Programm nach dem Context Word suchen soll. Es ist möglich, zusätzlich
weisen Sätze mit der Verlaufsform
im englischen Perfekt und Plusquamperfekt auf, und berücksichtigen ebenfalls Wörter mit dem Suffix
ing wie z. B. something oder
anything. Wie im nächsten Abschnitt
erläutert wird, können uninteressante
Suchergebnisse in der Konkordanzliste ausgeblendet werden.
Hat der Anwender alle notwendigen
Angaben gemacht, kann der Suchvorgang gestartet werden. MULTICONCORD durchsucht nun zuerst
die Suchsprache nach den eingegebenen Suchwörtern und findet dann
die parallelen Textstellen in der an-
Unter der Option Sort Results kann
der Benutzer die Suchergebnisse
analysieren. Wie die Abbildung 2
zeigt, sind in einer Liste die einzelnen Konkordanzsätze in der
Suchsprache aufgeführt. Der Scrollbar ermöglicht es, das linke oder
rechte lexikalische Umfeld des Suchwortes auszuweisen und die Länge
des lexikalischen Kontexts, der in
der Displaybox angezeigt werden
soll, festzulegen. Der Anwender sollte nun entscheiden, welche der ausgeworfenen Konkordanzen für ihn
relevant sind und uninteressante
Konkordanzsätze löschen. Einzelne
Konkordanzpaare können in einer
Textliste entweder als vollständige
Sätze oder auch in Absätzen genauer
untersucht werden. Dazu muß die
gewünschte Konkordanz der
Suchsprache mit der Maus markiert
werden. Die Aktivierung der Buttons
View weist dann die Konkordanz der
Suchsprache mit der parallelen Textstelle in der Zielsprache je nach
Wunsch als Satz oder Absatz aus.
Diese Darstellungsweise eignet sich
besonders dafür, die Konkordanzen
der beiden Sprachen in einer kontrastiven Analyse zu untersuchen. Um
die Analyseprozesse zu erleichtern,
ist das Suchwort in der Ausgangssprache zusätzlich farblich markiert.
Es bestehen zudem die Optionen, die
vollständigen Konkordanzen nur in
einer der gewählten Sprachen aufzulisten.
Möchte der Benutzer die einzelnen
Konkordanzsätze bestimmten Kate-
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gorien zuweisen, die er beispielsweise während der Analyse des
Suchworts in seinem lexikalischen
Umfeld ent-wickelt hat, so muß er
die betreffenden Sätze in der Liste
mit der Maus markieren und ihnen
einen von vier Indizes zuordnen.
Mit den ‘Filter-Buttons’ kann dann
festgelegt werden, ob alle gefundenen Konkordanzsätze oder nur Suchergebnisse, die einer der vier Kategorien zugewiesen worden sind,
auf dem Bildschirm angezeigt werden.
2.3 Erstellung von
Arbeitsmaterialien
Die Option Testing dient dazu, alle
Suchergebnisse oder nur die Konkordanzpaare abzuspeichern, die in der
vorherigen Dialogbox einer bestimmten Kategorie zugewiesen worden sind. Es ist möglich, die Konkordanzsätze in beiden oder auch nur in
einer Sprache zu speichern. In einem
beliebigen Textverarbeitungsprogramm können die Konkor-danzen
zu Arbeitsmaterialien aufbereitet und
ausgedruckt werden. Zusätzlich gibt
es die Optionen, die Suchwörter in
der Such- oder Ausgangssprache zu
löschen oder unterschiedliche Tests
zu erstellen, in denen bei verschiedenen Wörtern bestimmte Buchstaben
sowie beliebige Wörter vollständig
aus den Konkordanzsätzen in der
Ausgangs- oder Zielsprache getilgt
werden.
3. MULTICONCORD IM
FREMDSPRACHENUNTERRICHT
se der Analyse basieren in beiden
Sprachen auf authentischen Texten
und geben den Schülern Gewißheit über die tatsächlichen Eigenschaften von Sprache.
Eine bedeutende Voraussetzung
für das Erlernen einer Sprache ist
die Fähigkeit, ihre typischen Eigenschaften in Analyseprozessen
zu erkennen und in die eigenen
Wissensstrukturen zu integrieren.
Es ist anzunehmen, daß Konkordanzprogramme diese Lernprozesse fördern, indem sie authentische
Texte in einer Form darstellen, die
die Untersuchung von sprachlichen Strukturen erleichtert. Der
Lerner muß sich nicht mit dem gesamten Korpus auseinandersetzen,
sondern kann sich ganz gezielt auf
die relevanten Textstellen konzentrieren, in denen das betreffende
sprachliche Phänomen auftritt. Als
paralleles Konkordanzprogramm
kann MULTICONCORD das
Suchwort nicht nur in der Ausgangssprache in seinen lexikalischen Kontexten sondern auch die
entsprechende Textstelle in der gewählten Zielsprache ausweisen.
Diese Eigenschaft von MULTICONCORD machen es dem
Fremdsprachenlerner leichter, die
Fremdsprache mit der Muttersprache zu vergleichen. Die Ergebnis-
Das Korpus von MULTICONCORD bietet Texte von unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden
an, so daß das Konkordanzprogramm sowohl in früheren Phasen
des Fremdsprachenunterrichts als
auch für fortgeschrittene Lerner
eingesetzt werden kann. Wie bereits erwähnt ist es aufgrund der
relativ einfachen Bedienung der
Programmfunktionen möglich, daß
MULTICONCORD von Lehrenden
und Schülern benutzt wird. Es bietet sich daher an, das Konkordanzprogramm in unterschiedlicher
Weise im Fremdsprachenunterricht
einzusetzen: Einerseits kann der
Lehrende das Programm zur Unterrichtsvorbereitung und zu Erstellung von Arbeitsmaterialien nutzen, die dann von den Schülern in
Einzel-, Partner-, oder Gruppenarbeit analysiert werden. Andererseits können Schüler in kleineren
Projekten, wie sie von Tribble &
Jones (1989) vorgeschlagen werden, selber mit MULTICONCORD
Konkordanzpaare suchen und ihre
Suchergebnisse weiter bearbeiten
und analysieren.
Abbildung 2: Darstellung der Suchergebnisse
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MultiConcord
Konkordanzprogramme spielen für
das Fremdsprachenlernen jedoch
nicht nur eine Rolle als Datenbank,
die nach sprachlichen Phänomenen
durchsucht werden kann. Sie fördern darüber hinaus kognitive Strategien, die vom Fremdsprachenlerner eingesetzt werden müssen, um
die Konkordanzen zu analysieren.
Wie im folgenden deutlich werden
soll, sind diese Strategien generell
von größter Bedeutung für fremdsprachliche Lernprozesse, wenn es
darum geht, sprachliche Strukturen
zu verstehen und zu lernen. Nach
Murison-Bowie (1993) müssen
Schüler bei der Untersuchung von
Konkordanzen Regeln über die Bedeutung oder die Funktion des
Suchwortes aufstellen und diese an
weiteren Konkordanzsätzen überprüfen. Dazu wird zuerst wird eine
Hypothese aufgestellt. Diese wird
dann getestet und gegebenenfalls
abgeändert, um Thesen über das
sprachliche Phänomen zu formulieren. Um jedoch an ausreichendes
Wissen für die Bildung einer Hypothese zu gelangen, müssen die Lerner zuerst das Suchwort in seinem
lexikalischen Umfeld beobachten,
dann die Beobachtungsergebnisse
nach selbst gewählten Gesichtspunkten klassifizieren, und schließlich generalisierende Aussagen über
die Eigenschaften des Suchwortes
formulieren. Beim Aufstellen von
Hypothesen können die Lernenden
sowohl auf muttersprachliches als
auch auf fremdsprachliches Wissen
zurückgreifen. Werden beispielsweise fremdsprachliche Phänomene
analysiert, die in der Muttersprache
in der gleichen Weise realisiert
werden, kann das Wissen über die
Muttersprache herangezogen werden, um die Merkmale der Fremdsprache zu verstehen und zu erlernen. Unterscheiden sich die Sprachen in der Realisation einer bestimmten sprachlichen Funktion, so
muß bei der Analyse von Konkordanzen auf das fremdsprachliche
Vorwissen zurückgegriffen werden,
um an entsprechende Hypothesen
zu gelangen.
Da MULTICONCORD nicht nur
Konkordanzen in der Fremdsprache
sondern gleichzeitig auch die entsprechenden Textstellen in der
Muttersprache darstellt, ist es möglich, die Konkordanzpaare kontrastiv zu analysieren und auf diese
Weise sprachbewußte Lernprozesse
auszulösen. Schüler können grammatische und semantische Strukturen in der Fremdsprache untersuchen und mit der Muttersprache
vergleichen. Umgekehrt ist es natürlich auch möglich, zuerst die Muttersprache zu untersuchen und erst
dann die Fremdsprache zu betrachten. Diese kontrastive Analyse zwischen Ausgangs- und Zielsprache
kann dabei helfen, implizites Wissen über sprachliche Eigenschaften
und Strukturen in eine explizite
Form umzuwandeln. Bewußtmachungsprozesse dieser Art können
sich Schüler beim Fremdsprachenlernen zunutze machen, um komplexe Lernprozesse zu erleichtern.
Die folgenden Beispiele sollen andeuten, wie parallele Konkordanzen
im Englischunterricht dazu beitragen können, fremdsprachliche Lernprozesse zu initiieren. Zunächst
wird gezeigt, wie im Grammatikunterricht die systematische Untersuchung der englischen Konkordanzen
und ihre Gegenüberstellung zu ihren Entsprechungen im Deutschen
zur Reflexion über Unterschiede
und Gemeinsamkeiten der Fremdund Muttersprache anregen kann.
Anschließend wird exemplarisch
ein Beispiel zur Wortschatzarbeit
vorgestellt.
3.1 For und since in englischen
Temporalsätzen
Englische Adverbialsätze der Zeit,
die sich auf einen Zeitraum oder
Zeitpunkt beziehen, werden entweder mit for oder since eingeleitet. Im
Deutschen werden temporale Sätze
unabhängig vom Zeitraum oder Zeitpunkt sehr häufig mit seit eingeleitet
(vgl. Tabelle 1). Während im Englischen since sowohl Präposition als
auch Konjunktion sein kann, wird
for ausschließlich als Präposition gebraucht. In einem mit for eingeleiteten Satz gibt das Tempus des Verbs
an, wie lange die Zeitspanne andauert, in der eine bestimmte Handlung
stattfindet (1-2). Die Präposition for
kennzeichnet damit eine Zeitbestimmung, die sich auf einen Zeitraum
bezieht. MULTICONCORD weist
dazu Konkordanzsätze im Perfekt
und Plusquamperfekt aus. Auch im
Deutschen zeigt das Tempus des
Verb an, ob der Zeitraum in der Gegenwart, der Vergangenheit oder Zukunft liegt.
In Präpositionalsätzen kennzeichnet since den Zeitpunkt, zu dem
eine Handlung begonnen hat (3-4).
Genau wie im Deutschen wird auch
im Englischen der Zeitpunkt durch
ein (bekanntes, historisches) Ereignis oder eine Jahreszahl auf die
Vergangenheit festgelegt, wie z.B.
since the dawn of civilization oder
since 1914. In beiden Sprachen
markiert das Tempus des Verbs wie
lange die Handlung andauert, die
an dem genannten Zeitpunkt eingesetzt hat.
Temporale Nebensätze im Präteritum, die mit der Konjunktion since
eingeleitet werden, beziehen sich
ebenfalls auf einen Zeitpunkt in
der Vergangenheit, zu dem eine
Handlung begonnen hat, z.B. in
Phrasen wie since it opened its
doors oder since he was a boy (56). Im Deutschen wird das entsprechende Verb häufiger nominalisiert, wie z.B. Eröffnung und Jugendzeit. An die Stelle eines Satzgefüges aus Glied- und Hauptsatz
tritt im Deutschen häufiger nur ein
Hauptsatz. Seit wird im Gegensatz
zu since offenbar seltener als Konjunktion verwendet und das Deutsche zieht, wenn möglich, ein nominalisiertes Verb vor, um einen
Zeitpunkt zu kennzeichnen. Das
Perfekt des Hauptsatzes indiziert
im Englischen, daß die Handlung,
die zu einem gegebenen Zeitpunkt
begonnen hat, bis zur Gegenwart
des Sprechens andauert (5-6).
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(1) For the last two years the Blum woman has
regularly received male visitors.
Die Blum erhielt seit zwei Jahren regelmäßig
Herrenbesuch.
(2) Katharina Blum had evidently been using this
notebook for almost ten years.
Offenbar benutzte Katharina Blum dieses Notizbuch
schon seit fast zehn Jahren.
(3) But ever since the dawn of civilization, people have
not been content to see events as unconnected and
inexplicable.
Doch seit den ersten Anfängen ihrer Kultur haben die
Menschen es nie ertragen können, das unverbundene
und unerklärliche Nebeneinander von Ereignissen
hinzunehmen.
(4) Since 1914 the State, supported by private
patronage, has carried out important restoration
work and refurnished the palace.
Dank staatlicher Subventionen, großzügiger Stiftungen
und Spenden werden seit 1914 bedeutende
Restaurierungsarbeiten durchgeführt.
(5) With 24 000 visitors each day and more than
90 million since it opened its doors, Beaubourg has
introduced the public to modern art.
Mit seinen 24 000 Besuchern pro Tag - mehr als 90
Millionen seit seiner Eröffnung - bringt es die moderne
Kunst der Öffentlichkeit näher.
(6) She’s known Panos since he was a boy.
Panos kennt sie seit ihrer Jugendzeit.
Tabelle 1: Temporale Satzgefüge im Englischen und im Deutschen
Wie die Analyse der in Tabelle 1 aufgelisteten Suchergebnisse zeigt, wird
im Deutschen der Unterschied zwischen Zeitraum und Zeitpunkt nicht
lexikalisch gekennzeichnet, denn
beide Zeitbestimmungen werden im
Deutschen mit seit eingeleitet. Für
viele Schüler ist es daher schwierig
zu erkennen, wann im Englischen
since und wann for verwendet wird.
Da im Englischen eine Zeitspanne
durch for und ein Zeitpunkt durch
since gekennzeichnet wird, ist in diesem Fall die Fremdsprache sicherlich
besser geeignet, um diese sprachlichen Phänomene zu untersuchen. Da
die Muttersprache die Zeitbestimmungen nicht unterschiedlich markiert, können die Lernenden nur auf
der Grundlage der englischen Konkordanzsätze Aufschluß darüber gewinnen, wann im Englischen since
und wann for als einleitende Präposition bzw. Konjunktion für einen tem-
poralen Gliedsatz gewählt wird. Das
Bewußtsein über diese Unterschiede
zwischen der Fremd- und der Muttersprache kann Fremdsprachenlerner dabei unterstützen, neues Wissen
über die Fremdsprache aufzubauen.
Die Erkenntnis, daß muttersprachliches Wissen nicht eingesetzt werden
kann, um in der Fremdsprache temporale Gliedsätze zu bilden, kann
dazu motivieren, die grammatischen
Regeln des Englischen zu lernen, um
(1)
The events of May ’68 took place mostly in the Latin
Quarter.
Die Geschehnisse des Mai ’68 spielten sich hauptsächlich
im Quartier Latin ab.
(2)
She looks young but she has two bitter lines at the
corners of her mouth.
Sie sieht sehr jung aus, aber um den Mund hat sie zwei
bittere Falten.
(3)
The nightclub “Frolics” announces the arrival of
George Gaetari.
Der Nachtclub »Phrolix« kündigt die Ankunft von
Georges Guétary an.
(4)
All she had eaten since she got up was a crust of
brown bread with a scrape of orange marmalade
and a mug of hot tea.
Sie hatte seit dem Aufstehen nichts zu sich genommen
außer einem Kanten Graubrot mit ein bißchen
Orangenmarmelade und einem Becher heißen Tee.
(5)
Then, when he spoke to us from up on the table, he
didn’t have a wrinkle.
Damals, als er vom Kaffeehaustischchen herab zu uns
sprach, hatte er nicht eine Falte.
(6) The barn needs a new door.
Die Scheune braucht ein neues Tor.
(7) A friend of Maureen’s stood in the centre of a large
apartment furnished with a deep-pile carpet and
matching sofa and armchairs.
Eine Freundin Maureens stand in der Mitte eines großen
Zimmers, das mit einem dicken Teppich ausgelegt und mit
einem dazu passenden Sofa und entsprechenden Sesseln
ausgestattet war.
Tabelle 2: Bedeutung und Funktion der Artikel im Englischen und Deutschen
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MultiConcord
sie in den entsprechenden sprachlichen Kontexten anzuwenden.
3.2 Der definite und indefinite
Artikel im Englischen und
Deutschen
Sowohl das Englische als auch das
Deutsche unterscheiden zwischen einem definiten und einem indefiniten
Artikel. Dennoch haben Schüler häufig Schwierigkeiten bei der Verwendung der englischen Artikel. Da jedoch in beiden Sprachen die Artikel
in ihrem Gebrauch übereinstimmen,
könnte eine kontrastive Gegenüberstellung von muttersprachlichen und
fremdsprachlichen Konkordanzen
(siehe Tabelle 2) den Schülern dabei
helfen, sich über Funktion und Bedeutung des definiten und indefiniten
Artikel bewußt zu werden.
Der definite Artikel bestimmt im
Englischen und im Deutschen ein
Nomen (1-3). Häufig wird im Englischen das Nomen, dem der bestimmte Artikel zugeordnet ist, mit einer
nachgestellten of-Ergänzung als definit gekennzeichnet, z.B. the events
of May ’68, the corners of her
mouth. Ein Nomen kann aber auch
ohne nachgestellte of-Ergänzung näher bestimmt werden, wie beispielsweise mit einem Namen wie in the
nightclub “Frolics”. In den deutschen Übersetzungen wird ebenfalls
der definite Artikel verwendet, wobei
hier im Gegensatz zum Englischen
die unterschiedlichen Kasus der Artikel (und der Nomen) morphologisch
gekennzeichnet sind.
den, sondern es kann bereits erworbenes Wissen auf eine andere Sprache übertragen werden.
Der unbestimmte Artikel kann im
Englischen und Deutschen nur in
Nominalphrasen verwendet werden,
deren Kopf ein zählbares Nomen ist.
Genau wie bei den deutschen lexikalischen Formen einer, eine und ein
kann auch a oder an die Anzahl der
durch das Nomen denotierten Gegenstände oder Individuen, festlegen,
z.B. all she had eaten since she got
up was a crust of brown bread, he
didn’t have a wrinkle (4-5), oder eine
Nominalphrase als unbestimmt
kennzeichnen, wie beispielsweise in
the barn needs a new door, the centre
of a large apartment (6-7).
Im Bereich der Wortschatzarbeit
zeichnet sich MULTICONCORD gegenüber traditionellen Hilfsmitteln
wie z.B. Wörterbüchern dadurch aus,
daß es den lexikalischen Kontext des
Suchwortes in der Ausgangssprache
und seine Entsprechungen in der
Zielsprache ausweist. Wörterbücher
können nur in eingeschränktem Umfang Auskunft zu den unterschiedlichen Kollokationsmöglichkeiten geben. Gerade bei Übersetzungsproblemen kann es sinnvoll sein, ein paralleles Korpus nach entsprechenden
Informationen zu durchsuchen, denn
zusätzlich zu den lexikalischen Kontexten eines Suchwortes erhält der
Benutzer auch Aufschluß darüber
wie das Problem, eine bestimmte
sprachliche Struktur in eine andere
Sprache zu übertragen, von anderen
Übersetzern gelöst wurde.
Kontrastive Untersuchungen dieser
Art können Schüler erkennen lassen,
daß Mutter- und Fremdsprache in einigen Eigenschaften übereinstimmen
und es deshalb möglich ist, bestimmte Inhalte ihres muttersprachlichen
Wissens auf die Fremdsprache zu
übertragen. Das Bewußtsein über die
Gemeinsamkeiten von Sprachen
kann die Schüler dabei unterstützen,
den Lernprozeß effizient zu gestalten. Denn es müssen in diesen Fällen
keine neue Regeln dazugelernt wer-
3.3 Lexikalische
Untersuchungen
In dem folgenden Beispiel geht es
darum, wie die Phrasen die Geschichte eine/r/s bzw. die Geschichte
vom/n ins Englische übersetzt werden. In einem zweibändigen einschlägigen Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch Wörterbuch ist unter
(1)
Eleni erzählt ihm die Geschichte vom Löwen und
der Salzsäure
Eleni tells him the story of the Lion and the aqua forte.
(2)
Die Geschichten von Sindbad dem Seefahrer aus
Tausendundeiner Nacht prägen den Dekor dieses
Ladens.
The story of Sinbad the Sailor from the Thousand and
One Nights is the theme of this boutique.
(3)
Nun kam noch diese Geschichte mit dem Licht in
der nördlichen Ebene hinzu.
And now there was the story of the light in the northern
steppe.
(4)
Die wunderbare Geschichte einer Holzmarionette Gepetto arbeitet in seiner Holzschnitzerwerkstatt.
The marvellous story of the wooden marionette - In his
workshop Geppetto sculpts wooden objects, including
Pinocchio, a marionette.
(5)
Der eine sei die Geschichte eines Professors, der das
Klingeln des Telefons nicht erträgt, der andere die
Geschichte eines Milliardärs, der Kaleidoskope
sammelt.
One is the story of a professor who cannot bear to hear
the telephone ring, the other is the story of a billionaire
who collects kaleidoscopes.
Tabelle 3: Lexikalische Kontexte
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den Einträgen Geschichte und story
keine Information dazu zu finden,
welche Präposition in der Regel
dem Nomen story folgt. Im Englisch-Deutsch Wörterbuch wird allerdings the story of her life mit ihre
Lebensgeschichte übersetzt. Diese
Angabe klärt jedoch nicht ausreichend, ob die Präposition of nur im
Zusammenhang mit life oder in allen
Fällen gebraucht wird. Denkbar wären auch die Präpositionen on und
about. Wie eine Gegenüberstellung
von deutschen und englischen Konkordanzen in Tabelle 3 verdeutlichen
soll, kann nur die Präposition of dem
Nomen story folgen.
Im Deutschen ist es möglich, die Präposition, die dem Nomen Geschichte
folgt, zu variieren (1-3) oder eine Objektphrase mit einem einleitenden unbestimmten Artikel an das Nomen
Geschichte anzufügen (4-5). Während
im Englischen story immer von einer
Nominalphrase gefolgt wird, die sich
aus der Präposition of, einem bestimmten Artikel (1) bzw. unbestimmten Artikel (5) bzw. keinem Artikel
(2) und einem Nomen zusammensetzt, gibt es im Deutschen mehrere
Möglichkeiten, das Nomen Geschichte näher zu spezifizieren. So ist es
beispielsweise möglich, die Präpositionen vom bzw. von und ein Nomen
anzufügen, um den Inhalt der Geschichte semantisch zu bestimmen,
z.B. in die Geschichte vom Löwen
und die Geschichten von Sindbad
dem Seefahrer (1-2). Auch die Präposition mit kann im Deutschen eingesetzt werden, um die gleiche Funktion
zu erfüllen, beispielsweise in diese
Geschichte mit dem Licht (3). Genau
wie das Englische setzt auch das
Deutsche den unbestimmten Artikel
ein, um eine Ergänzung an das Nomen Geschichte zu fügen. Allerdings
verzichtet es dann im Gegensatz zum
Englischen auf eine Präposition wie
z.B. die Geschichte eines Professors
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und die Geschichte einer Holzmarionette (4-5).
4. SCHLUSSBEMERKUNGEN
MULTICONCORD kann sowohl
von Lehrenden als auch von Schülern als Datenbank genutzt werden,
um zu recherchieren, wie ein bestimmtes Phänomen in zwei Sprachen realisiert wird. Die verschiedenen Programmfunktionen ermöglichen es, den Suchvorgang relativ eng
einzuschränken, um zu verhindern,
daß zu viele Konkordanzpaare angezeigt werden, die nicht mit den gesuchten sprachlichen Strukturen in
Zusammenhang stehen. Die Ergebnislisten basieren auf einem authentischen Korpus und eignen sich daher besonders für linguistische Untersuchungen. Der Schwierigkeitsgrad der Texte kann durch die Auswahl des Korpusinhalts in der Suchbox variiert werden. Da sich die
Analyseprozesse nicht auf einen gesamten authentischen Text beziehen,
sondern nur auf einzelne Sätze oder
Absätze, werden die Anforderungen
an die Lesekompetenz der Schüler
vergleichsweise verringert.
MULTICONCORD fördert fremdsprachliche Lernprozesse, indem es
sprachliche Daten in einer Weise
präsentiert, die den Einsatz kognitiver Strategien und Sprachbewußtseinsprozesse auslösen können. Um
die Eigenschaften der in den Korkordanzen aufgeführten sprachlichen
Phänomenen zu erkennen und zu
verstehen, ist es notwendig, Analyseprozesse durchzuführen. Dafür
müssen die Fremdsprachenlerner
Strategien wie z.B. das Bilden und
Testen von Hypothesen einsetzen.
Dabei können sie sowohl auf ihr
muttersprachliches als auch auf ihr
fremdsprachliches Wissen zurückgreifen. Da MULTICONCORD die
ausgangssprachlichen Konkordanzen
gleichzeitig mit den zielsprachlichen
Entsprechungen auflistet, ist ein direkter Vergleich zwischen Fremdund Muttersprache möglich. Das
Konkordanzprogramm unterstützt
auf diese Weise sprachliche Reflexionsprozesse, in denen sich die Schüler über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Sprachen bewußt werden können, um anschließend ihre Lernprozesse effizient zu
gestalten.
Aufgrund der genannten Eigenschaften eignet sich MULTICONCORD
sowohl zur Unterrichtsvorbereitung,
um beispielsweise Materialien für
Schüler zu erstellen, als auch für den
direkten Einsatz im Unterricht. Werden mit MULTICONCORD Konkordanzlisten von den Schülern selber
erstellt, muß berücksichtigt werden,
daß die Suchvorgänge zu langen
Ergebnislisten führen können, deren
Bearbeitung viel Zeit benötigen. Sollen Schüler selbstständig mit dem
Konkordanzprogramm arbeiten, muß
vorher sicher gestellt werden, daß
die eingegebenen Suchwörter sich
dafür eignen, Konkordanzpaare im
Korpus zu finden, in denen das gesuchte sprachliche Phänomen in beiden Sprachen realisiert ist. Der Lehrende sollte dies bei der Unterrichtsvorbereitung mitbedenken, um im
Unterricht entsprechende Hilfestellung zur Eingrenzung der Suchergebnisse leisten zu können. Bei der
Analyse von parallelen Konkordanzen ist es eine wesentliche Bedingung für den Lernerfolg, daß die
Schüler die dafür notwendigen Strategien kennen und einsetzen. Haben
die Schüler vorher nicht gelernt, entsprechende Strategien einzusetzen,
so ist es sinnvoll, am Anfang einer
Unterrichtssequenz mit MULTICONCORD gemeinsam mit den
Schülern parallele Konkordanzen zu
analysieren.

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