crea:m 07
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07 EDITORIAL Kreativwirtschaft – die große Vielfalt Nach vier Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Thema Kreativwirtschaft bei Veranstaltungen im forum mozartplatz und nach sechs crea:m-Ausgaben sahen wir den Zeitpunkt gekommen, unsere Eindrücke und Erfahrungen mit der Kreativwirtschaft einmal wissenschaftlich fundiert bestätigen oder korrigieren zu lassen. Eine Studie wurde zum Selbstverständnis der Kreativen und zum wirtschaftlichen Potenzial der Kreativwirtschaft in Auftrag gegeben. Schwerpunkthemen, wie sehen sich die Kreativen selber, wie arbeiten sie, was benötigen sie, um sich und ihre Produkte unternehmerisch entfalten zu können, wurden abgefragt. Spannend war das Ergebnis wie viele Kreative sich primär dem Unternehmertum und weniger dem Kunstbereich zugeordnet sehen. Durch diese Aussage lassen sich in der Folge auch eindeutige Zuständigkeiten und Aufgaben für die Wirtschafts- und Interessenspolitik ableiten. (Seite ) Im crea:m 07 wird den Kreativen selber der größte Platz eingeräumt. Sie erzählen über ihre Erfahrungen im Export und beurteilen aus ihrer Sicht den Standort Österreich (S 2). Junge Agenturen schildern Wertschöpfungsprozesse oder diskutieren über ihre Erfahrungen mit der sozialen Absicherung für Unternehmer (S 12) Die Aktivitäten rund um die Expo in Saragossa (S 30), und ein innovatives Kunstprojekt, das in den fünften Wiener Gemeindebezirk mehr Kommunikation bringen soll, werden vorgestellt (S 42) inhalt Auf bestem Wege. Wie Unternehmer Wahre Kreativität. Sieben Wünsche an den ORF. Blindtext Seite 12 Schwimmwesten, keine Hängematten. zwei Jungunternehmer mit Brigitte Jank Blindtext Seite 16 Tradition und neue Wege. Handwerk ist etwas sehr traditionelles. Seite 24 Alpines Netzwerken. Zuerst taucht das Bergmassiv auf Blindtext Seite 30 The Making of CC:. Ein hochwertiges TV-Format Blindtext Seite 36 Kopf über die Studie. Stadtbelebung durch Kunst Seite 38 Raum für Utopien. Stadtbelebung durch Kunst Blindtext Seite 42 Mörtel unter Palmen. Wiener Firma Cliptease Blindtext Seite 47 Orte, Momente, Werte. Impulse. Wordrap mit Vizekanzler Wilhelm Molterer Seite 22 Fünf Freunde in der Buntpapierwelt Lilli Holleins Designer’s Cuts. Blindtext Seite 34 und Künstler Ideen entwickeln. Blindtext Seite 2 Ihre Anja Hasenlechner Birgit Scheidle crea:m bestellen unter www.creamagazine.at forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur www.forum-mozartplatz.at Seite 32 Der Standort Österreich entwickelt sich langsam aber sicher sehr positiv für das Österreichische Design. Laut einer Umfrage des forum mozartplatz hat sich der internationale Stellenwert in den letzten Jahren für Österreichs Kreativwirtschaft deutlich verbessert. Allerdings schätzen viele das Image noch eher zu traditionell ein und erkennen hier einen Handlungsbedarf. Österreichs Kreative sind auf alle Fälle bereits jetzt sehr international: Zwei Drittel aller Befragten pflegen internationale Beziehungen. 25,5 Prozent präsentieren ihre Dienstleistungen und Produkte auf internationaler Ebene und 22,5 Prozent produzieren für den Export. Über den Standort und ihre internationalen Aktivitäten erzählen Gestalter, die es wissen müssen. Aufgezeichnet von: Michael Hausenblas guggenbichlerdesign sind guter Dinge Dass wir gerade am Sprung nach Udine sind, sagt schon einiges zum Thema Österreichisches Design, oder? Wir sind für zwei Tage unten und müssen ein paar Prototypen unserer Tischkollektion für Tonon korrigieren. Am Montag fliegen wir dann nach Lyon, da geht’s um unsere Gartenkollektion für Fermob. Man kann sagen, wir exportieren mehr oder weniger all unser Design ins Ausland. Unsere Auftraggeber sitzen in Italien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Wir sind sehr happy, dass sich alles so gut entwickelt. Natürlich würden wir gern mehr mit österreichischen Unternehmen zusammenarbeiten. Es gibt auch viele Kontakte. Letztendlich hapert’s aber an der Bereitschaft der Unternehmen, sich auch auf Neues einzulassen. Uns kommt vor, hierzulande wird erst einmal abgewartet was die anderen machen und dann wird nachgezogen. Oder man kauft sich einen „großen Namen“ ein. So etwas zieht auch. Man muss aber fairerweise sagen: Es hat sich in den letzten Jahren viel zum Positiven gewandelt. Das Bewusstsein für Design ist in vielen Bereichen positiv gereift, das liegt zum einen an diversen Institutionen, die sich für Design stark machen, aber schon auch daran, dass die Unternehmen allmählich verstehen, was Design wirtschaftlich bringen kann. Trotzdessen ist noch ein schönes Stück Weg zu gehen. Es gibt gerade ein- mal eine Handvoll Möbelerzeuger in Österreich, die wirklich auf Design setzen. Hier in Österreich haben wir die Erfahrung gemacht, dass, mit ausländischen Erzeugern zu arbeiten, auch gut für’s Image ist. Denn heimische Unternehmen fragen, „wo haben Sie studiert?“, „haben Sie irgendwelche Preise abgestaubt?“ und „mit wem haben Sie schon gearbeitet?“ Und dann wird wieder mal eine Ewigkeit überlegt und abgewartet. Sicher liegt der geringe Stellenwert von Design auch am Design-Bewusstsein der End-Kunden. Österreich hinkt trotz seiner großen Gestaltergeschichte hinterher. Man muss sich nur mal eine Fleischerei in Italien oder in Paris anschauen. Das sagt doch auch schon viel aus. Aber wie gesagt, Design hat eine gute Zukunft vor sich, da sind wir uns sicher. Man sieht das ja auch bei der Politik der großen Einrichtungshäuser, wo Herr und Frau Österreicher am liebsten einkaufen. Auch dort wird immer mehr auf Design gesetzt. Also das Qualitäts- und Geschmacksbewusstsein entwickelt sich mehr und mehr. Wir stehen auf den Standort Österreich und sehen die Situation auch als große Chance. Aber, und das muss schon noch einmal gesagt werden: Unsere Kunden sitzen im Ausland. Harald und Heike Guggenbichler, mit ihren designten Sitzmöbeln „HE“ und „SCHE“ Lena Hoschek in ihrer Werkstatt Modedesignerin Lena Hoschek bleibt gern im Land Ich finde nicht, dass es außerhalb Österreichs besser ist. Österreich ist ein vergleichsweise günstiger Standort. Wenn ich mich als Modedesignerin in London, Berlin oder Paris ansiedle, muss mir klar sein, dass dort eine ganz andere Konkurrenzsituation herrscht als in Wien oder gar in Graz, wo ich mein Atelier betreibe. Auch die Mietpreissituation ist eine ganz andere. Also ich find Österreich als Standort, um sich etwas aufzubauen eigentlich sehr günstig. In Wien gibt es noch dazu eine sehr lebhafte Förderlandschaft, von der ich in Graz allerdings nichts spüre. Der Standort spielt nicht die größte Rolle. Mit deinem Label musst du sowieso auf internationalen Messen in Berlin, Mailand, Paris, Düsseldorf usw. präsent sein. Je nachdem wo du die meisten Ordertermine machst. Wo die jeweilige Firma ihren Sitz hat, ist eigentlich egal. Was das Image oder Ansehen betrifft, kann es schon sein, dass es beim Kunden oberflächlich betrachtet mehr Eindruck schindet, wenn man anstatt „Lena Hoschek, Graz“ „Lena Hoschek, Paris“ lesen kann. Das ist mir aber nicht wirklich wichtig. Meine Mode ist bekannt geworden, weil sie ist wie sie ist und nicht weil sie aus einer bestimmten Stadt kommt. Neben meinem eigenen Shop in Graz wird die Kollektion in einigen Läden in Deutschland, Österreich und der Schweiz und vereinzelten Boutiquen, die über Wolfgang Pichler, Outdoorsofa BendyBay, designed von Danny Venlet für VITEO die ganze Welt verstreut sind, verkauft. Darunter Tokyo und Mexico City. Dafür, dass ich erst meine vierte Kollektion hergezeigt habe, läuft’s eigentlich ganz flott. Die Nachfrage in Österreich ist auch recht groß. Es begann alles mit Mundpropaganda und mittlerweile habe ich sicher auch viel der Presse zu verdanken. Was das Modebewusstsein der heimischen Klientel betrifft, kommt mir natürlich zugute, dass meine Linie eher klassisch ist. Wenn man Avantgarde macht, ist es in Österreich schon härter, sich durchzusetzen. Es ist nun mal so, dass die meisten Österreicher, die sich Designermode leisten, einen eher klassischen Geschmack haben. Ich liebe Österreich und produziere auch ausschließlich hier. Erstens bekomme ich von den österreichischen Produktionsstätten die beste Qualität und habe alles in meiner unmittelbaren Nähe und zweitens möchte ich auch, dass das Geld im Land bleibt. Wenn alle ins Ausland gehen würden, wo sollte dann der Nachwuchs einmal arbeiten? Oft wird bei uns nur gemotzt, dass sich in Österreich nichts tut. Ich find das total negativ. Wie soll denn das weitergehen, wenn jeder nur schlecht redet und dann erst recht auswandert? Eine Sache ist mir noch besonders wichtig: Eine junge kreative Szene, die es hier definitiv gibt, kann nur florieren, wenn sie auch die Unterstützung der Medien hat. Wolfgang Pichler von „Viteo Outdoors“ setzt auf die Nische. Wir exportieren ungefähr 85 Prozent ins Ausland. Allein deshalb, weil der Markt Österreich für unsere Produkte einfach zu klein ist. Die Hauptmärkte für unsere circa 40 Objekte sind Deutschland, Italien und der gesamte Beneluxbereich. Es handelt sich dabei um hochpreisige Qualitätsdesign-Produkte für den Outdoorbereich, das nur eine kleine Klientel anspricht. Das liegt auch an der zeitlosen, reduzierten Formensprache. Um mit so einem Nischenprodukt erfolgreich sein zu können, muss man sich einfach international aufstellen. Die Schweiz wäre als Heimatland auch zu klein. Klar liegt es auch am Designbewusstsein. Bei uns wird der Begriff Design sehr inflationär verwendet, jeder Mensch, der irgendwas macht spricht gleich von Design. In anderen Ländern existiert ein höheres, ein flächendeckenderes Designbewusstsein. Bei uns ist es eher eine urbane Erscheinung. Warum das so ist? Ich denke, weil wir in den letzten Jahrzehnten einfach relativ wenig mit unserer Designtradition gearbeitet haben. Design aus Österreich ist ja schon Jahrzehnte kein Thema mehr. Wir hatten vor 100 Jahren zwar einige Vorreiter, aber das war’s dann. Andere Länder haben in diesem Bereich aufgeholt und auch die dementsprechenden handwerklichen Geschicke dahinter gestellt. Ich denke zum Beispiel an Norditalien, wo eine unglaubliche Kette an Möbelproduzenten existiert. Ich würde aber auf jeden Fall sagen, dass eine sehr positive Entwicklung spürbar ist. Die Frage allerdings, wie weit sich der Punkt Design in Zusammenhang mit hochpreisigen Produkten noch ausweiten lässt, ist eine andere. Die österreichische Mentalität zeigt schon die Bereitschaft, dass die Menschen Geld für Qualität ausgeben, aber das mit zeitgenössischem Design zu verbinden, sehe ich eben noch als Hürde. Was ich noch erwähnen wollte ist, dass wir schon aufgrund der Art unserer Produkte eine Design-Nische besetzen, weil wir in Österreich auch klimatisch benachteiligt sind. Zu der fehlenden Tradition in diesem Bereich kommt also auch noch eine Heizperiode von gut sechs Monaten. Das ist für uns natürlich auch ein Riesenthema. Aber wie gesagt, ich bin sehr zuversichtlich, dass sich der heimische Markt sehr positiv entwickeln wird. Der Außenbereich wird den Menschen einfach immer wichtiger. Outdoor ist ja auch der am stärksten wachsende Bereich am Möbelmarkt. » Fürs Ansehen ist es in jedem Fall sehr gut, im Ausland tätig zu sein. « Industriedesigner Kurt Hilgarth setzt auf die Ausbildung Ich habe mit meiner Arbeit sehr viel Erfahrung in Japan, China und Italien gesammelt. Unser Exportanteil liegt bei 60 bis 70 Prozent. Den Kunden gefällt unser Zugang, ich würde sagen es handelt sich um eine gute Mischung aus Verständnis für den Kunden, Funktionalität und natürlich geht’s auch um den optischen Faktor, sowie eine Verbindung zwischen Ästhetik und Kultur. Warum das in Österreich nicht so gut funktioniert? Wie soll ich sagen, ich denke, das Designempfinden ist hierzulande nicht so abgesichert wie anderswo. Italienisches Design wird generell als positiv empfunden, bei uns mangelt es vor allem an der Tradition. Der Zugang zum Design ist im Ausland anders, man hat mehr Vertrauen zum Gestalter und kritisiert nicht gleich. Viele Auftraggeber dort sind begeisterungsfähiger und offener für eine gute Zusammenarbeit. Aber es wird laufend besser. Dafür sind einerseits die Erfolge heimischer Designer im Ausland verantwortlich, andererseits liegt es bestimmt auch an der noch sehr jungen Designausbildung bei uns, die immer mehr Echo erfährt. Junge Designer gehen auf internationale Messen und kommen mit Selbstbewusstsein zurück. Ich selber unterrichte an der FH Joanneum in Graz und wohnte gerade einer Präsentation von Praktikanten bei. Es ist beeindruckend, was die zusammenbringen und das schlägt sich vor allem in einer extrem hohen Nachfrage im Ausland nieder. Das wird auch österreichischen Firmen mehr Sicherheit geben. Fürs Ansehen ist es in jedem Fall sehr gut, im Ausland tätig zu sein. Manche Leute wundern sich allerdings noch immer, dass die Italiener einen österreichischen Designer zu sich holen. Da fragen sich dann die Unternehmen bei uns, „warum arbeitet der eigentlich nicht auch für uns?“ Guggenbichler Design ist ein Studio mit Sitz in Wien und wurde 2004 gegründet. Das Kernteam besteht aus Harald und Heike Guggenbichler. Aktuelle Produkte sind unter anderem ein Garderoben-Basismodul für ein Großraumsystem für Lourens Fischer, eine Tischkollektion für Tonon und eine Outdoor-Kollektion für fermob. www.guggenbichler.at Lena Hoschek absolvierte die Modeschule Hetzendorf (2003) und verbrachte im Anschluss daran acht Monate als Praktikantin im Atelier von Vivienne Westwood in London. Seit Juli 2005 arbeitet sie selbständig in Graz und gründete dort das Label Lena Hoschek. www.lenahoschek.com Wolfgang Pichler ist in der Südsteiermark geboren und aufgewachsen. Die Einfachheit und Reduktion auf das Wesentliche bestimmen seine Entwürfe sowohl in der Architektur wie auch im Design. Mit Viteo verfolgt er sein Ziel nach Originalität, Reduktion und Klarheit im Produkt. Er zeichnet verantwortlich für die modulare HomeCollection, die der Ausdruck seiner ständigen Auseinandersetzung mit einem Thema ist: outdoor living. www.viteo.at Kurth Hilgarth gründete 1996 sein technisches Büro für Industriedesign namens „fancyform design engineering“ in Graz-Grambach und wurde für verschiedenste Objekte mit Preisen ausgezeichnet. Er entwickelt Design für national und international renommierte Firmen in Italien, Deutschland, den USA, Japan, China, der Schweiz und Indonesien und unterrichtet Industirals Design an der FH Joanneum in Graz. www.fancyform-design.com Kurt Hilgarth, fancy design Es ist eine Herausforderung, Neues zu kreieren. Genauso ist es eine Herausforderung, eine neue Kreation anzunehmen, zu produzieren und zu vermarkten. Diesen Herausforderungen muss man sich mit Mut stellen, nur so kann es eine fruchtbare Weiterentwicklung geben. In den letzten Jahren hat bereits spürbar eine Erwärmung des Ambientes in der lokalen Designszene stattgefunden. In wieweit diese Entwicklung zum Fortschreiben der Österreichischen Designgeschichte relevant genug ist, wird sich erst in einigen Jahren herausstellen. Es kann auf alle Fälle noch heisser werden. Ganz bestimmt ist noch eine gehörige Portion Mut und Teambereitschaft seitens der heimischen Design-Produzenten vonnöten, um mit den aufstrebenden Designern vor Ort zu wachsen und so frische Ideen unter das fleißige Volk zu bringen. JULAND präsentiert vier Designern, die kräftig bei der Erwärmung des heimischen Design-Ambientes mitmischen. Geschichten aus dem JULAND Julia Taubinger Stammt aus dem JULAND und hat gemeinsam mit Andrés Fredes die Plattform PureAustrianDesign zur Präsentation, Kommunikation und Promotion des Österreichischen Designs auf der nationalen und vor allem internationalen Designbühne gegründet. Das Studio JULAND hat sich neben der Kuratierung und der Organisation von Design-Ausstellungen wie zum Beispiel in New York, London, Barcelona, Prag, Zürich und mittels einer international agierenden Online-Plattform für österreichisches Design zum erfolgreichen Vermittler zwischen Produktionsfirmen und Designern entwickelt. www.pureaustriandesign.com www.julandscape.com Marco Dessi: Hallo, ich bin gerade am Weg Seine Interviews gibt er bereits in englischer Sprache. Sein Lebensmittelpunkt ist Wien. Seine Arbeiten zeugen von höchster Genauigkeit und Liebe zum Detail. Sein Erfolg sind selbstbewusste Kreationen, die noch vor seinem Abschluss des Studiums international präsentiert und ausgezeichnet wurden. Dabei sind seine Entwürfe nicht einfach Wiederholungen von bereits Dagewesenem, sondern haben mehr als eine Berechtigung zur Existenz. Der Stuhl UDON ist nicht ein weiterer Stuhl, sondern ein Objekt mit Haltung, mit Rückgrad, das nun auf den Weg in die Produktion gebracht werden soll. Es ist auch nicht ein weiterer starrer Heizkörper, der nun den Weg in unsere Wohnungen finden soll, sondern eine äußerst herzerwärmende, intelligente und elegante Lösung, die das Thema Heizspirale aufgreift und neue Verbindungs- und Anordnungsmöglichkeiten anbietet. Dass auch dieses Objekt bereits in international anerkannten Designmagazinen präsent war, versteht sich von selbst. Und so geht es mit vielen anderen Produkten, für die Marco Dessi bis jetzt nicht Zeit und Raum hatte, sie für die serielle Produktion freizugeben. Mit dieser Vorgeschichte ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Produkte in die Serienproduktion gelangen und endlich für den Konsumenten zur Verfügung stehen. Nachfragen liegen ja schon einige in der Lade. Als Einschub soll hier der Aufruf an die Produktionsfirmen Österreichs im Sinne der heimischen Designförderung gelten, die Gelegenheit zu nutzen und den Mut zu haben, Dessis Produkte in Österreich zu produzieren und sie dann international zu vermarkten, anstatt den Designer Marco Dessi zu exportieren und dann seine Produkte zu importieren. Aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist Österreich als Design-Exportland besser gedient als als Designer-Exportland. Erfolg versprechend sind die Entwürfe von Marco Dessi allemal. Marco Dessi, geborener Südtiroler, machte nun kurz Halt in Mailand auf der Salone di Mobile und holte sich dort eine weitere Bestätigung seiner exzellenten Arbeiten holen und angelte sich wahrscheinlich auch den einen oder anderen Produzenten. Marco Dessi, geborener Südtiroler, machte nun kurz Halt in Mailand auf der Salone di Mobile Ende April und holte sich dort eine weitere Bestätigung seiner exzellenten Arbeiten oder angelte sich sogar den einen oder anderen Produzenten. www.pureaustriandesign.com/showroom/marco_ dessi www.marcodessi.com MEMUX Nennt man es Geschichte oder Entwicklung? Martin Mostböck: Gut gepflanzt Am Anfang war Hadrians Mauer, die quer durch ein ganzes Land gezogen wurde, später fand der Eiserne Vorhang seine zahlreichen Anwendungen, und nun am Ende der Entwicklungsgeschichte steht der „Betonvorhang“, der sich je nach Wunsch nun quer durch unsere Häuser oder Gärten ziehen lässt und nahezu futuristisch anmutet. Die Verdrehung eines Körpers, das konische Zusammenlaufen des Körpers, die kristalline Form des Körpers - wie auch immer man es beschreibt, eins steht fest: für den Betrachter oder den glücklichen Besitzer ist „Arrow“ nicht nur ein Gefäß um Blumen zu pflanzen, sondern ein Objekt, das in seiner geometrisch schlichten Eleganz, die Schönheit der darin eingesetzten Pflanzen hervorhebt. Produktion und internationale Vermarktung dieses „bepflanzbaren“ Objektes übernimmt die international anerkannte Firma Eternit. Dieses Hybrid aus Stahlbetonfertigteil und Textil verschafft sich eine eigenwillige Präsenz – zweidimensional und raumgreifend zugleich. Die außergewöhnliche Verarbeitung des Rohmaterials Beton, mit dem man eher Merkmale wie Massivität verbindet, und seine spezielle Formgebung verleihen diesem neuartigen Vorhang einen poetischen Charakter. Die Lichtbrechung an den Bruchkanten, die träge Bewegung im Wind und die daraus entstehenden Klänge tauchen den Betrachter in eine sinnliche Welt des textilen Betonerlebnisses. 10 Klar wird, dass hier neben all den sinnlichen Erlebnissen ein enormes Wissen über die Baustoffe Beton und Textil sowie deren Verarbeitung zusammengetragen wurde, um nun diese durchaus vermarktbare Lösung präsentieren zu können. Einige Jahre an Entwicklungsarbeit stecken hinter diesem hochqualitativen Objekt, das jetzt Geschichte schreiben kann. Aus dem künstlerischen Ansatz, eine Rauminstallation zu entwickeln, die auch im städtischen Raum als Möbel funktioniert und dreidimensional frei verformbar ist, wurde ein vielseitig einsetzbares Objekt, das als Vorhang für sich hängt und nun zu einem allgemeinen Gebrauchsgegenstand gekürt wurde – geeignet für den Innen und Außenraum. Mennel und Muxel, zwei aus dem Bregenzerwald stammende Architekten, die sich unter dem Label Memux zusammengeschlossen haben, bearbeiten neben klassischen Architekturprojekte genauso experimentell orientierte Kreationen und Konzepte im Designund Eventbereich. Mit dem weltweit renommierten Designpreise „red dot“ Designpreis 2008 und dem österreichischen Staatspreis für Design 2007 im Rücken wurden bereits die besten Entwicklungsschritte für eine erfolgreiche Produktgeschichte gemacht. Am Entwicklungs und Realisierungsprozess beteiligt ist auch das Bauunternehmen Oberhauser Schedler GmbH, das von Anfang an Mut bewies und sich auf dieses Experiment eingelassen hat. http://www.memux.com/ Mit den Entwürfen von Martin Mostböck „wuchs“ die für Faserzement-Bauteile bekannte Firma Eternit in kürzester Zeit in die internationale Designwelt hinein. So wurde „Twista“, das Vorgängermodell dieser neuen Produktserie, vom internationalen Design- und Lifestyle-Magazin Wallpaper ausgewählt, um auf dem Global Edit/06 in Mailand ausgestellt zu werden. Und dem nicht genug - „Twista“ erhielt im gleichen Jahr natürlich auch den „red dot Design Award“. Martin Mostböcks gestalterische Herkunft ist die Architektur. Viele Jahre verbrachte er in leitender Position beim renommierten Architekturbüro Coop Himmelblau. Architektur und Design sind für ihn sich immer wieder gegenseitig befruchtende Disziplinen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Seine Liebe jedoch gilt dem Designobjekt, eine Liebe, die Martin Mostböck mit dem MAK – Museum für angewandte Kunst und dem Hofmobiliendepot teilt, sowie mit der Firma Braun Lockenhaus, Hersteller des „garcia“ Stuhls, einer seiner erfolgreichen Entwürfe, der in die Sammlungen dieser Museen aufgenommen wurde. Immer auf der Suche nach starken, aussagekräftigen Entwürfen, wächst Martin Mostböck ständig mit den Aufgaben, die an ihn herangetragen werden. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Konzepte und Ideen zu kommunizieren. Martin Mostböcks Label „m“ steht für „machbar“ und „manchmal provozierend“. So habe ich mich in einen für Österreich durchaus bezeichnenden Entwurf verliebt, einen Stuhl, der sich „my best friend‘s chair“ nennt und auf der Homepage von „m“ zu finden ist. Das dritte, hintere Bein des Stuhls ist eine Axt, dessen Schaft die Sitzfläche durchstösst um mit der Schneide provokativ die Rückenlehne zu ersetzen. Allerdings ist dieser Entwurf nicht zur Produktion freigegeben. „Zu gefährlich für gut Gewachsene“, hieß es seitens der Presseabteilung von Martin Mostböck. www.martin-mostboeck.com 11 Cyledge verlinkt Wissenschaft mit Firmen Einen Boom verzeichnet derzeit Wort Kreativität und ist in aller Munde. Doch: Was steckt hinter dieser Worthülse? Wie gut lässt sich Kreativität verkaufen? Wie sieht der Alltag von „jungen Kreativen“ aus? cream machte sich in Wien auf die Suche. Text: Barbara Schumy 12 Der Wirtschaftsmotor brummt – und einer der stärksten Treiber ist der Sektor Kreativwirtschaft. Doch so vielfältig die Beschäftigungsbereiche (von Architektur über Design bis hin zu Medien) in diesem Wirtschaftssektor sind, so unübersichtlich sind die Visionen, Angebote und Geschäftsmodelle. Der gemeinsame Nenner scheint einzig „Kreativität“ zu sein. Diese ist mittlerweile auch in der österreichischen Wirtschaft gefragt und den steigenden Bedarf wollen zahlreiche Selbstständige, Start Ups und Agenturen decken. Im Schnitt wurden in den letzten Jahren 27.500 Firmen im Bereich der Creative Industries gegründet – pro Jahr. In keinem österreichischen Wirtschaftssektor wird soviel gegründet wie im Kreativbereich – und in kaum einen anderen Sektor gibt es mehr Pleiten, Pech und Pannen. Denn Anleitungen für den Erfolg gibt es nicht und Kreativität allein ist zuwenig. Gerade im Bereich Multimedia haben sich zahlreiche Firmen mit ihren Angeboten im weltweiten Netz verheddert – oder etwas Einzigartiges entwickelt, wie die Beispiele cyledge, deineagentur und mutti medien zeigen. Die Maß-Schneiderer Individualität ist bei der von Paul Blazek und Wolfgang Frühwirt gegründeten Agentur cyledge großgeschrieben und sie ist alles andere als Plattitüde. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist auf den ersten Blick nicht einzigartig: Die Gestaltung von Websites. Doch schon bei einem Besuch in der Hermanngasse im siebten Wiener Gemeindebezirk angesiedelten Büros wird klar, wie Individualität auch gelebt werden kann. Gäste blicken nicht auf ein goldenes Türschild oder werden von einer Kamera gescannt, sondern werden namentlich auf einem kleinen Flatscreen am Eingang begrüßt. Besprechungen finden – sofern das Wetter mitspielt – auf der Terrasse mit Blick über ganz Wien statt. Weitsichtig erwies sich auch Blazek selbst, als der studierte Wirtschaftspsychologe und Mitbegründer der Multimedia-Agentur nofrontiere, 2006 cyledge gründete. „Ich wollte immer etwas Innovatives machen, meine Freiräume haben und meine eigene Spielweise.“ Als Blazek 2005 bei einer Konferenz in Hongkong zum Thema „Mass Costumization“ zufällig auf den Wirtschaftsexperten Frühwirt traf, entwickelten sie binnen mehreren Monaten ein Businessmodell, suchten nach einer überlebensfähigen Nische, entwickelten einen USP (Unique Selling Proposition) und gründeten mit eigenen Mitteln schließlich eine Firma. Der Name cyledge – ein Neologismus aus „cyber“ und „knowledge“ - war bald gefunden. „Der Name ist Programm. Wir sind im deutschsprachigen Raum die einzige Agentur, die als Schnittstelle zwischen Firmen und Wissenschaft fungiert“, meint Blazek. Denn cyledge hat sich auf digitales Wissen spezialisiert und ein wissenschaftlich fundiertes Analyse-Tool entwickelt, mit dem maßgeschneiderte Websites für Kunden erstellt werden. Seit dem Start von cyledge wickelte Blazek mit seinem Team bereits 20 Web-Projekte ab, u.a. für die Österreichischen Bundesbahnen, den Sportartikelkonzern Adidas oder dem Museum Belvedere. Kunden werden nicht geworben, sondern finden in der Regel auf Grund von Empfehlungen zu cyledge oder werden bei einer der zahlreichen Vorträge von Blazek auf (inter)nationalen Veranstaltungen auf das Unternehmen aufmerksam. „Anders als andere Agenturen, wollen wir nicht unsere Ideen verwirklichen und selbst kreativ sein, sondern bei uns steht der Kunde bzw. InternetUser im Vordergrund.“ Denn erfolgreiche Websites besitzen eine hohe Usability, also die Bedienerfreundlichkeit. Ein Schlagwort das bei High Tech-Produkten und Internet-Services zwar gerne verwendet wird, real aber kaum umgesetzt wird. Diese Misere hat sich für Blazek und seinem Team zum Schlüssel für den Erfolg entwickelt. „Man kann eindeutig auch als Newcomer punkten, wenn man einen echten USP hat, der sich kein Pseudo-USP ist“, meint Blazek, „Kreativität allein ist aber jedenfalls zuwenig, denn bei ihr kommt die Individualität des Kunden zu kurz.“ 13 Kununu – ein Netzwerk aus Web-Designern, Programmierer und Fotografen Die Tool-Kreateure Auf Individualität setzt auch deineagentur. Ihr Credo: Maßgeschneiderte Lösungen statt „von der Stange“. Das Netzwerk von Web-Designern, Web-Programmierern, Fotografen und Filmemachern wurde 2005 von den beiden Wienern Johannes Huber-Pock und Mark Poreda während ihrer Studienzeit in Australien gegründet. „Es hat sich von selbst ergeben“, meinen die Gründer. Nun besteht das Netzwerk aus sieben Leuten. Das Team wird nach Bedarf zusammengestellt. Kunden werden „nicht direkt akquiriert“, sondern finden sich wiederum über ihre Netzwerke oder durch Referenzprojekte. Doch nicht nur deineagentur konnte sich in der Branche etablieren. Seit Juni 2007 ist aus den Wiener Netzwerkern ein Start Up geworden, das im deutschsprachigen Raum für Aufmerksam sorgte und längst kein unbeschriebenes Blatt mehr ist. Diesen Namen verpasste deineagentur nämlich der von ihr entwickelten Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu; Suaheli für „unbeschriebenes Blatt“. Initiator war Martin Poreda, der aus eigener Erfahrung bei der Jobsuche und durch Gespräche auf die Idee kam, im Internet Informationen über das Arbeitsklima in Firmen bereitzustellen. Die 50.000 € Startkapital haben die Jungunternehmer selbst zusammengekratzt, einen professionellen Businessplan erstellt und ihre Idee in Form von kununu um14 Mutti – Schnittstelle für Kunst, Technologie und Netzdienstleistungenen gesetzt. „Wir haben sechs Monate in Österreich nach einem Investor gesucht“, sagt Martin Poreda, „aber statt Geld bekamen wir überall zu hören, dass wir mit einem Internet-Projekt keine Chance haben.“ Statt zu resignieren, startete deineagentur das Projekt selbst und bezogen ein kleines Büro am Rudolfsplatz im ersten Wiener Gemeindebezirk. „Wir waren von der Idee überzeugt, aber wussten nicht, ob es klappt“. Aber es klappte nicht nur, kununu startete durch. Von anfangs 400 Usern täglich, die online ihre Arbeitgeber bewerteten oder sich vorab Informationen über potenzielle Arbeitgeber einholen wollen, surfen derzeit 2000 User auf die Plattform. Vor kurzem stieg mit dem deutschen Verlag Madsack MediaLab sogar ein Investor bei kununu ein. In Hamburg und Zürich wurden bereits Außenstellen eröffnet. Doch klar ist für die Jungunternehmer vor allem eines: „Wir stehen erst am Anfang und haben erst ein Fünftel unserer Ideen umgesetzt.“ Auch Kritik in Richtung, dass das die Bewertungssplattform ein „Hetzportal“ sei oder gerichtliche Klagen von (schlecht) bewerteten Arbeitgebern, lassen deineagentur nicht von ihren Plänen abhalten. Mark Poreda: „Es macht uns Spaß und es ist eine spannende Zeit“. Auch Johannes HuberPock bekräftigt. „Das ist unser Baby.“ Die Schnitt-Steller Zu keinem Nachwuchs, sondern einer Mutti brachten es hingegen die beiden Wiener Matthias Tarasiewicz und Michal Wlodkowski. Seit mehreren Jahren ist ihre Homebase das MuseumsQuartier (MQ), wo sie nicht nur ein Büro haben, sondern auch zahlreiche Projekte umsetzten. Bereits während ihres Studiums an der Angewandten beschäftigten sich die beiden mit Digitalen Medien und gründeten 2004 5upernet, einen Verein für Medien, Kunst und Technologie. „Uns ging es um die Verbindung zwischen diesen Bereichen.“ 5upernet war eine Art Knotenpunkt an den Schnittstellen von Medienkunst, Architektur, Musik und Technik. Die künstlerisch ambitionierten Projekte wurden u.a. in der Cuisine Digital aufgetischt, einem Ausstellungsraum im MQ. Doch 2006 wurde aus dem losen Netzwerkverein ein Unternehmen. Geburtsstunde von Mutti – übrigens keine Abkürzung - war ein größeres Internet-Projekt für den Wiener Stadtfernsehsender Okto. Der Unternehmensstart wurde von den Gründern selbst finanziert. Ziel von Mutti Medien ist und war, Web-Dienstleitungen anzubieten und spezielle Software für den Medienund Publishing-Bereich zu entwickeln. „Der Anfang war hart und es gab immer wieder Durststrecken“, sagt Matthias Tarasiewicz. „Doch mittlerweile können wir von Mutti recht gut Leben.“ Grund dafür ist, dass sie sich nicht nur in eine Nische gesetzt haben, sondern diese eigentlich erst selbst geschaffen haben. „Wir arbeiten in einem Bereich, der nun sehr gefragt sind“, erklärt Michal, „Jetzt sind wir eine Software-Firma, obwohl wir eigentlich aus der Kunst kommen.“ So tüfteln die beiden derzeit u.a. an einer Software für die Austro Mechana, der Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte, mit der in Zukunft Abrechnungen von MusikLabels einfacher sein sollen. Mutti berät außerdem einen deutschen Betreiber einer Oldtimer-Plattform. Oldies sind die beiden knapp Dreißigjährigen übrigens längst auch selbst – zumindest im Internet. „Wir sind seit 15 Jahren im Netz“, sagen die Mutti Medien-Gründer. „Über Kreativität machen wir uns keine Gedanken, wir versuchen nur, Technologien anders einzusetzen“, sagt Michal Wlodkowski. Sein Partner Matthias Tarasiewicz schränkt ein: „Scheinbar sind wir aber schon kreativ, weil sich Kunden immer wieder wundern, welche Ideen wir haben.“ Paul Blazek ist Managing Partner von cyledge media GmbH. www.cyledge.com Michal Wlodkowski und Matthias Tarasiewicz sind Gründer von mutti medien. www.mutti.jp Die Bewertungsplattform Kununu wurde von den Brüdern Mark und Martin Poreda sowie Johannes Huber-Pock gegründet. www.kununu.com 15 Zwei Jungunternehmerinnen im Gespräch mit Wiens Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank über neue Möglichkeiten einer sozialen Absicherung für Selbständige Text: Walter Hämmerle „Für den Unternehmer ist der Markt wie das Meer – voller Risiken.“ Jean-Louis Servan-Schreiber wusste schon, wovon er sprach, auch wenn er ein überzeugter Linker war. Immerhin bewies der 2006 verstorbene französische Essayist und Journalist erheblichen Unternehmermut, als er gemeinsam mit einem Kollegen das Pariser Nachrichtenmagazin „L’Express“ gründete. Gegen die Unbill der unberechenbaren See helfen Rettungsboot und Schwimmweste, wer aber greift Menschen unter die Arme, die als Unternehmer oder Freiberufler das Wagnis eingehen, den verlockenden Sicherheiten einer Anstellung mit 14 Monatsgehältern und mehr sowie festem Urlaubsanspruch zu entsagen? lionäre!‘ so das weit verbreitete Vorurteil. Dabei wird nur eines übersehen: Es geht nicht um soziale Hängematten auf Kosten der Allgemeinheit, sondern um ein Mindestmaß an Sicherheit, das auch Unternehmer brauchen, sollen sie erfolgreich für Wirtschaftswachstums und neue Jobs sorgen. Wer daher in Kategorien wie ‚verkappte Millionäre‘ denkt, hat vom wirklichen Leben nur wenig Ahnung. Das zeigt der Weg, den Dagmar Leitgeb und Elke Zellinger gehen. Erstere betreibt mit einer Freundin seit 2006 die PR-Agentur „cada“ mit Standbeinen in Wien und Linz; letztere gründete 2005 nach 14-jähriger Branchenerfahrung mit einem Kollegen die Agentur „Ultramarin“ in der Bundeshauptstadt. Für beide glich das Ja zur Selbständigkeit dem „Sprung von einem hohen Podest“, wie Zellinger es formuliert. Sozialpolitik für Selbständige galt die längste Zeit vielen als Widerspruch in sich. Für was brauchen Unternehmer schon Starthilfe, für was Kindergeld, Arbeitslosenversicherung oder Unterstützung bei Krankheit, Schwangerschaft oder Aufbau einer Altersvorsorge? ‚Sind doch ohnehin alles verkappte Mil16 Vor allem die Startphase war für beide mit Stolpersteinen gepflastert. Unerfahrenheit und Bürokratie fordern eben stets ihren Preis. „Genau deshalb hat die Wirtschaftskammer ein Programm für Unternehmensführung initiiert“, wirft Wiens Diskussion in der Wirtschaftskammer Wien: Walter Hämmerle, Dagmar Leitgeb, Brigitte Jank und Elke Zellinger 17 Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank ein. Dieses für Jungunternehmer entworfene Modul dauert sechs Wochen und vermittelt ein betriebswirtschaftliches Basis-Rüstzeug. Nicht zu vergessen auch die Gründerworkshops in Abendkursen, die von der Wirtschaftskammer angeboten werden. Ausschlaggebend für den Mut, vom Sockel zu springen, waren für Zellinger und Leitgeb die Sehnsucht nach Unabhängigkeit, der Wunsch nach einer leistungsgerechten Bezahlung angesichts regelmäßiger von Arbeitstagen mit 10 Stunden. Leitgeb formulierte auch die für Frauen oft nur im Stillen geäußerte „Sorge, wie es mit der eigenen Angestellten-Karriere wohl im Falle von Kindern weiter geht“. Natürlich sind fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten auch für selbständige Frauen ein enormes Problem. (Männer kennen diese Sorgen, noch zumindest, kaum.) Und was geschieht, wenn man selbst einmal krank ist? Gemeint ist: wirklich krank. Denn die Möglichkeit, auch einmal mit einem leichten Schnupfen die Arbeit liegen zu lassen, haben Selbständige in den seltensten Fällen. „Begleitende Maßnahmen“ lautet für Jank das Stichwort in der Frage der sozialen Absicherung: „Wir wollen die Unternehmer dorthin führen, wo sie ohne Anreize von alleine oft gar nicht hingehen würden.“ Ein „Meilenstein“ ist in diesem Zusammenhang für Jank die seit Jänner 2008 geltende Pensionsvorsorge. Die Abfertigung neu für Arbeitnehmer wurde hier für Selbständige geöffnet. Manch Kritikern mag dies vielleicht als „Zwangssparen“ ablehnen, aber ohne diese wäre es zu keiner Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge gekommen, gibt Jank zu bedenken. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit für Selbständige, sich gegen Arbeitslosigkeit zu versichern. Im Unterschied zur Abfertigung neu beruht diese jedoch auf freiwilliger Basis. Angesichts der rasant steigenden Anzahl von unternehmerischen Köpfen, die quasi fliegend zwischen Selbständigkeit und Angestelltendasein pendeln ist auch das für Jank ein „wichtiges Angebot zur sozialen Absicherung“. Und was geschieh im Falle von Krankheit, Unfall oder Schwangerschaft? Es sind vor allem Unwägbarkeiten dieser Art, die Selbständigkeit zu einem besonderen Risiko machen, wie Zellinger und Leitgeb aus eigener Erfahrung berichten können. Für solche Notfälle hat die Wirtschaftskammer ein System von „Betriebshilfen“, getragen von der Sozialversicherung, entwickelt. „Die Unternehmer entscheiden selbst, wie er den Betriebshelfer einsetzt, im wesentlichen geht es dabei um dringende, aber einfache Angelegenheiten wie etwa die Post erledigen, das Telefon abheben und ähnliche Dinge“, erläutert Jank. Bereitgestellt wird der Betriebshelfer vom Arbeitsmarktservice, aber der Unternehmer kann auch eine bestimmte Person selbst vorzuschlagen. Im Falle von Krankheit oder Unfall steht ein Betriebshelfer maximal 70 Tage, bei Schwangerschaft von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt zur Verfügung. „Kann man bei Schwangerschaft statt eines Betriebshelfers auch eine Kinderfrau engagieren?“, stellt Dagmar Leitgeb eine aus Unternehmerinnen-Sicht naheliegende Frage. „Leider nicht“, muss Jank zur Antwort geben. Aber besteht zumindest die Chance, diesen Wunsch in 18 absehbarer Zeit zu ermöglichen? Die Wirtschaftskammer verfolgt hier einen anderen Ansatz: „Wir fordern die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuung, das wäre tatsächlich ein großer und wichtiger Fortschritt“, so Jank. Die richtigen Infos zur richtigen Zeit: Die hat man als jun- ger Mensch mit dem Mut zur Selbständigkeit nicht immer zur Hand, wenn man sie am dringendsten brauchen würde, berichten sowohl Zellinger als auch Leitgeb von ihrer persönlichen Start-up-Phase. Wie also kann man das Info-Service noch weiter verbessern? „Generell wird unser Informationsangebot sehr gut angenommen, das gilt vor allem für unsere Wochenzeitung ‚Wiener Wirtschaft’“, wirft sich Jank für den Ist-Zustand in die Bresche. Für die Zukunft will sie insbesondere das Informationsangebot für Unternehmer unmittelbar nach der Gründungsphase noch weiter ausbauen – „aber dafür sind wir natürlich auch auf die Anregungen der Betroffenen angewiesen“. Wobei, einen nicht ganz unwichtigen Umstand will Jank nicht verhehlen: „Auch das beste Info- und Service-Angebot ändert nichts daran, dass der Weg in die Selbständigkeit eine Herausforderung ist, die auch die Möglichkeit des Scheiterns beinhaltet.“ Und dies trotz aller Bemühungen, Selbständigen die Sicherheit eines Sozialnetzes zu geben, wie es – in ungleich größerem Ausmaß – die Unselbständigen genießen. An Ideen und Anregungen lassen es zumindest die beiden Jungunternehmerinnen in dieser Runde nicht fehlen: Elke Zellinger wünscht sich „mehr Transparenz bei der Sozialver sicherung, deren genaue Berechnung ist ein einziges großes Rätsel“. Laut ihrer persönlichen Erfahrung ist nicht einmal das Finanzministerium vor fehlerhaften Vorausberechnungen gefeit. Hilfreich fände sie auch Bildungsprogramme für Mitarbeiterführung: „Ich wollte immer wachsen und Mitarbeiter aufnehmen, aber das ist mit immensen Kosten und Problemen im Alltag verbunden“, berichtet Zellinger aus ihrem Alltag. Immerhin: Ihre Agentur „Ultramarin“ hat sich vor einiger Zeit dazu entschlossen, einen Angestellten aufzunehmen. Der ständigen Selbstausbeutung mussten einfach Grenzen gesetzt werden. Für diesen Mitarbeiter gab es zwar Finanzhilfe vom AMS, „aber leider nur ganz kurz“, berichtet Zellinger – und fügt fragend hinzu, ob man diese wertvolle Unterstützung nicht verlängern könnte. Leitgeb scheut mit „cada“ vor dem vor allem finanziell folgenreichen Schritt einer Mitarbeiteranstellung bisher noch zurück. Sie greift deshalb bevorzugt auf freie Mitarbeiter zurück. Ergänzend greifen beide auf ein eingespieltes Netzwerk von anderen Selbständigen zurück, an die Teile von Aufträgen bei Bedarf ausgelagert werden können. „Das ist sicherer als eine 40-Stunden-Arbeitskraft“, ist sich Leitgeb nach ihren bisherigen Erfahrungen überzeugt. Vor allem stellt sich dann erst gar nicht die Frage, was tun mit angestellten Mitarbeitern, wenn einmal nicht genügend Arbeit vorhanden ist. » Für den Unternehmer ist der Markt wie das Meer – voller Risiken. « Gibt es also zuwenig Beratungsleistung für Gründer und solche, die es werden wollen? „15 Prozent unserer gesamten Beratungsleistung fällt in diesen Bereich, aber es besteht natürlich auch eine gewisse Holschuld derjenigen, die Hilfe und Auskunft brauchen“, gibt Jank den Ball teilweise zurück. Zu viele Unternehmer würden das bestehende Angebot gar nicht abholen, vor allem der Bildungsscheck werde kaum in Anspruch genommen. Nicht zuletzt aus diesem Grund läuft seit Anfang März eine groß angelegte Informationskampagne. Zur Not gibt es ja auch noch alternative Möglichkeiten, an nützliches Wissen und ebensolche Bekanntschaften zu gelangen. „Die Veranstaltungen der ‚jungen Wirtschaft‘ sind für mich zu einer wertvollen Netzwerkplattform geworden“, erzählt Leitgeb. Zellinger wiederum ist vom Jung-Unternehmertag recht angetan, „den sollte man ruhig öfters veranstalten“. Vorerst bleibt es aber laut Jank beim Einmal-im-Jahr-Rhythmus. Und noch einen Tipp haben die beiden Jungunternehmerinnen für die Kammer-Präsidenten bereit: Weit besser werden Informationen genutzt, wenn sie elektronisch per EMail verschickt werden als wenn gedruckt und per Post versandt, bestätigen Leitgeb und Zellinger unisono. Daran, dass die News in erster praktisch, kompakt und verständlich sein müssen, ändert aber auch das nichts. In Zeiten, in denen die Steuerreform-Debatte ständig in aller Munde ist, kommt natürlich auch dieses Gespräch nicht um die Frage der Entlastung für Unternehmen herum. Zellinger kommt etwa die Tatsache, dass es für Selbständige kein Äquivalent des steuerbegünstigten 13. und 14. Monatsgehalts der gibt, nicht ganz zu Unrecht „wie eine Strafsteuer vor“. Bei Jank rennt sie hier offene Türen ein: „Die Angleichung des Spitzensteuersatzes von Unternehmern auf jenen der Unselbständigen, der de facto bei 43 Prozent liegt, ist eine legitime Forderung. Und die muss auch umgesetzt werden“, gibt sich Jank kämpferisch. Nun, time will tell – und möge der Finanzminister ein offenes Ohr haben. In ihrer Agentur „Ultramarin“ vereinen das Büro von Elke Zellinger und Harald Ströbel die Disziplinen Strategische Markenentwicklung, GrafikDesign und Marktkommunikation unter einem Dach. www.ultramarin-design.at Dagmar Leitgeb und Caroline Van Kelst gründeten Cada-PR 2006 und sind auf Kommunikation und Events spezialisiert. www.cada-pr.com Brigitte Jank ist Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien und Landesgruppenobfrau des Wiener Wirtschaftsbundes. 19 SHORTCUTS Zehn Jahre Soho in Ottakring Unter dem diesjährigen Motto „Was ist hier wirklich los?“ werden Wirkungsmöglichkeiten und Funktionsweisen temporärer Kunstprojekte im urbanen Raum definiert, erforscht und hinterfragt. Anlässlich des runden Geburtstags erscheint außerdem eine Publikation, mit der SOHO IN OTTAKRING dokumentiert und kritisch reflektiert wird. Wesentlicher Bestandteil der Arbeit ist die Kooperation und kontinuierliche Zusammenarbeit mit bestehen- Darf ich bitten? den Einrichtungen wie Gebietsbetreuung Stadterneuerung in Ottakring, IG Kaufleute Brunnenviertel in Neulerchenfeld, Kultur–Sozial–Raum brunnen.passage, und Schulen und Jugendorganisationen der Umgebung. 2008 können sich zum Beispiel unter dem Titel „Träume sind Schäume“ Besucherinnen und Besucher in Götz Burys Traumfabrik selbst inszenieren. Bleibender Beweis ist ein analoges Erinnerungsfoto zum Nachhause-Nehmen. SOHO IN OTTAKRING 2008, 17.- 31. Mai 2008 Bild: Götz Bury 87 Kunst- und Kulturprojekte „spiel:räume“ bietet das „Viertelfestival Niederösterreich für 87 Kunst und Kulturprojekte im Mostviertel im Sommer 2008. Das vielfältige Programm umfasst ein Angebot von Ausstellungen, Feste, Performances … Viele Projekte befassen sich mit der Geschichte und Alltagskultur sowie mit regionalen Besonderheiten des Mostviertels. Zusätzlich zu den zahlreichen regionalen Teilnehmern steuern auch einige national und international agierende Künstler spannende Kreativbeiträge zum „Viertelfestival NÖ“ bei. Unter ihnen sind z.B. Multi-Instrumentalist und bildender Künstler Christian Muthspiel, Schriftsteller Franzobel, DJane electric indigo und Radikalperformer Didi Bruckmayr. Celebrity Die Tischlampe Celebrity, vom Designduo Stephan Breier und Johannes Scheer Element Design – entwickelt - wird seit April 2008 über ein New York vertrieben. Die Lampe, die aus 40 Sonnenbrillen besteht, wird exklusiv in Wien für das Label Deeply Madly Living Inc. produziert. www.deeplymadlyliving.com www.element.co.at 9. Mai bis 14. September 2008 Fussball Vullan ut nim velesequipit accum ip enim digna facin volore feugue ex euguerosto consed tem volore moloree tumsandigna facidunt utat irilism oloreet nim vel ullam ipis acidunt ip ea commoloborer sum delent at nim alit dolortio odo dolortin exeros nim in erit accumsandre deliquis nullut lore feumsandigna Vullan ut nim velesequipit accum ip enim digna facin volore feugue ex euguerosto 20 consed tem volore moloree tumsandigna facidunt utat irilism oloreet nim vel ullam ipis acidunt ip ea commoloborer sum delent at nim alit dolortio odo dolortin exeros nim in erit accumsandre deliquis nullut lore feumsandigna Vullan ut nim velesequipit accum ip enim digna facin volore feugue ex euguerosto consed tem volore moloree tumsandigna facidunt utat irilism oloreet nim vel ullam ipis acidunt ip ea commolobot nim vel ullam ipis acidunt ip ea commolo www.viertelfestival-noe.at Bild: „Jandl im Supermarkt“, „Viertelfestival NÖ – Mostviertel 2008“ Fotomontage: Michaela Stankovsky Hochkarätiges hat sich ImPuls Tanz Vienna zu seinem 25. Jubiläum einfallen lassen. ChoreografInnen und KünstlerInnen wie Jan Fabre, Marie Chouinard oder William Forsythe zeigen in zahlreichen Performances außergewöhnliche Augenblicke des zeitgenössischen Tanzes, in über 200 Workshops wird die Möglichkeit zur Teilnahme am kreativen Schaffen geboten. Der heute neu erscheinende ProgrammKatalog zeigt ImPulsTanz erstmals in seinem neuen Design. Der von den beiden Agenturen Draftfcb Kobza und halle34 entwickelte Werbeauftritt stellt durch provokativ reduzierte Darstellung die Leistungen der KünstlerInnen in den Vordergrund. Die dazu passenden Fotografien liefert der international renommierte Modefotograf Michael Dürr. 10. Juli bis 10. August 2008 Tanzquartier Wien www.impulstanz.com Festival for fashion & photography Bei einem spannenden Modeevent am 5. Juni 2008 zeigen die Studierenden der Angewandten 250 kraftvolle Mode-Entwürfe im Wiener Museum für Angewandte Kunst. An der Abschlussshow des 8. festival for fashion & photography nehmen die 40 Studierenden der Modeklasse von Veronique Branquinho teil. Neben der Präsentation von Entwürfen, die auf die gegenwärtige Situation der Mode reagieren, steht die Vernetzung mit der nationalen und internationalen Modeszene im Mittelpunkt. www.dieangewandte.at Bild: George Bezhanishvili / Takahiro Inomoto 21 SHORTCUTS poolbar Das legendäre poolbar-Festival in Feldkirch ist nicht nur Festival, Wohnzimmer und Club, sondern auch ein Kristallisationspunkt für diverse „Austäuschungen“. Kunst ist dabei integraler Teil der Alltagskultur. Neben Veranstaltungen, Musik, Architektur, Grafik, Mode, Diskussions- und Lebenslust stellt „die Kunst“ somit eine wesentliche Komponente des Festivals dar. Mit einem Architektur -Wettbewerb zur temporären Gestaltung der poolbar Örtlichkeit - dem Alten Hallenbad in Feldkirch – gelingt es dem Organisatoren Team rund um Herwig Bauer, junge Architekten anzusprechen und mit Hilfe des Vorarlberger Architekturinstituts und der Wirtschaftkammer jedes Jahr ein spannendes Siegerprojekt umzusetzen. Heuer gab es 22 Einreichungen. Gewonnen haben die Architekten Simone Harbert und Johannes Albert aus Halle (D) mit ihrem Projekt „stuhlbar“. Bis zum 4. Juli sind zahlreiche Lehrlinge von Vorarlberger Unternehmen gemeinsam mit ihren Ausbildnern für die hochwertige Umsetzung des Siegerprojektes verantwortlich. C hoch 3 La Linea Seit Jänner 2008 schneidert die HumorAG Konzepte und Ideen für Firmenauftritte, Mitarbeitertrainings, ausgefallene Moderationen, Wirtschaftskabaretts bis hin zu einem humoristischen Newsletter. In ihrem derzeit 23 Künstler umfassenden Portfolio haben die beiden Unternehmerinnen Martina Kapral und Susanne Seidl bekannte Namen wie Ciro de Luca, Herbert Steinböck oder Joesi Prokopetz. Die HumorAG versteht sich nicht nur als Künstler&Trainer Agentur, die ihre HumorAGisten mit fertigen Produkten losschickt. Nein, sie ist angetreten, um der Wirtschaft und ihren unterschiedlichen Betrieben und Branchen mit ebenso vielfältigen, besonderen und einzigartigen Humorkonzepten zu begegnen. Die ARGE creativ wirtschaft startet gemeinsam mit der Stadt Graz eine neue Form der UnternehmerInnen-Ausbildung für die Kreative. Seit 8. Mai 2008 treffen sich 20 JungunternehmerInnen aus Graz im Zwei-WochenRythmus zu Workshops, die von zwei Supervisoren begleitet werden. Das Besondere: Statt frontal unterrichtet zu werden, coachen sich die Teilnehmer gegenseitig über Themen wie Selbstbild, Kundenaquisition und Finanzen (Peer-to-Peer-Lernen). Bei Bedarf werden externe ExpertInnen dazugeholt. Das Pilotprogramm dauert bis November und soll bei Erfolg fortgesetzt werden. Räumliche Erfahrungen: Mit „La Linea“ schaffen REVOLVER. architekten bei Kindern und Jugendlichen Bewusstsein für Architektur. Ausgangspunkt ist eine neue Streetworkeinrichtung in Mitterdorf in der Steiermark, für die das Architekten-Team Alexander Cziharz und Andreas Ellenfeld ein partizipatorisches Gestaltungskonzept geschaffen haben. Kinder und Jugendliche werden zur aktiven Mitgestaltung „ihres Raums“ motiviert: auf die räumlichen Elemente angewandt ergeben sich aus dieser Systematik im 2-dimensionalen Bereich beispielsweise eine Rückwand, die Fassade, ein Messageboard oder, im 3-dimensionalen Raum Leuchtkörper, Sitzmöbel und Raumteiler. www.creativwirtschaft.at www.creative.graz.at www.revolver.co.at www.humorag.at Der Mythos Che Guevaras Festival vom 4. Juli bis 17. August 2008, Feldkirch, Altes Hallenbad www.poolbar.at „Culture & Style“ im SPITZ HOTEL Geplant wurde das erste „Culture & Style Hotel“ in Linz mit Blick auf 2009, das Jahr, in dem Linz europäische Kulturhauptstadt ist. Jedes Stockwerk orientiert sich an Linzer Kulturstätten wie dem Ars Electronica Center, dem Brucknerhaus, dem Landestheater, der Kunstuniversität Linz oder dem Lentos Kunstmuseum. Umgesetzt architektonisch als auch künstlerisch wurde das Projekt von der Linzer Architektin Isa Stein. Mit ihrem 2003 gegründe- 22 Lachen ist Emotion! ten „Studio für Kunst und Architektur“ legt sie besonders auf Individualität und Design, aber auch Behaglichkeit und Bewohnbarkeit ihren Schwerpuntkt. Die Wohnobjekte sind von Andreas Thaler. Ernst Mitterndorfer konzipierte eigens für das Hotel Lichtkörper und Lichtinstallationen. Im vierten Stock des Hotels durften sich Linzer Kunststudenten mit dem Projekt „Design it!“ verwirklichen. www.isastein.com Alberto Korda: „Guerrillero eroico Che Guevara“, Havanna 1960 © Alberto Korda WestLicht. Schauplatz für Fotografie nimmt den 80. Geburtstag Ernesto „Che“ Guevaras zum Anlass für eine Auseinandersetzung mit seinem fotografischen Image und dessen Entfaltung zum Mythos. Im Mittelpunkt steht die meist reproduzierte Fotografie der Welt, das Porträt, das der kubanische Fotograf Alberto Korda von Che Guevara Anfang März 1960 bei einer Kundgebung Fidel Castros schoss: ein attraktiver Mann in heroischer Pose, den Blick entschlossen in die Ferne gerichtet. Durch seinen gewaltsamen Tod, seine Lebensphilosophie als überzeugter Revolutionär und dieses Foto wurde Che Guevara innerhalb kürzester Zeit zur „PopIkone“ der 68er-Generation. Kordas Porträt verselbständigte sich, wurde zur Marke und erlangte bis heute einen ungebrochenen Kultstatus. Galerie WestLicht, Westbahnstrasse 40, 1070 Wien / 27.5 bis 31. 7 www.westlicht.at 23 Text: Eva Pakisch Handwerk ist etwas sehr traditionelles. Im Vordergrund steht die Erhaltung handwerklicher Fähigkeiten, die über Generationen hinweg weiterentwickelt wurden. Design hingegen ist stets auf der Suche nach Neuem und betreibt das Experiment mit Formen und auch dem Althergebrachten. Oftmals als Konkurrenten dargestellt scheinen die beiden Berufsgruppen auf den ersten Blick tatsächlich nicht allzu viel gemeinsam zu haben. Aber: Braucht nicht jedes handwerkliche Produkt auch Design und Design Tradition, wenn es mehr sein will als reine Oberfläche? crea:m befragte zwei Kunsthandwerker und eine Designerin zu Berufsbild und Image und den Möglichkeiten einer verstärkten Kooperation. Bernhard Niedersüß, Modeatelier Handwerkskunst, Tradition und Qualität sind für Bernhard Niedersüß Dinge, die untrennbar mit einander verbunden sind. In seinem im September 2007 neu eröffneten Modeatelier „Niedersuesz – vormals C.M.Frank“ will der jüngste Meisterschneider der Wiener Dynastie Niedersüß das Kulturerbe des Sultanat- und Kaiserhoflieferanten C.M.Frank wieder aufleben lassen. „Mein Ziel ist es, perfekte Maßschneiderei im Wiener Stil zu betreiben. Dieses Kulturerbe darf nicht aussterben.“ Wie in traditionellen Modeateliers üblich, bietet Bernhard Niedersüß komplette Herrenausstattung „aus eigenem Haus“ an. Herzstück ist dabei der klassische Anzug und das Maß- 24 hemd, aber auch Hosen, Mäntel, Trachtenanzüge oder Smokings werden angeboten. Die aufwändigsten Stücke tragen die Bezeichnung „Meisterstück“. Alle Zuschneidertätigkeiten werden von Bernhard Niedersüß persönlich verrichtet sowie jeder Arbeitsschritt von ihm überwacht. In jedem Meisterstück stecken 100 Stunden Arbeit und rund 7000 Nadelstiche. Bei richtiger Pflege kann es ein Anzug aus dem Hause Niedersuesz auf eine Lebensdauer von 30 Jahren bringen. Bevor Bernhard Niedersüß sein eigenes Modeatelier gründete, arbeitete er vierzehn Jahre lang im Modesalon seines Vaters. „Er hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, ein Handwerk fundiert zu erlernen“, sagt er dazu. Einer alten Tradition folgend vervollständigte er seine Ausbildung in weltweit bekannten Modeateliers, wie Brioni, Helmut Lang und Ralph Lauren. Dass sein Berufszweig dabei nicht das beste Image genießt, hat Niedersüß in seiner Zeit bei Helmut Lang erfahren. „Dort bin ich dadurch aufgefallen, dass ich mich als Schneider bezeichnet habe, während alle anderen große Designer sein wollten.“ „Natürlich braucht auch ein handwerkliches Produkt ein ansprechendes Design, aber ich entwickle Dinge aus der klassischen Herrenschneiderei nur weiter, kreiere aber nichts Neues“, erklärt Bernhard Niedersüß den Unterschied zwi25 Johann Scheer, Maßschuhe schen Schneiderhandwerk und Design. „Beim Handwerk konzentriert man sich auf die Herstellung der Dinge, beim Design geht es mehr darum mit Formen zu experimentieren und auch neue Formen zu finden.“ So habe er das auch bei Helmut Lang kennen gelernt: „Dort wurde immer versucht mehrere Dinge in ein Kleidungsstück hineinzubringen, was mich aber gar nicht so interessiert. Für mich soll ein Frack einfach immer ein Frack sein und bleiben.“ Einen Austausch zwischen den beiden Berufsgruppen hält er für sehr wichtig: „Ich glaube, dass es für einen Designer interessant ist, traditionsreiches Handwerk kennen zu lernen. Auch Helmut Lang sei, als er noch an der Angewandten unterrichtet habe, mehrmals mit seiner Modeklasse zu seinem Vater gekommen, um den Studenten die klassische Schneiderkunst näher zu bringen. Um ein wirklich guter Designer zu werden, sei es aber notwenig, das dazugehörige Handwerk auch tatsächlich zu erlernen. „Was nützen mir die tollsten Ideen, wenn ich sie nicht umsetzen kann.“ Und auch ein Handwerker wäre schlecht bedient wenn er niemals über seine Grenzen hinaus gehen würde: „Ein Handwerker, der nicht auch eine gewisse Kreativität und Offenheit bringt, wird kein guter Handwerker sein.“„Mit Handwerk assoziiert man auch heute noch eine gewisse Erdigkeit und Ehrlichkeit. Man kann die Arbeit nachvollziehen, die dahinter steckt“, sagt Markus Scheer. Der Maßschuhmacher ist 1992 nach der Matura in das Familienunternehmen „Rudolf Scheer & Söhne“ eingestiegen und leitet dieses nach 26 Till Reiter, Maßschuhe Ablegung der Meisterprüfung in Schuhhandwerk und Orthopädie nun seit Mitte der 1990er Jahre in sechster Generation. 1816 von Johann Scheer gegründet, konnte sich das Unternehmen bald mit dem Titel „k.u.k. Hofschuhmacher“ schmücken. Heute ist der Betrieb einer von europaweit nur vier verbliebenen Maßschuhmachern. Nach wie vor werden ausschließlich Einzelanfertigungen hergestellt, die ganz individuell auf den jeweiligen Träger zugeschnitten sind. Natürlich hat solcherlei Exklusivität auch ihren Preis: Ab 3.000 Euro kann man sich sein ganz persönliches Unikat fertigen lassen. Im Preis inbegriffen ist dabei die Erstausstattung sowie ein kostenloses Absatz- und Schuhreparaturservice für die gesamte Lebensdauer der Schuhe, die ebenfalls bis zu 30 Jahre betragen kann. „Es gibt eine Definition von Design, die laut und schrill ist und immer etwas Neues produziert. Das ist aber eine Definition von Design, die ich für unser Unternehmen nicht in Anspruch nehmen möchte“, sagt Markus Scheer. Modedesign habe oft einfach nur die Aufgabe aufzufallen, Handwerksdesign sei hingegen mit einem hohen Potential an Wissen und Können verbunden. „Die Dinge, die ich zu definieren versuche, entstehen aus der Tiefe heraus. Die Konzentration kommt dabei aus einer Sache, die gut überlegt, lange erprobt und über viele Jahre bewiesen und erfolgreich ist.“ Kunsthandwerk und Design befänden sich gegenwärtig in einer Konkurrenzsituation, da hier Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aneinander prallen. „Das Design ist zukunftsorientiert und fragt: Wohin gehen die Dinge? Was kann an Neuem entstehen? Das Handwerk hingegen hat sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert, das Produkt ist das gleiche geblieben, das Traditionelle, die Verarbeitung sind gleich geblieben. Und alle diese Dinge, die so viel Zeit gebraucht haben, werden nun in Frage gestellt.“ Kooperationen zwischen den beiden Berufssparten hält er für unerlässlich. „Man darf nicht vergessen, dass das Handwerk innerhalb der letzten 50, 60 Jahre sehr an Bedeutung verloren hat und es einfach zu gefährlich wäre, hier auf Synergien zu verzichten.“ Die große Gefahr beim Handwerk sei, dass das Wissen unwiederbringlich verloren ist, wenn es nicht kontinuierlich weitergegeben wird. „Wenn die Jungen nicht die Möglichkeit haben einen alten Meister zu erleben, haben sie keine Chance auch nur annähernd dessen Niveau zu erreichen. Sie fangen wieder bei Null an, aber gerade beim Kunsthandwerk ist es so, dass man unter drei Generationen nicht auf ein Meisterniveau kommt.“ Deswegen wäre sinnvoll, wenn sich das Handwerk auch im Design verwurzeln würde: „Vielleicht ist es das Gebot der Stunde, das Design mehr ans Handwerk anzuknüpfen, damit dieses leichter überleben kann.“ Eine Vision, die im Fall der Schuhdesigner rosa mosa bereits Realität geworden zu sein scheint. Simone Springer und Yuji Mizobuchi arbeiten an der Schnittstelle zwischen Design und Handwerk. Für Springer bildet Handwerk die Basis jeden Designs: „Erst mit dem nötigen Know-How eröffnet man sich die Möglichkeit, mit Designs frei zu jonglieren“, erläutert sie. Daher würde sie sich auch als Designerin bezeichnen, „die sich ihr fundiertes handwerkliches Wissen zunutze macht um neue und herausragende Produktlösungen zu entwickeln.“ Erworben hat sie ihre handwerklichen Kenntnisse am renommierten Corwainers College in London, wo sie gemeinsam mit Mizobuchi „accessories + footwear design“ studiert hat, sowie bei einer deutschen Schuhmacherin in Brighton. „Wir experimentieren und erfinden. Die Spezialität unserer Schuhe ist die Übersetzung von traditionellem Schuhhandwerk in eine moderne Formensprache mit japanischen Elementen“, erklärt die Designerin. Das Finden von neuen Lösungen steht im Vordergrund. Bestehendes wird zu etwas Neuem transferiert. Handwerk und Tradition seinen für sie „von subtiler Wichtigkeit“, meint Springer: „Beide können inspirieren, jedoch gehören sie dem Zeitgeist gemäß ‚vorangetrieben’.“ Als wesentliche Unterschiede zwischen Handwerk und Design bezeichnet sie , dass ersteres „immer einen starken Regionalitätsbezug hat, punktuell und meist rückwärts 27 gewandt ist. Gutes Design hingegen muss den internationalen Anspruch erfüllen. Es weist Wege in die Zukunft und sprengt die strengen Grenzen des Handwerks.“ rosa mosa-Schuhe werden ausschließlich von Hand gefertigt und nur in kleinen Stückzahlen produziert. In Entwicklung und Produktion nutzten die Designer ausschließlich lokale Ressourcen. Gemeinsam mit ausgesuchten Gerbereinen entwickeln sie neue Beschichtungs- und Bleichtechniken und damit eine einzigartige Leder-Optik. Bei der jüngsten Kollektion arbeitete rosa mosa zudem mit der Manufaktur Ludwig Reiter zusammen, deren besondere Tradition die Erzeugung rahmengenähter Schuhe ist. „Das Unternehmen Ludwig Reiter war für uns sowohl aus geografischen als auch aus produkttechnischen Gründen nahe liegend“, erklärt Simone Springer. „Solche Aufträge werden häufig an uns herangetragen und teilweise ergeben sich daraus jahrzehntelange Kooperationen“, ergänzt Till Reiter, Leiter des 1885 gegründeten Familienunternehmens. „Wir nehmen Aufträge allerdings nur an, wenn seitens der Auftraggeber das richtige Verständnis gegeben ist. Nur wer Verfahren, Materialien, Arbeitsorganisation und Werkstätten gut kennt, kann das „Werken der Hände“ gestalten, was die eigentliche Aufgabe des Designers ist.“ Bevor sich Bernhard Niedersüß sein eigenes Modeatelier gründete, arbeitete er vierzehn Jahre lang im Modesalon seines Vaters. 2005 absolvierte er die Prüfung zum Herrenkleidermacher. Einer alten Tradition folgend vervollständigte er seine Ausbildung in weltweit bekannten Modeateliers, wie Brioni, Helmut Lang und Ralph Lauren. Markus Scheer ist 1992 ist nach der Matura in das Familienunternehmen „Rudolf Scheer & Söhne“ eingestiegen und leitet dieses nach Ablegung der Meisterprüfung in Schuhhandwerk und Orthopädie nun seit Mitte der 1990er Jahre in sechster Generation. rosa mosa sind Simone Springer und Yuji Mizobuchi. Die Designer lernten sich bei ihrem Studium am renommierten Corwainers College in London kennen, an dem beide die Fächer „accessories + footwear design“ belegten. Zuvor hatte Springer Kunst in Wien und Mizobuchi buddhistische Philosophie in Kyoto studiert. Till Reiter ist Leiter der Ludwig Reiter Schuhmanufaktur, einem 1885 in Wien gegründet Familienunternehmen, in vierter Generation. Die besondere Tradition des Hauses ist die Erzeugung rahmengenähter Schuhe im klassischen Wiener Stil. Rosa Mosa – Simone Springer und Yui Mizobuchi 28 29 Robert Punkenhofer, Direktor des Österreich-Beitrags auf der Expo 2008 in Saragossa, möchte austrospanische Wirtschaftsbeziehungen ankurbeln – und die „Omis mit ihren Enkerln“ in seinen schrägen Pavillon locken Text: Nina Schedlmayer Zuerst taucht das Bergmassiv auf. Dann betritt man durch eine der Lamellen, auf die dieses gedruckt ist, den Pavillon. Man gelangt in ein Foyer, danach in einen „Hohlweg“, dessen Wände durch Höhenschichtlinien strukturiert sind. Und schließlich flaniert man in den zentralen Raum, wo es dann richtig abgeht: Über eine halbrunde Wand flimmert eine Art bewegliches Landschaftsgemälde, in dem Tänzer posieren, zu einem 360-Grad-Panorama vervollständigt durch einen riesigen Spiegel. An einer „Wasserbar“ kann man sich einen frugalen Drink gönnen. Und Besucher mit Hang zur Selbstdarstellung können in einer überdimensionalen Schneekugel posieren – eventuell gekleidet als Almdudlerpärchen der schrägen Sorte. Robert Punkenhofer, Michael Strauß, Chris Haring, Christoph Hinterreitner Eine ganze Menge haben sich die Beteiligten am ÖsterreichPavillon auf der Expo 2008 in Saragossa (14. Juni – 14. September 2008, Leitthema: „Wasser und nachhaltige Entwicklung“) einfallen lassen. Mit einem Budget von 4,36 Millionen Euro ausgestattet - drei Viertel davon übernimmt das Wirtschaftsministerium, ein Viertel die Wirtschaftskammer - konnte Robert Punkenhofer, Direktor des Österreich-Beitrages, Aufträge an diverse Kreative vergeben: So formierte sich für die Pavillon-Gestaltung die „ARGE Strauss – Solid – Ritter“ aus drei Architekturbüros, die alpine Fassade wird vom Fotokünstler Walter Niedermayr bespielt, Designerin Lucy Orta die Wasserbar und das Tanzkollektiv „Liquid Loft“ hat Panorama und Schneekugel erdacht – und die Modetruppe mit dem schönen Namen „house of the very island´s royal club division middlesex klassenkampf but the question is where are you, now? says: RELAX“ konnte für das Design der darin zu tragenden Outfits gewonnen werden. Punkenhofer sitzt in seinem großzügigen Büro, das im Gebäude der Spanischen Hofreitschule untergebracht ist, und erzählt begeistert von dem Projekt. Doch klingt das nicht alles – Schneekugel, Alpenlandschaft, Trachten – etwas abgedroschen? „Freilich ist das eine Gratwanderung“, gesteht Punkenhofer zu, „andererseits finde ich es erstaunlich, wie Kreative mit den Österreich-Klischees umgehen.“ Früher habe man da noch mehr Berührungsängste gehabt. Nun nähere man sich mit Selbstironie und Augenzwinkern an die Tatsache, dass Österreich nun einmal in der Außenwahrnehmung 30 vor allem über die Landschaft definiert wird. Und schließlich will man mit dem Österreich-Beitrag ja Tourismus, aber auch Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Spanien ankurbeln. Wie funktioniert das? Punkenhofer: „In Kooperation mit Universität und Industriellenverband veranstalten wir Tagesseminare mit Wirtschaftsvertretern und Experten, bei denen neue Technologien vorgestellt werden.“ So sollen, vor allem im Bereich des Expo-Themas, B2B-Kontakte geknüpft werden. Aber auch die Kreativwirtschaft soll von der Expo profitieren: „Wir werden ein Symposium veranstalten“, erzählt Punkenhofer, „bei dem österreichische und spanische Designer, Architekten und andere Kreative, die sich an der Schnittstelle zwischen Kunst und Design bewegen, zusammenkommen.“ Im Rahmen dessen, so Punkenhofer, wolle man „langfristige Netzwerke aufbauen.“ Freilich ziele man mit einer derartigen Konferenz nicht auf das breite Publikum: „Das wird eine sehr fachspezifische Veranstaltung“, schränkt Punkenhofer ein. Im Gegensatz zum Gesamtauftritt, bei dem man „auch die Omis mit ihren Enkerln abholen muss“, wie er es ausdrückt. Der studierte Jurist, der sich mit seinen Projekten stets zwischen Wirtschaft und Kunst bewegt, hat Erfahrung mit Weltausstellungen: Bereits 2005 organisierte er den ÖsterreichBeitrag zur Expo in Aichi (siehe cream 01/2005). Damals hatte er sich als Ziel gesteckt, „mindestens 500 000 Besucher anziehen zu können, tausend qualifizierte Businesskontakte zu knüpfen und bei der Publikumswertung unter die ersten zehn Pavillons zu kommen.“ Es kamen exakt 1.768.562 Interessierte, das Networking funktionierte besser als erwartet, und bei der Besucherumfrage gelangte der Pavillon unter die ersten drei. Mit einer überragenden Medienresonanz – allein die Fernsehberichterstattung von insgesamt 300 Minuten macht sich beeindruckend aus – hätten sich schon damals, so Punkenhofer, die öffentlichen Gelder schnell amortisiert. Mit verantwortlich dafür war unter anderem eine verrückte Aktion des Künstlers und Filmemachers Edgar Honetschläger, die sogar auf ABC gefeatured wurde. So bewertet Punkenhofer die Rolle der Kreativen auch für die Expo Saragossa als „ganz elementar“. Und mit seiner Künstler-Auswahl dürfte auch die Klischee-Gefahr gebannt sein. 31 IMPULSe Das junge Wiener Unternehmen Avaloop entwickelt mit Papermint eine soziale Netzwerkplattform, inszeniert sie als farbenfrohes, hoch inter-aktives Online-Spiel und strebt damit in die Topliga der Designer virtueller Welten. Fünf Freunde in der Buntpapierwelt Reif für die Insel? Ja? Fragt sich nur, für welche. Die – nach Eigendefinition – freundliche virtuelle Welt von Papermint wartet nämlich mit einem ständig wachsenden Archipel erstaunlicher Eilande auf. Wer sie betreten will, muss sich ins bunte Universum einklinken: Programm runterladen, eine Spielfigur, auch „Character“ genannt, wählen – und los geht’s. Die Spielfiguren sehen aus, als wären sie japanischen Comicstrips entsprungen – und sie sind aus (virtuellem) Papier. Sie verfügen über Eigen-heiten, die sich je nach Gutdünken der SpielerInnen ändern können. Von Frisur und Outfit bis zur emotionalen Befindlichkeit und dem im Begehrensfall bevorzugten Geschlecht. Ihre Zeit vertreiben sich die „Paperminter“ mit vielerlei Dingen: WGs gründen, zum Flirten in Bars abhängen, in Spielhallen Minigames spielen, Schätze und Pflanzen suchen. Und: kommunizieren – in Diskussionsrunden, privaten Chatrooms, oder wenn sich die Papermint SpielerInnen auch im „real life“ begegnen und zu Communities vernetzen. Papermint ist die Verknüpfung einer Spielwelt mit Elementen einer sozialen Plattform. Von virtuellen Welten wie „Second Life“ unterscheidet sich das Spiel grundlegend. Zum einen gibt Papermint „Werte“ (Spielregeln und -ziele etc.) und ein Grunddesign vor. Zum anderen sorgt der Spielaspekt für mehr 32 Kommunikation unter den einzelnen Charak-teren, da viele Aufgaben nur gemeinsam bewältigt werden können. Das garantiert eine hohe „Stickyness“ – die SpielerInnen blei-ben an Papermint kleben bzw. steigen immer wieder gerne ins Spiel ein. Lev Ledit, Mitgründer von Avaloop und kreative Instanz hinter Papermint, nennt drei Parameter, die das soziale Leben in der von ihm erfundenen Welt determinieren: „Erstens: Jeder Neuein-steiger wählt einen Beruf. Damit ist eine Spiellinie vorgegeben, entlang der sich jeder Character weiterentwickeln kann. Zweitens: Alle Figuren bewegen sich in einer Welt voller Möglichkeiten. Die sind gekenn-zeichnet durch gelbe Post-its, auf die ich klicken kann, um Infos, Handlungs- und Spielanreize zu bekommen. Drittens: Man ist von Anfang an in ein soziales Netzwerk eingebettet, da man als Kind von ‚Eltern’ in die Welt geboren wird, das sind erfahrene Spieler, die ihren ‚Neugeborenen’ das Spiel näher bringen können“. Das Spiel ist zwar gratis, für Features wie extravagante Klamotten oder Wohnungen müssen die SpielerInnen kleine Beträge investieren. Das Micropayment wickelt ein Subunter-nehmen ab, das sich auch um die Sicherheit der Bezahlvorgänge kümmert. Geshoppt wird im Papermint Universum mit Papiermün- zen im Wert von 5 bis 7 Cent. Der/die DurchschnittsspielerIn sollte, so die von Avaloop angepeilten Zahlen, monatlich etwa um den Wert einer Kinokarte bei Papermint einkaufen. Etablierte Startphase Nach dem Studium der Multimedia-Art in Salzburg und der Telematik in Graz verdiente Lev Ledit sein Geld als selbstständiger Program-mierer von Multimedia-Environments und Spielen für Museen. 2003 hatte er die Idee, eine neue Spielwelt zu kreieren. Diese nahm Gestalt an, als er Barbara Lippe als Grafikerin an Bord holte. Die MultimediaKünstlerin hatte gerade einen Arbeitsaufenthalt als Character-Artist beim Tokioter Designer FuriFuri hinter sich gebracht und Figuren für Marktführer wie Nintendo, SEGA und Sony kreiert. Neben ihrer Dissertation „Game Boys for Play Girls!“ fand sie Zeit, jene kleinen Papiercharaktere zu entwickeln, die heute Papermint prägen. 2005 stieß mit Martin Sirlinger der Mann für die Zahlen dazu. Der studierte Betriebswirt hatte sich nach einem längeren Gastspiel als Projekt- und Produktmanager beim Mobilfunker ONE als Unternehmens-berater in der Kreativwirtschaft selbstständig gemacht und ließ sich von Lev Ledits Spielidee schnell begeistern. Die beiden gewannen die Medientechnikerin Claudia Kogler als Chefprogrammiererin und den Betriebswirt Markus Nenning als Marketingchef fürs Team, ehe 2006 die Gründung der Avaloop IT Solutions GmbH folgte. „Derzeit investieren wir in die Entwicklung von Papermint mehr, als wir daran verdienen. Die Suche nach einem starken Partner sollte dank des tollen internationalen Feedbacks aber erfolgreich verlaufen“, so Martin Sirlinger. Während der „etablierten Startphase“, in der sich Papermint zurzeit befinde, sei die Finanzierung stark von För-derungen abhängig. Dabei habe sich die Flexibilität des ImpulsProgramm creativwirtschaft der austria wirtschaftsservice (aws) besonders bewährt. Das AvaloopTeam entschied sich für eine spezielle Förder-variante, genannt „Double Equity“. Der tatsächliche Förderanteil ist dabei gering, stattdessen wird eine höhere Summe vorhandenen Eigenkapitals durch ein begünstigtes Darlehen verdoppelt. Geld, das in qualifizierte MitarbeiterInnen und damit in Papermints frühere Marktreife investiert werden kann. Für Avaloop arbeiten Lev Ledit, Barbara Lippe, Martin Sirlinger, Claudia Kogler, Markus Nenning und ein Team von etwa 20 MitarbeiterInnen sowie externen Beratern und Partnern. www.avaloop.com papermint.com 33 LILLI HOLLEINS DESIGNER’S CUTS Talia Radford Cryns Haltungsnoten Steffen Kehrle, Nischenprodukte Elegant ins Eck gelehnt, füllt Steffen Kehrle Winkel und Nischen mit seinem Entwurf „Tim 2008“. In erweiterter Form und weniger anlehnungsbedürftig ist dann „TimTim 2008“, die Version als freistehendes Wandregal benannt. So konsequent und geradlinig - und das mit humorvoller Leichtigkeit - wie der weitergedachte Entwurf und der verdoppelte Name ist Kehrles Formensprache stets. Gemeinsam mit seinem Kollegen Robert Rüf hat er etwa die beiden Designkonferenzen D06 und D07 an der Wiener Universität für angewandte Kunst ausgestattet, wo er auch bei den Professoren Paolo Piva, Borek _ipek, Ross Lovegrove und Hartmut Esslinger studierte. Mit einfachen Mitteln, einem knappen Budget und einer charmanten Portion Begeisterungsfähigkeit wurden die teils etwas abgelebten Universitätsräume für den Lauf der zwei Tage zu einem wunderbar subtil gestalteten Ort für einen intensiven Designdialog. Mittlerweile bewegt sich Steffen Kehrle vor allem durch die deutsche Designlandschaft. Vorwiegend in Berlin und München arbeitet er derzeit, unter anderem als Assistent des jungen und vielbeachteten Designers Stefan Diez. Was es zum Leben und Arbeiten braucht, hat er mit Robert Rüf gemeinsam auch in ein Survival Kit zum selbst 34 aussägen gepackt: ein Herz, Glauben (auch an sich selbst) und einen Angelhaken – um Aufträge an Land zu ziehen. Er ist in jedem Fall gut gerüstet. www.steffenkehrle.com Eines der wesentlichsten gesundheitlichen Probleme der Zukunft werden – durch das steigende Ausmaß an Computerarbeit etwa – Wirbelsäulenprobleme aufgrund von Haltungsfehlern sein. Die Designstudentin Talia Radford Cryns hat über Unterwäsche nachgedacht, deren Reiz in diesem Fall bestechenderweise in ihrer Intelligenz steckt. Ergoskin funktioniert über ein integriertes ergonomisches Biofeedbacksystem und erkennt mittels Sensoren eine länger andauernde Fehlhaltung. Durch Impulse wird der Träger aufgefordert, seine Haltung zu korrigieren. Radford Cryns hat britische und spanische Wurzeln und kam nach ihrer Schulzeit in England zum Designstudium nach Wien an die Universität für angewandte Kunst, wo sie bei Hartmut Esslinger studiert. Ihr Entwurf Ergoskin wurde im Oktober 2007 mit dem Dyson Innovation Award ausgezeichnet und war auch für den eben in New York vergebenen James Dyson Award 2008 nominiert. „Es ist schön für ein Projekt Annerkennung zu bekommen, wo sich sowohl menschliche Bedürfnisse, körperliches bzw. geistiges Wohlbefinden als auch der technologische Fortschritt der Wissenschaft in einem Produkt vereinen lassen. Schlussendlich ist Design dafür da, unsere Lebensqualität zu verbessern“, sagt die Designerin. Design, das intelligent, gesundheitsfördernd, aufgeweckt, jung und weiblich ist: Talia Radford Cryns jedenfalls kann der Zukunft kerzengerade und wohlgemut entgegenblicken Megumi Ito, Lichtblicke Wie sehr Lampen oder auch nur Lampenschirme die Atmosphäre eines Raumes bestimmen können, kann man auch schon bei Loos bobachten. Megumi Ito vermag durch ihre Lichtobjekte und Lampenschirme Shops, Hotels und Privatwohnungen zu kommentieren, in ihren Vorzügen zu unterstreichen oder einfach schöner und heller zu machen. Ito wurde in Deutschland geboren, wuchs in der alten japanischen Stadt Kamakura auf und kam 1991 nach Wien um Textildesign an der Universität für angewandte Kunst zu studieren. Die langjährige Auseinandersetzung mit Stoffen, die ihr in wahrer Kreativität und Vielfalt gelingt, bestimmt beinahe alle Entwürfe. „ Meine Produkte haben viel mit Stoffen zu tun, da ich im Studienzweig Textil studiert habe. Aber ich finde auch Stoff ist unsere zweite Haut! Stoff kommt auch im Alltag ständig vor und ich beschäftige mich damit seit Jahren, für mich ist er ein sehr wichtiges Material zu arbeiten.“ Bemalte japanische Seidenstoffe kommen dabei ebenso zum Einsatz wie Gurte oder Briefkuverts, aber auch Metall und Glas spielen eine Rolle. So wie sie bei ihren Entwürfen, die stets Einzelanfertigungen sind, die Auftraggeber intensiv miteinbezieht, so spiegeln sich auch verschiedenste Aspekte des Umfelds in ihren Objekten wider, sie erzählen eine Geschichte. Und man kann sich an diesen Geschichten nicht sattsehen. www.ito-megumi.com 35 Ein hochwertiges TV Format für die österreichische Kreativwirschaft hat es bis dato nicht gegeben. Bei den Dreharbeiten zum Trailer mit dem Titel „Wen setzt du CC:?“ durfte Cream einen Blick hinter die Kulissen werfen und den beiden Art Directoren Michael Dürr und Tomas Ruzicka über die Schultern blicken. Ein Tagebuch. Text: Monica Montero Tag 1: Die Idee bekommt ein Gesicht. Startschuss 8.30 Uhr, Tag 2: Die Idee wird erwachsen. Der Hahn hat erneut früh das Team trifft ein, der Tagesablauf wird besprochen, das Equipment wird an seinen richtigen Platz gerückt, Einstellungen werden überprüft, Regie und Art Direction geben ihre Anweisungen. Ein ganz normaler Drehtag also. „CC:“ läuft an, ein lang vorbereites Projekt wird ein Stück realer und wie bestellt lässt sich endlich auch die Sonne blicken. Pünklichst um 9.00 Uhr trifft der erste Gast ein, Hannah´s-Plan-Frontfrau, Hannah Neunteufel, wird zum Interview gebeten. Und so schnell wie die resolute Geschäftsfrau kam war sie auch wieder zum nächsten Termin verschwunden. In der Eventund Cateringbranche zählt eben jede Minute – das Gleiche gilt für die Dreharbeiten des heutigen Tages: Im Stundentakt treffen die nächsten Interviewpartner ein. Allesamt kreative Mitwirkende aus den Bereichen Kunst, Kultur, PR, Werbung, Marketing, Event, Mode, Design, Architektur, Musik, Film. Persönlichkeiten und Spezialisten ihres Bereiches sprechen über ihre Ideen, Wünsche und Vorstellungen wie ein TV Format der heimischen Kreativszene aussehen könnte. So unterschiedlich die Meinungen auch sind, der gemeinsame Konsens ist schnell gefunden: Österreich braucht ein anspruchsvolles TV Format mit einer kritischen Berichterstattung und einer modernen Bildsprache, das nicht nur informieren sondern auch unterhalten soll. Denn wie einer der Protagonisten, ein Künstler mit viel Humor kommentiert: „Im Fernsehen wird mir viel zu wenig gelacht.“ gekräht. Es ist 9.00 Uhr. Nach einem guten alten Kaffee aus der modernen Expressomaschine kann es losgehen. Auf dem Programm stehen noch mal so viele Gäste wie am Tag zuvor. Der gleiche Ablauf, jedoch im schnelleren Tempo. Die Prozesse werden besprochen, das Equipment wird an seinen richtigen Platz gerückt, Einstellungen überprüft, Regie und Art Direction geben ihre Anweisungen. Und ja, die Sonne scheint auch wieder, die Lichtstimmung ist perfekt. Für die geistigen Väter von „Wen setzt du CC:“, die beiden erfahrenen Fotografen Michael Dürr und Tomas Ruzicka, ist es das erste gemeinsame Filmprojekt. Im „Projektraum“ des WUK gehen nun im Stundentakt die Türen auf und zu. Kreative erzählen über ihre Arbeit und was dazu gehört, ihre Inspirationen, was sie bewegt oder aufregt und, was sie sich von den Fernsehmachern von Heute wünschen. Die letzte Einstellung eines anstrengenden Tages wird um 21.00 Uhr gedreht. Das Team ist auch nach mehr als 12 Stunden Arbeit erstaunlich motiviert, Zufriedenheit macht sich breit aber auch Erleichterung, das Kind aus der Taufe gehoben zu haben. Doch damit ist es noch lange nicht getan. Auf „CC:“ und die Produktionsfirma „Golden Girls“ warten noch insgesamt 9 Stunden Filmmaterial, das noch geschnitten und vertont werden muss. Auch das gehört zur Kreativität – nämlich handwerkliches Geschick. Teaser für ein neues TV-Format der österr. Kreativwirtschaft – mit Michael Dürr, Thomas Ruzicka, Monica Montero und Christian Spath. 36 37 KOPF: ÜBER DIE STUDIE 38 KOPF: ÜBER DIE STUDIE 39 Orte, Momente und Werte KOPF: ÜBER DIE STUDIE Fragen an Vizekanzler Wilhelm Molterer: Orte… Momente… Werte… Sind Bilder für Sie Inspiration? Welche Werbung fällt Ihnen auf? Habe durch Bilder erst sehen gelernt Hausverstands-Werbung Welche Assoziationen haben Sie zu den Begriffen… Wo und wie kommen Ihnen die besten Ideen? Welches Buch hat Sie zuletzt beeindruckt? beim Lesen und in den Bergen Engelszungen von Dimitré Dinev Architektur, die Sie beeindruckt hat? Momente der Entspannung sind Wotruba-Kirche Lesen und warten Ihre persönlichen Rückzugsorte? Momente der Hochspannung sind Berge und bei mir zu Hause jeder Tag, der Neues bringt - also jeder Tag Erfolg, Macht, Verantwortung? Demut Design? Schönheit Wilhelm Molterer 40 41 Stadtbelebung durch Kunst – durch ein „utopisches Unternehmen“: mit dem Projekt „Club-blumen“ gelingt es der Künstlerin Flora Neuwirth einen neuen Treffpunkt für Künstler, Kunstbetrachter und Anwohner im 5. Wiener Gemeindebezirk zu schaffen. Text: Rita Vitorelli Rita Vitorelli: Ende April wird in einem ehemaligen Blumengeschäft in Margareten dein clubblumen eröffnen – ein Projekt zwischen Kunst und Alltag, zugleich eine künstlerische Arbeit und ein Lokal. Wie kamst du auf die Idee, clubblumen zu machen? 42 Flora Neuwirth Die Idee zu clubblumen entstand über den Ort und den Raum. Während eines Spaziergangs vor einigen Jahren wurde ich auf das leerstehende Blumengeschäft aufmerksam. Es hat mich fasziniert, wie das Haus und die davorliegende Wiesenfläche des „Bräuhausspitz“ fast wie ein Schiff zum Gürtel hin steht – irgendwie etwas besonderes, fast exzentrisch in dieser kulturell nicht sehr erschlossenen Gegend im 5. Bezirk. Das „utopische Unternehmen“ war geboren – und das Bild von clubblumen als Ort, der den sozialen Raum, den Kunst- und den Lebensraum, die Diskussion und die Kommunikation, die Performance und die Skulptur ineinander greifen lässt, in meinem Kopf. Es ist ein Projekt, das die verschiedenen sozialen und kommunikativen Bedürfnisse unserer Zeit aufnimmt und sich als Treffpunkt etablieren soll, als künstlerische Arbeitsweise ein konzeptuelles Denken mit einem kommunalen Leben verbindet. Ricky Renier, Rita Vitorelli und Flora Neuwirth, Clubblumen 43 Du realisierst häufig Projekte im öffentlichen Raum. Was ist dein konkretes Interesse daran? Friedrich Kieslers Satz „Architektur und kontinuierliche Spannung“ umformuliert zu „Kunst und kontinuierliche Spannung“ würde es im Moment ganz gut beschreiben.... Du hast viele von deinen Künstlerfreunden eingeladen, in clubblumen Abende zu gestalten. Was wird alles stattfinden? Da bin ich selbst gespannt.... (lacht) Der Raum wurde restauriert, aber neutral belassen und nicht übergestylt. Einziges Fixum ist das von mir entworfene „Küchensubjekt“, und selbst dieses ist veränderbar... Neben einer einfachen Speise, die wechselnd von KünstlerInnen während der Öffnungszeiten gekocht wird, wird es unterschiedliche Veranstaltungen wie Videoscreenings, Filmscreenings, Performances, Diskussionen und auch eine eigene „iTuned by ...“-Schiene sowie eine TShirt Edition geben. Und du, schon eine Idee? Ich arbeite dran! Was mir an clubblumen besonders gefällt ist, dass es die Trennung zwischen Kunst und Nichtkunst aufhebt. Es erinnert einen daran, dass es auch noch andere Energien als die des Marktes gibt. Künstlersein bedeutet zum Glück ja nicht nur, verwertbare Ware für den Betrieb produzieren zu müssen. Du hast ja auch gemeint, du bist hier mehr „Wirt“ als „Neuwirth“ … (lachen) Ist clubblumen ein geschlossener Club oder offen für alle? clubblumen ist kein Klub im Sinne eines Vereins und ist auch nicht als Kunstklub gedacht, sondern bezieht sich eher auf Modelle wie Warhols Factory, [Martin] Kippenbergers Büro oder das Projekt „Food“ von Gordon-Matta Clark: ein Restaurant und Treffpunkt für die New Yorker Kunstszene Anfang der 70er Jahre und vielleicht bestes Beispiel für „sozialen Aktivismus“ innerhalb des Kunstbetriebs... Warum denkst du, ist es wichtig, aus den klassischen Ausstellungsorten auch hin und wieder mal rauszugehen und an Orten, die normalerweise frei von Kunst sind, Kunst zu machen? Ich denke, dass Freiräume wichtig sind. Speziell im verkrusteten Wien! Der 5. Bezirk ist relativ kunstfrei, vor allem im Vergleich zum nahen 4. Bezirk, wo es eine sehr hohe Dichte an Galerien und freien Kunstprojekten gibt. Hast du das Gefühl, dass sich hier etwas Neues entwickeln wird? Städte wie New York, London oder Berlin sind immer in Bewegung und verändern sich schnell. Was gerade „in“ ist, kann am nächsten Tag wieder „out“ sein. Und das macht neugierig! Aber in Wien entwickelt sich alles sehr, sehr langsam, und man liebt das etablierte... Hier in der unmittelbaren Umgebung von clubblumen leben mitlerweile einige (wenige) KünstlerInnen und ArchitektInnen, und es gab die Galerie Michael Hall und das Volkstheater am Hundsturm. Mal schauen was passieren wird, auf alle Fälle bemerke ich Veränderungen. Der Bezirk wird trendiger! Die Tage, in denen ich im Pyjama Semmeln kaufen gehen kann sind gezählt... (lacht) Das temporäre Projekt “clubblumen” wird von KÖR, Kunst im öffentlichen Raum Wien, Geschäftsführerin, Ricky Renier, gefördert. www.koer.or.at Clubblumen, Johannagasse 42, 1050 Wien, Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag, 15–22 Uhr, Projektzeitraum: April 2007 – April 2008; clubblumen.at Die Künstlerin Flora Neuwirth lebt und arbeitet in Wien www.floraneuwirth.at 44 Kinderbetreuung – flexibel und Individuell Eine Top-Forderung der Kreativwirtschaft an die Politik Die Kreativwirtschaft ist Vorreiter für innovative und flexible Arbeits- und Lebensmodelle. Daher benötigen vor allem Kreativunternehmer flexible, individuelle Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die sich an den Bedürfnissen des Einzelnen und den unterschiedlichen Arbeitsmodellen orientieren. Die zentrale Herausforderung der Zukunft zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird vor allem auch in kreativeren Lösungen bei der Kinderbetreuung liegen. Flexible, bedarfsorientierte Betreuungsplätze für Kinder sind eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Organisation der Kinderbetreuung muss sich an den tatsächlichen Erfordernissen der Familien und ihrer Arbeitswelt orientieren. Qualitätssicherung und flexible Öffnungszeiten sowie die Stärkung privater Kindergärten und Initiativen spielen dabei eine Schlüsselrolle, da sich private Anbieter wie z.B. Tagesmütter schneller an den Bedürfnissen des Marktes orientieren und individuelle Betreuungsformen anbieten können. Mehr Markt in der Kinderbetreuung durch Kinderbetreuungsgutscheine Ein geeignetes Zukunftsmodell zur Stärkung flexibler, bedarfsorientierten Kinderbetreuungseinrichtungen ist die Subjektförderung des Einzelnen Kindes in Anlehnung an das Hamburger „Kita- Gutschein-System“. In Hamburg werden staatliche Fördergelder nicht mehr an die Träger der jeweiligen Ein-richtungen, sondern an die Eltern in Form von „Kinderbetreuungsgutscheinen“ ausbezahlt. Die Bedürfnisse der Eltern sind das zentrale Steuerungsinstrument für ein bedarfsorientiertes und flexibles Kinderbetreuungsangebot. Seit der Einführung des Gutscheinsystems in Hamburg wurden 74 neue Kinderbetreuungseinrichtungen eröffnet und der Betreuungsanteil der betreuten Kinder unter drei Jahren ist auf 22 Prozent gestiegen. Eine Subjektförderung, d.h. eine Förderung über Gutscheine, ist marktwirtschaftlich ausgerichtet. Neue Anbieter haben die Möglichkeit, sich am Wettbewerb zu beteiligen und dadurch finden neuartige kundenfreundliche Angebote schneller Eintritt in den Markt. Im Gutscheinsystem kann der Nutzer durch seine Auswahl seine persönlichen Vorstellungen unmittelbar sichtbar machen, indem er das Angebot wählt, das seinem Anliegen am ehesten entspricht. Die Kinderbetreuungsmöglichkeiten der Zukunft müssen sich den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen und flexible Betreuungsformen anstelle von starren Strukturen anbieten. Alexander Bäck ist Direktor und Leiter der politi schen Abteilung des Österreichischen Wirtschaftsbundes. 45 Die Wiener Firma Cliptease ist spezialisiert auf Motion Graphics – und gestaltet Spots für fast alle österreichischen Privatsender. Wer sich auf Richard Lugner einlässt, benötigt eine ordent- liche Portion Ironie. Die Wahrscheinlichkeit, entweder in eine geschlossene Anstalt eingeliefert zu werden oder aber sich völlig zum Idioten zu machen, lässt sich vermutlich nur dadurch minimieren. Michael Svec, studierter Grafikdesigner, Creative Director und Geschäftsführer der Firma Cliptease sieht eigentlich nicht so aus, als müsste man sich um ihn Sorgen machen. Er zeichnet verantwortlich für die Opener zu den diversen Lugner-Shows, die seit einigen Jahren das Publikum eines österreichischen Privatsenders mit mehr oder weniger wissenswerten Details aus dem Leben des Baumeisters versorgen. In Svec‘ aktuellem Spot gondelt Mörtel grinsend durch bunte Kulissenwelten, trifft zwischen Palmen, Blumen, Sternchen und Regenbogen auf seine derzeitige Flamme, entschwebt champagnerselig in die Wolken – und all das einem knalligen Retro-Style, untermalt von einem witzigen HappySound. Der Trailer ist nicht der einzige Clip, den Svec mit seinem Mini-Unternehmen – bis auf eine Ausnahme arbeiten alle Partner freiberuflich – für einen Privatsender gestaltet hat. Seit 2003 hat man fast jeden als Kunden gewinnen könne. Damals, unterstreicht Svec, „begann sich der Privatfernsehmarkt zu entwickeln“ – und Cliptease wurde gegründet. Zuvor hatte er für den ORF als TV-Designer gewerkt. Aktuelle Projekte gibt es genug: Derzeit entwickelt man etwa eine Kollegin für den virtuellen Anchorman Herbert Hrabal, die tagtäglich am Info-Kanal W24 auftreten soll. Erst seit kurzem on air ist der Clip für eine ATV-Ernährungssendung, bei der sich eine Karotte und ein Burger matchen. Cliptease haben sich, erläutert Svec, auf Motion Graphics spezialisiert. Diese Untergruppe der Animation spielt mit Typografie, Design, Bild und Sound – meist handelt es sich in diesem Zusammenhang um Filmcredits; der Begriff, so Svec, habe sich erst vor etwa zehn Jahren etabliert. Wie so oft hat diese Technik ihre Wurzeln in der Kunst: So experimentierte etwa bereits in den 1920er-Jahren der Maler und Filmemacher Oskar Fischinger mit abstrakten Formen, die er zu Musik synchronisierte. Und der Motion-Graphics-Guru schlechthin ist Saul Bass, berühmt geworden durch seine Vorspänne für Hitchcock-Filme wie etwa „Psycho“, „North by Northwest“ oder „Vertigo“. „Bass“, erzählt Svec begeistert, „entwarf auch Corporate Designs; er war Generalist.“ Derart umfassend könne heute niemand mehr arbeiten – „das Feld hat sich diversifiziert.“ Cliptease selbst haben längst ihre Nische gefunden – und prägen, selten genug in der Branche, mit ihren Produkten einen charakteristischen Look: Svec‘ Arbeiten sind häufig bevölkert von rundlichen, dick konturierten Figuren in knalligen Farben, die manchmal an Ping-Pong-Bälle erinnern, wenn sie über den Bildschirm flitzen. „Man darf sich aber“, relativiert Svec, „nicht zu eng fokussieren.“ Den Künstler in ihm – schließlich hat er auf der Hochschule für Angewandte Kunst studiert – kann er jedcoh trotzdem nicht verleugnen. Und der Handschrift seiner witzigen Entwürfen entkommt nicht einmal Richard Lugner. Michael Svec ist Gründer und Geschäftsführer des auf „Motion Graphic“ spezialisierten Unternehmens cliptease. www.cliptease.at Michael Svec, Cliptease 46 47 contributors Wojciech Czaja © Larry R. Williams Seit 1981 lebt der gebürtige Pole Wojciech Czaja in Wien. Er studierte Architektur, kehrte nach einigen Jahren als Architekturschaffender der Praxis den Rücken und arbeitet seitdem als freischaffender Architekturjournalist für Tagespresse und Fachmagazine. Zuletzt erschienen: „Wir spielen Architektur. Verständnis und Missverständnis von Kinderfreundlichkeit“ im Sonderzahl Verlag sowie „periscope architecture. gerner gerner plus“ im Verlag Holzhausen. Nina Schedlmayer Nina Schedlmayer hat Kunstgeschichte in Wien und Hamburg studiert. Lebt und arbeitet als freie Journalistin und Kunstkritikerin in Wien. Schreibt unter anderem für „profil“, „artmagazine.cc“ und die „Kunstzeitung“. Lilli Hollein Barbara Schumy Lilli Hollein ist selbst Designerin und übt seit 1996 journalistische Tätigkeiten für Tageszeitungen und internationale Architekturmagazine („der Standard“, „Domus“, „ottagono“, „frame“, „MARK“) sowie das TV-Kulturressort des ORF aus. Sie ist Konsulentin für Architektur und Design und Kuratorin; zuletzt AustriArchitektur, Aedes East, Berlin 2005; Zumtobel Staff, Licht forum Wien 2006. In crea:m stellt sie eine Auswahl an jungen österreichischen Designbüros vor. Barbara Schumy ist hauptsächlich bei der Tageszeitung „WirtschaftsBlatt“ tätig, und zwar für die Bereiche IT, Kreativwirtschaft und Lifestyle. Die studierte Publizistin und Politikwissenschaftlerin war u. a. Mitautorin bei „Homo Creativus Austriacus II – Kreativität im Tourismus“, einem Buchprojekt der arge creativ wirtschaft austria. Monika Montero Wolfgang Thaler Monica Montero ist gelernte Textildesignerin. Sie arbeite mehrere Jahre als Redakteurin beim Manstein Verlag. Heute mit einer eigenen PR Agentur „Kopfgeburt“ selbständig. fehlt noch. Rita Vitorelli Eva Pakisch Rita Vitorelli studierte Grafik und Malerei bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seit 2004 ist sie Mitherausgeberin des Österreichischen Kunstmagazins spike. Sie unterrichtete als Gastprofessorin an der Kunstuniversität Linz und hat Ausstellungen im In- und Ausland. Eva Pakisch studierte Publizistik und Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Sie arbeitete für die Diagonale 07 und schreibt derzeit überwiegend für die „Raiffeisenzeitung“ und zwar für die Ressorts Kultur und Umwelt. impressum Herausgeber forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur, Mozartgasse 4, 1040 Wien, Tel. +43 1 505 58 11, Fax +43 1 505 58 13 www.forum-mozartplatz.at, [email protected], www.creamagazine.at – crea:m 06, Oktober 2007. Obfrau Anja Hasenlechner Geschäftsführerin Birgit Scheidle MitarbeiterInnen dieser Ausgabe Wojciech Czaja, Stephan Hilpold, Lilli Hollein, Sonja Illa-Paschen, Matthias Raftl, Nina Schedlmayer, Barbara Schumy Gastkommentare Alexander Bäck, Thomas Bene, Andrea Maria Dusl, Charlotte Eblinger, Harry Gatterer, Andreas Kratschmar, Ursula Plassnik, Maurizio Poletto Grafik Perndl+Co Fotos Wolfgang Thaler Licht Claire Karò Model Stella Krausz Lektorat Billy Kirnbauer-Walek Litho Pixelstorm / Wien Druck Berger / Horn Titelbild Designerin Annette Hinterwirth Rückseite Skizzen dottings, beide fotografiert von Mirjam Unger. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz Blattlinie crea:m ist ein Magazin, das Themen aus den Bereichen Wirtschaft und Kultur an seinen Schnittstellen untersucht. Im Zentrum stehen Unternehmer und Künstler, die mit ihrer Kreativität Produkte und Ideen weiterentwickeln und mit ihren Sichtweisen die Produktivität ihrer Unternehmungen erhöhen. crea:m ist das offizielle Medium des forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur, und wird vom Österreichischen Wirtschaftsbund unterstützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Aufnahme in Online-Dienste nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlags. Für unverlangt eingelangte Manuskripte und Bilder übernimmt crea:m keine Haftung. Anzeigenpreisliste unter www.creamagazine.at 48 49