Pelztier-Mord - Frauke Vorbeck
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Pelztier-Mord - Frauke Vorbeck
Bild der Frau Nr. 48 - W - Seite 30 CYAN MAGENTA YELLOW Bild der Frau Nr. 48- W - Seite 31 BLACK CYAN MAGENTA YELLOW BLACK Schock-Trend: Echte Felle sind begehrt wie nie. Aber Berliner Mode-Studenten machen da nicht mehr mit: Eingepfercht in winzige Käfige warten sie auf den qualvollen Tod: Jedes Jahr sterben weltweit 26 Millionen Nerze ie leiden in Mini-Käfigen, werden nur wenige Monate alt oder kämpfen in Fallen der Jäger tagelang verzweifelt um ihr Leben. Sie werden mit Autoabgasen erstickt, mit Elektroschocks getötet oder bei lebendigem Leib gehäutet. Das Sterben der Pelztiere ist langsam und grausam. Trotzdem landen jedes Jahr Millionen Nerze, Rotfüchse,Waschbären, Opossums und Nutrias auf den S Mailand, Osteuropa und den USA. Es ist leider wieder schick, echten Pelz zu tragen.“ Diesen Schock-Trend wollen die Mode-Studenten des „Lette Vereins“ stoppen. „Wir zeigen, daß für elegante Kleider kein einziges Tier sterben muß“, sagt Mode-Dozentin Tutu Wagner. Über 30 Studenten des 3. Semesters entwerfen und schneidern Abendkleider und Phantasieroben aus Webpelzen. Alle arbeiten in ihrer Freizeit an diesem Projekt – ohne Bezahlung. „Aus künstlichen Pelzen lassen sich die tollsten Modelle schneidern“, sagen die Modedesign-Studenten aus Berlin Schneidertischen von Luxus-Designern. Echte Pelze sind so begehrt wie lange nicht. „Die Lieferanten kommen meistens aus Osteuropa und Skandinavien“, sagt Laura Zimprich von der Tierschutz-Organisation „animal public“. „Abnehmer sind Designer weltweit. Die meisten kommen aber aus Paris, 30 BILD der FRAU 48 / 2004 Fotos: afi/arche 2000/A. Farkas; action press (2); A. Friese (2); PETA (2) Es ist nicht zu fassen: Immer mehr Edel-Designer, Models und Promis finden es heute wieder schick, tote Tiere zu tragen. Aber es gibt auch eine Gegenbewegung, die Tierschützern weltweit Mut macht: Junge Mode-Studenten haben jetzt tolle Abendroben entworfen – aus Webpelz! Und an denen klebt kein Tropfen Blut „Eine super Aktion! Webpelz ist ein tolles Material, das aussieht wie echter Pelz und sich sehr gut verarbeiten läßt“, sagt Franziska Stelke (18). Mit ihrer Studenten-Kollegin Kerstin Fischer (22) entwirft Franziska Kleider im Stil der „New Elegance“. „Wir haben sechs Stilrichtungen für unsere Moden- „In Freiheit haben sie aber ein Revier von über 20 Kilometern!“, sagt Zimprich. Die Tiere drehen in Gefangschaft durch, laufen monoton im Kreis oder springen immer wieder am Käfiggitter hoch. „Gegen diesen Wahnsinn will ich etwas tun“˛ sagt Student Marc Bongartz (28). Er zaubert aus hellem Fuchswebpelz und Krokolederimitat ein Hochzeitskleid. „Ich möchte beweisen, daß mit Webpelz jede Kreation möglich ist“, sagt er. Er kann nicht verstehen, daß Models wie Naomi Campbell und Cindy Crawford echte Pelze tragen. Und daß berühmte DesignerKollegen wie John Galiano für Dior oder Donatella Versace echte Pelze verarbeiten. „Es gibt doch so tolle Alternativen“, sagt Marc kopfschüttelnd. Für die Studenten ist die Aktion keine Eintagsfliege. Keiner von ihnen will später etwas mit echten Pelzen zu tun haben. „Echte Felle von gequälten Tieren in Händen zu halten, ist für mich unvorstellbar“, sagt Natalia Weimann (22). Sie hat für die Modenschau ein Kleid im Rokoko-Stil aus kuschelweichen Flachwebpelzen entworfen. „Der Rockstoff fühlt sich richtig flauschig an und sieht trotzdem total edel aus.“ Von der Moden- „Wir kämpfen gegen den Pelzt ier-Mord“ schau ausgewählt“, erklärt Kerstin. „Ich arbeitete an einem Catsuit aus geschorenem Nerz-Imitat.“ Auch Pauline Czerwinka (22) und Nadin Hollasch (22) haben ihrer Phantasie freien Lauf gelassen: „Unsere Modelle sind die reinsten Paradiesvögel. Wir haben ganz verschiedene Stoffe verabeitet und kön- nen so eine ganze Palette unterschiedlicher Webpelzarten zeigen“, erklärt Pauline. Zum ersten Mal präsentiert werden die ungewöhnlichen Kreationen am kommenden Freitag, dem 26. November. Dann gibt’s zum „Berliner Tierschutztag“ eine Modenschau im Preußischen Die Studenten entwerfen und nähen ihre Kreationen selbst Landtag in Berlin. Organisatorin Claudia Haemmerling vom Bündnis 90/Die Grünen ist begeistert vom Einsatz der jungen Studenten. „In ihren Händen liegt die Zukunft. Wenn die jungen Designer nicht mehr mit echten Pelzen arbeiten, setzen sie damit ein ganz wichtiges TierschutzZeichen“, sagt die Politi- kerin. Die Tierschützer wollen erreichen, daß der Mord an Pelztieren und deren Einfuhr nach Deutschland ganz verboten wird. „Kein Pelztier wird artgerecht gehalten“, sagt Laura Zimprich von „animal public“. Der Drahtkäfig eines Nerzes zum Beispiel ist so groß wie ein Computerkarton. schau erhoffen sich die Jung-Designer nicht nur Aufmerksamkeit für ihre Kreationen. „Wir wollen, daß unsere Idee ansteckt. Daß so schnell wie möglich alle Designer auf Pelze verzichten. Und daß auch kein Kunde mehr nach echten Pelzen verlangt“, sagt Tutu Wagner. FRAUKE VORBECK Was interessiert mich mein Engagement von gestern? Das scheint Motto von Topmodel Naomi Campbell zu sein! Im März ’97 unterstützte die Britin (34) die AntipelzKampagne „Models mit Gewissen“ der Tierschutz-Organisation „Peta“. Aber nur vier Jahre später läuft Naomi für Edel-Designer „Fendi“ wieder im üppigen Pelz (ganz rechts) über den Laufsteg – ohne schlechtes Gewissen Tierschutz-Einsatz nur fürs gute Image? Von ihrer Aussage „Lieber nackt als Pelz“ (Foto oben) will Cindy Crawford (38) nichts mehr wissen. Heute präsentiert sie echte Nerze (li.) Kaufen Sie Webpelz! Laura Zimprich von der Tierschutz-Organisation „animal public e.V.“ erklärt, was jeder von uns gegen den Pelztierhandel tun kann. Findet man Pelze auch bei normaler Kaufhaus-Mode? „Leider immer noch viel zu viele. Neben klassischen Jacken und Mänteln sind besonders Applikationen auf Jacken, Blusen oder Blazern oft aus echtem Pelz.“ Wie erkenne ich, ob es sich um echten Pelz handelt? „Die einzige Möglichkeit ist, den Verkäufer zu fragen. Echter Pelz ist von Webpelz für Laien nicht zu unterscheiden. Wer nicht mitschuldig am qualvollem Ende eines Pelztieres sein will, muß sich informieren.“ Wie ist es bei Versandhaus-Mode? „Bei den meisten steht in der Beschreibung, wenn es sich um Webpelz handelt. Ist man nicht sicher: auf den Kauf verzichten!“ Was ist das Wichtigste im Kampf gegen die Pelztier-Quälerei? „Ganz einfach: Daß die Verbraucher keinen echten Pelz mehr kaufen! Nur wenn die Nachfrage zusammenbricht, werden alle Mode-Designer umdenken und nur noch Webpelze verarbeiten.“ 48 / 2004 BILD der FRAU 31