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Andreas Osterroth Universität Koblenz-Landau, Deutschland Sprache-Bild-Kommunikation in Imageboards – Das Internet-Meme als multimodaler Kommunikationsakt und politisches Ärgernis Sprache-Bild-Verbindungen sind kein traditioneller Untersuchungsgegenstand der Linguistik. Dennoch erlangten sie in jüngster Vergangenheit eine gewisse Aufmerksamkeit, was unter anderem der sog. „Bildlinguistik“ (DIEKMANNSHENKE et al. 2011) zu verdanken ist, die der Textlinguistik weitere Impulse gegeben und Analysen von Sprache-Bild-Texten (vgl. STÖCKL 2011) möglich gemacht hat. Das Internet-Meme ist ein solcher Text, der aufgrund seiner Entstehungs- und Verbreitungsmodalitäten einer Betrachtung wert ist. Dieser Beitrag hat zum Ziel, das Internet-Meme als linguistisches Phänomen begreifbar und seine Relevanz für die Textlinguistik deutlich zu machen. Zu Beginn sei zunächst der Untersuchungsgegenstand an sich vorgestellt. 1. Das Internet-Meme Das Internet-Meme ist ein Artefakt, welches bildliche und sprachliche Inhalte regelhaft kombiniert:1 Abb. 1: Internet-Memes2 Die hier stehenden Beispiele sind prototypisch (vgl. SANDIG 2000) der Textsorte InternetMeme zuzuordnen, bestehend aus zwei voneinander abgesetzten, sprachlichen Elementen und einem unbewegten Bild. Internet-Memes sind jedoch nicht zwingend auf Sprache-BildVerbindungen beschränkt, wie Dynel 2016 richtig anmerkt: 1 Artefakt verstanden als etwas künstlich von Menschen Erschaffenes. http://9gag.com/gag/ab04D38?sc=meme, http://9gag.com/gag/ajAyMMG?sc=meme, http://9gag.com/gag/ajAyvpw?sc=meme [8.4.16] 2 In Internet users’ parlance, the label “Internet meme” applies to any artifact (a film, spoof, rumor, picture, song, etc.) that appears on the Internet and produces countless derivatives by being imitated, remixed, and rapidly diffused by countless participants in technologically mediated communication. (DYNEL 2016: 662) Zur Erleichterung der Analyse sollen hier jedoch nur Memes betrachtet werden, die aus Sprache und Bild zusammengesetzt sind. Diese Bedeutungsverengung ist nötig und ermöglicht einen zunächst prototyptischen (vgl. SANDIG 2000) Blick auf das Artefakt: Situation Bildliches Element zur Veranschaulichung Punch-Line Abb. 2: Prototypischer Aufbau eines Internet-Memes Die in Abb. 1 gezeigten Beispiele illustrieren diesen prototypischen Aufbau. Die obere Zeile legt zunächst eine Situation, eine grundlegende Information fest, bzw. eröffnet einen Frame im Sinne Filmores (vgl. 1985). Das Bild illustriert diesen Frame oder bestimmte Aktanten, meist den imaginären Verfasser des Textes und die untere Zeile stellt die Punchline oder Pointe dar. Hierbei ist es wichtig, dass die einzelnen Teile ohne ihre Bezugselemente kein Internet-Meme ergeben, erst ihre Kombination. Während die sprachlichen Teile meist schnell und flächendeckend verstanden werden können, entzieht sich der bildliche Anteil dem Außenstehenden zunächst. Die daraus folgende Eigenschaft, dass Internet-Memes nur einer bestimmten, mehr oder weniger kleinen, Gruppe Kommunizierender verständlich ist, die zur Entschlüsselung in der Lage sind, ist für InternetMemes konstitutiv: „Put in simple terms, Internet memes are inside jokes or pieces of hip underground knowledge, that many people are in on” (BAUCKHAGE 2011). Internet-Memes werden meist genutzt, um innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft online miteinander zu kommunizieren. Dies kann vom Informieren über Neuigkeiten der Zeitgeschichte, bis hin zu intimsten Geständnissen das Privatleben betreffend reichen. Anhand eines Beispiels soll der Vorgang der Internet-Meme Benutzung (nicht Erschaffung) verdeutlicht werden: Als Teil der Community möchten Sie der anonymen Gruppe ein Geständnis machen, möglichst unterhaltsam bzw. auffallend. Für ebendiesen kommunikativen Zweck hat sich der ,Confession Bear‘ als Makro durchgesetzt: Ihr Geständnis: „Ich habe in den letzten 4 Jahren schon oft mit meinen Nachbarn geredet. Sie haben mich bereits in ihr Haus gelassen und Essen gegeben; und ich kenne immer noch nicht ihre Namen.“ Diese Information wird nun eingeteilt in den Frame / die Grundinformation „Ich habe in den letzten 4 Jahren schon oft mit meinen Nachbarn geredet“, welche oben auf dem Meme zu finden sein wird und in die Punchline „sie lassen mich in ihr Haus, geben mir Essen und ich kenne immer noch nicht ihre Namen“: Situation / eröffneter Frame Bildliches Element zur Veranschaulichung eines Geständnisses (konventionalisiert) Punch-Line Abb. 3: Confession bear3 Auf einen derartigen Text gibt es dann Reaktionen, die ebenfalls in Internet-Meme-Form oder rein sprachlich gegeben werden, was innerhalb der Gemeinschaft eine Konversation entstehen lässt. Nachdem der Untersuchungsgegenstand in seinen Grundzügen vorgestellt ist, stellen sich verschiedene Fragen, die innerhalb dieses Beitrages zu beantworten sind: 1. Wie entstehen Internet-Memes, bzw. was unterscheidet ein Internet-Meme von anderen Sprache-Bild-Texten? 2. Was ist ihre pragmatische Funktion bzw. gibt es pragmatische Gesetzmäßigkeiten oder Regeln, denen die Verwendung folgt? 3. Welche Rolle spielt das Meme in alternativen Öffentlichkeiten? Vor der Beantwortung dieser Fragen soll jedoch zunächst ein Überblick über die bisherige Forschung zum Gegenstand gegeben werden. 3 http://9gag.com/gag/aGxGZXw?sc=meme [10.3.16] 2. Stand der Forschung Seit dem letzten deutschsprachigen Beitrag zum Internet-Meme innerhalb der Linguistik (Osterroth 2015) gab es wenig neue Ergänzungen zu der Meme-Diskussion, dennoch soll hier ein kurzer Überblick über die Forschungslage gegeben werden. Auch 2016 hat Miltner (2011: 7) recht mit der Aussage: „internet memes […] have been largely ignored in academia“ und für den deutschen Raum stellt Löber weiterhin zurecht fest, dass bisher keine systematische Beschreibung stattgefunden hat (vgl. 2011: 10). Dynel trägt einen englischen Aufsatz zum „prevalent but underresearched phenomenon of humorous Internet memes“ (2016: 1) bei, auf den in den folgenden Abschnitten Bezug genommen wird. Es existieren auch populärwissenschaftliche Betrachtungen (ERLEHMANN/PLOMLOMPOM 2012) und Betrachtungen am Rande nahestehender Themen (vgl. z.B. OPIŁOWSKI 2013), doch gerade bildlinguistische Ansätze haben die Thematik bisher nicht aufgegriffen. Jede wissenschaftliche Betrachtung des Memes beginnt stets mit dem Verweis auf Richard Dawkins (vgl. DYNEL 2016: 661), was aufgrund des Lexems sinnvoll und notwendig ist. Das englische Wort meme ist eng verwandt mit dem im Deutschen bekannten Mem, welches aus der Übersetzung zu den Arbeiten von Dawkins stammt (vgl. DAWKINS 1978). Der Grundgedanke des Mems ist die Weiterverbreitung von kulturellen Inhalten, wie „Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermoden, die Kunst, Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen“ (DAWKINS 1978). Dawkins entwickelt diesen Begriff im Bezug zum Lexem Gen, und Memetik im Bezug zur Genetik.4 Meme können prinzipiell alle Praktiken sein, es gibt keine „mediale oder semiotische Spezifik“ (HERWIG 2010). Durch die Verbindung zu Dawkins und die deutsche Übersetzung seiner Theorien entsteht aber auch das Problem der Benennung des Gegenstandes. Das Lexem Mem erscheint nun im Zusammenhang mit den Memes aus dem Internet unpassend und irreführend, weshalb es hier dezidiert nicht verwendet wird. Die Alternative, das Wort Meme, kann aber auch irreführend sein, weshalb hier eine kurze Übersicht über die Möglichkeiten gegeben werden soll: Ausdruck Ursprung Vorteil Nachteil Ich schließe mich Dynel an und vermeide jeden Bezug zur tatsächlichen Meme-Theory: “At this point a disclaimer is in order: I do not intend to dwell on, let alone evaluate, “meme theory,” which has aroused considerable controversy, raising doubts about whether it is capable of becoming a proper theory” (DYNEL 2016:661). 4 Mem / Meme Dawkins 1978 Meme / Memes Internetkultur Image-Meme s.o. Image macro Internet-Meme Der erste Ausdruck, der im Diskurs eine Rolle spielte Abgrenzung zum DawkinsAusdruck, kurz und ohne Vorwissen verständlich Abgrenzung zum DawkinsAusdruck RUTKOFF 2007 Pragmatischer Aspekt mitinbegriffen Osterroth 2016 Klare Beschreibung Verwechslungsgefahr zur Dawkins-Memetik Verwechslungsgefahr, da mit Meme auch kulturelle Praktiken wie das ,Planking‘ oder der ,Harlem Shake‘ beschrieben werden können Lang, Bedeutungseinschränkung, da der Text ausgelassen wird Nicht verständlich, MemetikNähe komplett ausgeblendet Internet-Zusatz nicht notwendig Tab. 1: Ausdruck Meme Interessanterweise hat sich das Meme vom Dawkins-Mem emanzipiert und nur noch wenig mit ihm gemein: „What is important here is that the Internet meme has emancipated itself as an independent creativity-based species, now omnipresent in online reality“ (DYNEL 2016: 661). Deshalb werde ich für diesen Aufsatz das Lexem Meme nutzen, auch wenn andere Ausdrücke denkbar wären. Damit wird in Kauf genommen, dass die Bedeutung des Memes verengt wird, da hier körperliche Praktiken wie das Tanzen zu einer bestimmten Musik etc. nicht mit aufgenommen werden.5 Der Gegenstand ist in seiner Form aber bereits komplex genug, um diese Reduktion zu erlauben. Aufbauend auf dieser Festsetzung sei das Meme wie folgt definiert (OSTERROTH 2015): „Memes sind Sprache-Bild-Texte, deren Bedeutung sich durch kollektive Semiose entfaltet“. Dieser Definition ist auf den Grund zu gehen, beginnend mit dem Ausdruck Sprache-BildTexte, der von Stöckl (2011: 111 f.) etabliert wurde. Der Textbegriff als solcher ist innerhalb der Linguistik durchsetzt von „Heterogenität und Widersprüchlichkeit“ (KLEMM 2002), was dazu führt, dass es sehr viele verschiedene Möglichkeiten gibt, Verbindungen aus Sprache und Bild zu beschreiben: „Texturen“ (MAIWALD 2004: 105), „Gesamttext“ (DOELKER 2006: 61), „Sehfläche“ (SCHMITZ 2011) oder „Kommunikat“ (DIEKMANSHENKE 2011). Stöckls „SpracheBild-Text“ (2011: 111 f.) ist eine passende Beschreibung, die sich auf das Meme anwenden lässt. Dies genügt jedoch noch nicht, um eine vollständige Beschreibung des Phänomens zu ermöglichen. Ein Meme ist keine gewöhnliche Textsorte, was an einem Beispiel verdeutlicht werden soll. Nehmen wir einmal an, Sie wollen einen Werbetext erschaffen, eine Textsorte, die Siehe z.B. den ,Harlem Shake‘, der auch als Meme aufgefasst werden könnte (http://knowyourmeme.com/memes/harlem-shake). 5 dem Meme nicht unähnlich ist. Nach einem kreativen Prozess können Sie dies erreichen, den Text ausdrucken und an eine Litfaßsäule hängen. Je nach Qualität der Umsetzung kann natürlich noch bezweifelt werden, ob es sich überhaupt um Werbung handelt und wie gut diese ist. Sie alleine können Autor des Textes sein. Wenn Sie nun ein neues Meme erschaffen wollen, dann beginnen Sie zunächst mit einem memefähigen Artefakt, einem Text, der potenziell zu einem Meme werden kann. Dies liegt aber nicht in Ihrer Macht, da der Schwarm der Internetnutzer schlussendlich entscheidet, ob und wie das Meme entsteht. Dieser Prozess wird von Herwig als „kollektive […] Semiose“ (HERWIG 2010: 10) bezeichnet, die im Folgenden näher erläutert werden soll. 3. Entstehung, Variation und Verbreitung „Geht die virale Verbreitung über die erste und zweite oder gar dritte Teilungsgeneration hinaus, sodass am Ende ein relevanter Teil der Social-Network-Nutzer insgesamt erreicht wird, spricht man von Memen [sic!] oder Internet-Hypes/InternetPhänomenen“ (PRIMBS 2016: 62). Diese Definition entstammt nicht der Linguistik und erfasst das Phänomen auch nur unvollständig. „[O]ne crucial feature [comes] into focus: modification/transformation, which distinguishes a meme from a viral” (DYNEL 2016: 662). Der Hauptunterschied liegt in der Variation, der Modifikation oder Transformation. Bei Memes ist es wichtig, zwischen der Entstehung eines Memes und der Erstellung einer Variation zu unterscheiden, die nur zur weiteren Verbreitung beiträgt. Die Verwendung bekannter Memes wurde weiter oben erläutert, nun soll anhand eines Beispiels der seltenere Fall dargestellt werden, die Entstehung eines Memes. Phase 1: Das memefähige Artefakt Ein Nutzer erstellt einen Text, der potenziell dazu in der Lage ist, ein Meme zu werden. Der Aufbau entspricht oft der oben beschriebenen, prototypischen Konstellation. Das erste Artefakt, aus dem später ein Meme wird, beschreibt oft eine Situation, die die spätere Variation mitbestimmt. Am 19. Mai 2011 war dies das Good Guy Greg-Artefakt:6 6 http://knowyourmeme.com/memes/good-guy-greg [20.7.16] Abb. 4: Good Guy Greg7 Phase 2: Variation und kollektive Semiose Das memefähige Artefakt wird nun der Community präsentiert, die zwei Möglichkeiten hat, damit umzugehen. Entweder überzeugt das Artefakt nicht genug Leute und verschwindet aus der „Memesphere“ (MILTNER 2011: 13) oder es überzeugt die Gemeinschaft und wird zu einem wiederholten Text. Dieser wiederholte Text kann nun Memestatus erreichen, wenn Variation ins Spiel kommt. Ein einzelner Text, unverändert, kann nicht als Meme angesehen werden, erst durch die Nachahmung, die Variation und weitere Semantisierung des Artefakts kann davon gesprochen werden. Das Good Guy Greg-Artefakt hat sich schnell etabliert und es entstanden weitere Derivate: Abb. 5: Good Guy Greg-Memes8 Sobald diese Derivate einen noch zu definierenden Schwellenpunkt überschritten haben, kann von einem Meme gesprochen werden. Wichtig dabei ist, dass die Variation hier nicht beendet ist. Je etablierter das Meme ist, desto anfälliger ist es für weitere Variation. Während der Text zu Anfang nur im sprachlichen Anteil verändert wird, kann im weiteren Zyklus auch das Bild verändert werden: 7 8 http://knowyourmeme.com/memes/good-guy-greg [20.7.16] http://knowyourmeme.com/memes/good-guy-greg [20.7.16] Abb. 6: Good Guy Greg-Memes9 Wenn ein Meme auf diese Weise variiert wird, kann man es zum Meme-Kanon zugehörig zählen. Damit seien die Memes beschrieben, die einer breiten Allgemeinheit zugänglich und damit viral verbreitet sind. Die kollektive Semiose ist innerhalb dieses Kanons so weit fortgeschritten, dass Benutzer auch nur mit dem Bild bereits den Inhalt verbinden und ein Good Guy Greg-Bild kann auch ohne sprachliche Anteile bereits als Kompliment verstanden werden. 4. Regeln der Memeverwendung, Grenzen der Variation Die bisherigen Analysen legen nahe, dass Variation und Semiose uneingeschränkt möglich sind, dem ist aber keinesfalls so. Während die ,richtigen‘ Variationen das Meme weiterentwickeln werden ,falsche‘ Variationen von der Community stark kritisiert: „This wrong use of meme and yellow text gave me cancer“.10 Wie in jedem Bereich von pragmatischer Sprachverwendung gibt es eine Dissonanz zwischen expliziten bzw. impliziten Normen und dem tatsächlichen Sprachhandeln. Interessanterweise unterliegen Memes aber sehr strengen Regeln, ganz im Gegensatz zu anderen Artefakten, die ihren Ursprung im Internet haben. In Chats, Foren etc. spielt z.B. die Rechtschreibung eine geringere Rolle als in Texten der nicht-virtuellen Welt, weshalb eine derartige Strenge eher nicht zu erwarten wäre. Dabei verhält sich so, dass Memes hauptsächlich impliziten Regeln folgen, selten werden diese ausgesprochen und wenn dann oft in Meme-Form: 9 http://knowyourmeme.com/memes/good-guy-greg; http://blog.memes.com/wpcontent/uploads/2016/05/ggg6.jpg [20.7.16] 10 http://9gag.com/gag/adXLENM?ref=android.s.gt [20.7.16] Abb. 7: Wrong Meme 111 Das rechte Beispiel soll herangezogen werden, um die Variation und die Reglementierung eines Memes nachzuvollziehen. Der sog. awkward penguin folgt dem oben beschriebenen, prototypischen Aufbau eines Memes: Situation / eröffneter Frame Bildliches Element zur Veranschaulichung eines Geständnisses (konventionalisiert) Punch-Line Abb. 8: Socially Awkward Penguin 112 Die Situation ist zunächst unverfänglich und eröffnet in diesem Fall den Frame eines Restaurants oder das Skript eines Bedienungsvorgangs. Der Pinguin hat bei der ersten Verwendung des Memes noch keinerlei Semantisierung erfahren und ist zunächst bedeutungslos. Die Punch-Line führt dann zu einem pragmatischen Fehler, da hier angedeutet wird, dass man der Bedienung „you too“ wünscht, was pragmatisch gesehen keinen Sinn ergibt. Dieser Text wurde nun weiter variiert und es wurden Iterationen erschaffen: Abb. 9: Variationen des Socially Awkward Penguin 113 11 http://img-9gag-fun.9cache.com/photo/apLovrn_700b.jpg [20.7.16] http://i2.kym-cdn.com/photos/images/original/000/003/228/GetThumbnalilImage.jpg [20.7.16] 13 http://knowyourmeme.com/memes/socially-awkward-penguin [20.7.16] 12 Hierdurch etabliert sich der Text weiter und das Meme erhält eine gewisse Stabilität. Durch die „kollektive […] Semiose“ (HERWIG 2010: 10) wird dem Meme innerhalb des Meme-Kanons eine Funktion zugesprochen. Dies kann nicht von Einzelindividuen festgelegt werden, erst der Sprachgebrauch gibt den entscheidenden Ausschlag. Durch die Konventionalisierung ist es dann möglich, dass sich das Bild und damit auch die Gesamtbedeutung verändert: Abb. 10: Socially Awesome Penguin14 Die hier beschriebene, pragmatische Situation ist sozial positive zu sehen, also ändert sich zum einen die Farbe15 und zum anderen die Bewegungsrichtung des Pinguins. Diese Variation war aber nur der erste Schritt der Variation, denn weitere Möglichkeiten ergeben sich durch die Kombination der beiden Elemente. Die Benutzer der Memes legen aber großen Wert darauf, dass die Memes nicht falsch genutzt werden, weshalb die Erklärung der weiteren Variation aus einer Meme-Community gezeigt werden soll: Abb. 11: Penguin Confusion16 14 http://knowyourmeme.com/memes/socially-awesome-penguin [20.7.16] Leider nur in der Online-Version des Artikels erkennbar 16 http://9gag.com/gag/aQxM142?ref=android.s.gt [24.7.16] 15 Diese Erklärung gibt einen sehr interssanten Hinweis auf die Memeverwendung und die pragmatischen Regeln, die zur Anwendung kommen. Der Hinweis im dritten Artefakt „(probably)“ bezieht sich darauf, dass nicht geklärt werden kann, warum der Hintergrund rot ist. Natürlich werden rot und blau oft im Gegensatz zueinander verwendet, aber es gibt keinen logischen Grund dafür, es ist die Konvention, die das Meme bestimmt. Derartige Erklärungen sind recht häufig zu finden und sehr untypisch für das Kommunizieren im Netz, bei dem Sprachrichtigkeit üblicherweise keine so große Rolle spielt. Dies geht so weit, dass die Memes auch ironisch gebrochen absichtlich falsch verwendet werden: Abb. 12: Wrong Meme 217 Der Ersteller ist sich im Klaren über die Verwendungsregeln und erstellt das Artefakt absichtlich fehlerhaft. Bezeichnend ist der Verweis „friend told me i’m retarded because i have no idea how memes work“, da hier die Umgangskultur angedeutet wird, die in diesen Kreisen des Internets vorherrscht. Nachdem nun klar ist, wie Memes enstehen und wie ihre Verwendungsweise reglementiert ist, soll das Meme in Bezug zu Öffentlichkeit in den sozialen Medien betrachtet werden. Hierfür seien jedoch zunächst einige empirische Daten herangezogen, um die Interpretation zu erleichtern. 4. Das Meme als Insiderwitz Der Ausdruck Meme ist wie das Konzept, das auf den vorangegangenen Seiten erläutert wurde, der breiten Masse noch unbekannt und wird es unter Umständen auch bleiben. „Put in simple terms, Internet memes are inside jokes or pieces of hip underground knowledge, that many people are in on” (BAUCKHAGE 2011). 17 http://img-9gag-fun.9cache.com/photo/apLovrn_700b.jpg [24.7.16] Interessant, vor allem auf die Interpretation als Politikum hin, ist der Umgang der Menschen mit diesem Ausdruck. Hierfür möchte ich Daten aus dem Juli 2016 heranziehen, die einer größeren Untersuchung entnommen sind und unter Umständen die Interpretation erleichtern.18 Die Beobachtungen basieren auf den ersten knapp 100 Fragebögen (N=94), die zum einen die Einstellung der Probanden zum Ausdruck Meme mithilfe einer Likert-Skala erfragen und zum anderen eine Wortassoziation verlangen. Hierbei sind verschiedene, semantisch hochinteressante Beobachtungen festzustellen. Zum einen gibt es viele Probanden, für die das Wort keinerlei Bedeutung hat (50%) und zum anderen haben einige Probanden völlig andere Semantisierungen als erwartet. So gab es folgende Wortassoziationen: Abb. 13: Semantischer Cluster Die durchschnittliche Bewertung des Ausdrucks lag auf der Likert-Skala bei 2,5, was zwischen ,negativ‘ und ,neutral‘ liegt. Der Probandenbereich, der den Begriff negativ empfindet assoziiert damit anscheinend so etwas wie mimimi, also das onomatopoetische Nachahmen einer weinenden Person, oder Mimose, was Assoziationen wie Weichei erklärt. Hierbei ist interessant, dass alle Probanden, die den Begriff kannten, diesen tendenziell, aber nicht ausschließlich, positiv sahen. Hier entstanden oft Assoziationen wie „lustig“ oder „9gag“.19 Dies scheint die These, dass Memes vor allem aus einer Art Insiderkultur entstammen, zu belegen und hilft nun bei der weiteren Interpretation des Umgangs mit den Artefakten in der nicht-digitalen Welt. Hierbei ist nämlich zu beobachten, dass Personen, die mit dem Konzept vertraut sind, eine Art Witz oder „canned jokes“ (DYNEL 2016:663) sehen, während andere wenig damit anfangen können. 5. Das Meme als Politikum Das Internet-Meme ist wie jede Textsorte dazu in der Lage, auf pragmatischer Ebene für Kritik zu sorgen. Meist jedoch bezieht sich diese nicht auf die Ebene der Textsorte, sondern auf die 18 Die zu Grunde gelegte Studie wird momentan an der Universität-Koblenz Landau durchgeführt und verbindet die Bereiche Semantik und Trainingswissenschaften unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Jürgen Gießing (Fachbereich Sportwissenschaften) und Dr. Andres Osterroth (Fachbereich Germanistik). 19 Eine Quelle für Memes. Ebene des Inhalts. So wurde in der sog. „Böhmermann-Affäre“20 stets nur der Inhalt des Gedichtes angegriffen und damit natürlich auch der Urheber, niemals jedoch die Textsorte Gedicht als solche. Bei Memes verhält es sich jedoch anders, was an einigen Beispielen demonstriert werden soll. Das berühmteste Verbot stammt aus Russland, da die Memes hier auch für systemkritische Zwecke eingesetzt werden: Abb. 14: Politische Memes in Russland21 Das sog. „Anti-Meme Law“22 gibt es seit April 2015 und zielt darauf ab, Memes, die sich über die politische Führung lustig machen, zu verbieten. Memes werden zwar nur dann relevant, wenn sie „persönlichkeitsentstellend“23 sind, aber prinzipiell steht die gesamte Textsorte in Verdacht. Im Mai 2016 geriet ein Meme in Mexiko unter den Rassismus-Verdacht und eine Kongressabgeordnete forderte ein Verbot.24 Es handelt sich um den Frosch Pepe, der ihrer Meinung nach rassistische Ressentiments fördert. Die Internetgemeinschaft reagierte natürlich sofort mit einer Memeflut, welche die Forderung kritisierte. Ein weiterer Fall betrifft die Türkei, in der Präsident Erdogan wegen eines Bild-Vergleichs einen Arzt vor Gericht bringt.25 Das Bild ist kein Meme im engeren Sinne, dem aber sehr nahe. 20 https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6hmermann-Aff%C3%A4re [24.7.16] http://www.abovetopsecret.com/forum/thread1063794/pg1 [24.7.16] 22 http://knowyourmeme.com/memes/events/russian-anti-meme-law [24.7.16] 23 http://www.heise.de/newsticker/meldung/Russland-Persoenlichkeitsentstellende-Internet-Memes-verboten2599874.html [24.7.16] 24 http://www.breitbart.com/tech/2016/05/05/mexican-congresswoman-wants-ban-memes/ [24.7.16] 25 http://www.bloomberg.com/news/articles/2016-08-14/here-comes-the-brexit-era-british-economy-in-hardnumbers [24.7.16] 21 Diese durchaus heftigen Reaktionen sind damit zu erklären, dass Memes nicht einfach nur Bilder sind, sondern Texte und damit sogar potienzelle Sprechakte, bzw. Bildakte. Diese können dadurch auch beleidigend aufgefasst werden, was sie zum Ziel von Verboten machen kann. In weniger brisanter Form können sie sprachliche Anteile eines Gesprächs ersetzen, was in den sozialen Medien zu beobachten ist 6. Das Meme als Sprechakt in sozialen Medien Ein Sprechakt im Sinne Austins ist eine Äußerung, die auch eine sprachliche Handlung darstellt. Als Erweiterung dieses Gedankens sei der Bildakt genannt, wenn durch Bilder sprachliche Handlungen vollzogen werden. Dies kann ganz traditionell bei z.B. Warnschildern der Fall sein: Abb. 15: Bildakt 126 Das hier dargestellte Bild könnte auch klassisch als performative Äußerung paraphrasiert werden: „Hiermit warne ich Sie! Betreten Sie nicht das Gelände, sonst werden sie gebissen!“. Es handelt sich also noch recht klar um einen illokutionären Akt, ganz ohne sprachliche Anteile im Gesamttext. Es gibt auch Warnschilder, die Bild und Sprache kombinieren und einen elaborierteren Bildakt ermöglichen: Abb. 16: Bildakt 227 26 https://www.colourbox.de/preview/4145559-beware-of-the-mad-dog-warning-sign.jpg [24.7.16] http://www.hornbach.de/data/shop/D04/001/780/495/242/61/DV_8_7848571_01_4c_DE _20141114051557.jpg [24.7.16] 27 Hier dient das dargestellte Kind zur Verdeutlichung der Warnung, während der sprachliche Anteil den illokutionären Akt weitestgehend bestimmt. In der Wissenschaft wurden Beispiele dieser Art bereits analysiert (vgl. KJÖRUP 1974), jedoch nicht im Zusammenhang mit dialogischen Gesprächssituationen. In Chats und Foren ist es möglich, das Meme als Sprechakt zu verwenden, entweder ergänzend zur Kommunikation oder sogar als ausschließliches Mittel: Abb. 17: Meme-Konversation28 Dies ist sicherlich kein prototypisches Beispiel für einen Chatverlauf, aber dennoch ein Beleg, dass Memes dazu geeignet sind, mehr oder weniger kohärente Gespräche zu führen. Hierfür wird, wie bereits oben klar wurde, ein sehr fundiertes Wissen benötigt, um die Memes korrekt zu entschlüsseln und auch selbst zu benutzen und zu variieren. Die Frage, warum auf derartige Mittel zurückgegriffen wird, kann auf verschiendene Arten beantwortet werden. Zum einen ist es der pragmatischen Situation des Chats angemessen, multimodal zu kommunizieren, da die technischen Möglichkeiten für das Antworten mit einem Bild gegeben sind. Zum anderen ist das Meme noch recht neu und innovativ, was durch die Benutzung Schlussfolgerungen über den Sprecher zulässt. 7. Fazit und Ausblick Die drei zu Anfang gestellten Fragen konnten im Rahmen des Artikels hoffentlich zumindest im Ansatz beantwortet werden: 28 http://9gag.com/gag/a1XMVND?ref=android.s.gt [24.7.16] 1. Wie entstehen Internet-Memes, bzw. was unterscheidet ein Internet-Meme von anderen Sprache-Bild-Texten? Memes entstehen kollektiv innerhalb einer Gemeinschaft, was sie auch sehr von traditionellen Sprache-Bild-Texten unterscheidet, die stets einen Autoren oder ein Autorenteam als Ursprung haben. 2. Was ist ihre pragmatische Funktion bzw. gibt es pragmatische Gesetzmäßigkeiten oder Regeln, denen die Verwendung folgt? Neben der Kommunikation und der Selbstprofilierung ist die strenge Regelhaftigkeit der Memeverwendung auffällig, welche besonders in virtuellen Kommunikationssituationen ungewöhnlich ist. Es gibt für jede Situation bestimmte Memes, die als pragmatisch passend gelten, eine Falschverwendung wird von der Community geahndet. 3. Welche Rolle spielt das Meme in alternativen Öffentlichkeiten? Durch die feste Verankerung in der Popkultur und den Möglichkeiten des Internets können ganze Gespräche mit Memes geführt werden. Das Meme kann im Austinschen Sinne auch ein Bildakt und damit z.B. eine Beleidigung sein. Es gab bereits mehrere Bestrebungen, Memes, ganz bestimmte oder auch alle, verbieten zu lassen (was pragmatisch gesehen nicht möglich ist). Memes bleiben ein recht unerforschter Gegenstand in der Linguistik, was sich in der Zukunft ändern könnte. Der Ansatz der Bildlinguistik bietet genug Analysewerkzeuge, um Memes als Textsorte greifbar und sie pragmatisch fassbar zu machen. Gerade die Verbindung zur Sprechakttheorie von Austin bietet sich an, das Phänomen der Memes zu erläutern. Unter Umständen ist es sogar so, dass Memes, die einen relevanten Sprechakt/Bildakt darstellen, viral erfolgreicher sind, da sie sich für die kollektive Semiose eher anbieten. Die Frage danach, warum sich bestimmte Dinge viral verbreiten und andere nicht, lässt sich so sicherlich nicht abschließend beantworten, aber eine Tendenz könnte abzuleiten sein, hierfür wären jedoch vor allem quantitative Daten und eine tiefgehende qualitative Analyse des Memekanons nötig. Neue technische Möglichkeiten haben in der Linguistik zu Anfang stets für Probleme gesorgt – man betrachte den Chat als dialogisches Textmuster, welches sich in Echtzeit entwickelt – aber am Ende führte dies oft zu Überarbeitungen und Vertiefungen bereits tradierter Modelle, die sich an diese neuen Artefakte angepasst haben. Bei den Memes wird es sich ähnlich verhalten und da es sich um eine sich immer weiter entwickelnde Art von Text handelt29. 29 Die Analyse der Gif-basierten Memes, wie sie im Votrag stattfand, kann an dieser Stelle aus medialen Gründen z.B. nicht geleistet werden. Literatur BAUCKHAGE, MICHAEL: Insights into Internet Memes. http://www.aaai.org/ocs/index.php/%20ICWSM/ICWSM11/paper/viewFile/2757/3304 (10.03.2016). DAWKINS, RICHARD (1978): Das eogistische Gen. Heidelberg: Springer. DIEKMANNSHENKE, HAJO / KLEMM, MICHAEL / STÖCKL, HARTMUT (EDS.) (2011): Bildlinguistik. Theorien – Methoden – Fallbeispiele. Berlin: Erich Schmidt. (=Philologische Studien und Quellen 228). 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Mit Mitteln der Bildlinguistik wird die pragmatische Bedeutung des Sprache-Bild-Textes erläutert und die Funktionen in der multimodalen Kommunikation. Das Meme wird prototypisch als Text verstanden und auf diese Weise zugänglich gemacht. Der Hauptunterschied zu traditionellen Textsorten ist, dass das Meme seine Bedeutung und Funktion durch eine kollektive Semiose erhält und der Erschaffer des ursprünglichen Artefakts nur begrenzt Einfluss auf die schlussendliche Bedeutung hat. In den alternativen Öffentlichkeiten spielt das Meme vor allem politisch eine Rolle, da es schon oft Ziel von Verbotsgesuchen seitens konservativer Kräfte war. Englisch: The article „Sprache-Bild-Kommunikation in Imageboards – Das Internet-Meme als multimodaler Kommunikationsakt und politisches Ärgernis“ analyzes the phenomena „internet memes“ within linguistics. By means of the „Bildlinguistik“, the pragmatic meaning of the „Sprache-Bild-Text” is explained and the function in the multimodal communication. Memes are considered as texts according to the prototype theory and therefore linguistically analyzable.The main difference to traditional literary genres is the collective semiosis and the fact that the creator of the artifact has only limited bearing on the final meaning. The meme is very important in the alternate publicities because it was often the target of request of censorship by conservatives. Andreas Osterroth Fortstraße 7 76829 Landau [email protected]