2004 Ostpreußen und Memelland - wandern-bilder
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2004 Ostpreußen und Memelland - wandern-bilder
Karte aus openstreetmap.de Wanderfahrt ins Memelland und ins nördliche Ostpreußen im Juli 2004 - von Wolfgang Post - Eine bequeme Art das Baltikum zu erreichen, ist eine Schiffspassage von Kiel bis nach Memel, dem heutigen Klaipeda in Litauen. Wir entschlossen uns zu dieser Schiffahrt und waren mehr als überrascht als wir 1 Woche vor Abfahrt des Schiffes die Mitteilung erhielten, daß das entsprechende Schiff zwecks Wartung in die Werft beordert werden sollte. Doch hatte die Reederei Scandlines Vorsorge getroffen und wir konnten ohne Aufpreis umbuchen und mit einem anderem Fährschiff am gewünschten Tag von Rostock bis nach Libau, dem heutigen Liepaja, in Lettland fahren. Kranentor in Danzig Am Dienstag, den 29. Juni 2004 schulterten wir unsere Rucksäcke und fuhren mit dem Zug von Dillenburg bis nach Rostock, wo wir uns zünftig im Jugendherbergsschiff "Georg Büchner" einquartierten und uns so auf die bevorstehende Seereise am anderen Tag einstimmten. Die Schiffsfahrt mit der FS "URD" über die Ostsee war angenehm und wir hatten aufgrund der Problematik mit der Umbuchung Kost und Logis frei. Eine schweizerische Karnevalsgruppe sorgte auf Deck für gute Stimmung, indem sie eine Kostprobe ihrer schmissigen Musik gaben. Am Donnerstag, den 1. Juli erreichten wir Libau in Lettland, den einstigen U-Boot-Hafen der KurlandArmee. Das Städtchen Libau /Liepaja gefiel uns auf Anhieb und wir waren somit froh über diesen kleinen Abstecher. Im Hotel Liva einquartiert, mischten wir uns am Abend unter die vielen, jungen Menschen. Anderntags fuhren wir mit dem Bus nach Polangen /Palanga in Litauen weiter. Absolut sehenswert ist das Bernsteinmuseum, welches in einem Schloß untergebracht ist. Im Schloßpark erstand ich die ersten Bernsteinstücke mit Einschlüssen. Abends bereitete es riesig Spaß auf der Strandpromenade zu bummeln und in einen der Gaststätten bei Musik und Tanz mit den Urlaubsgesellschaften mitzufeiern. Beschaulich ist auch Memel /Klaipeda, das wir anderntags erreichten. Einstmals war diese Stadt, die östlichste Stadt des deutschen Reiches. Unterschlupf fanden wir in der Jugendherberge, in der Nähe des Busbahnhofes gelegen. Wir besuchten die im letzten Jahr errichtete Gedenkstätte des Deutschen Soldatenfriedhofes (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.). Vom Marktplatz grüßt nach wie vor das "Ännchen von Tharau" und ein junges Mädchen spielte auf einer Flöte das entsprechende Lied und auch das Ostpreußenlied. Auch trafen wir Jurate, unsere litauische Freundin, bei der wir bereits vor 10 Jahren übernachtet hatten, wieder. Noch am Sonntag, den 4. Juli setzte ich von Memel auf die Kurische Nehrung nach Sandkrug /Smiltyne über. War ich vor 10 Jahren noch die gesamte Kurische Nehrung von Sandkrug bis nach Kranz/Selenogradsk zu Fuß gewandert, so begnügte ich mich diesmal mit der Busfahrt direkt nach Schwarzort /Juodkrante. Schwarzort ist bekannt für seine Fischräuchereien. In einer Bratfischpension, die als solches mit einem aushängenden Holzfisch gekennzeichnet war, fand ich Unterkunft und probierte sogleich einen leckeren Bratfisch. Am Abend war es bei Bratfisch und Bier eine Erholung am Fernseher ein gutes Fußballspiel zu sehen und mitzuverfolgen wie der deutsche Trainer Otto Rehagel die griechische Fußballmannschaft zum Europameistertitel führte. Ab Perwelk /Pervelka ist die Kurische Nehrung breiter und ich wanderte auf dem Waldweg über Preil/Prella bis nach Nidden /Nida weiter. Es ist ein herrliches Erlebnis in dieser wunderschönen, einzigartigen Dünenlandschaft auf dieser fast 100 km langen Halbinsel, deren westliche Ufer von der Ostsee und östliche von dem Kurischen Haff umspült sind, zu wandern. In Nidden sollte man einige Tage verweilen, soviel schöne Dinge gibt es hier zu sehen. Den schönsten Ausblick hat man von der Hohen Düne, die an die Sahara erinnert. Da der Sommer in diesem Jahr mit seinen Sonnenstrahlen geizte, badete ich nur kurz in der Ostsee. Am Mittwoch, den 7. Juli fuhren wir mit einem Boot auf das gegenüberliegende Kurische Haff in das Delta nach Minge /Minija ins sogenannte Memelland. In einem Zeitungsbericht hatte ich vor Jahren von der Aufbruchstimmung bei den ausreisewilligen Memelländern gelesen. Tatsächlich finden sich hier noch einige Deutsche und so konnten wir bei der Minge-Oma (Irma Schukies) eine Nacht verbingen. Hier sollte man unbedingt die gute Fischsuppe mit Aal, nach dem preußischlitauischen Rezept, probieren. Da die Haupstraße in Minge der Fluß ist, gab mir kurzer Hand ihr Mann Max ein Boot, mit dem ich auf die andere Fluß- /Dorfseite übersetzen und weiterwandern konnte. Für den nächsten Tag mußten wir uns erst einen Kapitän suchen, der uns über den Fluß zum Leuchtturm und der vor hundert Jahren gebauten Pumpstation nach Kuwertshof /Uostadvaris brachte. Auf der Fahrt genießt man die Flußlandschaften und den einzigartigen durch Wälder und Sanddünen geprägten Landstreifen der Kurischen Nehrung. Malerisch hingetupft liegen die kurischen Fischerdörfer zwischen Haff und See. Kähne und Boote waren hier die Transportmittel, sie ersetzten Pferd und Wagen. Vom Leuchtturm, von dem man eine großartige Aussicht hat, wanderten wir über Pokallna /Pakalne durch das schöne Haffvorland. Bei dem einstigen malerischen und weltvergessenen Niederungsdorf Warruß /Vorusne piesackten uns die Mücken derart, daß wir schleunigst bis nach Ruß /Rusne weiterwanderten. In Ruß gab es keinen Gasthof mehr. Wir besorgten uns Flaschenbier und etwas zum Knabbern, setzten uns auf den Bordstein der Hauptstraße und fingen die Memelländer Beschaulichkeit ein. Zum Sonnenuntergang warfen die Bäume am Flüßchen Pokallna ein romantisches Spiegelbild in dieser beschaulichen Landschaft. Zwischen Ruß und Heydekrug lebt der Deutsche Walter Wallenschuß auf seinem Bauernhof in der ehemaligen Moorkolonie Bismarcksiedlung. Er wurde mit seinem Hof in der Fernsehsendung "Wiedersehen in Ostpreußen" (Land und Leute - gestern und heute) vorgestellt. Es ist interessant wie viele Deutschstämmige im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung sich wieder zu ihrem Deutschtum bekennen können, welches sie noch zu russichen Zeiten aus Sicherheitsgründen verschweigen mußten. Welche Schicksale liegen hier noch nach den beiden Weltkriegen versteckt, wo Menschen ihre Nationalität und Identität verbergen mußten? Gerne übernachte ich auf dem Hof von Walter und fühlte mich bei seinen Tieren wohl und ich denke heute noch gerne an die wohlschmeckenden Eier. Im Gut Matzicken /Macikai besuchte ich das Museum des Dichters Hermann Sudermann. Seinen Roman "Reise nach Tilsit", in der u.a. die Mentalität der Memelländer beschrieben wird, werde ich im Nachtrag zu meiner Reise besorgen. Bald darauf lockte Heydekrug /Silute mit den Annehmlichkeiten eines beschaulichen Heidestädtchens. Heydekrug entstand tatsächlich aus einer Siedlung um einen Krug, nämlich dem "Krug auf der Heide". Hier fanden wir Quartier im Pensionat des Mädchengymnasiums, das im Sommer als Jugendherberge dient. In Heydekrug hatten wir uns nochmals mit Jurate verabredet, deren Schwester hier auch wohnte. Nach dem Besuch des deutschen Gottesdienstes in Heydekrug begann der 2. Teil unserer Wanderfahrt: mit dem Bus fuhren wir am Sonntag, den 11. Juli 2004 problemlos über die Königin-Augusta-Brücke, welche die heutige Grenze zwischen Litauen und dem russischen Oblast Kaliningrad (nördliches Ostpreußen) bildet nach Tilsit /Sovetsk. Tilsit, der Geburtsort des "Tilsiter Käse" war bis zur Grenzziehung 1920 Mittelpunkt des Viehzuchtgebiets beiderseits der Memel. In Tilsit fanden wir im Hotel Russia - am Marktplatz mit Lenindenkmal - preiswerte Unterkunft. Den Abend genossen wir in einem Biergarten, wo die Musik zum Tanz aufspielte. Wie überrascht waren wir, als wir erfuhren, daß die Mädchen, mit denen wir tanzten aus Kasachstan stammten. Es fiel uns auf der Reise ins nördliche Ostpreußen auf, das die jetzt dort lebenden Menschen ein russisches Völkergemisch darstellten. Nachdem uns noch die letzte in Tilsit lebende deutsche Frau ihren Leidensweg geschildert hatte, nahmen wir einen Bus, der uns über Haselberg /Krasnoznamensk - Ebenrode /Nesterov in Richtung Gumbinnen brachte. An der Straßenkreuzung stiegen wir aus und wanderten die Landstraße nach Trakehnen /Jasnaja Polana. Trakehnen ist wegen der Trakehner Hengste berühmt, die hier einst gezüchtet und von denen es hier leider keine mehr gibt. Bemerkenswert ist auch die Aufbauhilfe der Gesellschaft für Siedlungshilfe Trakehnen. Durch die GST finden hier u.a. Rußlanddeutsche eine neue Bleibe. In diesem Zusammenhang sind neue Siedlungen entstanden und Kinder können in die deutsche Schule gehen, die von deutschen Lehrern vorbildlich betreut werden. Bei einem geführten Rundgang konnten wir überall Einblick nehmen. Somit blieben wir gerne in Trakehnen und kehrten im Gasthof "Zur Alten Apotheke" ein, wo es Flaschenbier mit der deutschen Aufschrift "Königsberger" - hergestellt in Königsberg - gab. KöniginAugusta-Brücke Tilsit Überrascht war ich im Trakehner Gestütsmuseum, als ich in der Eingangshalle ein Aquarell mit dem Dillturm und der Sparkasse meiner Heimatstadt Herborn sah. Vielleicht hatte auch ein Lehrer aus Herborn an der Trakehner Schule unterrichtet und sich mit diesem Bild verewigt? Mir war es wie ein lieber Gruß aus der Heimat! Gestüt Trakehnen Nach Trakehnen wollten wir uns die Rominter Heide anschauen. Gerne nahmen wir das Angebot eines Rußlanddeutschen an, der uns bis zum Marinovosee brachte. Nun war es nach Rominten /Krasnolesje nicht mehr weit und wir fanden gute Unterkunft bei einem Deutschen. Dieser hatte vor einigen Jahren sein Haus in Deutschland verkauft und hatte sich hier wieder angesiedelt. In Rominten wohnte noch ein weiterer Deutscher, der sich sehr um die Bildung und Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen kümmerte. Als Naturfreund und Jäger war ich von den Wäldern der Rominter Heide begeistert. Leider bekam ich kein Wild zu sehen. Wahrscheinlich ist die Wilderei Schuld daran. Angeblich soll jeder 2. Russe eine Waffe besitzen. Auch vom Jagdhaus Rominten und von der Jagdbaude ist nichts mehr zu sehen. Von Großwaltersdorf /Olchatovka wanderte ich alleine über Schulzenwalde /Dubrave nach Nemmersdorf /Majakovskoje. Dieser Ort wurde als einer der ersten deutschen Orte von der Roten Armee am 20. Oktober 1944 im 2. Weltkrieg erobert. Auf meinen Wegen folgte ich alten deutschen Karten; die Siedlung Gudwainen war nicht mehr vorhanden und der Weg hörte auf Weg zu sein. Aber zu Fuß kommt man immer noch durch. Unterwegs im russichen Teil von Ostpreußen ist es erforderlich die kyrillische Schrift zu kennen und Landkarten mit deutsch /russischen Text sind eine wertvolle Hilfe. Die Füße liefen gut und ich wanderte noch über weite Felder und prachtvollen Alleen über Bergenbrück nach Gumbinnen /Gusev weiter, während mein Wanderkamerad Bernd in Rominten blieb. Nach einer Wanderung von 35 Kilometern genoß ich die Andacht in der neu hergestellten Salzburger Kirche von Gumbinnen, die geradewegs auf dem Weg lag. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. nahm die wegen ihres Glaubens ausgewiesenen evangelischen Salzburger aus Östereich auf, die sich in diesem Gebiet ansiedelten. Nach der Wende in 1991 wurde die evangelisch-lutherische Kirche wieder aufgebaut und bietet im Diakonie-Zentrum "Haus Salzburg" eine karitative Einrichtung und Übernachtungsmöglichkeit, die ich unverhofft aber gerne in Anspruch nahm. Auf dem Magazinplatz grüßt wieder das alte Wahrzeichen von Gumbinnen: ein bronzener Elchschaufler, dem ich am Abend bei einem "Bierchen" Gesellschaft leistete. Mit dem Bus fuhr ich anderntags nach Insterburg /Cernachovsk weiter und fand Unterkunft im Hotel "Zum Bären", welches unter deutscher Leitung hervorragend geführt wird. Zuvor war ich in Georgenburg /Majovka und bewunderte hier das neu aufgebaute Gestüt. Hier bestaunte ich dann endlich die Trakehner bei deren Ausritten. Von Insterburg ist es nicht mehr weit bis Königsberg /Kaliningrad. Wie vor 10 Jahren konnte ich privat bei einer Familie, die im Stadtteil "Auf den Hufen" (früher Luisenallee) wohnt, übernachten. Vielen Dank für die gute Bewirtung an Frau Poremski. Königsberg hat sich seit den letzten 10 Jahren stark verändert. Den Nordbahnhof erkannte ich nicht wieder. Vieles Alte ist dem Modernen gewichen. Somit sah Königsberg heute viel freundlicher aus. Dom in Königsberg Am Dom in Königsberg, traf ich meinen Freund wieder. Er hatte noch ein Prospekt von Königsberg von vor 10 Jahren. Hier war u.a. das Hotel Moskwa, das nun im Gebäude der ehemaligen Nordstern-Versicherung liegt (gegenüber Zoo), mit einem Übernachtungspreis von 10,-- DM angegeben. Das Hotel ist heute rund um erneuert und Bernd staunte nicht schlecht, als er für die Übernachtung ohne Frühstück nun 50,-- Euro hinblättern mußte! Am Abend unternahmen wir mit Viktor Poremski einen Ausflug nach Rauschen /Svetlogorsk an die Samlandküste. Bei schönem Wetter und einem romantischen Sonnenuntergang genossen wir das Bier am Strand und diskutierten noch lange über die hübschen und adrett gekleideten Mädchen aus dem Memelland und dem nördlichen Ostpreußen.Zum Abschied erstanden wir noch Bernstein, das uns mit seinem Farbenspiel und den interessanten Einschlüssen faszinierte. Am Sonntag, den 18. Juli besichtigten wir noch das Bernsteinmuseum und die letzte deutsche Befehlszentrale, den Bunker von Otto Lasch, in Königsberg und fuhren dann ganz bequem vom Südbahnhof mit dem abendlichen "Königsberg - Berlin - Express" - mit vielen Gedanken und Erinnerungen - nach Berlin. In den frühen Morgenstunden wechselten wir in Berlin den Zug und gelangten so nach 3 Wochen froher Wanderfahrt wieder in die Heimat.