Leseprobe - Juristischer Verlag Pegnitz

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Leseprobe - Juristischer Verlag Pegnitz
Leseprobe
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Juristischer Verlag Pegnitz
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(Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers
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Schultze/Tenner
Zustellungsrecht
2. Auflage 2014
Juristischer Verlag Pegnitz GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Juristischer Verlag Pegnitz GmbH
Lohestraße 17, 91257 Pegnitz
Alle Rechte, die teilweise Reproduktion, der auszugsweise Abdruck
und Sonderrechte, wie die fotomechanische Vervielfältigung,
sind dem Verlag vorbehalten.
ISBN 978-3-940359-83-4
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Vorwort zur 1. Auflage
Im deutschen Recht wird der Begriff „Zustellung“ als die Bekanntgabe eines
Dokuments an einen Adressaten in einer bestimmten, gesetzlich
vorgeschriebenen Form definiert. Allein diese kurze Begriffsbestimmung
birgt viele Fallstricke und führt immer wieder zu Anwenderfragen in der
Praxis. Zustellungen geschehen jedoch nicht nur im Interesse ihres
Veranlassers, der in der Folge nachweisen kann, dass der Adressat von
dem zugestellten Dokument Kenntnis nehmen konnte, sondern auch im
Interesse des Adressaten. Ihm gegenüber sollen die Vorschriften über
Zustellungen gewährleisten, dass er Kenntnis von dem zuzustellenden
Dokument nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung
darauf einrichten kann. Die Vorschriften über die Zustellungen dienen damit
auch der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs.
Die Zivilprozessordnung unterscheidet zwischen der „Zustellung von Amts
wegen“ und der „Zustellung auf Betreiben der Parteien“. In diesem Buch
wird das gesamte Spektrum der Zustellung und damit beider
Zustellungsarten erörtert. Es werden nicht nur sämtliche Mittel des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufgezeigt, sondern auch die
Behandlung vor, während und nach der eigentlichen Übergabehandlung
beleuchtet. Es soll der gerichtlichen Praxis deutlich gemacht werden, wer
mit der Ausführung der Zustellung beauftragt werden kann und dass bei der
Postzustellung noch lange nicht „Schluss“ ist.
Nachdem dieses Buch in erster Linie für die Gerichtsvollzieher in
Ausbildung und Praxis gedacht ist, werden ab Kapitel 3 vorrangig
Besonderheiten und Probleme behandelt, die bei der Parteizustellung
durch den Gerichtsvollzieher auftreten können. Insbesondere werden die
Abgrenzung der Amtszustellung zur Parteizustellung und die Durchführung
der Zustellung an den Adressaten selbst sowie die Möglichkeiten der
Ersatzzustellung ausführlich beleuchtet. Es wird aber auch eingegangen
auf die mitunter haftungsrechtliche Frage: „Welches Schriftstück ist in
welcher Form zu übergeben?“
In einem besonderen Teil wird die Zustellung von Willenserklärungen,
vorläufigen
Zahlungsverboten
(Vorpfändungen),
Pfändungsund
Überweisungsbeschlüssen sowie Rechtsnachfolgeklauseln behandelt.
Die grenzüberschreitende Zustellung innerhalb der europäischen Union
wird zukünftig einen größeren Stellenwert einnehmen. So haben wir uns
auch diesem Thema gewidmet und die Zustellung des Gerichtsvollziehers
mit Auslandsberührung aufgenommen.
Viele Gesetze verweisen bei der Zustellung vollständig oder zumindest
teilweise auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung. Die förmliche
Bekanntgabe erlangt nicht nur Bedeutung für die Einleitung, den Fortgang
und die Beendigung eines Verfahrens, sondern ist als unabdingbare
Voraussetzung der Zwangsvollstreckung im Justizalltag ständig präsent.
Das Buch soll hiernach nicht nur Gerichtsvollzieher(bewerber), sondern
auch andere Vollstreckungsorgane, das Gericht und Rechtsanwälte über
das Zustellungsrecht informieren.
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Dieses Erstlingswerk ist zugegeben nicht ohne Zeitdruck entstanden, die
Änderungen der GVO und GVGA zum 1. August 2012 sowie die Reform
der Sachaufklärung haben uns gehörig in Schreibnot gebracht. Ideen für
zusätzliche Inhalte liegen vor. Dennoch stellt sich diese erste Handreichung
gern der Kritik der Leserschaft. Jederzeit willkommen sind Anregungen für
eine Verbesserung sowie die Mitteilung von anderslautenden Meinungen.
Sven Schultze
Obergerichtsvollzieher
Sandra Tenner
Dipl.-Rechtspflegerin (FH)
Vorwort zur 2. Auflage
Die nunmehr vorliegende 2. Auflage wurde zum einen aufgrund der
Änderungen der GVO und GVGA zum 1. September 2013 aktualisiert und
zum anderen durch die Angabe neuester Rechtsprechung wesentlich
verstärkt. Ein kleiner Kostenteil soll das Werk sinnvoll ergänzen.
Hinweise und Ideen nehmen wird auch weiterhin dankbar entgegen.
Sven Schultze
Obergerichtsvollzieher
Sandra Tenner
Dipl.-Rechtspflegerin (FH)
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Inhaltsverzeichnis
1.
1.1
1.2
2.
2.1
2.2
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
2.2.5
2.2.6
2.2.7
2.3
2.4
2.5
3.
3.1
3.2
4.
4.1
4.2
5.
5.1
5.2
6.
6.1
6.2
7.
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
8.
9.
9.1
9.2
9.2.1
9.2.2
9.3
9.4
10.
10.1
10.2
10.2.1
10.2.2
Allgemeines
Definition „Zustellung“ und weitere Begriffsbestimmungen
Zweck der Zustellung
Zustellung von Amts wegen
Zustellungsorgan
Möglichkeiten der Amtszustellung
Aushändigung an der Amtsstelle
Zustellung gegen Empfangsbekenntnis
Einschreiben mit Rückschein
Beauftragung der Post
Beauftragung eines Justizbediensteten
Beauftragung des Gerichtsvollziehers
Beauftragung einer anderen Behörde
Zustellung durch Aufgabe zur Post
Zustellung nach § 15 Absatz 2 FamFG
Zusammenfassung / Zustellungsbescheinigung
Zustellung im Parteibetrieb
Zustellungsorgane
Abgrenzung Zustellung von Amts wegen/im Parteibetrieb
Zuständigkeit
Sachliche Zuständigkeit
Örtliche Zuständigkeit
Auftrag
Form
Verhalten bei der Entgegennahme
Form der Schriftstücke
Zuzustellendes – zu übergebendes Schriftstück
Beglaubigung durch den Gerichtsvollzieher
Zustellungsarten
Persönliche Zustellung
Zustellung durch die Post
Zustellung durch Aufgabe zur Post
Wahl der Zustellungsart
Erledigungsfristen
Ort und Zeit der Zustellung
Zustellungsadressat
Bezeichnung durch den Zustellungsveranlasser
Arten der Adressaten
Natürliche Personen
Nicht natürliche Personen
Bevollmächtigte
Partei kraft Amtes
Ersatzzustellung
Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung
Begriffe der Zustellung an Ersatzempfänger
Wohnung
Geschäftsraum
7
8
9
11
11
12
12
13
15
16
16
16
17
17
19
21
25
26
29
33
33
34
37
38
39
41
41
44
47
47
49
52
53
55
57
59
59
60
60
64
67
72
73
74
76
76
77
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
10.2.3
10.2.4
10.2.5
10.2.6
10.2.7
10.3
10.4
10.5
10.6
11.
11.1
11.2
12.
13.
14.
15.
15.1
15.2
15.3
15.3.1
15.3.2
15.4
15.5
15.6
16.
16.1
16.1.1
16.2
16.3
17.
17.1
17.2
17.3
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Gemeinschaftseinrichtung
Erwachsen
Familienangehöriger, ständiger Mitbewohner
beschäftigte Person
Leiter oder ermächtigter Vertreter
Einlegen in den Briefkasten
Niederlegung
Besonderheiten Ersatzzustellung
Übersicht
Annahmeverweigerung
Annahmeverweigerungsrecht
Unberechtigte Annahmeverweigerung
Verbotene Ersatzzustellung
Heilung von Zustellungsmängeln
Öffentliche Zustellung
Besondere Zustellungen
Vorläufiges Zahlungsverbot (Vorpfändungen)
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
Zustellungen im Verfahren zur Vermögensauskunft
Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft
Eintragungsanordnung
Zustellungen in Straf- und Bußgeldsachen
Zustellung als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung
Willenserklärungen
Zustellungen mit Auslandsbezug
Eingehende Zustellungsaufträge
Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007
Ausgehende Zustellungsaufträge
Zusammenfassung
Zustellungskosten
Zustellungsgebühren
Zustellungsauslagen
Beispiele
Zustellungsurkunde (Anlage 1 ZustVV)
Innerer Umschlag (Anlage 2 ZustVV)
Äußerer Umschlag (Anlage 3 ZustVV)
Benachrichtigung (Anlage 4 ZustVV)
Zustellungsurkunde für persönliche Zustellungen
Zustellungsurkunde für persönliche Zustellungen des
Gerichtsvollziehers mit Aufforderung nach § 840 ZPO
Drittschuldnererklärung
Postübergabeurkunde
Zustellungsurkunde für die Aufgabe zur Post
Muster Bewilligung öffentliche Zustellung
Muster Aushang öffentliche Zustellung
Prüfungsschema für Klausuren
Musterklausurfall mit Lösungsskizze
78
78
79
79
80
80
83
86
87
89
89
89
91
93
95
99
99
108
121
121
126
129
135
141
147
147
148
154
154
155
155
156
157
159
161
162
163
164
165
167
168
169
170
171
172
174
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
2.
Zustellung von Amts wegen
Mit Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes (ZustRG) wurde die
Zustellung von Amts wegen als Grundsatz eingeführt, § 166 Absatz 2 ZPO.
Vorbehaltlich anderer Bestimmungen werden Dokumente (d.h. mechanisch
oder elektronisch abgefasste Texte), deren Zustellung vorgeschrieben oder
vom Gericht angeordnet ist, stets von Amts wegen zugestellt.
Die Bezeichnung „Dokument“ enthält keine Aussage darüber, in welcher
Form (Urschrift, Ausfertigung, beglaubigte Abschrift) dieses zuzustellen ist.
Die Entscheidung bleibt hier der jeweiligen materiell- oder
prozessrechtlichen Vorschrift vorbehalten. Aufgrund der enormen
Bedeutung für die Wirksamkeit der Zustellung und die mitunter
haftungsrechtlichen Konsequenzen enthält Kapitel 6 hierzu weitere
Ausführungen.
2.1
Zustellungsorgan
§ 168 ZPO
Aufgaben der Geschäftsstelle
(1) 1Die Geschäftsstelle führt die Zustellung nach §§ 173 bis 175 aus. 2Sie kann
einen nach § 33 Abs. 1 des Postgesetzes beliehenen Unternehmer (Post)
oder einen Justizbediensteten mit der Ausführung der Zustellung
beauftragen. 3Den Auftrag an die Post erteilt die Geschäftsstelle auf dem
dafür vorgesehenen Vordruck.
(2) Der Vorsitzende des Prozessgerichts oder ein von ihm bestimmtes Mitglied
können einen Gerichtsvollzieher oder eine andere Behörde mit der
Ausführung der Zustellung beauftragen, wenn eine Zustellung nach Absatz 1
keinen Erfolg verspricht.!!
In Absatz 1 Satz 1 des § 168 ZPO wird klargestellt, dass grundsätzlich die
Geschäftsstelle (Urkundsbeamte/r der Geschäftsstelle nach § 153 GVG,
abgekürzt „UdG“) für jede Art der Amtszustellung zuständig ist.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle muss
! die Zustellung auf Grund eigener Prüfung veranlassen (grundsätzlich
- auch ohne Anweisung eines Richters oder Rechtspflegers),
! die Durchführung der Zustellung und den zeitnahen Eingang des
Zustellungsnachweises überwachen und
! diesen letztendlich auch auf die Ordnungsmäßigkeit/ Vollständigkeit
sowie Plausibilität überprüfen, § 7 GAbRZwIns.
11
12
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
2.2
Möglichkeiten der Amtszustellung
Im Rahmen des § 168 Absatz 1 Satz 1 ZPO hat die Geschäftsstelle die
Wahl nach pflichtgemäßer Prüfung zwischen der Zustellung
! durch Aushändigung an der Amtsstelle (§ 173 ZPO)
oder
! gegen Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO)
oder
! durch Einschreiben gegen Rückschein (§ 175 ZPO)
Um die Auswahl durch den Urkundsbeamten zu „erleichtern“, wird
nachfolgend auch auf die jeweiligen Schwierigkeiten eingegangen.
2.2.1
Aushändigung an der Amtsstelle
§ 173 ZPO
Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle
1
Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten
Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. 2Zum
Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken,
dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das
geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu
vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht
nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. 3Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu
unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.
Die begriffliche Ausgestaltung „an der Amtsstelle“ stellt klar, dass die
Übergabe nicht nur in der Geschäftsstelle, sondern in jedem Dienstraum
des Gerichts (z.B. Verhandlungssaal), aber auch an solchen Orten erfolgen
kann, an denen gerichtliche Tätigkeiten ausgeübt wird (z.B. Anhörungen im
Krankenhaus, einer Behinderteneinrichtung oder dem Pflegeheim).
Wer händigt aus?
Satz 3 spricht wieder nur allgemein „von dem Bediensteten“. Aushändigen
kann somit der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, aber auch der von ihm
mit der Ausführung der Zustellung beauftragte Bedienstete, wie z.B. sein
Stellvertreter, ein Justizwachtmeister, ein Angestellter oder ein Richter.
Der Bedienstete muss mit der Aktenbearbeitung betraut sein.
Hierzu gehört demzufolge nicht sonstiges Behördenpersonal (z.B.
Hausmeister, Reinigungskraft etc.).
Zustellungsnachweis?
Der unterschriebene Vermerk (in der Akte) über die Aushändigung
ersetzt als Nachweis die Zustellungsurkunde. Wird die Übergabe
in das gerichtliche Protokoll aufgenommen, so ersetzt diese
höherwertige Form der Beurkundung den in dieser Vorschrift
vorgesehenen Vermerk.
Ein Empfangsbekenntnis ist nicht verlangt.
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
Inhalt des Vermerks (siehe auch § 18 GAbRZwIns):
! vollständige Name des Empfängers (die Person, der das
Schriftstück übergeben wurde) und -wenn es sich hierbei nicht
um den Zustellungsadressaten selbst handelt- zusätzlich,
! dessen Name sowie
! dass die Vollmacht vom …im Original vorgelegen hat
! Übergabedatum
! Bezeichnung und Unterschrift des Bediensteten
Die Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle an den
Zustellungsadressaten (oder an den mit Vollmacht versehenen
Vertreter) ist nur möglich, wenn diese Person annahmebereit ist.
2.2.2
!
Zustellung gegen Empfangsbekenntnis
!§ 174 ZPO
Zustellung gegen Empfangsbekenntnis
(1) Ein Schriftstück kann an einen Anwalt, einen Notar, einen
Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei
der auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit
ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine
Anstalt des öffentlichen Rechts gegen Empfangsbekenntnis zugestellt
werden.
(2) 1An die in Absatz 1 Genannten kann das Schriftstück auch durch
Telekopie zugestellt werden. 2Die Übermittlung soll mit dem Hinweis
„Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ eingeleitet werden und die
absendende
Stelle,
den
Namen
und
die
Anschrift
des
Zustellungsadressaten sowie den Namen des Justizbediensteten
erkennen lassen, der das Dokument zur Übermittlung aufgegeben hat.
(3) 1An die in Absatz 1 Genannten kann auch ein elektronisches Dokument
zugestellt werden. 2Gleiches gilt für andere Verfahrensbeteiligte, wenn sie
der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt
haben. 3Für die Übermittlung ist das Dokument mit einer elektronischen
Signatur zu versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu
schützen. 4Die Übermittlung kann auch über De-Mail-Dienste im Sinne
von § 1 des De-Mail-Gesetzes erfolgen.
(4) 1Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift des
Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht
zurückzusenden ist. 2Das Empfangsbekenntnis kann schriftlich, durch
Telekopie oder als elektronisches Dokument (§ 130a) zurückgesandt
werden. 3Wird es als elektronisches Dokument erteilt, soll es mit einer
qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen
werden.
13
14
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
Die Aufzählung der Personen in Absatz 1, an die mit Empfangsbekenntnis
zugestellt werden kann, ist nicht abschließend – eher beispielhaft. Neben
Anwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern, Behörden und Körperschaften
öffentlichen Rechts ist diese Art der Zustellung auch möglich bei einer
„sonstigen Person, bei der aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten
Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“. Es soll der gerichtlichen Praxis
und dem Ermessen der Geschäftsstelle überlassen bleiben, welche
weiteren Berufsgruppen an dieser Zustellungsform teilnehmen können.
Dies können insbesondere Personen sein, die einem sog. Standesrecht
unterliegen, z.B. Ärzte, Architekten und Sachverständige.
Dagegen ist es nicht zulässig, an Einzelpersonen allein aufgrund ihrer
persönlichen (und nicht durch ihre Berufstätigkeit ausgewiesenen)
Zuverlässigkeit gegen Empfangsbekenntnis zuzustellen.
Umgekehrt ist es auch kein Dogma bei den „berufsmäßig“ zuverlässigen
Personen. Wirkt z.B. ein Rechtsanwalt bei Rückleitung des Empfangsbekenntnisses nicht mit, so kann an ihn auch mittels Postzustellungsurkunde zugestellt werden.
Die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses hat auf Kosten des die
Zustellung annehmenden Adressaten zu erfolgen, § 174 Absatz 4 Satz 1
ZPO, § 19 Absatz 1 Satz 4 GAbRZwIns.
In den Absätzen 2 und 3 des § 174 ZPO werden die weiteren Wege der
modernen Bürokommunikation beschrieben.
Zustellungsnachweis?
Das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis
ist eine Privaturkunde, die den Beweis für die Entgegennahme und
deren Zeitpunkt erbringt, § 416 ZPO.1
Der gesetzlich eingeschränkte Personenkreis ist hier das
„Handicap“.
1
so Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. § 174 Rn.20 auch mit Nachweisen für eine andere Ansicht
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
2.2.3
Einschreiben mit Rückschein
§ 175 ZPO
Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein
1
Ein Schriftstück kann durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden.
Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein.
2
Die im Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) vorgesehene Zustellung
durch die Post mit eingeschriebenem Brief (§ 4 VwZG) ist vom Ansatz her
in das gerichtliche Zustellungsverfahren übernommen worden. Auch in
§ 183 Absatz 1 ZPO lässt sich diese Form aufgrund völkerrechtlicher
Vereinbarung finden.
Die Zustellung durch Einschreiben gegen Rückschein ist eine Unterart der
Zustellung durch Aufgabe zur Post. Sie unterscheidet sich aber durch den
Formzwang und die damit verbundenen Nachweise des Zugangs vom
einfachen Brief.
Die Zustellung ist mit Übergabe des Einschreibebriefes an den Adressaten
wirksam vollzogen. Ein „Einwurfeinschreiben“ ist jedoch nicht zulässig, da
dieses keinen Nachweis des Rückscheins vorsieht und daher für eine
förmliche Zustellung nicht in Betracht kommt.
Ist eine Übergabe an den Adressaten, seinen Ehepartner oder
Postbevollmächtigten nicht möglich, kann der Brief nach den allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG einem Ersatzempfänger
übergeben werden. Ersatzempfänger sind z.B. Familienangehörige des
Adressaten sowie eine in der Wohnung oder im Betrieb des Adressaten
anwesende Person, von der angenommen werden kann, dass sie zur
Entgegennahme berechtigt ist. Die Übergabe an den Postbevollmächtigten
oder einen Ersatzempfänger ist nicht statthaft, wenn der eingeschriebene
Brief den Vermerk „Eigenhändig“ trägt.
Zustellungsnachweis?
Der Zugang wird durch den Rückschein nachgewiesen. Der
Rückschein ist im Gegensatz zur Zustellungsurkunde keine
öffentliche Urkunde. Beweiskraft wird auch hier nur nach § 416
ZPO erlangt.
Verweigert der Adressat oder der Ersatzempfänger die Annahme
der Einschreibesendung, wird sie an den Absender als unzustellbar
zurückgeschickt.
Zudem greift das frühere Argument der geringeren Kosten angesichts der
aktuell niedrigen Preise im Segment der Postzustellung nicht mehr durch.2
2
Ein Einschreiben gegen Rückschein kostet aktuell 4,55 EUR (für Brief DIN lang bis 20g.) Die
Kosten einer Postzustellung dagegen belaufen sich (je nach Anbieter) um die 2,50 EUR.
15
16
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
Die Geschäftsstelle wägt hiernach die Erfolgsaussichten auf einen
schnellen Zustellerfolg und dessen Kosten ab und wird in der Regel auf die
weiteren Möglichkeiten des § 168 Absatz 1 Satz 2 (Post oder
Justizbediensteten) zurückgreifen.
2.2.4
Beauftragung der Post
Ist eine Zustellung nach § 168 Absatz 1 Satz 1 ZPO nicht möglich oder
nicht angebracht, kann die Geschäftsstelle
! die Post
oder
! einen Justizbediensteten mit der Zustellung beauftragen (§ 168
Absatz 1 Satz 2 ZPO).
Mit der Definition von „Post“ wird klargestellt, dass auch private
Postdienstleister als Lizenznehmer mit der Zustellung beauftragt werden
können.
Den Zustellungsauftrag an die Post erteilt die Geschäftsstelle auf einem
hierfür einheitlich vorgesehenen Vordruck, § 168 Absatz 1 Satz 3 ZPO.3
2.2.5
Beauftragung eines Justizbediensteten
Unter dem -bewusst allgemein gehaltenen- Begriff „Justizbediensteten“
zählen nicht nur Justizwachtmeister, sondern auch andere geeignete
Bedienstete des (oder eines anderen) Gerichts oder einer
Staatsanwaltschaft.
2.2.6
Beauftragung des Gerichtsvollziehers
Der Absatz 2 des § 168 ZPO verlangt zwei Voraussetzungen:
1. Die Zustellung nach Absatz 1 ist nicht möglich oder verspricht
keinen Erfolg.
und
3
2. Es liegt eine Anordnung4 des Vorsitzenden des Prozessgerichts
oder eines von ihm bestimmten Mitgliedes (d.h. jeder Richter
oder Rechtspfleger, der eine Zustellung veranlasst) vor.
nach der Verordnung zur Einführung von Vordrucken für die Zustellung im gerichtlichen Verfahren
(Zustellungsvordruckverordnung - ZustVV); siehe auch Anlagen 1 bis 3
Hierfür genügt auch eine Verfügung des Entscheiders, eine Beschlussform ist nicht erforderlich.
4
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
17
Liegen diese beiden Voraussetzungen vor, kann ein Auftrag an
! den Gerichtsvollzieher
oder
! eine andere Behörde
erfolgen. Diese werden in diesem Falle als Hilfsorgan für die Zustellung von
Amts wegen tätig.
Soweit der Gerichtsvollzieher nach § 168 Absatz 2 ZPO mit der
Ausführung der Zustellung von Amts wegen beauftragt wird, bedarf es
keines gesonderten Auftrages der Justizverwaltungsbehörde. 5
2.2.7
Beauftragung einer anderen Behörde
Als „andere Behörde“ kommt hier z.B. die Wasserschutzpolizei für die
Zustellung auf Schiffen im Bereich der Binnenschifffahrt oder die Polizei
bzw. die Gemeinde bei Wohnsitzlosen in Betracht.
Zustellungsnachweis?
Die Zustellung nach 2.2.4 bis 2.2.7 wird durch
Zustellungsurkunde nachgewiesen, §§ 182, 418 ZPO.6
2.3
die
Zustellung durch Aufgabe zur Post, § 184 ZPO
§ 184 ZPO
Zustellungsbevollmächtigter; Zustellung durch Aufgabe zur Post
(1) 1Das Gericht kann bei der Zustellung nach § 183 anordnen, dass die
Partei innerhalb einer angemessenen Frist einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, der im Inland wohnt oder dort einen
Geschäftsraum hat, falls sie nicht einen Prozessbevollmächtigten bestellt
hat. 2Wird kein Zustellungsbevollmächtigter benannt, so können spätere
Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung dadurch bewirkt werden,
dass das Schriftstück unter der Anschrift der Partei zur Post gegeben
wird.
(2) 1Das Schriftstück gilt zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt.
2
Das Gericht kann eine längere Frist bestimmen. 3In der Anordnung nach
Absatz 1 ist auf diese Rechtsfolgen hinzuweisen. 4Zum Nachweis der
Zustellung ist in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter
welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde.
Diese Vorschrift regelt die beschleunigte Zustellung im Ausland mit
Zustellungsfiktion, wenn der Zustellungsadressat (§ 177 ZPO) im Inland
weder einen Wohn- oder Geschäftssitz hat noch sich hier aufhält. Das
Gericht kann in diesem Falle zunächst mittels Beschluss anordnen, dass
5
6
kein Eintrag im Dienstregister, lediglich Mitteilung der Auslagen (Wegegeld)
vergleiche Anlage 1
18
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
die Partei einen im Inland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten
benennt.
§ 184 ZPO ist grundsätzlich in allen Verfahren der ZPO anwendbar, jedoch
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur bei Auslandszustellungen
nach § 183 Absatz 1 bis 4 ZPO7. Die Befugnis des Gerichts, dass bei
fehlender Bestellung eines Prozessbevollmächtigten die Aufforderung zur
Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten ergeht (mit der Folge, dass
bei Nichtbefolgung alle weiteren Zustellungen durch Aufgabe zur Post
bewirkt werden können) gilt nicht für Zustellungsadressaten im
Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007.8
Die Aufforderung (Anordnung im Beschlusswege) an die Partei, innerhalb
einer
angemessenen
Frist
einen
inländischen
Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, liegt im Ermessen des Gerichts und ist
zuzustellen. Dies erfolgt in der Regel zusammen mit dem
verfahrenseinleitenden
Schriftstück
(Klageoder
Antragsschrift,
Mahnbescheid), kann aber auch erst später erfolgen.9 An den hiernach
mitgeteilten Bevollmächtigten können alle Zustellungen (Amts- und
Parteibetrieb) erfolgen, § 171 ZPO.10
Unterbleibt die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten, kann im
weiteren Verfahren an die Partei durch Aufgabe zur Post (mit einfachem
Brief) zugestellt werden. Das Schriftstück gilt zwei Wochen11 nach seiner
Aufgabe zur Post als zugestellt (wird sozusagen fingiert). Das Gericht kann
in der Anordnung eine längere (jedoch keine kürzere) Frist bestimmen,
§ 184 Absatz 2 Satz 2 ZPO. Auf diese Rechtsfolge (Zustellungsfiktion zwei
Wochen nach Aufgabe zur Post) ist nicht nur in der Anordnung zwingend
hinzuweisen (§ 184 Absatz 2 Satz 3 ZPO). Auch dem zu übergebenden
Schriftstück soll nach § 20 GAbRZwIns ein entsprechendes Merkblatt
beigefügt werden.12
„Aufgegeben“ i.S.d. Vorschrift ist das Schriftstück
! mit seiner Ablieferung bei der Post im Inland13
! bei Einwurf in den Briefkasten mit dem Tag des Einwurfs14
Die Zustellung wird auch dann fingiert, wenn der Zustellungsadressat das
Schriftstück tatsächlich nicht erhalten hat.15
7
BGH, Urteil vom 02.02.2011, VIII ZR 190/10 und vom 11.05.2011, VIII ZR 114/10
siehe hierzu auch Kapitel 16.1.1
Eine Zustellung nach § 184 ZPO verbietet sich bei der Klageszustellung KG, Beschluss vom
05.03.2008 - 22 W 6/08
10
Die Zustellungsvollmacht erlischt jedoch mit der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten (§ 172
ZPO).
11
Fristberechnung nach § 222 ZPO
12
Dies ist jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung, § 20 Absatz 1 Satz 3 GAbRZwIns.
13
BGH NJW 2002, 522
14
MünchKommZPO/Häublein ZPO § 184 Rn 12; aA Zöller/Stöber ZPO § 184 Rn 8: Tag der Leerung
15
BGH Beschluss vom 22.11.1995, XII ZB 163/95; zur Wiedereinsetzung: BGH, Beschluss vom
24.07.2000, II ZB 20/99
8
9
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
Zustellungsnachweis?
Die Zustellung wird durch Aktenvermerk (§ 21 GAbRZwIns) des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nachgewiesen. Dieser hat
das Datum der Aufgabe und die Anschrift unter der das
Schriftstück zur Post gegeben wurde zu enthalten. Der
Aktenvermerk ersetzt die Zustellungsurkunde nach § 182 ZPO und kann
(zweckmäßig) auf dem zuzustellenden Schriftstück (Urschrift) angebracht
werden. Er ist vom Urkundsbeamten zu unterschreiben und hat die
Beweiskraft des § 418 ZPO.
2.4
Zustellung nach § 15 Absatz 2 FamFG
§ 15 FamFG
Bekanntgabe; formlose Mitteilung
(1) Dokumente, deren Inhalt eine Termins- oder Fristbestimmung enthält oder
den Lauf einer Frist auslöst, sind den Beteiligten bekannt zu geben.
(2) 1Die Bekanntgabe kann durch Zustellung nach den §§ 166 bis 195 der
Zivilprozessordnung oder dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück
unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird. 2Soll die
Bekanntgabe im Inland bewirkt werden, gilt das Schriftstück drei Tage nach
Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, wenn nicht der Beteiligte glaubhaft
macht, dass ihm das Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt
zugegangen ist.
(3) Ist eine Bekanntgabe nicht geboten, können Dokumente den Beteiligten
formlos mitgeteilt werden.
Als Vorschrift des allgemeinen Teils regelt § 15 FamFG die Grundsätze der
Bekanntmachung und gilt damit für alle Verfahren nach dem FamFG mit
Ausnahme der Ehesachen (§ 121 FamFG) und Familienstreitsachen (§ 112
FamFG).16
In Absatz 2 wird neben der als „zuverlässig“ geltenden förmlichen
Zustellung nach der ZPO die Möglichkeit einer Bekanntmachung durch
Aufgabe zur Post gegeben (Satz 1 2. Alternative).17
In der Praxis geschieht dies durch einen Vermerk des Urkundsbeamten in
den Akten, zu welchem Zeitpunkt und an welche Anschrift das Schriftstück
zur Post gegeben wurde. In der Regel gibt jedoch der Justizwachtmeister
die Sendung auf (d.h. er übergibt die Umschläge an den jeweiligen
Postdienstleister, so dass sich der Urkundsbeamte diese Übergabe
zusätzlich vom Justizwachtmeister bestätigen lassen muss.18
16
Hierfür sind nach § 113 I FamFG die §§ 166 ff ZPO anzuwenden.
17
Nach Keidel, Kommentar zum FamFG, 16. Aufl. 2009, § 15 Rn. 1 wurde in Anlehnung an § 8 InsO
bzw. § 184 ZPO hiermit „dem Wunsch nach einer weitgehend effizienten und bürokratischen
Bekanntgabe Rechnung“ getragen.
18
Keidel, Kommentar zum FamFG, 16. Aufl. 2009, § 15 Rn. 69; BGH Rpfleger 1966,143 / In der
Praxis wurden hierfür Formblätter entwickelt und auch bereits in den Datenverarbeitungsprogrammen eingearbeitet.
19
20
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
In diesem Zusammenhang sei kritisch angemerkt, dass diese praktische
Handhabe aus Sicht des Verfassers aufgrund nachfolgender Argumentation nicht
haltbar ist:
Die Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nicht neu. In Zivilsachen wird
als Zustellnachweis allein ein Aktenvermerk nach § 184 Absatz 2 Satz
4 ZPO durch den UdG angefertigt (siehe Kapitel 2.3). Eine derartige
Verfahrensweise ist hier nicht bekannt.
Dennoch ist die angeführte Zitierung im bezeichneten FamFGKommentar einer Kommentierung zum § 184 ZPO (Zöller, 24. Aufl.,
Rn. 9 zu § 184 ZPO) entnommen. Darin wird lediglich in einem Satz
der Gerichtswachtmeister ins Spiel gebracht, und zwar im
Zusammenhang mit der Entscheidung (Urteil) des BGH vom
29.09.1965, IV ZR 306/64. Die mehr als 4 Jahrzehnte (!)
zurückliegende Entscheidung kann nicht bedingungslos auf die heutige
Zeit übertragen werden. Damals gab der Justizwachtmeister (bei
manchen Gerichten im Rahmen des Outsourcings bereits weggefallen)
die Sendungen beim Postamt (außerhalb des Gerichtsgebäudes) auf.19
Darüber
hinaus
war
zu
diesem
Zeitpunkt
(1965)
die
Zustellungsurkunde –und der Aktenvermerk ist dieser ja gleichgestelltnoch notwendiger/konstitutiver Bestandteil der Zustellung. Heute hat
ein unrichtiger Vermerk dagegen keinen Einfluss mehr auf die
Wirksamkeit der Zustellung.
Fakt ist, dass nur solche Ereignisse beurkundet werden können, „die
sich in der Vergangenheit abgespielt haben, nicht aber solche, deren
Eintritt in die Zukunft erwartet wird...“ Aber bereits in der Weiterführung
dieses Satzes macht der BGH hier eine bedeutende Einschränkung:
„...von denen es aber im Augenblick der Anfertigung des Vermerks
keineswegs sicher ist, ob sich diese Erwartung erfüllen wird.“ Es ist
bedingungsloser Justizalltag, dass die Postfächer täglich geleert und
von dem jeweiligen Postdienstleistern (im Haus) abgeholt werden. In §
20 Absatz 2 Satz 1 GAbRZwIns wird zudem die Übergabe durch den
UdG selbst oder durch einen Justizbediensteten zur Auswahl gestellt.
Weiterhin bestimmt § 20 Absatz 1 Satz 2 GAbRZwIns, dass
sicherzustellen ist, dass die Sendung am angegebenen Tag zur Post
gegeben wird.
Auch das Formblatt an sich birgt Fallstricke. Zum einen ist schon das
Wort „Auftrag“ in der Überschrift irreführend. Der UdG kann sich im
Rahmen einer Zustellung nur dann eines Auftrages bedienen, wenn er
die Möglichkeiten des § 168 Absatz 1 Satz 2 ZPO (nach eigenem
freiem Ermessen) wählt oder die Voraussetzung des § 168 Absatz 2
ZPO vorliegen. Unstreitig ist die Sendung verschlossen zu übergeben
(so auch das Muster). Wie will aber der Justizbedienstete –
haftungsfrei- den Inhalt bestätigen („die oben genannte
Briefsendung“)? Unabdingbar muss der Aktenvermerk aber den Inhalt
der Sendung (das zu übergebende Schriftstück) bezeichnen. Sofern
sich der UdG jedoch eines Hilfsorgans bedient, muss die Sendung
verschlossen und nur mit Kürzeln versehen werden, die nicht auf den
Inhalt schließen lassen (hier insbesondere für die zu beauftragenden
Dritten), § 176 ZPO. Warum sollte hier etwas anderes gelten?
In der Bund-Länder-Besprechung über erste Praxiserfahrungen mit
dem FamFG am 20. Oktober 2009 im BMJ in Berlin wurde erklärt, dass
19
Weiterhin wird auf eine Vorschrift (§ 213 ZPO) Bezug genommen, die bereits weggefallen ist.
Daneben wurden noch inhaltliche Mängel des Vermerks –hierfür unrelevant- angeführt.
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
zur verlässlichen Bestimmung des Beginns gesetzlicher Fristen der
Zeitpunkt, zu dem die Aufgabe zur Post erfolgt ist, in der Akte und auf
dem Schriftstück festgehalten werden muss. Die angestrebte
gesetzliche Ergänzung müsse zudem regeln, dass die Geschäftsstelle
für die Anbringung des Vermerks zuständig ist. Denkbar sei die
Aufnahme einer Regelung nach dem Vorbild von § 184 Absatz 2 Satz
4 ZPO. Darüber hinaus wurde angeregt, die in § 15 Absatz 2 Satz 2
FamFG eröffnete Möglichkeit der Entkräftung der Bekanntgabefiktion
zu erweitern, indem anstelle des Begriffs „späteren“ der Begriff
„anderen“ benutzt wird.
Die Zustellungsfiktion tritt im Inland 3 Tage nach Aufgabe zur Post
ein.20 Sie ist widerlegbar nach § 15 Absatz 2 Satz 2 FamFG i.V.m. § 31
FamFG.
Zustellungsnachweis?
Bei dem Aktenvermerk handelt es sich um eine öffentliche Urkunde mit der
Beweiskraft des § 418 ZPO.21
2.5
Zusammenfassung / Zustellungsbescheinigung
Grundsätzlich hat die Amtszustellung durch
1) Aushändigung an der Amtsstelle (§ 173 ZPO)
oder
2) gegen Empfangsbekenntnis (§ 174 ZPO)
oder
3) durch Einschreiben gegen Rückschein (§ 175 ZPO)
zu erfolgen.
Ist eine Zustellung in dieser Art nicht möglich oder nicht angebracht, kann
die Geschäftsstelle
4) die Post
oder
5) einen Justizbediensteten
mit der Zustellung beauftragen (§ 168 Absatz 1 Satz 2 ZPO).
20
Nach § 16 II FamFG gilt der § 222 ZPO und damit die §§ 187, 188 BGB entsprechend. Für das
Ende der Frist greift § 222 II ZPO jedoch nicht durch, vgl. Keidel, Kommentar zum FamFG, 16. Aufl.
2009, § 15 Rn. 68 m.w.N. .
21
siehe auch ausführlich Kapitel 2.3; Der Hinweis in Keidel, Kommentar zum FamFG, 17. Aufl. 2011,
Rn. 12 zu § 87 auf den fehlenden urkundlichen Nachweis geht insoweit völlig fehl.
21
22
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
Bei der Auswahl der vorstehenden Zustellungsvarianten hat die
Geschäftsstelle grundsätzlich Ermessen. Sie hat den einfachsten und
kostengünstigsten Weg zu wählen. Dabei sind natürlich auch die
Erfolgsaussichten des Zustellungsversuchs zu berücksichtigen, aber auch
die Personalkapazitäten (z.B. bei der Zustellung durch Justizbedienstete).
Alle diese fünf Zustellungsmöglichkeiten stehen nebeneinander, die
Geschäftstelle ist bei der Prüfung an keine Reihenfolge gebunden!
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle führt die Zustellung von Amts
wegen aus.
Er kann dabei mit der Durchführung beauftragen (§ 168 Absatz 1 Satz 2
ZPO):
a) die Post
b) einen Justizbediensteten
oder auf Grund einer gerichtlichen Anordnung ausnahmsweise (§ 168
Absatz 2 ZPO)
c) einen Gerichtsvollzieher oder
d) eine sonstige Behörde
Diese werden als sog. Hilfsorgane für die Zustellung von Amts wegen tätig.
Hierbei ist folgende Vorschrift zu beachten:
§ 176 ZPO
Zustellungsauftrag
(1) Wird der Post, einem Justizbediensteten oder einem Gerichtsvollzieher ein
Zustellungsauftrag erteilt oder wird eine andere Behörde um die Ausführung
der Zustellung ersucht, übergibt die Geschäftsstelle das zuzustellende
Schriftstück in einem verschlossenen Umschlag und ein vorbereitetes
Formular einer Zustellungsurkunde.
(2) Die Ausführung der Zustellung erfolgt nach den §§ 177 bis 181.
Diese Regelung dient dem Schutz der Persönlichkeitssphäre des
Adressaten.
Es soll grundsätzlich keine Möglichkeit bestehen, aus dem Umschlag auf
den Inhalt zu schließen. Der Umschlag und der vorbereitete Vordruck einer
Zustellungsurkunde müssen den hierfür vorgesehenen Vordrucken
entsprechen.
„Anweisungen“ der Geschäftsstelle, wie z.B. die Anordnung einer
persönlichen Zustellung oder Ausschluss einer Ersatzzustellung (sog.
Vorausverfügungen auf dem Umschlag22), sind zu beachten.
22
siehe Anlage 2
Schultze/Tenner, Zustellungsrecht
Kapitel 2 Zustellung von Amts wegen
Überblick:
23