HELP-Apherese-Therapie bei Hörsturz
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HELP-Apherese-Therapie bei Hörsturz
06_kempten_repro 19.10.2006 15:11 Uhr Seite 24 H.E.L.P-Apherese-Therapie bei Hörsturz . Ein immer häufiger auftretendes Stresssymptom ist der Hörsturz, der oftmals nicht als solcher erkannt wird. Dr. med. Franz Heigl, Kardiologe und Nephrologe am Medizinischen Versorgungszentrum Kempten, beschreibt, wie Hörsturzpatienten mit einer dialyseähnlichen Blutwäsche, der so genannten H.E.L.P.-Apherese, behandelt werden können. Mehr als 300.000 Personen sind in der bald wie möglich einen HNO-Arzt aufsu- gängigen zehntägigen Infusionstherapie Dr. med. Franz Heigl studier- Bundesrepublik Deutschland nach neues- chen, um eine fachmännische Diagnostik wurde in einer Multicenter-Studie belegt, te Humanmedizin an den ten Untersuchungen jährlich von einem vorzunehmen. Nur so kann die geeignete die an vier großen deutschen Universi- Hörsturz betroffen, der in schweren Fällen Therapie eingeleitet und eine bleibende tätskliniken durchgeführt worden war. (bei ca. 15.000 Patienten) auch dauerhafte Schädigung im Ohr vermieden werden. Ganz besonders gut von der H.E.L.P.-Aphe- sten Internistischen Tages- Schädigungen verursachen kann. Beim Mit der H.E.L.P.-Apherese steht uns ein rese haben dabei die Hörsturzpatienten klinik am Klinikum Hörsturz kommen dieselben Risikofakto- neues Therapieverfahren zur Behandlung profitiert, die gleichzeitig einen überhöh- Großhadern der Universität ren zum Tragen (Stichwort: Cholesterin), des akuten Hörsturzes zur Verfügung. Die ten LDL-Cholesterin- („schlechtes Choles- München, folgte 1993 die die auch für das Auftreten von schweren Wirksamkeit dieser Therapie und die terin“) oder Fibrinogen- (Blutgerinnungs- Gefäßerkrankungen wie Herzinfarkt und Überlegenheit gegenüber der bisherigen und Entzündungsparameter) spiegel auf- Universitäten Erlangen und München. Nach dem Aufbau und der Leitung der er- Niederlassung als Kardiologe und Nephrologe sowie die Gründung einer Internis- Schlaganfall verantwortlich sind. Einer Ri- tischen Gemeinschaftspra- sikogruppe gehören außerdem alle Perso- xis mit Dr. med. R. Hettich. nen an, die vermehrt über einen längeren 2005 erfolgte die Gründung Zeitraum unter Stress stehen und sich des MVZ Kempten. überfordert fühlen. Ein einseitiges Ohrrauschen und Druckgefühl können erste Anzeichen für einen Hörsturz sein. Tritt ein solcher ein, nimmt das Hörvermögen auf dem betroffenen Ein Hörsturz kann bereits durch eine einmalige Apherese-Behandlung therapiert werden. Ohr stark ab. Bei über 80 % der Patienten tritt zusätzlich Ohrensausen auf, manchmal begleitet von einem Schwindelgefühl. Die Ursachen dieser Erkrankung können vielfältig sein. Als Gründe kommen z. B. Infektionen, Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen in Frage, insbesondere aber gefäßbedingte Probleme wie z. B. eine Rote Blutzellen 24 Durchblutungsstörung im Innenohr. Auf- © Rémi Cauzid, grund der Vielfalt der Erkrankungsursa- www.shutterstock.com chen ist es wichtig, dass Betroffene so medizin für manager Bodensee-Region 2006/07 06_kempten_repro 19.10.2006 15:11 Uhr Seite 25 wiesen. Über den Erfolg dieser Therapie war im Dezember 2002 in der bedeutenden englischen Fachzeitschrift „The Lancet“ berichtet worden. Das Therapieverfahren selbst ist nicht neu. Es wurde bereits vor 20 Jahren am Klinikum Großhadern der Universität München entwickelt und wird seither zur Behandlung von schweren Fettstoffwechselstörungen eingesetzt. Dabei werden mit einer dialyseähnlichen Blutwäsche Stoffe aus dem Blut entfernt, die dessen FließeiApherese-Behandlung genschaften stören, vor allem LDL-Choles- im MVZ Kempten terin und Fibrinogen. Die Blutwäsche, die © MVZ Kempten ambulant durchgeführt werden kann, dauert ca. zwei Stunden und wird vom Patien- Die bessere Wirksamkeit einer einmaligen H.E.L.P.-Apherese-Therapie bei Hörstür- ten sehr gut toleriert. Die Nebenwirkungs- H.E.L.P.-Apherese ist bei akutem Hörsturz zen, die länger zurückliegen, noch nicht in rate ist deutlich niedriger als bei der nur innerhalb von sieben Tagen nach Auf- einer wissenschaftlichen Studie unter- konventionellen Infusionstherapie. So treten des Hörsturzes gesichert. Nach un- sucht wurde, ist die H.E.L.P.-Behandlung wurden im MVZ Kempten bei bisher fast serer Erfahrung, die auch andere Thera- gerade bei diesen schweren und thera- 12.000 Apherese-Behandlungen keine piezentren teilen, kann die Apherese peutisch aussichtslos erscheinenden Ein- ernsthaften Nebenwirkungen oder Kom- jedoch durchaus auch bei bereits erfolg- zelfällen medizinisch durchaus sinnvoll plikationen registriert. Im Übrigen genügt los vorbehandelten Hörsturz-Patienten, und erfolgversprechend. meist eine einzige Apherese-Behandlung, bei denen das Ereignis schon mehrere Aufgrund dieser guten Erfahrungen bei der während bei der konventionellen Infu- Wochen oder gar Monate zurückliegt, zu Behandlung von anscheinend therapie- sionstherapie zehn Behandlungen, oft un- sehr guten Resultaten bis hin zur vollstän- resistenten Hörstürzen werden die am ter stationären Bedingungen, durchge- digen Wiederherstellung des Hörvermö- MVZ Kempten erhobenen Daten in Zu- führt werden müssen. gens führen. Obwohl die Wirksamkeit der sammenarbeit mit den zuweisenden HNOÄrzten und der HNO-Klinik der Universität München derzeit wissenschaftlich ausgewertet. Des Weiteren sollen vielversprechende Beobachtungen, wonach mit der H.E.L.P.-Apherese auch Patienten mit alleinigem Tinnitus (Ohrensausen, störende Ohrgeräusche) oder sogar Patienten mit Altersschwerhörigkeit geholfen werden kann, in Studien überprüft werden. Es wäre erfreulich, wenn sich mit der H.E.L.P.Apherese in Zukunft eine Behandlungsmöglichkeit für diese beiden häufigen, die Lebensqualität schwer beeinträchtigenden Innenohrerkrankungen eröffnen würde. Wie weitreichend das therapeutische Konzept einer Verbesserung der Blutfließeigenschaften und damit das Indikationsfeld der Apherese ist, zeigen die guten Erfolge bei der Behandlung diverser anderer Erkrankungen. Diese reichen vom Herzinfarkt und Schlaganfall bei zugrunde liegender Erhöhung der Blutfette über Durchblutungsstörungen der Beine (Raucherbein und diabetisches Fußsyndrom) bis hin zur altersabhängigen Makuladegeneration am Auge. Dr. med. Franz Heigl medizin für manager Bodensee-Region 2006/07 25