Al-Qaida im Herbst 2013 – Der Versuch einer

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Al-Qaida im Herbst 2013 – Der Versuch einer
I. Faktoren erweiterter Sicherheit
3. Risiken, Konflikte und neue Kriegsbilder
Hans Krech
Al-Qaida im Herbst 2013
Der Versuch einer Bestandsaufnahme
Wir leben im Zeitalter der dritten industriellen Revolution, des Übergangs ins
Informationszeitalter. Damit verbunden ist der Trend zur Globalisierung in fast allen
Lebensbereichen der Menschheit. Zu den wenigen negativen Begleiterscheinungen der
Globalisierung gehört, dass sich auch kriminelle und terroristische Gruppierungen
globalisieren, wie etwa das Sinaloa-Kartell aus Mexiko oder Al-Qaida.1
Al-Qaida ist die erste globale nicht-staatliche Terrororganisation in der Geschichte der
Menschheit und stellt deshalb für die Sicherheitskräfte auf fast allen Kontinenten eine neue
globale Herausforderung dar. Die Methoden zur Bekämpfung einer globalen Terrorgruppe
sind erst in der Entwicklung und in der Erprobung. Ein fertiges praktikables Konzept zur
Bekämpfung existiert noch nicht.2 Unser Wissen über Al-Qaida ist immer noch unvollständig
und deshalb könnte die Terrororganisation noch gefährlicher sein, als bisher angenommen.
Die Strukturreform 2006: Al-Qaida wird eine globale Terrororganisation
Zum Zeitpunkt der Anschläge von 9/11 hatte Al-Qaida höchstens 400 Kämpfer, die in der
Brigade 055 zusammengefasst wurden. Al-Qaida war ein Netzwerk mit Zellen in mehreren
Ländern, die locker kooperierten und an deren Spitze als Gründer, Führer, Stratege und
Finanzier Osama bin Laden stand. Dieses Al-Qaida existiert spätestens seit 2006 nicht mehr.
ISAF-Einsatz
Foto: Bundeswehr/Bienert 1
Vgl. Hans Krech: Die dritte industrielle Revolution, in: Die politische Meinung. Monatsschrift zu
Fragen der Zeit, St. Augustin, Nr. 282, Mai 1993, S. 56-63.
2
Die US-Dienstvorschrift FM 3-24 Counterinsurgency Field Manual greift erst ab 20 Aufständischen/
1.000 Einwohner. Diese Stärke wird von den Al-Qaida-Einheiten zumeist in ihren Operationsgebieten
nicht erreicht. Vgl. The U.S. Army & Marine Corps Counterinsurgency Field Manual: U.S. Army Field
Manual No. 3-24/ Marine Corps Warfighting Publication No. 3-33.5, Chicago and London 2007, S. xxvi.
1 2006 entwarf dann Ayman as-Zawahiri die globale Struktur der Terrororganisation. Er sah
flächendeckend für die gesamte arabische und islamische Welt die Bildung von
Regionalorganisationen vor. Auch in Europa, in Afrika und möglicherweise in Nordamerika
wurden und werden Regionalorganisationen aufgebaut. Dann begann
Al-Qaida neue Organisationen anzuwerben, die manchmal monate- oder jahrelang über ihre
Beitrittsbedingungen verhandelten. Mehrmals teilten Organisationen ihren Beitritt zu AlQaida der Weltpresse mit, während andere Organisationen geheim beitraten.
2013 gab es 14 erkannte Regionalorganisationen, in denen jeweils zahlreiche
Unterorganisationen zusammengefasst werden. Möglicherweise gibt es weitere bisher nicht
entdeckte Regionalorganisationen (im Aufbau ist etwa eine Regionalorganisation für
Zentralasien) sowie weitere Untergruppierungen.
Die erkannten 14 Regionalorganisationen lassen sich nach ihrer Aufgabenstellung
unterteilen: zwei Regionalorganisationen sind nicht selbständig, sondern werden von der
Operativen Führungsebene (bei Al-Qaida Generalkommando oder Shura genannt) direkt
geführt. Dies sind Al-Qaida in Afghanistan/ Pakistan (auch in der US-Fachliteratur als AlQaida Central bezeichnet) und Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP). Al-Qaida in
Afghanistan/ Pakistan hat den operativen Auftrag, die USA und ihre Verbündeten im
Operationsgebiet Afghanistan/Pakistan zu binden. In Afghanistan/ Pakistan liegt der
operative Schwerpunkt von Al-Qaida.3 AQAP hat den operativen Auftrag, im südlichen
Jemen einen safe haven für die Strategische und die Operative Führungsebene von Al-Qaida
vorzubereiten, falls Al-Qaida in Afghanistan/Pakistan scheitern sollte. Die restlichen zwölf
Regionalorganisationen sind weitgehend selbständig und werden seit 2009 durch
Regionalkommandeure geführt.
Anti Piraterie Mission Atalanta.
Die Deutsche Marine bekämpft
die Piraterie am Horn von Afrika
und schützt internationale Seeund Handelsrouten.
Foto: Bundeswehr/Sascha Jonack
3
Vgl. Hans Krech: Al-Qaida in Afghanistan/Pakistan, in: Der Mittler-Brief. Informationsdienst zur
Sicherheitspolitik, 1/2013.
2 Strategische Führungsebene Die Organisationsstruktur von Al-­‐Qaida 2013 Ayman as-­‐Zawahiri Nasser al-­‐Wuheishi Saif al-­‐Adel Operative Führungsebene etwa 40 Feldkommandanten davon 75 % in Afpak Mobile Medien-­‐
gruppe As-­‐Sahab Cyberwar Al-­‐Ansar Mobile Team Frauen-­‐
organisation Kinder-­‐
organisation Tuyur al-­‐
Jannah Forschungs-­‐
zellen: 1.„schmutzige radioaktive IEDs“ 2. Drohnenabwehr Armee von Al-­‐
Qaida 2 Regionalorganisationen direkt geführt und mit operativer Aufgabenstellung 1. Al-­‐Qaida in AfPak und verbündete Gruppierungen, wie z.B. die Pakistanischen Taliban TTP und Lashkar-­‐
e Tayyiba LeT, Aufgabe: Bindung US-­‐ und NATO-­‐Truppen in AfPak 2. Al-­‐Qaida auf der Arabischen Halbinsel AQAP und verbündete Gruppierungen Aufgabe: safe haven im südlichen Jemen aufbauen Regionalkommandeure führen 12 selbständige Regionalorganisationen 3. Ägyptischer Islamischer Jihad EIJ 4. Libysch-­‐Islamische Kampfgruppe LIFG 5. Al-­‐Qaida des islamischen Maghreb AQIM/ Mourabitoune 6. Boko Haram 7. Al-­‐Shabab 8. Al-­‐Qaida in der Levante 9. Islamic State of Iraq and Levant ISIL 10. Turkistan Islamic Party TIP 11. Al-­‐Qaida in Aceh/ Jemaah Islamiyah JI 12. Abu Sayyaf Group ASG 13. Al-­‐Qaida in Europa 14. Islamische Armee Großbritanniens © Hans Krech
3 Taktische Struktur
Es lassen sich vier taktische Strukturen unterscheiden:
o
Brigade: In einer Brigade kämpfen nur salafistische Kämpfer. Brigaden sind die taktische
Struktur in Gebieten, in denen Al-Qaida im konventionellen Krieg oder im Guerilla-Krieg
gegen Streitkräfte und Polizei steht.
o
Blind-cell-structure: Das ist die taktische Struktur in Gebieten mit starkem Verfolgungsdruck
durch Sicherheitskräfte, wie etwa in Riadh, London oder Hamburg. Dort operiert Al-Qaida
im Untergrund. Der Emir führt die Zellen aus einem safe house im Ausland. Die Kämpfer
kennen nur die Mitglieder ihrer eigenen Zelle. Die Zellen und der Emir kommunizieren
untereinander mit der Hilfe von Codebüchern über unverdächtige Blogs.
o
Miliz-Brigade: Das sind Brigaden für nicht-salafistische Kämpfer, die einen Sold erhalten.
In solchen Brigaden kämpfen Stammeskrieger, Jihadisten und Söldner. Das Kommando
haben zumeist erfahrene Al-Qaida-Feldkommandanten. Die Namen der Brigaden lauten
oft „Ansar al-Sharia“ und deuten nicht immer sofort auf eine Al-Qaida-Organisation hin.
o
Home grown-Zelle: für Kämpfer in westlichen Staaten, die sich selbst radikalisieren und
über das Internet ausgebildet, geführt und zu Anschlägen verleitet werden.
Es gibt fünf verschiedene Zellentypen: Kampfzellen (mit integrierten Aufklärern),
Logistikzellen, Selbstmordattentäter-Zellen (Selbstmordattentäter haben oft eine
mehrjährige Ausbildung), Forschungszellen und Schläfer-Zellen.
Es existieren auch Cyberwar-Kampfgruppen, die in Internet-Brigaden zusammengefasst sind.
Dazu liegen jedoch keine detaillierten Angaben vor.
Al-Qaida hat von allen islamistischen Terrorgruppen weltweit die beste Ausbildung. Es
werden acht Ausbildungsmodule angeboten (Jihad 101 bis Jihad 405). Die Ausbildung für
einen Gruppenführer dauert länger als ein Jahr.4 In Pakistan hat Al-Qaida 150
Ausbildungscamps. Der Schwerpunkt für die infanteristische Ausbildung liegt bei den AlShabab in Somalia.
In den Al-Qaida-Ausbildungscamps werden auch Kämpfer anderer islamistischer
Terrorgruppen ausgebildet, die nicht zu Al-Qaida gehören. Sie müssen eine
Ausbildungsgebühr von 900 € pro Kämpfer und Modul entrichten. Auch Einzelpersonen
können gegen Gebühr ein Al-Qaida-Ausbildungscamp absolvieren. Dies haben auch etwa
3.000 Briten mit pakistanischer Abstammung getan. Wer ein Al-Qaida-Ausbildungscamp
absolviert, ist noch kein Al-Qaida-Kämpfer. Erst wenn eine umfassende
4
Vgl. Haider Ali Hussein Mullick: Power by Proxy: Al-Qaida in Pakistan, in: Norman Cigar und
Stephanie E. Kramer (Ed.): Al-Qaida after ten years of war. A global perspective of successes, failures,
and prospects, Quantico/ Virginia 2012, S. 174.
4 Sicherheitsüberprüfung 5 durchgeführt wurde und der Kämpfer einen Treueeid geschworen
hat, ist er Al-Qaida-Kämpfer.
Die Öffnung von Al-Qaida
Osama bin Laden hatte Al-Qaida als eine rein salafistische Organisation gegründet. Jedoch
zeigte sich bei den Revolutionen des Arab Spring, dass Al-Qaida eine Massenbasis fehlte.
Salafisten stellen nur etwa 0,1 Prozent aller Muslime weltweit.
Nach dem Tod von Osama bin Laden öffnete sich Al-Qaida für nicht-salafistische islamistische
Terrorgruppen.
Die Strategie der Öffnung von Al-Qaida für nicht-salafistische Islamisten wurde von Saif alAdel entworfen und nach dem Tod von Osama bin Laden umgesetzt. Seitdem dürfen
schiitische und sunnitische Islamisten, Jihadisten, Söldner und Anhänger des Sufi-Islam für AlQaida kämpfen. Sie werden allerdings nicht in die Brigaden integriert, sondern in den neuen
Miliz-Brigaden zusammengefasst. Damit minimiert Al-Qaida die Gefahr des Geheimnisverrats.
Die Miliz-Brigaden sind schlechter ausgebildet und unzuverlässiger. Aber dadurch konnte die
Anzahl der Kämpfer deutlich erhöht werden.
Außerdem ist Al-Qaida damit auch eine bessere Kooperation mit der Bevölkerung in den
weltweiten Operationsgebieten möglich. Oft führte das streng salafistische Regime der AlQaida-Brigaden zu Abwehrreaktionen bei der Bevölkerung: die strenge Anwendung der
Scharia ist in Westafrika kaum durchsetzbar, das teilweise Verbot des Khat-Genusses
verhinderte eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung im südlichen Jemen (ab Mittag
kaut dort die Mehrheit der Bevölkerung Khat), das Verbot des Musikhörens wirkt in vielen
afrikanischen Operationsgebieten abschreckend, das Zerstören von Sufi-Schreinen in
Timbuktu brachte die Anhänger des Sufi-Islam gegen Al-Qaida auf.
Die jüngeren Kommandeure setzten bereits im Frühjahr 2010 auch die Gleichberechtigung
der Frauen bei Al-Qaida durch. Seitdem dürfen Frauen Kämpferin und Kommandeurin
werden. Im Irak gab es den ersten weiblichen Emir von Al-Qaida.
Deutsche EOD-Ausbilder
(Explosive Ordnance Disposal)
der EUTM Mali ( European
Training Mission in Mali )
bilden malische Soldaten an
Metalldetektoren aus.
Foto: Bundeswehr/Bier
5
Vgl. Hans Krech: Sicherungsmaßnahmen und Spionageabwehr bei Al Qaida, in: Österreichische
Militärische Zeitschrift ÖMZ, 4/2013, S. 428-433; Liam Collins: The Abbottabad Documents: Bin Ladin´s
Security Measures, in: CTC Sentinel, 5/2012, S. 1-4.
5 In mehreren Ländern ist Al-Qaida heute auch legal oder halblegal politisch aktiv, wie etwa in
Libyen, Tunesien, im Jemen und im Sudan. Im Sudan wurde Anfang 2013 durch Al-Qaida im
Sudan an der Universität Khartum die erste Studenten-Organisation von Al-Qaida
gegründet.6 Bei Meinungsumfragen im Frühjahr 2012 in Palästina, Ägypten und in
Indonesien äußerten 25 Prozent der Befragten Sympathien für Al-Qaida. Auch unpolitische
und nicht-islamistische Bürger arabischer und islamischer Staaten haben eine zunehmend
positive Sicht auf Al-Qaida.7
Drei Staatstypen
Bei Al-Qaida gibt es drei Staatstypen: das Emirat, den Islamischen Staat und das Kalifat. Seit
dem Tod von Osama bin Laden versucht Al-Qaida zusammenhängende Gebiete zu erobern
und zu verteidigen, in denen Emirate gegründet wurden und werden. Sie sollen die
Keimzellen des Kalifats werden, dessen Gründung laut der Al-Qaida-Strategie für 2016
vorgesehen ist. Ausrufungen von Emiraten gab es in Somalia, im südlichen Jemen, in Mali
und in Syrien.
Cyberwar
Seit 2009 stellt Al-Qaida seine erste Cyberwar-Kampfeinheit auf, die den Namen Al-Ansar
Mobile Team trägt. Ab 2013 hat Al-Qaida der NATO den Cyberwar als Operationsart
angekündigt. Im Internet kursieren auf islamistischen Websites Gerüchte über einen
bevorstehenden Cyberwar-Angriff auf die USA unter dem Decknamen „Manhattan Raid II“.
Die Entwicklung der dafür notwendigen Programme erfolgt vermutlich getarnt an
Rechenzentren von Universitäten, Verwaltungen, Forschungseinrichtungen oder Betrieben,
zu denen Al-Qaida-Kämpfer Zugang haben. Es könnte sich um Studenten oder Mitarbeiter
dieser Einrichtungen handeln. Vermutlich gibt es mehrere Gruppen in verschiedenen
Ländern, die für die Al-Qaida-Cyberwar-Einheit die Programme entwickeln. Dies könnte auch
in Staaten der EU der Fall sein.
Das Streben nach Massenvernichtungswaffen
Al-Qaida versucht seit etwa 1993 in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu kommen.
Damals wurde eine Zelle Massenvernichtungswaffen aufgestellt, die in Russland und den
GUS-Staaten vergeblich versuchte, in den Besitz von Atomwaffen zu kommen.
Daraufhin wurde in den letzten Jahren – möglicherweise im Rahmen der Strukturreform von
2006 – die Zentrale Forschungszelle „Schmutzige radioaktive IEDs“ gegründet, die direkt an
der Operativen Führungsebene angelagert ist. Hier liegt der Schwerpunkt der militärischen
Forschung von Al-Qaida.
Seitdem versucht Al-Qaida in allen Operationsgebieten in den Besitz von nuklearen Abfällen
zu kommen, die von Forschungsreaktoren, Atomkraftwerken oder medizinischen
Einrichtungen stammen können. Diese nuklearen Restmaterialien sollen in mehreren
„schmutzigen radioaktiven IEDs“ in Shopping Malls, Flughafen-Terminals, U-Bahnsystemen in
den USA oder in NATO-Staaten während der Hauptverkehrszeit zur Explosion gebracht
werden, um möglichst viele Zivilisten radioaktiv zu vergiften.
Am 18. Mai 2010 fand in den USA die geheime Stabsübung COOPEX 2010 unter Leitung des
damaligen Anti-Terrorberaters im Weißen Haus, John Brennan, statt. Es wurde ein
zeitgleicher Anschlag von Al-Qaida mit zwei „schmutzigen radioaktiven IEDs“ auf zwei US 6
7
Vgl. Uthmann Mirghani: Al-Qa´idah emerges anew in Sudan, in: Asharq al-Awsat, 16.1.2013.
Vgl. Seth G. Jones: Think again: Al Qaeda, in: Foreign policy, 193/2012, S. 49.
6 Großstädte simuliert. Jede der IEDs enthielt 17 kg radioaktives Material.8 Seitdem haben die
USA damit begonnen an allen Außengrenzen ein umfassendes System zur Überprüfung
sämtlicher Post und Fracht, die in das Land kommen, aufzubauen. Jeder Brief, jedes Päckchen
und jeder Container werden mit Sensoren auf alle denkbaren radioaktiven Materialen hin
überprüft und im Verdachtsfall manuell ausgepackt.
Eine zweite Bedrohung im Bereich Massenvernichtungswaffen besteht durch AQAP. Die
Regionalorganisation für die Arabische Halbinsel hat als einzige Regionalorganisation eine
Forschungszelle, an die eine Zelle für Anschläge in den USA angegliedert ist. Diese Zelle wird
von einem US-Bürger oder einem Briten geleitet. Die Forschungszelle und die Zelle für
Anschläge in den USA sind in der Struktur von AQAP an die Shura, den Führungsrat,
angegliedert.
Die Forschungszelle wird von Ibrahim Hassan al-Asiri geleitet, dem kreativsten Bombenbauer
von Al-Qaida. Der frühere Chemiestudent aus Riadh hat eine große Forschungszelle
aufgebaut, in der er auch den Bombenbauer-Nachwuchs ausbildet. Diese Zelle ist im
südlichen Jemen versteckt. Al-Asiri hat sich darauf spezialisiert Bomben zu entwickeln, mit
denen die Sicherheitsmaßnahmen der USA unterlaufen werden können, wie etwa
Unterhosen-Bomben, Paket-Bomben für Frachtflugzeuge oder Bomben, die einem
Selbstmordattentäter implantiert werden.
Der Forschungsschwerpunkt liegt jedoch auf der Entwicklung von IEDs mit dem Gift Ricin,
also Biologischen Waffen. Auf den Märkten der arabischen Halbinsel hat AQAP in den
letzten Jahren umfassend Ricin aufkaufen lassen. Dies fiel den Nachrichtendiensten SaudiArabiens und des Jemen auf. Das Anschlagsziel sind Ballungsräume in westlichen Staaten,
insbesondere in den USA, wie etwa Shopping Malls, Flughafen-Terminals oder UBahnsysteme. Auch hier ist mit zeitgleichen Doppelanschlägen zu rechnen.
Erstmals überhaupt veröffentlichte Al-Qaida in dem Online-Magazin „Inspire“ eine
Anschlagswarnung für Anschläge mit Ricin am 2. Mai 2012, dem ersten Todestag von Osama
bin Laden. Es handelt sich um eine Fatwa von Sheikh Anwar al-Awlaki, die den Einsatz von
Massenvernichtungswaffen gegen die Zivilbevölkerung von Staaten erlaubt, die gegen AlQaida kämpfen: „The use of poisons or chemical and biological weapons against population
centers is allowed and is strongly recommended due to its great effect on the enemy.”9
Fazit
Al-Qaida ist die erste globale nicht-staatliche Terrororganisation in der Geschichte der
Menschheit, damit stellt die Terrororganisation eine neue globale Herausforderung für die
NATO dar.
Nach der Tötung von Osama bin Laden am 2. Mai 2011 in Abbottabad veränderte die neue
Al-Qaida-Führung ihre Strategie und entwickelte sich von einer rein salafistischen
Organisation zu einer globalen Terrorgruppe weiter, die auch versucht, nicht-salafistische
Terrorgruppen zu integrieren. Dazu wurde eine neue taktische Organisationsform
eingeführt, die Miliz-Brigaden.
Seit 2011 sind zahlreiche Terrorgruppen Al-Qaida beigetreten, wie etwa die Boko Haram in
Nigeria. Zahlreiche Al-Qaida-Organisationen wurden neu aufgestellt, wie etwa Al-Qaida auf
8
Vgl. Bob Woodward: Obama´s Wars, New York/ London/ Toronto/ Sydney 2010, S. 363.
Anwar al-Awlaki: Targeting the populations of countries that are at war with the muslims, in:
Inspire, 8/2012, S. 46.
9
7 der Halbinsel Sinai, die Bewegung für Einheit und Heiligen Krieg in Westafrika MUJAO,
Ansar Dine, Ansar al-Sharia (Tunesien) und die Al-Nusra Front. Al-Qaida konnte vermutlich
bis zu 20.000 neue Kämpfer rekrutieren und versucht im Sahel, in Somalia, im südlichen
Jemen und in Syrien zusammenhängende Herrschaftsgebiete zu erobern und zu verteidigen,
aus denen das geplante Kalifat entstehen soll. Durch die Plünderung großer Waffenlager in
Libyen, Mali, Syrien und im südlichen Jemen hat Al-Qaida erstmals in seiner Geschichte
Waffen und Munition für eine mehrjährige konventionelle Kriegführung. Die Finanzlage von
Al-Qaida ist gut.
Al-Qaida hat noch nicht den Zenit seines Wachstums erreicht. Nach den Prognosen einer
Studie für den US-Kongress wird Al-Qaida möglicherweise noch fünfzehn bis zwanzig Jahre
existieren.10
Autor
Dr. Hans Krech, Jahrgang 1956, Hauptmann d. R., Studium der Geschichte an der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg, seit 1.1. 2001 Geschäftsführer Wissenschaftliches Forum
für Internationale Sicherheit e.V. (WIFIS) an der Führungsakademie der Bundeswehr in
Hamburg; er bildet seit 2002 Soldaten für den ISAF-Einsatz in Afghanistan aus.
Derzeit Arbeit an einem Handbuch über Al-Qaida.
Literatur
Norman Cigar und Stephanie E. Kramer (Ed.): Al-Qaida after ten years of war. A global
perspective of successes, failures, and prospects, Quantico/ Virginia, 2012.
Liam Collins: The Abbottabad Documents: Bin Ladin´s Security Measures, in: CTC Sentinel, 5/2012, S. 1-4.
Hans Krech: Al-Qaida in Afghanistan/Pakistan, in: Der Mittler-Brief. Informationsdienst zur
Sicherheitspolitik, 1/2013.
Hans Krech: Al Qaeda in Autumn 2011: Facts and Figures, in: Orient. German Journal for Politics,
Economics and Culture of the Middle East, IV/2011, S. 6-12. (Themenheft: Ten Years After 9/11).
Hans Krech: Sicherungsmaßnahmen und Spionageabwehr bei Al Qaida, in: Österreichische
Militärische Zeitschrift ÖMZ, 4/2013, S. 428-433.
Bruce Riedel: The search for Al Qaeda, Washington D.C., 2008.
Hinweise
www.ctc.usma.edu/publications/sentinel
www.deutsches-orient-institut.de/
www.Hans-Krech.de
10
Vgl. Brian Michael Jenkins: Al Qaeda in its Third Decade: Irreversible Decline or Imminent Victory?,
Santa Monica/ Calif.: RAND Corporation, 2012, S. 16.
8 Anhang: Organisationsstruktur von Al Qaida
Strategische Führungsebene Ayman as-­‐Zawahiri Nasser al-­‐Wuheishi Saif al-­‐Adel Die Organisationsstruktur von Al-­‐Qaida 2013 Operative Führungsebene etwa 40 Feldkommandanten davon 75 % in Afpak Mobile Medien-­‐
gruppe As-­‐Sahab Cyberwar Al-­‐Ansar Mobile Team Frauen-­‐
organisation Kinderor-­‐
ganisation Tuyur al-­‐
Jannah Forschungs-­‐
zellen: 1.„schmutzige radioaktive IEDs“ 2. Drohnenabwehr
Armee von Al-­‐Qaida 2 Regionalorganisationen direkt geführt und mit operativer Aufgabenstellung 1. Al-­‐Qaida in AfPak und verbündete Gruppierungen, wie z.B. die Pakistanischen Taliban TTP und Lashkar-­‐e Tayyiba LeT, Aufgabe: Bindung US-­‐ und NATO-­‐
Truppen in AfPak 2. Al-­‐Qaida auf der Arabischen Halbinsel AQAP und verbündete Gruppierungen Aufgabe: safe haven im südlichen Jemen aufbauen Regionalkommandeure führen 12 selbständige Regionalorganisationen 3. Ägyptischer Islamischer Jihad EIJ 4. Libysch-­‐Islamische Kampfgruppe LIFG 5. Al-­‐Qaida des islamischen Maghreb AQIM/ Mourabitoune 6. Boko Haram 7. Al-­‐Shabab 8. Al-­‐Qaida in der Levante 9. Islamic State of Iraq and Levant ISIL 10. Turkistan Islamic Party TIP 11. Al-­‐Qaida in Aceh/ Jemaah Islamiyah JI 13. Al-­‐Qaida in Europa 12. Abu Sayyaf Group ASG 14. Islamische Armee Großbritanniens © Hans Krech
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