Geschichte der paritätischen Kirche Oberhelfenschwil

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Geschichte der paritätischen Kirche Oberhelfenschwil
Katholische Kirchgemeinde
Oberhelfenschwil
Evangelische Kirchgemeinde
Unteres Neckertal
Geschichte der paritätischen
Kirche Oberhelfenschwil
zusammengestellt anlässlich
der Sanierung 2007
Hansruedi Rutz
Paritätische Kirche Oberhelfenschwil • Chronik 2007 / 2013
Kirchengeschichte Oberhelfenschwil
Vorwort
Mit der Renovation der Kirche im Jahr 2007 wurde ein neues Kapitel in der langen Geschichte des
Gotteshauses geschrieben. Neue Erkenntnisse, die bei den Sanierungsarbeiten bestätigt, wurden sowie generell der Wunsch, die Geschichte aus verschiedenen Quellen neu zusammenzutragen und
in einer heutigen Form zu präsentieren, führten zu diesem Beitrag. Er stützt sich hauptsächlich auf
vier relativ fundierte Quellen. Die älteste ist die Chronik von F. Rothenbühler, Pfarrer, aus dem Jahre
1887. Eine weitere Kirchengeschichte ist von B. Bühler, dem damaligen evangelischen Lehrer von
Oberhelfenschwil anlässlich der Renovation von 1938 zusammengestellt worden. Sie erschien in den
Toggenburgerblättern für Heimatkunde. Als nächstes hat J. Kalousek, Lehrer an der gemeindeübergreifenden Sekundarschule Necker 1982 eine Geschichte der Kirche verfasst. Diese ist ein Kapitel in der
umfangreichen Chronik, welche anlässlich des 1100 Jahr Jubiläums der Gemeinde Oberhelfenschwil
1982 veröffentlicht wurde. Die dritte Zusammenstellung hauptsächlich archäologischer Erkenntnisse
verfasste der St. Galler Kantonsarchäologe M. Schindler nachdem mit dendrochronologischen
Untersuchungen (Analyse der Jahrringe) während der jüngsten Sanierung neue Erkenntnisse über
das Alter des bestehenden Balkenwerks der ältesten Kirchenteile aus Holz gewonnen werden konnten. Er publiziert diese Kirchengeschichte aus archäologischer Sicht im Toggenburger Jahrbuch 2010.
Spezielle Angaben oder abweichende Ansichten werden entsprechend mit den Buchstaben R,B,K,S gekennzeichnet.
Älteste Bauteile
Die ältesten Reste der Kirche lassen auf einen einfachen Rechtecksaal schliessen, wie man ihn im
Toggenburg häufig antrifft, traditionellerweise mit dem Chor fast genau nach Osten. Die Innenmasse
betrugen vermutlich etwa 6 x 11 m und entsprechen damit der ältesten Kapelle in Magdenau. Diese
Reste lassen sich nicht genau datieren, Vermutungen gehen zurück auf das 12. oder 11. Jahrhundert,
aber möglicherweise sogar noch vor die Jahrtausendwende. Diese Kirche wurde wahrscheinlich
im 13. Jahrhundert um 5 m nach Westen verlängert und mit einem kleinen Vorbau versehen. Aus
dieser Zeit stammt der deutlich sichtbare Bollenstein-Mauerteil mit dem bemalten, romanischen
Rundbogenfensterchen an der Nordwand.
Spätestens 1423 wurde der viergeschossige Kirchturm etwa in der Mitte des Schiffs angefügt. Das
Eichenholz für die Bodenbalken wurde in den Jahren 1419 bis 1422 geschlagen, wie durch die
Dendrochronologie der entsprechenden Hölzer festgestellt werden konnteS. Der Turm war nie ein
freistehender Wachtturm, wie man früher vermutet hatte. Es wurden auch keinerlei Schiesscharten
gefunden. Doch mit starken Bohlen, welche in tiefe Schlitze in den Gewänden des Turmzugangs
eingesetzt wurden, konnte der als Sakristei genutzte unterste Raum vor leichten Zugriffen geschützt
werden. Die oberen Geschosse des Turms wurden vom Kirchenschiff her mit einer Leiter betreten, durch eine Öffnung, die später zu der heutigen Dionysiusnische ausgebildet wurde. Im dritten
Obergeschoss öffnete sich gegen Süden (Talseite) ein einziges Schallfenster. Hier hing vermutlich die
kleine Glocke ohne Jahreszahl und der Inschrift «+ SANCKDVS + DYONISIVS»S.
Der Turm steht weiter westlich als üblich. Deshalb wurde der ebenerdige Zugang auch schräg in die
Südostecke geführt, um möglichst nahe dem Chor zu sein; Grund dafür war die Topografie. Der Turm
steht an der höchsten Stelle des Geländes. Bei einem Standort weiter östlich hätte man ihn für dieselbe Wirkung mindestens ein halbes Geschoss höher bauen müssenS.
Schriftliche Zeugnisse aus der frühen Kirchengeschichte gibt es kaum. Die älteste Erwähnung von
(Ober-) Helfenschwil (helfoltiswilare) stammt von 882, eine Lehensurkunde, aus welcher nicht hervorgeht, ob damals schon eine Kapelle bestanden hat oder nicht. Die erste gesicherte Urkunde
zur Kirche stammt aus dem Jahre 1326, mit der dem Leutpriester Heinrich Abgaben aus der Vogtei
Schwanden zugestanden wurden. Heinrich war ein unehelicher Sohn des 1315 verstorbenen Grafen
Friedrich von Toggenburg, dem die Pfarrei Oberhelfenschwil als Pfründe übermacht worden war. Weil
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er wegen seiner unehelichen Geburt eigentlich gar nicht berechtigt war, das Amt eines Leutpriesters
auszuüben, erhielt er nach über zehnjähriger Tätigkeit in Oberhelfenschwil im Jahre 1327 eine päpstliche Dispens, musste aber seine Pfarrei verlassen.
Der spätgotische Neubau
Rund dreissig Jahre nach dem Turmbau wurde die Kirche fast ganz neu gebaut, mit Ausnahme des
vorerwähnten Mauerteils und einiger Fundamente. Die Länge entsprach dem bisherigen Bau zusammen mit dem Eingangsvorbau, die Breite betrug neu aber 8 anstelle von früher 6 Meter. Wichtigstes
Element war jedoch der Bau des noch heute bestimmenden, spätgotischen 3/8 Chors, dessen Mauern
rund 1 m höher gezogen wurden als die des Schiffs. Chor und Schiff fanden jedoch unter dem gleichen Dach Platz. Die Datierung des Dachstuhls, der über dem Chor noch original erhalten ist, verweisen auf ein Baujahr kurz nach 1450. Aus der gleichen Epoche stammen auch die Malerei in den
Chorspickeln und das Christophorusbild aussen an der Südwand. Durch das höhere Kirchendach
musste der Turm neu an die Kirche angebunden werden, das bisherige Schallfenster diente nun als
Zugang zum Dachgeschoss.
Der First des neuen Dachs reichte jetzt bis fast an die Traufe des Turms. Dieser musste deshalb erhöht werden. Genaue Baudaten dazu gibt es nicht. Sicher führte man aber die Arbeiten in den folgenden Jahrzehnten aus, denn ein neues Geläut für den Turm zeigt die Jahrzahlen 1500, 1501 und
1504. Die grösste Glocke wurde übrigens mit Geldern aus dem Zürcher Glückshafenrodel, einer frühen Lotterie, finanziert. Der Spender Uli Strasser vermachte seinen Gewinn «der nüwen Gloggen zu
Helffenschwil» zu Ehren «unserer Frowen, sant Dionysi und sant Jacobi», womit deutlich war wem
die Altäre in der Kirche geweiht waren, also Maria der Hauptaltar und den heiligen Dionys und Jakob
die SeitenaltäreB.
Zu der Zeit herrschte im Toggenburg ein relativer Wohlstand, Vieh und Käse wurde in ausgedehnten Handelsbeziehungen gegen Korn und andere Güter des Tieflands getauscht. Doch auch in der
Gemeinde selbst wurde noch Getreide angebaut, hauptsächlich Dinkel (Kernen). Von ihrer Teilnahme
an Feldzügen brachten junge Leute nicht nur Geld, sondern auch Wissen über die weite Welt mit
nach Hause, was mit zu einem höheren Selbstbewusstsein beitrug. Damals kam das Regime der
Grafen von Toggenburg zum Ende. Nach dem Tod des letzten Grafen versammelten sich die Landleute
des Toggenburgs 1436 zur ersten Landsgemeinde und gingen ein Landrecht – ein Schutz- und
Beistandsbündnis - mit den eidgenössischen Kantonen Glarus und Schwyz ein. Die neuen Gebieter
des Toggenburgs, die Herren von Raron, mussten dieses Landrecht bestätigen. 1468 verkaufte
Petermann von Raron das Toggenburg an die Fürstabtei St. Gallen. So kamen erstmals alle Rechte
und Güter unter eine Herrschaft, denn schon vorher hatte St. Gallen mit den Klöstern und vielen
Lehen Besitzungen in der Region gehabt. Der Fürstabt von St. Gallen herrschte nun als Monarch
über die Grafschaft und liess sich durch einen Landvogt vertreten. Trotzdem blieb das Toggenburg
verbündet mit Glarus und Schwyz und nahm an deren Seite an Kriegen wie Burgunder- (1476) und
Schwabenkrieg (1499) teil.
Reformierte und Katholiken
1528 schloss sich der grösste Teil der Oberhelfenschwiler Bevölkerung wie fast das gesamte obere
Toggenburg ab Wattwil der Reformation an. Sicher war es nicht die Faszination der neuen Lehre,
welche ausschlaggebend war, sondern eher die politische Nähe zu Zürich. Vor allem geschah die
Zuwendung zum evangelischen Glauben aber aus Opposition zum wenig geliebten Fürstabt von St.
Gallen, analog der Entwicklung in Appenzell Ausserrhoden. Schliesslich war man mit dem Landrecht
ja kurz davor gewesen, als Kanton Toggenburg selbstständiger Teil der Eidgenossenschaft zu werden.
Die Evangelischen beanspruchten die Kirche vorerst für sich, im Pfarrhaus wohnte der evangelische Pfarrer, welcher auch die reformierten Kirchbürger von Ganterschwil und Brunnadern betreute.
Doch schon 1534 mussten sie das Gotteshaus wieder mit der andern Konfession teilen. Der Fürstabt
von St. Gallen besass bis 1718 die Kollatur, das heisst das Recht der Besetzung geistlicher Ämter beider
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Konfessionen. Er konnte kraft seines Amtes auch in vielen geistlichen Dingen bestimmen. So wurden
die Reformierten per Mandat von 1552 und 1559 gezwungen, die katholischen Feiertage auch in ihren
Gottesdiensten von der Kanzel zu verkünden. Aus Gründen des sozialen Friedens liess der Abt den
Gemeinden aber eine relativ grosse Mitsprache offen. In den Jahrhunderten nach der Reformation
gab es jedoch – wie in der ganzen heutigen Schweiz – sehr häufig Differenzen und Streitereien
zwischen den beiden Glaubensrichtungen. Anlass waren auf der einen Seite vielfach Prozessionen.
Dieser Ausdruck barocker katholischer Volksfrömmigkeit wurde von den nüchternen, äusserlichen
Ritualen und Prunk abgeneigten Reformierten als Provokation empfunden. Als von den Autoritäten
verlangt wurde, auch bei evangelischen Leichengängen dem Sarg ein Kreuz voranzutragen und es auf
das Grab zu stecken, wurden diese Friedhofkreuze – auch die der Katholiken – nachts heimlich wieder zerstört oder absichtlich so schlecht gefügt, dass sie nach kurzer Zeit zerfielen. Andrerseits ärgerte die Katholiken das Psalmensingen der Evangelischen. Die 1662 vom Abt befohlene Neubestuhlung
der Kirche wurde so hergestellt, dass die Katholiken nicht knien konnten und musste nachträglich
geändert werden.
Um 1600 zählte die reformierte Kirchgemeinde, zu der auch Brunnadern gehörte, 116 stimmfähige
Männer, 1620 die katholische deren 53. Seit dem 17. Jahrhundert hatten die beiden Konfessionen auch
je eine eigene Schule, die vom reformierten Pfarrer und dem katholischen Messmer gehalten wurden. Um den Katholizismus zu stärken, durften die Protestanten erst ab fünftem Verwandtschaftsgrad
heiraten, die Katholiken bereits ab dem dritten. Dispens gab es nur bei Konversion oder zu fast unerschwinglichen Gebühren. Die Oberhelfenschwiler Katholiken wurden vom Priester aus Ganterschwil
betreut, später von Mogelsberg. Erst 1635 hat Oberhelfenschwil wieder einen eigenen Priester. Für
eine kleine Gemeinde war es einfach zu teuer, aus den Zehnten einen Pfarrer zu unterhalten. Wohl
zu jener Zeit wurde in der Ecke zwischen Chor und Turm eine vom Chor her zugängliche Sakristei
angebaut, welche vermutlich den Katholiken diente.
Über die teilweise sehr angespannte
Stimmung zwischen Katholiken und
Reformierten gibt eine Bemerkung
von Rothenbühler Auskunft. Als der
Chor 1782 ausgebessert werden sollte, wehrten sich die Protestanten gegen diese Sanierung, insbesondere
aber gegen irgendwelche Gemälde.
Der katholische Pfarrer wurde vom
Offizialat (bischöfliche Behörde) angewiesen, die angefangenen Arbeiten
ohne Rücksicht auf Einsprachen fortzuführen. Unbewusst dieser anmassenden Machtdemonstration wurde
im gleichen Schreiben angemerkt:
«Wenn wir nachgeben, müssen wir
endlich Sklaven der Protestanten
werden; sie brüsten sich immer mit
Friedensliebe und stören doch den
Frieden allezeit.»
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Erweiterung von 1834
Vermutlich fast vierhundert Jahre lang wurde die Kirche Oberhelfenschwil baulich kaum verändert. Obwohl verschiedene Quellen gefunden wurden über steuerliche Belastungen der Kirchbürger
und Aufteilungen zwischen den Konfessionen, war nirgends vermerkt worden, dass eine grössere
Renovation oder Umgestaltung vorgenommen worden wäre. Es ist daher auch naheliegend, dass
die Kirche mit der Zeit baufällig wurde. Die französische Revolution und die napoleonischen Kriege
hatten Europa in einem grossen Mass verändert und verwüstet, ganz neue politische Strukturen
und ein gewandeltes Bewusstsein geschaffen. Der wirtschaftliche Aufschwung kam aber nur sehr
zögerlich voran und drückend war immer noch die Not der Kriegsjahre nachzuspüren. Doch die
Helfenschwiler entschieden sich trotzdem, ein neues Gotteshaus zu bauen. Am 14. Januar 1834 unterschrieb Meister Johannes Eppenberger von Necker einen Baukontrakt, demzufolge der neue
Bau der Kirche bis August des gleichen Jahres fertig zu sein hätte. Er erhielt dafür 200 Gulden und
ein Trinkgeld. Das Graben der Fundamente und die Transporte wurden von den Kirchgenossen im
Frondienst ausgeführt. Das Bauholz – vermutlich aus dem Kirchwald – war schon im Spätjahr 1833
geschlagen wordenS.
Mit dem Umbau wurde die Kirche innen um 4.50 m länger, die Mauern rund 1 m höher. Es wurden
sechs grosse, helle Fenster «nach Mogelsberger Vorbild» eingebaut, eine Empore und eine neue
Gipsdecke im Schiff sowie ein neues Portal mit schmalem Vordach. Den erneuerten Dachstuhl über
dem Schiff, der an den bestehenden Stuhl des Chors angeschlossen wurde, deckte man mit neuen Ziegeln. Weil der aktuelle Dachstuhl mit einer Neigung von 39° flacher gebaut wurde als der
alte mit 44°, lag der First trotz Erhöhung der Mauern schliesslich doch auf der gleichen Höhe. Der
Dachstuhl zeigt zwei Joche mit doppelten Hängesäulen, welche den mittigen Oberzug längs über
dem Schiff tragen, an dem die Deckenbalken befestigt sind. Darunter bekam die Kirche eine mit
klassizistischen Motiven geschmückte Stuckdecke. Der Chor soll auch unvorteilhaft verändert worden
sein. Vermutlich wurden damals die gotischen Fenster zugemauert. Im Baujahr wurden zwei neue
Seitenaltäre erstellt und 1841 ein neuer Hauptaltar errichtet.
Die alte Sakristei, welche sich mit gebrochenen Winkeln zwischen Chor und Turm schmiegte, wurde
durch einen rechtwinkligen, zweigeschossigen Gebäudeteil ersetzt. Anscheinend ein Jahr vor der
Erweiterung hatte man bereits den neuen Glockenstuhl angefertigt. Er zeigt die gleichen konstruktiven Merkmale wie der Dachstuhl sowie die Datierung 1833 in römischen Zahlen. Der Turm wurde
aber bald zu der neuen längeren und grosszügigeren Kirche als unproportioniert empfunden. Die
politische Gemeinde erhöhte ihn – ohne die Kirchgemeinden zu fragenK – in den Jahren 1866 um
18 Fuss oder 5.50 Meter und stattete ihn mit einem neuen Helm mit Blechdach aus. So erhielt er
die Form, die wir heute noch kennen. Eine neue Kirchenuhr wurde 1894 eingebaut. Die Katholiken
bauten 1854 ein neues Pfarrhaus mit einem Kostenvoranschlag von Fr. 10‘000.-. Das evangelische
Pfarrhaus wurde 1865 für Fr. 27‘000.- neu gebaut.
Bilder und Orgeln
Heute bilden die grosszügigen Fresken an der Südwand einen augenfälligen Aspekt für den
Gesamteindruck der Kirche. Doch auch an der Nordwand und im Chorgewölbe finden wir Malereien.
Die älteste Ausschmückung ist sicher die rote, ornamentale Malerei an der trichterförmigen Leibung
des romanischen Fensterchens im ältesten Teil der Nordwand. Gleich darüber finden wir eine
Kreuztragungsszene, die stilistisch zu den grossflächigen Malereien an der Südwand gehört. Die
Datierung dieser Fresken, welche eine Darstellung der Passionsgeschichte zeigt, gibt einige Rätsel
auf, je nachdem man sie aus kunsthistorischer oder kirchengeschichtlicher Perspektive betrachtet.
Unterschiedliche Gutachten datieren sie vom Stil her übereinstimmend in die zweite Hälfte des 16. oder
in das frühe 17. Jahrhundert, also ausgerechnet als die evangelische Konfession in Oberhelfenschwil
dominierend war. Es ist schwer vorstellbar, dass die Reformierten jener Zeit kommentarlos erlaubt
haben, ihre Kirche so grosszügig mit eindeutig katholisch geprägten Fresken ausschmücken zu lassen.
Eine Bemalung in der Zeit zwischen 1534 und 1635, als es keinen katholischen Pfarrer gab, wäre bei der
Simultannutzung sicher so bemerkenswert gewesen, dass man darüber irgendwelche Notizen hätte
finden sollenB. Eine festgestellte Übermalung der spätgotischen Heiligenfiguren an der Chordecke
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deutet eher auf die für Neugläubige typische Ablehnungen von bildlichen Darstellungen. Andere
Autoren halten es allerdings für durchaus denkbar, dass im Rahmen der Gegenreformation – ab
1534 - der Abt als Landesherr und damit geistliches Oberhaupt auch für die Reformierten, eine solche
Bemalung durchgesetzt haben könnte. Bei der Vergrösserung der Kirche von 1834 wurden die neuen
Fenster ohne viel Rücksicht auf die Malereien eingefügt und diese damals sicherlich bereits stark verwitterten Fresken – sofern sie noch offen sichtbar waren - übertüncht. Dem Stil des Umbaus und der
Zeit entsprechend ist zu erwarten, dass das Innere des Kirchenschiffs damals schlicht weiss gestaltet
war, um hell und offen zu wirken. Doch während die verschiedenen Schichten der Malereien im Chor
anlässlich der Restaurierung von 1973 sehr gut dokumentiert wurden, fehlen bei den Wandfresken
Angaben über Anzahl und Art der überdeckenden Schichten.
Der Chor mit seinen zusammenlaufenden Sandsteinrippen und den drei gotischen Spitzfenstern war
mindestens seit der Erweiterung etwas wie ein eigenständiger Teil der Kirche. Die Chorspickel waren vermutlich kurz nach dem Bau mit den sechs heute wieder sichtbaren Heiligenfiguren, den
vier Evangelisten, St. Dionys und einem weiteren Bischof sowie farbigen Flächen in rot und einem
dunklen Grau bemalt worden. Vermutlich in der Reformationszeit war diese Malerei durch einen
hellen Kalkanstrich mit nicht mehr erkennbarer Verzierung überdeckt worden. Später wurden die
Spickel neu verputzt, wobei die Pickelhiebe zur Verankerung der neuen Putzschicht den Bildern
arg zusetzten. Dieser Verputz wurde mit einer Rokoko-Malerei verziert, welche an Motive erinnert,
wie sie in der Toggenburger Bauernmalerei bis heute reichlich verwendet wurden. Sie entstanden
um 1782, denn aus diesem Jahr sind Differenzen zwischen Reformierten und Katholiken über die
Malereien im Chor dokumentiert. Aus der gleichen Zeit sollen auch die Rocaillen der Umrahmung
um die Dionysos-Nische stammen. Über den Rokoko-Motiven fand man eine weitere Schicht mit
Schablonenmalerei, wie sie im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert häufig verwendet
wurde und welche zu der spätgotischen Gestaltung des Kircheninneren passte.
In der Folge der Kirchenerweiterung wurde 1836 auch eine Orgel angeschafft und vor der Brüstung
der Empore platziert. Doch schon im Jahre 1874 versagte sie ihre Dienste und es musste eine neue
Orgel bestellt werden zum Preis von Fr. 3‘100.–, bezahlt zu 2/3 von den evangelischen, 1/3 von den katholischen Kirchbürgern. Doch auch dieses Werk musste nach weiteren dreissig Jahren 1906 schon
wieder durch ein neues Instrument ersetzt werden, das bloss Fr. 5‘000.– kostete. Der Orgelbauer
Merklin aus Rorschach kam aber später um eine zusätzliche «Gratifikation» ein, weil er zu billig offeriert habe. Immer noch hing die Orgel als bedrohlicher Kubus der bis an die Decke reichte über den
Kirchenbänken und verdeckte fast einen Drittel der Breite der Empore. Bei der Kirchenrenovation
von 1938 wurde diese Orgel umgebaut, verstärkt und neu auf der Empore platziert, auf die ganze
Breite der Rückwand verteilt mit den Hauptpfeifen in imposanter Pyramidenform als Mittelstück.
Empore mit Orgel vor 1938
Revidierte Orgel und neue Empore mit unten angebrachten Ausblasöffnungen Heizung nach 1938
Zum letzten Mal wurde die Orgel 1973 ersetzt, durch das aktuelle Instrument, zusammengefasst als
Block in der Mitte der Empore.
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Veränderungen bis 1972
Über die gut hundert Jahre zwischen 1834 und 1938 müssen wir uns als einzige Quelle auf die Chronik
von Rothenfluh stützen. Um 1876 wurde ein grösserer Eingriff unternommen mit der Umgestaltung
des Chors und Erstellung von drei neuen Altären. Es war die Zeit, als die Industrialisierung mit bedeutenden Textilunternehmen im Toggenburg richtig Fuss gefasst hatte, die Toggenburgerbahn bis
Ebnat-Kappel eröffnet wurde (1870), die beiden grossen Kirchen von Bazenheid (1879) und Bütschwil
(1885) entstanden und später der Ricken- und Wasserfluhtunnel durchgebrochen wurden. Ob aber
schon damals der Innenraum in der Art gestaltet wurde, wie er bis 1938 oder zum Teil bis 1972 sich
präsentierte oder ob nach der Jahrhundertwende nochmals Eingriffe, insbesondere schmückende
Ausmalungen vorgenommen wurden, ist nicht dokumentiert. Der Gedanke stellt sich durch den
Bau der neuen Orgel 1906 und der Deckung des Kirchendachs mit Eternit im Jahre 1908. Jedenfalls
wurde das Innere der Helfenschwiler Kirche im neugotischen Stil einschneidend umgestaltet. Bilder
vor der erneuten Renovation von 1938 zeigen einen etwas überladenen Kirchenraum der eindeutig katholisch wirkt. Ein dunkles Brüstungstäfer verkleidet im ganzen Schiff die Sockelzone. Vor allem die Chorwand mit den beiden Seitenaltären mit grossflächigen, mehrfach gerahmten Bildern
und filigranen Altaraufsätzen, mit bemaltem Chorbogen und einem dunklen Bilderfries mit den
Kreuzwegszenen unter der Decke ist dominant. Der Taufstein aus geschliffener Nagelfluh betont die
Mitte vor dem den Chorraum ausfüllenden Hochaltar.
Chorwand vor 1938
Chorwand nach der Sanierung 1938
Aus dieser Zeit stammt auch eine über der Rokoko-Malerei 1782 angebrachte Schablonenmalerei in
den Spickeln der Chorbögen. Die gefundenen baulichen Zeugnisse scheinen allerdings teilweise der
Chronik von Rothenfluh zu widersprechen, der sagt: «Durch Sammlung in und ausser der Gemeinde
gelang dem kath. Pfarrer eine gründliche, stylgerechte Erneuerung des Chors, indem die zugemauerten gothischen Spitzbogen herausgebrochen, die 4–5 Tüncheschichten von den Wänden abgelöst und
die dabei zutage gekommenen Wandgemälde … neu hergestellt wurden.» Einerseits ist klar, dass nur
1½ der drei Fenster wiederhergestellt worden sind, nur das eine Fenster der Südseite und die obere
Hälfte des Fensters hinter dem Altar. Das Fenster in der Schrägwand und generell die Fenster in der
heutigen Art wurden erst 1973 neu gestaltet. Andrerseits waren die Chorspickel bis zur Renovation
von 1973 mit der bereits erwähnten Schablonenmalerei geschmückt, die stilistisch zu der neugotischen Gestaltung der Zeit passte. Mit den erwähnten Bildern, die aufgefunden und wiederhergestellt
wurden, sind fast sicher nicht die Fresken in den Chorspickeln gemeint sondern die Bilder an der
Südwand.
Im Jahr 1938 unternahm man die nächste umfassende Kirchensanierung. Der Kostenvoranschlag
für die Arbeiten betrug 42‘500.– Franken. Der Boden wurde vollständig entfernt, wobei man im
Aushub auch umfangreiche archäologische Untersuchungen machte und so erstmals die Reste
der früheren Kirchenbauten feststellte. Die ganze Innenausstattung mit seitlichem Brüstungstäfer
und Kirchenbänken wurde erneuert. Die Empore wurde tiefergelegt, damit die Orgel neu an der
Rückwand Platz finden würde. Eine Holz-Warmluftheizung wurde eingebaut, welche beheizte Luft
durch Ausblasöffnungen unter der Empore im Schiff verteilte. Der Chor blieb allerdings unbeheizt.
Die Chorwand wurde nun viel einfacher gestaltet. Die beiden Seitenaltäre mit ihren grossen, spitzbo-
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gigen Bildern blieben, aber zusätzliche Rahmen wurden überstrichen so wie auch alle Malereien am
und um den Chorbogen. Die Kreuzwegbilder wurden von der Chorwand entfernt und in zwei Blöcke
an der linken und rechten Seitenwand zusammengefasst. Auch die Fresken an den Wänden wurden
gründlich untersucht. Die grossen Malereien an der Südwand überdeckte man wieder, weil man sie
für zu abgewittert befand. Ein kleineres Bild hoch an der Nordwand, das eine Kreuztragungsszene
zeigt, wurde dagegen als restaurierungswürdig betrachtet. Dem Verständnis jener Zeit entsprechend
wurde es aber sehr stark «wiederhergestellt», so dass es deutlich lesbar wurde und bis heute weiterhin ist. Aus der jetzigen denkmalpflegerischen Sichtweise heraus hat das Bild allerdings durch die
Rekonstruktion einen Teil seiner kunsthistorischen Bedeutung verloren. Die Kirche wirkte nun, durch
die stark geklärte Chorwand, vor allem aber auch durch die tiefergelegte Empore und die neu platzierte Orgel, wieder heller und luftiger, aber immer noch eindeutig katholisch.
Die Glocken
1949 erhielt die Kirche ein neues Geläut. Die fast 450-jährigen Glocken wurden ersetzt durch vier
neue aus der Glockengiesserei Rüetschi in Aarau. Die kleinste, älteste und undatierte Glocke, die
vermutlich nach dem Turmbau von 1423 angeschafft worden war, kam ins Türmchen der Schule
Wasserfluh. Die nächstgrössere, mit Bildern der Muttergottes und St. Dyonis geschmückt, stammt
aus dem Jahre 1501. Sie sollte eigentlich nach neuem Werkvertrag zurückgenommen und eingeschmolzen werden. Die Reformierten kauften sie aber und vermachten sie zur Erinnerung an den
aus dem Toggenburg stammenden Zwingli der Basler Mission. So läutet die Glocke nun in Kumbo,
im Hochland der Nordwestprovinz von Kamerun. Die zweitgrösste, welche klanglich die beste war,
beanspruchte die katholische Gemeinde, die sie in einer Kapelle im Necker einbauen wollte. Sie trägt
ein Bild des Welterlösers und nebst der Jahrzahl 1500 die Umschrift: «O Maria, Du Gotteszell, behüte,
was ich überschell.» Lange blieb sie einfach vor der Kirche aufgestellt, bis sie 2014 in einem kleinen
Glockentürmchen im Kirchenpärklein, dem ehemaligen Friedhof, eine neue Bleibe findet. Die grösste
Glocke aus dem Jahr 1504 wurde an die reformierte Kirchgemeinde Wittenbach verkauft.
Die neuen Glocken wurden mit Pferdefuhrwerken feierlich in Bütschwil von der Bahn abgeholt, im
Wigetshof mit pathetischen Ansprachen in der Gemeinde begrüsst, mit grossem Festzug ins Dorf geleitet und schliesslich mithilfe aller Schulkinder an ihren Ort im Glockenstuhl gezogen. Sie sind auf
die Töne d, f, g und b gestimmt. Die grösste Christusglocke mit 1751 kg trägt die Inschriften «Gloria in
excelsis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis. Lc. II. 14.» « Ehre sei Gott in der Höhe und
Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.» Die zweite ist 1040 kg schwer und Maria
gewidmet mit den Inschriften «Ave Maria, gratia plena. Lc. I. 28.» «Gegrüsst seist Du, Maria voll der
Gnade.» Die dritte Glocke ist dem Kirchenpatron geweiht mit den Inschriften «St. Dionysi, ora pro
nobis.» «Hl. Dionysius, bitt für uns!» und hat ein Gewicht von 740 kg. Die kleinste schliesslich ist
die Johannesglocke. Sie trägt das Bildnis des Täufers und die Texte «Ecce quam bonum et quam jucundum, habitare fratres in unum. Ps. CXXXII. 1.» «Seht nur, wie lieblich es ist und wie schön, wenn
Brüder einträchtig zusammenwohnen!» und wiegt 403 kg. Der lateinische Text ist jeweils unten auf
dem Mantel, der deutsche oben an der Krone platziert. Die Glocken sind mit Relieffiguren gemäss
ihrer Widmung geziert, die Figuren der Muttergottes und des heiligen Dionys wurden, entsprechend
vergrössert, von den alten Glocken übernommen. Die grösste Glocke trägt ausserdem das damals
kurz vorher neu kreierte Wappen von Oberhelfenschwil.
Sanierung von 1973
Zwar gab das gotische Gewölbe über dem Chor der Kirche von Oberhelfenschwil einen speziellen
Charakter, doch mit seiner graubraunen Ausmalung der Gewölbespickel und der übrigen Ausgestaltung
der Kirche galt sie als kunstgeschichtlich wenig ergiebig. So ähnlich äusserte sich der damalige kantonale Denkmalpfleger J. Grünenfelder über die Kirche Oberhelfenschwil. Mit der Sanierung von
1973 unter der Leitung des bekannten Restaurations-Architekten Schmid aus Rapperswil wurde die
Gestaltung der Kirche weitgehend beruhigt und erhielt zum grössten Teil jenes Gesicht, das sie auch
heute noch zeigt. Die unbefriedigende Warmluftheizung von 1938 wurde damals ausgebaut und durch
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eine elektrische Heizung ersetzt, einerseits durch Heizspiralen unter den Bänken, aber auch durch
eine elektrische Bodenheizung unter den Platten im Chor – die allerdings bald schon wieder versagte
- sowie Heizelementen in den Fensternischen. Der dunkelrote Klinkerboden, der sich vom Eingang
bis in den Chor zog wurde ersetzt, im Chor und Vorchor mit den Treppenstufen durch Sandstein und
in den übrigen Bereichen durch handgemachte Tonplatten. Unter den Bänken wurde der Holzboden
erneuert. Die Innenausstattung wurde ebenfalls saniert, das Brüstungstäfer definitiv entfernt, die
ganze Empore von allen Verkleidungen und Zusätzen befreit. Durch die Ausbildung der Brüstung als
statisches Tragelement konnte auf die beiden stützenden Holzsäulen verzichtet werden. Die Orgel
wurde ein weiteres Mal ersetzt und neu in einen Block im Zentrum der Empore zusammengefasst.
Auch die Kirchenbänke wurden neu erstellt. Die entscheidensten Veränderungen wurden aber im
Vorchor und Chor vorgenommen. Die Chorwand an sich war nun ganz weiss und ohne Verzierungen.
Die schöne Kanzel aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde von ihrem Ort hoch an der
Nordwand demontiert und anstelle des linken Seitenaltars vorne an der Chorwand platziert. Ein
in Stuck ausgeführtes Christusmonogramm markiert den Ort, wo sie gehangen hat. Der Taufstein
wurde aus der Mitte nach rechts gerückt. Zusammen mit einer schönen alten Figur des gekreuzigten
Christus an einem schlichten Kreuz und der Osterkerze markiert dies quasi die katholische Seite, gegenüber der linken evangelischen, wo die Verkündigung des Wortes im Zentrum steht.
Aufgrund der liturgischen Reformen nach dem zweiten vatikanischen Konzil von 1962–65 wurde nun
der Altar ins Zentrum des Chors gesetzt, ein schlichter gemauerter Kubus mit Sandsteinabdeckung,
damit der Priester die Messe dem Volk zugewendet zelebrieren konnte. Dadurch wurde die östliche
Chorrückwand frei.
Die drei gotischen Fenster wurden nun mit entsprechendem Masswerk definitiv wiederhergestellt
und durch den renommierten Glasmaler Edi Renggli aus Luzern mit neuen Bildern geschmückt. Im
Osten, in der Kirchenachse sehen wir das Christus-Fenster. Es zieht die Kirchenbesucher gewissermassen nach vorne in das Gegenüber von dem was in der Mitte der Kirche ist: Jesus Christus. Seine
Bedeutung wird schon dadurch hervorgehoben, dass seine Gestalt vier Felder einnimmt. Jesus, von
Maria geboren und von Johannes dem Täufer als Erlöser der Welt bezeugt, zeigt der untere Teil des
Fensters. Das Südostfenster stellt die Zeichen der Kirche dar: Die Sammlung in der Tischgemeinschaft
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mit Jesus im Abendmahl auf dem unteren Feld, die Taube des heiligen Geistes, der seine Kirche
beflügelt zu mutigen Taten in der Mitte und oben die Aussendung der Apostel zu Zeugen Christi
in der ganzen Welt. Im Südfenster schliesslich wird mit Darstellungen aus der Kirchengeschichte
die Ökumene angesprochen und der Parität beider Konfessionen Rechnung getragen. In der Mitte
das Zweite Vatikanum, wo der Papst mit seiner Hand auf das Wort Gottes verweist. Darunter der
Reformator Zwingli in Zürich, auch er mit der Hand auf der Bibel als Grundlage des Glaubens. Das
oberste Feld weist in die Zukunft. Christus, der Erlöser wird das letzte Wort haben, er ist Anfang und
Vollendung, Alpha und Omega.
Sehr viel Mühe gab man sich mit den Wandmalereien. Durch aufwendige Restaurierungsarbeiten wurde
die Geschichte der Chorausmalung deutlich mit ihren so unterschiedlichen Bildauffassungen. Die ursprünglichen Bilder waren in einem so guten Zustand, dass man mit einigem Restaurierungsaufwand
wieder einen sehr schönen und zum Stil passenden Gesamteindruck des Chors erreichte. Den
grossflächigen Passionszyklus an der Südwand fand man allerdings in einem schlechteren Zustand.
Lesbar sind vor allem das architektonische Gerüst, die Rahmung der Fresken. Von den Bildern selbst
ist nur noch das Abendmahl sowie Christus vor den Hohepriestern und Pilatus einigermassen zu erkennen. Trotz den starken Beeinträchtigungen des Bilderzyklus auch durch die 1833 ausgebrochenen
Fenster entschied man sich für die offene Erhaltung der Bilder, so wie später bei der Sanierung 2007.
Sie geben als Ganzes doch einen deutlichen Eindruck der spätmittelalterlichen Kirche.
Die zweigeschossige Sakristei von 1834 glich man als eingeschossigen Anbau, allerdings ohne gebrochene Ecke, der alten Form wieder an. Vom Erdgeschoss des Turmes wurde ein Durchgang in die
angebaute Sakristei erstellt. Der ganze Aussenputz wurde abgeschlagen und neu aufgebracht, das
Westportal mit dem ganzen Vorzeichen (Eingangsvorbau) neu gestaltet mit einem halben Walmdach
über der Sandstein-Treppenanlage. Ein Schutzdächlein über dem Südeingang dagegen wurde entfernt. Früher war dort die Sonnenuhr angebracht gewesen, von der 1938 noch Reste beidseits des
Dächleins gefunden wurden. Diese Sonnenuhr wird 1672 erstmals erwähnt, als daran Ausbesserungen
vorgenommen wurden. Wahrscheinlich ist die Sonnenuhr bei der Erweiterung von 1834 an ihren
heutigen Platz zwischen den hinteren Südfenstern versetzt worden. Das Kirchendach wurde mit alten Biberschwanzziegeln neu gedeckt. Die Turmuhr stattete man mit einem neuen Werk aus, auch
die Steuerung für das Geläute wurde ersetzt. Das Turmdach bekam einen Schindelbeschlag. Die
Gesamtkosten der Sanierung betrugen 962‘000.– Franken. Allerdings begannen die Schindeln des
Turmdaches sich schon gut fünfzehn Jahre später zu lösen, nicht weil sie faul waren, sondern weil
sich unter der dampfdichten Dachpappeunterlage Kondenswasser gebildet hatte, wodurch die Nägel
verrosteten. 1990 wurde der Helm neu geschindelt.
Jahrtausendwende
Die Sanierung von 1973 fand eine sehr grosse Zustimmung. Die Kirche war zu einem neuzeitlichen
Gotteshaus geworden, das den jahrhundertealten Konflikten zwischen den Konfessionen ein sichtbares Ende zu setzen schien. Gleichzeitig wurde nun der Kirchenraum zu einem Gesamtwerk, das die
Geschichte der Kirche in sehr harmonischer Form aufzeigt. Die deutlich sichtbare Bollensteinwand
mit dem romanischen Fensterchen als Erinnerung an die älteste Kirche, der Chor als Zeuge des spätmittelalterlichen Gotteshauses, welches einige Jahrzehnte später mit den eindrücklichen Fresken
ausgeschmückt wurde, die grossen Fenster und die Biedermeier-Gipsdecke als Zeichen aus einer
Zeit als sich die alte Eidgenossenschaft zum Bundesstaat wandelte und schliesslich die schlichte, den
beiden Konfessionen so sehr entsprechende Gestaltung der Chorwand und die neuen Glasbilder als
Zeichen einer modernen Zeit, wo das Gemeinsame stärker betont werden sollte als das Trennende.
In den folgenden Jahrzehnten traten Verschmutzungen an Wänden und Decken, schwärzlichgraue
Schatten vor allem in den Ecken der Bauteile, immer störender in Erscheinung. Grund waren allgemeine Staubablagerungen an Wänden und Decken, Staub der durch die rasche Aufheizung mit
elektrischen Heizkörpern unter den Bänken aufgewirbelt wurde und an den kalten kondensfeuchten
Bauteilen haften blieb, zum Teil auch Kerzenruss. Ausserdem zeigten sich starke Ausblühungen mit
Farb- und Putzablösungen im Sockelbereich der Wände. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts erarbeitete eine paritätische Baukommission mit massgeblicher Beteiligung des Architekturbüros Suter
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Paritätische Kirche Oberhelfenschwil • Chronik 2007 / 2013
Nüesch St. Gallen ein Sanierungskonzept, das bei einem Kostenvoranschlag von 1.5 Mio. Franken
eine ziemlich umfassende Sanierung vorsah. So waren auch starke Eingriffe in die Gestaltung im
Gespräch, beispielsweise eine Rückversetzung der Kanzel an die Seitenwand, eine Tieferlegung des
Chorbodens und eine Öffnung der Emporentreppe und Eingangszone.
Das Projekt dieser Renovation wurde sowohl von der evangelischen als auch der katholischen
Kirchenbürgerschaft deutlich abgelehnt. Nach einer Abstimmung ist es immer schwierig, die genauen Gründe für eine Ablehnung zu bezeichnen. Sicher war es nicht ein einzelner Grund an und
für sich, welcher den Ausschlag gab. Unbestritten war, dass der Kirchenraum nach einer Sanierung
verlangte, doch diese sollte in einem bescheidenen Rahmen gehalten werden. Im Wesentlichen erwartete man eine Auffrischung des Zustandes von 1973, weitergehende Erneuerungen wurden eher
abgelehnt. Primär war sicher die Kostenfrage. 1.5 Mio. Franken auszugeben für die «Auffrischung»
der Kirche wurde als übertrieben angesehen. Dabei war das Sanierungsprojekt möglicherweise zu
wenig eingehend kommuniziert worden mit all den Implikationen, welche die Kosten verursachen.
Die Bevölkerung befürchtete, mit ihren Anliegen nicht ernst genommen worden zu sein und bei
einem nicht definitiv bestimmten Konzept zusagen zu müssen, bei dem am Ende der Architekt mit
der Baukommission über wesentliche Details bestimmt: ob die Kanzel an ihrem neuen Ort bleibe
oder wie der Chor gestaltet werde. Eine weitere Unsicherheit war die Frage der Heizung. Hier stand
die Variante Holzschnitzel-Fernheizung ab der neuen Anlage der Schulgemeinde einer in Erstellung
und Betrieb günstigeren, verbesserten Elektro-Bankheizung gegenüber. Deren Nachteile waren
die staubaufwirbelnde, raschen Aufheizung und ein geringerer Komfort neben der fragwürdigen
Umweltbilanz.
Sanierung 2007
Für die Baukommission, die viel Energie in das Sanierungsprojekt gesteckt hatte, war der negative
Entscheid frustrierend und es herrschte vorerst keine grosse Lust, das Vorhaben kurzfristig erneut
aufzurollen. Dass die Frage der Sanierung mit der Ablehnung der Vorlage von 2002 aber nicht gelöst
war, war allen Beteiligten klar. So beriefen die katholischen und evangelischen Kirchbehörden im
Juni 2004 eine neue Baukommission ein. In den folgenden zwei Jahren wurde ein Sanierungskonzept
erarbeitet, das zwar doch erhebliche Eingriffe vorsah, aber ohne dadurch die alte Bausubstanz im
grösseren Rahmen anzutasten noch den allgemeinen Charakter der umgestalteten Kirche von 1973 zu
ändern. Im zweiten Halbjahr 2007 wurde diese Renovation zügig durchgeführt, so dass Weihnachten
2007 wieder im erneuerten Gotteshaus gefeiert werden konnten. Die Kosten dieser Renovation beliefen sich auf knapp über 1 Mio. Franken. Eine ausführliche Darstellung der Erneuerung findet sich
in der Sanierungschronik 2007.
Gerade weil sich der Charakter wenig verändert, die Kirche aber wieder ihre helle, frische Ausstrahlung
zurückerhalten hatte, wurde die Sanierung mit grosser Freude aufgenommen. Die neue liturgische
Ausstattung, vor allem der bewegliche Altar/Abendmahltisch und der stilistisch passende Ambo aus
eloxiertem Aluminium, gestaltet von Roman Menzi aus Ebnat-Kappel, geben der renovierten Kirche
einen frischen, neuzeitlichen Ausdruck, ohne die übrigen Teile zu dominieren. Sie markieren aber
doch ganz klar Präsenz und Mitte, erneut in paritätischer Art. Der Messtisch, der Altar bleibt das
Zentrum des Geschehens, neben der zunehmenden Wichtigkeit des verkündeten Evangeliums ausgedrückt durch den Ambo. Trotzdem kann der Abendmahltisch auch einmal mehr nach vorne oder
sogar zur Seite gestellt werden. Neben der Nutzung für den Gottesdienst ist die Kirche ein wichtiger
Raum in der Gemeinde, mit ihrer klaren, tragenden Akustik gerade auch für Konzerte sehr gefragt. So
bleibt die Kirche im wahrsten Sinn im Dorf, bleibt eindrückliches Zentrum der Gemeinschaft.
im Herbst 2013 Hansruedi Rutz
Paritätische Kirche Oberhelfenschwil • Chronik 2007 / 2013
Wichtigste Quellen
Rothenflue F., Pfarrer: Urkundliche Geschichte sämtlicher kath. & evang. Kirchgemeinden der Landschaft
Toggenburg, 14. Kapitel Oberhelfentswil (Helfoteswilare), Seiten 151 – 162, Toggenburger Chronik 1887
Bühler B., evang. Lehrer: Die Kirche von Oberhelfenschwil, Geschichtliche Abhandlung anlässlich der
Sanierung von 1938 ; Separatdruck aus Toggenburgerblätter für Heimatkunde 1939
Unbekannt: Die alten und neuen Glocken von Oberhelfenschwil, Toggenburger Chronik 1950/51
Kalousek Johann, Sekundarlehrer: Oberhelfenschwil 882 – 1982, Dorfchronik anlässlich der 1100 Jahrfeier,
Die Kirche, Seite 66 – 70, Hrsg. Politische Gemeinde Oberhelfenschwil 1982
Schindler Martin, Kantonsarchäologe: Ein Turm macht Baugeschichte, Toggenburger Jahrbuch 2010,
Toggenburger Verlag
Cremer Ulrich, evang. Pfarrer: Erklärungen zu den 1973 neu gestalteten Chorfenstern, Separatdruck 2010
Schematische Darstellung der Bauphasen der Kirche
Schnitt durch die Längsachse der Kirche, Blick nach Norden
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Paritätische Kirche Oberhelfenschwil • Chronik 2007 / 2013
Anmerkungen: - 1450 wurde fast die ganze Kirche mit dem Chor neu gebaut.
- Die Sakristei erhielt 1834 ihren heutigen rechtwinkligen Grundriss, sie wurde 1973 von
2 auf 1 Stockwerk reduziert, gleichzeitig ein Durchgang vom Turm in die Sakristei geschaffen.
- Die Kirche ist fast genau Ost-West ausgerichtet mit einer Abweichung von wenigen
Grad nach NO.

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