Rezension zum Film „Spice World“

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Rezension zum Film „Spice World“
Rezension zum Film „Spice World“
Victoria, Melanie I, Melanie II, Emma und Geri – das waren die Spice Girls.
Oder eben Posh Spice, Scary Spice, Baby Spice, Sporty Spice und Ginger
Spice. Und die Schicke, die Unheimliche, die Kindliche, die Sportliche und die
Fuchsige haben in den Neunzigern nicht nur wirklich soliden Pop gemacht,
sondern auch einen ganz miesen Film aufgenommen. „Spice World“ heisst
das Werk, auf das die ganze Welt gewartet hat und für das wohl die Bibel
umgeschrieben werden muss. Die Produzenten waren nur in einem Fall gnädig: Nach 88 Minuten ist der Spuk vorbei. Dennoch: Der Film hinterlässt Schäden. Ärzte vermuten nun, dass sich das Nordkoreanische Fussballteam diesen
Film vor dem Spiel gegen Portugal zu Gemüte geführt hat – das Resultat ist
allen bekannt. Ein wirklich fieser Höhepunkt des Kapitalismus, der schon fast
die Frage nach einer Reanimation Lenins berechtigt. Ekelhaft! Verschiedenste
Menschenrechtsorganisationen (was ein langes Wort) dürften – nein: müssten
– inzwischen auf den Plan getreten sein.
Worum geht’s? Der Film zeigt eine Woche im Schaffen der Spice Girls. Es versucht möglichst realistisch darzustellen, wie ihr Alltag definitiv nicht war. Gewürzt – besser: verwürzt – mit ganz vielen brillanten Jokes. Beispiel gefällig? Die
Spice Girls stehen vor Gericht, der Richter verliest das Urteil: „Schlechte Single
bla bla bla zu wenig Basslauf bla bla bla ich verurteile euch dazu, dass euer
nächstes Stück in den Charts nur auf Platz 169 kommt und in der Folgewoche
schon wieder rausfliegt.“ Für was braucht die Welt noch Komiker, wenn sie mit
diesem Film gesegnet ist? Was haben eigentlich Elton John, Hugh Larie alias
Dr. House, Elvis Costello, Meat Loaf und Roger Moore gemeinsam? Sie alle
spielen in diesem Wahnsinnsfilm mit! Sie bürgen quasi für die Qualität des
Films. Okay, auch Elton John und Elvis Costello hatten schlechte Songs und
auch Roger Moore hatte schlechte Filme – nämlich diese James-Bond-Dinger!
Hihi haha hehe... Anderes Thema...
Zur Handlung: Wir befinden uns geschichtlich kurz vor dem ersten Live-Auftritt
der Spice-Girls, historisch gesehen neben der Alpenüberschreitung Napole-
ons, dem Fall der Berliner Mauer und dem EM-Triumph der Deutschen Nationalmannschaft in England 1996 sicherlich ein, was sage ich: DER Höhepunkt.
Der Terminplan der Spice Girls ist voll wie de Windeln eines Zweijährigen nach
dem Verzehr von einem Kilogramm Babybrei. Eigentlich wollten sie ja ihre
gemeinsame Freundin Nicola bei der Geburt begleiten – aber das können sie
sich mal schön in die Tonne kloppen. „Ihr habt kein Leben, ihr habt einen Terminkalender.“ Wahre Worte! Dass später in einem Club Nicolas Fruchtblase
platzt, dürfte in dieser Rezension eigentlich gar keine Erwähnung finden. Hoch
sollen sie leben, die Drehbuchautoren – dafür kurz! Lirumlarum, es gibt in diesem Film natürlich noch einen Bösewicht, einen ganz bösen Journalisten, der
nur ganz Böses über die ganz Lieben schreibt. So schickt er beispielsweise Aliens vorbei (brillante Verkleidung, beinahe echt!) und lässt sie mit den Spice
Girls knipsen und veröffentlicht die Story. Wie gemein! Ach ja: Natürlich kommen sie dann fast zu spät zu ihrem ersten Live-Auftritt, weil – natürlich 2 – der
Busfahrer nicht auffindbar ist und – natürlich 3 – Posh Spice den Bus lenken
muss (alleine die miesen Fahrkünste von Victoria hätten David B. von einer
Hochzeit abhalten sollen. Er hat sie trotzdem geheiratet und wir alle wissen,
was das heisst: Dann muss sie brutal gut im Bett sein!) und sich irgendwo im
Bus – natürlich 4 – eine Bombe befindet. An dieser Stelle sei den Drehbuchautoren nochmals herzlich gedankt.
Das Verhalten der Spice Girls erinnert in diesem Film an das juveniler Küken,
wenn die Mutter mit Essen nach Hause kommt: Aufgeregtes, planloses Herumschwirren – so fehlt dem Film der rote Faden, umso roter hätten dafür die Zahlen sein müssen – aber nein, der Film spülte rund 30 Millionen US Dollars in die
Kassen.
Was lehrt uns der Film? Melanie C. kann gut singen, Victoria sieht gut aus und
die restlichen Spice Girls sind austauschbar wie die Innenverteidigung des FC
Bayern München.
Maximal 10 Sterne kann man einem Film geben, für jedes Pop-Sternchen
gibt’s ein halbes, drei weitere für die wirklich solide Musik und einen fetten 5-
Punkte-Abzug für die Drehbuchautoren – bleibt ein halbes übrig. Gerechtes
Urteil, der Richter zieht sich zur Regeneration zurück.
Also: Ergänzen Sie Ihre bis dato unvollständige DVD-Sammlung unbedingt mit
„Spice World“! Und wenn das Regal zu voll ist – kein Problem: Schmeissen Sie
einfach „Der Pate“ oder „Pulp Fiction“ raus – die sind sowieso überbewertet.
Nico Kesper, Juni 2010