Femme fatale und fatales Mädchen: Die Figur der Salome in Oscar
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Femme fatale und fatales Mädchen: Die Figur der Salome in Oscar
Deutsches Seminar der Universität Basel Hauptseminar: Mythos Salome SS 2003 PD Dr. Elsbeth Dangel-Pelloquin Femme fatale und fatales Mädchen Die Figur der Salome in Oscar Wildes „Salomé“ und Hermann Sudermanns „Johannes“ 1 Inhalt: 1. Einleitung 1 2. Der Mythos der Femme fatale im Fin-de-siécle 2 3. „Johannes“ und „Salomé“: Die Theaterstücke 5 4. Femme fatale und fatales Mädchen: Salome 4.1. Der erste Eindruck 4.2. Salomes Sexualität 4.3. Salomes Tanz und der Tod 4.4. Zusammenfassung 7 7 9 16 23 5. Schlusswort 25 6. Bibliografie 6.1. Primärliteratur 6.2. Sekundärliteratur 26 26 26 2 1. Einleitung Diese Arbeit wurde im Rahmen eines Hauptseminars zum Thema „Mythos Salome“ geschrieben und beschäftigt sich daher hauptsächlich mit der Figur der Salome, wie sie in zwei fast gleichzeitig erschienenen Theaterstücken porträtiert wird: In Oscar Wildes französisch-geschriebenen Einakter „Salomé“ (1893) und in dem weit weniger bekannten Fünfakter „Johannes“ des deutschen Autors Hermann Sudermann (1898). Beide Stücke weisen deutliche Parallelen auf, was die Charakterisierung der Salome angeht, jedoch auch Unterschiede, wie schon der Titel dieser Arbeit verdeutlichen soll. Beides soll im vierten Kapitel dieser Arbeit aufgezeigt werden. Doch weshalb ist die Figur der Salome bei beiden so weit von der passiven „Tochter von Herodias“1 aus der Bibel entfernt? Um dies zu erklären, wird im zweiten Kapitel auf die Entstehungszeit der Stücke eingegangen, auf das Finde-siècle und seine Faszination mit der sogenannten Femme fatale. Natürlich kann in einem Kapitel vieles nur angeschnitten werden, was in unzähligen Büchern zum Thema schon ausformuliert wurde. Ich werde mich daher auf zwei dieser Werke beschränken: auf Rebecca Stotts „The Fabrication of the LateVictorian Femme Fatale: The Kiss of Death“, welches mir als Hauptquelle dient, da mir ihr breit angelegter Zugang zum Thema sehr einleuchtet, und auf Victoria Allens „The Femme Fatale: Erotic Icon“, das sich besonders mit der bildenden Kunst beschäftigt (auf die ich jedoch nicht weiter eingehen werde, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen). Schliesslich möchte ich auch noch den unterschiedlichen Kontext, in dem die beiden Stücke geschrieben wurden, zu verdeutlichen. Dies soll im dritten Kapitel aufgezeigt werden, wiederum nur in geraffter Form, um dem eigentlichen Ziel dieser Arbeit mehr Raum zu geben: der Figur der Salome, wie sie in den beiden Theaterstücken dargestellt wird, ihren Gemeinsamkeiten, jedoch besonders den Unterschieden, die mich dazu geführt haben, den Titel dieser Arbeit zu wählen. 2. Der Mythos der Femme fatale im Fin-de-siécle 1 Die Bibel: Matth. 14, 6. 3 Wenn man sich mit Salome beschäftigt, begegnet man schnell dem Begriff „Femme fatale“, besonders in Verbindung mit der Zeit am Ende des 19. Jahrhunderts. Weshalb dieses Bild von erotischer, Verderben bringender Weiblichkeit gerade in dieser Periode solch einen Aufschwung erlebte, darüber gibt es viele Theorien. Ich beziehe mich hier vor allem auf Stott2, der zufolge man sich die Repräsentationen der Femme fatale in vielen Texten dieser Zeit als eine Art von gemusterten gewobenen Bild vorstellen muss.3 Die einzelnen Fäden, die dieses Bild der „Femme fatale“ bilden, bestehen aus einer Vielzahl von Diskursen4 , die verschiedenen kulturellen Themen Ausdruck verleihen, insbesondere den Ängsten der damaligen Zeit. Durch diese Fäden ist die Femme fatale auch Teil eines grösseren Gewebes, das sie als Zeichen in die Kultur des Fin-de-siècle einbettet. Das Fin-de-siècle, die Zeit der Jahrhundertwende des 19./20. Jahrhunderts, wird dabei als eigenständige Periode wahrgenommen, deren Kultur sich durch eine sich von den Dekaden davor und danach unterscheidende Stimmung ausdrückt, eine regelrechte Endzeitstimmung. Es herrscht das Bewusstsein, in einer Krise zu stecken, sowohl wirtschaftlich, politisch, wie auch gesellschaftlich. Diese Stimmung schlägt sich auch in Kunst und Literatur nieder, unter anderem eben in der Figur der Femme fatale.5 Stott6 illustriert diesen Zeitgeist am Beispiel von England, wo die Ausdehnung des British Empire sich auf die Verteidigung gegen aussen konzentriert, anders als zuvor, als noch Aufbruchstimmung herrschte. Man hat Angst davor, von anderen überrannt zu werden, und ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit, des Fatalismus und des Misstrauens gegen alles Fremde, potentiell Bedrohliche ist deutlich wahrzunehmen. Diese Mischung schlägt sich auch in der Literatur nieder, vor allem in Abenteuerromanen voller Xenophobie, Nostalgie, Nationalismus und Angst, die ein eigenes Genre bilden, von Brantlinger7 imperial gothic genannt, da imperialistische Themen Hand in Hand mit einer Faszination mit dem Übernatürlichen einhergehen. 2 Stott 1994: xi 3 Mit dieser Metapher bezieht sie sich auf die etymologischen Wurzel des Wortes „Text“: das lateinische texere = weben. 4 Der Begriff „Diskurs“ kommt vom lateinischen discurrere = hin und her gehen, wie ein Webschiffchen. 5 Stott 1994: 1-2 6 Stott 1994: 3-5 7 Brantlinger, Patrick. Rule of Darkness. Ithaca und London 1988. In: Stott 1994: 5 4 Laut Chamberlin8 wuchs das Interesse am Abnormalen als Folge einer zunehmenden Besorgnis in allen Bereichen der Kultur. Dies passierte auch in der Wissenschaft, wo sich Biologie Darwins Evolutionstheorie zu vielen verschiedenen Subdisziplinen entwickelte, darunter auch zur anthropologischen Rassenforschung. Diese diente mit Hilfe des biologischen Determinismus zur Legitimierung der Beherrschung der indigenen und kolonisierten Völker, von denen man sich bedroht fühlte, indem sie „wissenschaftliche“ Erklärungen der Unterlegenheit dieser Völker lieferte. Dasselbe passierte auch innerhalb der eigenen Gesellschaft, wo die Anthropologie die Klassengesellschaft untersuchte und rechtfertigte.9 Diese Furcht vor dem Fremden und die gleichzeitige Faszination, das von diesem Fremden ausging, findet man in den Femme fatale-Figuren wieder. Diese Frauengestalten ähneln Sirenen, die mit ihrem unwiderstehlichen erotischen Charme die Männer ins Unglück stürzen. Dabei haftet ihnen meistens etwas Fremdartiges an, seien sie jüdische Prinzessinnen wie Salome, griechische Zauberinnen wie Circe, Zigeunerinnen wie Carmen, oder ägyptische Königinnen wie Kleopatra. Sie sind nicht wirklich menschlich, von gewöhnlichen Männern und Frauen durch ihr Anderssein getrennt. Dieses drückt sich unter anderem dadurch aus, dass sie ihre Sexualität ausleben, ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Normen oder ihre Liebhaber. Laut Allen10 sind sie ausserdem auch unfruchtbar und dadurch erst recht das Gegenstück zur „gu-ten Frau“, die passiv Schwängerung, Mutterschaft und Häuslichkeit akzeptiert, und deren Sexualität auf diese Weise vollkommen von Männern kontrolliert wird. In diesem Zusammenhang kann man den Einfluss der sich verändernden Rolle der Frau auf die Femme fatale-Figur nicht ausklammern. Das Ende des 19. Jahrhundert zeichnete sich durch ein wachsendes Bewusstsein der Frauenrechte und Frauenfragen aus und die Frauenbewegung forderte Änderungen im sexuellen Verhalten der Männer. Dieses schlug sich in den „New Woman“-Romanen nieder, die die Schattenseiten der ehelichen Respektabilität anprangerten.11 Auch kam es zu neuen Entdeckungen in der Psychologie, vor allem durch Freud und seine Arbeiten zur Sexualität. 8 Chamberlin, J.E.. An Anatomy of Cultural Melancholy, in: Journal of the History of Ideas, XLII no. 4, 1981. In: Stott 1994: 17 9 Stott 1994: 16-17 10 Allen 1983: 3-4 11 Der Begriff „New Woman“ entstand in Bezug auf die zunehmenden Bildungs- und Berufsmöglichkeiten für Frauen. 5 So begannen sich immer grössere Veränderungen in einer Gesellschaft abzuzeichnen, die zuvor sehr homogen gewesen war. Dies trug zu der herrschenden Unsicherheit bei und entlud sich zum Beispiel im berühmten Prozess Oscar Wildes.12 Homosexualität war für viele Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft ein Zeichen der Degeneration der Kultur, so wie alles, was als abnormal oder pervers angesehen wurde.13 Foucault14 zufolge wurde die Sexualität, vor allem die weibliche, Gegenstand eines regen medizinischen Diskurses, der Perversionen zum Schutze der Gesellschaft und Rasse kontrollieren sollte. Die Femme fatale verkörpert in dieser Gesellschaft alles Fremde, Andere. Sie zeigt die Grenzen der (weiblichen) Normalität auf und überschreitet sie, sei es von ausser- oder unterhalb der Gesellschaft, als exotische Verführerin (oft-mals aus dem Orient) oder unwiderstehliche Angehörige der Unterschicht (z.B. als Prostituierte). Durch sie riskieren die Männer, ihre rassische, moralische und von der Klassengesellschaft verliehene Überlegenheit zu verlieren.15 Aus diesem Grund trägt die Femme fatale immer auch ihren eigenen Untergang in sich, da sie unschädlich gemacht werden muss. Indem man das Andere definiert, kann man es austreiben oder vernichten. Dies sieht man zum Beispiel bei den vampirischen Femmes fatales (wie in Bram Stokers „Dra-cula“), oder auch bei Wildes Salome, die der entsetzte Herodes am Ende des Stückes töten lässt. Trotzdem, die Künstler und das Publikum waren vom Fremden, Exotischen fasziniert. Gestützt von der menschlichen Überzeugung, dass das Böse mehr Spass macht als das Gute, wurden Salome und ihre „Schwestern“ überall in Europa geschrieben, gemalt und vertont.16 Zur Popularität der Femme fatale trug sicher auch die technische Entwicklung bei, die die immer schnellere Verbreitung von Büchern, Photographien, Bildern und Ideen ermöglichte. Dabei hat es „böse“ Frauen schon immer gegeben, lange vor dem Fin-de-siècle, und auch danach, bis heute, doch in dieser von Unsicherheit und Umbruch geprägten Zeit reflektierte sie gleichzeitig die Sehnsüchte der Frauen, die erotischen Wünsche der Männer und die Ängste der Gesellschaft vor dem Fremden, dem Anderen.17 3. „Johannes“ und „Salomé“: Die Theaterstücke 12 Stott 1994: 12-14 13 Stott 1994: 18 14 Foucault, Michel. The History of Sexuality. Vol. 1, übersetzt von Robert Hurley. London 1970. In: Stott 1994: 25 15 Stott 1994: 45 16 Allen 1983: 185 17 Allen 1983: 191 6 Obwohl sich diese Arbeit hauptsächlich mit der Figur der Salome beschäftigt, so erscheint es mir doch sinnvoll, kurz auf die beiden Stücke im Ganzen einzugehen. Dies gilt vor allem für Sudermanns „Johannes“, in dem Salome zwar eine wichtige, jedoch nicht die wichtigste, Rolle spielt, wie es schon der Titel des Stückes verrät, anders als bei Wilde. Ausserdem haben die beiden zeitgenössischen Autoren sehr unterschiedliche Lebenshintergründe und hatten grundverschiedene Motive in ihrem Schreiben. Wilde zählt man zu den Anhängern des dekadenten Ästhetizismus. Dabei versteht man laut Wischmann18 unter dem Begriff der „Décadence“ keine abgeschlossene Periode, sondern findet Spuren der dekadenten Einstellung in Werken aus allen Zeiten. In der Literatur assoziiert man sie normalerweise mit Darstellungen von Verfall, sei es persönlich, sozial oder kulturell. Während des Fin-de-siècle wurde diese Einstellung begleitet von Desillusionierung und Skeptizismus, sowohl mit der Religion als auch der Wissenschaft, von Subjektivität, Langeweile und einer allgemeinen Unlust (ennui). All dies führte dazu, dass viele Künstler der damaligen Zeit nach neuen Stimulanzien suchten, um ihre Weltmüdigkeit zu überwinden. Für sie verkörperte Schönheit die ultimative Wahrheit (daher der Name „Ästhetizismus“), und sie sahen in der Kunst eine unabhängige Instanz, die über allen moralischen Werten der Gesellschaft stand. Dies ist natürlich eine starke Vereinfachung, doch finden sich viele dieser Werte in Wildes Leben19 und Werk wieder, so z.B. in „The Picture of Dorian Gray“20 : And beauty is a form of genius, is higher, indeed, than genius, as it needs no explanation. Auch in „Salomé“, von Wilde bewusst auf Französisch, das als Sprache des Ästhetizismus galt, verfasst, finden sich diese Themen wieder, mit Salome als der Verkörperung der Schönheit, aber auch des Verfalls. Dagegen genügt bereits ein oberflächlicher Blick in den Eintrag im „Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon“21, um festzustellen, dass im Gegensatz zu Wilde Sudermann nicht dem Ästhetizismus angehörte. In „Johannes“ verfolgt der Sohn einer mennonitischen Bauernfamilie keines der Ziele der Décadents - im Gegenteil, auch wenn der Text nicht direkt religiös ist, so 18 Wischmann, Antje. Ästheten und Décadents.Frankfurt a.M. 1991. In: School-Scout.de 2003: 3 19 Hier soll nicht näher auf die Lebensumstände von Oscar Wilde eingegangen werden, da wenigstens die groben Zügen bekannt sein dürften. Die Annahme, dass er den Anhängern des Ästhetizismus zuzuordnen ist, ist kaum Spekulation sondern Tatsache. 20 Wilde 19..: 21 Noss 1996: ohne Seitenangabe. 7 verbreitet er doch die Botschaft von Jesus Christus‘ Gebot der Nächstenliebe und der Vergebung. Hauptthematik des Stückes ist die Verwandlung des Tod und Verdammnis predigenden Einsiedlers Johannes (der Hauptfigur) zu einem Verkündiger des Friedefürsten, der seinem Tod lächelnd entgegensieht. Salome spielt dabei eigentlich nur eine Nebenrolle - allerdings eine sehr interessante.22 Sudermann stellt, nicht nur in „Johannes“, die alt-testamentlichen, fundamentalistisch-christlichen Werte (die er wohl in seiner Jugend erlebt hatte) in Frage, laut Noss23 „in Adaption aktueller Geistesströmungen (Nietzsche, Wagner, etc.) insbesondere als Selbstüberwindung zugunsten einer Ethik der Nächstenliebe“, wobei ein gewisser Antisemitismus nicht zu verleugnen war. Meistens rechnet man Sudermann zu den deutschen Naturalisten, doch finden sie auch neuromantische Züge, und in der Zeit des Fin-de-siècle gehörte er zur li-terarischen Elite24. Obwohl er die bürgerliche Gesellschaft eigentlich kritisierte und verachtete, sehnte Sudermann sich nach deren Anerkennung und Sicherheiten und lebte ein gutbürgerliches Leben, ganz anders als Wilde, dessen Lebensweise gegen viele der gesellschaftlichen Regeln verstiess. Die Differenzen zwischen den beiden Autoren sind gross, ebenso wie zwischen ihren Stücken. Gerade dies macht die Parallelen ihrer SalomeCharakterisierungen um so interessanter, da es zeigt, wie weit verbreitet das Motiv der Femme fatale war, als Sudermann und Wilde ihre Interpretationen des Stoffes schrieben. Doch, auch ungeachtet ihrer verschiedenen biografischen und literarischen Hintergründe, gibt es meiner Meinung nach einige interessante Unterschiede in der Art und Weise, wie sie Salome beschrieben. Dies wollte ich schon mit dem Titel dieser Arbeit andeuten und im nächsten Kapitel soll auf beides ausführlich eingegangen werden. 4. Femme fatale und fatales Mädchen: Salome 22 Sudermann 1898: 154 23 Noss 1996: ohne Seitenangabe 24 Später erlebte er einen gesellschaftlichen Abstieg und wurde lange Zeit nur noch als Trivialautor angesehen und erst in den 1970ern „wiederentdeckt“. 8 Bei Wilde ist Salome nicht nur die Titelfigur, sondern auch die wichtigste - in dem Einakter geht es hauptsächlich um ihre Person, ihre Wünsche, ihre Begierde. Doch, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, ist Salome bei Sudermann nur eine von mehreren Personen neben der zentralen Figur des Johannes. Gibt es also überhaupt genug Material, um die beiden Figuren zu ver-gleichen? Ich denke ja, denn obwohl Salome bei Sudermann in nur 12 Szenen des fünf Akte umfassenden Stücks auftritt, ist sie bei weitem die interessanteste und vielschichtigste Nebenfigur und ihre Auftritte verraten einiges über ihren Charakter. In diesem Kapitel werde ich mich besonders auf zwei Aspekte konzentrieren, die zentral für den Femme fatale-Typus sind, wie wir im zweiten Kapitel gesehen haben: auf die Sexualität und den Tod. Wie geht Salome in den beiden Stücken damit um? Was rechtfertigt den Titel dieser Arbeit und dieses Kapitels - was macht aus Wildes Salome eine „richtige“ Femme fatale und weshalb bezeichne ich Sudermanns Salome stattdessen als ein „fatales Mädchen“? 4.1. Der erste Eindruck Bei Wilde25 sieht man Salome zuerst durch die Augen von Narraboth, des sie vergötternden jungen Syriers. Er bemerkt immer wieder, wie schön sie sei und der Vergleich mit dem Mond kommt auf, der sich durch das ganze Stück zieht. Auch ganz am Anfang wird das Todesthema eingeführt, vom Pagen der Herodias, der sich, anders als sein Freund Narraboth, nicht von Salomes Schönheit und Charme beeindrucken lässt. LE JEUNE SYRIEN Comme la princesse Salomé est belle ce soir! LE PAGE D'HÉRODIAS Regardez la lune. La lune a l'air très étrange. On dirait une femme qui sort d'un tombeau. Elle ressemble à une femme morte. On dirait qu'elle cherche des morts. LE JEUNE SYRIEN Elle a l'air très étrange. Elle ressemble à une petite princesse qui porte un voile jaune, et a des pieds d'argent. Elle ressemble à une princesse qui a des pieds comme des petites colombes blanches...On dirait qu'elle danse. LE PAGE D'HÉRODIAS Elle est comme une femme morte. Elle va très lentement. Sowohl die Anziehungskraft wie auch die Todesaffinität, die typisch sind für die Femme fatale werden also sofort eingeführt. 25 Wilde 2000: 10-11 9 Auch bei Sudermann26 tritt Salome nicht gleich selber auf, sondern man begegnet ihr in Gesprächen der Gruppe der Anhänger des Johannes in der Wüste, durch ihre Gespielin Mirjam, die später deswegen von Herodes hingerichtet wird. Dabei geht es jedoch eher um Herodias, die ihre Position als Herodes‘ neue Frau durch einen Besuch im Tempel untermauern will. Erst während dieses Tempelbesuches sieht man sie richtig, als sie ihre Mutter auf Johannes aufmerksam macht. SALOME (ihren Schleier hebend). Mutter, sieh jenen Mann. Derselbe stand auf dem Markte, auch vor dem Thor, überall, wo wir vorüberschritten. HERODIAS. Und überall war Murren um ihn her. SALOME. Sieh! Es gehen Blitze aus seinem Auge. Mutter, sieh!27 Schon jetzt wird die Faszination deutlich, die Johannes in Salome hervorruft, und dass die Verbindung eher zwischen Salome und dem Propheten besteht als zwischen ihm und ihrer Mutter. Die Beschreibung des Hebens ihres Schleiers erweckt den Eindruck eines koketten jungen Mädchens und wird später immer wiederholt. Bei Wilde28 dagegen tritt Salome alleine auf, ohne ihre Mutter, und ihre ersten Worte beziehen sich auf das sexuelle Interesse des Tetrarchen Herodes: SALOMÉ Je ne resterai pas. Je ne peux pas rester. Pourquoi le tétrarque me regarde-t-il toujours avec ses yeux de taupe sous ses paupières tremblantes? . . . C'est étrange que le mari de ma mère me regarde comme cela. Je ne sais pas ce que cela veut dire. . . Au fait, si, je le sais. Erneut, wie schon zuvor bei dem Syrier, wird die Anziehungskraft deutlich, die Salome auf Männer ausübt, jedoch erfährt man auch dass Salome sich zwar ihrer Wirkung bewusst ist, doch (noch) nichts damit anzufangen weiss. Schon in der Art und Weise, wie Salome eingeführt wird, werden also gewisse Unterschiede zwischen den beiden Figuren deutlich. Bei Wilde ist Salome von Anfang an als eigenständiges Wesen definiert, das Begierde hervorruft. Ihre Ausstrahlung ist trotz ihres Desinteresses so stark, dass sich Männer nicht dagegen wehren zu können scheinen. Beide Männer, die Salome begehren, übertreten in ihrem Begehren Schranken der Gesellschaft - der eine die des Standes, der andere die der Familie und der Ehe. 26 Sudermann 1898: 18-20 27 Sudermann 1898: 42-43 28 Wilde 2000: 19-20 10 Sudermanns Salome dagegen scheint jünger, sie tritt gemeinsam mit ihrer Mutter und einer Gruppe von Gespielinnen auf, und die Textpassage gibt keinerlei Hinweis auf ihre Schönheit oder Anziehungskraft. Nur der Schleier zeigt, dass sie schon zu alt ist, den Blicken der Männer ausgesetzt zu sein. Es wird aus der kurzen Einführungsszene nicht klar, ob sich diese Salome ihrer Sexualität bewusst ist, doch eindeutig ist ihr sofortiges, intensives Interesse an Johannes dem Täufer. 4.2. Salomes Sexualität Es ist in beiden Theaterstücken der gefangene Johannes, der eine Veränderung im Leben der jüdischen Prinzessin hervorruft. Dabei scheint die Veränderung bei Wilde jedoch mehr als plötzliche Verwandlung, während bei Sudermanns Salome schon vorhandene Charakterzüge verstärkt zu werden scheinen. Wildes Salome tritt anfangs als verführerisch fast gegen ihren Willen auf. Sie will die Aufmerksamkeit der Männer, besonders die ihres Onkels und Stiefvaters Herodes, nicht - doch kaum hört sie Johannes‘ Stimme, fühlt sie sich von ihm angezogen. Es ist nicht Neugier auf den Difamierer ihrer Mutter, sondern es scheint sofort ein sexuelles Interesse zu bestehen, wie ihre Frage nach dem Alter des Propheten andeutet.29 Ihr Ziel im Auge zögert Salome nicht, Narraboths Liebe zu ihr zu benutzen, um Johannes zu sehen. Sie setzt ihre Sexualität bewusst ein, um zu bekommen, was sie will, und Narraboth ist unfähig, ihren Versprechungen zu widerstehen. SALOMÉ (s'approchant du jeune Syrien.) Vous ferez cela pour moi, n'est-ce pas, Narraboth? Vous ferez cela pour moi? J'ai toujours été douce pour vous. N'est-ce pas que vous ferez cela pour moi? Je veux seulement le regarder, cet étrange prophète. On a tant parlé de lui. J'ai si souvent entendu le tétrarque parler de lui. Je pense qu'il a peur de lui, le tétrarque. Je suis sûre qu'il a peur de lui. . .Est-ce que vous aussi, Narraboth, est-ce que vous aussi vous en avez peur? LE JEUNE SYRIEN Je n'ai pas peur de lui, princesse. Je n'ai peur de personne. Mais le tétrarque a formellement défendu qu'on lève le couvercle de ce puits. SALOMÉ Vous ferez cela pour moi, Narraboth, et demain quand je passerai dans ma litière sous la porte des vendeurs d'idoles, je laisserai tomber une petite fleur pour vous, une petite fleur verte. LE JEUNE SYRIEN Princesse, je ne peux pas, je ne peux pas. 29 Wilde 2000: 23 11 SALOMÉ (souriant) Vous ferez cela pour moi, Narraboth. Vous savez bien que vous ferez cela pour moi. Et demain quand je passerai dans ma litière sur le pont des acheteurs d'idoles je vous regarderai à travers les voiles de mousseline, je vous regarderai, Narraboth, je vous sourirai, peut-étre. Regardez-moi, Narraboth. Regardez-moi. Ah! vous savez bien que vous allez faire ce que je vous demande. Vous le savez bien, n'est-ce pas! . . . Moi, je sais bien. LE JEUNE SYRIEN (faisant un signe au troisième soldat) Faites sortir le prophète . . . La princesse Salomé veut le voir.30 Wir wissen nicht, ob sie schon je zuvor ihre Ausstrahlung bewusst eingesetzt hat, um zu kriegen, was sie will - doch hier ist sie sich ihrer selbst und ihres Erfolges ganz sicher. Ich tendiere eher zu der Annahme, dass sie bisher die Blicke der Männer zwar bemerkt hat, sich dadurch aber eher gestört fühlte und nichts damit zu tun haben wollte, wie ihr Kommentar zu Herodes31 zeigt. Ihre Selbstsicherheit jetzt ist nicht die eines kleinen Mädchens, sondern die einer erwachsenen Frau, die weiss, was sie will, und genau berechnend alles daran setzt, es zu bekommen. Das unterscheidet sie meiner Meinung nach von Sudermanns Salome, die eher den Eindruck einer verwöhnten Jugendlichen macht. Deren Bemerkungen über Männer, die sie ihren Gespielinnen gegenüber macht, wirken adoleszent, nach Aufmerksamkeit und Bestätigung heischend. SALOME Sie [die Männer] sollen nur kommen. Ich fürchte mich vor keinen Männern... Sie sind mir recht so, wie sie sind. Ich lieb‘ sie, wie sie sind. ABI Kennst du die Männer, Herrin? SALOME Die aus unserem Volk die mein ich nicht. Die tragen ihre Bärte wie Wülste von Backen, und eh‘ man sich‘s versieht, stehn sie barfuss da... Und dann sagt man das lieb‘ ich nicht... Aber als ich einmal mit meinem Vater in Antiochia war, da sah ich bleiche Jünglinge mit goldbraunem Gelock, die trugen rote Schuhe und dufteten... Das seien Griechen, sagte mein Vater, wirkliche Griechen aus Hellas... Sie lächelten, und dann hab‘ ich geschaudert. Warum stehst du so mürrisch da, Mirjam, und hörst nicht, was ich rede? Es missfällt dir wohl, was ich rede... Lach, oder ich schlage dich... Wenn du nicht lachst, lass‘ ich dich peitschen.32 Der Eindruck, den man in dieser ersten längeren Rede Salomes erhält, ist nicht der einer erwachsenen Frau, sondern der eines schmollenden Mädchens. Ihre Beziehung zu Männern ist rein auf Schwärmereien beschränkt, und wenn eine 30 Wilde 2000: 26-27 31 Wilde 2000: 19-20 32 Sudermann 1898: 46 12 ihrer Gespielinnen ihrem unreifen Geplapper nicht zustimmt, so wird sie aufbrausend wie ein verzogenes Kind, das seinen Willen nicht bekommt. Sie ist ein Mädchen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, weit von der berechnenden Entschlossenheit von Wildes Salome entfernt. Betrachtet man die Begegnung von Salome und Johannes, die in beiden Stücken geschieht, obwohl davon nichts in der Bibel steht, so findet man, dass nicht nur beide von dem Propheten fasziniert sind, sondern dass auch beide ihm ein sexuelles Angebot machen - vergeblich. Sudermanns Salome beginnt ihren Verführungsversuch auf eine adoleszent wirkende Art und Weise, indem sie Johannes mit Rosen überschüttet. Sie verhält sich ihm gegenüber kokett, für sie sind seine Überzeugungen ein Mittel, um mit ihm zu flirten. SALOME. [...] Ich weiss von einem Könige, Meister, der einen Bund machte mit der Sonne. Du auch? JOHANNES (nickt). SALOME. So will ich einen Bund machen mit dir. Soll ich die Sonne sein und du mein König? Oder willst du die Sonne sein und ich deine Königin? JOHANNES. Jungfrau, ich kann nicht Sonne sein und nicht König. SALOME. Warum nicht? Es ist doch ein Spiel. [...] JOHANNES. Gürte deine Lenden, wirf ein graues Gewirk über dein Haar und wende dich von mir... Eile, denn ich bin gesandt als ein Zorn über dich und ein Fluch dich zu vertilgen. SALOME. Meister, was soll dein Zorn einer tun, der er ein Jubel ist und ein Feiertag? Und kämest du mir entgegen in Feuerflammen, so will ich meine Jugend nicht beweinen zwei Monden lang; ich will die Arme nach dir recken und rufen: Vertilge mich, Flamme! Nimm mich auf, Flamme! JOHANNES (nach einem Schweigen). Gehe! SALOME. Ich gehe... (Sie stürzt der eintretenden Herodias an die Brust.) Mutter!33 Salome wirkt wie ein junges Mädchen, das mit ihrer Sexualität experimentiert. Für sie ist es ein Spiel und Johannes ein neues Spielzeug. Als er sie ablehnt, flieht sie in die Arme ihrer Mutter, mit der sie eine zwiespältige Beziehung hat. 33 Sudermann 1898: 67-68 13 Ihr Ego kann keine Rückschläge ertragen, besonders nicht in diesem ihr noch so neuen Spielfeld, und wenn etwas ihr zuwider läuft, so möchte sie schnell wieder naives Kind sein. Doch sie ist hartnäckig und gibt nicht schnell auf. Sie wendet sich an Herodes, der sich von dieser Kindfrau angezogen fühlt, von der Mischung aus Kokettheit und Scheu, die Salome ausstrahlt. Doch Salome weiss ihre Ausstrahlung gut zu nutzen, ebenso wie die Probleme zwischen Herodes und ihrer Mutter, und wendet sie zu ihrem Vorteil an. HERODES. Wie bist du doch unähnlich deiner Mutter, Salome! SALOME. Und wie ähnlich bin ich ihr doch. HERODES. Ich will lieber denken, dass du ihr unähnlich seist... Entschleiere dich mir, Süsse. SALOME. Herr, wärest du mein Vater! Doch das bist du nicht. Sobald du mir nahst, zieht mir die Mutter selbst den Schleier auf die Brust hinab. [...] HERODES. Und wenn ich mit anderen Männern sässe - beim Mahle - oder beim Wein - und du kämst und du entschleiertest dich, schiene dir das sittsamer? SALOME. Vielleicht... Ich kann auch tanzen, Herr. HERODES. Thätest du das für mich? SALOME. Und was thätest du für mich? HERODES. Salome! SALOME (aufstehend). Nein, wirklich, Herr, du musst die Mutter fragen. Ich bin noch viel zu dumm, ich weiss nicht, was ein Mägdlein darf. Nur was ich möchte, dass weiss ich wohl. HERODES. Was möchtest du? SALOME. Was dir frommt, Herr. Sonst nichts, weiter nichts. Sieh, hältst du diesen Gefangenen milde, so werden sie dein Lob singen, und ich will stolz sein in meinem Herzen und zu mir sprechen: Er that das nach deinem Rat. HERODES (zum Kerkermeister). Führe den Täufer her... Ich will‘s bedenken, Salome. (Kerkermeister ab.) SALOME (von der Pforte her, ein wenig den Schleier lüftend). 14 Und ich will danken, Herr! HERODES. Salome! SALOME (verschwindet mit einem Gelächter. Abi und Maecha sind ihr vorangegangen).34 Salomes Verhalten wirkt berechnend. Sie benutzt ihre Anziehungskraft, um ihren Willen durchzusetzen - doch anders als Wildes Salome tut sie dies durch Andeutungen und Manipulationen, die von Herodes gar nicht als solche empfunden werden. Sie nutzt ihren Status als junges Mädchen, um Dinge zu sagen und tun, die eigentlich unschicklich wären, und entschuldigt sich mit ihrer Jugend und Unschuld. Sie schafft es, ihren Willen zu bekommen, ohne irgendetwas zu versprechen, denn sie ist ja „noch viel zu dumm“, um zu wissen, „was ein Mägdlein darf“ (s.o.). Doch auch ihr zweiter Versuch, Johannes zu verführen, schlägt fehl, obwohl sie dieses Mal weniger Kokettheit und mehr Unschuld an den Tag legt. SALOME. Meister - dort zwischen den Granatbäumen siehst du wohl die Sonne? JOHANNES. Ich sehe sie. SALOME. Dass du sie siehst, bevor sie untergeht und du - weisst du wessen Werk das ist? Meines. JOHANNES. Mag sein. Was begehrst du? SALOME. Doch du gehst nicht unter. Du nicht. Denn meine Seele dürstet. Lehre mich, Meister. JOHANNES. Was soll ich dich lehren? SALOME. Siehe, ich bin fromm von Gemüte. Und trage Sehnsucht nach dem Heil... [...] Ich sinne dir nichts Böses. JOHANNES. Was solltest du mir wohl Böses sinnen, Jungfrau? SALOME. Das sage ich nicht - denn wenn du mich fortwürfest - Wer weiss es heute, wie mächtig ich bin?... Wenn ich meine Glieder recke, so dünkt mich, ich trage die Welt. (Sie breitet die Arme aus.) [...] JOHANNES. Jungfrau, du hast eine Gespielin? 34 Sudermann 1898: 117-119 15 SALOME. Welche Gespielin? JOHANNES. Mirjam heisst sie. SALOME. Ich hatte sie. Jetzt ist sie tot. JOHANNES (nickt ruhig, seine Ahnung bestätigend). SALOME. Ich habe sie töten lassen, weil sie zu dir ging. Keine soll zu dir gehen, wenn nicht ich. Weisst du‘s denn nun? Weisst du nun, wie fromm ich bin? Meine Seele leidet Gewalt von dir und sie leidet mir Freuden, denn niemanden sah ich gewaltiger als dich! [...] Ich will dir geben meinen jungen Leib, du wilder unter den Söhnen Israels. Komm, lass uns der Liebe pflegen bis an den Morgen. Und meine Gespielen sollen wachen auf der Schwelle und grüssen die Frühe mit ihren Harfen. JOHANNES. Wahrlich - mächtig bist du - die Welt trägst du auf deinen Armen - denn du bist die Sünde. SALOME. Süss wie die Sünde - so bin ich. JOHANNES. Geh! SALOME. Wirfst du mich fort? (Sie stürzt durch die Pforte ab.)35 Salome kann der Versuchung, mit ihrer Macht zu prahlen, nicht widerstehen sie ist stolz darauf und will, dass alle wissen, was sie zu tun vermag. Die Hinrichtung von Mirjam ist für sie nur weiterer Beweis ihrer Macht. Ihr kommt nicht einmal in den Sinn, dass Johannes sie dafür nicht bewundern könnte. In ihrer Begierde kümmert sich Salome nicht um Richtig und Falsch oder um Konsequenzen. Ihre Selbstbezogenheit und ihre Prahlerei erinnern wieder an die eines verzogenen Kindes, dessen Welt sich nur um sich selbst dreht. Johannes‘ Ablehnung ihres Verführungsversuches kommt für sie vollkommen unerwartet. In Salomes Weltbild hat es keinen Platz für Niederlagen, sie verliert nie in den Spielen, die sie spielt - dementsprechend sinnt sie nun auf Rache. Wildes Salome dagegen spielt nicht, doch kennt auch sie nichts anderes als ihr Verlangen. Sie geht dabei den direkten Weg, setzt ihre erotische Ausstrahlung frontal ein, bei Narraboth wie auch bei Johannes und später bei Herodes. Ihre Sexualität wurde schlagartig geweckt durch Johannes, dessen Stimme sie in ihren Bann gezogen hat, ohne dass sie wirklich hört was er sagt. Salome ist ganz auf die Erfüllung ihres Begehrens fixiert, überlässt sich ihrem Verlangen 35 Sudermann 1898: 125-127 16 ganz und gar, ohne Rücksicht auf Schicklichkeit, Scham, oder den Selbstmord des Syriers. SALOMÉ [...] C'est de ta bouche que je suis amoureuse, Iokanaan. Ta bouche est comme une bande d'écarlate sur une tour d'ivoire. Elle est comme une pomme de grenade coupée par un couteau d'ivoire. [...] laisse-moi baiser ta bouche. IOKANAAN Jamais! fille de Babylone! Fille de Sodome! jamais. SALOMÉ Je baiserai ta bouche, Iokanaan. Je baiserai ta bouche. LE JEUNE SYRIEN Princesse, princesse, toi qui es comme un bouquet de myrrhe, toi qui es la colombe des colombes, ne regarde pas cet homme, ne le regarde pas! Ne lui dis pas de telles choses. Je ne peux pas les souffrir ...Princesse, princesse, ne dis pas de ces choses. SALOMÉ Je baiserai ta bouche, Iokanaan. LE JEUNE SYRIEN Ah! (Il se tue et tombe entre Salomé et Iokanaan.) LE PAGE D'HÉRODIAS Le jeune Syrien s'est tué! le jeune capitaine s'est tué! Il s'est tué, celui qui était mon ami! [...] Je savais bien que la lune cherchait un mort, mais je ne savais pas que c'était lui qu'elle cherchait. Ah! pourquoi ne l'ai-je pas caché de la lune? Si je l'avais caché dans une caverne elle ne l'aurait pas vu. LE PREMIER SOLDAT Princesse, le jeune capitaine vient de se tuer. SALOMÉ Laisse-moi baiser ta bouche, Iokanaan. IOKANAAN N'avez-vous pas peur, fille d'Hérodias? Ne vous ai-je pas dit que j'avais entendu dans le palais le battement des ailes de l'ange de la mort, et l'ange n'est-il pas venu? SALOMÉ Laisse-moi baiser ta bouche. [...] IOKANAAN Je ne veux pas te regarder. Je ne te regarderai pas. Tu es maudite, Salomé, tu es maudite. (Il descend dans la citerne.) SALOMÉ Je baiserai ta bouche, Iokanaan, je baiserai ta bouche.36 Salome ist entschlossen zu kriegen, was sie will, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie ist frei von den Konventionen ihres Geschlechts und ihrer Zeit, doch übereinstimmend mit dem Femme fatale-Typos reisst sie dabei den jungen 36 Wilde 2000: 34-38 17 Syrier ins Verderben. Er wird Opfer seiner Liebe zu Salome, die, während sie ganz auf ihr Ziel fixiert ist, nichts anderes sieht. Auch Johannes‘ Ablehnung ändert nichts an ihrer Entschlossenheit. Salome kennt keine Niederlage, keine Resignation, sie wird erreichen, was sie will, koste es, was es wolle. Folgt man der schon erwähnten Mond-Metapher und setzt Salome mit dem Mond gleich, so verlangt ihre Natur nach einem Toten, „sucht“ ihn. Narraboths Leben hätte gerettet werden können, wenn er auf den Pagen gehört und sich verborgen hätte statt seiner Liebe zu Salome nachzugeben. Auf die Beziehung zwischen Salome und dem Tod des Johannes werde ich im nächsten Kapitel eingehen. 4.3. Salomes Tanz und der Tod Betrachtet man den Tod des Johannes, so muss man gezwungenermassen auch den Tanz der Salome betrachten, und wie es dazu kommt, da er für sie das Instrument zur Erreichung ihres Zieles ist. In beiden Fällen ist es Herodes, der, seine Nichte/Stieftochter begehrend, sie fragt, ob sie für ihn tanzt. Bei Sudermann geschieht dies über Herodias, der Salome ja die Verantwortung zugeschoben hatte. Herodias wirkt bitter, dass ihr Mann ihre Tochter ihr vorzieht - aber sie begreift dies als Chance, Johannes loszuwerden, ohne als Schuldige dazustehen, und macht gute Miene zum bösen Spiel ihrer Tochter. HERODES. Darum scheint es, du verweigerst? HERODIAS. Was hätte ich noch zu verweigern, wo die Jugend lächelt und gewährt. HERODES. Ah!... Und was begehrst du dafür? HERODIAS. Nichts... [...] HERODES. [...] Noch einmal deinen Preis, Herodias! HERODIAS. Sieh mich an! Hier ist ein Weib, dass sich nicht mehr schmücken kann mit dem eigenen Leibe, weil du ihn verschmähst, darum schmückt es den Leib, der in ihm entstand. [...] Wer hoffen kann, soll bitten. Salome soll bitten.37 37 Sudermann 1898: 136-138 18 Der Text ähnelt hier dem Bibeltext insofern, dass es Herodias ist, die den Tanz arrangiert. Doch auch Salome ist keineswegs nur Herodias‘ Marionette, sondern das ganze war ihre Idee. Salome kennt ihre Mutter offenbar gut genug, um sich ihrer Reaktion sicher zu sein - sie ist ihr wohl wirklich ähnlich, wie sie es im Gespräch mit Herodes sagte (s.o.).38 Darüber besteht ein Einverständnis zwischen den beiden, wie in ihrem längsten Gespräch, nach Herodias‘ Unterredung mit Herodes, offensichtlich wird. Es herrschen zwiespältige Emotionen zwischen Mutter und Tochter, Salome schwankt zwischen Stolz auf ihren Willen und dem Bedürfnis, die Verantwortung ihrer Mutter aufzuerlegen. Herodias dagegen scheint es Freude zu machen, dieses Mutter-Tochter-Komplott, in dem sie sich für die Anstifterin hält. HERODIAS. Komm! Leise! Zitterst du, meine Taube? Ward dir bange vor dem eigenen Willen? SALOME. Fasse meine Hand, Mutter. Ich zittere nicht, denn ich weiss, mein Wille bist du. HERODIAS. Nicht ich. Du musst es wollen. SALOME. Weil nur die Wollende Gewalt übt? (Da Herodias sie misstrauisch ansieht, rasch fortfahrend.) So las ich in den Schriften, Mutter. Verstanden hab‘ ich es nicht. HERODIAS. Höre mich, du Fürwitzige. [...] Tanze deinen Tanz in Züchten, und wenn du geendet hast, dann wische von deinen Wangen die Scham und horche, horche fein, was der Vierfürst dir sagen wird. Und wenn er sagen wird: Nun bitte mich, dannSALOME. Was dann, Mutter? HERODIAS. Dann bitte nicht. Dann sieh ihn an, zum erstenmal, lächelnd und lange und - bitte nicht. Dann darfst du fordern. SALOME (lauernd). Was soll ich fordern, Mutter? Einen goldenen Haarschmuck? - oder sämische Schuhe? - Nein, ich weiss, was ich fordere: einen Spiegel. HERODIAS (in Salomes Haar wühlend). Wahrlich, du hast noch nie gefühlt einen Hass brünstig werden in dir - wie die Liebe zur Mainacht. SALOME (ihre Empfindung verhehlend, unschuldig). Nie, Mutter! Wie sollte ich? HERODIAS. Und niemals ward eine Schmach ausgegossen über dir, wie Schalen, brennend wie Naphta. 38 Sudermann 1898: 117 19 SALOME (ebenso). Nie, Mutter, wahrlich nie. HERODIAS. Keinen Spiegel sollst du fordern, keinen Haarschmuck, auch keine sämischen Schuhe. Sondern, dass man dir bringe auf einer Schüssel das Haupt jenes, den sie nennen Johannes den Täufer. SALOME (zähnefletschend, dann sich mühsam bändigend). Auf einer goldenen Schüssel? HERODIAS. Was fragst du? Verstandest du mich nicht, oder - wer...? SALOME. Noch eines. Eines will ich noch. Siehe, soll er nicht wissen, jener - jener Täufer, wer die Forderung hat? HERODIAS (ausbrechend). Wahrlich, das soll er! hinter deinem roten Haupte will ich stehen als dein Wille. SALOME (halb für sich). Als meines Willens Wille. HERODIAS. Wachsen will ich über ihn, wie das Schwert wächst aus dem Aermel des Henkers... (Tuben ertönen.) Komm! SALOME. Und ich will wachsen über ihn wie eine süsse Traube.39 So manipuliert Salome ihre Mutter, um ihren Willen zu bekommen - den Tod dessen, der sie verschmähte. Sie ist durch und durch berechnend, jedoch bleibt der Eindruck einer Heranwachsenden, einer Kindfrau statt einer Erwachsenen. Sie ist nicht frei von den Normen der Gesellschaft, wie es für eine Femme fatale typisch wäre, sie will nicht als die Schuldige dastehen sondern weiterhin als süsses Mädchen. Johannes‘ Tod ist für Salome, die als verwöhnte Prinzessin mit einer machthungrigen und intriganten Mutter aufgewachsen ist, die einzige gerechte Strafe für seine Ablehnung. Sie will ihm beweisen, wie weit ihre Macht reicht. Auch Wildes Salome sieht nur ihr Ziel vor Augen - die Lippen des Johannes zu küssen, koste es was wolle. Deshalb lehnt sie es zuerst ab, für Herodes zu tanzen, da sie die Begierde des Tetrarchen abstösst, der ihr sogar den Thron ihrer Mutter anbietet.40 Doch als er ihr einen Weg bietet, ihren Willen zu bekommen, ergreift sie sofort ihre Chance. HÉRODE 39 Sudermann 1898: 139-141 40 Wilde 2000: 44-46, 60-61 20 Salomé, Salomé, dansez pour moi. [...] Si vous dansez pour moi vous pourrez me demander tout ce que vous voudrez et je vous le donnerai. Oui, dansez pour moi, Salomé, et je vous donnerai tout ce que vous me demanderez, fût-ce la moitié de mon royaume. SALOMÉ (se levant.) Vous me donnerez tout ce que je demanderai, tétrarque? HERODIAS Ne dansez pas, ma fille. HÉRODE Tout, fût-ce la moitié de mon royaume. SALOMÉ Vous le jurez, tétrarque? HÉRODE Je le jure, Salomé. [...] HÉRODIAS Je ne veux pas qu'elle danse. SALOMÉ Je danserai pour vous, tétrarque. HÉRODE Vous entendez ce que dit votre fille. Elle va danser pour moi. Vous avez bien raison, Salomé, de danser pour moi. Et, après que vous aurez dansé n'oubliez pas de me demander tout ce que vous voudrez. Tout ce que vous voudrez je vous le donnerai, fût-ce la moitié de mon royaume. J'ai juré, n'est-ce pas? SALOMÉ Vous avez juré, tétrarque. HÉRODE Et je n'ai jamais manqué à ma parole.41 Salome stellt sicher, dass Herodes ihr ihren Wunsch nicht verweigern kann - es ist klar, dass sie genau weiss, was sie will (den Tod des Johannes) und wie sie es erreichen wird. Sie schwankt keine Sekunde und widersetzt sich auch ohne Zögern ihrer Mutter, die hier, anders als bei Sudermann, nur eine untergeordnete Rolle spielt. Wieder sieht man, dass diese Salome kein intrigierendes Mädchen ist, das auf Rache sinnt, sondern eine von ihren Begierden besessene Frau, die auf direktem Weg ihr Ziel ansteuert, ohne Rücksicht auf Verluste. 41 Wilde 2000: 65-68 21 Der Tanz wird bei Wilde in einem einzigen Satz abgehandelt, aber es ist offensichtlich ein sehr erotischer Tanz. Danach ist Salome bereit, ihre Belohnung zu fordern, und nichts wird sie davon abbringen. [Salomé danse la danse des sept voiles.] HÉRODE Ah! c'est magnifique, c'est magnifique! Vous voyez qu'elle a dansé pour moi, votre fille. Approchez, Salomé! Approchez afin que je puisse vous donner votre salaire. Ahl je paie bien les danseuses, moi. Toi, je te paierai bien. Je te donnerai tout ce que tu voudras. Que veux-tu, dis? SALOMÉ [n'agenouillant.] Je veux qu'on m'apporte présentement dans un bassin d'argent... HÉRODE [riant.] Dans un bassin d'argent? mais oui, dans un bassin d'argent, certainement. Elle est charmante, n'est-ce pas? Qu'est-ce que vous voulez qu'on vous apporte dans un bassin d'argent, ma chère et belle Salomé, vous qui êtes la plus belle de toutes les filles de Judée? Qu'est-ce que vous voulez qu'on vous apporte dans un bassin d'argent? Dites-moi. Quoi que cela puisse être on vous le donnera. Mes trésors vous appartiennent. Qu'estque c'est, Salomé? SALOMÉ [se levant.] La tête d'Iokanaan. HÉRODIAS Ah! c'est bien dit, ma fille. HÉRODE Non, non. HÉRODIAS C'est bien dit, ma fille. HÉRODE Non, non, Salomé. Vous ne me demandez pas cela. N'écoutez pas votre mère. Elle vous donne toujours de mauvais conseils. Il ne faut pas l'écouter. SALOMÉ Je n'écoute pas ma mère. C'est pour mon propre plaisir que je demande la tête d'Iokanaan dans un bassin d'argent. Vous avez juré, Hérode. N'oubliez pas que vous avez juré. HÉRODE Je le sais. J'ai juré par mes dieux. Je le sais bien. Mais je vous supplie, Salomé, de me demander autre chose. Demandez-moi la moitié de mon royaume, et je vous la donnerai. Mais ne me demandez pas ce que vous m'avez demandé. SALOMÉ Je vous demande la tête d'Iokanaan.42 42 Wilde 2000: 71-73 22 Herodes findet keinen Weg, Salome von ihrem Vorhaben abzubringen, sie besteht auf dem Kopf. Herodias‘ Zustimmung kümmert Salome nicht, es geht ihr nur um ihre Begierde, ihr „Vergnügen“. Im Gegensatz zu Sudermanns Salome stellt sie klar, dass dies einzig und allein ihr Wille ist, ihre Mutter spielt darin keine Rolle. Der Tod des Johannes ist ihr Ziel und sie ist besessen davon. Der Tanz der Salome wird bei Sudermann43 etwas ausführlicher beschrieben als bei Wilde, doch auch er verwendet das Schleiermotiv, das ja schon mehrmals während des Stücks aufgenommen wurde. SALOME (hat sich aus den Armen der Herodias gelöst und, von unwillkürlichen Ausrufen der Bewunderung und des Entzückens begleitet, zu tanzen begonnen. Ihr Tanz wird wilder, sie löst allgemach den Schleier, verhüllt sich wieder in wollüstiger Scham und löst ihn aufs neue, bis sie gänzlich schleierlos mit scheinbar unverhülltem Oberkörper dasteht, dann sinkt sie halb in Erschöpfung, halb um ihm zu huldigen, vor Herodes nieder, der auf der rechten Seite der Tafel steht).44 Das Resultat ist das gleiche: Von ihrer erotischen Ausstrahlung gefesselt, bietet Herodes ihr, was sie begehrt. Salomes Plan geht auf - sie bekommt ihren Willen, durch das bewusste Einsetzen ihrer Sexualität, während der unwillige Herodes in Herodias die Urheberin ihres Plans sieht. Sie geniesst ihre Stellung und benutzt die Gelegenheit, um Johannes ein letztes Ultimatum zu stellen und ihm und allen anderen ihre Macht zu demonstrieren. HERODES. Dieses Mägdlein musst du bitten, Täufer. Wisse, in seiner Hand ruhet das Häuflein Zufall, dass du Leben heissest. SALOME. Meister, siehest du wohl, wie mächtig ich bin? Nun bitte mich! Bitte mich! HERODIAS (hinter ihr, leise). Doch wenn er bittet, so wirst du seiner lachen! SALOME. Vielleicht. Wer kann wissen, was meine Seele will?... Nun, warum bittest du nicht...? JOHANNES. Mägdlein - ich - SALOME. Hier sieh den Stein! Der Stein verlangt nach deinen Knien.45 Vielleicht hätte Salome auch ihren Triumph bekommen, wenn nicht Johannes‘ Jünger mit Nachricht von Christus‘ Botschaft gebracht hätten, die eine tiefe Veränderung in dem Propheten hervorruft. SALOME. 43 Sudermann 1898: 146-147 44 Sudermann 1898: 146 45 Sudermann 1898: 149-150 23 Nun, bitte mich! (Da Johannes lächelnd über sie hinwegsieht.) Mutter, bittet er nicht? Johannes‘ zweite Ablehnung ist mehr, als Salome ertragen kann. Sie hat zwar ihren Willen bekommen, als Herodes ihn töten lässt, jedoch ohne über den Täufer triumphiert zu haben. Johannes‘ Tod treibt sie von der Obsession an den Rand des Wahnsinns, und sie tanzt sie mit den abgeschlagenen Haupt. HERODIAS. Sie tanzt. Sie hält die Schüssel mit des Täufers Haupt hoch in den Armen und tanzt. HERODES. So wardst du deines Blutes Verderberin. So wirst du uns alle verderben. HERODIAS (zuckt lächelnd die Achseln). MEROKLES. Sie wankt. Sie stürzt! HERODIAS (geht ruhig hinaus). MEROKLES. Das Haupt rollt dahin! MARCELLUS. O Grauen! HERODIAS (kehrt mit Salome in den Armen zurück). SALOME. Mutter, wo ist die Schüssel? Wo ist das Haupt? HERODIAS. Verneige dich. Sag‘ deinen Dank. SALOME (vor Herodes). Herr, ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Thal. Wer mir danken will, der pflücket mich ab... Sehet, sein Haupt!... HERODES. Schaffet die Weiber hinaus! HERODIAS. (verneigt sich und führt lächelnd die halb ohnmächtige Salome nach rechts hinaus).46 Damit verlässt Salome das Stück nicht als strahlende Siegerin, sondern am Ende scheint Herodias die Gewinnerin zu sein, die nicht nur bekommt, was sie wollte, sondern auch die Konkurrenz ihrer Tochter los ist. Das fatale Mädchen Salome, diese Mischung aus kühler Berechnung und kindischem sturen Willen, ist schlussendlich nicht stark genug, um die erneute Ablehnung und den Tod des Johannes, den sie herbeigeführt hat, zu ertragen. 46 Sudermann 1898: 156-157 24 Wildes Salome dagegen triumphiert. Sie verlangt gierig nach dem Kopf des Täufers, den Lohn ihres Tanzes, um endlich ihren Kuss einzufordern. Die Anwesenden fühlen sich abgestossen, doch sie kümmert das nicht, sie scheint sich von der Normalität abgelöst zu haben. Nur ihre Obsession zählt noch, deren Erfüllung sie mit allen Mitteln durchgesetzt hat. SALOMÉ [...] Tetrarque, tétrarque, commandez à vos soldats de m'apporter la tête d'Iokanaan. (Un grand bras noir, le bras du bourreau, sort de la citerne apportant sur bouclier d'argent la tété d'lokanaan, Salomé la saisit. Hérode se cache le visage a avec sors manteau Hérodias sourit et s'évente. Les Nazaréens s'agenouillent et commencent a prier.) Ah! tu n'as pas voulu me laisser baiser ta bouche, Iokanaan. Eh bien! je la baiserai maintenant. [...] Je puis en faire ce que je veux. Je puis la jeter aux chiens et aux oiseaux de l'air. Ce que laisseront les chiens, les oiseaux, de l'air 1e mangeront ...Ah! Iokanaan, Iokanaan, tu as été le seul homme que j'ai aimé. Tous les autres hommes m'inspirent du dégout. Mais, toi, tu étais beau. [...] J'étais une Princesse, tu m'as dédaignée. J'étais une vierge, tu m'as déflorée. J'étais chaste, tu as rempli mes veines de feu ...Ah! Ah! pourquoi ne m'as-tu pas regardée, Iokanaan? Si tu m'avais regardée, tu m'aurais aimée. Je sais bien que tu m'aurais aimée, et le mystère de l'amour est plus grand que le mystère de la mort. Il ne faut regarder que l'amour.47 Für Salome wurde ihre Liebe zu Johannes zum Mittelpunkt, zum einzigen, was zählt. Sie existiert nur in Absoluten. Und da er sie nicht liebte, da er sie nicht ansah, wie sie es bei anderen Männern verbscheute und bei ihm herbeisehnte, füllte sie die dadurch entstandene Leerstelle mit dem, was ihrer Meinung nach der Liebe am nächsten kommt - dem Tod. Sie straft Johannes dafür, dass er sie nicht ansah, doch sie ist sich auch im Klaren, dass dies für sie ebenfalls das Ende ihres bisherigen Lebens bedeutet. Aber das ist ihr gleichgültig, für sie zählt nur diese seltsame, plötzliche Liebe, auch wenn dies ihr Verhängnis bedeutet. HÉRODE Elle est monstrueuse, ta fille, elle est tout à fait monstrueuse. Enfin, ce qu'elle a fait est un grand crime. Je suis sûr que c'est un crime contre un Dieu inconnu.[...] Manasse, Issachar, Ozias, éteignez les flambeaux. Je ne veux pas regarder les choses. Je ne veux pas que les choses me regardent. Éteignez les flambeaux. Cachez la lune! Cachez les étoiles! Cachons-nous dans notre palais, Hérodias. Je commence à avoir peur. (Les esclaves éteignent les flambeaux. Les étoiles disparaissent. Un grand nuage noir passe a travers la lune et la cache complètement. La scène devient tout à fait sombre. Le tétrarque commence a monter l'escalier.) LA VOIX DE SALOMÉ Ah! j'ai baisé ta bouche, Iokanaan, j'ai baisé ta bouche. Il y avait une âcre saveur sur tes lèvres. Était-cé la saveur du sang?...Mais, peut-étre est-ce la saveur de l'amour. On dit que l'amour a une âcre saveur...Mais, qu'importe? Qu'importe? J'ai baisé ta bouche, Iokanaan, j'ai baisé ta bouche. (Un rayon de lune tombe sur Salomé, et l'éclaire.) HÉRODE (se retournant et voyant Salomé.) 47 Wilde 2000: 81-84 25 Tuez cette femme! (Les soldats s'élancent et écrasent sous leurs boucliers Salomé, fille de Hérodias, Princesse de Judée.)48 Voller Abscheu und Furcht vor dem, was nur aufgrund seiner Schwäche hat geschehen können, lässt Herodes den Mond auslöschen. Der Salome=MondMetaphorik folgend ist es darauf nur logisch, dass er auch Salome umbringen lässt. Ihr Schicksal war besiegelt, als sie sich ihrer verrückten Liebe hingab. Sie ist zu anders, zu sehr ausserhalb der gesellschaftlichen Regeln und Normen, um weiterleben zu dürfen - eine „richtige“ Femme fatale, die bekommt, was sie will, aber im Moment ihres Triumphes zugrunde geht. 4.4. Zusammenfassung Der Vergleich der beiden fast gleichzeitig geschriebenen Salomes zeigt gewisse Parallelen, doch faszinierender sind die Unterschiede der beiden Charaktere. Beide zeigen einen starken Willen, fügen sich nicht dem bürgerlichen Frauenbild des Fin-de-siècle, sondern geben sich ihrer besessenen Liebe zu dem Täufer hin. Aber meiner Meinung nach, und wie ich hoffentlich in diesem Kapitel gezeigt habe, kann nur Wildes Salome als „wahre“ Femme fatale angesehen werden. Beide Figuren zeigen Züge des Typus, jedoch mischt sich dies bei Sudermanns Salome mit Zügen eines intriganten verwöhnten Mädchens, zwischen Kindheit und Erwachsensein schwankend, das nicht die Reife und schlussendlich auch nicht die Stärke hat, die Konsequenzen ihres Verhaltens zu tragen. Wildes Salome stirbt zwar im Moment ihres Triumphes, während des von ihr so begehrten Kusses, doch bis dahin verfolgte sie ihr Ziel mit dem genauen Bewusstsein, was es bedeutete. Sie intrigierte nicht, sondern nahm sich, was sie wollte mit der Macht ihrer von Johannes‘ Stimme geweckten Sexualität. Beide Varianten der Salome zeigen, was für eine interessante Figur das namenlose „Mägdlein“49 aus der Bibel ist, und es gibt in beiden Stücken noch viele Facetten, die man untersuchen könnte. Hoffentlich wurde jedoch wenigstens diese eine Art der Betrachtung einigermassen dargestellt und ihre Faszination erklärt. 48 Wilde 2000: 84-85 49 Die Bibel 26 5. Schlusswort Das Femme fatale-Phänomen am Ende des 19. Jahrhunderts ist ein äusserst komplexes, das man nur schwer getrennt von einem weiteren kulturellen, sozialen und politischen Hintergrund der damaligen Zeit ansehen kann. Dies hoffe ich, hier mit Hilfe der Texte von Stott und Allen gezeigt zu haben, ne-ben der Arbeit mit den beiden Theaterstücken, die den Schwerpunkt dieser Seminararbeit bilden. Es war eine interessante Arbeit, und je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr Ähnlichkeiten und Unterschiede wurden deutlich. Der Fokus auf den Charakter der Salome im Kontext des Femme fatale-Mythos, war hilfreich, wenn es darum ging, nicht zu weit vom Thema abzukommen, wenn die Versuchung, beispielsweise die Charakterisierung des Herodes, des Johannes, oder der Herodias (obwohl diese bei Sudermanns Salome-Figur gezwungenermassen eine Rolle spielte) näher anzusehen, zu gross wurde. Meine Hoffnung ist, dass die von mir gewählte Perspektive des Vergleichs und der Kontrastierung einige interessante Blicke auf zwei Theaterstücke warf, die meines Wissens nach bis jetzt noch nicht verglichen worden waren, und eventuell zu einer weiteren Beschäftigung mit ihnen, auch weg von der Femme fatale und dem fatalen Mädchen, anregt. 27 6. Bibliografie 6.1. Primärliteratur ohne Autor Die Bibel: in heutigem Deutsch. Die Gute Nachricht des Alten und Neuen Testaments. 2. durchgesehene Auflage. Stuttgart 1982. Sudermann, Hermann Johannes: Tragödie in fünf Akten und einem Vorspiel. 12. Auflage. Stuttgart 1898. Wilde, Oscar Salomé: drame en un acte. URL: http://etext.lib.virginia.edu/fr-on.html [2.6.2003]. Erschienen 1893. Elektronische Version des University of Virginia Library Electronic Text Center 2000. The Picture of Dorian Gray. URL: 6.2. Sekundärliteratur Allen, Victoria M. The Femme Fatale: Erotic Icon. Troy, New York 1983. Noss, Peter SUDERMANN, Hermann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchen lexikon. Bd. XI, Spalten 169-183. URL: http://www.bautz.de/bbkl/s/s4/ sudermann_h.shtml [22.7.2003]. Herzberg 1996. School-Scout.de The Femme Fatale in Oscar Wilde‘s Salomé. URL: http://www.schoolscout.de/TMDInfo.cfm?cfid=951604&cftoken=9972347&TMD=4046 [2.6.2003] Stott, Rebecca The Fabrication of the Late-Victorian Femme Fatale: The Kiss of Death. London 1994. 28