Auf dem Weg zu intelligenten technischen Systemen

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Auf dem Weg zu intelligenten technischen Systemen
Auf dem Weg zu intelligenten technischen Systemen
Jürgen Gausemeier, Harald Anacker, Anja Czaja, Helene Waßmann
Lehrstuhl für Produktentstehung, Heinz Nixdorf Institut, Universität Paderborn
Fürstenallee 11, 33102 Paderborn
Tel. 05251 / 60 6267, Fax. 05251 / 60 6268
E-Mail: {Juergen.Gausemeier | Harald.Anacker | Anja.Czaja |
Helene.Wassmann}@hni.upb.de
Roman Dumitrescu
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT,
Projektgruppe Entwurfstechnik Mechatronik,
Zukunftsmeile 1, 33102 Paderborn
Tel. 05251/5465 124, Fax. 05251/5465 102
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Erfolgsversprechende Produktinnovationen beruhen zunehmend auf dem engen Zusammenwirken von Mechanik, Elektrik/Elektronik und Softwaretechnik. Dafür steht der
Begriff Mechatronik. Aus der sich abzeichnenden Entwicklung der Informations- und
Kommunikationstechnik eröffnen sich für den modernen Maschinenbau und verwandte
Branchen faszinierende Perspektiven für die Produkte von morgen: Intelligente Technische Systeme. Durch die Vielfalt an Verfahren insbesondere nichttechnischer Disziplinen, wie der Kognitionswissenschaft oder der Neurobiologie besitzen diese Systeme
Eigenschaften, die so bislang nur von biologischen Systemen bekannt waren. Intelligente technische Systeme sind in der Lage, sich ihrer Umgebung und den Wünschen ihrer
Anwender im Betrieb anzupassen. Sie stiften Nutzen im Haushalt, in der Produktion, im
Handel, auf der Straße; sie sparen Ressourcen, sind intuitiv zu bedienen und verlässlich.
Wir präsentieren in diesem Beitrag Methoden und Ansätze zur Entwicklung derart
komplexer Systeme: Eine Spezifikationstechnik, die insbesondere der hohen Interdisziplinarität in den frühen Entwurfsphasen Rechnung trägt; Die Wiederverwendung von
Lösungswissen unter Nutzung neuartiger Technologien wie dem Semantic Web; Frühzeitige Analysen auf Basis der Prinziplösung, um das späte Auftreten von Fehlern signifikant zu reduzieren; Visuelle Analysen virtueller Prototypen mit Technologien der
Augment Reality und Virtual Reality. Abschließend erörtern wir die Begegnung zukünftiger Herausforderungen in der Produktentstehung durch das Systems Engineering.
Schlüsselworte
Produktentstehung, Mechatronik, intelligente technische Systeme, Spezifikationstechnik, Lösungswissen, frühzeitige Analysen, visuelle Analysen, Systems Engineering
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J. Gausemeier, H. Anacker, A. Czaja, H. Waßmann, R. Dumitrescu
Systematik der Produktentstehung
Der Produktentstehungsprozess erstreckt sich von der Produkt- bzw. Geschäftsidee bis
zum Serienanlauf. Er umfasst nach Bild 1 die Aufgabenbereiche strategische Produktplanung, Produktentwicklung und Produktionssystementwicklung. Die Produktionssystementwicklung beinhaltet im Prinzip die Fertigungsplanung bzw. Arbeitsplanung. Unserer Erfahrung nach kann der Produktentstehungsprozess nicht als stringente Folge von
Phasen und Meilensteinen verstanden werden. Vielmehr handelt es sich um ein Wechselspiel von Aufgaben, die sich in drei Zyklen gliedern lassen.
Bild 1: 3-Zyklen-Modell der Produktentstehung
Erster Zyklus: Von den Erfolgspotentialen der Zukunft zur Erfolg versprechenden
Produktkonzeption
Dieser Zyklus charakterisiert das Vorgehen vom Finden der Erfolgspotentiale der Zukunft bis zur Erfolg versprechenden Produktkonzeption – der sog. prinzipiellen Lösung.
Er umfasst die Aufgabenbereiche Potentialfindung, Produktfindung, Geschäftsplanung
und Produktkonzipierung. Das Ziel der Potentialfindung ist das Erkennen der Erfolgspotentiale der Zukunft sowie die Ermittlung entsprechender Handlungsoptionen. Es
werden Methoden wie die Szenario-Technik, Delphi-Studien oder Trendanalysen eingesetzt. Basierend auf den erkannten Erfolgspotentialen befasst sich die Produktfindung
mit der Suche und der Auswahl neuer Produkt- und Dienstleistungsideen zu deren Erschließung. Wesentliches Hilfsmittel zur Ideenfindung sind Kreativitätstechniken wie
das laterale Denken nach DE BONO [Bon96] oder Triz [TZZ98] und TechnologieRoadmaps. In der Geschäftsplanung geht es um die Erstellung einer Geschäfts- und
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Produktstrategie. Letztere enthält Aussagen zur Gestaltung des Produktprogramms, zur
wirtschaftlichen Bewältigung der vom Markt geforderten Variantenvielfalt, zu eingesetzten Technologien, zur Programmpflege über den Produktlebenszyklus etc. Die Produktstrategie mündet in einen Geschäftsplan, der den Nachweis erbringt, ob mit dem
neuen Produkt bzw. mit einer neuen Produktoption ein attraktiver Return on Investment
zu erzielen ist.
Zweiter Zyklus: Produktentwicklung/Virtuelles Produkt
Dieser Zyklus umfasst die fachgebietsübergreifende Produktkonzipierung, den fachgebietspezifischen Entwurf und die entsprechende Ausarbeitung sowie die Integration der
Ergebnisse der einzelnen Fachgebiete zu einer Gesamtlösung. Da in diesem Zusammenhang die Bildung und Analyse von rechnerinternen Modellen eine wichtige Rolle
spielt, hat sich der Begriff Virtuelles Produkt bzw. Virtual Prototyping verbreitet
[SK97].
Dritter Zyklus: Produktionssystementwicklung/Digitale Fabrik
Den Ausgangspunkt bildet die Konzipierung des Produktionssystems. Dabei sind die
vier Aspekte Arbeitsablaufplanung, Arbeitsmittelplanung, Arbeitsstättenplanung und
Produktionslogistik (Schwerpunkt: Materialflussplanung) integrativ zu betrachten. Diese vier Aspekte sind im Verlauf dieses dritten Zyklus weiter zu konkretisieren. Die Begriffe Virtuelle Produktion bzw. Digitale Fabrik drücken aus, dass in diesem Zyklus
ebenfalls rechnerinterne Modelle gebildet und analysiert werden – Modelle von den
geplanten Produktionssystemen bzw. von Subsystemen des Gesamtsystems wie Fertigungslinien und Arbeitsplätze.
Produkt- und Produktionssystementwicklung sind parallel und eng aufeinander abgestimmt voranzutreiben. Nur so wird sichergestellt, dass auch alle Möglichkeiten der
Gestaltung eines leistungsfähigen und kostengünstigen Erzeugnisses ausgeschöpft werden. Gerade bei mechatronischen Erzeugnissen, die sich durch die räumliche Integration
von Mechanik und Elektronik auszeichnen, sowie beim Einsatz neuer Hochleistungswerkstoffe, wird bereits das Produktkonzept durch die in Betracht gezogenen Fertigungstechnologien determiniert. Ferner können auch neue Produktkonzepte die Entwicklung von Fertigungstechnologien und Produktionssystemen erfordern. Demzufolge
sehen wir eine enge Verbindung und einen hohen Abstimmungsbedarf von Produktund Produktionssystementwicklung bereits in der Konzipierung, welcher im Verlauf der
weiteren Konkretisierung in Entwurf und Ausarbeitung weiterbesteht. Die beiden waagerechten Pfeile in Bild sollen das verdeutlichen.
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Intelligente technische Systeme
Erfolgsversprechende Produktinnovationen des modernen Maschinenbaus beruhen zunehmend auf dem engen Zusammenwirken von Mechanik, Elektrik/Elektronik und
Softwaretechnik. Dafür steht der Begriff Mechatronik. Es ist ein Kunstwort aus Mecha-
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nik und Elektronik, das die Erweiterung mechanischer Systeme um elektronische Funktionen widerspiegelt. Die Variantenvielfalt an mechatronischen Systemen ist groß. Bild
1 zeigt zwei Klassen, in die wir mechatronische Systeme untereilten [GF06].
Räumliche Integration
von Mechanik und Elektronik
Kontrolliertes Bewegungsverhalten
von Mehrkörpersystemen (MKS)
pareos® – parallel elektrooptisches Steckverbindungssystem (HARTING
Electro-Optics)
Bondkopf (Heinz Nixdorf
Institut, Wallaschek/Sextro)
MID-Gehäuse
(Heinz Nixdorf Institut,
Gausemeier/Rückert)
LED-basierte Heckleuchte
(Hella)
Fahrzeug Chamäleon
(Heinz Nixdorf Institut, Trächtler)
Zentrale Aufgabe:
Aufbau- und Verbindungstechnik
(z.B. Molded Interconnect Devices – MID)
Triplanar
(Heinz Nixdorf Institut,
Trächtler)
Zentrale Aufgabe:
Regelungstechnik (Mehrkörpersysteme
mit kontrolliertem Bewegungsverhalten)
Bild 1: Klassen mechatronischer Systeme
Ziel der ersten Klasse ist eine hohe Integration mechanischer und elektronischer Funktionsträger auf kleinem Bauraum. Wesentliche Erfolgspotentiale liegen in der Miniaturisierung, Funktionsintegration, der höheren Zuverlässigkeit und den geringeren Herstellkosten. Zentrale Aufgabe ist die Aufbau- und Verbindungstechnik z.B. auf Basis innovativer Technologien wie MID (Molded Interconnect Devices). Aufgrund starker
Wechselwirkungen zwischen Produkt und zugehörigem Produktionssystem sind diese
parallel und integrativ zu entwickeln.
Bei mechatronischen Systemen der zweiten Klasse liegt der Fokus auf der Verbesserung
der Verhaltensweise. Ziel ist es, Mehrkörpersysteme mit kontrolliertem Bewegungsverhalten zu entwickeln. Systeme dieser Klasse können durch Sensor-AktorVerknüpfungen sowie eine Informationsverarbeitung selbstständig auf Veränderungen
in ihrer Umgebung reagieren. Die Hauptaufgabe liegt im Entwurf und in der Optimierung der Regelungstechnik.
Aus der sich abzeichnenden Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik eröffnen sich faszinierende Perspektiven für mechatronische Systeme, die weit über
die bekannten Standards hinausgehen: Mechatronische Systeme mit inhärenter Teilintelligenz. Die Informationstechnik aber auch nichttechnische Disziplinen, wie die Kognitionswissenschaft oder die Neurobiologie bringen eine Vielfalt an Methoden, Techniken und Verfahren zur Weiterentwicklung technischer Systeme hervor, die bislang nur
von biologischen Systemen bekannt waren. Durch die Integration dieser Eigenschaften
werden Systeme zukünftig in der Lage sein sich der Lage ihrer Umgebung und den
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Wünschen ihrer Anwender im Betrieb anzupassen. Sie stiften Nutzen im Haushalt, in
der Produktion, im Handel, auf der Straße. Derartige Systeme lassen sich durch vier
zentrale Eigenschaften charakterisieren [Dum10]:
• Adaptiv: Sie interagieren mit dem Umfeld und passen sich diesem autonom an. So
können sie sich zur Laufzeit in einem vom Entwickler1 vorausgedachten Rahmen weiterentwickeln.
• Robust: Sie bewältigen unerwartete und vom Entwickler nicht berücksichtigte Situationen in einem dynamischen Umfeld. Unsicherheiten oder fehlende Informationen
können bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden.
• Vorausschauend: Auf der Basis von Erfahrungswissen antizipieren sie die künftigen
Wirkungen von Einflüssen; Gefahren werden frühzeitig erkannt und die passenden Strategien zu ihrer Bewältigung ausgewählt.
• Benutzungsfreundlich: Sie passen sich dem Benutzerverhalten an und stehen in einer
bewussten Interaktion mit dem Benutzer. Dabei bleibt ihr Verhalten für den Benutzer
stets nachvollziehbar.
In erster Linie vollzieht die Art der Informationsverarbeitung den Wandel von mechatronischen zu Intelligenten Technischen Systemen. Mechatronische Systeme besitzen
eine strarre Kopplung zwischen Sensorik und Aktorik. Intelligente technische Systeme
verfügen ebenfalls über diese Kopplung. Die meisten existentiellen Systemmechanismen müssen schon aus Gründen der Sicherheit reaktiv und reflexartig ablaufen. Die
Besonderheit intelligenter technischer Systeme liegt in der Modifikation der Kopplung
zwischen sensorischer Eingabe und aktorischer Ausgabe. Die Informationsverarbeitung
ermöglicht eine flexible und intelligente Anpassung des systemeigenen Verhaltens entsprechend der subjektiv wahrgenommen externen sowie internen Zuständen. Das aus
der Kognitionswissenschaft stammende Dreischichtenmodell für die Verhaltenssteuerung veranschaulicht diese Zusammenhänge (Bild 2, links) [Str98].
Das Modell beruht auf der Überlegung, dass bei komplexen kognitiven Systemen, wie
beispielsweise dem Menschen, die starre Kopplung der Sensorik und Aktorik mit der
modifizierbaren Kopplung koexistiert. STRUBE definiert hierfür eine Schicht für die
nicht-kognitive und eine Schicht für die kognitive Regulierung. Die Schnittstelle dieser
rein reaktiven und der kognitiven Schicht bildet eine Zwischenebene, welche die assoziative Regulierung beschreibt.
Die unterste Ebene des Schichtenmodells beinhaltet die nicht kognitive Regulierung.
Aufgrund der starren Kopplung zwischen der Sensorik und der Aktorik findet kein
Lernprozess statt. Lediglich in der assoziativen und kognitiven Schicht ist das System
lernfähig. Der Lernprozess in der mittleren Ebene, der assoziativen Regulierungsschicht, erfolgt durch klassische oder operante Konditionierung. Die Rede ist hierbei
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Es sind stets Personen weiblichen und männlichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen
der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet.
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vom assoziativen Lernen. Die oberste Ebene des Dreischichtenmodells beschäftigt sich
mit der kognitiven Regulierung. Kognition umfasst alle Arten von Vorgängen, die mit
der Aufnahme von Informationen, ihrer Verarbeitung und Speicherung im Gedächtnis
sowie ihrer Nutzung und Anwendung verbunden sind. Unter kognitivem Lernen werden
alle höheren und bewussten Stufen der Informationsverarbeitung zusammengefasst.
Dreischichtenmodell
Kognitive Regulierung
Zielmanagement, Planung und
Handlungssteuerung
Assoziative Regulierung
Reiz-Reaktions-Assoziationen
Konditionierung
Nicht kognitive Regulierung
Kontinuierliche Steuerung
und Regelung sowie Reflexe
Bild 2: Informationsverarbeitung in intelligenten technischen Systemen
Die technische Implementierung dieses Konzepts wird durch das Operator- ControllerModul (Bild 2, rechts) dargestellt, das im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 614
„Selbstoptimierende Systeme des Maschinenbaus“ entwickelt wurde [ADG+09]. Auf
Grundlage dieses Konzepts strukturieren wir ein intelligentes technisches System in vier
Einheiten: Grundsystem, Sensorik, Aktorik und Informationsverarbeitung (Bild 3). Die
Informationsverarbeitung interveniert durch ein Kommunikationssystem zwischen der
Sensorik und der Aktorik. Beim Grundsystem handelt es sich in der Regel immer noch
um mechanische Strukturen. Wir bezeichnen eine derart elementare Konfiguration als
Teilsystem. Beispiele für Teilsysteme sind Antriebe, Automatisierungskomponenten
und intelligente Energiespeicher. Systeme wie ein Fahrzeug oder eine Werkzeugmaschine bestehen aus mehreren Teilsystemen, die als interagierender Verbund zu betrachten sind.
Intelligente Technische Systeme sind in der Lage mit weiteren Systemen zu kommunizieren und kooperieren (Bild 3). Die Funktionalität dieses vernetzten Systems erschließt
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sich erst durch das Zusammenspiel der Einzelsysteme. Weder die Vernetzung noch die
Rolle der Einzelsysteme ist statisch. Der Verbund von Systemen muss in der Lage sein,
dynamisch auf wechselnde (vom Menschen geforderte) Gesamtfunktionalitäten reagieren zu können. Durch die voranschreitende Entwicklung des Internets spielt die geographische Nähe dabei keine Rolle mehr. Die Vernetzung erfolgt zunehmend in globaler
Dimension. Dabei werden Ansätze im Sinne von Cyber-Physical Systems integriert, die
in der Vergangenheit völlig separat betrachtet wurden, wie beispielsweise Cloud Computing. Das vernetzte System wird nicht mehr ausschließlich durch eine globale Steuerung beherrschbar sein. Ein global gutes Verhalten muss durch hochdynamische lokale
Strategien sichergestellt werden.
Vernetztes
System
Kommunikationssystem
Kommunikationssystem
Leistungsversorgung
Aktorik
Informationsverarbeitung
,
Kognitive
Regulierung
Assoziative
Regulierung
Nicht kognitive
InformationsRegulierung
verarbeitung
Teilsystem
Mensch-MaschineSchnittstelle
Mensch
Kommunikationssystem
Sensorik
Umgebung
Grundsystem
Legende
Informationsfluss
Energiefluss
interne Einheit
externe Einheit
Stofffluss
Bild 3: Technologiekonzept – Von den intelligenten Teilsystemen hin zum vernetzten,
Cyber-physischen System
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Entwicklung von intelligenten technischen Systemen
Der Entwurf intelligenter technischer Systeme ist eine Herausforderung. Etablierte Entwicklungsmethodiken des klassischen Maschinenbaus, wie die Konstruktionslehre nach
PAHL/BEITZ [PBF+07] und der Mechatronik, wie die VDI-Richtlinie 2206 „Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme“ [VDI2206], sind hier nicht ausreichend.
Dies betrifft insbesondere die frühen Phasen “Planen und Klären der Aufgabe“ und
“Konzipierung“, deren wesentliches Ergebnis die sogenannte Prinziplösung ist. Aus
diesen Gründen wird in Kapitel 3.1 eine von uns entwickelte Spezifikationstechnik für
die fachdisziplinübergreifende Systemkonzipierung erläutert. Anschließend wird die
Anwendung von Lösungswissen im Entwurf intelligenter Mechatronik beschrieben
(Kapitel 3.2). Die Prinziplösung von Produkt- und Produktionssystem ermöglicht dem
Entwickler vielfältige frühzeitige Analysen, diese werden in Kapitel 3.3 vorgestellt. In
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der Konkretisierung der Systeme sind virtuelle Prototypen ein fester Bestandteil. Kapitel 3.3 erläutert in diesem Zusammenhang das Potential visueller Analysen.
3.1
Fachdisziplinübergreifende Systemkonzipierung
Im Zentrum des Handlungsbedarfs auf dem Weg zu einer Entwicklungsmethodik für die
hier beschriebenen Systeme steht eine ganzheitliche integrative Spezifikation der Prinziplösung. Wie in Bild 4 angedeutet soll damit die Lücke zwischen dem Anforderungskatalog, der eine eher grobe Spezifikation des Gesamtsystems darstellt und naturgemäß
weit interpretierbar ist, und den etablierten Spezifikationstechniken der einzelnen Fachgebiete geschlossen werden. Die Spezifikation der Prinziplösung ist Grundlage für die
Kommunikation und Kooperation der Fachleute aus den beteiligten Disziplinen im Zuge der weiteren Konkretisierung, in deren Verlauf parallel gearbeitet wird.
Bild 4: Zentrale Herausforderung: eine neue Spezifikationstechnik zur Beschreibung
der Prinziplösung eines komplexen mechatronischen Systems
Im Einzelnen muss die adressierte Spezifikationstechnik nachfolgenden Anforderungen
genügen.
1) Ganzheitliche Abbildung der Prinziplösung: Es müssen alle den Aufbau, die Wirkungsweise und zugehörigen Abläufe beschreibenden Produktdaten des zu entwickelnden Systems zusammenhängend spezifiziert werden. Hierbei sind insbesondere Systemmerkmale wie Autonomie, Reaktivität, Proaktivität und Rekonfigurierbarkeit zu
berücksichtigen.
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2) Intuitive grafische Modellierung: Die Spezifikationstechnik soll durch eine geeignete Semiotik, Syntax und Semantik das intuitive Arbeiten domänenübergreifender
Teams fördern.
3) Unterstützung der Konzipierung: Die Spezifikationstechnik soll die Besonderheiten bei der Konzipierung der beschriebenen Systeme (Abstraktionsstufen, Dekomposition, Iterationen, Einsatz von Lösungsmustern etc.) unterstützen.
4) Gleichberechtigung der Domänen: Die involvierten Domänen sollen gleichrangig
behandelt werden.
5) Beherrschung der Komplexität: Bewährte Strukturierungskonzepte, wie Hierarchisierung und Modularisierung, müssen von der Spezifikationstechnik unterstützt werden.
6) Durchgängigkeit: Mit der Spezifikationstechnik sollen alle Ergebnisse der Entwicklungsphasen „Planen und Klären der Aufgabe“ und „Konzipierung“ durchgängig beschrieben werden. Ferner ist der Übergang in die jeweilige domänenspezifische Konkretisierung (Entwurf, Ausarbeitung u.ä.) zu unterstützen.
7) Erweiterbarkeit: An der Entwicklung der beschriebenen Systeme können neben den
Domänen Mechanik, Elektrotechnik/Elektronik und Softwaretechnik weitere Domänen
(z.B. Mikroelektronik, Optik, Hydraulik, Pneumatik etc.) beteiligt sein. Die Spezifikationstechnik soll um die Merkmale dieser Domänen erweiterbar sein.
Eine geeignete Spezifikationstechnik wurde im Sonderforschungsbereich (SFB) 614
„Selbstoptimierende Systeme des Maschinenbaus“ am Heinz Nixdorf Institut in Paderborn entwickelt. Diese gliedert sich in acht unterschiedliche Aspekte, die jeweils rechnerintern repräsentiert werden und zusammen ein System kohärenter Partialmodelle
bilden (vgl. Bild 5). Mit Hilfe der Aspekte werden sämtliche Gesichtspunkte des Systems berücksichtigt und allgemeinverständlich beschrieben. Zur Modellierung der Prinziplösung wurde der intuitiv zu bedienende und ergonomische Software-Prototyp Mechatronic Modeller entwickelt [GLL12]. Die Aspekte der Spezifikationstechnik werden
im Folgenden erläutert [GFD+08].
Umfeld: Das System wird zu Beginn als „Black Box“ in seinem Umfeld abgebildet.
Alle Einflüsse, die auf das System wirken sowie Systemelemente des Umfelds, die in
Wechselwirkung mit dem System stehen, werden modelliert.
Anwendungsszenarien: Anwendungsszenarien beschreiben eine situationsspezifische
Sicht auf das in der Prinziplösung beschriebene System und das Systemverhalten. Sie
bestehen aus einem Steckbrief und Verweise auf alle für das Szenario relevanten Elemente der Prinziplösung.
Anforderungen: Das Partialmodell umfasst eine strukturierte Sammlung aller Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt. In den Entwicklungsphasen Konzipierung und
Konkretisierung sind diese Anforderungen umzusetzen. Jede Anforderung wird textuell
beschrieben. Quantifizierbare Anforderungen werden durch Attribute und deren Aus-
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prägungen konkretisiert. Hilfestellung beim Aufstellen von Anforderungslisten geben
Checklisten [PBF+07], [Rot01].
Funktionen: Dieser Aspekt beinhaltet eine hierarchische Aufgliederung der Funktionalität des Systems. Eine Funktion ist der allgemeine und gewollte Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsgrößen mit dem Ziel, eine Aufgabe zu erfüllen. Funktionen werden durch Lösungsmuster bzw. deren Konkretisierungen realisiert. Eine Untergliederung in Subfunktionen erfolgt so lange, bis zu den Funktionen sinnvolle Lösungsmuster gefunden werden.
Bild 5: Aspekte der Spezifikationstechnik zur fachdisziplinübergreifenden Beschreibung der Prinziplösung [GFD+08]
Wirkstruktur: In der Wirkstruktur werden die Systemelemente, deren Merkmale sowie
die Beziehungen der Systemelemente zueinander beschrieben. Ziel ist die Abbildung
des grundsätzlichen Aufbaus und der prinzipiellen Wirkungsweise des Systems. Systemelemente repräsentieren Systeme, Module, Bauteile oder Software-Komponenten.
Stoff-, Energie- und Informationsflüsse sowie logische Beziehungen beschreiben die
Wechselwirkungen zwischen den Systemelementen.
Gestalt (Produkt): Bereits in der Konzipierung sind erste Festlegungen der Gestalt des
Systems vorzunehmen. Sie sind ebenfalls Teil der Prinziplösung. Der Aspekt umfasst
Angaben über Anzahl, Form, Lage, Anordnung und Art der Wirkflächen und Wirkorte
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des Systems. Des Weiteren können Hüllflächen und Stützstrukturen beschrieben werden. Die rechnerunterstützte Modellierung erfolgt mit Hilfe gängiger 3D-CADSysteme.
Verhalten: Bei der Spezifikation von mechatronischen Systemen spielt die Modellierung von Aktivitäten, Zuständen und Zustandsübergängen sowie die Auswirkung auf
die Wirkstruktur eine wesentliche Rolle. Diese Art der Modellierung erfolgt im Partialmodell Verhalten.
Zielsystem: Es handelt sich um die Repräsentation der externen, inhärenten und internen Ziele und ihren Verknüpfungen. Die externen und inhärenten Ziele sind hierarchisch als Baum dargestellt. Die Hierarchisierungsbeziehungen sind durch logische
Beziehungen mit Angabe des Hierarchisierungskriteriums ist Teilziel von… spezifiziert.
Aus den externen und inhärenten Zielen gehen die potentiellen internen Ziele hervor.
Die Beeinflussung der Ziele untereinander wird mit Hilfe einer Einflussmatrix ausgedrückt. Sie gibt an, ob die Ziele sich gegenseitig unterstützen, negativ beeinflussen oder
ob sie neutral zueinander sind.
3.2
Lösungswissen im Entwurf intelligenter Mechatronik
In der industriellen Wertschöpfung teilen sich Unternehmen vermehrt die Entwicklungsarbeit mit spezialisierten Anbietern von Lösungselementen. Die Zuhilfenahme von
externem Lösungswissen (Lösungselemente und Lösungsmuster) spielt eine immer
zentralere Rolle im Entwurf intelligenter mechatronischer Systeme. Lösungselemente
sind realisierte und bewährte Lösungen – Baugruppen, Module, Softwarebibliotheken
etc. – zur Erfüllung einer Funktion des Gesamtsystems. Es wird zwischen materiellen
und immateriellen Lösungselementen unterschieden, wobei materielle Lösungselemente
oftmals Softwareanteile enthalten. Die rechnerinterne Repräsentation von Lösungselementen besteht aus mehreren Aspekten wie Verhalten und Gestalt. Im Prinzip besteht
ein mechatronisches System aus einer Kaskade von Lösungselementen (Bild 6): Ein
Wälzlager ist Teil eines Servomotors; ein Servomotor ist Teil eines Roboters; ein Roboter wiederum ist Teil einer Fertigungsstraße.
Mit dem Internet haben sich für den Vertrieb von Lösungselementen Online-Kataloge
u.ä. verbreitet. Die Entwickler stehen regelmäßig vor der Herausforderung, das Internet
nach der am besten geeignetsten Lösung zu durchsuchen. Oftmals formulieren sie die
Suchanfragen in fachdisziplinspezifischen Terminologien und treffen auf unterschiedlichste Präsentationsformen der Anbieter – unternehmensspezifische Terminologie, Detailtiefe, Aufbau von Online-Katalogen etc. Zusätzlich sind die Entwickler mit der signifikant steigenden Anzahl von Lösungen konfrontiert. Generell steigen die Datenmengen im Internet explosionsartig an. Dies verdeutlichen folgende Zahlen einer Studie der
IDC [GR11-ol]:
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Das weltweite gespeicherte Datenvolumen lag im Jahre 2009 bei ca. 281 Millionen Gigabytes. Im Vergleich hierzu stieg die Zahl bis zum Jahre 2011 auf ca. 1,8
Billionen Gigabytes an. Insgesamt lässt sich von dem Jahre 2007 bis 2011 ein
Anstieg des Datenvolumens um den Faktor 9 verzeichnen.
Zukünftig ist eine anhaltende Tendenz dieser explosionsartigen Steigerung zu
erwarten. Aktuell ist davon auszugehen, dass sich das Datenvolumen im Zyklus
von zwei Jahren fortlaufend verdoppeln wird.
Bild 6: Kaskade von Lösungselementen
Vor diesem Hintergrund stellt sich nicht mehr die Frage, ob die gesuchten Informationen im Internet vorhanden sind, sondern wie diese gefunden werden können. Im Rahmen der Produktentwicklung lässt sich Folgendes erkennen: Entwickler brechen oftmals
die Suche nach der geeignetsten Lösung frühzeitig ab, da diese zeit-, kostenaufwändig
und wenig zielführend ist. Stattdessen werden feste Kooperationen mit Zulieferern eingegangen. Dies hat zur Folge, dass das Innovationspotential nicht vollständig ausgeschöpft wird.
Für die Entwickler, bzw. den Menschen allgemein, ist der Umgang mit derartigen Informationsmengen im Internet und dem Handling der sich daraus ergebenen Komplexität schon heute nicht mehr möglich. Die Bereitstellung der Informationen ist jedoch
vorwiegend auf den Menschen ausgerichtet. Es bleibt ihm überlassen, einzelne Internetseiten und deren Inhalte zu finden und zu interpretieren. Um dieser Komplexität zu begegnen, müssen verstärkt Softwarelösungen den Menschen bei der Verarbeitung der
Informationsflut unterstützen. Die zur Verfügung stehenden Informationen müssen so
angereichert werden, dass diese für den Menschen verständlich und vor allem durch den
Computer interpretierbar werden. Diese Vision formuliert BERNERS-LEE, der Erfinder
des World Wide Web, in seiner Idee vom Semantic Web [BHL01].
Das Semantic Web bietet enormes Potential zur Effizienzsteigerung der Entwicklung
mechatronischer Systeme. Wir haben daher einen Ansatz entwickelt, der die Auswahl
und Integration der am besten geeignetsten Lösungselemente unterschiedlicher Anbieter
signifikant verbessert. Lösungselemente werden aktuell in den Online-Produktkatalogen
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durch charakteristische Größen wie Parameter, Kennwerte o.ä. beschrieben. Um diese
Daten interpretieren zu können entwickelten wir eine geeigneten Infrastruktur, Beschreibungssprachen, Ontologien und Inferenzmechanismen. Ferner erfordert die notwendige Integration der Lösungselemente in die frühen Phasen des Entwurfs eine adäquate Aufbereitung zu Lösungsmustern und Verknüpfung mit Entwicklerexpertise. Allgemein beschreibt ein Lösungsmuster ein wiederkehrendes Problem in einem bestimmten Zusammenhang und den Kern der Lösung für dieses Problem [AIS+77]. Zusätzlich
ist ein Ordnungsschema erforderlich, in der das Lösungswissen eingeordnet werden
muss. Bild 7 zeigt die Notwendigkeit der Abstraktion von Lösungselementen unterschiedlicher Anbieter und die Eingliederung des Lösungswissens entlang des Entwicklungsprozesses. Beide Bereiche werden in den folgenden Unterkapiteln näher erläutert.
Bild 7: Abstraktion von Lösungselementen zu -mustern und deren Nutzung im Entwurfsprozess
3.2.1 Aufbereitung von Lösungswissen
Um Lösungselemente systematisch finden und verwenden zu können, sind diese einheitlich zu beschreiben. Für materielle Lösungselemente bestehen bereits Standards wie
z.B. eCl@ass. eCl@ss definiert sowohl eine hierarchische Strukturierung als auch eine
Reihe von Merkmalen mit denen Lösungselemente beschrieben werden. Anbieter können ihre Produkte mit den eCl@ss-Merkmalen spezifizieren und sie einer entsprechenden Klasse der eCl@ss-Hierarchie zuordnen [ecl@ss]. Diese Klassifizierung ist die
Grundlage zur Definition von Lösungsmustern.
Ein Lösungsmuster (LM) ist die abstrakte Darstellung einer Klasse von Lösungselementen und beschreibt daher deren Struktur und Verhalten in verallgemeinerter Form. Auf-
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grund der hohen Interdisziplinarität sowie steigenden Komplexität moderner Lösungselemente lassen sich zugehörige Lösungsmuster in der Regel nicht ausschließlich einer
Fachdisziplin zuordnen. Ein Lösungsmuster ist vielmehr eine Kombination fachdisziplinspezifischer Lösungsprinzipien. Bild 8 zeigt die Aggregation fachdisziplinspezifischer
Lösungsprinzipien zu (multidisziplinären) Lösungsmustern.
Die Konstruktionslehre definiert grundlegende Lösungsprinzipien im Maschinenbau
und in der Elektrotechnik als Wirkprinzipien [PBF+07]. Diese stellen dabei den Zusammenhang zwischen physikalischen Effekt sowie stofflichen und geometrischer
Merkmalen her. Ein Beispiel aus dem Maschinenbau ist die Vergrößerung einer Kraft
durch den Hebeleffekt. Ein Beispiel aus der Elektrotechnik ist das Wirkprinzip Lorentzkraft (Umwandlung von elektrischer Energie in mechanische Energie). Muster der
Softwaretechnik werden eingesetzt, um zusammenarbeitende Objekte und Klassen zu
speichern, falls diese ein allgemeines Entwurfsproblem lösen [GHJ+94]. Die Muster
enthalten Informationen darüber, wie sie in neuen Situationen genutzt und umgesetzt
werden können. Ein Muster der Regelungstechnik ist z.B. der Luenberger-Beobachter
[Foe08]. Muster zur Selbstoptimierung werden zur Integration kognitiver Funktionen
in fortgeschrittene mechatronische Systeme genutzt. Gemeint sind Funktionen wie autonomes Planen, Kooperieren, Handeln und Lernen. Sie dokumentieren einmal erfolgreich eingesetzte Verfahren der künstlichen Intelligenz, höheren Mathematik etc.
[DGR11].
Bild 8: Aggregation fachdisziplinspezifischer Lösungsprinzipien zu (multidisziplinären) Lösungsmustern
Analog zur Kaskade der Lösungselemente (Bild 6) lassen sich fachdisziplinspezifische
Lösungsprinzipien unter Berücksichtigung der Verträglichkeit zu vorrangig multidisziplinären Lösungsmustern aggregieren. Diese lassen sich wiederum zu übergeordneten
komplexeren Lösungsmustern kombinieren. So beruht beispielsweise das Lösungsmuster Lagersitz ausschließlich auf Wirkprinzipien des Maschinenbaus. Es repräsentiert
eine auf Reibung basierende Passung. Das LM Lagersitz ist z.B. Teil von dem multidisziplinären Lösungsmuster Servomotor. Neben unterschiedlichen Wirkprinzipien aus
dem Maschinenbau und der Elektrotechnik beruht dieses Lösungsmuster zusätzlich auf
Mustern der Regelungstechnik. Das LM Servomotor kann wiederum Teil des komple-
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xen Lösungsmusters autonomer Roboter sein. Dieses Lösungsmusters beruht darüber
hinaus auf weiteren Lösungsprinzipien aller beteiligten Fachdisziplinen.
Um der Interdisziplinarität im Kontext der Lösungsmuster gerecht zu werden ist eine
einheitliche Spezifikation erforderlich, die den Anforderungen aller beteiligten Entwickler gerecht wird. Bild 9 verdeutlicht die von uns erarbeitete Spezifikation, die sich zur
Aufnahme von Lösungsmustern beruhend auf physikalischen Effekten und/oder informationsverarbeitendem Verfahren eignet. ALEXANDER definiert vier Kategorien, die
jedes Muster enthalten muss: Name, Problem, Lösung, Kontext. In Anlehnung an diese
Unterteilung unterteilt sich unsere Spezifikation in mehrere Aspekte, die im Folgenden
erklärt werden.
Bild 9: Fachdisziplinübergreifende Spezifikation eines Lösungsmusters
Der Aspekt Funktionen ist hinsichtlich der Definition nach ALEXANDER gleichbedeutend mit dem zu lösenden Problem. Je nach Komplexität des Problems besteht ein Lösungsmuster – analog zu den Lösungselementen – aus einer inneren Kaskade weiterer
Lösungsmuster. Folglich können Lösungsmuster mehrere Funktionen erfüllen, die hierarchisch dargestellt werden. Die Wirkstruktur bildet den Kern der Lösungsbeschreibung. Es werden die Systemelemente sowie deren Beziehungen untereinander abgebildet. Die Darstellung der prinzipiellen Wirkungsweise des Lösungsmusters verdeutlicht,
wie die zuvor definierten Funktionen erfüllt werden. Der Aspekt Verhalten komplettiert die Lösungsbeschreibung. Die Spezifikation des Verhaltens ist insbesondere für
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Lösungsmuster mit Schwerpunkt Softwaretechnik relevant. Dieser Aspekt unterteilt sich
in Verhalten – Aktivitäten, Verhalten – Zustände und Verhalten-Zustände. Im Aspekt
Umsetzung wird festgehalten auf welchen Verfahren und/oder physikalischen Effekten
die Problemlösung beruht. Der Aspekt Merkmale umfasst sämtliche Eigenschaften, die
für das Lösungsmuster charakteristisch sind. In der Regel werden Parameterbereiche der
zugehörigen Lösungselemente in Intervallen angegeben. Der Aspekt Kontext beinhaltet
Anwendungen, in denen das Lösungsmuster bereits erfolgreich eingesetzt wurde. Jedes
Lösungsmusters verfügt über mindestens ein Anwendungsbeispiel. Im Aspekt Modelle
werden programmspezifische Ausprägungen hinterlegt, die je nach Entwicklungsaufgabe variieren können. Die Modelle dienen z. B. der Verhaltenssimulation. Auch die Anbindung parametrisierbarer Gestaltmodelle ist denkbar.
3.2.2 Einsatz von Lösungswissen im Entwurfsprozess
Bild 10 zeigt eine abstrakte Darstellung des Entwurfs mechatronischer Systeme unter
zur Hilfename von Lösungswissen aus dem Semantic Web. Der fachdisziplinübergreifender Entwurf mechatronischer Systeme beginnt mit der Zielbestimmung. Im Rahmen
der Aufgabenanalyse wird die Aufgabenstellung abstrahiert, um den Kern der Entwicklungsaufgabe zu identifizieren. Anschließend wird eine Umfeldanalyse durchgeführt, in
welcher die Randbedingungen und Einflüsse auf das System ermittelt werden. Die gesammelten Erkenntnisse werden nach Definition aller möglichen Anwendungsszenarien
in einer Anforderungsliste festgehalten. Diese ist Basis für die Definition der erforderlichen Funktionalität des Gesamtsystems in Form einer Funktionshierarchie.
Bild 10: Einsatz von Lösungswissen aus dem Semantic Web im Entwurf mechatronischer Systeme
Auf dem Weg zu intelligenten technischen Systemen
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Auf Grundlage der Zielbestimmung erfolgt die Auswahl von Lösungsmustern. Diese
gliedert sich in die unmittelbar aufeinander folgende Vorauswahl und Detailauswahl.
Vorauswahl: Um im Semantic Web nach Lösungsmustern suchen zu können, müssen
die Funktionen formalisiert beschrieben werden. Diesbezüglich wurde ein umfangreicher Funktionsverbenkatalog zur Beschreibung mechatronischer Systeme erarbeitet.
Etablierte Kataloge des klassischen Maschinenbaus [Kol98], [PBF+07], [Lan00],
[VDI2860] wurden um Verben zur Beschreibung der Informationsverarbeitung erweitert. Es wurden allgemeine Funktionsverben sowie zugehörige Synonymfunktionen
festgelegt. Speziell entwickelte Ontologien bilden die Verknüpfung zwischen den Funktionsverben untereinander sowie zu den Lösungsmustern im Semantic Web. Auf diese
Weise lässt sich eine große Vorauswahl potentiell einsetzbarer Lösungsmuster umsetzen. Beispiel: Funktion „Axialkraft erzeugen“ ergibt das Suchergebnis „Linearmotor“,
„Pneumatikzylinder“, „Deltaroboter“ etc..
Detailauswahl: Das Suchergebnis aus der Vorauswahl kann anschließend durch Berücksichtigung der Anforderungen detailliert werden. Hierfür wurde eine Methode zur Formalisierung von Anforderungen erarbeitet. Wesentliche Bestandteile sind Taxonomien
(z.B. für Wortklassen) sowie ein Parser. Ein Parser ist ein Bestandteil eines Interpreters
oder Compilers, mit dessen Hilfe eine beliebige Eingabe in seine Bestandteile zerlegt
und analysiert wird. Auf diese Weise werden z.B. textuelle Eingaben in Maschinensprache übersetzt und auswertbar gemacht. Die formalisierten Anforderungen werden anschließend mit den Merkmalen der potentiell in Frage kommenden Lösungsmuster abgeglichen. Beispiel: Die hinterlegten Merkmale der Lösungsmuster aus der Vorauswahl
„Linearmotor“, „Pneumatikzylinder“, „Deltaroboter“ etc. werden z.B. mit der Anforderung „zu verwendende Energieart: Druckluft“ abgeglichen. Folglich fallen die Lösungsmuster „Linearmotor“ und „Deltaroboter“ aus dem Suchergebnis heraus.
Nach der Auswahl und Kombination der Lösungsmuster werden die Wirkstruktur, Verhaltensmodelle und eine erste Grobgestalt erstellt. Die durch die Lösungsmuster bereitgestellten Systemelemente und Verhaltensmodelle werden für den spezifischen Entwicklungsgegenstand individuell ausgeprägt. Es existieren in der Regel nicht für alle
Funktionen geeignete Lösungsmuster im Semantic Web. In diesem Fall sind neuartige
Lösungskonzepte von den Entwicklern zu erarbeiten. Es ist durchaus denkbar, dass bereits in dieser frühen Phase der Entwicklung der Einsatz eines konkreten Lösungselements feststeht. Um das Lösungselement frühzeitig in die Prinziplösung integrieren zu
können, ist die Überführung der detailreichen und fachdisziplinspezifischen Beschreibung in die Partialmodelle Wirkstruktur und Verhalten erforderlich. Je nach Größe des
Gesamtsystems wird dieses im Rahmen der Konzipierung modularisiert. Die einzelnen
Module werden daraufhin verfeinert. Im Anschluss folgt die Zusammenführung der
konzipierten Module zu einem Gesamtsystem. Das Ergebnis ist die Prinziplösung des
mechatronischen Systems.
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Auf Basis der Prinziplösung folgt der fachdisziplinspezifische Entwurf und Ausarbeitung. Die Partialmodelle werden hierzu in die Beschreibungssprachen oder Modelle der
beteiligten Fachdisziplinen überführt und weiter verfeinert. So werden beispielsweise
für ausgewählte Servomotoren die Parameterbereiche (Bauraum, max. Drehzahl etc.)
festgelegt. Mit diesen zusätzlichen Informationen werden im Semantic Web geeignete
Lösungselemente ausgewählt, die den verwendeten Lösungsmustern durch semantische Annotationen zugeordnet sind. Lösungselemente, die bereits im Rahmen der Konzipierung feststanden, werden ebenfalls in die Gesamtlösung integriert. Prinzipiell besteht ein modernes maschinenbauliches System am Ende der Konkretisierung aus einer
Kombination bestehender Lösungselemente und innovativer Eigenentwicklungen repräsentiert durch Bauteil- und Komponentenstruktur. Eine Baustruktur repräsentiert den
Bauzusammenhang durch die Repräsentation der gestaltbehafteten Bauteile, deren Anordnung im Raum sowie deren logische Aggregation zu Baugruppen. Darüber hinaus
kann die Baustruktur variiert werden, um weitere Aspekte, beispielsweise der Fertigung,
der Montage, des Transports und der Wartung, abzubilden [PBF+07]. Eine Komponentenstruktur beschreibt das Zusammenwirken der Softwarekomponenten in einem Gefüge.
3.3
Frühzeitige Analysen
Je später im Entwicklungsprozess Schwachstellen oder Fehler von Produkt und Produktionssystem entdeckt werden, desto zeit- und kostenintensiver ist deren Behebung. Daher ist es notwendig, das System zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu analysieren
und zu optimieren. Frühzeitige Analysen auf Basis der Prinziplösung von Produkt und
Produktionssystem ermöglichen dem Entwickler die frühzeitige Validierung der Prinziplösung eines mechatronischer Systems und vermeiden das späte Auftreten von Fehlern. Im Folgenden werden Ansätze zur frühzeitigen Analyse folgender Aspekte erläutert: Produktmodularisierung, Zuverlässigkeit, dynamisches Verhaltens, Herstellkosten,
Robustheit und Prozessgestaltung (Bild 11).
Produktmodularisierung
Die Produktstruktur wird im Rahmen der frühen Entwicklungsphasen erarbeitet und
beeinflusst die Eigenschaften und die weitere Entwicklung des Produkts stark. Bei der
Produktstrukturierung werden unterschiedliche Beziehungsaspekte – räumliche Abhängigkeiten, Stoff-, Energie- und Informationsflüsse sowie Eigenschaften der Systemelemente – untersucht, um das System hierarchisch zu staffeln. Voraussetzung dafür ist ein
übergreifendes Verständnis der Funktionsweise des Produkts und aller seiner Abhängigkeiten, die aus dem interdisziplinären Ansatz der Mechatronik resultieren [BF04].
Das angestrebte Resultat ist eine hierarchische Erzeugnisgliederung, die das Produkt in
parallel weiterzuentwickelnde Einheiten unterteilt und damit die Komplexität handhabbar macht.
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Auf Basis von fachgebietsübergreifende Spezifikation der Prinziplösung kann für spezifische Entwicklungsaufgaben die optimale Produktstruktur ermittelt und ihre Erstellung
unterstützt werden. Die Produktstrukturierung mit der fachgebietsübergreifenden Spezifikation der Prinziplösung erfolgt dabei parallel zur Modellierung der Prinziplösung
[Ste07].
Bild 11: Übersicht frühzeitiger Analysen auf Basis der Prinziplösung
Zuverlässigkeit
Eine besondere Herausforderung im Entwicklungsprozess mechatronischer Systeme ist
die Überprüfung und Steigerung der Zuverlässigkeit. Etablierte Methoden zur Sicherung der Zuverlässigkeit setzen einen detaillierten Systementwurf voraus; entsprechende
Änderungen sind jedoch mit einem hohen Aufwand verbunden. Eine weit verbreitete
und bewährte Methode zur Steigerung der Zuverlässigkeit ist die Fehlermöglichkeitsund -Einflussanalyse (FMEA). Mit dieser Methode werden mögliche Fehler, Fehlerfolgen und Fehlerursachen identifiziert und bewertet. Anschließend werden Maßnahmen
zur Behebung dieser Fehler festgelegt, um die Produktzuverlässigkeit zu erhöhen. Bislang wird die FMEA vorwiegend in späten Entwicklungsphasen zur Bewertung und
Verbesserung der Entwürfe eingesetzt. Dieses Vorgehen birgt das Risiko, dass
Schwachstellen und unverträgliche Teillösungen bis zur Systemintegration unentdeckt
bleiben. Der frühzeitige Einsatz der FMEA setzt aber voraus, dass bereits analysierbare
Entwürfe des Systems vorliegen.
Die disziplinübergreifende Spezifikation der Prinziplösung bildet eine Grundlage für die
Durchführung der FMEA. Auf Basis der Prinziplösung kann die die FMEA bereits in
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der Konzipierung durchgeführt werden. Resultate sind die optimierte Prinziplösung sowie eine Sammlung von Maßnahmen zum Abstellen potentieller Fehler im späteren
Entwicklungsverlauf. Die in den frühen Phasen begonnene FMEA wird während des
gesamten Entwicklungsprozesses konkretisiert und erweitert [Gau10].
Dynamisches Verhalten
Mechatronische Systeme, bei denen der Schwerpunkt auf dem kontrollierten Bewegungsverhalten liegt, sind geprägt durch eine komplexe Systemdynamik. Diese gilt es
bereits ab den frühen Entwurfsphasen fortlaufend abzusichern. Vor diesem Hintergrund
haben wir einen Ansatz zur frühzeitigen Analyse des dynamischen Systemverhaltens
mit Hilfe von Modelica-Modellen entwickelt. Modelica ist eine Beschreibungssprache
zur Spezifikation physikalischer Modelle. Mit Hilfe von Modelica lassen sich komplexe
technische Systeme objektorientiert und gleichungsbasiert beschreiben [Mod09]. Ein
weiterer Vorteil ist die textbasierte Beschreibung des Modelica-Modells, die eine automatisierte Erstellung initialer Modelle ermöglicht. Zur Analyse und zur weiteren Auslegung von Systemeigenschaften wird das Simulationsprogamm Dymola verwendet
[Dyn10].
Die automatisierte Erstellung der Simulationsmodelle basiert auf den erstellten Partialmodellen Wirkstruktur und Verhalten-Zustände der Prinziplösung. Mit Hilfe eines
Konverters werden die benötigten Informationen zum Aufbau des Modells aus den Mechatronic Modeller- Dateien extrahiert. Während der Konvertierung werden aus den
simulationsrelevanten Daten der Systemelemente idealisierte Modelica-Modelle erstellt.
Diese werden zu einem Gesamtsimulationsmodell kombiniert, parametriert und miteinander verbunden. Ausgehend von dem Partialmodell Verhalten-Zustände wird die zustandsbasierte Ansteuerung in Modelica erstellt. Mit Hilfe dieser automatisierten Erstellung von Modelica-Simulationsmodellen lässt sich das dynamische Systemverhalten
bereits frühzeitig analysieren und absichern. Gewonnene Erkenntnisse aus der Analyse
fließen in die Partialmodelle zurück.
Herstellkosten
Herstell-, Selbst- und Lebenslaufkosten bestimmen maßgeblich die Marktattraktivität
eines Produkts. Die Kostenbeeinflussung ist in den frühen Phasen der Produktentwicklung am größten. Folglich besteht der Bedarf einer frühen Analyse der entstehenden
Kosten auf Basis der Prinziplösung von Produkt- und Produktionssystem.
Zur frühzeitigen Herstellkostenanalyse wird der Produktionsprozess auf Basis der Prinziplösung von Produkt- und Produktionssystem mit seinen Prozessschritten abstrakt
beschrieben. Zur Beschreibung der Prozessschritte werden dabei Kennzahlen herangezogen (z.B. Maschinenstundensatz, Rüstzeiten oder Qualitätsgrad), die auf Basis von
Erfahrungswissen geschätzt oder aus empirischen Daten der Vergangenheit ermittelt
werden müssen. Je nach Datengrundlage und Güte der Expertenschätzung ist die
dadurch entstehende Unsicherheit der Parameter unterschiedlich. Hinzu kommt, dass
die Prozessparameter aufgrund des stochastischen Verhaltens von Maschinen und Men-
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schen ebenfalls stochastischer Natur sind, d.h. sie schwanken. Für eine adäquate Prognose der Herstellkosten müssen diese Unsicherheiten und stochastischen Schwankungen
abgebildet und quantifiziert werden. Simulationsansätze sind sehr gut geeignet, um
Aussagen über das gesamte System zu treffen, da sie eine einfache Integration stochastischer Größen ermöglichen. Die Bewertung erfolgt dabei für unterschiedliche Stückund Variantenzahlen, deren Intervalle vom Benutzer angegeben werden können. Es
werden Kombinationen aus Stück- und Variantenzahl gebildet, für die in mehreren Simulationsläufen die Herstellkosten bestimmt werden [GLL12].
Strukturrobustheit
In der Produktentstehung stellt der Umgang mit Änderungen und Störungen eine weitere Herausforderung dar. Änderungen können geplant und somit frühzeitig bekannt sein,
beispielsweise Facelifts, oder ungeplant auftreten, wie Gesetzesänderungen oder auch
der Vorsprung von Konkurrenten durch neue Technologien. Nach FRICKE ET AL.
[FGN+00] können fünf grundsätzliche Strategien zum Umgang mit Änderungen angewendet werden, um die Effektivität und Effizienz bei zukünftigen Änderungen zu verbessern. Änderungen können vermieden, in frühe Phasen verlagert oder effizient durchgeführt werden. Die Robustheit eines Produktkonzeptes ist ein Maß für seine Unempfindlichkeit gegenüber gewollten und ungewollten Änderungen und deren Auswirkungen.
Zur Bewertung der Strukturrobustheit wird auf Basis der Prinziplösung wird zunächst
eine Multiple- Domain- Matrix erzeugt, in dieser Matrix werden die Elemente der Aspekte Anforderungen, Funktionen, Bauteile, Prozesse und Ressourcen aufgelistet und
einander gegenübergestellt. In die Zellen der Matrix werden anschließend die zwischen
den Elementen bestehenden Abhängigkeiten eingetragen. Dabei bleibt die Diagonale
der Matrix leer, da sich die Elemente nicht selbst beeinflussen. Die Beschreibung der
Abhängigkeiten erfolgt binär (1= Es besteht eine Relation zwischen zwei Elementen; 0=
Es liegt keine Relation zwischen diesen Elementen vor). Die Berechnung der Strukturrobustheit eines Produktkonzepts erfolgt auf Basis der modellierten Abhängigkeiten.
Für die Berechnung der Strukturrobustheit werden hierbei folgende Faktoren betrachtet
[KHS+11]:

Der Einfluss eines Elements auf die Gesamtstruktur.

Die Auswirkungswahrscheinlichkeit einer Änderung an diesem Element.
Im Anschluss an die Berechnung erfolgt die Visualisierung und Analyse. Ein KritischeElemente-Portfolio (KE-Portfolio) ermöglicht die Klassifikation der Elemente nach ihrem Einfluss und der Auswirkungswahrscheinlichkeit und unterstützt die Wahl einer
geeigneten Strategie. Das KE-Portfolio wird durch die Dimensionen „normierter Einflusswert“ und „Auswirkungswahrscheinlichkeit“ aufgespannt. In das Portfolio werden
die Modellelemente des betrachteten Produktkonzepts eingetragen und Handlungsempfehlungen abgeleitet [HHL10].
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Prozessgestaltung
Die Realisierung fortschrittlicher mechatronischer Systeme führt zu einer ohne Dynamik und Komplexität des Entwicklungsprozesses. Die Handhabung stellt die Prozessverantwortlichen und die involvierten Entwickler vor große Herausforderungen. Die
Interdisziplinarität der Produkte erfordert eine an die Produkteigenschaften angepasste
Entwicklungsprozessgestaltung.
Die disziplinübergreifende Prinziplösung des Produkt und Produktionssystems bildet
die Grundlage für die Gestaltung des folgenden Entwicklungsprozesses. Die Aspekte
Wirkstruktur und Funktionen sind die Hauptinformationsträger. In der Wirkstruktur
werden die Systemelemente und ihrer Beziehungen hinterlegt, diese können dann in
Systemmodulen zusammengefasst werden. Dies strukturiert die Entwicklungsaufgaben.
Außerdem werden für die Systemelemente die verantwortlichen Fachdisziplinen und die
dazugehörigen Entwicklungsobjekte (z.B. CAD-Modelle) hinterlegt. Aus diesen Informationen werden Zielentwicklungsobjekte abgeleitet. Ein Abgleich mit vorhandenen
Entwicklungsobjekten ermöglicht das Aufstellen einer groben Prozessstruktur. Diese
wird anschließen in einer Prozesssynthese verfeinert. Hierzu werden zum einen die Modulverbindungen analysiert und entsprechende Vorgangsfolgen abgeleitet. Außerdem
werden modulinterne Vorgangsfolgen bestimmt. Die Prinziplösung ermöglicht das Ableiten von Hilfsmittel, Ressourcen und benötigten Fähigkeiten in der Entwicklung. Die
frühzeitige Analyse ermöglicht somit die Ableitung von Prozessplänen und das Zuordnen entsprechender Ressourcen [Kah12].
3.4
Visuelle Analysen
Ausgehend von der Prinziplösung erfolgt die domänenspezifische Konkretisierung des
mechatronischen Systems. Virtuelle Prototypen sind ein fester Bestandteil der Konkretisierung. Ein virtueller Prototyp ist die rechnerinterne Repräsentation eines echten Prototypen und wird aus mehreren Modellen gebildet, die unterschiedliche Aspekte eines
Systems beschreiben [GEK01]. Primär sind dies die Aspekte Gestalt, Produktstruktur
und Verhalten. Kapitel 3.3 hat gezeigt, dass während der Konzipierung des Systems
frühzeitige Analysen von Bedeutung sind. Ähnlich wird im Zuge der Konkretisierung
der virtuelle Prototyp analysiert und bewertet, um Funktionen eines mechatronischen
Systems abzusichern bevor ein realer Prototyp gebaut wird.
Intelligente mechatronische Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass in deren Informationsverarbeitung komplexe Verfahren wie Optimierung oder Planung oder aber
komplexe Regelungsstrategien eingesetzt werden. Eine Analyse solcher Verfahren ist
bisher schwierig, denn:

Informationstechnische Prozesse sind nicht ohne weiteres sichtbar. Interne Zustände oder Systemgrößen, sowie deren Zusammenwirken sind nur schwer nachvollziehbar.
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
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Intelligente mechatronische Systeme sind lernfähig; Sie optimieren ihr Verhalten
während des Betriebs. Die Lernprozesse können zu kritischen Situationen führen, in
denen das System seine Funktion nicht mehr ausführen kann. Es muss durch einen
Entwickler dennoch sichergestellt werden, dass geforderte Funktionen innerhalb
akzeptabler Grenzen vollzogen werden.
Um diesem zu begegnen, bedarf es rechnerunterstützter Hilfsmittel, die einem Ingenieur
eine eingängige Analyse und Bewertung virtueller Prototypen ermöglichen. Hierfür
setzen wir die Technologie Virtual Reality (VR) sowie weitere, in diese integrierte Visualisierungstechniken ein. Virtual Reality ist eine Mensch-Maschine-Schnittstelle, mit
der virtuelle Prototypen erlebbar gemacht werden. Dies gilt insbesondere für die Gestalt
und das Verhalten, wie der Kinematik eines technischen Produktes. Die zusätzlichen
Visualisierungstechniken stellen zudem Simulationsdaten aus der Informationsverarbeitung in Bezug zum Bewegungsverhalten des Systems anschaulich dar.
In den folgenden Unterkapiteln zeigen wir zwei Beispiele aus dem Kontext des Systems
RailCab, die mit Hilfe von Visualisierungstechniken in VR analysiert werden: in 3.4.1
die Simulation der Konvoifahrt mehrerer Fahrzeuge und die Kommunikation zwischen
den Fahrzeugen und in 3.4.2 die Simulation eines mechatronischen Moduls, des sogenannten sturzvariablen Fahrwerks.
3.4.1
Simulation der Konvoifahrt
Die Konvoifahrt ist eine wesentliche Eigenschaft des RailCab-Systems. Dabei besteht
ein Konvoi aus einem Konvoi-Führungsfahrzeug und mehreren Folgefahrzeugen. Das
Führungsfahrzeug legt die Fahrtroute und weitere Parameter fest, wie z.B. die Geschwindigkeit, und sendet diese an alle Folgefahrzeuge. Zur Modellierung der Konvoibildung und Konvoifahrt wird ein Zustandsautomat eingesetzt, der die drei Zustände
Konvoi-Bildung, Konvoi-Auflösung und Konvoi-Folgefahrt (Konvoi, mit kleinem Abstand) enthält. Die Regelung der Konvoifahrt wird in [HTS+08] näher erläutert. Der
Prozess der Konvoibildung, der Konvoifahrt sowie der Konvoiauflösung ist hochdynamisch und sicherheitskritisch, weil die Fahrzeuge mit sehr kleinem Abstand hintereinander fahren. Eine sichere Kommunikation ist dafür Grundvoraussetzung. Dies wird
über Kommunikationsprotokolle gewährleistet. Sie sorgen dafür, dass der gesamte
Konvoiprozess zuverlässig läuft, indem z.B. maximale Abbremsungs-/VerzögerungsGrenzen eines Fahrzeugs im Konvoi an alle Teilnehmer kommuniziert werden. Diese
Organisation aller Teilnehmer ist für den kollisionsfreien Konvoiprozess entscheidend
[HWK+12].
Für die Gewährleistung einer fehlerfreien Simulation der Konvoifahrt, ist die Analyse
der regelnden Informationsverarbeitung entscheidend. Hier wird die visuelle Analyse
herangezogen, mit der entscheidungsrelevante Informationen, Systemgrößen oder interne Zustände anschaulich dargestellt werden.
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Bild 12 zeigt mehrere Fahrzeuge während der Konvoifahrt. Zur Darstellung des Abstands zwischen den Fahrzeugen werden Linien eingeblendet. Die Einfärbung der Linien gibt Aufschluss darüber, ob die RailCabs einen kritischen Sicherheitsabstand einhalten. Ein kritischer Abstand wird als rote, ein unkritischer Abstand als grüne Linie
dargestellt. Die Kommunikation wird mit Hilfe einer gestrichelten, animierten Linie
angezeigt. Eine Annotation an dieser Linie verdeutlicht, welche Art von Daten übertragen wird.
Bild 12: Darstellung der Inter-Fahrzeug Kommunikation sowie der Abstände zwischen
den Fahrzeugen
Bei konventionellen Analysen der Konvoifahrt müssen von einem Entwickler vielzählige Daten, wie Position, Geschwindigkeit, sowie übertragene Daten überwacht werden.
Dies erfolgt in der Regel mit Hilfe von mehreren 2-dimensionalen Diagrammen (z.B.
Zeit-Weg-Diagramme, Signal-Diagrammen), die gleichzeitig überwacht werden müssen. Die Nachteile sind, dass mehrere Diagramme schnell übersichtlich werden oder das
Zusammenwirken unterschiedlicher Systemgrößen nicht ohne weiteres erkennbar ist.
Mit Hilfe der visuellen Analyse kann das Bewegungsverhalten der Fahrzeuge, der Prozess der Konvoibildung, der Abstand zwischen Fahrzeugen sowie der Kommunikationsaufbau und -daten in einer gemeinsamen Umgebung untersucht werden. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Systemgrößen kann durch einen Entwickler schneller
erkannt werden.
Bild 13 stellt ein RailCab und weitere Informationen auf einem Head-Up-Display dar.
Es werden zum einen Systemgrößen, wie Soll- und Ist-Geschwindigkeit angezeigt, zum
anderen werden interne Konvoi-Zustände mit Hilfe eines Zustandsdiagramms präsentiert. Der aktuell aktive Zustand wird in dem Zustandsdiagramm hervorgehoben. Im
Bild befindet sich das RailCab zur Zeit im Zustand „kein Konvoi“. Durch die Darstel-
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lung der sonst nicht ohne weiteres sichtbaren Zustände kann ein Entwickler jederzeit
interne Regler-Zustände überwachen.
Bild 13: Darstellung der internen Konvoi-Zustände eines RailCabs sowie weitere
Informationen zur Geschwindigkeit
3.4.2
Simulation des sturzvariablen Fahrwerks
Das sogenannte sturzvariable Fahrwerk des Systems RailCab kann selbstständig über
passive Weichen lenken und seine Räder entsprechend dem Streckenverlauf neigen
(stürzen). Bei gewöhnlichen Fahrwerken für Bahnfahrzeuge wird die Spurführung über
die Reibkräfte des Rad-Schiene-Kontakts gewährleistet. Reibung und die daraus resultierenden Kräfte lassen sich jedoch nur sehr unzuverlässig bestimmen. Bei Schnee,
Laub oder vereisten Schienen können diese abnehmen. Für ein selbstlenkendes Fahrwerk bedeutet dies ein Sicherheitsrisiko, da die Spurführung bzw. die Lenkung nicht
durch die Schienen und aktive Weichenverstellung zwangsgeführt wird. Durch das
Stürzen der Räder des neuartigen Fahrwerks kann die Spurführung von der Reibung
entkoppelt werden, wodurch die Fahrt über die Schienen sicherer wird.
Die Auslegung und Erprobung von Regelstrategien des Sturzvariablen Fahrwerks erfolgt an einem realen Prüfstand im Maßstab 1:2,5. Ziel bei der Reglerauslegung ist, die
Position des Fahrwerks in der Spur zu regeln. Allerdings wird eine intelligente Regelung eingesetzt, die die Regelstrategie selbst festlegt. Regelstrategie bedeutet hier: Soll
die Spurführung mit dem sturzvariablen Fahrwerk aktiv geregelt werden oder nicht?
Aus Gründen der Energieeffizienz ist es nicht immer erforderlich, die Sturzverstellung
zu aktivieren. Diese soll nur situationsbedingt eingestellt werden, um die Lenkung bei
mangelnder Reibung zu unterstützen. Hierfür wurde eine hierarchische Regelstruktur
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entwickelt, die eine übergeordnete Regelung und eine lokale Regelung enthält (siehe
Bild 14, [BT11]).
Bild 14: Hierarchische Struktur der Regelung des Sturzvariablen Fahrwerks (links),
CAD-Modell des Fahrwerks und Prinzip der Lenk- und Sturzverstellung
(rechts) [BT11]
Die übergeordnete Regelung ist dem reflektorischen Operator (RO) des OperatorController-Moduls zuzuordnen. Sie besteht aus einer Spurführungsregelung und einer
Überwachungs- und Diagnostik-Einheit und gibt globale Steuersignale an die lokale
Regelung. Die Spurführungsregelung gibt Konfigurationen von Reglermodellen der
lokalen Regelung vor. Die Regelung des Lenkwinkels erfolgt kontinuierlich; die Regelung der Sturzverstellung wird jedoch abhängig unterschiedlicher Umgebungssituationen aktiviert: zur Vorsteuerung bei der Kurvenfahrt, beim Verlassen einer SicherheitsZone2 (hohe Querverschiebung), bei Ausfall der Lenkaktorik oder bei instabilem Verhalten. Zum Aktivieren des Sturzes werden zwei unterschiedliche Strategien verfolgt.
Bei der ersten Strategie wird die Querverschiebung (Sicherheitszone) des Rads durch
den Sensor gemessen. Wird ein Schwellwert überschritten, wird der Rad-Sturz aktiviert.
Bei der zweiten Strategie wird der maximale Reibungswert in Querrichtung geschätzt3.
Wird die Reibung zu klein, wird ebenfalls der Rad-Sturz aktiviert (vgl. [BT11]).
2
Sicherheitszone des Fahrwerks: Die Sicherheitszone ist durch die Querverschiebung des Rads auf dem
Gleis definiert. Bei zu hoher Querverschiebung wird die Sicherheitszone verlassen. Der Bereich der Sicherheitszone wird durch die obere Ebene (KO) des Operator-Controller-Moduls vorgegeben. Er sollte
nicht zu klein sein, das dies nicht energieeffizient ist (Optimierungsproblem) [GT09], [GSS+10].
3
Der Reibwert kann nicht gemessen werden, hierzu werden Schätzverfahren verwendet, auf die nicht
näher eingegangen wird.
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Die Überwachungs- und Diagnoseeinheit beobachtet die Fahrwerks-Position und
-Verhalten auf der Schiene. So fängt sie Fehlfunktionen oder Ausfall der Sensoren ab
und veranlasst eine neue Berechnung zur Messgrößenaufbereitung (fehlertolerante Regelung). Fallen alle Sensoren oder Aktoren aus, wird ein Nothalt des Fahrzeugs erzwungen.
Ziel der visuellen Analyse innerhalb einer VR-Anwendung ist es, die Analyse des Systemverhaltens bei der Reglerauslegung des Fahrwerks-Prüfstands zu verbessern. Da das
System in Entwicklung ist, existiert keine reale Schienenstrecke, auf der der Prüfstand
getestet werden kann. Die VR-Anwendung wird dazu eingesetzt, um eine Zuordnung
des Verhaltens eines realen Fahrwerks zu einem virtuellen Streckenverlauf zu ermöglichen, indem in dieser ein 3D-Modell einer Schienenstrecke und ein 3D-Modell des
Fahrwerks dargestellt wird. Die Simulationsdaten des realen Prüfstand werden dabei
online über eine Echtzeit-Bus Verbindung bezogen. Dadurch wird der Zusammenhang
zwischen Anregung des Fahrwerks durch die Schienenstrecke und des darauf folgenden
Systemverhaltens deutlich (nähere Informationen zu dem Systemaufbau der Anwendung befinden sich bspw. in [RW08]).
Im Folgenden werden Visualisierungstechniken vorgestellt, die abstrakte Daten des
Reglers im Zusammenhang mit dem Fahrwerksverhalten erklären. Die Beispiele in Bild
15 bis Bild 17 stellen unterschiedliche Untersuchungsgegenstände des Fahrwerks dar.
Haupt-Untersuchungsgegenstand sind die Stabilität des Fahrwerks und die Regelgüte
der Spurführungsregelung. Sie sollen fortwährend in Abhängigkeit unterschiedlicher
Parameter und des Regler-Zustands untersucht werden. Dazu werden in der VRAnwendung Regler-Zustände, die aktuellen Lenk- und Sturzwinkel sowie die Querverschiebung des Fahrwerks im Gleis präsentiert.
Bild 15 stellt die Ausgangssituation dar. Zu sehen ist das Fahrwerk auf einer Schienenstrecke, das während der Fahrt animiert wird. Unten links sind die Stabilität und Regelgüte dargestellt. Für die Stabilität werden Zustands-Anzeigen mit den Zuständen stabil
oder instabil verwendet. Die Färbung eines Zustands verdeutlicht den Status (rot: instabil, grün: stabil). Die Regelgüte wird mit Hilfe eines animierten Balkendiagramms dargestellt. Die Länge des Balkens ändert sich mit Änderung der Soll/Ist-Abweichung.
Wird die Differenz zwischen Soll und Ist zu groß (Ausschlag des Balkens), wird der
Balken rot gefärbt. Oben links sind als HUD (Head-Up-Display) die Systemkomponenten der übergreifenden Regelung dargestellt: die Spurführungsregelung und die Überwachung- und Diagnostik.
Des Weiteren sind die Komponenten der lokalen Regelung dargestellt: Lenkung links,
Lenkung rechts, Sturz links und Sturz rechts. Jede der Komponenten kann den Status
aktiv, inaktiv oder ausgefallen annehmen, welcher durch einen farbigen Rahmen angezeigt wird. Im Bild sind aktuell beide Regler zur Lenkung aktiv (grün), die zum Stürzen
inaktiv. Auch die Aktorik zur Lenkung ist aktiv. Dies ist zum einen durch die Bewegung der Räder deutlich, zum anderen wird sie durch die zusätzliche Visualisierung des
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Lenkwinkels Mit Hilfe von Halbkreisen verdeutlicht. Dabei stellt ein Halbkreis eine
Skala von einer Lenkwinkelgröße zwischen -3° und 3° dar. Die aktuelle Größe des
Lenkwinkels wird kenntlich gemacht, indem der entsprechende Anteil des Halbkreises
eingefärbt wird (siehe dunkelblaues Kreissegment).
Bild 15: Darstellung der übergeordneten Regelung und der Lenkwinkel der FahrwerksAktorik
Mit Hilfe der VR-Anwendung und den Visualisierungstechniken kann ein Entwickler
seinen Regler zur Lenkung überprüfen. Der Vorteil ist, dass er interne Parameter und
Systemgrößen der Regler sowie den Status der übergeordneten Regelung sieht und der
Zusammenhang zwischen Umgebung und Verhalten sofort ersichtlich ist. Am realen
Prüfstand ist dieser Zusammenhang nicht direkt sichtbar.
Bild 16 zeigt ein Fahrwerk, das den Sicherheitsbereich verlassen hat (zu hohe Querverschiebung). Hier erfolgt eine zusätzliche Visualisierung der Querverschiebung. Dazu
wird ein Balken am Fahrwerk-Rad platziert. Die Länge des Balkens bewegt sich mit der
Größe der Querverschiebung. Der Balken stellt die Querverschiebung aufgrund sehr
kleiner Zahlenwerte überhöht dar. Ein Farbverlauf von grün nach rot signalisiert zusätzlich das Gefahrenpotential. Die Farben repräsentieren die Grenzwerte der Sicherheitszone. Bei Überschreitung eines Schwellwerts wird der Balken rot. Bei Überhöhung eines Schwellenwerts (hier > 2) erhält die Überwachung- und Diagnostik das Signal der
Querverschiebung und aktiviert für jedes Rad den Regler zur Sturzverstellung. Dieser
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Zusammenhang ist durch eine gestrichelte Linie vom entsprechenden Rad zur abstrakten Systemkomponente Überwachung und Diagnostik dargestellt.
Bild 16: Aktivierung der Regler zur Sturzverstellung aufgrund zu hoher Querverschiebung des Fahrwerks im Gleis
Der Regler zur Sturzverstellung veranlasst die Sturz-Aktorik, den Sturzwinkel jedes
Rads einzustellen. In Bild 17 sind die berechneten Sturzwinkel direkt an jedem Rad des
Fahrwerks dargestellt. Die Darstellung entspricht der Darstellung des Lenkwinkels.
Während der Analyse der Sturzverstellung werden die Visualisierungstechniken zur
Analyse der Lenkwinkel ausgeblendet. Der Sturz bleibt solange aktiv, wie die Querverschiebung über einem definierten Schwellenwert liegt. Wird die Querverschiebung wieder geringer, wird der Sturz deaktiviert; in der VR-Anwendung werden wieder die
Lenkwinkel visualisiert.
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Bild 17: Darstellung der aktuellen Sturzwinkel sowie der Querverschiebung im Gleis
Mit Hilfe der Visualisierungstechniken in der VR-Umgebung kann ein Entwickler den
Zusammenhang zwischen Daten des Reglers und dem Fahrwerksverhalten beobachten:
Er sieht die Querposition des Fahrwerks, den Informationsfluss zwischen Überwachung
und Spurführungsregelung sowie die berechneten und gestellten Größen der Regler.
4
Maschinenbau braucht Systems Engineering
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen: Die Herausforderungen der Entwicklung
intelligenter technischer Systeme von morgen sind die verstärkte Interdisziplinarität und
die steigende Komplexität der zu entwickelnden Systeme selbst. Die Erzeugnisse von
heute und morgen können nicht mehr aus dem Blickwinkel einer einzelnen Fachdisziplin gesehen werden und somit auch nicht mit ihrer Methodik allein entwickelt werden.
Aber auch neuere fachdisziplinübergreifende Ansätze, wie die VDI-Richtlinie 2206
„Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme“ [VDI2206], greifen für die Entwicklung der technischen Erzeugnisse von morgen nicht weit genug, da sie längst nicht
alle Aspekte eines komplexen technischen Systems und dessen Entstehung abdecken.
Die etablierten Entwicklungsmethodiken des klassischen Maschinenbaus können den
Herausforderungen nicht gerecht werden. Die Lücke zwischen steigender Produktkomplexität und der Leistungsfähigkeit fachdisziplinspezifischen Entwicklungsmethoden
öffnet sich zunehmend (Bild 18).
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Bild 18: Systems Engineering schließt die Lücke zwischen Produktkomplexität und der
Leistungsfähigkeit fachdisziplinspezifischer Entwicklungsmethoden
Systems Engineering ist ein naheliegender Ansatz dieser Entwicklung zu begegnen. Es
hat seine Wurzeln in den philosophischen Betrachtungen zur allgemeinen Systemtheorie
(Bild 19). BERTALANFFY kritisierte die deduktiven Verfahren der Naturwissenschaften
und die damit einhergehende isolierte Betrachtung von Einzelphänomenen [Ber32],
[Ber51]. Anstelle von Einzelphänomenen müssen Phänomene in ihrer Vernetzung und
somit als System beschrieben werden: „Systeme“ existieren parallel in unterschiedlichen Wissensgebieten, sie stehen dabei jedoch stets in Interaktion und beeinflussen sich
gegenseitig. Die allgemeine Systemlehre beschreibt das „grenzübergreifende“ Zusammenwirken beliebiger Systeme und Disziplinen. Die technikwissenschaftlichen Arbeiten zur Kybernetik durch WIENER und KÜPFMÜLLER/STEINBUCH griffen den Ansatz des
systemischen Denkens auf, um Modellkonzepte der Regelungs- und Informationslehre
zu verallgemeinern [Wie48]. Kernaspekt ist das Ursache-Wirkungs-Prinzip.
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Bell Laboratories
Deutscher
Ingenieurtag:
Systemtechnik
Bertalannfy
500 v. Chr.
Aristoteles
Sokrates
1700
Smith
Kant
1920
Ropohl
1940
Wiener
Küpfmüller
Steinbuch
1960
Ehrlenspiel
1980
2000
Daenzer/
Huber
Mechatronisierung
Bischoff, Hansen, Bock
1. SE-Vorlesung überhaupt (MIT)
Bild 19: Geschichte des Systems Engineering
Operations Research-Anwendungen im zweiten Weltkrieg und die Arbeiten der Bell
Laboratories in den 1940er Jahren bei der Planung von Telekommunikationsnetzwerken
gelten als der Ursprung des industriellen Systems Engineerings. Hierbei spielte interdisziplinäres Systemdenken eine wesentliche Rolle. Den Durchbruch in der Praxis erzielte das SE jedoch ab Ende der 1950er Jahre im Rahmen der militärischen Luft- und
Raumfahrtprogramme der USA – und beschränkt sich bis heute fast ausschließlich auf
diesen Bereich. Es entstanden zahlreiche Handbücher, Best Practices und Standards.
HANSEN, BISCHOF und BOCK sind Vertreter der Ilmenauer Schule. Bereits zu Beginn der
1950er Jahre machten sie Vorschläge zum methodischen Konstruieren. Sie berücksichtigen hierbei auch wichtige denkpsychologische und heuristische Ansätze [Han56].
1974 ist von HANSEN ein Werk mit dem Titel Konstruktionswissenschaft erschienen.
Mit den Grundlagen der Systemtechnik, der Informatik bzw. Datenverarbeitung beschreibt er den Konstruktionsprozess und die Struktur technischer Gebilde [Han74].
Motto des Deutschen Ingenieurtags von 1971 des VDI war die „Systemtechnik“. In diesem Jahr findet sich auch eine Veröffentlichung von BEITZ in den VDI-Berichten mit
dem Titel „Systemtechnik im Ingenieurbereich“ [Rop75], [Bei71].
In Deutschland wurde der Begriff Systemtechnik zunächst durch ROPOHL geprägt. Seiner Ansicht nach liegt die Bedeutung der Systemtechnik darin, der Ingenieurpraxis neue
Arbeitsverfahren und Hilfsmittel zugänglich zu machen. Darüber hinaus liegt ihre Leistung darin, bekannte Einzelerscheinungen in neuem Zusammenhang sehen und dadurch
besser verstehen und beherrschen zu können. Die Grundlagen und Anwendung der Systemtechnik beschreibt er in seinem vom Carl Hanser Verlag 1975 herausgegebenem
Buch. In dieser Zeit wurden weitere wichtige Arbeiten für die Produktentstehung geschrieben: die Arbeiten von HABERFELLNER, die von DAENZER und HUBER [DH76] herausgegeben worden sind, und die Arbeiten von PAHL/BEITZ [PB77].
Auf dem Weg zu intelligenten technischen Systemen
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Das systemische Denken und die Mechatronisierung sind thematisch eng verbunden.
Die voranschreitende Mechatronisierung setzt das systematische Denken in der Produktentwicklung voraus. Paradoxerweise wurde das systemische Denken mit der aufkommende Mechatronisierung in der Ende der 1970er Jahre aber nicht weiter vorangetrieben. Vielmehr wurden gerade in den 1980er Jahren in der Konstruktionslehre spezielle Aspekte fokussiert, wie z.B. Kosten, Arbeitsmethoden, Variantenkonstruktion,
Vorgehensmodelle, Qualitätsmanagement und Konstruktionskataloge. Das zeigt sich
bspw. in den Arbeiten von ROTH [Rot82], FRANKE [Fra85] oder KOLLER [Kol85]. Darüber hinaus steht auch die Automatisierung und Unterstützung der Konstruktion durch
CAD stark im Mittelpunkt der Arbeiten. Parallel hierzu steht in der Fertigung die Fertigungsrationalisierung im Fokus.
Systems Engineering hat das Potential, Disziplinen und vielfältige Aspekte zu integrieren und ist somit die Grundlage für die Entwicklung intelligenter technisches Systeme.
Die finale Konkretisierung in der Entwicklung solcher Systeme wird weiterhin durch
etablierte fachgebietsspezifische Methoden bestimmt. Um die Herausforderungen der
zukünftigen Entwicklung zu begegnen, muss die Kluft zwischen dem aktuellen Leistungsstand des Systems Engineerings und der fachgebietsspezifischen Methoden geschlossen werden (Bild 20). Es bedarf eines Advanced Systems Engineering. Es ist der
Schlüssel zur Komplexitätsbeherrschung der Produktentstehung von morgen.
Bild 20: Advanced Systems Engineering
Advanced Systems Engineering muss folgenden Gesichtspunkten gerecht werden.



Multidisziplinäre Systeme erfordern eine ganzheitliche Systembetrachtung, die
das Gesamtsystem in den Mittelpunkt stellt. Dies gilt besonders für die frühe
Phase der Konzipierung, aber auch entwicklungsbegleitend, um das nach wie
vor notwendige disziplinspezifische Entwerfen und Ausarbeiten zu orchestrieren.
Der Produktlebenszyklus ist insbesondere in den frühen Phasen der Produktentstehung zu antizipieren, um die Voraussetzungen für den Nachweis eines attraktiven Return on Investment über die gesamte Marktphase zu schaffen.
Produkt- und Produktionssystem sind im Wechselspiel integrativ zu entwickeln,
da sie sich stark determinieren. Dies gilt besonders für die frühen Phasen, d.h.
die Produktkonzipierung ist um die Konzipierung der Produktionsprozesse und systeme zu ergänzen.
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J. Gausemeier, H. Anacker, A. Czaja, H. Waßmann, R. Dumitrescu
Das Geschehen in der Produktentstehung muss als vernetztes sozio-technisches System
verstanden werden. Nur so lassen sich die Akzeptanzprobleme von Systematik und methodischem Vorgehen, die jeder Führungskraft in der Produktentstehung bestens bekannt sind, überwinden.
Die Forschungsarbeiten des Heinz Nixdorf Instituts greifen genau diesen Bedarf auf.
Ziel ist eine neue Schule des Entwurfs für Intelligente Technische Systeme. Dies umfasst
das Erarbeiten und Etablieren neuer Vorgehensmodelle, Spezifikations- und Modellierungstechniken in der Produktentwicklung. Außerdem werden dedizierte Methoden und
IT-Werkzeuge zur Synthese und Analyse der Systeme erforscht. Entsprechende Ausund Weiterbildungsprogramme sichern den erfolgreichen Transfer der Ergebnisse.
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Autoren
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier ist Professor für Produktentstehung am Heinz
Nixdorf Institut. Er promovierte an der TU Berlin bei Prof. Spur. In seiner zwölfjährigen Industrietätigkeit war Dr. Gausemeier Entwicklungschef für CAD/CAM-Systeme
und zuletzt Leiter des Geschäftsbereiches Prozessleitsysteme. Er ist Mitglied des Vorstands und Geschäftsführer der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktentwicklung
(WiGeP). Ferner ist er Initiator und Aufsichtsratsvorsitzender des Beratungsunternehmens UNITY AG. Herr Gausemeier ist Vizepräsident von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissen-schaften. 2012 wurde er erneut in den Wissenschaftsrat berufen.
Dipl.-Ing. Harald Anacker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktentstehung bei Prof. Gausemeier am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn. Im Rahmen seiner Tätigkeit arbeitet er an Methoden und Werkzeugen für den
Entwurf mechatronischer Systeme.
Dipl.-Wirt.-Ing. Anja Czaja ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Produktentstehung bei Prof. Gausemeier am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn. Im Rahmen ihrer Tätigkeit arbeitet sie an Methoden und Werkzeugen für den
Entwurf mechatronischer Systeme.
Dr. Helene Waßmann studierte Informatik an der Universität Paderborn. Ihre Schwerpunkte lagen im Bereich der Computergrafik und der Digitalen Bildverarbeitung. Seit
2007 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Produktentstehung (Prof.
Dr.-Ing. Gausemeier) des Heinz Nixdorf Instituts. Hier beschäftigt sie sich mit der Visualisierung technischer Systeme mit Hilfe der Technologien Virtual Reality and Augmented Reality.
Dr.-Ing. Roman Dumitrescu studierte Mechatronik an der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg. Im Anschluss war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Lehrstuhl für Produktentstehung am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn.
Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier promovierte er 2010 im Bereich Systems Engineering für intelligente mechatronische Systeme. Seitdem leitet er in
der Projektgruppe Entwurfstechnik Mechatronik des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT die Abteilung Produktentstehung. Ferner ist er Geschäftsführer des
Spitzenclusters Intelligente Technische Systeme OstWestwalenLippe (it´s OWL) und
verantwortet den Bereich Strategie und FuE.

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